von
Josef Maria von der Ewigen Weisheit
ERSTES
BILD
(Psyché
auf einem Stuhl, allein und einsam.)
PSYCHÉ
Ist
dies Geschenk ein Fluch? Ich wollte nie die Schönheit.
Ich
wünsche nur, zu lieben und geliebt zu werden!
(Sie
weint.)
(Männer
besuchen sie, um Geschenke und Lob zu überbringen.)
ERSTER
MANN
O
höchste Schönheit! Nimm du dies bescheidene
Geschenk
der Liebe an von deinem treuen Sklaven!
(Psyché
lehnt das Geschenk ab.)
PSYCHÉ
Ich
kann nicht akzeptieren diese Liebesgabe,
Ich
hab es nicht verdient, zu werden angebetet,
Ich
bin doch keine Göttin, sondern bin ein Mensch!
ZWEITER
MANN
Doch
deine Schönheit ist der Charis Schönheit gleich!
ZWEITES
BILD
(Charis
mit nackten Füßen geht hin und her, besorgt und zornig.)
CHARIS
(zynisch,
aber ruhig)
Ich
Göttin bin die Königin der Schönen Liebe!
Kann
eine Erdenfrau mit mir verglichen werden?
Ich
bin beleidigt, sehr beleidigt von den Männern!
(Sie
sitzt auf ihrem Thron.)
Nun
gut. Die arme Psyché lässt mir keine Wahl.
Ich
bin doch immer noch die Königin der Liebe,
Wenn
auch die Männer alle nur noch Psyché lieben.
(Sie
lacht leise.)
DRITTES
BILD
(Eros
spielt mit seinem Pfeil.)
CHARIS
(süß
und mit überzeugendem Ton)
Geliebter
Eros, Gott, mein vielgeliebter Sohn,
Jetzt
brauch ich eine Wirkung deiner Freundlichkeit...
(Eros
verneigt sich vor Charis.)
EROS
O
Mutter, ich bin dankbar, dass du zu mir kamst.
(Eros
steht auf.)
CHARIS
(fröhlich
und listig)
Ich
brauche dich. Benutze deine Allmacht, Sohn,
Die
Allmacht, Liebe in den Herzen zu erwecken!
Mein
Sohn, verliebe dich in eine Menschentochter!
EROS
In
eine Frau kann ich mich schnell verlieben, Mutter...
CHARIS
Doch
diesmal ist es anders, denn du müsstest dich
Verlieben
in die größte Sünderin des Alls!
EROS
Ich
liebe Sünderinnen! Wer ist diese Frau?
(Charis
zeigt auf Psyché, die sich gerade schminkt.)
CHARIS
Die
Frau ist Psyché. Gott, verliebe dich in sie!
Doch,
Liebling, alle Menschen werden dich verlassen!...
(Charis
geht fort. Eros ist sprachlos vor Psychés Schönheit und sinkt in
die Knie.)
VIERTES
BILD
(Psyché
in ihrem Haus.)
PSYCHÉ
(hilflos)
Ich
bin des Lebens überdrüssig! Ich bins müde!
Ich
bin es leid, statt Liebe – Huldigung zu finden!
Ich
brauche Liebe! Götter! Ach, ich brauche Liebe!
(Psychés
Vater betritt das Haus.)
PSYCHÉS
VATER
(beunruhigt)
Ich
weiß nicht, was du jetzt gerade fühlst, mein Kind,
Doch
bin ich sicher, dass du große Schmerzen leidest!
(Er
umarmt Psyché.)
PSYCHÉS
VATER
(bestimmt)
So
will ich zu dem Delphischen Orakel reisen
Und
dort Apollon fragen, was wir machen sollen.
Erwarte
mich. Ich bringe dir des Lebens Schönheit...
(Psyché
nickt. Ihr Vater verlässt sie wieder.)
FÜNFTES
BILD
(Psychés
Haus. Psychés Vater betritt bedrückt das Haus.)
PSYCHÉ
(aufgeregt)
Was
hat das Delphische Orakel dir gesagt?
PSYCHÉS
VATER
Die
Pythia des Delphischen Orakels sagte,
Du
solltest tiefer Trauer schwarze Kleider tragen
Und
auf den Gipfel eines Felsenhügels steigen.
(Psyché
zwingt sich zu einem Lächeln.)
PSYCHÉ
Und
das ist alles? Nun, dann will ich hier nicht bleiben,
Ich
bin bereit, den kommenden Gemahl zu schauen!
(Psyché
will in ihr Umkleidezimmer gehen.)
PSYCHÉS
VATER
O
Psyché, warte! Ich bin noch nicht fertig. Siehe,
Dein
kommender Gemahl ist eine Flügelschlange...
(Alle
sind schockiert.)
ERSTE
SCHWESTER
O
Psyché, gib dich nicht dem kommenden Gemahl hin,
Er
wird dir nichts als schwere Leiden nur bescheren!
MUTTER
(rufend)
Wie
recht doch deine Schwester hat! Gib nicht die Hand
Zum
Bund dem kommenden Gemahl, der Flügelschlange!
PSYCHÉ
(traurig
lächelnd)
Wie
irrt ihr euch, o Mutter mein und Schwester mein!
Verheißen
ist das Ende lebenslanger Leiden!
So
freut euch doch! Gefunden habe ich mein Schicksal!
(Sie
umarmt alle zusammen.)
SECHSTES
BILD
(Auf
einem Gipfel. Psyché sitzt auf einem Hügel, zitternd vor Angst.
Zephyr hebt sie langsam hoch. Dann landet sie sanft auf einer grünen
Wiese.)
PSYCHÉ
Wie
schön! Hier ist es besser als im Bett zu Hause.
(Psyché
fällt langsam in einen tiefen Schlaf. Sanftes Licht. Sie erwacht vor
der Villa des Eros.)
ERSTE
STIMME
Willkommen,
Psyché, nun in deinem neuen Haus!
PSYCHÉ
(überrascht)
Wer
bist du, Geist, und was denn möchtest du von mir?
ZWEITE
STIMME
Hab
keine Angst, o Herrin! Wir sind deine Diener.
Wir
stehn bereit, um deine Wünsche zu erfüllen.
DRITTE
STIMME
Wir
wissen, dass du müde bist und hungrig, Herrin,
Und
so bereiten wir dir nun ein schönes Fest!
(Psyché
setzte sich auf einen Stuhl und genießt die köstlichsten Speisen,
die sie je gegessen hat.)
SIEBENTES
BILD
(Im
Schlafzimmer der Villa des Eros. Psyché liegt auf dem Bett.)
PSYCHÉ
Wann
kommt mein Bräutigam? Und liebt er wirklich mich?
Ich
bin doch nicht geeignet, seine Braut zu sein.
ZWEITE
STIMME
Entspann
dich, meine Herrin! Ganz gewiss, er kommt!
PSYCHÉ
Wann
aber kommt der Bräutigam zu seiner Braut?
DRITTE
STIMME
Der
Bräutigam kommt bald! Der Bräutigam kommt schnell!
(Psyché
bettet sich weich und schläft ein. Eros kommt und legt sich neben
Psyché und umarmt sie.)
EROS
(flüstert,
unsichtbar)
Willkommen
sei in deiner Heimat, liebe Frau!
(Psyché
öffnet langsam die Augen. Sie lächelt.)
PSYCHÉ
(in
Gedanken)
Ich
wusste es, mein Bräutigam ist keine Schlange!
Wie
zärtlich sind doch meines Vielgeliebten Hände!
(Psyché
fasst die Hände von Eros.)
ACHTES
BILD
(Im
Schlafzimmer des Eros. Psyché sitzt auf dem Bett. Sie kämmt ihre
langen Haare.)
DES
EROS STIMME
O
Psyché, liebe Frau, ich bin zu dir gekommen,
Um
dich vor einer schrecklichen Gefahr zu warnen!
PSYCHÉ
Gefahr?
Erklär sie mir, dass ich sie meiden kann!
STIMME
DES EROS
Gefährlich
ist für dich der Neid der beiden Schwestern.
Sie
trauern auf dem Berg, wo du verschwunden bist.
PSYCHÉ
Wie,
meine Schwestern? Meine Schwestern sind nicht böse.
Sie
werden ihrer jungen Schwester niemals schaden.
Gewähre
mir den Wunsch, zu sehen meine Schwestern,
Sie
sollen wissen, dass ich sicher bin gerettet
Und
in der Obhut meines Gottes glücklich bin!
STIMME
DES EROS
Der
Neid der beiden Schwestern wird Zerstörung bringen.
PSYCHÉ
Das
kann ich gar nicht glauben, lieben sie mich doch.
STIMME
DES EROS
Ich
lass dich deine Schwestern sehn. Versprich mir aber,
Dass
du dich nicht verführen lässt von deinen Schwestern
Und
schuldig dann versuchst, mein Angesicht zu schauen!
PSYCHÉ
Das
will ich gern geloben. Ich bin ja so dankbar,
Dass
du gewährst den Wunsch, zu sehen meine Schwestern.
(Psyché
lächelt und schläft ein.)
NEUNTES
BILD
(Wohnzimmer
in der Villa des Eros. Psyché und ihre beiden Schwestern sehen sich
und umarmen sich.)
ZWEITE
SCHWESTER
O
Schwester Psyché, wir vermissten dich so sehr,
Wir
dachten, etwas schrecklich Böses sei geschehen.
ERSTE
SCHWESTER
Wir
sind sehr froh, dass du noch lebst, noch immer schön bist.
PSYCHÉ
(lacht)
Ich
hatte Angst, doch dann hab ich den Mann erkannt,
Die
Liebe zu dem Bräutigam hat mich verwandelt.
ERSTE
SCHWESTER
(wie
im Tagtraum)
Wie
ist dein Gatte? Reizend, attraktiv, bezaubernd?
PSYCHÉ
(stammelnd)
Er
ist ein junger Mann. Jetzt ist er fort, zur Jagd.
(Psyché
wirkt fremd und geheimnisvoll.)
PSYCHÉ
Es
ist schon spät. Ihr beiden solltet gehen jetzt.
(Psyché
schenkt ihnen Juwelen und Gold.)
PSYCHÉ
Nehmt
dies Geschenk von meinem Bräutigam und mir.
(Die
Schwestern verlassen sie, Psyché ist erleichtert, wieder allein zu
sein. Alles ist dunkel.)
ZEHNTES
BILD
(Des
Eros Schlafzimmer.)
STIMME
DES EROS
(verzweifelt)
O
Psyché, bitte, lass von diesem Ärgernis!
Wenn
du so weitermachst, wir werden beide leiden
Und
du wirst mich dann nicht mehr wieder sehen, Frau!
PSYCHÉ
(bestimmt)
Ich
hab nichts falsch gemacht, was irgend Schaden brächte!
Doch
wenn wir weiter streiten, schadet das uns beiden!
STIMME
DES EROS
(müde)
Tu,
Psyché, was du willst, doch gib nicht mir die Schuld!
ELFTES
BILD
(Wohnzimmer.
Die beiden Schwestern warten auf Psyché und schmieden einen bösen
Plan. Psyché kommt und umarmt ihre Schwestern.)
PSYCHÉ
(fröhlich)
Dank,
dass ihr kamt und füllt die Einsamkeit mir aus.
ERSTE
SCHWESTER
Was
Einsamkeit? Warum? Wo ist dein Bräutigam?
PSYCHÉ
(schockiert)
Wie
peinlich… Ist er doch noch immer auf der Jagd.
ZWEITE
SCHWESTER
Das
kann ich gut verstehn. Mein Mann geht auch oft jagen,
Vielleicht
begegnen sich die beiden eines Tages.
Nun
sag uns aber, wie sieht eigentlich dein Mann aus?
PSYCHÉ
Ich
bin nicht gut in der Beschreibung schöner Menschen,
Auch
ist mein Gatte einfach unbeschreiblich schön!
ZWEITE
SCHWESTER
Doch
seinen Namen, Schwester, den kannst du uns sagen?
PSYCHÉ
(fängt
fast zu weinen an)
Sein
Name? Ja, ganz unaussprechlich ist sein Name!
(Psyché
weint laut und sinkt auf die Knie.)
ERSTE
SCHWESTER
(mit
vorgetäuschter Sorge)
Ists
der, von dem das Delphische Orakel sprach?
ZWEITE
SCHWESTER
(mit
tiefer Stimme)
Dann
ist es sicher jene schrecklich böse Schlange?
(Psyché
schmiegt sich an die Beine ihrer Schwestern.)
PSYCHÉ
Nein!
Nicht die Schlange! Mein Gemahl ist sanft und gut!
ERSTE
SCHWESTER
Wie
könntest du das wissen? Sahest du ihn je?
Der
Böse hat sich nur als Lichtgestalt verkleidet!
(Psyche
macht sich frei von den Beinen ihrer Schwestern. Die zweite Schwester
hilft ihr aufzustehen.)
ZWEITE
SCHWESTER
Sei
nur nicht traurig, Psyché! Es muss möglich sein,
Das
wahre Wesen deines Gatten zu erkennen!
PSYCHÉ
(ängstlich)
Wie
kann ich denn erkennen meines Gatten Wesen?
(Sie
flüstern ihr von ihrem Plan ins Ohr. Psyché sieht traurig aus,
nachdem sie den Plan gehört hat.)
ZWÖLFTES
BILD
(Des
Eros Schlafzimmer. Psyché liegt in ihrem Bett. Eros kommt und
schläft neben Psyché.)
PSYCHÉ
(In
Gedanken, verwirrt)
Soll
ich es tun? Was wäre wenn? Was, wenn es wahr ist?
Ja,
könnte ich die Wahrheit überhaupt ertragen?
Ach
weh, ich wollte doch mit ihm für immer eins sein!
Doch
wollte ich auch gerne schaun sein Angesicht!
Ich
möcht sein Lächeln sehen… seine Augen... alles...
(Psyché
steht langsam auf. Sie nimmt eine Lampe. Eros wird beleuchtet. Sie
nimmt ein Messer. Psyché schaut Eros und schaut ihn bewundernd und
staunend an. Sie weint vor Freude.)
PSYCHÉ
Der
ist mein Bräutigam? Ach, nicht ein Schreckgespenst,
Vielmehr
das schönste Wesen, das ich je gesehen!
(Sie
lässt das Messer fallen. Psyché nähert sich langsam dem Antlitz
des Eros.)
PSYCHÉ
Nur
eine zärtliche Berührung… Das genügt mir...
(Einige
heiße Tropfen Öl aus der Lampe fallen auf des Eros Schulter. Eros
wacht auf. Psyche berührt den Eros sanft.)
PSYCHÉ
(besorgt)
Ach
weh mir! Bist du unverwundet? Tut es weh?
(Eros
schiebt Psyché von sich.)
EROS
(zornig)
Rühr
mich nicht an! Ah, meine Frau hat mich betrogen!
Du
hast mir nicht gehorcht! Was glaubtest du mir nicht?
Warum
vertrautest du nicht deinem Bräutigam?
PSYCHÉ
(ängstlich
und besorgt)
Es
tut mir leid! Ach, ich bereue es zutiefst!
Ich
war verwirrt! Ich wusste gar nicht, was ich tat!
Was
soll ich sagen, lieber Herr? Ich will nur dich!
(Eros
eilt fort.)
STIMME
DES EROS
Die
Liebe kann nicht leben, gibt es kein Vertrauen!
PSYCHÉ
Der
Gott der Liebe? Eros ist mein Bräutigam?
(Psyché
weint laut.)
PSYCHÉ
Er
war mein Bräutigam! Ich glaubte nicht an ihn!
Ist
er für immer fort? Darf ich ihn nie mehr sehen?
Was
soll ich tun? Ich will zurück zu meinem Herrn!
(Psyché
erhebt sich.)
PSYCHÉ
Ich
will ihn suchen, ja, mein ganzes Leben lang!
DREIZEHNTES
BILD
(Tempel
der göttlichen Charis. Psyché bietet einige Geschenke der Statue
der Charis an.)
PSYCHÉ
(in
Gedanken)
Ich
weiß nicht, ob das ist ein guter Plan. Vielleicht
Kann
meines Gottes Mutter meine Rettung sein.
Dann
ist es möglich, dass ich Eros wiedersehe.
(Psyché
betet zu Charis.)
PSYCHÉ
O
meine große Göttin! Ich hab dich beleidigt,
Doch
höre mich! Ich werde deine Sklavin sein!
(Als
sie sich umwendet, erscheint ihr die Göttin.)
CHARIS
Bist
du die Sterbliche, die hinterlistig mich
Ersetzen
wollte als die Schönste aller Götter?
PSYCHÉ
Das
war nicht meine Absicht, o geliebte Göttin.
(Charis
sieht sie zornig an. Psyché senkt den Kopf.)
CHARIS
Was
willst du hier? Ist nicht mein Sohn genug für dich?
Willst
du denn immer noch durch deinen Reiz bezaubern?
PSYCHÉ
(rufend)
Ach
bitte warte noch! Du hast mich falsch verstanden,
Ich
wollte nie den ersten Platz der Schönheit haben.
CHARIS
Sei
still! Bist du denn dankbar nicht für Gottes Gabe?
(Psyché
schaut beschämt zur Erde.)
CHARIS
Ich
müsste etwas tun an deiner Demut, Tochter.
Ich
werde dich in einer schweren Prüfung läutern.
(Charis
lächelt. Sie verlässt sie, aber Psyché folgt ihr.)
VIERZEHNTES
BILD
(Geschlossener
Raum. Charis und Psyché betreten den Raum. Charis zeigt auf die
Säcke in der Ecke.)
CHARIS
Die
Säcke hier sind von verschiednen Samen voll.
Du
musst die Samen in der Dunkelheit sortieren.
PSYCHÉ
Beim
Einbruch dunkler Nacht? Ich kann das nicht allein.
Die
Reinigung wird Tage oder Monde dauern.
CHARIS
Das,
Psyché, ist in deinem eignen Interesse.
(Charis
geht fort. Psyché spielt mit dem Samen.)
PSYCHÉ
(hilflos)
Was
soll ich tun, ihr Götter? Doch ich geb nicht auf.
Ich
werde schwere Arbeit tun für meinen Mann.
ERSTE
AMEISE
(mit
Fistelstimme)
O
Psyché, Psyché, schaue auf die schwarze Erde!
PSYCHÉ
Ameisen?
Seid ihr etwa hier, um mir zu helfen?
ZWEITE
AMEISE
Wir
sind zu deinem Dienste hier, o Königin,
Es
ist uns Wonne, solcher schönen Frau zu dienen.
PSYCHÉ
Habt
Dank! Ich werde nie vergessen meine Kleinen...
(Die
Ameisen helfen Psyché beim Sortieren der Samen. Der Morgen kommt.
Die Ameisen gehen nach dem Sortieren fort. Charis kommt wieder.)
CHARIS
(erstaunt)
Wie
hast du das geschafft? Nicht wahr, du hattest Hilfe?
PSYCHÉ
Das
bleibe ein Geheimnis, Unsre Liebe Frau.
CHARIS
(streng)
So
einfach ist die Arbeit nicht für dich, mein Kind.
O
Büßerin, die nächste Arbeit ist noch schwerer.
FÜNFZEHNTES
BILD
(Flussufer.
Charis und Psyché stehen am Flussufer.)
CHARIS
Du,
Tochter, musst mir nun ein wenig Wolle holen.
PSYCHÉ
Dann
will ich dir gehorchen, meine hohe Herrin.
CHARIS
Jedoch
nicht irgendeine, sondern goldne Wolle!
Dort
unten such sie in des Wassers Ufernähe.
Nun
geh, beeil dich, denn ich warte nicht so gerne.
(Charis
drängt sie und geht dann fort. Psyché starrt ihr Spiegelbild im
Wasser an.)
PSYCHÉ
Ich
red zuviel und tu zu wenig! Doch was kann ich?
Ich
möchte sterben!… Sterben endet meine Leiden!...
SCHILFROHR
(flüsternd)
Halt,
warte! Du sollst nicht ertrinken in dem Fluss!
Dein
Leben zwar ist miserabel – doch das endet!
Du
musst zuvor erfüllen deiner Buße Werk!
(Psyché
trocknet ihre Tränen und lauscht dem Schilfrohr.)
SCHILFROHR
Du
warte, bis die güldne Sonne untergeht,
Dann
werden Schafe weiden an des Flusses Ufer,
Sie
kommen, um sich auszuruhen an dem Wasser,
Dann
an den Dornen wirst du goldne Wolle finden.
PSYCHÉ
Ich
danke dir, mein Freund, mein lieber Freund und Bruder,
Ich
bin beschämt, ich stehe tief in deiner Schuld.
(Psyché
tut, was ihr gesagt wurde. Sie geht zurück zu Charis.)
SECHZEHNTES
BILD
(Der
Charis Wohnung. Psyché hat für Charis die goldene Wolle geholt.)
CHARIS
Die
Arbeit war dir leicht. Nun achte auf die nächste.
Kein
sterbliches Geschöpf kann diese Arbeit tun.
(Psyché
sieht besorgt aus. Charis wirft ihr eine leere Flasche zu, Psyché
fängt sie auf.)
CHARIS
Die
Flasche fülle du mit Wasser aus der Lethe.
PSYCHÉ
Wie
könnte ich das Wasser schöpfen aus der Lethe?
CHARIS
Nun,
finde du das selbst heraus, du arme Psyché.
SIEBZEHNTES
BILD
(Psyché
in der Unterwelt. Sie weiß nicht, wie sie aus der Lethe schöpfen
kann, um die Flasche zu füllen mit dem Wasser des Vergessens.)
PSYCHÉ
Wie
tief die Unterwelt! Ich komm nicht auf den Grund!
Wer
kann mir helfen hier am Wasser des Vergessens?
(Ein
Adler fliegt zu Psyché. Sie setzt sich auf den Rücken des Adlers.
Der Adler schwebt über der Lethe. Psyché schöpft das Wasser des
Vergessens in die leere Flasche.)
PSYCHÉ
Hab
Dank, mein starker Engel! Du nur kannst mich retten!
ACHTZEHNTES
BILD
(Der
Charis Wohnung. Psyché überreicht der Charis die Flasche mit dem
Trank des Vergessens.)
CHARIS
Und
nun kommt deine letzte Arbeit, liebe Tochter.
Geh
in die Unterwelt und bitte Jungfrau Kore,
Die
Königin der Toten, mir von dem Geheimnis
Der
Schönheit ihrer Hoheit etwas mitzuteilen.
Du
selbst sollst profitieren von der Kore Schönheit.
PSYCHÉ
Was
soll ich sagen, wenn die Königin der Toten
Mich
fragt, seit wann die Liebesgöttin Schönheit braucht?
CHARIS
Dann
sag, die Königin der Schönheit sei verbraucht,
Die
Brüste welk, seit ich den Sohn daran gesäugt.
(Psyché
geht auf der Straße, um den Eingang ins Totenreich zu finden.)
NEUNZEHNTES
BILD
(Ein
Turm. Ein Mann tritt zu Psyché.)
FÜHRER
Hast
du den Eingang in das Totenreich gefunden?
PSYCHÉ
Weißt
du, o Weiser, wie man zu den Toten kommt?
FÜHRER
Gewiss.
Bevor ich aber dir den Eingang weise,
Nimm
diese Silbermünze und nimm diesen Kuchen.
(Der
Führer gibt Psyché eine Silbermünze und einen kleinen Kuchen.)
PSYCHÉ
Was
tu ich mit der Silbermünze und dem Kuchen?
FÜHRER
Das
ist das Eintrittsgeld. Dem Fährmann gib die Münze,
Dann
wird er fahren dich zu Jungfrau Kores Villa.
Dort
vor der Villa wacht der schwarze Totenhund,
Dem
gib den Kuchen, dann kannst du die Pforte öffnen.
PSYCHÉ
Ich
habe Angst! Doch bin ich auch bereit. Wohin nun?
(Der
weise Führer zeigt Psyché den Eingang in das Reich der Toten.)
ZWANZIGSTES
BILD
(In
der Unterwelt. Psyche fährt auf dem Boot des Fährmanns, gelangt zu
Jungfrau Kores Villa und füttert den schwarzen Totenhund ab. Sie
trifft dort Kore, die Königin der Toten.)
PSYCHÉ
O
Königin der Toten, Kore, ich bin hier
Auf
das Gebot der Charis. Sie braucht deine Hilfe.
Denn
sie begehrt, die Schönheit wiederherzustellen,
Die
nachgelassen wegen ihres Sohnes Pflege.
KORE
Ich
freue mich, der Schönheitskönigin zu helfen.
(Kore
tut etwas in eine Lade und gibt die Lade dann Psyché.)
PSYCHÉ
Hab
Dank, o Kore, Selige, für deinen Beistand!
(Psyché
eilt zurück in Richtung Oberwelt.)
PSYCHÉ
Wie,
wenn ich etwas nähm von diesem Schönheitszauber?
Ich
war so müde, Eros könnte mich nicht lieben,
Ich
möchte dem Geliebten wieder reizend sein!
(Psyché
öffnet die Lade und ist überrascht, dass nichts darin ist. Dann
überkommt sie eine schwere Müdigkeit und sie fällt in einen tiefen
Schlaf. Eros fliegt aus dem Fenster seines himmlischen Palastes. Er
sieht Psyché und fliegt zu ihr.)
EROS
So
ruh dich aus, Geliebte, denn ich bin ja da.
(Eros
berührt Psychés Augenlider und legt den Schlaf zurück in die Lade.
Dann
nimmt er einen Pfeil und berührt Psyché. Sie erwacht. Sie umarmten
einander.)
EROS
Du
süße Närrin! Wo bist du so lang gewesen?
Hast
du denn nicht gewusst, dass ich voll Sehnsucht war?
PSYCHÉ
Es
tut mir leid! Verlass mich bitte nimmermehr!
Geliebter
Eros, bleib getreu an meiner Seite!
EROS
Ich
werde immer bei dir sein! So komm zu mir!
Es
werden schließlich enden alle unsre Leiden!
EINUNDZWANZIGSTES
BILD
(Auf
dem Olymp. Eros und Psyché eilen zu Theos, dem Gott und Vater der
Götter und Menschen. Sie knien vor Theos.)
EROS
Gewähre
uns die große Gnade, Gott und Vater,
Dass
wir in einer heilig-schönen Ehe leben,
Und
gib uns zu der treuen Ehe deinen Segen!
THEOS
Wenn
Psyché mich in der Vergangenheit beleidigt,
So
tat sie Buße, und ich kann ihr nicht verweigern
Die
mystische Vereinigung mit dir, mein Sohn.
(Theos
erhebt sich von seinem Thron.).
THEOS
Und
so erkläre ich den Liebesgott und Psyché
Zu
Mann und Frau! Vollzieht die Ehe in dem Himmel!
Wer
eure Liebe stört, den treffe Gottes Zorn!
(Die
Himmlischen flüstern miteinander.)
THEOS
Nichts
steht der Ehe mit dem jungen Gott entgegen,
Denn
ich vergöttliche zur Göttin jetzt aus Gnade
Die
Psyché durch die Speise der Unsterblichkeit.
(Ein
Götterbote reicht Psyché einen Bissen Ambrosia. Sie isst
ehrfurchtsvoll die Speise der Unsterblichkeit. Psyche ist zur Göttin
geworden. Eros und Psyche umarmen einander liebevoll.)
EROS
Wir
werden nun in Ewigkeit vereinigt sein!
Nichts
kann von meiner Liebe je dich wieder scheiden!
PSYCHÉ
Und
deine Mutter, o mein Gott, ist sie mir gnädig?
(Charis
kommt lächelnd auf sie zu.)
CHARIS
Ich
führte dich zu meinem Sohn, geliebte Tochter,
Zu
meinem Sohn, dem Gott. Du wurdest nun zur Göttin,
So
geb ich meinen Muttersegen eurer Ehe.
(Charis
umarmt Psyché zärtlich.)
PSYCHÉ
Mein
Eros, du bist der Geliebte meines Lebens!
EROS
Geliebte
Psyché, du bist meines Lebens Atem,
Ich
wollte, Schatz, nicht ewig leben ohne dich!
(Eros
und Psyché schauen sich selig von Angesicht zu Angesicht an und
küssen sich.)