KLASSISCHE HAIKUS


Deutsch von Josef Maria von der Ewigen Weisheit


1

Gigantische Wolken während der Hundstage
Nehmen die Form von Dämonen an,
Dann sich in Buddhas verwandeln.


2

Das angeschlagene Gold
Und das frische Grün
Wecken Erinnerungen an vergangene Tage.


3

Wie ich die Chrysanthemen ansehe,
Meine Seele und mein Herz
Werden sanft von der Blumen-Fee verführt.


4

Ich liebe den Rest meines Lebens,
Obwohl es vergänglich ist,
Wie ein Licht azurblauen Morgen-Ruhmes.


5

Ein Tautropfen
Sitzt auf einem Felsen
Wie ein Diamant.


6

Kornblumen
Verteilen sich
Wie Wolken im Herbst.


7

Rote Libellen
Fließen wie Wellen
In Richtung des hochroten Himmels.


8

Auf dem winterlichen Meer
Möwen schweben
Wie Laub.


9

Schlafen, Wachen,
Und dann gibt es das große Gähnen.
Die Katze geht nach Sex aus.


10

Ein neues Jahr beginnt
Mit der Blüte
Eines einzelnen frostigen Zweiges.


11

Ein plötzlicher Schauer,
Ich reite nackt
Auf einem nackten Pferde.


12

Als mein Stellvertreter
Eine Krähe
Badet im Neujahrs-Wasser.


13

Ein Schmetterling in der Hand -
Als ob es ein Geist sei,
Überirdisch, substantiell.


14

Vor dem hellen Vollmond
Eine Hügel-Kiefer
Ist das Bild meiner Wiedergeburt.


15

In der Winternacht
Der Tod wird nicht zögern,
Das friedliche Antlitz zu zerstören.


16

Der Oku-Shirane-Bereich
Ist von großer Helligkeit mit dem Schnee
Vom Jenseits.


17

Himmel und Erde
Krampfen in einem Atemzug zusammen
Und lassen enorme Schneemassen fallen


18

Es durchdringt das Gestein
Ruhig und gelassen
Der Klang der Zikade.


19

Dürrer Frosch, kämpfe!
Komm dem Dichter
Zur Rettung!


20

Müder Frosch,
Du wirst nicht besiegt werden,
Der Dichter jubelt über dich.


21

Vom Bergfeuer erleuchtet
Schwimmt flussabwärts
In der Nacht das Boot.


22

Ein nächtliches Boot
Hisst das Segel,
Vom Lauffeuer erleuchtet.


23

Federn regnen,
Im Dickicht
Ein verworfener Brief verbrannt.


24

Frühlingsregen,
Ein weggeworfener Brief
Flattert im Hain.


25

Das Heimatdorf
Hab ich verlassen.
Kirschbäume standen in voller Blüte.


26

In meinem verlassenen Heimatdorf
Der alte Kirschbaum
Steht jetzt in voller Blüte.


27

Immer Dämonen,
Immer Buddha.
Hochsommer.Wolken.


28

Töte nicht die Fliege!
Sie faltet die Hände,
Sie faltet die Füße.


29

Um des großen Bronze-
Buddhas Nase
Morgennebel.


30

Aus den Nasenlöchern
Des kolossalen Buddha
Kommt heute Morgennebel.


31

Es spielen Verstecken
In Teeblüten
Spatzen.


32

Baden
Im Neujahrswasser.
Frostklare Luft.


33

Der Schmetterling
Parfümiert seine Flügel,
Fan der Orchidee.


34

Pausen zwischen den Wolken,
Der Mond ruht
In den Augen des Betrachters.


35

Götzenbilder der lang verstorbenen Götter,
Trockene Blätter,
Begleiter der Tempel-Veranda.


36

Siehe, die überlebenden Söhne
Besuchen die Ahnengräber,
Mit weißen Bärten, mit zitternden Stöcken


37

Diese Verdunkelung im Herbst:
Meine Nachbarin,
Wie macht sie weiter?


38

Herbst-Dunkelheit, absteigend
Auf dieser Straße, ich reise
Allein.


39

Der Blitz
Zerbricht die Dunkelheit.
Der Nachtreiher schreit.


40

Lass uns essen
Diese schönen Blumen in der Schüssel,
Da es keinen Reis gibt.


41

Ein alter Teich,
Der Frosch springt:
Plop!


42

Komm, untersuche die Einsamkeit!
Ein einsames Blatt
Klammert sich an den Kiri-Baum.


43

Der erste Frostregen:
Schlechte Affen, sie verwenden
Einen gewebten Umhang aus Stroh.


44

Dieser schneebedeckte Morgen:
Es schreit die Luft. Ich verachte sie
(Aber ach so schön!)


45

Wie ein schwerer Duft
Legen sich die Schneeflocken:
Lilien auf Felsen.


46

Diese fröhlich zwitschernde Grille
Trägt einen grauen Herbstmantel,
Verachtet den Frost.


47

Flöte in der Dämmerung, Nachtschwalbe,
Feierliche Evangelistin
Der Einsamkeit.


48

Des Meeres Verdunkelung,
Die Stimmen der wilden Enten:
Meine geheimnisvollen Begleiterinnen!


49

Sehen wir uns wieder?
Hier an deinem blühenden Grab,
Zwei weiße Schmetterlinge.


50

Diese braunen Sommergräser.
Die einzigen Überreste
Der unbesiegbaren Krieger.


51

Eine leere Straße,
Einsamer als der Verzicht:
Herbstabend.


52

Der Frühling ist gekommen!
Die namenlosen Hügel
Liegen im Nebel.


53

Vom Fieber geschüttelt auf halbem Weg,
Meine Träume beleben sich wieder, zu wandern
Im Land der Leere.


54

Der warme Frühlingswind und meine Kuh
Führte mich zu einem Besuch
Im Zenkoji-Temple, zu opfern.


55

Am Sommer-Abend,
Wo ist mein Stern
In der Milchstraße versteckt?


56

Stille. Es ist der Gipfel der Wolken,
Der am Boden des Sees
Gesehen werden kann.


57

An einem Sommertag,
Zikaden zirpen am Chikuma-Fluss,
Als ob er fließe im Himmel.


58

Der Fall des Mondes,
Und ein Kind weint,
Ihn zu bekommen.


59

Der Versuch, direkt neben der Person,
Die du liebst,
Am warmen Kamin zu sitzen.


60

Dies ist meine letzte Wohnung,
Jetzt in fünf Fuß Schnee
Begraben.