DER BAUER


Ein Märchen

von Josef Maria von der Ewigen Weisheit


ERSTES KAPITEL

In dem schönen grünen Friesland
Hinterm Deich der Nordseeküste
Unter hohem blauem Himmel
Lebte einst ein alter Bauer.

Otto war des Bauern Name
Und er zählte fünfzig Jahre,
Hatte keine Ehegattin,
Hatte keine lieben Knaben.

Aber Kühe hatte Otto,
Drei geliebte Mutterkühe,
Hießen Luna und Diana,
Hekate, so hieß die dritte.

Und der Friesenbauer Otto
Liebte seine Mutterkühe,
Weiß wie Neuschnee war Diana,
Rötlichbraun die runde Luna,

Hekate war schwarz wie Raben.
Und die Mutterkühe gaben
Immer Milch aus ihrem Euter
Und es wurde voll der Eimer.

Diese Milch verkaufte Otto,
Abgefüllt in großen Kannen.
Und die Frauen schöpften oben
Sahne für den süßen Tee ab.

Eines Morgens aber Otto
In den Stall trat zu den Kühen,
Wollte an dem Euter melken,
Doch da waren leer die Euter.

Und da wunderte sich Otto:
Haben Luna und Diana
Oder Hekate denn nicht gefressen
Reichlich Klee auf meiner Weide?

Warum geben sie denn Milch nicht,
Warum sind denn leer die Euter?
Meine lieben Mutterkühe,
Heute auf die andre Weide

Bring ich euch, da sollt ihr fressen
Von dem besten Klee der Wiese,
Und der Klee sei euch ein Zeichen
Von dem Vater, Sohn und Geiste.

Denn dreifaltig ist das Kleeblatt,
Doch einfaltig ist der Stengel,
So die drei Personen Gottes,
Eins ist aber Gottes Wesen.

Also brachte Bauer Otto
Seine Kühe auf die Weide,
Wo sie satt sich fressen konnten,
Klee und Gras und Sauerampfer.

Und am Abend in dem Stalle
Nahm er vor sich seine Rinder,
Unterm Euter der Diana
Saß er auf dem kleinen Schemel,

Nahm in seine Hand die Zitzen
Und er molk die Zitzen langsam,
Doch Diana wollte keine
Milch in seinen Eimer spritzen.

Fast schon wollte er verzweifeln,
Wandte sich zur runden Luna,
Hockte unter ihrem Euter,
Zupfte an den Zitzen langsam,
Aber keine Milch gab Luna.

Gott im Himmel, bist du mächtig?
Aber wo ist deine Allmacht?
Gott im Himmel, bist du gütig?
Aber wo ist deine Liebe?

Willst du oder kannst nicht helfen?
Vater! Willst du mich verspotten?
Ach, auch Hekate gibt Milch nicht!
Unfruchtbar sind meine Rinder.

Traurig ist er eingeschlafen.
In den Schlaf hat ihm geholfen
Der Kartoffelschnaps, der scharfe,
Kurz nur schlief er, aber traumlos.

Morgens aufgewacht ist Otto,
Hoffnungsfunken in dem Herzen,
Und er konnte sogar scherzen,
Aber lesen nicht und schreiben,

Also sprach er zu sich selber:
Kuh wird Q geschrieben, oder?
Und dann trieb er seine Rinder
Auf die allerbeste Aue.

Fressen sollt ihr, meine Rinder,
Denn das Fressen hält die Seele
Innig mit dem Leib zusammen,
Seele habt ihr, meine Rinder.

Was auch die Pastoren sagen,
Seelen hätten nur die Menschen,
Schaut nur in die Rinderaugen
Oder in der Rotbrust Äuglein,

Seelen haben auch die Tiere,
Tierisch eben ihre Seelen,
Können sprechen nicht und denken,
Aber fühlen und gehorchen.

Und auf meinem Gartentore
Auch die roten Heckenrosen
Haben Seelen, wie ich glaube,
Duftend ist der Rose Seele,

Pflanzlich ist der Blumen Seele,
Seelchen freut sich an der Sonne,
Seelchen freut sich an dem Regen,
Seelchen freut sich an der Erde.

Mutter Erde, schwarze Schwester,
Mutter Erde nährt die Rinder,
Gott lässt wachsen jedes Gräslein.
Gräslein du, in Gottes Namen!

Ottos Kühe also standen
Einen Tag auf fetter Weide,
Kehrten abends in den Stall heim,
Otto trunken ging zu Bette.

Und am hoffnungsfrohen Morgen
Griff er nach Dianas Euter
Und berührte Lunas Zitzen,
Suchte Hekate zu melken.

Aber wie frustrierend war es!
Wieder groß war die Enttäuschung!
Keine Milch floss in den Eimer!
Also groß ist die Enttäuschung,

Wenn ein kleiner Knabe wartet
Alle Tage auf ein Päckchen,
Das Geschenk des fernen Onkels,
Doch die Postarbeiter streiken.

Ihr versoffnen Postarbeiter,
Ihr verfluchtes Pack, ihr faulen,
Kommunisten seid ihr, möchtet
Eine schlimme Staatsumwälzung!

Aber Otto sich ermannte:
Wenn die Welt voll Teufel wäre,
Christen trotzen stets dem Teufel,
Gott ist unsre Wehr und Waffe!

Also, meine süßen Rinder,
In der Nachbarschaft die Aue
Ist so ungeheuer fruchtbar,
Ist ein Paradies für Kühe,

Ein Schlaraffenland für Rinder!
Meine Kühe, ihr sollt schlemmen,
Euch der Völlerei nicht schämen!
Dicke Kühe – gute Kühe!

Und am Abend holte Otto
Seine Kühe in den Stall heim.
Rinder, seid ihr satt geworden?
Morgen werde ich euch melken,

Denn ich sehe eure Euter,
Prall sind eure schönen Euter,
Eure Euter, eure Mammas!
Morgen werde ich euch melken.

Voller Hoffnung auf den Morgen
Otto ging am Abend schlafen,
Er beruhigte die Freude
Mit Kartoffelschnaps in Menge.

Hoffnung, schöner Götterfunken,
Tochter aus dem Garten Eden!
Wir betreten schnapsbetrunken,
Himmlische, der Hoffnung Garten!

Aber welch ein bittrer Zufall!
Ach, wir sind doch Elendskinder!
Wir sind doch des Unglücks Söhne,
Wir vom schwarzen Pech verfolgte!

Leer war der Diana Euter,
Leer war auch der Luna Euter,
Auch an Hekate nur Leere!
Alles sinnlos! Alles sinnlos!

Nichtigkeit der Nichtigkeiten!
Alles absolute Leere!
Besser wär es nie geboren!
Besser wär es, jung zu sterben!

Das ist gar nicht lieb, o Schöpfer!
Warum bist du nur so grausam!
Ist denn jeder Engel schrecklich?
Wer denn hört mich, wenn ich rufe?

O du lieber Bauernheiland,
Leonhard mit deinen Ketten,
Was nur denk ich, was nur mach ich?
Otto hatte einen Einfall:

Sicher, wenn ich nachts betrunken
In der Heimat Federbetten
Schnarchend liege, Unsinn träume,
Träum von Frauen, träum von Weisheit,

Kommen nächtlich meine Feinde,
Und sie melken meine Kühe,
Melken Luna und Diana,
Melken Hekate, die schwarze.

Aber heute Abend will ich
Dem Kartoffelschnaps entsagen,
Ich versteck mich beim Holunder
Und bewache meine Kühe.

Wenn dann meine Feinde kommen,
Wenn sie meine Kühe melken,
Pack ich sie bei dem Schlafittchen,
Ich verhaue meine Feinde,

Ja, ich werde sie verprügeln,
Schlage ihnen in die Fresse.
Hole meinen Feind der Teufel!
Gott bekehre meine Feinde!


ZWEITES KAPITEL

Mitternacht und voller Mondschein,
Otto unter dem Holunder,
Hinterm Fliederbusche birgt sich
Und betrachtet seine Kühe.

Plötzlich hört er leise Töne
Wie von himmlischen Gitarren
Und das Klingen leiser Zimbeln
Und melodische Gesänge.

Alles scheint vom Mond zu kommen,
Die Musik und die Gesänge,
Also Otto schaut nach oben
Zu dem vollen Mondgesichte.

Von dem Vollmond flossen Schimmer
Und bewegten Flut und Ebbe
In der grauen Mordsee Nordsee.
Und das Licht floss zu dem Stalle.

Auf den Bahnen dieses Lichtes
Schwebten schöne Himmelsmächte,
Schwebten näher zu der Erde,
Zu der Menschen schwarzen Mutter.

Und die Himmelsmächte waren
Kleine nackte Flügelknaben
Und die allerschönsten Mädchen,
Wie Apsaras oder Huris.

Und die Himmelsmächte stiegen
Nieder auf den Kuhstall Ottos
Und die Knaben und die Mädchen
Schwebten zu den Kühen Ottos.

Und die Mädchen mit den Händen
Griffen nach den steifen Zitzen
An den prallen Eutern, molken,
Spritzten Milch in Silberkannen.

Eben wollten sie entschweben,
Erst die nackten Flügelknaben,
Dann die allerliebsten Mädchen
In den transparenten Kleidchen,

Da erwachte Bauer Otto
Von der Trance und der Ekstase,
Und er wollt die Mädchen haschen,
Die ihm seine Milch gemolken.

Doch die Knaben und die Mädchen
Flohen vor dem alten Bauern,
Schwebten auf zum vollen Monde,
Eine nur hielt er am Zipfel,

Hielt sie fest am Saum des Röckchens,
Dass sie konnte nicht entfliehen.
Und er schaute an das Mädchen,
Die sie war von allen Mädchen

In dem ganzen All die Schönste,
Unter einem Purpurschleier
Seidenglatte schwarze Haare,
Ihre Augen mandelförmig,

Mund wie Mona Lisas Lächeln,
Ebenmäßig ihre Nase,
Ihre schön gewölbten Wangen
Keusch erröteten in Schamrot,

Schwanenhals der Hals des Mädchens,
Transparent ihr Seidenkleidchen,
Schön bestickt mit goldnen Rosen,
Brüste wie Magnolienblüten,

Auch ihr Nabel schön, ein Weinkelch,
Unterm kurzen Miniröckchen
War der Mutterschoß verborgen,
Keuscher Mutterschoß der Jungfrau.

Otto also, wie verständlich,
Sich verliebte in die Jungfrau,
Aber Wunder über Wunder,
Sie auch liebte gleich den Otto.

Dies war ersten Blickes Liebe.
Otto dachte: Eine Göttin
Ist die makellose Jungfrau,
Und er sagte zu der Jungfrau:

Königin, ich bins nicht würdig,
Dass du kommst in meine Hütte,
Aber sprich du nur ein Wörtlein,
So gesundet meine Psyche.

Und da sprach die schöne Jungfrau:
Schatz, mein Name ist Maria,
Willst du mich zur Gattin nehmen,
Nehm ich dich zum Ehemanne.

Otto seufzte: Ja, o Jungfrau,
Werde meine Ehegattin,
Werde du die Meine, Göttin,
Siehe, ich bin ganz der Deine!

Und Maria sprach, die Jungfrau:
Nun du Ja zu mir gesagt hast,
Sag ich Ja zu meinem Otto,
Gott der Herr gibt uns den Segen.

Otto sagte zu der Jungfrau:
Allerheiligste Maria,
Komm du nun in meine Hütte,
Tisch und Bett mit mir zu teilen.

Und Maria legte ihren
Schleier ab, die langen Haare
Fielen wallend auf die Erde
Und verhüllten ihre Nacktheit.

Eine Statue der Venus
Gibt ein ungefähres Gleichnis
Dieser jungen, schlanken, nackten
Himmelskönigin Maria.

O Mysterium der Ehe!
Sacramentum Caritatis!
Gültig wurde diese Ehe
In dem Akte der Vermischung!

O wie überglücklich Otto
Wachte auf am späten Mittag.
Da stand schon die Frau am Bette
Mit dem ersten Tee im Tässchen.

In dem Winkel seiner Hütte
Aber Otto sah ein Körbchen,
War ein Bastkorb, wie er Moses
Einst auf Vater Nil getragen.

Und der Bastkorb war verschlossen,
Und Maria sprach zu Otto:
Otto, vielgeliebtes Schätzchen,
Du mein Baby, du mein Engel,

Schau genau dir an den Bastkorb,
Hör genau auf meine Worte:
Öffne niemals diesen Bastkorb,
Du gehorche meiner Weisung.

Wenn du nie den Bastkorb öffnest,
Dann wird unsre Ehe selig
Sein ein Paradies auf Erden
Und wir leben ohne Ende!

Doch wenn du den Bastkorb öffnest,
Um zu schauen, was darinnen,
Dann wirst du zum Sohn des Elends,
Ach, dann muss ich dich verlassen.

Otto sprach: Mein Herr Maria,
Nie will ich den Bastkorb öffnen.
Ich will meine Kühe führen
Auf die Aue, du magst kochen

Uns ein Mahl, wie ich es liebe,
Den gewürzten Schweinebraten,
Die Kartoffeln und den Rotkohl,
Koch du auch Vanillepudding.

Also Otto ging zur Arbeit
Und Maria blieb zuhause,
Fegte Staub und wusch die Wäsche,
Kochte Tee und briet den Braten,

Als sie mit der Arbeit fertig,
Ging Maria in den Garten,
Unter dem Holunder saß sie
Und da las sie in der Bibel.

Und sie träumte, Bibel lesend,
Wie es doch so herrlich wäre,
Wenn sie viele Kinder hätte
Von dem vielgeliebten Otto.

Abends aßen sie zusammen.
Otto las noch in der Zeitung,
Und Maria las Gedichte
Von dem größten Dichter Frieslands,

Und sie legten sich zu Bette,
Schmiegten eng sich aneinander,
Und Maria sagte flüsternd:
Was, wenn wir nun Kinder hätten?

Aber Knaben! sagte Otto.
Knaben will ich, viele Knaben,
Sieben kleine Jesusknaben
Möchte ich von dir, Maria!

Und sie schliefen, meerumschlungen.
Und am Morgen sagte Otto:
Meine Liebste, heut ist Sonntag,
Du willst sicher in die Kirche,

Lass mich heut zu Hause bleiben,
Kann ich doch den Pfaff nicht leiden.
Und Maria ging zur Kirche,
Anzubeten Christi Corpus.

Aber Otto blieb im Bette,
Rauchte seine Tabakspfeife,
Schaute plötzlich auf den Bastkorb,
Dachte: Was ist wohl darinnen?

Niemand sieht mich. Ich will heimlich
Mir die Sünde wohl erlauben,
Mags der liebe Gott verzeihen
Nächstes Ostern bei der Beichte.

Und er öffnete den Bastkorb,
Und er sah, was er gesehen,
Siehe, das war nichts! Nur Leere!
Ach, ich habe nichts gesehen,

Sagte Otto, und Maria
Trat ins Haus und sagte: Weh mir!
Du hast meinen Korb geöffnet!
Was ist schon dabei, sprach Otto,

Ist doch nichts in diesem Bastkorb!
Nichts? Was bist du für ein Dummkopf!
Sprach Maria, in dem Bastkorb
Waren unsichtbare Gnaden,

Liebe, Weisheit und Erbarmen,
Huld, Gerechtigkeit und Güte,
Zärtlichkeit und treue Freundschaft,
Geist und Mitgefühl und Mitleid!

Doch du Dummkopf bist verblendet,
Kannst nicht sehn die Gnade Gottes!
Eine Wolke kam, umhüllte
Unsre Liebe Frau Maria

Und Maria floh gen Himmel,
Otto hörte ihre Stimme
Immer leiser werden, hörte:
Wehe, wehe, wehe, wehe!