HORAZ ODEN


Nachgedichtet

von Josef Maria von der Ewigen Weisheit


I, 5

Was für ein schlanker Jüngling, o Pyrrha,
Ertrunken in flüssigen Düften,
Fordert dich auf
Unter Schauern von Rosen
In der angenehmen Höhle?
Für wen denn frisierst du dein Haar
Mit schlichter Eleganz?
Wie oft wird er weinen,
Weil du die Treue gebrochen
Oder über den Willen der Götter!
Ah, er wird sich wundern,
Vom Regen überrascht
Und von dunklen Stürmen,
Der heute noch dich genießt
Und glaubt, du seist die goldene Venus,
Der denkt, du seist die immerwährende Jungfrau
Und dass deine Schönheit nie verwelkt
Durch die tückischen Kinder.
Elend ist der, den du blendest,
Während du immer noch unerprobt bist.
Was mich betrifft:
Die Votiv-Tafel häng ich im Tempel auf
Und meinen nassen Mantel
Der Gottheit, die Macht übers Meer hat.


I, 8

O Lydia, sag mir, bei allen Gottheiten,
Warum ruinierst du Sybaris
Mit den Stürmen der Leidenschaft!
Warum kann er plötzlich nicht mehr leiden
Den sonnigen Marktplatz,
Der sonst so sehr geliebt
Den Staub und die Sonne!
Warum reitet er nicht mehr
Mit seinen frommen Freunden
Und warum liebt er nicht mehr
Die französische Zunge!
Warum fürchtet er nun,
Die Tiber zu berühren!
Warum enthält er sich des Salböls der Athleten,
Als wäre es Venom von Vipern!
Er erscheint nicht im Kampf mit den Waffen
Und nicht mehr mit dem Diskus
Und schleudert die Lanze nicht mehr!
Warum muss er sich verstecken
Wie Achill, der Meeresgöttin Thetis Sohn,
Bevor er Troja ruinierte!
Hat man ihn etwa weggeschleppt
Zur Schlachtbank,
Zur lykischen Armee?


I, 13

Lydia, wenn du lauthals lobst
Des Telephos rosigen Nacken,
Des Telephos wächserne Arme,
Beginnt meine brennende Leidenschaft
Sich zu erregen in mir
Mit Unruh und mit Zorn!
Weder meine Gefühle
Noch meine Hautfarbe
Bleiben wie zuvor,
Und auf meine Wange schleicht sich eine Träne,
Was deutlich beweist,
Wie mich im Innern ein Feuer verzehrt!
Ich brenne wie im Irrenhaus
Von innerem Streit
Die Betrunkenen brennen,
Wenn ich sehe die Bisse
Deiner Zähne auf seiner Schulter
Und auf seinen Lippen!
Wenn du mich nur wolltest!
Du würdest dir nicht so große Mühe geben,
Zeichen der Treue
Als Wunden zu hinterlassen
Mit deinem süßen, wilden Mund!
Deine roten Lippen hat Venus
Mit ihrem Nektar geschminkt!
Dreimal selig aber ist der Mann,
Der nie die Treue gebrochen,
Der die Liebe nie zerstört hat
Durch bösen Zank,
Sondern dessen Liebe lebt
Bis zum Jüngsten Tag!


I, 16

O schöne Tochter einer frommen Mutter!
Am Ende, was willst du?
Dass ich meine Sünden im Feuer verbrenne
Oder im adriatischen Meer ersäufe?
Kybele ist nicht so
Und so ist nicht Apollo,
Der aufwühlt die Priesterin
Pythia in dem Heiligtum,
Selbst Bacchus ist nicht so,
Noch sind so die Korybanthen
Mit ihren Klapperblechen.
Der Schmerz nun wütet in mir
Wie Schwerter oder Sturmflut,
Wie Strandräuber an dem Meer,
Oder wie Feuersbrunst
Oder das Gewitter Jupiters,
Wenn er dahinstürmt in blitzendem Zorn!
Man sagt, dass Prometheus,
Als er die ersten Menschen
Aus Lehm geknetet,
Ihnen den Geist eingeblasen
Eines zornigen Löwen!
Der Zorn hat Thyestes erniedrigt
Bis zum äußersten Ruin,
Der Zorn ist der Grund, dass große Städte
Völlig vernichtet, völlig verschwunden,
Und Armeen, verachtet,
Pflügen mit feindlichem Pflug
Und ebnen die Mauern ein
Und rauben sich die Beute.
Beruhige deine Seele!
Die Leidenschaft des Herzens
Hat sich an mir ausgetobt
In meiner reizenden Jugend
Und mich wahrlich verrückt gemacht,
Aber auch mir Verse geschenkt.
Ich möchte die bitteren Worte
In süße Worte verwandeln,
In magische Worte,
Dass ich dich bezaubern kann:
Werde meine Freundin
Und schenke mir Einmal dein Herz!


I, 18

Kultiviere deine Felder, mein Varus,
Mit den Reihen der heiligen Reben,
In Tiburs weichen Boden gesteckt,
Durch die Mauern aufgerichtet.
Was Gott verordnet, ist schwer zu tragen
Für den, der keinen Wein trinkt!
Gott gab uns keinen besseren Weg,
Unsre Sorgen zu verjagen!
Tief im Weinrausch, wer bemerkt noch
Den Weltkrieg und die hässliche Armut?
Wer nicht recht den Bacchus genießt,
Der kann nicht preisen die Schönheit der Venus!
Und damit ich nicht überschreite die Grenze
Der Vernunft beim Genuss des roten Weines,
Denk ich an Lapithen und Kentauren,
Die gekämpft im vollen Weinrausch
Mit dem rasenden Thraker,
Der den Bacchus verschmähte.
So will ich Wahrheit von Irrtum scheiden,
Wenn mich die Leidenschaft überwältigt!
Schöner Bacchus, ich bin nicht der,
Der gegen deinen Willen handelt,
Ich bring auch nicht ans Licht des Tages,
Was heimlich im Gebüsch geschieht.
Halte zurück die wilden Trommeln
Und die berycinthischen Hörner,
Und bewahre mich vor solchen Werken,
Die aus blinder Selbstliebe nur getan,
Bewahre mich vor Hochmut und Stolz,
Dass ich mich nicht über andre erhebe,
Und dass ich nicht verschwende
Die Mysterien unseres Glaubens
An einen transparenten Becher!


I, 19

O grausame Venus, des Gottes Mutter,
Bacchus befielt mir,
Der Jungfrau Semele Sohn,
Und du gebietest mir
Die zügellose Wollust,
Dass ich Amors Zeuge bin!
Siehe, ich brenne für Glykeras Schönheit,
Die viel schöner ist
Als Bilder aus parischem Marmor!
Ich brenne für ihre stolze Schönheit!
Ihr Antlitz ist viel zu blendend,
Als dass man es anschauen könnte!
Venus gebietet mir,
Ihr auf Zypern zu dienen,
Und nicht zu singen die Kriege
Von Parthern und Skythen,
Die rasen auf Kriegspferden wild,
Noch sonst etwas andres als Liebe!
Seht hier den grünen Wiesen-Altar,
Ihr Knaben,
Und die heiligen Ranken von Efeu
Und orientalischen Weihrauch,
Stellt hier ein Fass voll altem Wein auf!
Wenn ich das Opfer geopfert,
Wird die Geliebte mir gnädiger sein!


I, 21

Ihr zärtlichen Jungfraun,
Singt das Lob der Jungfrau Diana!
Und ihr lieben Knaben,
Preist Apollo mit den goldnen Locken!
Und feiert die Mutter Latona,
Innig geliebt vom alles überwindenden Höchsten!
Singt ihr Mädchen die Jungfrau,
Die die Flüsse und Wälder liebt
Und heilige Haine und den Hang des Algidus
Und dunkle erymanthische Bäume
Und den Wald auf dem grünen Cragus!
Ihr Knaben, lasst Lobpreis-Lieder erschallen
Von Tempe und Delos,
Apollos Heimatinsel,
Der an der Hüfte den Köcher trägt
Und des Merkurius Lyra.
Der Gott wird von uns vertreiben
Krieg und Hunger und Elend!
Er wird die Seuche vertreiben von unserem Volk,
Und wird Cäsar segnen, unsern Monarchen,
Durch unsre Fürbitt-Gebete gesegnet,
Und ihn senden zum Krieg mit den Persern!



I, 22

Der Mann, der rein lebt
Und frei von schwerer Sünde ist,
Der hat nicht nötig,
Mein lieber Fuscus,
Maurische Wurfspeere
Oder Bogen und Köcher
Voll vergifteter Pfeile,
Ob sein Weg durchs schwüle Syrien geht
Oder zum schroffen Kaukasus
Oder ob er seinen Weg sogar nimmt
Zu der fabelhaften Region
Der Gewässer des Hydaspes,
Während ich wandre
Über die Grenzen
Meines Landguts hinaus,
Durch den Sabiner-Wald,
Und singe sorglos,
Leicht bewegt
Von meiner lieben Lalage,
Flüchtet ein Wolf vor mir,
Ein Monster von Apulien,
Das sich ernährt in den Eichenwäldern,
Oder ist es vielleicht ein numidisches
Löwenjunges?
Stelle mich auf öde Ebenen,
Wo keine Bäume stehen
Unterm glühenden Hochsommerhimmel,
Oder stelle mich auf breite Straßen,
Wo Nebelschwaden schweben
Unter einem finsteren Himmel,
Stell mich in ein menschenleeres Land,
Wo der Sonnenwagen die Erde verbrennt,
Ich werde überall
Mit der Liebe lachen können,
Mit meiner heiter plaudernden Lalage!


I, 23

Du fliehst vor mir wie ein Rehkitz, o Chloe,
Suchst auf den pfadlosen Hügeln
Verängstigt deine Mutter,
Ziellos vor dem Terror fliehend
In dem sturmbewegten Wald.
Wenn der Frühling kommt
Und die Blätter rauschen,
Die zitternden Blätter,
Oder wenn eine grüne Eidechse schlüpft
In den Brombeerbusch am Wegesrand,
Dann zitterst du in Herz und Seele.
Und doch jag ich dich nicht
Und will dich nicht zerreißen
Wie ein wilder Tiger
Oder ein gätulischer Löwe.
Folge nicht weiter deiner Mutter,
Du bist doch schon geschlechtsreif
Für einen liebevollen Bräutigam!


I, 26

Freund der Musen,
Werde ich Trauer und Angst werfen
In den Sturm, der überm kretischen Meer weht,
Unbekümmert, wer auch immer der König ist?
Ob wir vor den eisigen arktischen Küsten uns fürchten,
Oder was auch immer uns schrecken mag,
O süße Muse, mit Freude an frischen Quellen
Flechte die Blumen zu einem Kranz,
Zu einer Girlande für meine Lamia!
Ohne dich, o Muse, ist wertlos mein Lobpreis,
Doch du und alle deine Schwestern
Sollen sie mit neuem Ruhm verewigen,
Die ich besinge zum Lied,
Gespielt mit dem Plektrum auf der lesbischen Lyra.


I, 30

O Venus, Königin du von Knidos und Paphos,
Verschmähe dein geliebtes Zypern,
Fordere reichlichen Weihrauch,
Komm zu dem schönen Heiligenschrein
Meiner Glykera!
Und lass den leidenschaftlichen Knaben Amor
Und die Grazien mit gelösten Gürteln
Und die Nymphen und die Jugend,
Die nicht reizend ist ohne dich,
Beeile dich und komm mit Merkurius!


I, 37

Jetzt ist es Zeit zum Zechen,
Jetzt ist die Zeit, die Erde zu treten
Mit uneingeschränkten Füßen,
Jetzt ist die Zeit
Für der Götter heilige Sofas,
Meine Freunde, und dass wir
Bereiten ein köstliches Fest!
Es wäre falsch, heute zu sparen
Den cäcubischen Wein aus alten Fässern!
Eine verrückte Königin
Will das Kapitol und das Reich ruinieren,
Mit ihrer Schar von schlimmen Kreaturen,
Krank vor Verworfenheit,
Ist sie voll heftiger Hoffnung
Und berauscht von Fortunas Gnade.
Aber ihre Raserei bewirkte,
Dass kaum ein Schiff den Flammen entkam,
Cäsar ward von Gedanken abgelenkt,
Betört vom maretoischen Wein
Und voller Furcht.
So verfolgte er ihre Nähe,
Als sie aus Rom geflohen,
Um u fangen das tödliche Monster
Und sie zu fesseln,
Wie der Sperber verfolgt das Täubchen
Oder der Jäger jagt den Hasen,
Über die schneebedeckten Ebenen von 'Thessalien.
Aber sie beabsichtigte,
Edler zu sterben,
Sie zeigte keine Zeichen von weibischer Angst
Vor dem scharfen Schwert.
Noch versuchte sie zu gewinnen
Mit ihren schnellen Schiffen
Zu einem verborgenen Ufer.
Und sie wagte es,
Ihr gefallenes Königreich zu bestaunen
Mit ruhigem Antlitz,
Und sie berührte die giftige Natter
Mit tödlichem Heldenmut,
So dass sie trank das tödliche Gift
In den Tiefen ihres Herzens,
Trank die Lösung, um zu sterben,
Verachtend die feindlichen Galeeren.
Keine gewöhnliche Frau,
Sondern eine wahre Königin,
Die man nicht einher führen konnte
Im stolzen Triumph.


II, 4

O phokischer Xanthis,
Schäme dich nicht der Liebe
Für eine einfache Magd,
Hat doch auch das Mädchen Briseis,
Die trojanische Sklavin mit schneeweißer Haut,
Gerührt den Achilles!
Und auch die Gefangne Tekmessa
Hat mit ihrer Lieblichkeit
Ihren Herrn Ajax bewegt,
Den Sohn des Telamon,
Und Agamemnon, auf der Höhe seines Triumphs,
Glühte für ein geraubtes Mädchen!
Während das Heer der Barbaren besiegt ward,
Siegte die Armee der Griechen,
Und Hektor ging verloren,
Übergab Troja den müden Thessaliern,
Eine leichte Beute.
Weißt du nicht, dass deine blonde Phyllis
Keinen Vater mehr hat,
Der wohlhabend ist
Und dich als Schwiegersohn annehmen könnte?
Sicherlich ist sie eine geborene Königin
Und trauert um ihre göttlichen Ahnen!
Glaube mir, das Mädchen, dass du liebst,
Stammt nicht vom gottlosen Pöbel!
Ein Mädchen, das so treu ist
Und das so schwer zu erobern ist,
Stammt von keiner sündigen Mutter!
Ich bin unvoreingenommen
Und lobe ihre bemalten Arme
Und ihr schlankes Gesicht
Und ihre formschönen Hände,
Sie ist frei von jedem Verdacht
Und wert eines Freiers,
Der im rasch verschwindenden Leben
Sie erkennt in seinem fünfzigsten Jahr!


II, 8

Wenn eine Strafe dich jemals heimgesucht,
Treulose Barine,
Für alle deine Meineide,
Wenn dir jemals in der finsteren Zeit
Ein verwöhnter Fingernagel weh getan hat,
Dann würde ich dir vertrauen.
Doch kaum hast du verpflichtet
Deine treulose Seele
Durch falsche Versprechungen,
Als du schon erschienen bist
Als die leuchtendste, schönste,
Ein süßes junges Ding!
Es hilft dir, zu schwören
Bei der Asche der begrabenen Mutter,
Bei stillen Konstellationen der Nacht,
Bei allen Himmeln und allen Göttern,
Die frei sind von der eisigen Kälte des Todes.
Venus selbst lächelt, wenn sie dich sieht!
Die schmucklosen Nymphen lächeln dir zu
Und der grausame Amor,
Der immer schärft den brennenden Pfeil
An einem blutbefleckten Stein.
Hinzuzufügen ist, dass alle Jünglinge
Dich gerne pflegen
Und werden zu deinen frischen Sklaven,
Während die alten Liebhaber
Fliehen aus dem Haus
Ihrer gottlosen Geliebten.
Alle Mütter fürchten für ihre Söhne,
Und die geizigen Väter
Und die anderen Bräute,
Die einst Jungfrauen waren,
Denn wegen deiner erotischen Ausstrahlung
Verweilen die Männer gerne bei dir.


III, 10

Wenn du das Wasser des fernen Don trinkst, Lyce,
Mit einem gewissen grimmen Mann vermählt,
Würde ich mich aussetzen den klagenden Winden
Deiner nordischen Mutter-Heimat,
Vor deine grausame Pforte hingestreckt.
Höre, wie der Rahmen knarrt,
Wie die gepflanzten Bäume
In deinem schönen Garten im Winde stöhnen,
Und wie die pure Kraft des Gottes Jupiter
Eisig weht über den gefallenen Schnee.
Deine Verachtung beiseite gelassen,
Sie ist verhasst der liebenden Venus,
Das Seil soll fliegen, während sich das Rad dreht,
Doch du bist nicht Penelope,
Treu auch angesichts der Freier,
Auch bist du nicht von etruskischen Eltern.
O, schone deine Bittsteller,
Obwohl dich keiner bewegt,
Keine Geschenke bewegen dich,
Auch mein Gebet bewegt dich nicht
Und nicht die Blässe deines Liebhabers,
Der blau gefärbt ist,
Und dich bewegt nicht der Mann,
Der von den Pieriden gezeichnet ist.
Du bist eine unbeugsame Eiche,
Nicht sanfter als eine maurische Schlange.
Ich werde nicht immer auf deiner Schwelle liegen
Im Regen, der vom Himmel fällt.


III, 12

Mädchen sind erbärmlich,
Die nicht zulassen wollen
Die Spiele der freien Liebe
Oder ertränken ihre Sorgen
In dem lieblichen Wein,
Erschrocken und voller Angst
Verschlingen ihre Zunge vor einem,
Der ihr Onkel sein könnte.
O Neobule, Kythera entreißt dir
Den geflügelten Knaben
Und nimmt dir die Wolle weg
Und nimmt dir deinen Arbeitsplatz,
Da du Minerva dienst,
Wenn dein Liebhaber kommt,
Der leuchtende Hebrus,
Der sein gesalbtes Haupt
In des Tibers Bad getaucht.
Er ist ein besserer Reiter
Als der Reiter Bellerophon,
Nie geschlagen im Faustkampf,
Klug, zu jagen das Reh,
Wie es flieht im erschrockenen Rudel,
Oder den wilden Eber zu töten
Im Dickicht des Waldes.


III, 22

Jungfrau! Beschützerin des Berges und des Waldes,
Dreimal gepriesenes junges Mädchen,
Die du bewirkst die Geburt und rettest vorm Tod,
O dreifaltige Göttin!
Dir bring ich diese Fichte meines Bauernhofs,
Damit ich glücklich bin auf der Reise,
Und ich opfre dir das Blut eines Ferkes,
Das gerade seine ersten Schritte getan.


III, 23

Phidyle, mein Mädchen vom Land,
Wenn du deine Hände gen Himmel hebst,
Der neugeborenen Luna entgegen,
Wenn du die Ahnen mit Brot versöhnst
Und mit dem Opfer eines Tieres,
Deine fruchtbaren Reben leiden nicht
Den Südwind und deine Pflanzen
Werden vernichtet von Ungeziefer,
Und die kleinen Lämmer werden geboren
Kränklich in dieser Jahreszeit.
Da das Lamm zum Opfer bestellt ist,
Lass es weiden auf der Aue
Des schneebedeckten Algidus-Berges
Unter den Eichen und Steineichen
Oder weide es auf den Albaner Bergen,
Bis es die Priester bluten lassen.
Es gibt keinen Grund für dich,
Gott zu versöhnen mit dem Opfer des Lammes,
Während du bekränzt die Ikonen
Mit Myrte und Rosmarin.
Wenn du mit reinen Händen zum Altar trittst,
Wenn du Gott auch nicht mit Opfern versöhntest,
Wirst du die feindlichen Väter im Jenseits versöhnen
Mit dem heiligen Brot und dem kultischen Tanz.


IV, 1

O Venus, ich habe lange
Dir zu opfern unterlassen,
Verzeih mir und erbarme dich meiner!
Ich bin nicht mehr das Opfer der Macht
Cinaras, wie ich es früher war.
Ich bin im fünfzigsten Jahr,
O schreckliche Mutter des Amor,
Lass sie jetzt zu mir kommen,
Die lange deinen Geboten sich widersetzt,
Und bringe sie zurück von dort,
Wohin sie die verführerischen
Gebete der jungen Männer gelockt.
Es wäre besser für dich, o Venus,
Von Schwingen weißer Schwäne getragen,
Zum Abenteuer zu kommen
In des großen Paulus Haus,
Wenn du ein würdiges Herz entflammen willst,
Denn er ist edel und schön,
Und er ist auch beredsam
Vor den ängstlichen Kunden,
Ein Mann von hundert Fähigkeiten,
Er wird deine Fahne treu tragen,
Er wird lachen,
Wenn er erfolgreich ist,
Trotz der teuren Geschenke seines Rivalen,
Und er wird dich erheben
An der Albaner See,
In einer Marmorstatue,
Unter einem Holzdach.
Du wirst guten Weihrauch riechen
Und Freude finden beim Klang der Leier,
Vermischt mit dem Klang der Flöte
Und dem Klang von Zungenpfeifen,
Während süße feiernde Mädchen
Dir die Ehre geben,
Und zweimal am Tag siehst du den Mann
Im Tanz den weißen Boden treten,
Im rechten Dreischritt, ein heiliger Tänzer,
Es tanzen Mädchen und Männer,
Voll unschuldiger Hoffnungen
Und gegenseitiger Liebe,
Wetteifernd im Weintrinken!
Ihre Stirnen sind gekränzt
Von frisch gepflückten Blumen.
Aber warum, ach Ligurinus, warum
Müssen sich Tränen sammeln auf meinen Wangen?
Warum muss meine Zunge,
Sonst so eloquent,
Manchmal stottern und stammeln?
In nächtlichen Träumen
Umfang ich die hartherzig Schöne
Oder folge der fliehenden Frau
Auch bis zu den Auen des Mars
Und folg ihr bis zu den Wassern des Styx!


IV, 3

O Muse Melpomene,
Den du bei seiner Geburt
Mit gnädigen Augen angesehen,
Der wird nie Ruhm erringen als Ringer,
Und keine starken Pferde werden ihn ziehen
Im griechischen Streitwagen,
Noch werden ihn kriegerische Taten
Führen auf den Kapitol,
Auch trägt er nicht den Lorbeer der Könige.
Aber das Wasser des fruchtbaren Tibur
Und das dichte Laub der heiligen Haine
Wird er gewinnen durch äolische Lieder.
Es wird erwartet, dass ich würdig Rom
Und Romas Söhne singe,
Die Erste der Städte,
Ich im ersten Rang
Im Chor der wahren Poeten,
Schon hacken nach mir die Zähne des Neides.
O pierisches Mädchen du,
Befiel mir, süße Melodien zu spielen
Auf der Schildpatt-Lyra.
O ihr Musen, wenn ihr wollt,
Singen wie der sterbende Schwan
Selbst die stummen keuschen Fische,
Alles ist Gnade.
Aber die Bürger weisen darauf hin:
Der da ist ein Poet Roms!
Aber du bist es, die mich inspiriert,
Und was mir gelingt, ist alles deine Gnade.


IV, 13

O Lyce, haben die Götter
Meine Gebete erhört?
Die Götter erhörten mich!
Lyce, du bist alt geworden,
Aber immer noch wünschst du,
Die Macht der Schönheit zu besitzen,
Und noch spielst du mit mir
Und trinkst so schamlos süßen Wein,
Und wenn du betrunken bist,
Dann flieht gelangweilt Amor von dir,
Und wenn du betrunken singst.
Denn immer wacht Amor nur
Über die schöne Wangen von Chia,
Die jung und schön ist,
Die als Expertin die Lyra spielt.
Er flieht voll Verachtung
Vor der knorrigen Steineiche,
Er läuft weg von dir,
Denn du bist entstellt
Von deinen gelben Zähnen
Und von den Falten und Runzeln
Und dem grauen Haar.
Jetzt deine teuren ägyptischen Kleider
Und all die Diamanten
Bringen nicht zurück die Jugend,
Die Pforte der Zeit hat sich geschlossen,
Und begraben ist die Jugend,
Von keinem öffentlichen Interesse mehr.
Wohin ist Venus geflohen
Und wohin ist deine Schönheit?
Wo sind jetzt deine reizenden Gesten?
Was ist aus dem Mädchen geworden,
Dem Mädchen, das atmete Amor,
Der mir nun entwendet ist,
Wie auch Cinara dahin ist,
Die berühmt war für ihre Schönheit
Und für ihr charmantes Wesen.
Das Schicksal hat Cinara
Nur kurze Jugend gewährt
Und schier endlose Leiden,
So lang zu leben wie eine alte Krähe,
So dass die einst lodernden Jünglinge lachen,
Die hier sehen ein heißes Feuer
Zu Asche zerfallen.