Nachgedichtet
von Josef Maria von der Ewigen Weisheit
I
In
dem Goldthron inthronisierte Charis,
Gottes
Tochter, Weise, die ich verehre,
Göttin,
meine Seele beherrsche, meinen
Kummer
zerstreue!
Komm,
wenn je vernommen du meine Stimme,
Lasse
deines Vaters Palast im Himmel,
Wenn
du je in älteren Zeiten kamest,
So
komm auch heute.
Göttin,
auf dem strahlenden Wagen komme,
Spatzen
ziehn ihn, über der Erde schwebend,
Führen
ihn vom Himmel herab, die eilig
Spreizen
die Flügel!
Kamst
du durch der Erde Portal, das breite,
Schautest
du mit ewigem Antlitz lächelnd,
Fragtest,
was ich leide, was für ein großes
Weh
mich beschwere?
„Wie
verzehrt dich alles verzehrend Liebe?
Überredungskünste
beherrscht doch Peitho,
Wen
soll sie bereden, dass sie dich liebe?
Sappho,
wer kränkt dich?
Noch
verschmäht sie dich, doch bald ist sie freundlich.
Jetzt
nimmt sie Geschenke nicht an, bald schenkt sie.
Jetzt
verschmäht dein Lieben sie, bald doch liebt sie,
Bald
kommt sie zu dir!“
Komm
jetzt wieder zu mir, zerstreu die Sorgen,
Ist
die leidenschaftliche Seele traurig,
Meinen
Herzenswunsch mir erfülle, sei mir
Freundin,
o Göttin!
II
Der
vor deinem strahlenden Antlitz sitzet,
Scheint
mir gleich den himmlischen Göttern selig,
Wenn
er hört dein Wort voll charmanter Gnade,
Freudiges
Plaudern.
O
du lachst ein Lachen der reinen Freude,
Und
in meinem Busen das Herz vor Liebe
Flattert
wild vor deinen geliebten Augen,
Und
ich verstumme,
Meine
Zunge ist mir gelähmt, ein Feuer
Meine
Glieder völlig verzehrt und meine
Augen
sehn nichts, und es rumort das wilde
Chaos
im Ohr mir,
Heißer
Schweiß rinnt an mir herab in Strömen,
Meines
Leibes Glieder ergreift ein Zittern,
Ich
bin leichenblass und mein Blut stockt, ich bin
Nahe
dem Tode!
III
Wie
deine Lichtgestalt mir erschienen, wars,
Als
ob mir Herrin Hera erschien im Traum.
Da
sprach man brünstige Gebete,
Beteten
königlich Atreus' Söhne.
Als
sie des Ares Arbeit beendet, dort,
Wo
strömend der Skamandros beschleunigt fließt,
Sie
kamen hierher in die Heimat,
Aber
nach Argos nicht kommen könnend,
Bis
sie dann flehten Zeus an, den Gott und Herrn.
Thyone
auch, das liebliche Kind, Gebet
Sprach
fromm mit Weihrauch, deren Bürger
Halten
die alten Gelübde heilig.
IV
Ein
Gott hat uns bezaubert, Gongyle!
Die
Kinder sahn ihn sichtbar,
Denn
Hermes selber wars, der kam zu mir.
Ich
sah ihn nicht, doch sagte ich: O Herr,
Nicht
Reichtum ist mir Wonne,
Nur
dass ich bei der Herrin wär im Haus.
Der
Tod ist alles, was ich noch begehr,
Zu
sehn die Lotosblumen
Im
Garten im Elysischen Gefild.
V
Du
bist gekommen, gekommen, zu meiner riesigen Freude!
Denn
ich hab mich gesehnt nach deinem willkommenen Anblick,
Mir
im Herzen hast du die Flamme der Liebe entzündet,
Schon
bevor du gekommen, brannte die Flamme der Liebe.
Herzlich
Willkommen wünsche ich dir, begrüße dich herzlich,
Wünsche,
dich begrüßen zu dürfen wieder und wieder,
Zu
lang waren die Zeiten, da du abwesend warest.
VI
Mir
zu zeigen Dankbarkeit, das verweigerst du bitter,
Doch
von schönen Worten zur siebensaitigen Leier
Fernzuhalten
deine Freunde, das wähltest du, Stolzer,
Und
mich vorwurfsvoll anzugreifen mit bissigen Worten.
Nun,
so ist es! An Unverschämtheit satt werden willst du,
Willst
ermöglichen deiner Wut, im Herzen zu schwellen.
Darum
niemals nachlassen könnte meine Verachtung,
Wegen
des grausamen Zornes, den ich fürchten muss, leider!
VII
O
Charis! Fand er dich denn nur bitter? Ach!
Und
hat er denn verdient diesen Spott und Hohn?
Sie
hat nun einmal ihn gefesselt,
Doricha
ist sein ersehnter Liebling!
VIII
Ihr
Nereiden, heilige Nymphen ihr,
Mein
Bruderherz zurückkehren sicher lasst,
Gewährt
ihr sonst auch keine Wünsche,
Ihm
doch gewährt seines Herzens Sehnsucht!
Verlassen
soll ihn all seine Schwäche und
Zur
Freude soll er werden den Freunden treu,
Ein
Schrecken aber seinen Feinden!
Nicht
will ich trauern um meinen Bruder!
Sein
Schwesterherz zu ehren sei er bereit,
Dass
nicht ihr Herz erfüllt wird von Traurigkeit!
Jetzt
stillt mir meine großen Leiden!
Niedergeschlagen
ist meine Seele!
Denn
meines Bruders Schmach ist gedrungen mir
Von
fern in meine Seele, vernichtet mich,
Zu
sehn bei den erregten Bürgern
Schwatzhaften
Klatsch voller böser Reden!
Doch
wenn mein Lied begeisterte je dein Herz,
O
schöne Liebesgöttin, erhöre mich:
Vom
Weh, vom Bösen uns erlöse!
Jage
die Feinde hinweg ins Dunkel!
IX
Für
mich war sie ein schönes Kind, behaupte ich,
Die
Form wie goldne Blumen. Kleis nannt ich sie,
Geliebte
Kleis, jung und alt bestaunten sie.
Und
ist auch jede Lydia sehr schön, doch ach,
Sie
können nicht ersetzen das vermisste Kind!
X
Einige
denken, das Schönste sei's in der göttlichen Schöpfung,
Auf
dem Pferde zu sitzen oder Waffen zu tragen,
Kriegsschiffe
finden bei manchen die höchste Bewunderung, aber
Meine
Seele schätzt es vor allem, dass ich geliebt bin!
Und
es ist auch nicht schwer für mich, jeder Schönheit zu folgen.
Selbst
die herrliche Helena, diese Schönste der Schönen,
Wenn
auch viele sterbliche Schönheiten stolz waren leider,
War
vor allem berühmt für ihres Liebhabers Pflege.
Und
vergessen hatte die Eltern sie, selbst ihre Tochter,
Und
ist Paris gefolgt, die das glorreiche Troja zerstörte.
Fern
von den Freunden und der Heimat brachte die Frau er,
Der
verführt war von Eitelkeit leidenschaftlicher Liebe!
Denn
eine Frau, die leichtfertig ist, versucht es doch immer
Und
nimmt leichtsinnig unüberlegt den, der ist in der Nähe.
So
auch meine Anaktoria, die du dich leider
Nicht
erinnerst an mich voll Sehnsucht und heute nicht hier bist!
Aber
von deinem schönen Fußfall möcht ich wohl hören,
Wie
du ziehst die Strahlenflut deiner leuchtenden Augen
Von
dem Lärm der Kriegswagen ab und stürzt als Verrückte,
Wegen
der Lydier, in der gepanzerten Kriegsmänner Schlachten!
Ach
ich weiß, die Menschen gewähren sich niemals das Beste,
Es
ist besser, nicht nach dem Guten und Besten zu fragen,
Was
die Menge dir gibt, mit diesem sei nur zufrieden,
Denn
umsonst ist das Streben nach dem Hohen und Höchsten.
XI
Gebrochen
ist mein Herz! O stille mir mein Leid!
Ich
sehn mich traurig in der Trübsal nach dem Tod!
Sie
weinte und erfüllte mich mit Traurigkeit.
Und
oftmals wollte also sprechen sie zu mir:
Ach
weh mir, weh! Was für ein Elend mich bedrückt!
Dich
zu verlassen, Sappho, das bricht mir das Herz!
Dann
gab ich Antwort ihr und streichelte sie sanft:
Mit
meines tiefsten Herzens Segen gehst du fort!
Erinnre
dich an mich! Du weißt, ich liebe dich!
Weit
mehr als an den bittern Abschied denke du
An
jene schöne Zeit, die wir vereint gelebt!
O
denk an mich und ja, an Gott im Himmelreich!
Sind
viele Kränze von bescheidnen Veilchen blau,
Basilikum
und Thymian und Rosen blühn,
Dein
Liebeszeichen, das du mir gegeben, Schatz.
Und
duftende Girlanden, Blüten aus dem Lenz,
Die
flochtest du sehr schön und brachtest du mir oft,
Die
ranken über mir nun voller Zärtlichkeit.
Und
teure Salben auch von seltnem süßen Duft
Und
königlichen Balsam für dein schönes Haar
Hast
du gegossen häufig auf dein holdes Haupt.
XII
In
der Lyder goldenen Stadt, dem strahlenden Sardes,
Mit
der schönen Arignota mein Herz ist für immer,
Und
Atthis oftmals denkt an sie,
Denkt
an uns, wo wir zusammen leben in Liebe,
Denkt
daran, wie sie dir göttliche Ehre gegeben,
Vernahm
dein Lied mit großer Lust.
Aber
nun wollen wir zu den Lydern, dort wo sie wandelt,
Sehen,
wie die rosenfingrige Königin schimmert,
Die
Mondin in der dunklen Nacht.
Denn
die Mondin erobert die Sterne, glänzend im Glanze,
Gegenüber
dem saftigen Ozean schimmert sie silbern
Und
auf der Blumenwiese grün.
Wie
erfrischend die Tautropfen auf den Blättern und Blüten,
Auf
den purpurnen Rosen und dem Honigklee schimmernd,
Hibiskus
ist jetzt voll erblüht.
Aber
wenn sie denkt an Atthis, das zärtliche Mädchen,
Ist
ihr Herz mit Sehnsucht und Wehmut und Kummer beladen,
Voll
Angst durchstreift sie dann das Land.
Und
sie ruft dann laut nach uns beiden, ihr dorthin zu folgen,
Doch
vergeblich im Dunkel der tausend Ohren kommt hierher
Kein
Wort der Liebe übers Meer.
XIII
O
Gongyle, komm her zu mir,
Komm
du im milchig weißen Kleid!
Ich
liebe es, dir nah zu sein,
Wenn
alles kündet deinen Charme.
Der
bloße Anblick deines Kleids
Bringt
einen Nervenkitzel mir.
Zu
meiner Freude Charis ist
Verzweifelt
fast vor Eifersucht.
XIV
Lange
ist es her, wie viele Jahre,
Atthis,
dass du meine Liebe kanntest.
XV
Ein
kleines Kind du schienest mir zu sein,
Ich
konnte keine Grazie in dir sehn.
XVI
Dass
du nicht denkst an mich, ach Atthis, das ist abscheulich!
Jetzt
Andromeda huscht um dich, du ziehst sie mir vor!
XVII
O
Hero, fahrend auf dem Schiff, bericht ich dir,
Wer
von Gyara alles ward hierher gebracht.
XVIII
Eranna!
Nimmer, wo ich je gewesen bin,
Hab
ich verächtlich je auf dich herabgeschaut!
XIX
Obwohl
die reizende Gyrinno zärtlich ist,
Weit
reizender ist wahrlich Mnesidice doch.
20
Mnesidice,
leg einen Kranz in die herrlichen Locken,
Winde
mit zarten Händen Anisblüten dir in die Zöpfe,
Blumengeschmückte
Mädchen sind gesegnet von Charis
Und
von ihr begünstigt, sie hasst die ohne Girlanden.
XXI
Sachte,
sachte darfst du Ruhe finden
Auf
den Brüsten deiner lieben Freundin.
XXII
Sie
hat die jugendliche Blüte jetzt erreicht,
Die
Zeit zum Kränzeflechen ist gekommen jetzt.
XXIII
Unter
allen den Mädchen, für welche aufgeht die Sonne,
Jetzt
und in kommender Zeit keine ist weise wie du!
XXIV
Weit
mehr als ich ists heute jemand anderes,
Ach,
deren Liebe deinem Herzen Kitzel schenkt.
XXV
Ach,
du hast ganz und
Gar
mich vergessen!
XXVI
So
hebt das hohe Dach und gebt ihm Raum -
O
Hymenäus!
Ihr
Bauarbeiter, höher hebt das Dach -
O
Hymenäus!
Wie
jetzt der starke Krieger Ares kommt -
O
Hymenäus!
Der
Bräutigam ist größer als das Volk -
O
Hymenäus!
XXVII
Seine
Rivalen übertrifft er mit Leichtigkeit, so wie
Dichter
von Lesbos die Dichter von Griechenland weit.
XXVIII
Lieber
Bräutigam, wem soll ich deine Schönheit vergleichen?
Ich
vergleich dich am besten dem Baum, dem schlanken, dem schönen.
XIX
Wie
die süßen Äpfel, die röten im obersten Wipfel,
Oben
am höchsten Ast, sich kurz den Sammlern nur zeigend,
Du
erreichst die Braut nicht, obwohl sie so leicht ist zu sehen!
XXX
Deine
Gestalt und deine Augen sind voll von der Gnade,
Honigsüß
deine Lippen und dein heiliges Antlitz,
Du
hast von Aphrodite die ewige Liebe empfangen,
Sie
hat mir oft davon gesprochen, wie sehr sie dich lieb hat!
XXXI
In
der ganzen Welt entdeckst du nimmer
Eine
solche schöne Jungfrau, Liebster.
XXXII
Und
wenn ich Braut bin, werde ich noch Jungfrau sein?
XXXIII
Magdtum,
o keusches Magdtum, wie bist du von mir gegangen!
„Ich
komm nimmer zurück, nein, ich komm nimmer zurück.“
XXXIV
Die
Ehe hast du dir gewünscht
Und
dass sie schön vollzogen wird.
O
Bräutigam, dir ward das Glück,
Die
Braut, die du bewundert hast,
Die
ist nun deine Ehefrau.
XXXV
Gute
Wünsche geben wir dem Bräutchen
Und
dem Bräutigam an ihrer Seite.
XXXVI
Der
Vater sprach: Ich gebe dir die Jungfrau gern.
XXXVII
Sieben
Meter lang für die Füße der Torwächter brauchte
Und
von fünf Ochsen die Häute für seine riesigen Schuhe
Und
zehn Schuster wurden dafür in Arbeit genommen.
XXXVIII
Wie
der lila Hyazinthe
Blüten
auf dem Berge blühen,
Auf
dem Boden mit den Füßen
Kehrend
heim der Hirte trat sie.
XXXIX
Hesperus,
du bringst die Dinge, die glänzend die Eos zerstreut hat,
Schafe
und Lämmer und Ziegen und Zicklein bringst du nach Hause,
Der
du den jungen Sohn lässt heimkommen auch zu der Mutter.
XL
(…)
XLI
Hektor
und seine Genossen Andromache bringen nach Hause,
Strahlende
Augen der schönen Dame über dem Salzmeer
Schauen
nach ihren Schiffen aus Theben, von sprudelnden Bächen.
Jetzt
das Gold am Armband, jetzt trägt sie Purpurgewänder,
Jetzt
werden viele Schätze sie bringen von kunstvoll Gesticktem
Und
unzählige Silbergefäße und Elfenbeinbecher.
Also
sprach er. Sein lieber Vater kam atemlos hastig
Und
durch die große Stadt ging schnell und rasend die Botschaft.
Ihren
Maultieren legten Trojaner an kraftvollen Wagen
Zügel
an, Wagen bestieg der festlichen Frauen Gedränge.
Schlankfüßig
folgten alle die Jungfrauen, während beiseite
Saßen
des Priamos Töchter auf pompöseren Wagen,
Männer
spannten die Rosse an, alles Jünglinge kraftvoll,
Lauter
Schreie der Wagenlenker gab die Befehle,
Ältere
Frauen lärmten, die alle lauthals sich freuten,
In
den lieblichen Lobpreis die Männer gossen die Stimmen,
Riefen
den Fernhintreffer, dessen Leier klingt herrlich,
Als
sie wie Götter Hektor und Andromache sangen.
XLII
Bis
zum Rand war gefüllt der Krug mit Ambrosia, Nektar,
Hermes
hat ausgegossen den Kelch den unsterblichen Göttern,
Ihnen
allen aus heiligen Kelchen Trankopfer strömten,
Während
dem Bräutigam sie ihre segnenden Glückwünsche boten.
XLIII
So
wie der Sturm, der auf dem Berg die Eichen fällt,
Mit
harten Schlägen Eros unsre Herzen rührt!
XLIV
Bittersüßes
Geschöpf, du unbesiegbarer Eros,
Lässt
meine Glieder erzittern und meine Seele erbeben!
XLV
Nicht
mehr, o Mutter, kann ich es
Ertragen
an dem Webstuhl still,
Durch
Charis fühl ich für dies Kind
Wehmütig-süße
Sehnsuchtsglut!
XLVI
Der
Mond das Himmelreich verließ,
Plejaden
haben sich gesetzt,
Und
in der Zeit der Mitternacht
Ich
lieg allein in Einsamkeit.
XLVII
Komm,
Genossin, komm vor meine Augen,
Zeige
meinem Blick der Grazie Einfluss!
XLVIII
Wirkst
du für Ehre oder Gerechtigkeit,
Die
schlimme Zunge wirst du bezwingen wohl,
Auf
Demut wirst du nicht verzichten,
Offen
die Wahrheit du weißt zu sagen.
XLIX
Ich
werde immer dir eine Freundin sein,
Doch
suche eine jüngere Braut dir aus,
Mein
hohes Alter wird sich weigern,
Dass
ich für immerdar bei dir bleibe.
L
Heiraten
werd ich nie,
Ich
bleibe Jungfrau rein!
LI
Die,
denen ich gedient mit aller meiner Kraft,
Mit
einer großen Täuschung sie vergelten mirs.
LII
Weit
entfernt, dass auf seinem eigenen Kurs ihn der Wind trägt,
Kann
er nur unterdrückt werden mit Sorgfalt und Müh.
LIII
Ach,
ungehobelte Geschöpfe seh ich nur,
Die
ihre Grobheit schön verschleiern mit der Pracht,
Was
wissen sie denn nicht, zu tragen ihren Rock,
Des
Rockes Saum bis zu den Knöcheln tragend keusch!
LIV
Eine
freudenreiche Heimkehr
Wohl
Andromeda verdiente.
LV
Der
Gorgo tat der Liebesgott
Mehr
als genug, mehr als genug!
LVI
Ach,
wegen jenem Kinde von Polyanax
Ich
biet euch einen herzhaft langen Abschied nun.
LVII
Wenn
grimmer Tod die Augen dir schließen wird,
Wird
keiner um dich trauern, du reiche Frau,
Denn
an der Pieriden Rosen
Hast
keinen Anteil du, ungebildet.
Für
dich wird tönen keinerlei Klagelied,
Vielmehr
wirst ungeliebt du und unberühmt
Hinab
gehn in des Hades Wohnung,
Wenn
du hinab schwebst zum Schattenreiche.
LVIII
Komm
jetzt, Gottes Schildpatt-Leier,
Dein
ist schöne Macht der Rede.
LIX
Ich
bete: Lehr mich, Muse, die thront in Gold,
Lehr
schöne Verse mich wie den Sänger einst
Von
Teos, dessen Leier eine
Menge
von Jungfrauen inspirierte.
LX
Mir
haben Musen gnadenreiche Ehren verliehen,
Die
mich die Künste gelehrt, ja, meine himmlische Kunst.
LXI
Wenig
fehlt mir, scheint mir, und ich
Kann
das Himmelreich berühren.
LXII
In
der Zukunft, bin ich sicher,
Mein
Gedächtnis wird begangen.
LXIII
Für
diese Mädchen, denen Freundschaft mich vereint,
Zu
ihrer Freude klingen soll dies schöne Lied.
LXIV
Und
wessen Ehre man als standhaft je befand,
Verpflichtet
bin ich euch mit einem treuen Bund.
LXV
Ich
hab nicht einen bösen Geist,
Bin
liebend wie ein kleines Kind.
LXVI
Mir
im Herzen brennt das Feuer
Heiß
vor Sehnsucht und Verlangen!
LXVII
An
wunderschönem Luxus sich erfreut mein Geist,
Ich
lieb die goldne Sonne, ihrer Strahlen Licht.
LXVIII
Nein,
ich sang nicht Klagelieder jammernd den Musen,
Und
ich trug auch kein Leid, weil sich mein Wunsch nicht erfüllt.
LXIX
Wenn
Leidenschaft im Wüten dich gefangen nimmt,
Der
Zunge Stottern, Stammeln ich ertrage nicht.
LXX
Die
Menge liebt allein, was schön den Augen ist,
Doch
vielmals schöner scheinen die Gerechten mir.
LXXI
Den
Reichtum, der mit Tugend nicht verbunden ist,
Den
möcht ich wahrlich nicht an meiner Seite sehn.
LXXII
Nicht
blähe auf dich wegen einem Ding,
Das
nicht mehr wert ist als ein goldner Ring!
LXXIII
Steinerne
Trümmer
Lasse
allein du.
LXXIV
Für
mich keine Honigwabe,
Für
mich keine Honigbiene.
LXXV
Wohl
die Kinder lieben Gello,
Gello
liebt noch mehr die Kinder.
LXXVI
Götter
haben entschieden: Jeder Mensch hat zu sterben!
Würde
der Tod doch vorübergehen, wenn es denn gut wär.
LXXVII
Vollmond
hat ein Silberantlitz,
Wenn
der Mond am hellsten schimmert.
Wenn
die Kugel ganz in Brand steht,
Sterne
bergen ihren Lichtglanz.
LXXVIII
Von
allen Sternen dieser Stern
Erscheint
am allerschönsten mir.
LXXIX
Kühles
Wasser tropft von oben
Durch
die Apfelbäume.
Schlummer
tropft von ihren Blättern
Wie
in Kinderspielen.
LXXX
Goldne
Kichererbsen leuchtend
Wuchsen
an dem Strand des Meeres.
LXXXI
Bei
Ebbe ist ihr Leben eine Strömung kühl,
Gefiedert
ihre Flügel hängen schlaff herab.
LXXXII
O
die schöne Frühlingsbotin!
Süß
die Nachtigall singt Lieder.
LXXXIII
Was
ist die Botschaft, die du heute bringen willst,
O
schöne Schwalbe, Töchterchen des Pandion?
LXXXIV
Charis,
komm zu unserem Festbankette,
Komm
zu uns mit goldenen vollen Bechern,
Gieße
ein den schimmernden Götternektar
Üppigen
Jubels!
LXXXV
Der
Insel Zypern schenke deine Gegenwart
Und
Paphos und Panormus soll gesegnet sein.
LXXXVI
Akzeptiere
von mir auf deinem Altar eine Ziege,
Drauf
ein Trankopfer auch bringe vom Weine ich dar.
LXXXVII
O
Charis, du mit Gold gekrönt,
Lass
schaun mich deine Herrlichkeit!
LXXXVIII
Geboren
wurdest du auf Zyperns Inselreich,
In
unsern Träumen haben wir dich oft geschaut.
LXXXIX
Was,
Sappho, nennst du immer nur allein
Die
Göttin Charis deine Segensspenderin?
XC
Nicht
für dich nur ist die Gnade,
Auch
für meinen Diener Eros.
XCI
Nimm
du nur den Purpurschleier
Für
der Locken langes Wallen.
So
ich schick dir meine Spende,
Eine
kostbar seltne Gabe.
XCII
Schau,
Aphrodites Magd,
So
strahlend hell wie Gold!
XCIII
Der
schöne Herr Adonis tot!
O
Charis, sag, was soll ich tun?
O
Jungfrau, schlag dir an die Brust
Und
reiß dein schönes Kleid entzwei!
XCIV
O
liebe Musen, kommt zu mir,
Verlasst
doch euer goldnes Haus!
XCV
Musen
mit schönen Haaren und ihr Grazien niedlich,
Hierher
kommt eilig, empfangt tönenden Lobpreis von mir!
XCVI
Ihr
mit den Waffen der rosigen Blüten,
Grazien,
kommt bitte eilig zu Sappho!
XCVII
Kommt
bitte, Grazien, denn ihr sollt wissen,
Längere
Zeiten schon flattert das Herz mir!
XCVIII
Zu
mir gekommen die Morgenröte in goldnen Sandalen,
Die
ihr herrliches Licht heute mir lächelnd gezeigt.
XCIX
Ein
Ei, umschlungen von den Hyazinthen schön,
Man
sagte, dass von Leda es gefunden ward.
C
Mit
eigner Kraft er konnte, sagte Ares einst,
Hephästus
tragen in die weite Ferne leicht.
CI
Unter
dem Himmel Gott Hermes fliegt schleunig,
Herrlich
bekleidet mit purpurnem Mantel.
CII
Die
Frauen, während hell der Vollmond leuchtet nachts,
Im
Kreise stehen um den heiligen Altar.
CIII
Rund
um den Altar die Jungfraun von Kreta
Schlagen
den Takt zu den reizenden Tänzen.
CIV
Sanft
auf die zärtlichen Spitzen des Grases
Und
auf die Blüten die Jungfrauen traten.
CV
Ein
schönes Mädchen – so was Schönes gibt es nicht -
Hab
ich gesehn in einem Meer von Blüten jüngst.
CVI
Die
Harfe kann nicht immer tönen schön und süß,
Auch
edles Gold kann Gold im Überflusse sein.
CVII
Die
Füße nackt in feinem Leder, reich gefärbt,
Der
Lyder Werk die nackten Füße mir verbarg.
CVIII
Auf
das weiche Kissen samtig
Meine
Glieder leg ich müde.
CIX
Eine
Decke, eine feine,
Über
ihn mit Sorgfalt legt er.
CX
Vor
ihren Augen jetzt erhob sich furchtbar groß
Die
schwarze schreckenvolle Dunkelheit der Nacht.
CXI
Keine
Ahnung, was zu tun ist,
Meine
Seele ist gespalten...
CXII
So
wie ein Kindlein hinter seine Mutter her,
Und
trotzdem ich zu flattern immer noch hab Lust.
CXIII
Hab
es beigebracht mir selber,
Weisheit
lernt ich ohne Hilfe.
CXIV
Kinder,
wenn mich jemand fragen sollte,
Sprachlos
zwar, ich möchte Antwort geben,
Unermüdlich
steht vor meinen Füßen
Dieser
Worte Redekunst geschrieben:
Ich
bin Leto, dies mein Mädchenname,
Und
ich bin verbunden mit Arista,
Hermoclides'
Tochter. Sei, o Herrin
Aller
Frauen, gnädig deiner Sklavin!
CXV
Hier
wird geweiht das Ruder von seinem Vater Meniskus,
So
hat Pelagon gelebt elend als Fischer und arm.
CXVI
Dies
ist der Staub der Toten, die vor der Vermählung gestorben,
Die
von Persephone ward empfangen in finsterer Kammer,
Aber,
obwohl sie tot war, ist auferstanden sie neulich,
Ihre
Freunde sahen die Augenweide der Brüste!