Studie
von Josef Maria von der Ewigen Weisheit
China,
du Heimat meiner unsterbliche Seele.. ich weihe
Dich
dem „Eiskristall in jadener Vase“: Maria!
ERSTES
KAPITEL
HUANG
DI, DER GELBE KAISER
Huang
Di, den Gelben Kaiser, belehrte vorzeiten
Über
die Künste der Liebe weise das Einfache Mädchen.
Huang
Dì wird zur Gruppe der chinesischen Urkaiser gerechnet, gehört
dabei zur Gruppe der fünf Kaiser und soll von 2696–2598 vor
Christus regiert haben; ursprünglich ist Huáng Dì jedoch eine
göttliche und mythische Gestalt, die erst während der Zhou-Zeit
historisiert wurde.
Er
gehört zu den wichtigsten Gestalten der chinesischen Mythologie.
Ursprünglich ein Kriegsgott, der in den frühen Traditionen eine
geringere Rolle spielte, wandelte er sich dann jedoch zum Hochgott
und erleuchteten Unsterblichen des Taoismus. Er wird als Eroberer,
Richter, Unsterblicher, Gott des Weltenberges Kunlun und des Zentrums
der Erde dargestellt.
Von
seiner Geburt wird berichtet, seine Mutter sei von Blitzen am
nächtlichen Himmel schwanger geworden und nach 20 Jahren
Schwangerschaft sei Huang Dì geboren worden. Er soll sofort
gesprochen haben.
Die
Gemahlin des Huang Dì ist Lei Zu (die Donnerahnin); seine Tochter
ist Niuba, die Trockenheit. Berichtet wird auch von einem Kampf
zwischen Huang Dì und seinem Bruder Yan Di und von einer durch ein
Ungeheuer entfesselten Sintflut, die Huang Dì besiegte. Gleichfalls
wird berichtet, Huang Dì habe sich aus der Haut des Kui, eines
mythischen Wesens, das Regen, Wind und Dürre erzeugen konnte, eine
Trommel gefertigt.
Die
Taoisten sagten ihm nach, das Buch „Die Medizin des Gelben Kaisers“
geschrieben zu haben. Das Buch enthielt das damalige Wissen über
Akupunktur, Akupressur und andere Teilbereiche der traditionellen
chinesischen Medizin. Dieses Werk umfasst eine Sammlung von 81
Abhandlungen, die in zwei Büchern zusammengefasst sind, Fragen
organischer und grundlegender Art, und dem „Göttlichen
Angelpunkt“, mit eher technischen Aspekten der Akupunktur. Im
ersten Buch finden sich Dialoge des Gelben Kaisers mit den Gelehrten
seines Hofes, in denen er die Fragen über Physiologie, Morphologie,
Pathologie, Diagnose und Krankheitsprävention erläutert. Im zweiten
Buch wird die klinische Anwendung der Akupunktur und Moxibustion,
sowie die Lage der Akupunkturpunkte und der Meridiane beschrieben.
In
dem Hauptwerk lassen sich Ideen sowohl aus dem Taoismus wie auch aus
dem Konfuzianismus finden. Heute gilt das Buch als eine Kompilation
aus der Zeit um 300 v. Chr.
ZWEITES
KAPITEK
DIE
XIA-DYNASTIE
Wenn
wir den Frauen glauben dürfen, so war in der Urzeit
China ein Matriarchat, ein
Reich der göttlichen Mutter.
Nach
der Beschreibung in antiken Texten reichte das Territorium der Xia
nach Osten bis zu den Grenzen zwischen den heutigen Provinzen Henan,
Hebei und Shandong, nach Süden bis Hubei, nach Westen bis zum
südlichen Teil von Henan und nach Norden bis Hebei. Es konzentrierte
sich im mittleren Lauf des Gelben Flusses und reichte teilweise bis
zum Jangtsekiang. Ihre Hauptstadt wurde mehrfach verlegt, wobei
mindestens eine der beschriebenen Stellen in der Nähe der Stadt
Anyang in der Provinz Henan als eine relativ große, zeitgenössische
Siedlung angesehen werden kann.
Vermutlich
handelt es sich bei der Xia-Dynastie um einen Stammesverband unter
Führung eines Königshauses. So befand sich die
Gesellschaftsentwicklung zwischen frühem lockerem Stammesverband mit
wechselndem Führer und späterem zentralistischen Staat.
Über
das Leben, die Organisation, den Tageslauf der Menschen jener Zeit
ist bislang nichts bekannt. Die antiken Textüberlieferungen
begrenzen sich auf Aufzählungen der Ereignisse im Königshaus. Die
Auswertungen der Ausgrabungen sind noch nicht besonders weit
fortgeschritten.
Landwirtschaft
wurde zur Xia-Zeit bereits intensiv betrieben. Der Sage nach wurden
zu dieser Zeit auch alkoholische Getränke gebraut. Um die Produktion
der Landwirtschaft zu steigern, wurden die ersten Kalender
angefertigt. In antiken Texten wurde der Ursprung des traditionellen
chinesischen Kalenders auf das Kalenderwesen der Xia-Zeit
zurückgeführt.
Ebenfalls
betrieben wurde Viehwirtschaft. Angeblich wurde Pferdezucht besondere
Bedeutung beigemessen.
Es
gab wahrscheinlich bereits ausdifferenzierte Handwerksberufe für die
Ton- und Bronzebearbeitung.
Der
Gründer der Xia-Dynastie war König Yu. Vor Yu wurde der Königstitel
nicht dynastisch weitergereicht. Der neue König wurde vom alten
König ernannt und von den Stämmen bestätigt. König Yu tat sich
durch die Bekämpfung einer großen Überschwemmung hervor und
erlangte so das Vertrauen des alten Königs Shun und der Stämme.
Nach Yus Tod jedoch ließ sein Sohn Qǐ sich zum König ausrufen, der
so das alte Empfehlungssystem außer Kraft setzte. Dies erregte den
Widerstand unter den Stämmen, den Qǐ jedoch militärisch
niederschlagen konnte. Danach ließ er die Stammesfürsten versammeln
um sein neues dynastisches System zu bestätigen.
Nach
Qis Tod wurde sein Sohn Tai Kang König. Da Tai Kang ein sehr
luxuriöses Leben führte und das Staatsgeschäft vernachlässigte,
wurde ihm sein Königstitel von seinen fünf Brüdern streitig
gemacht. Schließlich konnte sein Bruder Zhong Kang den Titel für
sich gewinnen. Der Bruderkampf hatte jedoch das Xia-Haus geschwächt,
so dass Zhong Kangs Sohn Xiang von einem Usurpator entmachtet werden
konnte. Erst Xiangs Sohn Shao Kang konnte die Rebellion
niederschlagen und die Dynastie wiederherstellen. Shao Kangs Sohn Zhu
konnte wieder erfolgreich und dauerhaft die Dynastie stärken. Am
Ende der Dynastie jedoch, ab König Kong Jia, wurde die Dynastie
abermals von inneren Kämpfen geschwächt.
Der
letzte Xia-König Jie wurde als besonders brutal beschrieben. Seine
Gewaltherrschaft entzog der Xia-Dynastie jede Unterstützung aus der
Bevölkerung und in den Stämmen, so dass der Führer Tang des
Stammes Shang in eine Rebellion ziehen konnte und so die Xia-Dynastie
beendete. Bis heute gilt der Name Jie in China als Synonym für
Gewaltherrschaft und Tyrannei.
DRITTES
KAPITEL
DIE
SHANG-DYNASTIE
Einst
ein Chinese sprach zu mir vom Erhabenen Herrscher,
Gott
Shang Di, verehrt in protestantischen Bibeln.
Die
Shang-Dynastie wurde von einem Stammesführer begründet, der
erfolgreich gegen den letzten Xia-Herrscher rebelliert hatte. Seine
Hauptstadt hieß Hao und lag in der heutigen Shandong-Provinz.
Spätere Dokumente sprechen dafür, dass die Shang-Herrscher
insgesamt sechsmal ihre Hauptstadt verlagerten. das letzte Mal von
König Pan Geng nach Yin.
Die
Yin-Zeit gilt als der Höhepunkt der Shang-Dynastie, so dass diese
gelegentlich auch die Yin-Dynastie genannt wird.
Der
letzte König der Shang-Dynastie Dì Xīn (auch bekannt unter dem
Namen Zhou) galt als besonders verschwenderisch und sadistisch. Er
nahm sich das Leben, als in einer Entscheidungsschlacht seine Armee
zu den Rebellen überlief. Der Name Zhou gilt bis heute in China als
Synonym für Tyrannei und Gewaltherrschaft.
Nach
dem Untergang der Shang-Dynastie schworen die Angehörigen des
Königshauses den neuen Zhou-Königen die Treue. Sie nahmen den
Familiennamen Yin an. Sie wurden Vasallen der Zhou-Könige und
dienten ihnen auch als Minister in hohen Ämtern. Nach späteren
Berichten siedelte sich ein Yin-Prinz mit seiner Gefolgschaft in der
Nähe des heutigen Pjöngjang an und gründete dort den ersten
koreanischen Staat. Aus einem Ableger des Yin-Clans entstand die
Familie Kong, welcher Konfuzius entstammte und die heute noch in der
75. Generation weiterbesteht.
Yinxu,
die Überreste der Hauptstadt der späteren Shang-Dynastie, wurde
Anfang des 20. Jahrhunderts in der Nähe der Stadt Anyang in der
Provinz Henan entdeckt. Neben Fundamenten von Palästen und Tempeln
wurden dort unter anderem elf Königsgräber gefunden. Über
zehntausend Gegenstände aus Bronze, Jade, Stein, Knochen und Keramik
wurden ausgegraben. Dazu kommen noch 20 000 Orakelknochen, die
Einblicke in Politik, Wirtschaft, Kultur, Religion, Geographie,
Astronomie, Kalender, Kunst und Medizin jener Zeit gewähren.
Das
Territorium von Shang erstreckte sich von der Küste des
Ostchinesischen Meeres bis zur Westgrenze der heutigen
Shaanxi-Provinz, nach Süden erstreckte es sich bis an den
Yangtsekiang, nach Norden bis zur heutigen Liaoning-Provinz. Damit
umfasste es den mittleren und unteren Lauf des Gelben Flusses und
Teile des Yangtsekiang-Laufs.
Die
Könige der Shang-Dynastie galten als Repräsentanten Gottes auf der
Erde und genossen damit nicht nur die höchste weltliche Macht,
sondern auch die höchste geistliche Autorität. Die ausgegrabenen
Königsgräber sind reich an Beigaben für die Toten, so dass man
davon ausgehen kann, dass die Shang-Menschen an ein Leben nach dem
Tod glaubten. Unter den Grabbeigaben waren auch Hunderte von Sklaven,
die allem Anschein nach lebendig begraben wurden. Sie sollten
wahrscheinlich den toten Königen nach ihrem Leben weiterhin dienen.
Die
Beamtenschaft wurde in weltliche Verwaltungsbeamte und geistliche
Beamte unterteilt. Geistliche Beamte waren für Opfer und Orakel
zuständig. Belegt ist auch, dass der Schamanismus verbreitet war und
zur Religion der Shang gehörte. Das religiöse Leben war zur
Shang-Zeit sehr wichtig. Auch die ersten schriftlichen chinesischen
Dokumente, die Orakelknochen, dienten vor allem dem Befragen der
Gottheit. Verehrt wurden auch Geister und Ahnen.
Frauen
genossen anscheinend eine hohe Stellung in der Gesellschaft. So kamen
viele Orakelknochen von ranghohen Edelfrauen. Eine dieser Edelfrauen
war die Heerführerin Fu Hao, Frau des Königs Wu Ding.
Auffallend
ist, dass an allen Ausgrabungsorten in Yin Überreste von Waffen
gefunden wurden. Die Orakelknochen berichten von Auseinandersetzungen
mit den Nomaden aus dem Norden und Westen.
Verbrechen
wurden mit Gefängnis oder mit körperlichen Strafen geahndet.
Die
Landwirtschaft stellte den wichtigsten Wirtschaftszweig dar. Sie
wurde großflächig und organisiert betrieben. Nachweisbar ist das
Brauen von alkoholhaltigen Getränken mit Getreide. Ebenfalls
nachweisbar ist die Nutzung von Seide.
In
der Viehwirtschaft wurden alle gängigen Tiere gehalten. Es gibt
sogar einen Bericht über das Halten von Elefanten.
Mit
angrenzenden Völkern und Stämmen wurde intensiver Handel getätigt.
Ein gutes Straßennetz begünstigte den Verkehr und die Bildung von
ersten chinesischen Städten.
Aus
der Shang-Zeit sind die ersten chinesischen Schriftzeugnisse
überliefert worden. Viele der auf den Orakelknochen gefundenen
Schriftzeichen haben bis heute überlebt. Da das Schriftsystem auf
den Orakelknochen bereits recht ausgereift war, wird angenommen, dass
das Schriftsystem bereits einen langen Entwicklungsprozess hinter
sich hatte.
Ausgegrabene
Figuren stellten Musiker und Tänzer dar. Ob Musizieren und Tanzen
als religiöse Zeremonie oder nur zum Vergnügen ausgeführt wurde,
ist nicht mehr zu überprüfen.
Auf
den Orakelknochen sind Aufzeichnungen über Kometen gefunden worden.
Es wurden auch Bewegungen des Planeten Mars identifiziert.
VIERTES
KAPITEL
DIE
ZHOU-DYNASTIE
Mein
chinesischer Freund war des Konfuzius Schüler,
Ich las Lao Tse und liebte
die Tao, die Mutter.
Eine
traditionelle Einteilung bezieht sich auf die Existenz von
Reichsannalen im Herzogtum Lu für die Jahre 722–481, nach denen
man in eine Periode der Frühlings- und Herbstannalen (770–476 vor
Christus) und in die nachfolgende Zeit der Streitenden Reiche
(476–221 vor Christus) unterscheidet.
Die
historische Datierung ist bis 841 unklar. Erst für die folgende Zeit
beginnt der Historiker Sima Qian (145–84 vor Christus) mit einer
allgemein akzeptierten Datierung. Aus diesem Grunde gibt es
beispielsweise heute noch verschiedene Jahresangaben für die
Errichtung der Westlichen Zhou. Die beiden traditionellen Daten dafür
sind 1122 und 1111.
Die
Abstammung der Dynastie wird auf einen Ackerbauminister des
mythologischen Kaisers Shun zurückgeführt, der ein Lehen in Shaanxi
erhielt. Sein Nachkomme Dan-Fu wurde Herzog von Zhou, und dessen
Urenkel Fa alias König Wu stürzte die Shang-Dynastie.
Der
letzte Shang-König Zhouxin war ein Tyrann, dem allerlei
Grausamkeiten nachgesagt werden. Darüber hinaus sperrte er den
Zhou-Herzog Chang (Wen Wang) zwei Jahre lang ein, bis dessen
Verwandten mit allerlei Geschenken die Freilassung erwirken konnten.
In der Gefangenschaft soll Chang die Trigramme Fu Xi's studiert und
mit dem I-Ging begonnen haben. Nachdem Chang aufgrund der schwierigen
Lage wieder in sein Amt eingesetzt wurde, hinterließ er seinem Sohn
Fa die Weisung zum Sturz der Shang.
Der
König Zhouxin verlor unterdessen viele Anhänger und musste sich mit
den Huai-Barbaren auseinandersetzen, was Fa zum Einmarsch in Henan
ausnutzte. Er schlug Rebellen in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt,
was jedem die Machtverhältnisse im Reich offenbarte und zum
allgemeinen Aufstand führte. In der Schlacht von Muye wurde König
Zhouxin von Herzog Fa alias König Wu geschlagen, woraufhin er in
seinem Palast Selbstmord beging, indem er sich mitsamt dem Palast in
Brand setzte.
Die
Zhou-Herrschaft blieb zunächst unsicher. Diverse Barbarenstämme
unterwarfen sich, und zwar die I-Barbaren an der Küste im Osten, die
unter dem Begriff Man-Barbaren zusammengefassten Leute im Süden und
die Lü-Barbaren im Westen. Zongzhou im Wei-Tal wurde zur Hauptstadt.
Zahlreiche Erben von namhafter Herkunft wurden als Lehnsherren
eingesetzt, und erhoben sich bei erster Gelegenheit. Der neue
Zhou-König Cheng blieb jedoch mit Hilfe des Regenten Dan (seines
Onkels) und seines Sohnes Bo-Kin siegreich. Unter König Cheng wurde
eine Reichsverfassung eingeführt, auch soll das erste Kupfergeld
gegossen worden sein.
König
Chao führte wiederholt Kriegszüge gegen die Barbaren im
Yangtse-Gebiet und scheint auf dem letzten ertrunken zu sein. König
Mu führte ein neues Strafgesetzbuch ein, in dem man sich von
Leibesstrafen loskaufen konnte. König Mu setzte sich zudem mit den
Hunde-Barbaren im Nordwesten auseinander und bemühte sich, bis zum
Tarimbecken vorzustoßen. Es handelt sich hier um eine Zeit der
Expansion und Kolonisation in alle Richtungen. König Mu soll auch
die Königinmutter Hsi Wang Mu besucht haben.
Aus
der Zeit der folgenden vier Herrscher wird nichts Wesentliches
berichtet, abgesehen von der Gründung des Herzogtums Qin.
Der
fünfte Nachfolger von König Mu, König Li war ein Tyrann, der auch
erfolglos vierzehn Armeen gegen die Barbaren im Süden und Südosten
führte. Als Li von einer Revolte aus der Hauptstadt gejagt wurde,
rettete der Herzog von Zhao seinen Sohn. Dieser, König Xuan, wurde
im Exil zum König gemacht und musste die Nachbarn im Norden
zurückhalten. Dem gegen Ende seines Lebens bösartig und lasterhaft
gewordenen Xuan folgte sein Sohn You, der durch eine ebensolche
Haltung sämtliche Unterstützung im Reich verlor.
König
You fand keine Hilfe, als die Barbaren aus dem Nordwesten angriffen.
Er wurde getötet und die Hauptstadt geplündert.
Ein
Heer der Lehnsherren vertrieb dann die Barbaren und der neue König
Ping (Sohn des Königs You) verlegte die Hauptstadt nach Chengzhou
bei Luoyang, um sich vor weiteren Angriffen zu schützen. Der Herr
von Qin deckte seinen Rückzug und wurde dafür von König Ping mit
den alten Kernländern der Zhou belehnt. An diesem Punkt begann der
Aufstieg der späteren Qin-Dynastie, als Grenzschützer im
Nordwesten.
In
der Zeit der östlichen Zhou-Dynastie griff die Auflösung des alten
Lehnsreiches immer mehr um sich. Die königlichen Rechte wurden von
den großen Lehnsherren beansprucht, die sich gegenseitig mit allen
Mitteln befehdeten. Wechselnde Bündnisse, Verrat, Meuchelmord,
Bürgerkriege und Verwahrlosung der Sitten waren an der Tagesordnung,
dazu kamen Angriffe von Barbaren.
Der
Zhou-König Huan wollte die königliche Autorität gegenüber Zhuang,
dem Lehnsherren in Zheng, wiederherstellen, wurde aber geschlagen und
dabei verwundet. Danach nahmen große Lehnsherren, allen voran der
Herzog von Chu ebenfalls den Titel "Wang" ("König")
an. In der Folge wurde die Geschichte in erster Linie von Herzögen
und Königen wie Huan von Qi, Wen von Jin und anderen bestimmt und
die Zhou waren nur noch ein Machtfaktor unter mehreren.
Die
längst entmachtete östliche Zhou-Dynastie wurde 256 vor Christus
durch die Qin beseitigt, welche dann auch die Zeit der Streitenden
Reiche beendete.
Das
Reich teilte sich in neun Provinzen und 1700 Lehen. Es gab fümf
Rangklassen von Lehnsherren, eine Hofhaltung mit königlichen
Inspektionsreisen und ein diplomatisches Protokoll für den Umgang
zwischen dem König und seinen Lehnsherren. Drei Großherzöge und
sechs Minister fungierten als Staatsverwaltung.
Die
Macht der Lehnsherren richtete sich nach der Anzahl ihrer
Streit-Wagen, ihren religiösen Privilegien (Opfer, Tänze, Hymnen),
dem Alter ihrer Traditionen, ihrer Beziehung zum Königshaus und
ihrem Reichtum. Bronzegefäße dienten dem Ahnenkult, ihre
Inschriften enthielten Hinweise auf den Rang der betreffenden
Familie. Insgesamt kann man sagen, dass ein komplexes System der
Kulthierarchien und Riten den Zusammenhalt des Staates bestimmte.
Die
Gesetze wurden in Bronze geschrieben, allerdings hatte man nur wenige
Beamte zu ihrer Überwachung. Man begnügte sich mit der Statuierung
von Exempeln.
In
der Philosophie verzeichnet man Lao Tse, Konfuzius, Mencius, Mo Ti.
Besonders zur Zeit der Frühlings- und Herbstannalen und der Zeit der
Streitenden Reiche blühte die Philosophie. Wandernde Berater (allein
Konfuzius hatte 72 bedeutende Schüler) versuchten die Teilstaaten
effektiver zu organisieren und den inneren Frieden zu festigen.
Die
straffere Organisation der Herzogtümer führte im dritten
Jahrhundert auch zu einem wirtschaftlichen Aufschwung und technischen
Neuerungen. Die Landwirtschaft wurde intensiviert, man verwendete
Dünger, gegossene Eisenwerkzeuge und das Brustgurtgeschirr, was den
Zugtieren nicht mehr die Luftröhre abdrückte. Ferner unterschied
man mehrere Bodenarten, bewässerte in großen Anlagen, deren
Konstrukteure auch namentlich überliefert sind.
Infolgedessen
nahm die Bevölkerungszahl im Gegensatz zur frühen Zhou-Zeit zu.
Auch die Art der Kriegsführung wandelte sich vom ritualisierten
Privileg des Adels zum Einsatz großer Bauernheere, die mehr als 100
000 Mann umfassen konnten. In diesem geänderten Umfeld formten sich
die Machtgrundlagen der künftigen Qin-Dynastie.
FÜNFTES
KAPITEL
DIE
QIN-DYNASTIE
Ach,
vergeblich suchte der strahlend-erhabene Kaiser
Peng-lai-shan,
die Insel der Seligen, ewiges Leben!
Die
Ursprünge der Qin liegen in der Zhou-Dynastie. Die Zhou-Könige
vergaben Lehen an Verwandte, Verbündete oder Mitglieder des
gestürzten Hauses Shang, um sich ihre Treue zu sichern. Diese
Aufteilung des Landes führte nach und nach zur politischen
Zersplitterung des Reiches. So gab es während der Frühlings- und
Herbstperiode etwa 170 Staaten, die ihrerseits wieder in Lehen
aufgeteilt waren. Die Zhou-Herren verloren indes ihre Bedeutung.
Diese Zersplitterung konsolidierte sich bis zur Zeit der Streitenden
Reiche, in der sich sieben Staaten gegenseitig bekämpften. Diese
Staaten waren voneinander unabhängig und lebensfähig. Sie hatten
zwar weitgehend eine gemeinsame Sprache und Kultur, jedoch gab es
Grenzen, Zölle, wechselnde Allianzen, Intrigen und Kriege.
Im
Jahre 897 vor Christus bekam Fei-zi vom Zhou-König ein Lehen in der
Nähe des heutigen Tianshui in der Provinz Gansu, um dort Pferde für
den Königshof zu züchten. Die Nachkommen des Fei-zi nahmen nicht
lange danach den Herzogstitel an und gewannen an Einfluss; im Jahre
770 war der Zhou-König gar gezwungen, den Schutz dieses neuen
Geschlechts vor einem Angriff der Rong zu suchen. Im Gegenzug wurde
Qin auch von Seite des Königs zum Herzogtum erhoben. Aufgrund seiner
Lage waren die Einwohner und das Herrschergeschlecht von Qin von
nicht sesshaften innerasiatischen Völkern beeinflusst oder stammten
sogar von ihnen ab, wenngleich sich der Staat bis in das 5.
Jahrhundert vor Christus in ständigen Kämpfen mit genau diesen
nomadischen Nachbarn befand. Gleichzeitig wurden die chinesische
Kultur und ihre Bräuche schrittweise übernommen.
Während
des Aufstiegs und des Wachstums von Qin wurde die Hauptstadt mehrmals
verlegt; ab etwa 350 vor Christus lag sie im heutigen Xianyang nahe
Xian; die als Gebiet innerhalb der Pässe bezeichnete Region um Xian
sollte danach für Jahrhunderte das Zentrum der chinesischen Reiche
bleiben. Bis dahin wurde Qin aufgrund seiner Lage, aber auch aufgrund
seiner niedrigen kulturellen Entwicklung von seinen Rivalen als
Außenseiter und barbarisch betrachtet. Unter der Herrschaft von
Herzog Xiao und seinem Berater Shang Yang wurden zwischen 361 und 338
jedoch tiefgreifende Reformen im Sinne der philosophischen Strömung
des Legalismus durchgeführt, die Qin gegenüber seinen Nachbarn
besonders in Landwirtschaft, Verwaltung und Wirtschaftspolitik
Vorteile verschafften. Im Jahre 325 nahmen die Qin-Herrscher
schließlich den Königstitel an, wie es die Monarchen der anderen
Staaten bereits getan hatten.
Seit
seiner Entstehung war das Qin-Königreich stetig gewachsen und hatte
sich vornehmlich in Richtung Westen und Nordwesten ausgedehnt. Die
eigentliche militärische Expansion des Staates Qin begann 316, als
man Shu und später Ba (heutiges Sichuan) eroberte und damit den
Rivalen Chu an seiner Südgrenze entscheidend schwächte. Im Jahre
256 war es wiederum Qin, das die Zhou-Dynastie auslöschte, auch wenn
dies damals aufgrund deren Schwäche keine große politische
Bedeutung mehr hatte. Die Nachbarmächte versuchten indes, der
Expansion Qins entweder durch Allianzen gegen Qin oder durch
Beschwichtigung Einhalt zu gebieten.
So
sind drei Mordanschläge auf den Qin-König Zheng überliefert. Eines
dieser Attentate wurde im Jahre 227 durch den Gesandten des Staates
Yan ausgeübt, der mit einer Unterwerfungsurkunde, einer Landkarte
von Yan und dem Kopf eines übergelaufenen Qin-Generals zum Qin-König
gereist war. Eine weitere Aktion, die den Vormarsch von Qin stoppen
sollte, war der Bau des 120 km langen Zheng-Guo-Kanals nördlich der
Hauptstadt Xianyang, der durch den aus Han gekommenen Zheng Guo
geplant wurde. Angeblich war es das Ziel der Anstifter dieses Planes,
der Wirtschaft Qins durch dieses Riesenprojekt Ressourcen zu
entziehen und den Staat so zu schwächen. Obwohl diese Verschwörung
aufgedeckt wurde, baute man den Kanal fertig; der wirtschaftliche
Nutzen durch das Projekt stärkte Qin zusätzlich.
Für
die letzten Jahre vor der Einigung der Reiche berichten die Chroniken
von einer großen Anzahl militärischer Auseinandersetzung mit
astronomischen Heeresstärken und Opferzahlen. Die sechs Reiche, die
neben Qin existierten, wurden schließlich in schneller Folge
erobert: Han, Chao und Wei, die östlich von Qin gelegen waren, dann
Chu im Süden, und schließlich Yan und Qi im Nordosten.
Warum
ausgerechnet ein Staat, der ursprünglich kulturell am wenigsten
entwickelt und am Rande des chinesischen Territoriums lag, die Stärke
entwickeln konnte, um das Reich zu vereinigen, ist Gegenstand
zahlreicher Untersuchungen. Eine ganze Reihe von Faktoren hat zu
dieser Entwicklung beigetragen: Erstens, der Aufbau einer effizienten
Verwaltung. Reformen, die unter Fürst Xiao und dessen Berater Shang
Yang begonnen wurden und die die Theorien der philosophischen
Strömung des Legalismus umsetzten, führten dazu, dass Qin unter
allen damaligen chinesischen Reichen über das effizienteste
Staatswesen verfügte. Auf Basis des Legalismus, der das Regieren
durch Gesetz anstatt des konfuzianistischen Regieren durch Tugend
betonte, entstanden Gesetze, wurden bestimmte Handlungen mit Strafen
oder auch mit Belohnung belegt, und es wurden zahlreiche
Durchführungsverordnungen und Normen erlassen. Ein Bericht
beschreibt die Beamten von Qin als gefürchtet, aber unbefangen. Eine
weitere bedeutende Innovation war die Einführung zweier
Kanzlerämter, nämlich eines Kanzlers zur Linken und eines Kanzlers
zur Rechten. Für die Regierungsform des Qin-Königreiches wurde der
Begriff des bürokratischen Staatszentralismus geprägt. Auch die
Nachbarstaaten Qins waren von legalistischem Gedankengut beeinflusst;
Qin war jedoch am konsequentesten in der Umsetzung seiner Ideen.
Zweitens, die militärische Stärke. Durch die ständige
Auseinandersetzung mit den Nomaden durch die Reformen von General Wei
Ran verfügte Qin über ein ausgebildetes und schlagkräftiges Heer.
Außerdem ermöglichte die damals gerade eingeführte Registrierung
aller Haushalte eine effiziente Rekrutierung von Soldaten. Da in die
Zeit des Aufstieges des Qin-Staates auch der Übergang von
Streitwagen- zu massiven Infanterieheeren kombiniert mit dem Einsatz
von Armbrustschützen als dominierende Form der Kriegsführung fiel,
war die Fähigkeit der Verwaltung, kurzfristig Streitkräfte zu
rekrutieren, entscheidend. Drittens, die Konzentration aller Macht
und Autorität auf einen Herrscher, anstatt sie wie bis dahin auf
Vasallen zu verteilen. Diese Neuerung geht auf den Philosophen Fan
Sui zurück. Viertens, Verbesserungen in der Landwirtschaft. Das bis
dahin dominierende Brunnenfeldsystem wurde abgeschafft und die
landwirtschaftlich genutzte Fläche ausgeweitet. Bauern aus anderen
Staaten wurden im bis dahin dünn besiedelten Qin-Territorium
angesiedelt. Fronarbeit wurde durch Steuern ersetzt und Land kauf-
und verkaufbar gemacht. Die Erträge steigerten sich dadurch, weil
das Einkommen der Bauern direkt mit den Erträgen wuchs. Zusätzlich
machten Kanalbauten ausgedehnte Ländereien nutzbar; der Effekt
dieser Bauten trat jedoch erst ein, als Qin in seiner Expansion
bereits weit fortgeschritten war. Die effizientere Landwirtschaft
ermöglichte das Wachstum der Städte und die Abstellung von
Arbeitskräften für den Bau von Straßen und Brücken. Fünftens,
die Bereitschaft, Ausländer in hohen Positionen zu akzeptieren.
Persönlichkeiten wie Shang Yang, Lü Bu-wei, oder Li Si stammten
alle nicht aus Qin, sondern kamen aus rivalisierenden Staaten, wo sie
nicht in die von ihnen angestrebten Positionen gelangen konnten. Die
Umsetzung ihrer Ideen war jedoch maßgebend für die
Staatsorganisation von Qin und letzten Endes für dessen Durchbruch.
Lediglich bei Heerführern benötigte Qin keine Ausländer.
Sechstens, die Lage von Qin, das von Gebirgszügen und dem Gelben
Fluss geschützt wurde. Es war somit von Angriffen der
rivalisierenden Nachbarreiche geschützt und konnte aus dieser
Deckung heraus agieren. Siebtens, eine Serie kompetenter und
langlebiger Herrscher, die Kontinuität und Stabilität mit sich
brachte.
Das
Herzland der Qin-Dynastie lag im Tal des Wei-Flusses und am Oberlauf
des Gelben Flusses, an dessen Lauf neunzig Prozent der Bevölkerung
der Region lebten. Es bestand aus einem bergigen und trockenen Teil
im Nordwesten und einem Lößplateau. Dieses Gebiet hatte einen
weichen und fruchtbaren Boden, genug Feuchtigkeit für den Anbau von
Weizen und Hirse, weiter war es vor Hochwassern relativ sicher. Die
Aufschüttungsebene des Gelben Flusses wurden durch die Eroberung der
Nachbarstaaten Teil des Qin-Reiches. Diese Region verfügt zwar über
fruchtbare Böden, wird jedoch häufig überschwemmt und ist einem
Monsunklima ausgesetzt, was das Anlegen von Brunnen und die
Feldbewässerung notwendig macht.
Das
Herrschaftsgebiet der Qin-Dynastie zerfällt somit in zwei Teile, die
durch den Hangu-Pass voneinander getrennt werden. Das westlich dieses
Passes gelegene Gebiet wird auch als Guanzhong bezeichnet und hat die
Hauptstadt Xianyang als Zentrum. Das Gebiet westlich dieses Passes,
dessen Zentrum die alte Hauptstadt des Staates Qi, Linzi, war, hatte
zwar eine deutlich höhere Bevölkerungszahl, galt jedoch als
militärisch schwächer als das Gebiet des gebirgigen Ostens. Somit
war während der Qin-Dynastie die Situation gegeben, dass der weniger
dicht besiedelte und kulturell weniger fortgeschrittene Westen des
Landes über den bevölkerungsreicheren Osten herrschte.
Der
Jangtsekiang stellte während der Qin-Dynastie eher eine Grenzregion
dar. Zwar war der Oberlauf des Jangtsekiang bereits lange vor der
Reichseinigung Teil Qins geworden, der Mittellauf des Flusses sowie
sein Unterlauf blieben jedoch wirtschaftlich schwach und relativ
unbedeutend. Südchina war zur Zeit der Qin-Dynastie zu sumpfig für
den Ackerbau und lag außerhalb des chinesischen Kulturraums. Es galt
bis zur Tang-Dynastie als Ort, wo Sümpfe, Dschungel, Krankheiten,
Giftpflanzen, wilde Tiere und wilde Stämme herrschten und als ein
Ort der Verbannung. Gleichwohl versuchte Qin, seinen
Herrschaftsanspruch über den Süden geltend zu machen, indem man im
nördlichen Vietnam militärische Präsenz zeigte.
Einige
Regionen waren unerforscht oder unbekannt, dazu gehören das heutige
Nordostchina (Mandschurei) und der größte Teil der Inneren
Mongolei, der Südwesten znd die westlichen Regionen Tibet.
Nachdem
das Reich 221 vereinigt war, wurde die dahin gültige Aufteilung des
Landes in Königreiche und Lehen komplett abgeschafft. Es kam an
ihrer Stelle zur Unterteilung des Territoriums in 36 Kommandanturen,
die ihrerseits wieder in Kreise unterteilt wurden. An der Spitze
jeder Kommandantur stand ein dreiköpfiges Gremium bestehend aus
einem Gouverneur, einem Militärkommandanten und einem kaiserlichen
Inspektor. Den Kreisen standen Magistrate vor. Alle diese Positionen
wurden zentral besetzt; ihre Inhaber konnten jederzeit abberufen
werden. Auch waren diese Titel nicht vererbbar. Bis zum Ende der
Qin-Dynastie wurden vier bis sechs weitere Kommandanturen geschaffen,
während die Anzahl der Kreise auf etwa 1000 stieg. Dieses System
wurde von allen späteren Dynastien weitergeführt.
Dieses
Verwaltungssystem war im Jahre 221 nicht neu, und es wurde auch nicht
in Qin erfunden. Es wurde wahrscheinlich ursprünglich in Chu
eingeführt, um neu eroberte oder kolonisierte Ländereien zu
verwalten. Qin war jedoch jener Staat, der dieses System am
konsequentesten umsetzte. Später diente es dazu, den Einfluss der
lokalen Machthaber zu begrenzen. Neu war jedoch, dass der Vorschlag
des damaligen Kanzler Wang Kuan, das Reich nach Vorbild der
Zhou-Könige in Lehen aufzuteilen und diese Lehen an Verwandte des
Kaisers zu vergeben, auf Betreiben von Li Si abgelehnt wurde. Dies
bedeutete einen scharfen Bruch mit der Vergangenheit, den Beginn der
kaiserlichen Bürokratie und das Ende des Feudalismus. Somit hatte
der Kaiser eine direkte Verwaltung über das gesamte Reich zur
Verfügung.
Die
aristokratischen Familien, die bis dahin über Königreiche und
Fürstentümer geherrscht hatten, und deren Gefolge, wurden in die
Hauptstadt umgesiedelt und kamen unter Aufsicht der Zentralregierung.
Zu diesem Zweck wurden genaue Kopien der Paläste ihrer Herkunftsorte
in der Hauptstadt erbaut. Chinesische Chroniken sprechen von 120 000
Familien, die auf diesem Weg in neuerbaute Paläste in Xianyang kamen
und dort bis zum Sturz der Qin-Dynastie blieben.
Parallel
zur Zwangsumsiedelung der früheren Elite wurden Waffen eingesammelt,
in die Hauptstadt gebracht und eingeschmolzen. Aus ihnen wurden
Glocken und zwölf riesige Statuen gegossen, die in der Palastanlage
aufgestellt wurden. Außerdem veranlasste der Erste Kaiser, dass
zahlreiche Stadtmauern und andere militärische Anlagen abgerissen
wurden.
Zu
den ersten politischen Aktivitäten nach der Reichseinigung gehörte,
dass der König seine Minister um Vorschläge für einen neuen
Herrschertitel bat. Der neue Titel sollte den Königstitel ablösen
und den Status des Herrschers über das gesamte Reich ausdrücken. Er
entschied sich für den Titel Huangdi, der nur sehr inadäquat als
Kaiser übersetzt wird, und wählte für sich selbst den
Herrschernamen Shi Huangdi, also Erster Erhabener Kaiser, weil er
sich als erster einer unendlichen Herrscherdynastie sah. Der
Kaisertitel Huangdi blieb bis zum Ende des chinesischen Kaisertums
erhalten. Huang bedeutet leuchtend oder erhaben, speziell der Begriff
Di erwies sich jedoch als kluge Wahl, denn er stammte aus der
Shang-Dynastie und bezeichnete die Gottheit, von der die Shang
abstammten. Daneben wurde die vier obersten Gottheiten des in Qin am
weitesten verbreiteten Glaubens als Di bezeichnet. Er wurde während
der Zhou-Dynastie als Bezeichnung für die legendären Weisen, die
die menschliche Zivilisation begründet haben sollen, eingeführt.
Als 221 das Reich geeinigt wurde, war Di schon ein Begriff, der das
Übermenschliche des neuen Herrschers vermittelte.
Die
Große Siegelschrift, die zu Beginn der Zhou-Dynastie in Gebrauch
war, hatte sich im Laufe der Zeit verändert und es hatten sich
regionale Unterschiede herausgebildet. Die Folge war, dass das
gleiche Zeichen an verschiedenen Orten unterschiedliche Schreibweisen
haben konnte.
Eine
Reform, die in den Chroniken direkt Li Si zugeschrieben wird, leitete
die folgenden Maßnahmen ein: Erstens, Vereinfachung und
Rationalisierung der teils sehr komplexen Schreibweisen, wodurch die
Kleine Siegelschrift entstand. Dabei wurden Zeichen auch strukturell
stark geändert, wiederum andere Zeichen entfielen ganz. Zweitens,
Abschaffung lokaler Varianten und Einführung von alleingültigen
Schreibweisen, wobei wahrscheinlich zumindest teilweise die im Staat
Qin üblichen Formen als Standards beibehalten wurden. Drittens,
Durchsetzung dieser neuen Schreibweisen im ganzen Reich.
Die
Vereinfachung der Schrift kam zunächst den Bedürfnissen der
zentralen kaiserlichen Verwaltung, die das Anfertigen zahlreicher
Schriftstücke bedingte, entgegen. Insgesamt wurde im Zuge dieser
Vereinheitlichung etwa ein Viertel der Zeichen abgeschafft. Diese
Reform legte den Grundstein für weitere Vereinfachungen während der
unmittelbar folgenden Han-Dynastie, wonach die Schrift bis zur
Einführung von Kurzzeichen durch die Kommunisten unverändert blieb.
Die
Gesetze der Qin-Dynastie gehen im Wesentlichen auf den bedeutenden
Legalisten Shang Yang zurück. Es werden ihnen zwei Prinzipien
zugeschrieben: Erstens, die Gruppenverantwortung für Vergehen in
Familien und in Einheiten von fünf oder zehn Familien, in welche die
Bevölkerung aufgeteilt wurde. Zweitens, die Androhung und Anwendung
von besonders grausamen Strafen, um Straftaten vorzubeugen. Zu den
Strafen gehörten neben der Todesstrafe durch Köpfen das Kochen in
einem Kessel, das Zerschneiden an der Hüfte, das Zerreißen durch
zwei Streitwagen oder die besonders schweren Fünf Strafen, also
Verstümmelung durch Abschneiden von Körperteilen vor der
eigentlichen Hinrichtung.
Obwohl
Qin für grausame Strafen bekannt ist, sind die gleichen Strafen auch
aus anderen Staaten der Zeit der Streitenden Reiche belegt und sie
fanden auch nach dem Fall der Qin-Dynastie Anwendung.
Die
Gesetze der Qin boten jedoch auch Anreize für gewünschtes
Verhalten. Bereits unter Shang Yang war eine Rangordnung mit 17
Stufen geschaffen worden, auf der man durch lobenswerte Taten
emporsteigen konnte. Dies betraf ursprünglich nur Verhalten im
Militär, später auch andere Aktivitäten, etwa das Abliefern von
Getreide an die Regierung in Notzeiten. Hatte man eine bestimmte
Rangstufe erreicht, wurde man von Arbeits- und Militärdienst
ausgenommen, ab einer weiteren Rangstufe wurde man mit Land belohnt.
Die Rangstufe war nicht vererbbar, der mit der Rangstufe verbundene
Landbesitz schon. Dieses Rangstufensystem wurde in der Qin-Dynastie
auf das gesamte Reich ausgeweitet und von der Han-Dynastie
beibehalten. Das ursprüngliche Ziel dieser Rangordnung war, die
traditionelle Aristokratie in ihrer Macht zu beschränken, sie
förderte jedoch gleichzeitig auch die soziale Mobilität: Für die
Zeit kurz nach der Reichseinigung sind deutlich mehr Würdenträger
nicht-aristokratischer Herkunft nachweisbar als zur Zeit des frühen
Qin-Staates.
Die
Gesetze wurden ausschließlich im Interesse des Staates erlassen; das
Individuum hatte sich, gemäß der Philosophie des Legalismus, dem
Ziel des mächtigen Staates unterzuordnen. Ein weiteres Merkmal der
legalistischen Denkweise war ein Egalitarismus, also dass die Gesetze
auf alle Mitglieder der Gesellschaft, die Kaiserfamilie
eingeschlossen, anzuwenden seien. Als Interesse das Staates wurden
zwei "primäre" Aktivitäten definiert, nämlich
Landwirtschaft und Militär. Alle anderen Aktivitäten, wie Handel,
Kunst oder die Herstellung von Luxusgütern sollte geächtet werden.
Ziel der Legalisten war eine stabile Gesellschaft, die auf einer
zufriedenen Bauernschaft beruhte. Wenngleich die folgenden Dynastien
den Legalismus nicht annahmen wie die Qin-Dynastie, so konnten
Händler und Gewerbetreibende nie eine dominante Stellung in der
chinesischen Gesellschaft einnehmen.
Gesetzestexte
deuten darauf hin, dass während der Qin-Zeit viel Wert auf genaue
Verwaltung, standardisierte Berichte und Abläufe gelegt wurde. Dazu
gehörten, wie und wann die Berichte zu erstellen und zu versenden
seien, oder auch Verbote, zu gewissen Zeiten Holz zu schlagen,
Vogelnester zu räubern oder Fische zu vergiften. Im ganzen Reich
vereinheitlicht wurden zudem Maße und Gewichte; Maßgefäße aus dem
Jahre 221 mit den Insignien Shang Yangs wurden sogar außerhalb des
damals von Chinesen bewohnten Territoriums gefunden.
Die
Währung war ein weiteres Feld, bei dem während der Qin-Dynastie
eine Reform und Vereinheitlichung herbeigeführt wurde. Während der
Zeit der Streitenden Reiche hatte jeder Staat seine eigenen Münzen,
die die verschiedensten Formen hatten. In Qin wurden Münzen erst
relativ spät eingeführt; gemäß den Chroniken kamen die ersten
Metallmünzen in Qin 356 in Umlauf. Die neuen Münzen, die kurz nach
der Reichseinigung eingeführt wurden, waren rund mit einem
quadratischen Loch in der Mitte; auch die folgenden Dynastien
behielten diese Form bei. Mit diesem Schritt verloren andere Güter
wie Jade, Perlen, Silber und Zinn ihre Funktion als Tauschobjekt.
Bereits
kurz nach der Einigung des Reiches begannen im Auftrag des Ersten
Kaisers unter dem bedeutenden General Meng Tian militärische
Aktionen zur Vergrößerung des Reiches. In nördlicher Richtung gab
es mehrjährige Kampagnen gegen die Xiongnu, in deren Verlauf die
Ordos-Region, Teile der heutigen Inneren Mongolei und das heutige
Gansu bis etwa Lanzhou an das Reich angegliedert wurden. Bedeutender
als die Expansion nach Norden war jedoch die Ausdehnung des Reiches
in Richtung des fruchtbaren und regenreichen Südens. Drei neue
Kommandanturen wurden in den heutigen Provinzen Fujian, Guangdong und
Guangxi errichtet; in diesen Regionen lebten damals nicht-chinesische
Völker mit hoher kultureller Verschiedenheit, die erst in den
folgenden Jahrhunderten assimiliert wurden. Die neuen Kommandanturen
gingen mit dem Fall der Qin-Dynastie zunächst auch wieder verloren.
Die
neu eroberten Gebiete wurden durch Ansiedlung von Bauern aus dem
Kernland des Reiches erschlossen. Die erste dieser
Umsiedelungsaktionen ist für das Jahr 219 dokumentiert, als Qin Shi
Huangdi nach einem längeren Aufenthalt an der Südseite der
Shandong-Halbinsel entschied, 50 000 Haushalte in diese Region zu
transportieren und dort anzusiedeln. Weitere Umsiedlungen folgten im
Zuge der Süd- und Nordexpansion des Reiches. Zu den Personen, die
umgesiedelt wurden, gehörten einerseits verurteilte Straftäter,
Schuldsklaven und Militärs oder Männer des Arbeitsdienstes, die
sich vor ihren Verpflichtungen gedrückt hatten. Auch Beamte, die im
Dienst nicht aufrecht gewesen sind, sowie Händler, deren Aktivitäten
im Qin-Reich geächtet werden sollten, konnten mit Umsiedlung
bestraft werden. Schließlich wurden normale Haushalte, die bereit
waren, sich in zu kolonisierenden Gebieten niederzulassen, mit der
Ausnahme vom Arbeitsdienst oder mit dem Aufstieg in der Rangordnung
belohnt.
Für
größere Bauprojekte wurden im vorkaiserlichen China Bauern zum
Frondienst herangezogen. Durch die Vereinigung des Reiches und den
gleichzeitig besseren Zugriff der Bürokratie auf die Bevölkerung
hatte die Qin-Dynastie die Fähigkeit, Arbeitskräfte viel massiver
zu mobilisieren, als es davor möglich war.
Ab
220 begann man mit dem Bau von kaiserlichen Fernstraßen, welche von
der Hauptstadt Xianyang aus vor allem in Richtung Norden und Osten
führten. Die bedeutendste davon war die 800 km lange, von Meng Tian
errichtete Gerade Straße, die bei Xianyang beginnt und bis in die
Nähe von Baotou führt. Sie war zwar noch nicht fertiggestellt, als
die Qin-Dynastie unterging, jedoch sind Reste davon bis heute
erhalten. Die Straßen hatten in flachem Terrain eine Breite von bis
zu 24 Metern. Insgesamt wird das Straßennetz, das während der
Qin-Dynastie existierte, auf etwa 7000 Kilomete Länge geschätzt. In
der Nähe der Hauptstadt Xianyang besaßen die Straßen eine mittlere
Spur, die für den Kaiser und hohe Beamten freizuhalten war.
Derselbe
Meng Tian, der mit dem Straßenbau betraut war, hatte auch mit 300
000 Mann die Xiongnu zu bekämpfen und eine Mauer zu bauen. Die
Chroniken berichten, dass er eine Mauer schuf, die 10 000 Li lang war
und sich von Lintao bis Liaodong erstreckte. Die von den Qin gebaute
Mauer verlief jedoch weiter nördlich als die heute noch sichtbare
Mauer, die aus der Ming-Dynastie stammt. Meng Tian konnte auch auf
Mauerabschnitte zurückgreifen, die von den einzelnen Streitenden
Reichen ab 300 vor Christus gebaut worden waren. Die logistischen
Anstrengungen wie auch die Opferzahlen waren kolossal.
Im
Jahre 212 ließ der Erste Kaiser den Bau einer neuen Thronhalle
südlich des Wei-Flusses beginnen. Dieser Palast bekam später den
Beinamen Epang-Palast. Für dasselbe Jahr erwähnen die Chroniken die
damals im Bau befindliche riesige Grabstätte. Für diese beiden
Vorhaben wurden 700 000 Männer, also mehr als das Doppelte wie für
den Mauerbau, eingesetzt.
In
Verbindung mit der Südexpansion steht ein Kanalbauprojekt, neben dem
Zhengguo-Kanal und dem Dujiangyan-Bewässerungssystem das dritte
große Kanalprojekt, das unter Qin Shi Huangdi verwirklicht wurde.
Mit dem Lingqu-Kanal wurde der Xiang, ein Nebenfluss des
Jangtsekiang, mit dem Li Jiang, einem Nebenfluss des Westflusses,
verbunden. Dies bedeutete, dass ein Wasserweg geschaffen werden
konnte, mit dem man Getreide und anderes Material ohne Unterbrechung
auf dem Wasserweg von Nordchina bis nach Guangzhou befördern konnte.
Dieser Kanal wird heute noch befahren. Für ein Land, das keine
natürliche Nord-Süd-Wasserstraße hatte, die Geographie für die
Küstenschifffahrt ungünstig war und der Landtransport teuer war,
ist die Bedeutung dieses Wasserweges kaum zu unterschätzen.
Der
Erste Kaiser der Qin-Dynastie unternahm insgesamt fünf ausgedehnte
Inspektionsreisen durch sein Reich, die ihn und seinen Kanzler Li Si
an alle Orte von Bedeutung brachten. Wenngleich dies andere Herrscher
auch taten, so wurde Qin Shi Huangdi, was die Häufigkeit und die
Dauer seiner Reisen betrifft, von keinem anderen Monarchen Chinas
übertroffen. Neben seinem Interesse, sein Reich zu besichtigen, war
auch sein Glaube an das Elixir der Unsterblichkeit Triebkraft für
die Reisen. Da er dieses Elixier im Neer zu finden hoffte, reiste er
mehrmals zu und entlang der ostchinesischen Küste, und hielt sich
dort auch längere Zeit lang auf.
Auf
seiner ersten Reise an die chinesische Ostküste traf der Kaiser auf
einen Zauberer namens Xu Fu, der ihn um Erlaubnis bat, das Meer
erkunden zu dürfen. Er versprach, drei Berginseln suchen zu wollen,
auf denen die Unsterblichen leben sollten. Der Kaiser entsandte ihn
mit einer Flotte und zahlreichen Jungen und Mädchen, diese Flotte
kehrte jedoch nie wieder zurück. Auf diese Weise wurde Japan
besiedelt.
Auf
den Inspektionsreisen ließ der Erste Kaiser insgesamt sechs große
Tafeln mit Inschriften aufstellen, deren Texte Li Si zugeschrieben
werden und die die Errungenschaften und die Glorie der Qin-Dynastie
preisen. Weiter wurden, speziell auf bedeutenden Bergen wie dem Tai
Shan, Zeremonien durchgeführt, die das Ziel hatten, den Ruhm Qins im
Himmel bekanntzumachen. Auf seiner fünften Reise starb der Erste
Kaiser unerwartet im August 210 im südlichen Hebei. Seine Reise
hatte bis dahin schon zehn Monate gedauert.
Zwei
Episoden, die in den Chroniken erwähnt sind, haben das Ansehen der
Qin-Dynastie bis heute geprägt. Sie sind in China unter dem Begriff
Bücherverbrennung und Gelehrtenbegrabung bekannt.
Anlässlich
eines Empfangs im Kaiserpalast im Jahre 213 wurde der Erste Kaiser
von zahlreichen Gelehrten dafür gepriesen, den Frieden hergestellt
zu haben, indem er das Land in Kommandanturen und Kreise aufteilte,
anstelle das Land in Königtümer und Herzogtümer zu zerteilen, wie
es die Vorgängerdynastien getan hatten. Gelehrte aus dem früheren
Staate Qi, einem Kernland des Konfuzianismus, erklärten jedoch, dass
die Herrscherdynastien vor Qin gerade deshalb so lange Bestand
hatten, weil die Herrscher ihre Verwandten und verdiente Minister mit
Lehen belohnten. Die Reaktion des legalistischen Kanzlers Li Si war
heftig; er empfahl, dass alle Bücher, die geeignet waren, die
Gegenwart mit Hilfe der Vergangenheit zu kritisieren, verbrannt
werden sollten. Dazu gehörten Werke anderer philosophischer
Strömungen als dem Legalismus, die Chroniken anderer Staaten und
speziell das Buch der Lieder und das Buch der Urkunden. Die Werke in
der kaiserlichen Bibliothek sowie alle Bücher über Medizin, Land-
und Forstwirtschaft sowie Astrologie sollten von diesem Dekret
ausgenommen sein. Außerdem sollten alle, die die Gegenwart mit Hilfe
der Vergangenheit kritisierten, hingerichtet werden.
Der
Vorschlag wurde von Kaiser Qin Shi Huangdi genehmigt; das Dekret
wurde erst im Jahre 191 vor Christus durch die Han-Dynastie
zurückgenommen. Die Bücherverbrennung der Qin-Dynastie hatte nicht
zum Ziel, den gesamten Bestand an Büchern zu verbrennen. Es ist
nicht geklärt, wie viele Bücher tatsächlich verbrannt wurden und
wie viele Schriftstücke aus der Zhou-Dynastie durch diese Aktion
verlorenging. Es ist anzunehmen, dass die Schäden, die das
Niederbrennen des Kaiserpalasts durch Rebellen im Jahr 206
anrichtete, viel höher waren, und dass in späteren Jahrhunderten
weitere Schriftstücke verlorengingen. Dieses absichtliche Zerstören
von Literatur hatte jedoch zur Folge, dass die konfuzianistisch
geprägten Historiker der folgenden Dynastien über Qin ein
tendenziell negatives Bild zeichneten.
Eine
zweite Episode wird dem Jahr 212 zugeschrieben. Ein gewisser Meister
Lu, ein Magier von der ostchinesischen Küste, riet dem Ersten
Kaiser, sich von anderen Männern fernzuhalten, denn so wäre es ihm
möglich, das Elixier der Unsterblichkeit zu entdecken. Der Kaiser
ließ in der Folge zahlreiche Paläste umbauen, dekorieren und jeden
hinrichten, der sich während seiner Anwesenheit in diesen Palästen
zeigte. Als er einmal von einem Hügel aus das Gefolge seines
Kanzlers Li Si erblickte, ärgerte er sich über die hohe Zahl der
Begleitung. Li Si reduzierte sein Gefolge entsprechend, da erkannte
der Kaiser, dass es in seinem eigenen Gefolge eine undichte Stelle
gab. Da niemand zugeben wollte, Li Si informiert zu haben, ließ er
alle jene, die zu besagtem Zeitpunkt bei ihm waren, hinrichten.
Außerdem erfuhr der Kaiser von Schmähreden, in denen er als grausam
und machthungrig bezeichnet wurde. Er ließ dafür persönlich
ausgesuchte Gelehrte hinrichten. Seinen Sohn Fu-su, der ihn für die
Hinrichtungen kritisierte, schickte er an die Nordgrenze seines
Reiches, um die Militär- und Bautätigkeiten von Meng Tian zu
überwachen.
Diese
Episode hat viel dazu beigetragen, dass der Erste Kaiser traditionell
als grausame Schreckgestalt dargestellt wird. Sie ist aber aller
Wahrscheinlichkeit nach eine Erfindung, die Sima Qian beim
Zusammenstellen seiner Chronik entweder unkommentiert von einer
anderen Quelle übernommen hat, oder die später von Unbekannten in
die Chronik eingefügt wurde. Die verwendeten Schriftzeichen lassen
zudem die Interpretation zu, dass die Gelehrten bei lebendigem Leibe
begraben wurden, was die Dramatik, die diese Geschichte der Figur von
Qin Shi Huangdi verliehen hat, weiter erhöht.
Die
Qin-Dynastie wird als reinste Verkörperung der Philosophie des
Legalismus gesehen und in der Tat wurde der Legalismus von keinem
späteren Herrscher so umgesetzt, wie dies in Qin geschah. Das Reich
und sein Kaiser, der den Legalismus wohl als politische Notwendigkeit
akzeptierte, waren jedoch von weiteren bedeutenden Wert- und
Denkrichtungen beeinflusst. Es ist überdies anzunehmen, dass die
Gelehrten in ihrer Zeit sich nicht bewusst einer Schule anschlossen,
und dass die Einteilungen erst zu viel späterer Zeit erfolgten.
Der
Legalismus zerfällt grob in zwei Strömungen, wovon eine auf dem
Denken von Shang Yang beruht und strenge Gesetze,
Gruppenverantwortung sowie Belohnung und Strafe als Werkzeuge zum
Staatsaufbau vorsieht. Die Lehren von Shen Bu-hai betonen jedoch die
Methoden und Techniken, die ein Staat zum Aufbau einer bürokratischen
Verwaltung anwenden muss. Obwohl Shen Bu-hai Kanzler des Staates Han
war, wurden seine Theorien auch in Qin angewandt, dies zeigen
Schriften von Li Si und auch Gesetzestexte, die bei Ausgrabungen zum
Vorschein gekommen sind und die von einer bemerkenswert hohen
Entwicklung der quantitativen Techniken des Qin-Reiches zeugen.
Der
Konfuzianismus war eine weitere einflussreiche Philosophie des
Qin-Reiches. Auch wenn die Zentren des Konfuzianismus ursprünglich
nicht in Qin, sondern in anderen Staaten lagen, so finanzierte Qin
Shi Huangdi ein Institut von Akademikern, dem 70 Mitglieder
angehörten. Diese wurden zu zahlreichen Fragen wie Formulierung von
Riten, Zeremonien, Opferungen oder Traumdeutungen herangezogen. Die
konfuzianistischen Institutionen waren von den berüchtigten
Bücherverbrennungen ausgenommen. Die Bedeutung konfuzianistischer
Ideen wird weiters durch die Steininschriften des Ersten Kaisers
illustriert und überlieferte Straffälle demonstrieren, dass die
Gesetze Qins die Missachtung von konfuzianistischen Werten, etwa die
Kindespflichten, unter Strafe stellte. Somit waren der Konfuzianismus
und der Legalismus der Qin-Dynastie, anders als häufig dargestellt,
keine entgegengesetzten, sondern sich ergänzende Denkströmungen.
Der
Fünf-Elemente-Lehre wurde wahrscheinlich durch den Ersten Kaiser
ebenso eine große Beachtung geschenkt. Diese Philosophie besagt,
dass die Elemente Erde, Metall, Holz, Feuer und Wasser in einer
ständig wiederkehrenden und unabänderlichen Reihenfolge auftreten.
Dem Hause Zhou war das Element Feuer zugeordnet. Die Qin-Herrscher
hatten Kosmologen, die sie dabei berieten, wie man am besten die
Unterstützung der Kräfte des Elementes Wasser für sich erlangen
könnte; die Farbe schwarz (die Entsprechung des Wassers unter den
Farben) war somit die bevorzugte Farbe für Kleidung und Flaggen; der
Zahl sechs (die Entsprechung des Wassers in der Zahlenwelt) wurde bei
Vorschriften über Wagenlänge und Huthöhe Rechnung getragen und
gewisse Zeremonien oder Hinrichtungen fanden vorwiegend im Winter,
der Entsprechung des Wassers unter den Jahreszeiten statt.
Der
Taoismus in seiner Ausprägung der Qin-Zeit sowie Hexerei und
Schamanismus fanden großes Interesse des Ersten Kaisers, der an die
Existenz des Elixiers der Unsterblichkeit glaubte und hoffte, dies
mit Hilfe von Magiern zu finden.
Der
Erste Kaiser starb auf seiner fünften Inspektionsreise, im Jahr 210
im südlichen Hebei, im 49. Lebensjahr. Mit ihm auf dieser Reise
befanden sich unter anderem sein Lieblingssohn Hu-hai, Kanzler Li Si
und der Eunuch Zhao Gao. Zhao Gao war Lehrer von Hu-hai, vor allem in
rechtlichen Angelegenheiten, und er hatte das wichtige Amt inne, den
Ein- und Ausgang von kaiserlichen Dokumenten zu überwachen. Kurz vor
seinem Tod verfasste Qin Shi Huangdi ein Papier, in welchem er seinen
ältesten Sohn Fu-su, den er an die Nordgrenze des Reiches zu Meng
Tian geschickt hatte, in die Hauptstadt Xianyang rief, damit er dort
die Thronfolge antreten konnte. Zhao Gao hinterging den Kaiser nun,
indem er das Schreiben zurückhielt und anstelle dessen einen
kaiserlichen Brief fälschte, in welchem er Fu-su und Meng Tian der
Untreue gegenüber dem Hof bezichtigte und sie zum Selbstmord
aufforderte.
Qin
Shihuangdi wurde in einem Mausoleum, das sich damals schon mehrere
Jahre in Bau befand, beerdigt. Mit ihm wurden zahlreiche Konkubinen,
Schätze und Soldaten aus Terrakotta begraben; jene Arbeiter, die die
Arbeiten am Mausoleum ausführten, begleiteten den Kaiser ebenfalls
ins Grab, um das Geheimnis der Anlage zu bewahren.
Hu-hai
bestieg somit als Zweiter Kaiser den Thron. Auch er führte, gleich
seinem Vater, eine Inspektionsreise durch und verewigte sich in einer
der Steintafeln, die der Erste Kaiser aufstellen lassen hatte.
Gleichzeitig übernahm Zhao Gao jedoch die Macht. Im Jahre 208 ließ
er den alternden Li Si mitsamt seiner Familie hinrichten; Li Si starb
auf dem Marktplatz von Xianyang den grausamen Tod durch die Fünf
Strafen und anschließendes Zertrennen des Körpers an der Hüfte.
Wenig später übernahm Zhao Gap das Kanzleramt und trieb den Zweiten
Kaiser in den Selbstmord. Neuer Kaiser wurde ein Enkel von Qin Shi
Huangdi, Zi-ying. Dieser ließ Zhao Gao kurz nach seiner
Thronbesteigung erstechen.
Im
Jahre 209 brach im Qin-Reich die erste größere Rebellion aus. Die
Chroniken berichten von zwei Landarbeitern namens Chen She und Wu
Guang aus dem früheren Staate Chu, die die Aufgabe bekommen hatten,
900 zwangsverpflichtete Arbeiter zur Großen Mauer zu bringen.
Starker Regen verzögerte die Ankunft der Arbeiter; nach Qin-Recht
hätten die beiden Männer dafür zum Tod verurteilt werden sollen.
Sie entschieden sich zur Rebellion und es gelang ihnen, ein gewisses
Territorium unter ihre Kontrolle zu bringen. Chen She nahm in der
Folge den Titel Großer Chu an und schaffte es im Winter 208 sogar,
eine Stadt unweit der Hauptstadt Xianyang zu belagern. Die Truppen
von Chen She wurden jedoch von einer Armee des Qin-Generals Zheng Han
besiegt; Chen She wurde kurz darauf von einem seiner Gefolgsleute
ermordet.
Für
das militärisch starke Qin-Reich war die Niederschlagung dieser
Rebellion keine Schwierigkeit. Sie löste jedoch zahlreiche Revolten
vor allem in Gebieten aus, die früher zu anderen Staaten gehört
hatten und wo nach wie vor Treue zu den alten Herrscherhäusern
vorherrschte. So kam es zu einer Serie von Morden an kaiserlichen
Beamten in verschiedenen Kommandanturen; die Zentralregierung hatte
indes nicht die Fähigkeit, auf diese Vorkommnisse schnell zu
reagieren. Inspiriert von der Rebellion Chen Shes organisierten 209
zwei Mitglieder des ehemaligen Chu-Königshauses, Xiang Liang und
Xiang Yu, einen Aufstand, ermordeten den Gouverneur Kuai Chi und
stellten das Chu-Königreich wieder her, indem sie einen Enkel des
früheren Königs als Herrscher einsetzten. Ähnliches geschah in
Yan, Han, Wei, Zhao und Qi. Ebenfalls im ehemaligen Chu ermordete der
Bauernführer Liu Bang den Gouverneur von Pei und nahm ab dann den
Titel Herzog von Pei an.
Qin
entsandte eine Armee in Richtung Osten, um die verlorenen Gebiete
zurückzuerobern. Es kam zu einer Belagerung einer strategisch
wichtigen Stadt im Staate Zhao, die die Rebellen unter Xiang Yu für
sich entscheiden konnten. In der Folge etablierte Xiang Yu sich als
fähiger Heerführer, während zahlreiche altgediente Qin-Generäle
besiegt wurden oder sich ergeben mussten. Parallel zu dieser
Belagerung entsandte der neu eingesetzte Chu-König Liu Bang mit
einem Heer in das Herzland von Qin, nämlich in die Region Guanzhong.
Nachdem es ihm gelungen war, bei Lantian ein Qin-Heer zu besiegen,
hatte er freien Weg zur Qin-Hauptstadt Xianyang. Dort ergab sich
Zi-ying, der Dritte Kaiser, dem Bauernführer Liu Bang, nur 46 Tage
nach seiner Thronbesteigung.
Gemäß
einer Abmachung mit dem König von Chu hätte Liu Bang somit neuer
König von Qin werden sollen. Die Chroniken berichten, dass er die
Staatsdokumente von Qin beschlagnahmen, den Palast und die
Waffenkammern abriegeln und das harte und unpopuläre Strafgesetzbuch
abschaffen ließ. Etwa zwei Monate später erreichte Xiang Yu mit
seinen Truppen die Stadt Xianyang, ließ Zi-ying und seine Familie
hinrichten und den Palast plündern und niederbrennen. Somit endeten
die Qin-Dynastie und die 700jährige Existenz des Staates Qin.
Xiang
Yu hatte vor, aus dem ehemals vereinigten Reich eine Föderation von
18 Königreichen zu machen, die von einem 19. Reich angeführt werden
sollte. Als König dieses 19. Reiches sah er sich selbst. Er ließ
den König von Chu ermorden und machte Liu Bang zum König des
abgelegensten Teiles von Qin namens Hanzhong. Dieser Verrat führte
zu einem Krieg, den Liu Bang mit Unterstützung der Heerführer Xiao
He und Han Xin im Jahr 202 in einer Entscheidungsschlacht in Anhui
für sich entschied. Er rief sich zum ersten Kaiser der Han-Dynastie
aus. Als Mann aus dem Volk schuf er einige der unpopulärsten Gesetze
der Qin-Dynastie ab, versorgte seine Gefolgsleute mit Lehen, führte
im Allgemeinen jedoch die Politik der Qin-Dynastie weiter.
SECHSTES
KAPITEL
DIE
HAN-DYNASTIE
In
den Zeiten der Han ward im fernen Ju-te-a geboren
Ye-su
Ji-du, der wahre Himmelssohn, heilige Gottmensch.
Der
Sturz der vorangegangenen Qin-Dynastie geschah durch mehrere
gleichzeitige Bauernaufstände, die sich gegen Unterdrückung
richteten. Den Anlass bildete der Befehl, eine Gruppe von 900
Arbeitern hinzurichten, die aufgrund starker Regenfälle zu spät zur
Arbeit an der Großen Mauer gekommen waren. Die Betroffenen erhoben
sich und versammelten sich innerhalb weniger Tage zu einer Armee von
300 000 Mann.
Unter
den Anführern dieser Aufstände setzte sich der niedere Beamte Liu
Bang durch. Sein Gegenspieler auf kaiserlicher Seite war der Adlige
Xiang Yu aus Chu, gegen den er umsichtig und letztlich erfolgreich
kämpfte. Als Xiang Yu fiel, wurde Liu Bang Kaiser. Er ließ den
Verwaltungsapparat der Qin-Dynastie weiterbestehen und hielt an der
Mehrzahl ihrer Gesetze und Verordnungen fest.
Die
Bevölkerung wurde in 24 Rangstufen eingeordnet. Man konnte gegen
besondere Leistungen befördert, aber auch als Strafe degradiert
werden. Die Leistungen an den Staat bestanden aus Kopfsteuer,
Fronarbeit und Militärdienst. Es kam zu Bevölkerungsumsiedlungen,
um die Grenze zu verteidigen, Land urbar zu machen und die
Ballungsgebiete zu entlasten.
Der
Verwaltungsapparat war wie zuvor dreigeteilt: zivile Angelegenheiten,
militärische Angelegenheiten und Inspektion. Das betraf sowohl die
Hauptstadt Tschang-an, die Provinz als auch die Lehen, die zunächst
noch der kaiserlichen Familie und verdienten Generälen überlassen
wurden.
Zur
Zeit der Qin- und der Han-Dynastie wurde im Kaiserreich China die
Macht der Lehnsträger, also des Adels beseitigt und das Lehnswesen
abgeschafft. Das Reich wurde endgültig zentralisiert, in Provinzen
gegliedert und durch einen Beamtenapparat verwaltet. Eine dagegen
aufbegehrende Revolte der Sieben Königreiche wurde zerschlagen.
Dazu
kam die Abwehr der Gefahr durch die Xiongnu unter Kaiser Wu. Ferner
erweiterte sich China südwärts durch Unterwerfung der
Yue-Volksgruppen, wodurch auch die Bevölkerung anwuchs. Der Kurs der
Han-Politik war damals eindeutig auf Expansion ausgerichtet.
Die
Han-Dynastie verzeichnet auch eine kulturelle und wirtschaftliche
Blüte. Die Lehren des Konfuzius wurden staatlich anerkannt, auch
wenn zunächst der Taoismus dominierte. Ferner hielt der aus Indien
stammende Buddhismus seinen Einzug in China. Man bemühte sich mit
beachtlichen Teilerfolgen um die Wiederherstellung der verbrannten
und verlorengegangenen Literatur.
Die
Wirtschaft erlebte einen Aufschwung, erkennbar durch explodierenden
Seiden-, Lack- und Jadehandel und eine Vielzahl von Erfindungen:
Stahlerzeugung, Schiffsruder, Handkurbel, Messschieber, Schubkarre,
Kettenpumpe, Hängebrücke, Bohrung nach Sole,
Rotationsworfelmaschine, Drillmaschine, Papier, Seismoskop und
anderes Viele der genannten Erfindungen waren allerdings schon zuvor
den alten Griechen und Römern bekannt, so dass es sich hierbei um
chinesische Parallelerfindungen handelt, was die Leistung des
Han-zeitlichen Erfindergeists allerdings nicht schmälert.
Die
wichtigen Wirtschaftszweige Eisen und Salz waren gut ein Jahrhundert
lang Staatsmonopole. Es gab allerdings auch private Unternehmen von
reichen Kaufmannsfamilien, etwa auf dem ebenso bedeutsamen Gebiet der
Seidenproduktion. Die chinesischen Beamten bemühten sich ferner, die
Anbauflächen zu vergrößern, intensiver zu bewirtschaften und die
Nomadenstämme an den Grenzen zum Ackerbau zu animieren.
Die
wachsende Wirtschaftskraft Han-Chinas und seine
politisch-militärische Expansion begünstigten den Handelsverkehr
zwischen den chinesischen Ländern und diversen Regionen Asiens.
Konkret breitete sich Han-China im Rahmen des Krieges mit den Xiongnu
und ihren Vasallen enlang der Seidenstraße aus. Dem folgte eine
Ansiedlung chinesischer Soldaten und ein Strom von Zwischenhändlern
in diese Region. Die Loyalität der besiegten Nomaden erkaufte man
sich mit umfangreichen Geschenken.
Eine
ähnliche Expansion vollzog sich in den subtropischen Gebieten, wo
man über Kanton und Nordvietnam die Anbindung an den indo-iranischen
Seehandel schaffte. Es entstanden erste Kontakte Han-Chinas nach
Persien und indirekt sogar zum Römischen Reich. So tauchten laut
chinesischen Berichten Gesandte der Römer erstmals zur Zeit von Marc
Aurel in China auf. Indische Gesandtschaften erreichten den Hof, es
entstanden offizielle Beziehungen nach Java.
Aufgrund
ihrer wirtschaftlichen Erfolge wurden im Laufe der Zeit reiche
Provinzfamilien immer einflussreicher, insbesondere wenn sie die
Landwirtschaft mit industriellen Unternehmungen und Handel
kombinieren konnten.
Dieser
wirtschaftliche Erfolg führte über Darlehen und Wucherzinsen zur
Enteignung der kleinen Bauern, was auch die hohe Zahl von Sklaven
erklärt. Kaufleute stellten ihren Reichtum offen zur Schau, so dass
es zeitweise Verbote hagelte. Als das nichts half, erhob man Abgaben
auf Schiffe und Wagen und führte Staatsmonopole ein. Trotzdem geriet
das gesellschaftliche Gleichgewicht durcheinander, was sich zur
Regierungszeit des Wang Mang im Bürgerkrieg entlud.
Der
Sturz der Frühen Han-Dynastie vollzog sich durch die Familie Wang,
das heißt die einer Kaiserin. Deren Neffe Wang Mang riss mit ihrer
Erlaubnis die Regierung an sich und ernannte sich schließlich selbst
zum Kaiser. Er wurde durch den gleichzeitigen Bauernaufstand der
„Roten Augenbrauen“ und dreier Han-Prinzen wieder gestürzt. Von
den Han-Prinzen bestieg Liu Xiu (Kaiser Guang Wu) in mehreren Kämpfen
den Thron und begründete die Östliche, Späte Han-Dynastie.
Die
Thronbesteigung der Späten Han löste die angesammelten Probleme
nicht. Im Prinzip waren es die Großgrundbesitzer, welche die Späten
Han-Kaiser unterstützten, während die Frühen Han noch die
Kleinbauern als Gegengewicht zu den Lehensträgern und reichen
Familien benutzt hatten.
Zur
Zeit der Späten Han kam es zu zunehmenden Bevölkerungsverschiebungen
von Norden nach dem Roten Becken in Sichuan und dem Jangtsekiang. Der
Grund waren die Unruhen unter den ehemaligen Nomaden. Man erwog schon
einen allgemeinen Rückzug aus dem Nordwesten. Die so entwurzelten
Bauern und ehemaligen militärischen Siedler waren auf Landsuche,
vermehrten die Arbeitskräfte im Süden und wurden von den reichen
Großgrundbesitzern abhängig, die riesige Vermögen anhäuften und
eigene Milizen aufstellten.
Der
Untergang der Späten Han-Dynastie kam zur Regierungszeit von Kaiser
Ling zunächst mit Unruhen und Banditenumtrieben. Dann brach unter
den Zhang-Brüdern der religiös-soziale Bauernaufstand der Gelben
Turbane aus, der bald das ganze Reich erfasst hatte. Um der Lage Herr
zu werden, versah der Kaiser die Provinzgouverneure und Generäle mit
weitreichenden Befugnissen und beseitigte damit den Einfluss der
Zentralregierung. Dazu gesellte sich die sozial-religiöse Bewegung
Fünf-Reisscheffel des Zhang Daoling und seines Enkels Zhang Lu, die
ein unabhängiges Territorium um Hanzhong kontrollierte. Nach Kaiser
Lings Tod brach in der Hauptstadt ein Streit um die Nachfolge aus,
bei dem sich der General Dong Zhuo durchsetzte. Er lenkte den letzten
Han-Kaiser Xian, bis er einer Verschwörung zum Opfer fiel und
ermordet wurde.
Zu
dieser Zeit befand sich das Land im Bürgerkrieg. Im Jahr 196 nach
Christus bemächtigte sich der General Cao Cao der Person des Kaisers
und versuchte, das Reich wieder zu vereinen. Er scheiterte jedoch in
der Schlacht von Chibi und musste den Jangtsekiang als Südgrenze
seines Machtbereichs akzeptieren. Anschließend formierten sich
südlich des Jangtsekiang die Reiche der Kriegsherren Liu Bei und Sun
Quan. Cao Cao starb im Frühjahr 220, und sein Sohn Cao Pi, der
zunächst für den Kaiser regierte, setzte ihn noch im selben Jahr ab
und ernannte sich selbst zum Kaiser der Wei-Dynastie. Damit begann in
China die Zeit der Drei Reiche.
Die
Kaiser der Han-Dynastie erhoben den Anspruch, Herrscher über
Tianxia, also die gesamte damals bekannte Welt, zu sein.
SIEBENTES
KAPITEL
DIE
DREI REICHE
Im heroischen Zeitalter, des
beim Volke beliebten,
Nach den Gelben Turbanen
kamen buddhistische Mönche.
Die
Östliche Han-Dynastie war bereits kurz nach ihrer Gründung von
inneren Schwächen geplagt. Die sozialen Probleme, die bereits zum
Sturz der Westlichen Han-Dynastie geführt hatten, blieben ungelöst,
innerhalb der höchsten Regierungsschicht fehlte es an einer starken
Führungspersönlichkeit. Fast alle Kaiser der Dynastie bestiegen den
Thron als Minderjährige, der jüngste im Alter von drei Monaten. So
blieben sie Marionetten der Kaiserwitwen, mächtiger Eunuchen oder
machthungriger Minister.
Die
Gelben Turbane waren ein Geheimbund mit taoistischer Färbung. Sie
appellierten an den Unmut der Unterschicht – der Bauern und
Handwerker – und propagierten eine gerechtere Sozialordnung. Der
Bund war dabei so erfolgreich und gut organisiert, dass, als er zum
Aufstand rief, binnen kürzester Zeit überall im Land
Aufstandszellen aktiv wurden und das Reich in eine ernste Krise
stürzten. Um der Situation Herr zu werden, war die schwache
Zentralregierung gezwungen, die Provinzgouverneure sowie lokale
paramilitärische Streitkräfte, die von den Großgrundbesitzern zum
eigenen Schutz organisiert worden waren, um Hilfe zu bitten. Dabei
stattete der Kaiserhof diese Lokalmächte mit weitreichenden
militärischen und zivilen Rechten aus. Zwar zeigte die Maßnahme
insoweit Wirkung, als der Aufstand schnell zusammenbrach, jedoch
blieben nun halbautonome regionale Mächte zurück, die der
Zentralregierung militärisch weit überlegen waren.
Zur
gleichen Zeit spitzten sich auch die Machtkämpfe am kaiserlichen Hof
zu. Zu den streitenden Parteien zählten die Eunuchen, deren Macht
auf ihrer Nähe zum Kaiser und den Kaiserwitwen beruhte, die
Verwandten der Kaiserfamilie, dabei hauptsächlich die Verwandten der
Kaiserin und der Kaiserwitwen, sowie die Minister und Generäle
innerhalb der Zentralregierung. Diese Auseinandersetzungen waren
bezeichnend für die gesamte Östliche Han-Dynastie.
Kaiser
Ling war gestorben und die Frage der Thronfolge lieferte den Anlass
zur blutigen Auseinandersetzung. General He Jin, der Halbbruder der
Kaiserwitwe, griff die zehn mächtigsten Eunuchen an, die bis dahin
die Politik der Zentralregierung bestimmt hatten. Zwar konnte He Jin
einige von ihnen töten, verlor selbst aber im Kampf das Leben. Im
Gegenzug wollten die Eunuchen He's Adjutanten Yuan Shao absetzen,
aber der kam ihnen zuvor, steckte entschlossen den Kaiserpalast in
Brand und massakrierte den Großteil von ihnen. Einige entführten
jedoch kurzerhand die beiden Thronanwärter Liu Bian und Liu Xie und
flüchteten. Yuan Shao rief deshalb den mächtigsten der
Provinzgouverneure, Dong Zhuo, zu Hilfe. Damit gab er einem
Lokalfürsten die Möglichkeit, selbst seine Interessen bei Hof zu
vertreten. Zugleich brach er das Tabu, dass lokale Militärmachthaber
ihre Armeen nicht in die Nähe der Hauptstadt bringen durften.
Dong
Zhuo folgte dem Ruf nur allzu willig. Er konnte die flüchtigen
Eunuchen schnell fassen und den Kaiser retten, dachte jedoch nicht
daran, die nun gewonnene Machtstellung aufzugeben. Die
offensichtliche Schwäche der Zentralregierung steigerte seine
Machtgelüste nur noch mehr. Er setzte den 13-jährigen Kaiser
kurzerhand ab, ließ ihn später töten und setzte einen neuen Kaiser
ein, den erst neunjährigen Xian. Dass er allzu gern selbst den Thron
bestiegen hätte und dies über kurz oder lang auch getan hätte, war
offenkundig. Doch Dong Zhuo wurde schließlich von seinem Gefolgsmann
Lü Bu ermordet.
Mit
der Machtergreifung Dong Zhuos hatte die zentrale Han-Regierung de
facto zu existieren aufgehört. Die lokalen Machthaber, die bislang
zumindest dem Anschein nach kaiserlichen Befehlen gehorchten, sagten
sich nun offen von der Zentralregierung los. Allianzen wurden
geschmiedet, um gegen Dong zu opponieren. Es kam aber auch zu
örtlichen Kämpfen zwischen den Kriegsherren. Das Buch der Späteren
Han dokumentiert: „Namhafte Metropolen sind leer und ohne
Einwohner. Landstriche, die über hunderte von Meilen menschenleer
sind, davon gibt es unzählige“!
Dong
wurde durch Intrigen innerhalb seines eigenen Machtblocks getötet.
Doch sein Tod brachte dem Land keinen Frieden, denn der Kampf um das
noch nicht völlig zerfallene Han-Reich hatte erst richtig begonnen.
Von den Kriegsherren, die das Geschehen dieser Zeit bestimmten, waren
einige frühere Provinzgouverneure, andere hatten erst durch den
Kampf gegen die Gelben Turbane Macht und Ansehen erlangt. Wieder
andere waren selbst Aufständische gewesen und konnten sich nun vor
allem in den Randgebieten etablieren.
Cao
Cao war ein Emporkömmling, der seinen Aufstieg dem Kampf gegen die
Gelben Turbane verdankte. In seiner Armee dienten auch zahlreiche
ehemalige Turbankämpfer. Nach dem Tod von Dong Zhuo nahm er Kaiser
Xian unter seinen Schutz und konnte dadurch seinen Taten einen Hauch
von Legitimation geben. Auch verfügte er über mehr Weitsicht als
sein ärgster Konkurrent Yuan Shao. So betrieb er beispielsweise eine
aktive Politik der Landerholung, um die wirtschaftliche Grundlage für
seine Feldzüge zu schaffen.
In
der Schlacht von Guandu konnte Cao Cao des Yuan Hauptstreitkraft
vernichtend schlagen, obwohl Yuans Armee in zehnfacher Überzahl war.
Cao jedoch erwies sich als der brillantere Taktiker und Stratege. Mit
lediglich 5000 Mann startete er einen risikoreichen
Überraschungsangriff, setzte unbemerkt über den Gelben Fluss und
griff das schwach verteidigte Hauptlager von Yuan Shaos Truppen an.
Durch diesen Angriff wurde die Hauptversorgung von Yuans Armee
vernichtet und seine Armee völlig demoralisiert. Mit hunderttausend
Mann ausgezogen, um das Land zu einigen, kehrte Yuan mit lediglich
800 Männern in seine Hauptstadt zurück. Er verfiel in Depressionen
und starb im darauffolgenden Jahr. Cao Cao wurde der unangefochtene
Herrscher über das Kernland. Er konnte auch den Rest von Yuans
Söhnen und Generälen besiegen und so den gesamten Norden einigen.
Dann
begann Cao Cao, nach Süden vorzustoßen. Sein erstes Opfer sollte
Liu Biao werden, der die Provinz Hubei regierte. Er gehörte der
kaiserlichen Familie an und war schon von jeher der Provinzgouverneur
der Region, strebte jedoch nicht nach Machterweiterung. An den
Umstürzen in der Hauptstadt nahm er weder teil noch zeigte er ein
Interesse daran. Er war vornehmlich auf den Erhalt seiner eigenen
lokalen Macht bedacht; zudem war er alt und kränklich. Dass er der
Armee von Cao Cao nicht standhalten würde, war offensichtlich. Liu
Bei, angeblich ebenfalls ein Angehöriger der kaiserlichen Familie
und zu dieser Zeit unter dem Schutz von Liu Biao, wollte sich Cao Cao
nicht kampflos ergeben. Von seinem Berater Zhuge Liang dazu
angehalten, beschloss Liu Bei, selbst das Heft in die Hand zu nehmen
und Cao Widerstand zu leisten.
Er
hatte jedoch keinen Erfolg. Nachdem Cao Cao mit Leichtigkeit Liu Biao
vernichtet hatte, flüchtete Liu Bei nach Wuhan und bat Sun Quan um
Hilfe.
Sun
Quan hatte das fruchtbare Gebiet südlich des Jangtsekiang unter
seine Kontrolle gebracht und gehörte zu den stärksten verbliebenen
Widersachern von Cao Cao. Zwar erreichte ihn ein Unterhändler von
Cao Cao, der ihn unverhohlen davor warnte, Liu Bei zu helfen. Aber
Sun Quan war klar, dass Cao Cao vorhatte, einen Kriegsherrn nach dem
anderen zu vernichten. Wenn er jetzt untätig bliebe, würde auch er
am Ende an die Reihe kommen. Um das Bündnis mit Liu Bei zu
besiegeln, gab er ihm seine Schwester zur Frau. Cao Cao beschloss
daraufhin, den Jangtsekiang zu überqueren und Sun Quan anzugreifen.
Dazu
musste er zuerst seine an Landoperationen gewöhnten Streitkräfte
für die Überquerung des Jangtsekiang vorbereiten. Bei Chibi
errichtete er einen Stützpunkt, der ihm als Basis für seine
Wasserstreitkraft dienen sollte. Damit seine Landstreitkraft ihre
gewohnte Taktik auch auf dem Wasser anwenden und somit der Marine von
Sun Quan Paroli bieten konnte, ließ er die Schiffe zu
überdimensionalen Flößen zusammenbinden, damit der Wellengang
vermindert würde. Über diese Flöße wurden Holzpaletten gelegt, so
dass selbst seine Kavallerie darauf operieren konnte. Sun Quan jedoch
nutzte die Schwäche dieser Riesenflöße aus: ihre Unbeweglichkeit
und die Tatsache, dass die Schiffe aus Holz gebaut waren. Mit zehn
kleinen Schiffen, die als Deserteure getarnt und mit Brennstoff voll
beladen waren, zündete er die gesamte Flotte von Cao Cao an. Zur
gleichen Zeit fiel die Armee von Liu Bei auf dem Land über Cao Caos
Truppen her. Nur mit Not konnte er sich retten.
Die
Schlacht von Chibi stoppte Cao Caos Vorstoß nach Süden und
besiegelte die Dreiteilung des Landes. Mit der Schlacht von Guandu
gehört sie zu einer der wichtigsten Schlachten in diesem Abschnitt
der chinesischen Geschichte.
Nach
dem Debakel von Chibi kehrte Cao Cao nach Norden zurück, um sich zu
erholen und neue Kraft zu sammeln.
Liu
Bei konnte die Zeit nutzen, um sich Sichuans und der Hunan-Provinz zu
bemächtigen.
Ohne
die Bedrohung von außen zerfiel das Bündnis zwischen Liu Bei und
Sun Quan jedoch schnell. Liu Bei scheiterte gegen Sun Quan, der
seinem Schwager Hunan und Hubei wieder abnahm. Außerdem konnte Sun
Quan sein Reich weiter nach Süden in Richtung Fujian und Guangdong
ausdehnen, Gebiete, die bis dahin zum Randgebiet von China zählten.
220
nach Christus starb Cao Cao, sein Sohn Cao Pi folgte ihm nach. Er
zwang den Han-Kaiser Xian, zu seinen Gunsten abzudanken und
errichtete die Wei-Dynastie. Ein Jahr darauf rief sich Liu Bei, der
sich für den rechtmäßigen Erben hielt, in Sichuan zum Han-Kaiser
aus. Sein Reich wurde in der Geschichte deshalb Shu Han genannt. Im
nächsten Jahr versuchte Liu Bei erfolglos, in einem großen Feldzug
die verlorenen Provinzen Hunan und Hubei zurückzuerobern. Kurz
darauf starb er. Sun Quan nannte sich König von Wu und Kaiser der
Wu-Dynastie.
Darauf
kam es in Wei zum Staatsstreich durch den Oberbefehlshaber Sima Yi.
Zwar wurde der Wei-Kaiser offiziell als Staatsoberhaupt belassen, die
Sima-Familie wurde jedoch die tonangebende Familie im Staat.
So
nutzte Sima Yis Sohn Sima Zhao die innere Zerstrittenheit von Shu Han
aus und fiel in Sichuan ein. Shu Han brach binnen kürzester Zeit
zusammen. Da setzte Sima Zhaos Sohn Sima Yan den letzten Wei-Kaiser
ab und errichtete die Jin-Dynastie. Gleichzeitig wurden erste
Vorbereitungen gegen Wu getroffen. Nach jahrelanger Vorbereitung
schließlich konnte Jin mit einer eigenen Marine auf dem Yangtse
aufwarten. Die Jin-Armee setzte über den Strom. Fünf Monate später
kapitulierte Wu. Damit war die Zeit der drei Reiche zu Ende.
Der
Konfuzianismus erlebte in dieser Epoche eine Zeit des Niedergangs. Er
verlor sich in starren Lehrsystemen und endlosen Kommentaren. Da er
in dieser Form die Bedürfnisse der Menschen nach
spekulativ-philosophischen Ideen nicht mehr befriedigen konnte, kam
es zu einem Aufleben alter Volksreligionen, die sich mit Elementen
des Taoismus verband, und einem Erstarken des Buddhismus. Unter dem
Einfluss des Buddhismus, der schon in der Han-Dynastie in ersten
Ansätzen eingeführt wurde, sich aber nicht nennenswert ausbreitete,
ging in dieser Epoche eine wesentliche Umformung der chinesischen
Geistigkeit und Zivilisation vonstatten. Der Buddhismus wurde in der
Zeit der drei Reiche von chinesischen und nicht-chinesischen
Missionaren in Wort und Schrift verkündet. In der Breite konnte sich
der Buddhismus dann allerdings erst mit Beginn der Tang-Dynastie in
China durchsetzen.
In
der allgemeinen chinesischen Wahrnehmung wurde die Zeit der drei
Reiche später zur heroischen Zeit schlechthin. Auch heute noch sind
Chinesen aller Volksschichten mit den Personen dieser Epoche meist
besser vertraut als mit denen der übrigen Epochen.
Der
Roman Die Geschichte der Drei Reiche vermischt historische
Begebenheiten mit literarischen Erfindungen und beschreibt die
Abenteuer dreier an der Niederschlagung der „Gelben Turbane“
beteiligter Generäle. Dank vieler Fassungen der Geschichte der Drei
Reiche in Dichtung und Drama ist diese Periode allen Chinesen
vertraut. Die beliebtesten Helden dieser Geschichten sind Guan Yu,
der spätere Kriegsgott, der für Treue und Aufrichtigkeit steht, und
außerdem Zhuge Liang, der sich durch Weisheit und Intellekt
auszeichnet.
ACHTES
KAPITEL
DIE
TANG-DYNASTIE
Li
Tai-Bo hat den Kummer ersoffen in Strömen des Weines
Und
betrunken Yang Gue-Fe besungen, die schönste Chinesin.
Die
Dynastie wurde von dem chinesischen General Li Yuan gegründet, der
inmitten zahlreicher Rebellionen Tschang-an eroberte, woraufhin der
Sui-Kaiser Yang-di von seinen Ratgebern erdrosselt wurde. General Li
Yuan nahm als Kaiser den Namen Gao-zu an. Er galt als
unentschlossener Herrscher, der stets im Schatten seines Sohnes Li
Shi-min stand und schließlich abdanken musste.
Li
Shi-min verbuchte als Kaiser Tai-zong einen entscheidenden Sieg über
die Osttürken, was der Tang-Dynastie die Ausbreitung entlang der
Seidenstraße ermöglichte und auch China dem Ausland öffnete. Viele
fremde Kaufleute und Krieger strömten in der Folge ins Land und
prägten die Stadtkultur jener Zeit. Mit ihnen kam Neues, zum
Beispiel spielte die chinesische Aristokratie damals Polo, ein Spiel
aus dem Iran, was nur aufgrund des verbreiteten Pferdebesitzes durch
die Kontrolle der Zuchtgebiete in Gansu möglich wurde. Iranische,
indische und türkische Verzierungen fanden sich auf jedem
Haushaltsgegenstand, Ausländer wurden mit Vorliebe in Zeichnungen
karikiert, Frauen traten unverhüllt und auch in Männerkleidung zu
Pferde in der Öffentlichkeit auf. Der Prinz Li Cheng-qian benahm
sich sogar wie ein Khan der Türken.
Chinas
Hauptstadt zur Tang-Zeit wurde Tschang-an (heute Xian, eine Million
Einwohner); aber auch Luoyang war bedeutende Nebenhauptstadt der
Dynastie.
Die
Beamtenschaft wurde in neun Rangklassen untergliedert, unabhängig
von der tatsächlich ausgeübten Funktion. Tai-zong erneuerte auch
die staatlichen Beamtenprüfungen (Geschichte, konfuzianische
Klassiker, Lyrik und Verwaltung), um sich bessere Verwaltungsbeamte
heranzuziehen. In der Praxis bestimmten aber Geld und Herkunft, wer
Beamter wurde, so dass die höchsten Posten weiterhin dem Adel
vorbehalten blieben.
Die
Strafgesetze wurden vereinfacht und gemildert, das Schulwesen
gefördert. Der Gesetzkodex der Tang-Zeit ist vollständig
überliefert. Er war sehr umfangreich und besticht durch lückenlose
Logik. Man bewertete sowohl die Schwere beziehungsweise das Wesen der
Straftat als auch die gesellschaftliche Stellung des Opfers.
Zusätzlich zum Strafrecht entstanden auch erste Umrisse eines
Beamtenrechts.
Gegen
Ende seines Lebens stürzte sich Kaiser Tai-zong aber in einen
belastenden Krieg gegen Korea, was ihn zuletzt sogar innerhalb der
eigenen Regierung isolierte. Für das Jahr 651 nach Christus wird die
erste arabische Gesandtschaft am Tang-Hofe vermerkt, gesendet von
Kalif Uthman, 643 erreichte sogar eine Gesandschaft aus Byzanz den
Hof. Weitere Kriege Chinas gegen die Türken verliefen zwar
erfolgreich – es wurden auch die Westtürken unterworfen, ein
persischer Prinz namens Peroz forderte chinesische Unterstützung
gegen die Araber an – aber die Erfolge waren nicht von Dauer.
Der
Kaiser Gao-zong litt an Schwindelanfällen und Kopfschmerzen. Man
nahm an, dass er von seiner Frau, der späteren „schrecklichen
Kaiserin“ Wu Zhao (einer ehemaligen Konkubine), bis zu seinem Tod
langsam vergiftet wurde. Wu Zhao ermordete ihren erstgeborenen Sohn
und sperrte zwei weitere ihrer Söhne ein. Dann nahm sie den
Kaisertitel an und regierte (trotz ihrer zahlreichen Morde) mit der
Unterstützung der Buddhisten, der Geheimpolizei und großer Teile
des Volkes. Um nicht auf die revoltierende Militäraristokratie des
Nordens zurückgreifen zu müssen, förderte sie durch ihre
Beamtenprüfungen neue Leute, speziell aus dem Süden Chinas.
Die
aus Chroniken übernommenen Schilderungen der Kaiserin sind jedoch
auch mit kritischem Abstand zu betrachten, traditionell wurden Frauen
auf dem Herrscherthron immer und zu jeder Zeit von chinesischen
Chronisten verunglimpft, keine einzige Herrscherin Chinas wurde in
positivem Licht dargestellt.
Nach
Wu Zhaos Sturz fiel die Herrschaft nach zwei Morden und einer
Abdankung schließlich an Kaiser Xuan-zong
Unter
Xuan-zong erlebte Tang-China zunächst ein Goldenes Zeitalter des
Friedens, der Kultur und Gelehrsamkeit und anschließend einen jähen
Absturz. Die Reichspolitik leitete zunächst Kanzler Zhang Jiu-ling,
ein Dichter und Mann des Südens. Der Kaiser verfiel aber bald der
Trägheit und wurde willenloses Werkzeug zweier Günstlinge – Li
Lin-fu und Yang Guoz-hong – und einer Nebenfrau namens Yang
Gui-fei. Li Lin-fu leitete bald die Reichspolitik und konnte sogar
die Hinrichtung dreier Söhne Xuan-zongs erwirken.
Inzwischen
machten sich die erhöhten Militärausgaben ständiger Kriege entlang
der Seidenstraße in erhöhten Steuern bemerkbar. Analog dazu schwand
die Balance der staatlichen Institutionen: In der Regierung herrschte
Streit zwischen den adligen Beamten und den durch staatliche
Prüfungen gewonnenen Beamten, während sich der alte Kaiser
vollständig ins Privatleben zurückzog. In der Armee hatten sich
Berufssoldaten breitgemacht, und die Generäle hatten zu große
Kompetenzen bekommen, da der erste Minister Li Lin-fu der
Zivilverwaltung in den Provinzen misstraute und mit den Militärs ein
Gegengewicht schaffen wollte. Trotz seiner Verdrängung der
Literaten-Beamten und seiner Förderung der Militärs, ist es aber
unzulänglich, ihm alle Schuld zuzuschieben. Die Expansion der Tang
hatte schon länger dazu geführt, dass die Befugnisse der Militärs
vergrößert wurden, zunächst in den Militärbezirken an den Grenzen
und auch zunehmend im Landesinneren. Die Militärgouverneure
kontrollierten schließlich die Zivil-Verwaltungen in ihrem
Zuständigkeitsbereich mitten in China, und das war die wahre Ursache
für den Verfall der Dynastie in der zweiten Hälfte des achten
Jahrhunderts.
Das
Gleichgewicht kippte, als die Truppen an der Nordgrenze die
kaiserlichen Truppen in der Hauptstadt übertrafen und Li Lin-fu sie
zwei Cousins unterstellt hatte, von denen der eine, der
türkischstämmige An Lu-shan einen besonderen Ehrgeiz entwickelte.
Als An Lu-shan am Hofe den Machtkampf gegen den neuen ersten Minister
Yang Guo-zhong verlor, zettelte er einen Aufstand an, die
An-Lu-shan-Rebellion. An Lu-shan eroberte Luoyang und Tschang-an,
wurde aber im Folgejahr ermordet. Kaiser Xuan-zong floh nach Chengdu
und dankte zugunsten seines Sohnes Su-zong ab. Der holte die
Hauptstädte zwar mit Hilfe der Uiguren zurück, aber die Situation
blieb wechselhaft, denn ein General namens Shi Si-ming setzte den
Aufstand fort. Während des Aufstandes sollen 36 Millionen Menschen
ums Leben gekommen sein, fast drei Viertel der damaligen Bevölkerung.
Sicher ist, dass die An-Lu-shan-Rebellion weite Landesteile verheerte
und die Tang-Dynastie auf Dauer schwächte.
Die
Uiguren und die Tibeter mischten sich nun wiederholt in China ein.
Ehrgeizige Militärgouverneure vererbten ihre Ämter und widersetzten
sich ununterbrochen der Zentralgewalt, die nur noch ein Schatten
ihrer selbst war. Bei Hofe regierten oftmals schwache Kaiser,
Eunuchen oder einflussreiche Generäle. Der Kaiser De-zong musste aus
der Hauptstadt fliehen, als er versuchte, die Macht einiger
Militärgouverneure durch militärisches Vorgehen zurückzudrängen.
Es gelang ihm zwar, einige Gegenspieler zu beseitigen, aber an den
Verhältnissen konnte er nichts mehr ändern und musste sich daher
mit Kompromissen begnügen, um den Frieden wieder herzustellen.
Der
endgültige Untergang der Tang kam aber erst im Aufstand des Huang
Chao. Dieser Aufstand kostete noch mehr Menschenleben als der
Aufstand des An Lu-shan. Und zwar hatte der Bandenführer Huang Chao
zunächst die Südprovinzen verwüstet und sich dann nach Norden
gewandt. Der Kaiser Xi-zong floh nach Chengdu und musste beide
Hauptstädte Huang Chao überlassen, der diverse Tang-Prinzen
umbrachte und erst später von einem türkischen Kavalleriekorps
geschlagen werden konnte. Da kehrte der Kaiser nach Tschang-an zurück
und starb bald darauf.
Die
Eunuchen bemächtigten sich der Person des Kaisers, wurden aber von
einem General namens Zhu Wen (einem Überläufer Huang Chaos)
beseitigt. Nach den nötigen Vorbereitungen wurden alle Tang-Prinzen
von Zhu Wen umgebracht, womit die Dynastie endete.
In
der Tang-Epoche erlebte China eine wirtschaftliche und kulturelle
Blütezeit. Die Großstädte wuchsen, mit ihnen die Stadtkultur und
auch die Kriminalität. Dichtkunst (Li Tai-Bo, Du Fu), Malerei, Musik
(Pipa), keramische Produktion erreichten ein hohes Niveau, auf
technischem Gebiet entwickelte sich der Buchdruck, und die
Herstellung von Schießpulver gelang. Einige chinesische Erfindungen
und Entdeckungen jener Zeit: Buchdruck mit Stempeln, tickende
Wasseruhr, Kometenschweif, Hartporzellan, Streichhölzer und die
Zeitung.
Neben
der Binnenschifffahrt waren der Bergbau und die Weberei von
besonderer wirtschaftlicher Bedeutung.
Ein
weiterer Aspekt war die Weltoffenheit jener Zeit. Der Buddhismus,
insbesondere die Chan-Schule, stand noch immer in voller Blüte, man
verzeichnete viele Pilgerreisen nach Indien. Ein Exemplar des
Diamant-Sutra gilt als erstes Buch-Druckerzeugnis der
Menschheitsgeschichte, hergestellt nach dem Abklingen der großen
Buddhistenverfolgung im Holzdruckverfahren. Gebildete Chinesen
richteten ihr soziales Verhalten nach den Lehren des Konfuzius, ihre
Stellung in der Natur erklärte ihnen der Taoismus und für die
spirituelle Kultivierung des Geistes war Buddha zuständig. Diese
drei Philosophien und Religionen wurden staatlich gefördert. Aber
auch der syrische Bischof Alopen aus Persien wurde 635 nach Christus
von Kaiser Tai-zong in der Hauptstadt Tschang-an offiziell empfangen
und mit der Übersetzung christlicher Schriften und der Errichtung
von Klöstern in zahlreichen Städten des Reiches beauftragt. Durch
ausländische Kaufleute und Krieger fanden auch Islam und
Manichäismus Eingang in China. Fremde Kaufleute sorgten für den
Transithandel über Land und See, unterhielten in den schnell
wachsenden Großstädten wie Kanton eigene Handelskontore.
Haupthandelsprodukte waren Tee, Porzellan und Seide.
Nach
der An-Lu-shan-Rebellion wurden die Ausländer allerdings für die
Lage im Land verantwortlich gemacht. Daher kam es zu einer Art
intellektueller Wende im Land, einer Rückbesinnung auf
traditionelles Gedankengut, welche sich in der Vereinfachung als
simpler Nationalismus äußerte. Der Vorwurf lautete, die reine und
einfache chinesische Kultur sei vom Buddhismus und den fremden
Einflüssen korrumpiert und geschwächt worden. Man verbot den Umgang
mit „farbigen Menschen“ (Iranern, Arabern, Indern), dann ihre
Religionen, und befahl zudem, dass sich die Ausländer wie Chinesen
zu kleiden hätten. Viele Ausländer wurden bei den Unruhen in den
Städten erschlagen.
Der
Kontrollverlust an der Seidenstraße schnitt zudem den Buddhismus von
seinen Ursprungsregionen im Südwesten ab und leitete so seinen
Niedergang im Land ein.
NEUNTES
KAPITEL
DIE
SONG-DYNASTIE
Auch die chinesischen Frauen
schrieben schöne Gedichte,
Aber in freien Versen, nicht
in klassischen Formen.
Die
Nördliche Song-Dynastie wurde von General Zhao Kuang-yin (Tai-zu)
begründet, der den siebenjährigen Thronerben der Späten
Zhou-Dynastie stürzte und den Thron in Kaifeng usurpierte. In
mehreren Feldzügen einigten er und sein Nachfolger China weitgehend
und beendeten die Zeit der Fünf Dynastien und Zehn Königreiche.
Kaifeng wurde die Hauptstadt.
Die
Grundlagen des Staates waren schon zur Späten Zhou-Zeit gelegt
worden: Wiedervereinigung der Provinzen, Ordnung der Steuerlast,
Kanal- und Dammbau, Bepflanzung von Brachland, Anlage von
Militärkolonien. Der unruhige türkische Militäradel hatte sich
aufgerieben. Die buddhistischen Tempel und Klöster waren
größtenteils konfisziert und der Mönchsstand starken
Beschränkungen unterworfen worden. Der erste Song-Kaiser konnte sich
auf dieses Staatsfundament stützen. Er unterstellte zudem die
Militär- der Zivilverwaltung und schaffte das System der
Militärgouverneure ab, das zum Untergang der Tang geführt hatte.
Potentielle Rivalen pensionierte er oder setzte sie auf zivile
Posten.
Große
Teile Nordchinas waren zum Zeitpunkt der Dynastiegründung bereits in
der Gewalt der Liao-Dynastie, welche das Land in mehreren Siegen und
im Frieden von Shanyuan behaupteten. Die Song zahlten ihnen Tribut in
Silber und Seide, was die Staatsfinanzen belastete, aber angesichts
der hohen Kosten für das Militär immer noch die billigere Variante
war. Die Armee vergrößerte sich ständig, war aber qualitativ nicht
sehr hochwertig.
Weiterhin
war die Existenz des Tanguten-Reiches in Gansu und die des Staates
Nanzhao (Tibeter, Chinesen mit Hauptstadt Dali) in Yunnan zu
verzeichnen. Dem Tangutenreich musste Song-China ebenfalls Tribut
zahlen, wenn auch weniger als der Liao-Dynastie. Dazu kam die
Loslösung des jahrhundertelang angegliederten Vietnam: das Land
schlug einen Angriff der Song zurück.
Die
Zeit der Song-Dynastie sicherte China ein schnelles wirtschaftliches
Wachstum und im Zusammenhang damit eine damals einzigartige
gesellschaftliche Blütezeit.
Die
einzelnen Regionen waren wirtschaftlich nicht mehr autark, bestimmte
Regionen standen nun für bestimmte Produkte (Zucker, Reis, Tee), und
das beeinflusste Binnenhandel und -verkehr positiv. Dazu kam der
Aufstieg der Städte unabhängig von ihrer politischen Bedeutung,
ausgelöst durch die Landflucht und das Bevölkerungswachstum.
Einzelne Stadtteile trennende Mauern verschwanden und Läden,
Werkstätten und Märkte waren nicht mehr an vorgeschriebene Orte
gebunden. Es gab eine soziale Gesetzgebung, was die Wohlfahrt
begünstigte (Amt für Altersheime, Krankenpflegeamt). Eine weitere
Voraussetzung für den Erfolg der chinesischen Wirtschaft zur
Song-Zeit war eine wachsende Nachfrage im Inneren. Das städtische
Bürgertum wurde wohlhabend und wünschte seinen Anteil am Luxus,
egal ob es nun um Möbel, Kleidung oder Küche ging.
Wir
verzeichnen eine Zunahme des Buchdrucks, Einführung des Papiergelds,
eine Weiterentwicklung der Schifffahrt und bessere Militärtechnik
(Schießpulver). Die Literatur blühte auf vielen Gebieten
(Enzyklopädien, Medizin, Romane, Architektur, Religion, fremde
Länder), und analog dazu gab es eine Zunahme öffentlicher wie
privater Schulen und Bibliotheken.
Die
Handelsbeziehungen nach Japan, Südostasien und Indien wurden mit der
Entwicklung der Wirtschaftskraft und Hochseeschifffahrt intensiver,
der bisher im Wesentlichen den Muslimen überlassene Überseehandel
wirkte sich wirtschaftlich aus. Ferner vermerkte man eine vage
Kenntnis europäischer Örtlichkeiten, vermittelt durch arabische
Seefahrer.
Die
Song-Zeit gilt als bürokratisch, aber verhältnismäßig liberal.
Der Staat stützte sich auf die Klasse der Großgrundbesitzer, die
gehobene Beamtenschaft rekrutierte sich fast ausschließlich aus ihr.
Der kaiserliche Umgang mit den Ministern war vertrauter als zuvor,
und es konnte vorkommen, dass ein Minister dem Kaiser auf die
Schulter klopfte oder bei ihm einschlief. Der Kaiser betitelte sich
selbst nur als Administrator und bekam für seine Ausgaben ein Budget
und Sonderzuwendungen für Feiern zugewiesen. Die Rolle des Kanzlers
war dabei stets bedeutend. Andererseits war die Zentralregierung im
Hinblick auf die Anzahl und Verbreitung der Behörden so stark
vertreten wie noch nie, und die Tendenz war steigend.
Kanzler
Cai Jing führte den Staat in der Tradition, aber das endete im Fall
der Nördlichen Song-Dynastie, weswegen er schlecht bewertet wird. Er
hatte künstlerische Neigungen, war aber kein Wirtschaftsfachmann.
Entscheidend
für den Untergang der nördlichen Song-Dynastie war die
Gefangennahme des Kaisers Hui-zong und seines Sohnes bei der
Eroberung von Kaifeng durch die Jurchen. Der gesamte Hof wurde in die
Mandschurei deportiert. Gao-zong, ein anderer Prinz, entkam und
gründete südlich des Jangtsekiang die südliche Song-Dynastie. Ein
Sieg über den Jurchen-General Wu-chu am Jangtsekiang sicherte den
Fortbestand der Dynastie.
Innenpolitisch
änderte sich wenig, es war nur die Fortsetzung des alten Staates im
Süden, mit einem verkleinerten Staatsgebiet. In dem neuen Staat war
der Großgrundbesitz allenfalls stärker vertreten
Da
marschierte der chinesische Volksheld Yue Fei auf Kaifeng zu, als der
kriegsmüde Kaiser Gao-zong einen Tribut-Frieden schloss, der auch
eine Vasallenstellung der Song beinhaltete. Yue Fei wurde durch den
Hof verhaftet und hingerichtet. Song-China hatte in Zukunft zwar die
Macht, aber nicht den Willen, die Jurchen aus Nordchina zu
vertreiben, und sicherte den Frieden stattdessen durch hohe Tribute.
Da scheiterte ein erneuter Angriff der Jurchen auf Südchina am
Jangtsekiang. Bei den Kämpfen der kaiserlichen Truppen mit den
Jurchen sowie mit Piraten wurde übrigens eine Flotte von
Schaufelradbooten auf dem Jangtsekiang und seinen Nebenflüssen
eingesetzt, ebenso wie Gas- und Explosivwaffen, Vorläufer der
Kanonen.
Veruntreuung
und Vetternwirtschaft in der Mandarin-Verwaltung waren die
Schattenseite des Song-Staates. Möglichkeiten dazu gab es
verschiedene; sie reichten von der einfachen Unterschlagung von
Steuergeldern bis zur unternehmerischen Betätigung von Beamten über
Strohmänner, unter Ausnutzung ihrer Stellung. Die Steuerflucht der
Großgrundbesitzer nahm zu, was Zahlungsschwierigkeiten des
Schatzamtes zur Folge hatte. Gleichzeitig zogen gescheiterte
Kleinbauern aus den Grenzregionen als Pächter in die
Ackerbauzentren, wodurch sich die die soziale Lage verschärfte. Es
kam ferner zu einer nicht zu bremsenden Inflation.
So
wurde die innenpolitische Lage in den Ackerbauzentren südlich des
Jangtsekiang derart prekär, dass das Einziehen der Steuern schwierig
wurde: Reformen wurden unumgänglich. Zwangsmaßnahmen des Kanzlers
Jia Si-dao waren die Folge. Des Kanzlers Schwester war eine
kaiserliche Nebenfrau. Er wollte den Großgrundbesitz beschränken,
das überschüssige Land aufkaufen und mit dessen Einkünften die
Steuerausfälle und Kriegskosten decken. Jia Si-dao erwies sich dabei
als rücksichtsloser Intrigant. Die resultierenden
Auseinandersetzungen in der Zentralverwaltung und dem Staatsrat
untergruben die Loyalität der Beamtenschaft und schließlich der
Armeeführung am Vorabend des Mongolen-Angriffs.
Die
Mongolen hatten inzwischen ihre Herrschaft über Nordchina etabliert,
die Hauptstadt nach Peking verlagert, und nun wurde die Eroberung
Südchinas das Ziel. Nach dem Fall der Festungen am Han-Fluss drangen
die Mongolen nach Hangzhou vor. Die Hauptstadt Hangzhou kapitulierte,
letzte Anhänger der Song hielten sich noch einige Jahre. Nach
Verlust der Schlacht von Yamen, einer der größten Seeschlachten in
der Weltgeschichte, ertränkte Premierminister und Kaiserberater Lu
Xiu-fu den achtjährigen Thronerben Bing und sich selbst durch einen
Sprung in den Perlfluss. Damit fand die Südliche Song-Dynastie ihr
Ende, und die Herrschaft der Yuan-Dynastie begann.
ZEHNTES
KAPITEL
DIE
YUAN-DYNASTIE
Marco
Polo kam zum mongolischen Kaiser in Peking
Mit
den Grüßen des Papstes an den Kaiser von China.
Die
Dynastie wurde durch Dschingis Khans Enkel Kublai Khan proklamiert.
Übersetzt bedeutet Yuan "Ur-Anfang". Sie löste nach der
Kapitulation Hangzhous und der Niederlage der letzten Song-Anhänger
die Song-Dynastie ab. Ihre Hauptstadt war Peking, damals Dadu
genannt. Shangdu (das Xanadu der Dichtung) war die Sommerresidenz und
Karakorum gab der Herrschaft die Legitimation.
Innen-
und außenpolitisch wurde die Yuan-Dynastie nur formal anerkannt. Es
folgten wiederholte Konfrontationen mit den in der Steppe
verbliebenen Mongolen. Dazu kam, dass die Mongolenregenten im Westen,
die Goldene Horde, ihre eigene Politik betrieben und den Islam
annahmen.
Die
mongolischen Garnisonen konzentrierten sich besonders um die
Hauptstadt, während in den reichen Gegenden am Jangtse sehr bald
chinesische Truppen unter mongolischen Befehlshabern den Frieden zu
wahren versuchten. Die chinesischen Soldaten wurden alle zwei Jahre
ausgetauscht und in eine entfernte Provinz verlegt. Auch ihre
Offiziere wurden zur Vermeidung von Rebellionen regelmäßig
versetzt.
Mit
der Mongolenherrschaft wurde China zum ersten Mal in seiner
Geschichte Teil eines Weltreiches, das von Russland bis in den Fernen
Osten reichte. Anscheinend hat jedoch Kublai Khan China als das
Herzstück seines Reiches angesehen und seine Regierung folgte eher
chinesischen als mongolischen Traditionen. In diesem Sinne kann man
auch die Verlegung der Hauptstadt nach Peking als Abkehr von der
Steppe verstehen.
Da
die Mongolen nomadische Viehzüchter waren, wurden sie schnell zu
Minderheiten in ihrem eigenen Territorium, da sie mit wenigen
Menschen ihre vielen Weidetiere auf teilweise wechselnden und sehr
großen Arealen versorgen mussten. Dies führte dazu, dass sie auf
Angehörige fremder Völker angewiesen waren, um ihre
Herrschaftsansprüche zu sichern. Dies ist auch einer der Gründe für
die Intensivierung des Kulturaustausches zwischen dem Osten und dem
Westen, der während der Yuan-Dynastie stattfand. Dabei spielte
besonders der Iran eine wichtige vermittelnde Rolle.
Die
Bevölkerung Chinas zählte um damals offiziell sechzig Millionen
Südchinesen, zehn Millionen Nordchinesen und zwei Millionen
Mongolen.
Kublai
Khan ließ noch vor seinem Tod die Bevölkerung Chinas in vier
Gruppen einteilen und dies im Gesetzbuch festschreiben, auch wenn es
in der Praxis eine schwer einzuhaltende Einteilung war.
Die
höchste Gruppe bildeten die sogenannten Weißen Mongolen ("echte
Mongolen"). Nur diese allein durften die höchsten Posten des
Reiches besetzen. Die Schwarzen Mongolen waren die Völker, die die
Mongolen bei der Eroberung Chinas unterstützt hatten. Dazu zählten
verschiedene Turkvölker und die Tataren, aber auch ausgesiedelte
Russen. Die Schwarzen Mongolen durften Handel treiben, Steuern
erheben, Geld verleihen und die mittleren Beamtenebenen besetzen.
Die
dritte Gruppe bildeten die Nordchinesen, Han-Menschen genannt. Sie
durften ein Kleingewerbe betreiben und die niederen Beamtenstellen
besetzen, aber keine höheren Offiziersstellen.
Die
Südchinesen bildeten die vierte, die rechtlose Gruppe. Sie durften
sich nicht einmal gegen Schläge wehren und mussten die meisten
Steuern tragen. Allerdings hüteten sich die Mongolen davor, in
Südchina den privaten Grundbesitz zu konfiszieren und erlangten so
die Neutralität der reichen Südchinesen. Stattdessen
beschlagnahmten sie das unter dem Song-Kanzler Jia Si-dao
verstaatlichte Land, was die Lage für die einfachen Bauern nicht
verbesserte. Chinesen durften keine Waffen und Pferde besitzen,
Berufswechsel und Heiraten zwischen den Gruppen waren verboten.
Ein
großes Problem der Mongolenherrschaft in China liegt in der Prüfung
der Staatsbeamten. Das war in China seit der Tang-Dynastie üblich
und ein wichtiges Legitimationsmittel einer jeden Dynastie. Die
Mongolen hatten sie durchgeführt und sofort wieder abgeschafft. Erst
später ließ sie der Kaiser wieder einführen. Allerdings wurden
Nord- und Südchinesen dabei nur zur Hälfte zugelassen, so dass die
Mongolen trotzdem die Mehrheit aller Posten besetzten.
Schon
Dschingis Khan hatte einen gerühmten Gesetzeskanon in Kraft gesetzt,
die innovative Rechtspraxis der Mongolendynastie insgesamt war für
das spätere China weiter bedeutend und folgenreich.
Untergang
Es
gelang den Chinesen nun erstmals, Aufständische zu organisieren.
Bald brachen in Zentralchina mehrere Aufstände unter diversen
Anführern aus, die wichtigste Gruppierung bildeten dabei die Roten
Turbane. Da setzte sich Zhu Yuan-zhang als künftiger Kaiser der
Ming-Dynastie gegen seine Rivalen durch. Er entschied die
Flottenschlacht auf dem Poyang-See gegen den "Han"-Prinzen
Chen You-liang für sich, daraufhin verjagte seine Armee den Khan
Timur aus Peking. Damit endete die Mongolenherrschaft.
ELFTES
KAPITEL
DIE
MING-DYNASTIE
Jesuiten
und Franziskaner kamen nach Peking
Und
versuchten, den Kaiser von China zum Herrn zu bekehren.
Als
erster Kaiser der Ming-Dynastie wählte sich Zhu Yuan-zhang die
Regierungsdevise „Hong-wu“. In seiner Regierungszeit stand der
wirtschaftliche Wiederaufbau im Mittelpunkt der Bemühungen. Es kam
zu unzähligen Bebauungs- und Bewässerungsprojekten, durch die fünf
Millionen Hektar Land pro Jahr erschlossen wurden. Die Einnahmen aus
der Getreidesteuer verdreifachten sich in sechs Jahren. Man schätzt,
dass in zwanzig Jahren eine Milliarde Nutzbäume gepflanzt wurden
(Obstbäume, Bäume für die Flotte, Maulbeerbäume für die
Seidenherstellung).
In
der Ming-Zeit kam es auch zu gewaltigen bürokratischen
Anstrengungen. Diese liefen auf eine absolutistische Regierung
hinaus. So kam es zu einem Prozess des Kaisers gegen einen ehemaligen
Vertrauten, in den 15 000 Personen verwickelt wurden. Das führte
dazu, dass sich alle Macht auf den Kaiser konzentrierte, dem nun alle
Ministerien direkt unterstellt wurden. Das Amt eines Großkanzlers
wurde für die Zukunft verboten. Hong-wu war zum Ende seiner Amtszeit
kaum noch zugänglich, er regierte unter Zuhilfenahme geheimer
Beamter und der Geheimpolizei („die Garden mit den
Brokatkleidern“). Außerdem ließ er zahlreiche Beamte und Militärs
aus bloßem Misstrauen hinrichten.
Dennoch
legte der erste Ming-Kaiser das Fundament für einen stabilen
Staatsapparat, der immerhin zweieinhalb Jahrhunderte mit
Bevölkerungswachstum und starken ökonomischen Veränderungen
überstand und noch bis 1911 mit nur marginalen Änderungen als
Vorbild diente.
Zu
Verwaltungsproblemen gesellte sich im 15. Jahrhundert die Herrschaft
der Palasteunuchen und der Haremsdamen, welche großen Einfluss auf
den allmächtigen Privatrat und bald auch über die Geheimpolizei
bekamen. Anders als bei den Staatsbeamten gab es bei Eunuchen keine
geregelte Karriereleiter mit Prüfungen, sondern sie waren völlig
abhängig von der persönlichen Laune des Kaisers und wurden von
diesem als ein Werkzeug des Absolutismus gegen die Staatsbeamten
ausgespielt. Nicht wenige Kaiser zogen sich sogar weitestgehend aus
der Politik zurück, und im daraus resultierenden Spannungsfeld
zwischen den Eunuchen und den hohen Beamten kam es ununterbrochen zu
Intrigen und Willkür, was den Staat innerlich zersetzte.
Erschwerend
für den wirtschaftlichen Fortschritt war die traditionelle
Verachtung der Konfuzianer gegenüber dem Handel und den Händlern,
die in der Ming-Zeit einen Höhepunkt erreichte. Aber China stellte
seinen Außenhandel nicht ein und gab sich auch keinem Isolationismus
hin, wie dies im Japan der Tokugawa praktiziert wurde. Die Ming
konnten das Reich der Mitte als bedeutendste See- und
Wirtschaftsmacht in Ostasien behaupten. Allerdings erfolgte unter den
Ming eine geistige Wendung nach innen. Damit verbunden war eine
konservativere Haltung in der Politik, in der Gesellschaft und dem
Geistesleben.
Aber
das 16. Jahrhundert steht trotz der konservativen Haltung der
Beamtenschaft auch für einen enormen Höhepunkt in Wirtschaft und
Kultur. Als eine Ursache kann man die neuen europäischen Kolonien in
Amerika betrachten. Der Großteil des dort abgebauten Silbers wurde
von Portugal und Spanien in China ausgegeben, um Waren für den
europäischen Markt zu erstehen. Das Silbergeld ersetzte parallel
dazu wieder das Papiergeld, was die Währung stabilisieren sollte.
Die
Große Mauer wurde zur Ming-Zeit auf ihre heutige Länge ausgebaut
Die
größte außenpolitische Belastung der Ming waren die wechselvollen
Kämpfe mit den Mongolen in der Mongolei.
Eine
ernste Niederlage erlitten die Ming, als die Westmongolen bei Tumu
siegten und den unerfahrenen Kaiser Zheng-tong gefangen nahmen. Im
16. Jahrhundert erneuerte sich der Druck der Mongolen, als die Ming
Dayan Khan und Altan Khan mit Handelsboykotten provozierten. Gegen
die mongolischen Überfälle agierte die Armee zunehmend defensiv, so
dass zum Schutz vor Überfällen die berühmte Chinesische Mauer auf
den heutigen Stand ausgebaut wurde.
Einmalig
wie die Mauer sind auch die Seereisen unter dem muslimischen
Groß-Eunuchen und Admiral Zheng He. Derartige Reisen waren schon zur
Song-Zeit üblich gewesen, aber nun wurden sie offiziell und
ausschließlich vom Staat finanziert durchgeführt. Sie dienten
hauptsächlich dazu, der Welt anzuzeigen, dass wieder Chinesen in
China regierten. Als die Portugiesen 1557 mit Erlaubnis des
Kaiserhofs Macau übernahmen, unterlag China gerade den Edikten des
Kaisers Jia-jing, weshalb von der chinesischen Seemacht nichts zu
bemerken war, stattdessen beherrschten japanische Piraten die Küsten.
Bezüglich
der Kultur sind einige große Romane jener Zeit zu nennen: Die Reise
nach Westen, Geschichte vom Flussufer, Die Geschichte der Drei Reiche
und der Kin Ping Mei. Zu verzeichnen ist eine Weiterentwicklung des
Theaters (Oper und Dramen) und der Malerei. Auf dem Bereich der
Gebrauchskunst ist das Ming-Porzellan zu erwähnen.
Die
Religion war ein wichtiger Bestandteil im Leben der Chinesen während
der Ming- Dynastie. Die dominierenden Religionen waren der
Buddhismus, der Taoismus und die Anbetung von einer Vielzahl von
Volksgottheiten. Der Kaiser ließ als frommer und ergebener Anhänger
der Tao-Schule drei berühmte Tempel in Peking bauen: den
Sonnentempel, den Erdtempel und den Mondtempel.
Im
Laufe der Zeit hat das Christentum eine spezielle Rolle in China
bekommen. Während sich in Europa die Reformation mit Luther an ihrer
Spitze ausbreitete, versuchten römisch-katholische Missionare ihre
Religion in Asien sowie China auszubreiten. Unter den Missionaren
waren Franziskaner und Dominikaner und Jesuiten. Sie versuchten
Zugang zu den Chinesen über die westliche, fortgeschrittene
Wissenschaft und Kultur zu bekommen. Viele Chinesen waren beeindruckt
von dem Wissen über Astronomie, Kalender, Mathematik, Hydraulik und
Geographie. Allen Missionaren waren die Jesuiten voran. An ihrer
Spitze war Matteo Ricci, der versuchte die buddhistische und
taoistische Lehre mit dem Christentum in Einklang zu bringen. Viele
Chinesen waren jedoch skeptisch. Erst lange nach Matteo Riccis Tod,
1610, fasste die Jesuiten-Mission richtig Fuß und wurde ein
wichtiger Bestandteil des Chinesischen Staats.
Die
sozialen Ungleichgewichte führten schließlich zum Zusammenbruch des
Staates, als sich die Bauern in zentralen Provinzen erhoben und die
Dynastie nicht mehr die finanziellen Mittel besaß, um die Truppen zu
bezahlen, zu versorgen und die Ordnung wieder herzustellen.
Den
Untergang der Dynastie läuteten Angriffe der Mandschu ein, zu denen
sich heftige Bauernaufstände gesellten. Als die Ming-Armee
Familienmitglieder des Mandschu-Fürsten Nurhaci tötete, wandelte
sich dieser zum Feind der Ming. Er schlug vier gleichzeitig gegen ihn
vorrückende Ming-Armeen am Berg Sarhu bei Mukden. Zudem hatten
wiederholte Missernten eine Hungersnot ausgelöst. Es kam zu
Bauernaufständen, die schließlich den Sturz der Dynastie zum Ziel
hatten. 1644 zog der Rebellenführer Li Zi-cheng in Peking ein und
erklärte sich zum Kaiser, der letzte Ming-Kaiser Chong-zhen erhängte
sich.
Li
Zi-cheng unterlag allerdings Fehleinschätzungen bezüglich der
finanziellen Lage in Peking. Er konnte deswegen die Ordnung in der
Hauptstadt nicht aufrechterhalten und ging zudem unter fragwürdigen
Umständen gegen den General Wu San-gui vor, der die letzte
verbliebene Ming-Armee an der Nordgrenze befehligte. Wu San-gui
schloss sich daraufhin den Mandschu an, wodurch deren Regent Prinz
Dorgon im Namen des damals sechsjährigen Mandschu-Kaisers Shunzhi
nach Peking vorrücken, Li Zi-cheng vertreiben und die Qing-Dynastie
begründen konnte.
ZWÖLFTES
KAPITEL
DIE
QING-DYNASTIE
Nach
den abgeschnittenen Zöpfen kam die Tyrannis,
Nach
der Tyrannis aber die Ausgießung Heiligen Geistes.
Unter
Nurhaci und dessen achtem Sohn Huang Taiji erlangten die Jurchen
einen großen Machtzuwachs. Ihre militärische Macht stützte sich
zunächst auf die mandschurisch geprägten Acht Banner, später
ergänzt um die eher aus Han-Chinesen bestehende Armee der Grünen
Standarte. Der erste Kaiserpalast stand in Shenyang, wo sich auch das
Grab Nurhacis befindet.
Während
des Krieges gegen Ligdan Khan, der mit der Übergabe des
Reichssiegels an Huang Taiji endete, schlossen sich die
Chahar-Mongolen den Jurchen an. Da unternahmen die Mandschu einen
großen Einfall in das China der Ming-Dynastie, bei dem sie viele
Städte eroberten, weitere Städte übernahmen und bis zur Halbinsel
Liaodong vordrangen. Nun ging die Ming-Dynastie durch innere
Aufstände unter, der Mandschu-Regent Dorgon und der einstige
Ming-General Wu San-gui vertrieben daraufhin den Rebellenführer Li
Zi-cheng aus Peking und verfolgten diesen bis nach Hunan, wo er
umkam. Peking wurde nach der Einnahme durch Dorgon neue Hauptstadt
der jungen Qing-Dynastie.
Die
Regierung des Qing-Kaisers Shunzhi wurde von den beiden Prinzregenten
Dorgon und Dsirgalang geführt. Schon bald änderten sie die
chinesische Kleidung und Haartracht und zwangen den Han-Chinesen
unter Androhung von Todesstrafe den mandschurischen Zopf auf.
Ansonsten wurden Ehen zwischen Han-Chinesen und Mandschu verboten.
Die Hauptstadt Peking wurde zweigeteilt, in eine Teilstadt für
Mandschu im Norden und eine für Chinesen im Süden. Die Mandschurei
wurde für Han-Chinesen gesperrt.
Der
Zorn der Han-Bevölkerung gegen die Fremdherrschaft der Mandschu und
speziell auch gegen den „Zopf-Zwang“ entlud sich in mehreren
Aufständen. Die Niederschlagung endete unter anderem in Massakern.
Das
Verbot der Mischehe wurde jedoch insbesondere von der Mandschu-Elite
missachtet. Selbst die Qing-Kaiser nahmen Han-Chinesinnen als
kaiserliche Nebenfrauen an, bereits Kaiser Kangxi hatte eine solche
zur Mutter. Auch die Zweiteilung Pekings war höchst durchlässig, da
die Innere (nördliche) Stadt genau genommen den Acht Bannern
vorbehalten war. Die meisten Bannerleute waren aber Han-Chinesen und
keine Mandschu. Bald wohnten in der Nordstadt Pekings bereits über
siebzig Prozent Han-Chinesen, und die Mandschu bildeten eine
deutliche Minderheit, soweit man durch die Einheirat der Han-Chinesen
überhaupt noch von echten Mandschu sprechen konnte.
Mit
dem Tode Dorgons, eines konservativen Mandschu, erlangten die
chinesischen Literaten und Beamten einen größeren Einfluss auf den
jungen Kaiser Shunzhi. Das äußerte sich darin, dass man nun bei
Hofe die Bündnisbeziehungen zu den mongolischen Fürsten in
Tributbeziehungen umdeutete. Die gesamte Palastdienerschaft wurde
wieder von Chinesen gestellt und Chinesisch zur offiziellen
Hofsprache erhoben, wobei die mandschurische Sprache zunehmend
verdrängt wurde. Im Laufe der Zeit beschäftigte sich Kaiser Shunzhi
immer stärker mit religiösen Ideen, trat in ein buddhistisches
Kloster ein und starb mit 23 Jahren.
Ihm
folgte sein dritter Sohn Kangxi, einer der bekanntesten Herrscher
Chinas. Er reorganisierte das Reich mit der Entmachtung der Drei
Feudalfürsten, beendete den Widerstand an der Küste und in Taiwan
(womit Taiwan erstmals von China einverleibt wurde), kämpfte zum
Schutz der Chalcha-Mongolen und dann gegen die Oiraten, wobei er nach
dem Tod König Lhabzangs auch das Protektorat über Tibet
einrichtete.
Kaiser
Kangxi nahm bei den Jesuiten nicht nur Unterricht in Kriegsführung,
sondern auch in Astronomie, Mathematik und Anatomie. Er galt als
Gelehrter. Kurz nach seinem Tod wies man die europäischen Missionare
nach Macau aus, da man sie als Mitglieder verbotener politischer
Geheimbünde betrachtete, das Christentum wurde verboten.
Dagegen
nahm man das alte chinesische Prüfungssystem für Staatsbeamte
wieder auf und band so die alte Führungsschicht der Ming-Zeit an
sich. Nach der Befriedung des Südens kamen kostspielige
Inspektionsreisen in die Städte am Jangtse dazu, dem Zentrum der
chinesischen Intelligenz. Die Mandschu waren zwar lediglich
aufgeklärte Despoten, aber der Gegensatz zwischen ihnen und den
Chinesen verringerte sich und flammte erst im ausgehenden 19.
Jahrhundert wieder auf.
Die
Mandschu beschlagnahmten bevorzugt im Norden Land, wo sie
Kriegsgefangene und enteignete Bauern wie Sklaven arbeiten ließen.
Kangxi begriff allmählich die Notwendigkeit einer Änderung, die
dann radikal erfolgte. Die Qing-Dynastie hatte danach die mildeste
Agrarbesteuerung der ganzen chinesischen Geschichte. Angesichts der
weit entwickelten Ackerbautechniken und neuen Anbaukulturen stand der
chinesische Bauer seinem europäischen Pendant an Wohlstand sicher in
nichts nach.
Die
Techniken des vorindustriellen Zeitalters wurden zur Qing-Zeit
vollständig ausgereizt. Nahrungsmittelproduktion, Textilindustrie,
Teeernte, Porzellanherstellung, Papier- und Zuckerproduktion
erreichten Rekorde.
Man
schätzt, dass von vielen Hundert Millionen Silber-Dollar aus den
amerikanischen Kolonien die Europäer die Hälfte für den Ankauf
chinesischer und anderer ostasiatischer Waren ausgegeben haben,
vornehmlich für Luxusartikel wie Porzellan, Seide und Tee. Dieses
Problem führte zum Ersten Opiumkrieg, denn die Chinesen bestanden
staatlicherseits auf Silberzahlung. Die chinesische Kultur strahlte
im 18. Jahrhundert in einer verspielten Form auch nach Europa aus
(Chinoiserie).
Ein
anderes Problem war der Wunsch nach Errichtung einer sittlichen
Ordnung, in der die Mandschu-Herrschaft nicht in Frage gestellt
würde. Zu diesem Zweck förderte man den Konfuzianismus in nie
gekannter Weise. So wirkte sich das auch auf das Prüfungssystem für
Beamte aus, jeder Kandidat musste die Mandschu-Herrschaft ausführlich
rechtfertigen. Verderbliche Romane wurden auf einen Index gesetzt,
und man suchte zum Zweck von Zensur und Vernichtung systematisch nach
Schriften, die die Mandschu als Barbaren auch nur andeutungsweise
kritisierten.
Bekannt
wurde Kaiser Kangxi nicht nur als Gelehrter, sondern auch als
Förderer der Kunst und Wissenschaften. Er ließ sich in Peking
prächtige Residenzen bauen und umfangreiche wissenschaftliche Werke
ausarbeiten (unter anderen eine Riesen-Enzyklopädie). Sein Sohn und
Nachfolger Yong-zheng und auch Qian-long tat es ihm nach. Beide waren
Gelehrte und Förderer der Literatur, Qian-long hinterließ 30 000
Gedichte.
Zu
Qian-longs Zeit erlebte Qing-China eine äußere Machtentfaltung. Das
Land der Dsungaren im Ili-Gebiet und der Dsungarei wurde besetzt, das
Tarimbecken auch. In Tibet, nach Lhasa, verlegte man eine chinesische
Garnison.
Als
Reaktion auf das aggressive Vorgehen der europäischen
Handelskompanien begann die Qing-Dynastie den Überseehandel für die
Europäer noch strenger zu reglementieren, bald war nur noch der
Hafen in Guangzhou (Kanton) für den Seehandel zwischen China und
Europa zugelassen.
Wirtschaftlich
und militärisch wurde die zunehmende europäische Überlegenheit
nicht wahrgenommen. Man bestand gegenüber den Europäern auf der
sinozentrischen Weltordnung, die keine Freiheit des Handels kannte
und Staaten danach einordnete, wie nah sie der chinesischen Kultur
standen. Formell waren dabei alle Szaaten nur chinesische Vasallen.
Der
innere Frieden und die gute wirtschaftliche Situation führten zu
einem bisher ungekannten Bevölkerungswachstum. Es stieg die
Bevölkerung von 150 Millionen auf 450 Millionen Einwohner an und
überforderte bald die Verwaltung. In verschiedenen Gebieten des
Riesenreiches gab es Spannungen mit den unterworfenen Völkern, die
gegen Ende der Qianlong-Ära kulturell bedrängt wurden. Ein einziger
Feldzug gegen die Tibeter in Sichuan kostete zum Beispiel siebzig
Millionen Silber-Liang. Die Situation in diesen Gebieten begünstigte
Straßenraub und Korruption.
Ein
Bannergeneral namens He-shen beeinflusste Kaiser Qian-long, spann ein
Korruptionsnetz und massakrierte Bauern, die sich unter der Sekte mit
dem Namen Weißer Lotus zum Teil gegen seine Geldforderungen erhoben.
Die Korruption und die Bekämpfung der Bauern- und
Minderheitenaufstände vergrößerten das Defizit der Staatsfinanzen,
so dass man sogar bei Hof sparen und die Hofjagden einstellen musste.
Die
Aufstände unter den Bauern fanden in der ganzen ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts kein Ende, auch die Minderheiten erhoben sich
ununterbrochen. Es stieg der Opiumschmuggel schlagartig an, der
Opiumkonsum breitete sich in dieser Krisenzeit trotz staatlichen
Verbots immer weiter aus. Das hatte auch schwerwiegende Auswirkungen
auf die öffentliche Moral und die Wirtschaft. Durch den Opiumhandel
entstand ein Außenhandelsdefizit, wodurch das Silber wieder aus
China abfloss. Die Regierung konnte das nicht verhindern, da sie die
Opiumkriege gegen die Europäer verlor.
Es
bestand ein Gegensatz zwischen der sinozentrischen Weltordnung und
der von den Europäern vertretenen formellen Gleichheit aller
souveränen Staaten und (im Zuge der industriellen Revolution) ihrem
Freihandel. Der Gegensatz führte zum Ersten Opiumkrieg, der mit dem
Vertrag von Nanking endete, dem ersten der sogenannten Ungleichen
Verträge.
Die
Krise des Kaiserreiches entlud sich im Taiping-Aufstand, der die
chinesische Gesellschaft in ihren Grundfesten erschütterte. Während
in Europa Dampfschiffe das Bild bestimmten, sich gleichzeitig die
Eisenbahn ausbreitete, die Stahlproduktion stieg, die
Baumwollproduktion mechanisiert und damit kostengünstiger wurde,
hatte China mit inneren Schwierigkeiten zu kämpfen, die jeden
Fortschritt behinderten, wie dem Taiping-Aufstand oder dem
Nian-Aufstand. Viele Chinesen verließen ihr Land und wurden als
Kulis verkauft.
Infolgedessen
stieg der europäische Einfluss im Zweiten Opiumkrieg und
insbesondere nach dem Vertrag von Tian-jin immer weiter. So verlor
China die Zollkontrolle, und ausländische Gesellschaften rissen
profitable Geschäftszweige an sich. Jeder europäische Staat
versuchte die gleichen Konzessionen und Rechte wie sein Rivale zu
erhalten. Die Folge waren unablässige Machtdemonstrationen, sogar
kleine Geschäftsträger konnten mit Kanonenbooten kommen und die
gewaltsame Öffnung von Vertragshäfen erzwingen.
Trotzdem
bemühte man sich um die Modernisierung Chinas, auch wenn der
Fortschritt der Europäer ihre halbkoloniale Herrschaft über China
begründete. So stellte man bald das erste chinesische Dampfschiff
fertig, gründete eine Dampfschifffahrtsgesellschaft und schickte
Studenten nach Europa. Es folgte die erste Eisenbahn, die erste
Telegraphenlinie, die erste Eisenbahngesellschaft, die erste
Eisenbahnlinie und so weiter. Alles in allem baute man eine Industrie
auf, die der in Japan jedoch nicht ebenbürtig war. Mit technischen
Belangen mussten Ausländer beauftragt werden.
Dabei
war man aber aufgrund des äußeren und inneren Drucks gezwungen,
sich nur um das Notwendigste zu kümmern. Wegen der Zerstörungen,
des Preisanstiegs, der Hungersnöte und Überschwemmungen nach dem
Taiping-Aufstand verfügte die Regierung weder über eine starke
Zentralgewalt, noch hatte sie regelmäßige Einnahmequellen.
Schließlich
lag die Qing-Dynastie in Trümmern, die gerade mühsam aufgebaute
Kriegsflotte wurde im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg von den
Japanern zerstört, wobei Formosa, Korea und andere Gebiete
verlorengingen. China wurde in Einflusssphären aufgeteilt, die
Europäer und Japaner unterhielten nun dort Kriegsflotten und
Truppen.
Das
Kaiserhaus wurde von der Kaiserinwitwe Cixi dominiert, die die meiste
Zeit für den minderjährigen Kaiser Tongzhi und später für den von
ihr eingesetzten Neffen Guangxu regierte. Laut damaliger westlicher
Meinung widersetzte sie sich Reformen, wenn diese ihrer Macht
gefährlich werden konnten und stand inoffiziell hinter dem
Boxeraufstand.
1911
kam es im Zuge der Xinhai-Revolution zum Sturz des letzten Kaisers
Puyi durch Yuan Shi-kai und Sun Yat-sen. Dieser rief am 1. Januar
1912 die Republik China aus.
Komm,
o Heiliger Geist, erwecke das Volk der Chinesen
Und
erschaffe von Gottes Gnaden ein christliches China!