Von Josef Maria von der Ewigen Weisheit
„Durch
Mich regieren die Könige!“
(Sophia,
Sprüche Salomos 8)
KARL DER GROSZE
Karl
stammte aus der heute als Karolinger bezeichneten Familie, die zwar
erst seit 751 die fränkische Königswürde innehatte, aber bereits
in den Jahrzehnten zuvor die bestimmende Macht am Königshof war. Ihr
Aufstieg begann im 7. Jahrhundert und resultierte aus der zunehmenden
Schwäche des Königtums der Merowinger, wobei die wahre Macht
zunehmend in die Hände der Hausmeier überging. Diese waren
ursprünglich nur Verwalter des Königshofes gewesen, gewannen aber
im Laufe der Zeit immer mehr Einfluss. Eine wichtige Rolle spielten
bereits im 7. Jahrhundert die Arnulfinger und Pippiniden, die
Vorfahren der späteren Karolinger. Ihre Machtbasis lag im östlichen
Reichsteil Austrasien. Seit der Zeit Pippins des Mittleren und von
dessen Sohn Karl Martell bestimmten sie endgültig die fränkische
Reichspolitik. Auf Karl Martell geht auch die spätere Bezeichnung
der Familie als „Karolinger“ zurück.
Karl
der Große war der älteste Sohn Pippins des Jüngeren, des
fränkischen Hausmeiers und seit 751 Königs, und seiner Frau
Bertrada. Als Tag seiner Geburt steht der 2. April fest, der in einem
aus dem 9. Jahrhundert stammenden Kalender des Klosters Lorsch
festgehalten wurde. Als das Geburtsjahr wird aufgrund einer genaueren
Quellenauswertung für das Jahr 747 plädiert. Der Geburtsort ist
hingegen völlig unbekannt, alle Bestimmungsversuche sind spekulativ.
751
kam Karls Bruder Karlmann zur Welt, 757 folgte seine Schwester
Gisela, die 788 Äbtissin von Chelles wurde. Auffallend sind die
Namen, die Pippin seinen Söhnen gab. Wenngleich sie auf die Namen
von Pippins Vater Karl und Bruder Karlmann zurückzuführen sind,
standen sie ansonsten isoliert in der Namensgebung der
Arnulfinger-Pippiniden. Sie waren auch nicht an der merowingischen
Namensgebung orientiert wie die Namen späterer karolingischer
Könige. Vermutlich wollte Pippin so das neue Selbstbewusstsein
seines Hauses illustrieren.
Die
von Karls Vertrautem Einhard verfasste Biographie – als Vita Karoli
Magni bezeichnet – stellt neben den sogenannten Annales regni
Francorum (den Reichsannalen) die Hauptquelle für Karls Leben dar,
doch übergeht sie die Kindheit, über die fast nichts bekannt ist.
Zu
Beginn des Jahres 754 überquerte Papst Stefan II die Alpen und begab
sich ins Frankenreich. Grund für diese Reise waren die zunehmenden
Übergriffe des Langobardenkönigs Aistulf, der 751 das Exarchat von
Ravenna erobert hatte. Formal unterstand dieser Raum der
Herrschaftsgewalt des byzantinischen Kaisers, doch Konstantin V, der
militärisch erfolgreich an der byzantinischen Ostgrenze gegen die
Araber kämpfte und dort gebunden war, verzichtete zu dieser Zeit auf
ein Eingreifen im Westen. Daraufhin wandte sich Stefan an den
mächtigsten westlichen Herrscher und versuchte Pippin zu einem
Eingreifen zu überreden.
Die
Anwesenheit des Papstes nördlich der Alpen erregte Aufsehen, denn es
war das erste Mal, dass sich ein Bischof von Rom ins Frankenreich
begab. Beim Treffen in der Pfalz von Ponthion trat der Papst als
Hilfesuchender auf. Pippin ging mit ihm ein Freundschaftsbündnis ein
und sagte ihm Unterstützung gegen die Langobarden zu. Von dem
Bündnis profitierte auch Pippin, der erst seit 751 die fränkische
Königswürde bekleidete, nachdem er den machtlosen letzten
Merowingerkönig Childerich III entthront hatte. Das Bündnis mit dem
Papst half Pippin bei der Legitimierung seines Königtums,
gleichzeitig wurden die Frankenkönige zu den neuen Schutzherren des
Papstes in Rom, was für die weitere Entwicklung weitreichende Folgen
hatte. Bei einem weiteren Treffen mit dem Papst zu Ostern 754 in
Quierzy konnte Pippin das fränkische Eingreifen in Italien verkünden
und garantierte dem Papst mehrere Territorien in Mittelitalien, die
Pippinische Schenkung, welche die Grundlage für den späteren
Kirchenstaat bildete. Eine konkrete päpstliche Gegenleistung folgte
bereits kurz darauf, denn noch im Jahr 754 wurden Pippin sowie seine
beiden Söhne von Stefan II in Saint-Denis zu Königen der Franken
gesalbt, womit das neue karolingische Königtum einen sakralen
Charakter erhielt. Alle drei erhielten zudem vom Papst den hohen
römischen Ehrentitel Patricius. Kurz darauf intervenierte Pippin
erfolgreich in Italien zugunsten des Papstes, was allerdings auf den
Widerstand der Byzantiner traf, da sie dies als Eingreifen in ihren
Herrschaftsraum betrachteten.
In
den Quellen finden sich vereinzelte Hinweise auf Karls Jugend. Neben
Erwähnungen in Fürbitten für die Familie im Namen Pippins wird
Karl in den Urkunden seines Vaters zweimal namentlich genannt, wobei
es um seine amtliche Handlungsfähigkeit geht. 763 hatte Pippin
seinen Söhnen zudem mehrere Grafschaften übertragen.
Es
ist davon auszugehen, dass bei Karls Erziehung nicht nur auf die
übliche fränkische Kriegerausbildung, die für einen König als
Heerführer essentiell war, sondern auch auf Bildung Wert gelegt
wurde. Ob ihm damals das volle Programm der sieben freien Künste
vermittelt wurde, um dessen Wiederherstellung er sich später im
Rahmen seiner Bildungsreform bemühte, ist unklar. Karl sprach von
Hause aus Fränkisch, er erhielt jedoch Lateinunterricht. Bereits in
der Merowingerzeit war eine gewisse Bildung für hochstehende Adelige
keineswegs ungewöhnlich gewesen. Obwohl das Bildungsniveau im 8.
Jahrhundert gesunken war, war Latein am Hof, in der Verwaltung und im
Gottesdienst allgegenwärtig. Einhard zufolge sprach er Latein wie
seine Muttersprache. Er dürfte zudem über Lesekenntnisse des
Lateinischen verfügt haben. Karl war jedenfalls ein gebildeter
Herrscher und sein Leben lang an Bildung interessiert.
König
Pippin verbrachte die letzten Jahre seiner Regierungszeit damit, die
Randgebiete des Frankenreichs zu sichern. Er führte Feldzüge in das
ehemals westgotische Septimanien und eroberte 759 Narbonne, den
letzten arabischen Vorposten nördlich der Pyrenäen. Pippins Neffe
Tassilo III bewahrte sich in Baiern eine gewisse Eigenständigkeit.
Aquitanien hingegen wurde 768 nach mehreren Feldzügen in das
Frankenreich eingegliedert.
Auf
dem Rückweg aus Aquitanien erkrankte Pippin im Juni 768 ernsthaft,
woraufhin er sein Erbe zu regeln begann. Am 24. September 768
verstarb er in Saint-Denis. Kurz vor seinem Tod hatte er verfügt,
dass das Reich unter seinen Söhnen Karl und Karlmann aufgeteilt
werden sollte. Einhard zufolge orientierte sich die Teilung an der
vorherigen Teilung von 741 zwischen Karl Martells Söhnen. Karl
erhielt Austrasien, den Großteil Neustriens und den Westen
Aquitaniens, Karlmann das restliche Aquitanien, Burgund, die
Provence, Septimanien, das Elsass und Alamannien. Baiern war von der
Erbteilung ausgeschlossen und blieb faktisch selbstständig. Damit
umschloss Karls Reich das seines Bruders halbkreisartig im Westen und
Norden. Am 9. Oktober 768, dem Gedenktag des heiligen Dionysius von
Paris, wurde jeder der Brüder in seinem Reichsteil zum König
gesalbt, Karl in Noyon und Karlmann in der alten merowingischen
Residenz Soissons.
Karl
und Karlmann übten keineswegs eine gemeinsame Herrschaft über das
Frankenreich aus, sondern regierten in ihren jeweiligen Reichen
unabhängig voneinander. Ihr Verhältnis scheint von Beginn an
angespannt gewesen zu sein. Es gibt zwar Hinweise auf eine punktuell
beschränkte Kooperation, so hinsichtlich einer römischen Synode im
März 769, doch war dies die Ausnahme. Beide handelten machtbewusst
und traten in eine Konkurrenz zueinander. Beide wurden wohl im
gleichen Jahr 770 Väter und benannten ihren Sohn jeweils nach ihrem
Vater Pippin. Offensichtlich wurde der Bruch, als Karlmann seinem
Bruder 769 die Unterstützung gegen das aufständische Aquitanien
verweigerte, wo sich Hunold gegen die karolingische Herrschaft
erhoben hatte. Karl warf den Aufstand schließlich allein nieder,
wobei Hunold in Gefangenschaft geriet, und zog anschließend auch den
Teil Aquitaniens ein, der formal Karlmann unterstand.
In
der Folgezeit nahmen die Spannungen zu. Bertrada versuchte zwar
zwischen den verfeindeten Brüdern zu vermitteln, doch verlor sie
bald ihren Einfluss auf Karl. Dieser hatte zunächst in eine von
seiner Mutter arrangierte Ehe mit einer Langobarden-Prinzessin
eingewilligt, wofür er sich von seiner ersten Frau trennte. Bertrada
scheint ein umfassendes Bündnissystem angestrebt zu haben: Neben dem
durch die Eheschließung bekräftigten Bündnis mit dem ehrgeizigen
Langobardenkönig Desiderius umfasste ihr Plan auch Tassilo, der
bereits mit einer anderen Tochter des Desiderius verheiratet war. Die
Bedenken Papst Stefans III, der von der plötzlichen
fränkisch-langobardischen Annäherung zutiefst beunruhigt war,
versuchte sie zu entkräften. Möglicherweise war auch Karlmann in
das von Bertrada und wohl auch einigen fränkischen Großen forcierte
neue Bündnissystem eingebunden; seine Ehefrau ist vielleicht eine
Verwandte des Desiderius gewesen.
Karl
änderte jedoch im Frühjahr 771 seine politischen Pläne und brach
mit der Konzeption seiner Mutter. Seine langobardische Gemahlin
sandte er zu Desiderius zurück, was für diesen ein Affront war.
Stattdessen nahm Karl nun eine Alamannin namens Hildegard zur Frau.
Dies musste Karlmann beunruhigen, denn Alamannien gehörte zu seinem
Herrschaftsbereich, wo Karl nun offenbar Einfluss gewinnen wollte.
Indem Karl alle Pläne seiner Mutter verwarf, handelte er erstmals
erkennbar eigenständig.
Eine
offene Konfrontation zwischen Karl und Karlmann, die immer
wahrscheinlicher geworden war, wurde durch den überraschenden Tod
Karlmanns am 4. Dezember 771 verhindert. Karl übernahm unverzüglich
die Macht im Reich des Verstorbenen, dessen Große ihm im Dezember
771 in Corbeny huldigten. Karl herrschte nun uneingeschränkt im
Frankenreich. Karlmanns Witwe floh mit ihren Kindern zu Desiderius
nach Italien.
Nach
Karlmanns Tod hatte Karl seine Position im Reich gefestigt, doch die
beiden Söhne seines Bruders, die mit ihrer Mutter und einigen
fränkischen Großen ins Langobardenreich geflohen waren, bildeten
eine potentielle Bedrohung. In Ober- und Mittelitalien spitzte sich
die politische Lage zu. Desiderius hatte sich Gebiete angeeignet, auf
die die römisch-katholische Kirche Anspruch erhob. Gesandte Papst
Hadrians baten daher im Frühjahr 773 am Hof Karls um die
Unterstützung der päpstlichen Schutzmacht gegen die Langobarden.
Karl zögerte nicht und entschloss sich zu einem großangelegten
Langobardenfeldzug, ähnlich wie ihn sein Vater zwei Jahrzehnte zuvor
unternommen hatte. Anders als Pippin plante Karl jedoch, das gesamte
Langobardenreich zu erobern und in das Frankenreich zu integrieren.
Karl
zog Ende 773 mit zwei großen fränkischen Heeresaufgeboten von Genf
aus nach Italien. Eines führte er selbst über den Mont Cenis, das
andere führte sein Onkel Bernhard über den Großen Sankt Bernhard.
Desiderius sah sich in einer unhaltbaren Position und zog sich nach
Pavia zurück. Karl ließ die stark befestigte Stadt belagern. Erst
nach neun Monaten kapitulierte Pavia Anfang Juni 774 und wurde von
den Franken geplündert. Karl besetzte das gesamte Langobardenreich
und gliederte es in das Frankenreich ein. Er nannte sich fortan ohne
neue Krönung König der Franken und der Langobarden. Desiderius,
seine Frau und seine Tochter wurden in die Abtei Corbie in
Klosterhaft gesteckt. Der langobardische Königssohn Adelchis konnte
nach Konstantinopel entkommen. Als es 788 zu einem Konflikt zwischen
den Franken und den Langobarden-Fürsten in Spoleto und Benevent kam,
brachten die Byzantiner Adelchis ins Spiel. Dies blieb aber nur eine
kurze Episode; die langobardischen Fürsten akzeptierten doch wieder
die fränkische Oberherrschaft und gingen gegen die Byzantiner vor,
worauf Adelchis alle Pläne aufgeben musste. Die langobardischen
Fürstentümer in Unteritalien blieben Karls Zugriff faktisch
entzogen, Oberitalien und Teile Mittelitaliens hingegen gehörten
fortan zum Frankenreich und sollten später als Reichsitalien auch
Bestandteil des römisch-deutschen Reiches sein.
Zu
Ostern 774 erschien Karl plötzlich mit Gefolge vor Rom, während
sein Heer noch Pavia belagerte. Papst Hadrian war davon völlig
überrascht. Den Langobardenkönigen hatten die Päpste den direkten
Zugang zur Stadt stets verweigert, doch den fränkischen Herrscher
und neuen Schutzherren des Papsttums wollte Hadrian offenbar nicht
verärgern. Dreißig Meilen vor der Stadt empfing man den
Frankenkönig in ritueller Weise, wobei sich das Protokoll am Empfang
des byzantinischen Exarchen orientierte, des obersten militärischen
und zivilen Verwalters des byzantinischen Kaisers in Italien. Karl
wurde zur Kirche Sankt Peter begleitet, wo Hadrian ihn mit einem
großen Anhang feierlich empfing. Der Papst und der König begegneten
einander ehrenvoll und versicherten sich ihrer gegenseitigen
Freundschaft. So zog der Frankenkönig und römische Patricius in die
ehemalige Kaiserstadt am Tiber ein, die im Mittelalter zwar nur einen
Bruchteil der antiken Bevölkerungszahl aufwies, deren
Monumentalbauten aber auf Besucher immer noch eindrucksvoll wirkten.
Offenbar war Karl bestrebt, die Position und die Autorität des
Papstes auch symbolisch zu achten. Realpolitisch bedeutsam war die
bei diesem Anlass vorgenommene Erneuerung des Pactum, der von Pippin
geschlossenen Übereinkunft mit dem Papsttum hinsichtlich der
päpstlichen Gebietsansprüche. Geistliche und weltliche Gewalt, die
beiden Universalgewalten des Mittelalters, schienen harmonisch
zusammenzuwirken. Karl nahm in den folgenden Tagen an allen
religiösen Kulthandlungen in Rom teil, bevor er die Stadt verließ.
Im
Sommer 772 begannen die mit Unterbrechungen bis 804 andauernden
Sachsenkriege. Die immer noch heidnischen Sachsen kannten keine
zentralen Herrschaftsinstitutionen und lebten nicht wie die Franken
und Langobarden in einem geschlossenen Reichsverband, sondern in nur
locker organisierten Stammesverbänden (Westfalen, Ostfalen, Engern
und Nordalbingier). Die Sachsen waren bereits zuvor wiederholt in
Konflikt mit den Franken geraten, da ihr Stammesgebiet direkt an das
nordöstliche fränkische Herrschaftsgebiet angrenzte.
Einhard
bezeichnete Karls Feldzüge gegen die Sachsen als die bislang
längsten, grausamsten und anstrengendsten Kampfhandlungen für die
Franken. Er verurteilte die Sachsen als Götzendiener und Feinde des
Christentums, nannte als Ziel für Karls Feldzüge aber nicht die
Christianisierung der Sachsen, sondern die Beseitigung dieser
militärischen Bedrohung an der fränkischen Grenze. Schon Karl
Martell und Pippin hatten begrenzte Feldzüge gegen die Sachsen
unternommen, ohne deren Bekehrung anzustreben. Sicher ist, dass
dieser „dreißigjährige Krieg“ fast jährliche Kriegszüge
erforderte. Auch für eine militärisch geprägte Gesellschaft wie
die fränkische, in der sich der König stets als Heerführer
beweisen musste und in der Beute sowie erzwungene Tribute
wirtschaftlich von Bedeutung waren, stellte dies eine enorme
Belastung dar.
Der
Krieg begann 772 mit einem fränkischen Vorstoß tief ins sächsische
Stammesgebiet. Karl stieß von Worms aus auf die Eresburg vor und
eroberte sie. Anschließend gelangten die Franken zum zentralen
sächsischen Kultheiligtum, der sogenannten Irminsul, die Karl
zerstören ließ. Die Zerstörung der Irminsul passt durchaus in das
Bild eines schon 772 beabsichtigten Missionswerks. Der fränkische
Vorstoß, der wohl auch Spannungen zwischen einigen fränkischen
Großen und dem König abbauen sollte, war jedenfalls vorerst
erfolgreich verlaufen. Doch war dies nur ein scheinbarer Sieg, zumal
die dezentrale Stammesorganisation der Sachsen den Franken die
Kontrolle erheblich erschwerte. Die Sachsen nutzten die Abwesenheit
des Königs, der sich 774 in Italien aufhielt, und verheerten
fränkisches Gebiet im heutigen Hessen, wobei mehrere christliche
Kirchen und Klöster überfallen wurden. Karl drang 775 mit einem
großen Heer in Sachsen ein und erzwang die Unterwerfung der Engern
und der Ostfalen, auch die Westfalen wurden geschlagen. Die
Reichsannalen berichten zum Jahr 775 von drei Blutbädern, die Karl
anrichten ließ. Karls Reaktion auf den Vertragsbruch durch die
Sachsen war die Losung, dass es nur noch Taufe oder Tod für die
Sachsen geben könne. Karl betrachtete die Sachsenfeldzüge auch als
Missionierungswerk, denn in der überarbeiteten Fassung der
Reichsannalen, den sogenannten Einhardsannalen, ist vermerkt, dass
der Krieg gegen die Sachsen so lange andauern werde, bis sie sich dem
christlichen Glauben unterworfen hätten oder ausgerottet seien.
776
kam es zu einem erneuten Sachsenaufstand, der ebenfalls
niedergeschlagen wurde. Die Eresburg wurde wiedererrichtet und die
Sachsen mussten Geiseln stellen. Karl ließ in Sachsen weitere
Stützpunkte anlegen, darunter die sogenannte Karlsburg, die aber
später zerstört und dann als Paderborn neu aufgebaut wurde. In der
Folgezeit wurden Kirchen und Klöster gegründet, um die
Missionierung Sachsens zu forcieren und die fränkische Herrschaft zu
festigen. 777 schien die Lage in Sachsen so weit unter Kontrolle zu
sein, dass der König in Paderborn eine Reichsversammlung abhalten
konnte. Dies war eine spektakuläre Demonstration der fränkischen
Herrschaft, die erste Reichsversammlung außerhalb des fränkischen
Kernlands. Zu diesem Zeitpunkt wähnten sich die Franken offenbar als
vollständige Sieger. Noch im selben Jahr kam es wiederholt zu
Massentaufen. 778 erscheint das erste Mal der Sachse Widukind als ein
neuer Anführer der Aufständischen, die sich weiterhin gegen die
fränkische Herrschaft stellten; beteiligt waren in erster Linie
nicht Adelige, sondern Freie und Halbfreie, während Teile des
sächsischen Adels sich mit den Eroberern arrangierten. Der Zeitpunkt
für eine abermalige Erhebung schien günstig, denn Karl hatte im
selben Jahr in Spanien eine herbe Niederlage erlitten. Den
sächsischen Widerstand betrachtete Karl jetzt auch als Abkehr vom
christlichen Glauben, die daran beteiligten Sachsen waren für ihn
Hochverräter. Umso härter reagierte er. Bereits 778 zog er Truppen
zusammen, im Sommer 779 besiegte er die Sachsen bei Bocholt in einer
der seltenen offenen Schlachten dieses Konflikts. Karl drang in
Sachsen weiter vor und empfing wieder die Unterwerfung mehrerer
Aufständischer, die wieder Geiseln stellen mussten.
780
und 782 hielt Karl erneut Reichsversammlungen in Sachsen ab. Der
sächsische Widerstand schien gebrochen zu sein. Sächsische Adelige
wurde in die fränkische Herrschaft eingebunden und belohnt und es
sollte sogar ein fränkisch-sächsisches Truppenaufgebot gegen die
Slawen zum Einsatz kommen. Da erhoben sich 782 erneut große Teile
der Sachsen unter Führung Widukinds. Am Süntel im Weserbergland
schlugen sie ein fränkisches Truppenaufgebot vernichtend. Karl
marschierte eiligst an die Weser, um den Aufstand zu ersticken. Ein
Teil der Rebellen unterwarf sich erneut, aber bei Verden an der Aller
kam es noch 782 zum sogenannten Blutgericht von Verden: Den
Reichannalen zufolge wurden 4500 Sachsen auf Befehl Karls getötet.
Die Zahl 4500 ist deutlich übertrieben. Da eine ähnliche Aktion
später nicht mehr stattfand, wird das „Blutgericht“ vor allem
der Abschreckung gedient haben. Im selben Jahr wurde die fränkische
Grafschaftsverfassung in Sachsen eingeführt, es wurden wieder
Geiseln gestellt und Sachsen deportiert. Ebenso wurde die sogenannte
Capitulatio de partibus Saxoniae erlassen, die für Abweichungen vom
christlichen Glauben, Übergriffe auf christliche Würdenträger oder
Einrichtungen sowie für heidnische Kulthandlungen harte Strafen
vorschrieb.
783
besiegten die Franken in zwei Gefechten die Sachsen. Ende 784 zog
Karl im Winter wieder nach Sachsen, um seine Herrschaft abzusichern.
Im folgenden Jahr wurden weitere Feldzüge durchgeführt, der
sächsische Widerstand war nun brutal gebrochen worden, und Karl bot
Widukind Gespräche an. Widukind stimmte zu und unterwarf sich dem
Frankenkönig; er ließ sich sogar zu Weihnachten des Jahres 785 in
der Pfalz Attigny taufen, wobei Karl als sein Taufpate fungierte. Der
sächsische Widerstand flackerte die folgenden Jahre zwar noch
teilweise auf, erreichte aber nicht mehr das Ausmaß der ersten Phase
der Sachsenkriege. 792 kam es erneut zu Unruhen und zwischen 793 und
797 mussten regelmäßig fränkische Heeresaufgebote ausrücken, doch
fanden diese Kämpfe vor allem im nordöstlichen Sachsen im Elberaum
statt. Die Franken konsolidierten ihre Herrschaft in Sachsen,
Christianisierung und Kirchenorganisation wurden vorangetrieben. Die
fränkische Herrschaft war nun weitgehend abgesichert. Der von Alkuin
kritisierte „herrschaftliche Terror“, der offenbar zielgerichtet
betrieben worden war, konnte daher abgemildert werden. 797 wurde die
Capitulatio de partibus Saxoniae durch eine mildere Verordnung
ersetzt. 802 wurde mit der Lex Saxonum geschriebenes Recht für die
Sachsen erlassen, das auch Elemente ihres Stammesrechts aufnahm. 802
und 804 kam es zu weiteren fränkischen Feldzügen im nördlichen
Elberaum. Sächsische Einwohner wurden von dort ins östliche
Frankenreich deportiert, statt ihrer wurden im Elberaum Franken
angesiedelt. Die Sachsenkriege waren nun endgültig beendet.
Während
Karls frühe Expansionspolitik zwar wie in Sachsen hart erkämpft,
aber insgesamt betrachtet überaus erfolgreich war, war 778 ein
Krisenjahr seiner Herrschaftszeit. Bei der Reichsversammlung von
Paderborn im Jahr 777 erschienen unerwartet hochrangige Gesandte aus
der arabisch beherrschten Iberischen Halbinsel (Andalusien). Der
Umayyade Rahman I, der dem Umsturz durch die Abbasiden entkommen und
nach Spanien geflüchtet war, hatte dort eine vom neuen Kalifen in
Bagdad unabhängige Herrschaft etabliert, das Emirat von Cordoba. In
diesem Reich gab es starke Spannungen zwischen Arabern und Berbern.
Zur Opposition gehörte unter anderem der arabische Suleiman
al-Arabi. Er bat zusammen mit zwei weiteren Gesandten in Paderborn
Karl um Beistand gegen Rahman. Als Gegenleistung unterwarfen sich die
drei arabischen Großen dem Frankenkönig. Karl bot dies Anlass für
eine weitere Expansion, zumal die Franken früher bereits mehrfach in
Kämpfe mit arabischen Truppen verwickelt gewesen waren. Bereits 759
hatte ein arabischer Statthalter König Pippin seine Unterwerfung
angeboten.
Bereits
im folgenden Jahr unternahm Karl einen Feldzug nach Nordspanien. Als
Begründung dienten ihm arabische Überfälle, so formulierte er es
in einem Brief an den Papst; außerdem trat er als Schützer der
spanischen Christen auf. Das Heer teilte er in zwei Abteilungen: Eine
stieß zunächst auf Pamplona vor, die andere auf Saragossa.
Pamplona, die Hauptstadt der christlichen Basken, wurde erobert, doch
der Vorstoß auf Saragossa, wo sich das fränkische Heer wieder
vereinigte, blieb erfolglos. Rahmans Machtstellung erwies sich als
gefestigt und die gegen ihn gerichtete Opposition als nicht
ausreichend stark. Suleiman al-Arabi stellte Geiseln und Barcelona
und andere Städte wurden Karls Herrschaft unterstellt. Als Karl die
Nachricht von dem erneuten Aufstand in Sachsen erhielt, brach er den
Feldzug ab und trat den Rückzug an.
Auf
dem Rückzug ließ Karl noch die Mauern von Pamplona zerstören, doch
die Basken rächten sich für sein hartes Vorgehen. Im August 778
lauerten sie dem fränkischen Heer auf und fügten der Nachhut in der
Schlacht von Roncesvalles erhebliche Verluste zu. Neben anderen
fränkischen Adligen fiel auch Roland, der Befehlshaber der
bretonischen Grenzmark. Sein Tod diente als Stoff für das im 12.
Jahrhundert aufgezeichnete Rolandslied.
Karl
sollte später erneut in Nordspanien aktiv werden, diesmal mit mehr
Erfolg. 793 kam es zu arabischen Einfällen ins Frankenreich,
woraufhin die Franken Feldzüge nach Nordspanien unternahmen. Mehrere
befestigte Städte konnten eingenommen werden, darunter Barcelona und
Pamplona. Im eroberten Gebiet wurden Christen angesiedelt. Die
Franken hatten damit eine strategisch wichtige Pufferzone errichtet.
Im
Südosten grenzte das Frankenreich an das Awarenreich. Die Awaren
waren Reiternomaden aus dem asiatischen Steppenraum, die im späten
6. Jahrhundert im Blickfeld der Byzantiner aufgetaucht waren und bis
ins frühe 7. Jahrhundert ein mächtiges Reich im Balkanraum
etabliert hatten. Obwohl das Awarenreich im späten 8. Jahrhundert
seinen Zenit längst überschritten hatte, unternahmen die Awaren im
Jahr 788 Einfälle in das Frankenreich, so nach Oberitalien und
Bayern. Der awarische Vorstoß scheiterte, und bei den folgenden
Verhandlungen in Worms konnte keine Einigung erzielt werden.
Da
nun Karl die Grenze im Südosten stabilisieren wollte, begann 791
eine großangelegte fränkische Invasion des Awarenreichs. Einhard
beschreibt den folgenden Krieg als den größten Krieg Karls neben
den Sachsenkriegen. Der Awarenkrieg war auch deshalb von großer
Bedeutung, weil er gegen Heiden geführt wurde und sich Karl so ganz
als christlicher Herrscher erweisen konnte. Beim Feldzug von 791
wichen die Awaren den Franken aus, die zur Versorgung des Heeres eine
große Flussflotte auf der Donau einsetzten. In den folgenden Jahren
plante Karl einen weiteren Feldzug. Zunächst verhinderten jedoch
erneute Sachsen-Aufstände das Vorhaben. 795 kam es im Awarenreich zu
internen Machtkämpfen, die den Tod des regierenden Khans zur Folge
hatten. Völlig unerwartet erschien darauf eine Delegation einer
awarischen Gruppe an der Elbe und bot Karl die Unterwerfung ihres
Anführers an. Dieser akzeptierte Karl als Oberherrn und ließ sich
im folgenden Jahr taufen.
796
marschierte ein fränkisches Heer erneut ins Awarenreich ein; der
neue Khan unterwarf sich den Franken. Die Macht der Awaren war damit
gebrochen und ihr Reich zerfiel. Christianisierung und Neubesiedlung
wurden im Grenzraum vorangetrieben. Die Franken zogen den Grenzraum
nun direkt in das Reich ein und organisierten eine Grenzmark, diesmal
zur Abwehr der Bulgaren, die im Balkanraum ein neues Reich errichtet
hatten.
Nachdem
Karl Ende 771 den Reichsteil seines Bruders Karlmann übernommen
hatte und 774 erfolgreich in Italien interveniert hatte, blieb nur
eine Leerstelle im karolingischen Reichsverband: Bayern, wo Tassilo
III, ein Neffe König Pippins, als Herzog regierte. Tassilo hatte
Pippin Gefolgschaft geleistet und sich 756 an einem Feldzug gegen die
Langobarden beteiligt. Anschließend übernahm er jedoch seit 757 die
eigenständige Herrschaftsgewalt im Herzogtum Bayern. In den
Aufzeichnungen der karolingischen Reichsannalen wird berichtet, der
Herzog habe 757 König Pippin einen Vasalleneid geleistet und diesen
763 gebrochen, indem er während eines Feldzugs in Aquitanien
Fahnenflucht begangen habe.
Tassilo
stammte aus der alten und vornehmen Familie der Agilolfinger. Bayern
genoss schon seit der Merowingerzeit eine Sonderrolle im Reich. Als
Herzog trat Tassilo selbstbewusst auf. Er heiratete die
Langobarden-Prinzessin Liutberga und unterhielt sehr gute Beziehungen
zum Papst. Seine Herrschergewalt in Bayern übte er umfassend aus,
nicht zuletzt im kirchlichen Bereich. Damals entfaltete sich in
Bayern auch eine rege kulturelle Aktivität. Tassilo genoss in seinem
Herzogtum faktisch eine königsähnliche Stellung. Karl duldete
jedoch keine politischen Konkurrenten. Daher lag sein Vorgehen gegen
den Agilolfinger, zu dem er sich relativ spät entschloss, in der
Konsequenz seiner Politik.
Im
Jahr 787 wurde Tassilo nach Worms vorgeladen, wo er sich dem
Frankenkönig unterwerfen sollte. Der Bayernherzog erschien jedoch
nicht und bemühte sich um päpstliche Vermittlung. Bald schon musste
er jedoch erkennen, dass nicht nur der Papst ganz auf die Linie Karls
einschwenkte und ihn zur vollständigen Unterwerfung aufforderte,
sondern dass er nun auch im eigenen Herzogtum über wenig Rückhalt
verfügte. Als Karl noch 787 militärisch gegen Tassilo vorging,
traten mehrere bayerische Große auf die fränkische Seite über.
Tassilo war isoliert und unterwarf sich im Oktober 787 Karl, dem er
nun auch einen Gefolgschaftseid leistete. Dennoch blieben Spannungen
bestehen und Karl sah nun offenbar eine günstige Gelegenheit, die
Lage zu bereinigen. Im Juni 788 wurde Tassilo nach Ingelheim
vorgeladen und dort zusammen mit seiner Familie festgesetzt. Ihm
wurde vorgeworfen, mit den Awaren paktiert zu haben; hinzu kam der
Vorwurf der Fahnenflucht. Pro-fränkische bayerische Adelige sagten
gegen den Herzog aus, der zum Tode verurteilt wurde. Karl wandelte
das Urteil in lebenslange Klosterhaft um. 794 wurde Tassilo
kurzzeitig aus der Klosterhaft entlassen, um auf der Synode von
Frankfurt noch einmal öffentlich Reue zu bekunden und auf seine
Ansprüche urkundlich zu verzichten.
Bayern
behielt in der Folgezeit dennoch eine gewisse Sonderstellung:
Kirchlich blieb es eine Einheit und auch in der Verwaltung wurde
nicht die Grafschaftsverfassung eingeführt, sondern die Regierung
einem königlichen Präfekten übergeben. Politisch wurde es nun aber
endgültig Teil des Reiches.
Seit
795 fungierte Leo III als Papst in Rom. Leo III wurde unter anderem
ein unwürdiger Lebenswandel vorgeworfen, vor allem aber verfügte er
beim stadtrömischen Adel über keinerlei politischen Rückhalt,
seine Lage wurde immer prekärer. Ende April 799 spitzte sich die
Konfrontation zwischen dem Papst und dem Adel so zu, dass auf Leo III
ein Attentatsversuch unternommen wurde, hinter dem Vertraute des
vorherigen Papstes Hadrian I standen. Leo III überlebte und
flüchtete zu Karl nach Paderborn. Diese Vorgänge schildert das
Paderborner Epos.
Karl
leistete Leo militärische Unterstützung und ließ ihn Ende 799 nach
Rom zurückführen. Im Spätsommer des Jahres 800 begab sich Karl
selbst nach Italien, Ende November erschien er in Rom. Dort kam es am
1. Weihnachtstag, dem 25. Dezember 800, in Sankt Peter zur
Kaiserkrönung Karls des Großen durch den Papst. Damit wurde eine
äußerst wirkungsmächtige Entwicklung für das gesamte weitere
Mittelalter in Gang gesetzt: die Übertragung der römischen
Herrschaft auf die Franken. Das römische Kaisertum im Westen, wo 476
der letzte Kaiser in Italien abgesetzt worden war, wurde durch die
Krönung Karls erneuert. In diesem Zusammenhang spielten
heilsgeschichtliche Aspekte eine wichtige Rolle; das römische
Imperium galt als das letzte Weltreich der Geschichte. Nun existierte
ein neues „römisches Kaisertum“, das an den Herrschaftsanspruch
der antiken römischen Kaiser anknüpfte und in der Folgezeit erst
von den Karolingern, dann seit Ottonen von den römisch-deutschen
Königen beansprucht wurde. Ohne die Tragweite abschätzen zu können,
legte Karl somit auch den Grundstein für das römisch-deutsche
Kaisertum.
In
der Geschichtsschreibung wird die Schutzfunktion Karls gegenüber der
Kirche und dem Papst gelobt. Das Volk sei begeistert gewesen und die
Kaiserkrönung eher als spontane Handlung erfolgt.
Die
Schaffung des westlichen Kaisertums wurde von mehreren Faktoren
begünstigt. Im Osten existierte weiterhin das Reich der Byzantiner,
die sich Römer nannten und auf eine ununterbrochene staatliche
Kontinuität zum spätantiken Römerreich zurückblicken konnten. Im
Jahr 800 herrschte dort jedoch mit Kaiserin Irene eine Frau, die mit
zahlreichen innenpolitischen Problemen zu kämpfen hatte. Aus
karolingischer Perspektive wurde das sogenannte „Kaisertum der
Griechen“ – eine für die Byzantiner provozierende Bezeichnung –
berücksichtigt, aber abwertend beurteilt; es wurde sogar eine
Übertragung des Kaisertums von Byzanz auf Karl konstruiert. In
Byzanz hingegen betrachtete man Karl schlicht als Usurpator und hielt
den exklusiven Anspruch auf das römische Kaisertum aufrecht. Erst
812 kam es zu einer Verständigung hinsichtlich des
Zweikaiserproblems.
Die
Kaiserkrönung des Jahres 800 war auch heilsgeschichtlich bedeutsam,
da Endzeiterwartungen verbreitet waren, die mit dem römischen
Reichsgedanken verbunden waren. In einer Zeit, in der das Religiöse
ganz entscheidend das Denken bestimmte, erhielt die Kaiserkrönung
eine eschatologische Komponente.
Karl
unterhielt weitreichende auswärtige Beziehungen, die von England bis
in den östlichen Mittelmeerraum reichten.
Das
angelsächsische England war in mehrere konkurrierende Reiche
geteilt, zu denen die Franken traditionell gute Beziehungen
unterhielten. Karl stand unter anderem im Kontakt mit dem mächtigen
König Offa von Mercien, der zeitweise die Vorherrschaft in England
errang. Der spätere König Egbert von Wessex hielt sich einige Zeit
an Karls Hof auf. Sogar die schottischen Herrscher haben
Oberherrschaft anerkannt.
Im
Osten und nach der Eroberung Sachsens auch im Nordosten grenzte das
Frankenreich an das Gebiet der Slawen. Diese bildeten keine
geschlossene Einheit, sondern waren in Einzelstämme zersplittert. Da
waren die Abodriten, Wilzen, Sorben und Böhmen. Zu Beginn der 780er
Jahre sind slawische Angriffe auf fränkisches Gebiet belegt, so etwa
ein sorbischer Einfall im Jahr 782. In der Folgezeit kam es immer
wieder zu einzelnen fränkischen Feldzügen in slawisches
Stammesgebiet. Hervorzuheben ist die größere fränkische Offensive
unter Karls Befehl im Jahr 789, die sich gegen die Wilzen unter
Dragowit jenseits der Elbe richtete, wobei Dragowits Hauptburg
belagert wurde und er sich schließlich unterwerfen musste.
Andererseits fungierten einzelne slawische Stämme auch als
fränkische Verbündete; die wichtigsten waren die Abodriten. 808
griffen die Wilzen im Bündnis mit den Dänen die Abodriten und den
Osten Sachsens an, wurden aber 812 geschlagen. In diesem Bereich
erstrebte Karl keine territoriale Expansion, sondern wollte nur die
Reichsgrenze sichern und die angrenzenden Herrschaftsräume
befrieden. Zum Zweck der Grenzsicherung wollte er eine formale
Unterwerfung der Slawen und lockere Abhängigkeiten der betreffenden
Stammesgebiete erreichen, ähnlich wie es Römer und Byzantiner an
den Grenzen ihrer Reiche anstrebten.
804
wurde die von der sächsischen Bevölkerung geräumte Region nördlich
der Elbe den Abodriten zugewiesen. Sie war bald darauf von Angriffen
der Dänen betroffen, die in den Jahren 782 und 798 Gesandtschaften
zu den Franken entsandt hatten. Unter Gudfred unternahmen die Dänen
804 und 808 per Schiff Vorstöße im nördlichen Grenzraum, 810
überfiel eine große Flotte die friesische Küste. Die Franken sahen
sich gezwungen, den Grenzschutz in diesem Gebiet wieder selbst zu
übernehmen. Diesem Zweck diente die von Karl angeordnete Errichtung
der Burg Esesfeld. 811 und 813 wurden Friedensverträge mit den Dänen
geschlossen.
Zum
Kalifat unterhielt das Frankenreich seit der Zeit König Pippins
lockere Kontakte. Ein Aspekt war dabei der Wunsch der fränkischen
Herrscher, den Zugang christlicher Pilger zu den heiligen Stätten zu
sichern. 797 nahm Karl Kontakt mit Harun ar-Raschid auf, dem Kalifen
von Bagdad aus dem Geschlecht der Abbasiden. Einhard gibt den Namen
des Kalifen korrekt als Aaron wieder und betont, er beherrsche den
gesamten Osten außer Indien. Harun ar-Raschid beherrschte
tatsächlich ein gewaltiges Gebiet, das sich von Nordafrika über den
Nahen Osten bis nach Zentralasien erstreckte. Der Kalif schenkte Karl
einen asiatischen Elefanten, den der jüdische Fernhändler Isaak 801
ins Frankenreich brachte. Die Pilgerfahrten und der Schutz der
Christen im Kalifat waren Gegenstand der Verhandlungen. 802 wurde
eine zweite fränkische Gesandtschaft nach Bagdad entsandt. Diesmal
war Karls Selbstverständnis als Kaiser und Schutzherr der
christlichen Heiligtümer wie in Jerusalem entscheidend. Es folgte
807 eine Gegengesandtschaft aus dem Kalifat, die Karl reiche
Geschenke brachte. Das Verhältnis des Kaisers zum Kalifen war gut.
Nach dem Tod des Kalifen verschlechterte sich jedoch die Lage der
Christen im Kalifat und die Beziehungen zwischen beiden Reichen
ebbten ab.
Im
Zuge der Kontakte Karls zu den weiterhin unabhängigen
langobardischen Fürstentümern Süditaliens wurde ein lockerer
Kontakt zu den muslimischen Aghlabiden in Tunesien aufgenommen.
Intensivere Beziehungen unterhielt Karl nach Spanien, so zu
muslimischen Teilherrschern und zum asturischen König Alfons II.
Die
Beziehungen des Frankenreichs zu Byzanz waren intensiv, wenngleich
das Verhältnis seit der Kaiserkrönung Karls im Jahr 800 mehrere
Jahre schwer belastet war, denn nun ergab sich das sogenannte
Zweikaiserproblem: Beide Seiten beanspruchten, in der Nachfolge der
römischen Kaiser zu stehen, und erhoben einen damit verbundenen
universalen Geltungsanspruch. Nikephoros I, seit 802 byzantinischer
Kaiser (Basileus), empfand die Kaiserwürde Karls als Anmaßung und
verweigerte deren Anerkennung. Der Konflikt verschärfte sich noch,
als Karl die von Byzanz beanspruchten Regionen Dalmatien und Venetien
seinem Machtbereich einverleibte. Es kam zu begrenzten
Kampfhandlungen, beide Seiten waren aber im Grundsatz an einem
Ausgleich interessiert: Karl war noch immer an den Grenzen gebunden,
während die Byzantiner im Westen von Bulgaren und im Osten vom
Kalifat bedroht wurden. Bereits im Jahr 811 hatte Karl einen Brief
nach Konstantinopel gesandt, doch wurde Nikephoros kurz darauf
getötet. Im Frieden von Aachen 812 wurde ein tragfähiger Ausgleich
mit dessen Nachfolger Michael I erzielt. An ihn schickte Karl 813
einen neuen Brief, in dem er ihn als seinen ehrwürdigen Bruder
anredete.
Der
Hof war das Zentrum des herrschaftlichen Handelns. Die
frühmittelalterlichen Könige waren Reisekönige, die von Pfalz zu
Pfalz reisten und unterwegs die Regierungsgeschäfte regelten, so
dass auch der Hof mobil war. Karl unterhielt eine Vielzahl von
Pfalzen, die über das Reich verstreut waren, zeitweise als
königliche Residenzen fungierten und der Versorgung des Königshofes
dienten. Zu den besuchten Orten zählten solche, die bereits in
früherer Zeit von fränkischen Königen favorisiert wurden, doch
kamen unter Karl auch neue Orte hinzu, so in den eroberten Gebieten.
Der Schwerpunkt seiner Reiserouten lag im Nordosten, vor allem in der
Region zwischen der Maas und dem Rhein-Main-Gebiet. Die Anzahl der
jeweiligen Aufenthalte variiert stark und reicht von einem einzigen
Aufenthalt in Frankfurt am Main bis zu 25 Aufenthalten in Aachen.
Aachen war aufgrund der nahen Waldgebiete, in denen der König seiner
Jagdleidenschaft nachgehen konnte, und wegen der heißen Quellen
Karls Lieblingsresidenz. Aachen fungierte nun als königliche
Hauptresidenz und vor Ort wurden umfangreiche Baumaßnahmen
durchgeführt, zu denen vor allem die Errichtung der prächtigen
Aachener Königspfalz gehörte.
Der
Hof war nicht nur politischer Mittelpunkt, sondern auch ein wichtiges
kulturelles Zentrum. Karl der Große selbst war kulturell
interessiert und versammelte an seinem Hof gezielt mehrere Gelehrte
aus dem lateinischsprachigen West- und Mitteleuropa. Der angesehenste
von ihnen war der Angelsachse Alkuin. Alkuin war zuvor Leiter der
berühmten Kathedralschule in York gewesen; er besaß eine
umfangreiche Bibliothek und genoss einen herausragenden Ruf. Er
begegnete Karl in Parma und folgte 782 dem Ruf an dessen Hof, wo er
nicht nur als ein einflussreicher Berater wirkte, sondern auch zum
Leiter der Hofschule aufstieg. Hinzu kam eine Reihe anderer
Gebildeter wie Einhard. Dieser war zunächst Schüler Alkuins, später
Leiter der Hofschule, Vertrauter Karls und als dessen Baumeister
tätig. Nach dem Tod Karls verfasste er seine berühmte Biographie
des Kaisers, die an antiken Vorbildern orientiert war. Petrus von
Pisa war ein lateinischer Grammatiker, der ebenfalls an den Karlshof
berufen wurde und Karl Lateinunterricht erteilte. Der langobardische
Gelehrte Paulus Diaconus hatte in Italien im Königsdienst gestanden
und war 782 an den Hof Karls gekommen, wo er vier Jahre blieb und
wirkte. Der Patriarch Paulinus II von Aquileia verfügte über ein
breit gefächertes Wissen. Theodulf von Orleans war ein überaus
belesener und gebildeter gotischer Theologe und Dichter. Aus Irland
stammten die Gelehrten Dungal und Dicuil, die sich mit
naturwissenschaftlichen Studien beschäftigten. Karl konnte sich bei
seinen kulturellen Bestrebungen noch auf weitere Personen in seinem
Umfeld stützen, darunter Arn von Salzburg, Angilbert, die mit dem
Herrscher verwandten Brüder Adalhard und Wala sowie seine Schwester.
Der Hof und die Hofschule gaben Impulse für eine kulturelle
Erneuerung, wobei auch die karolingische Kirche als zentraler
Kulturträger reformiert wurde.
Zweimal
im Jahr wurden Hoftage als Versammlungen des Königs und der Großen
des Reiches einberufen, um anstehende politische Fragen zu klären
oder Streitigkeiten zu schlichten. Karl beseitigte die letzten Reste
der älteren Stammesherzogtümer, mit Tassilo III war 788 der letzte
Herzog abgesetzt worden. Die Verwaltung im Reich lag nun vor allem in
den Händen der Grafen. Das Karolingerreich war ein Vielvölkerreich,
über das die Franken nicht alleine herrschten, sondern in das auch
andere ethnische Gruppen eingebunden waren. Karl war bestrebt, die
Loyalität seiner Untertanen weiter zu sichern.
Eine
herausragende Rolle bei der Neuordnung und Festigung im Innern
spielte die Kirche, die über eine zusätzliche, sich über das
gesamte Reich erstreckende Infrastruktur verfügte. Bereits die
Merowinger hatten die Kirche in ihre Herrschaftskonzeption
eingebunden und daran hatten die frühen Karolinger angeknüpft. Karl
forcierte diesen Prozess aber zusätzlich durch den massiven Ausbau
der klerikalen Infrastruktur. So wurden zahlreiche neue Klöster
gegründet und Bistümer eingerichtet, wobei sich Karl das Recht
vorbehielt, die Bischöfe selbst zu ernennen. Des Weiteren ließ Karl
der Kirche umfangreiche Schenkungen und Begünstigungen zukommen,
ebenso wurden kirchliche Reformen durchgeführt. Die regelmäßige
Abhaltung von Synoden im Beisein des Königs und die Durchführung
von Visitationen stärkten das Band zwischen König und Kirche. Die
umfassende Bildungsreform Karls betraf vor allem die Kirche, die von
der Hebung des Bildungsstandes und von den Maßnahmen zur Beseitigung
kirchlicher Missstände profitierte.
Karl
verstand sich nicht nur als Förderer der Kirche, sondern durchaus
auch als Herr des Reichsepiskopats. In kirchlichen Fragen hatte er
großen Einfluss. Allgemein konnte er sich auf die Bischöfe stützen,
die überwiegend aus den lokalen Adelsfamilien stammten und sowohl im
geistlichen wie im weltlichen Bereich eine wichtige Rolle spielten.
Karl, der auch den Titel „Verteidiger der Kirche“ trug, war nicht
nur gläubig, er war auch bestrebt, seine Rolle als christlicher
Herrscher in reale Politik umzusetzen. Dies spiegelt sich in
zahlreichen Erlassen des Kaisers wider, so etwa im Rahmen der
Verlautbarungen zur Bildungsreform, wo die Anwendung des
geschriebenen Wortes bei der Gottesverehrung von zentraler Bedeutung
war. In einem wohl im Auftrag Karls geschriebenen Briefs Alkuins an
Papst Leo III aus dem Jahr 796 wird deutlich, dass der Kaiser der
Bekämpfung der Ungläubigen im Ausland und der Festigung des
Glaubens im Inneren hohe Priorität einräumte. Karl setzte auf eine
aktive Missionierungspolitik, so vor allem in Sachsen. Diese wurde
teils mit erheblicher Gewalt durchgeführt, was Alkuin, der auf der
Freiwilligkeit des Glaubens beharrte, explizit kritisierte. Im
Inneren drang Karl auf eine christliche Lebensführung seiner
Untertanen, eine stärkere Verchristlichung der Gesellschaft, so
hinsichtlich der Einhaltung der zehn Gebote.
Zentrum
der karolingischen Kirchenpolitik war seit Ende des 8. Jahrhunderts
Aachen, wenngleich sich dort kein Bischofssitz befand. Nach 794
fanden Synoden im Beisein des Königs nur noch in Aachen statt. In
den folgenden Jahren kümmerte sich Karl immer wieder auf Synoden um
kirchliche Probleme. Während in Byzanz im 8. und 9. Jahrhundert der
Bilderstreit entbrannte, beschäftigte man sich im Frankenreich auf
der Synode von Frankfurt 794 mit der religiösen Bilderverehrung, die
man schließlich ablehnte. Die von Pippin in die Wege geleitete
Reform der Liturgie nach römischem Vorbild wurde weitergeführt. Auf
dem Konzil von Aachen 809 wurde die Filioque-Formel für verbindlich
erklärt. Karls Sohn und Nachfolger Ludwig der Fromme knüpfte an
diese Tradition an und hielt weitere Synoden in Aachen ab.
Die
seit der Königszeit Pippins praktizierte Kooperation mit dem
Papsttum wurde fortgesetzt, von der beide Seiten stark profitierten.
Papst Stefan II hatte das neue fränkische Königsgeschlecht
legitimiert, während die Franken als neue weltliche Schutzmacht des
Papstes fungierten.
Die
grundsätzliche Frage, wie das Verhältnis zwischen dem fränkischen
König und dem Papst ausgestaltet war, gewann nach der Kaiserkrönung
zu Weihnachten 800 neue Aktualität. Kaisertum und Papsttum waren
beide Universalgewalten und keine Seite konnte eine formale
Unterordnung unter die jeweils andere unwidersprochen akzeptieren.
Doch zur Zeit der Kaiserkrönung war Karl in einer politisch weitaus
günstigeren Position, während Papst Leo III aufgrund seiner
schwachen Stellung in Rom faktisch vom Kaiser abhängig war.
Im
Frankenreich war die lateinische Sprache im 7. und 8. Jahrhundert
zunehmend verwildert, das proto-romanische Vulgärlatein hatte sich
sowohl in der Morphologie als auch in der Syntax weit vom klassischen
antiken Latein entfernt. Auch die kirchlichen Bildungseinrichtungen
verfielen. Griechischkenntnisse waren im Westen kaum noch vorhanden,
aber auch korrektes Latein musste von Romanen neu erlernt werden. Der
sprachliche Verfall wurde im Karolingerreich seit Ende des 8.
Jahrhunderts durch gezielte Maßnahmen der Kulturförderung
aufgehalten und umgekehrt. Diese neue Aufschwungphase wird oft als
karolingische Renaissance bezeichnet. Es ging darum, die Weisheit der
Alten zu erneuern, wobei die Grundlage der frühmittelalterlichen
Bildung im Westen die aus der Spätantike bekannten sieben freien
Künste bildeten. Den Anstoß für die Bildungsreform gab wohl die
Reform der fränkischen Kirche durch Bonifatius Mitte des 8.
Jahrhunderts. Diese kulturelle Erneuerung wurde auch durch externe
Impulse gefördert, da das geistige Leben in England und Irland schon
zuvor eine Wiederbelebung erfahren hatte und die Schriftkultur
zunehmend erstarkte, wie etwa das Wirken des Beda Venerabilis im
frühen 8. Jahrhundert zeigt. Angelsachsen wie der gebildete Alkuin
spielten denn auch im Gelehrtenzirkel der Hofschule eine Rolle.
Karl
selbst war gebildet und interessierte sich sehr für Kultur. Er
förderte die Bildungsreform nach Kräften, die Umsetzung aber war
maßgeblich Alkuins Verdienst. Die lateinische Schrift und Sprache,
also die Grundlage für den kulturellen und geistlichen Diskurs im
lateinischen Westen, sowie der Gottesdienst waren zu berichtigen. Das
vorhandene Bildungsgut sollte systematisch gesammelt, gepflegt und
verbreitet werden. Dazu diente auch die Einrichtung einer stetig
erweiterten Hofbibliothek. Die Klöster wurden unter anderem ermahnt,
Schulen einzurichten, auf die Bildung der Priester und auf die
korrekte Wiedergabe der Texte beim Kopieren zu achten. Die Reform der
Kloster- und Domschulen war auch aus religiösen Gründen von
Bedeutung, da der Klerus auf möglichst genaue Sprach- und
Schriftkenntnisse angewiesen war, um die Vulgata, die lateinische
Bibelfassung, auslegen und theologische Schriften erstellen zu
können. Dies ist ein zentraler Gedanke der Reform: Eindeutigkeit des
geschriebenen und gesprochenen Wortes waren für eine wirksame
Gottesverehrung unerlässlich. Damit wurde die Wissenschaft in den
Dienst des Glaubens gestellt. Die lateinische Schriftsprache wurde
bereinigt und verbessert. Es wurde sehr auf eine nach antikem Maßstab
korrekte Grammatik und Schreibweise Wert gelegt, wodurch das
stilistische Niveau angehoben wurde.
Im
kirchlichen Bereich wurde unter anderem die Liturgie überarbeitet,
Homiliensammlungen wurden erstellt, und die Beachtung der kirchlichen
Regeln wurde eingefordert. Die kirchlichen Bildungseinrichtungen
wurden verstärkt gefördert. Außerdem wurde eine revidierte Fassung
der Vulgata angefertigt, die Alkuin-Bibel. Ältere Schriften wurden
durchgesehen und korrigiert, Kopien erstellt und verbreitet. Die
Hofschule wurde zum Lehrzentrum, was auf das gesamte Frankenreich
ausstrahlte. Mehrere Klöster wurden neu gegründet oder erlebten
einen erheblichen Aufschwung. Sie waren Hauptträger der
Bildungsreform und wurden deshalb vielfach erweitert. Im Kloster
Fulda beispielsweise entwickelte sich unter Alkuins Schüler Rabanus
Maurus eine ausgeprägte literarische Kultur. So kam neben dem
Königshof mehreren Klöstern und Bischofssitzen eine zentrale Rolle
bei der Bildungsreform zu.
Die
Bildungsreform sorgte für eine deutliche Stärkung des geistigen
Lebens im Frankenreich. Die literarische Produktion stieg nach dem
starken Rückgang seit dem 7. Jahrhundert spürbar an, auch Kunst und
Architektur profitierten davon. Noch erhaltene antike lateinische
Texte sowohl von vorchristlichen als auch von christlichen Verfassern
wurden nun wieder zunehmend herangezogen, gelesen, verstanden und vor
allem kopiert, wobei der Aufwand für die Buchproduktion nicht
unerheblich war. Wichtige kirchliche Texte wurden von sprachlichen
Verwilderungen gereinigt und in Musterexemplaren zur Vervielfältigung
bereitgestellt. Von der Hofbibliothek aus wurden seltene Texte den
Kathedral- und Klosterbibliotheken zur Abschrift zur Verfügung
gestellt. Buchbestände wurden gesichtet und schriftlich in Katalogen
erfasst, neue Bibliotheken eingerichtet. Besonders beliebt waren Ovid
und Vergil, daneben wurden unter anderem Sallust, Sueton und Horaz
wieder zunehmend gelesen. Die karolingische Bildungsreform hatte
somit für die Überlieferung antiker Texte eine große Bedeutung.
Diese sind zu einem großen Teil nur deshalb erhalten geblieben, weil
sie im Rahmen der Bildungsreform neu kopiert und damit gerettet
wurden. Die Kopiertätigkeit schärfte gleichzeitig die
Lateinkenntnisse, so dass es auch zu einem qualitativen Anstieg der
Latinität kam. Des Weiteren ließ Karl „barbarische“
(germanische, volkssprachliche) „alte Heldenlieder“ aufschreiben.
Die Bildungsreform stärkte auch die Entwicklung der volkssprachigen
Literatur, so des Althochdeutschen. Zentren altdeutscher
Überlieferung waren später unter anderem die Klöster Fulda,
Reichenau, St. Gallen und Murbach. Fragmentarisch erhalten ist das
Hildebrandslied, ein althochdeutsches Heldenlied.
Die
Zeit der karolingischen Bildungsreform war auch eine Blütezeit der
Kunst, vor allem der Goldschmiedearbeiten und der Buchkunst. Der hohe
Stellenwert von Kultur und Kunst am Hof Karls des Großen, wo diese
Entwicklung stark gefördert wurde, drückte sich in zahlreichen
Werken aus. In mehreren Werkstätten des Reiches entstanden wertvolle
und meisterhaft illuminierte Bilderhandschriften, so an der berühmten
Hofschule Karls des Großen in Aachen, auch als Ada-Schule bekannt,
die insbesondere durch das Ada-Evangeliar Berühmtheit erlangte. An
der Hofschule entstanden unter anderem der Dagulf-Psalter und sehr
wahrscheinlich auch das Lorscher Evangeliar. Einen starken Impuls gab
die einige Zeit in Aachen arbeitende Gruppe von Künstlern, die das
eine eigene Gruppe begründende Wiener Krönungsevangeliar schuf. Der
Stil der karolingischen Buchkunst variiert, immer wieder treten
Reminiszenzen an Werke der spätantiken und byzantinischen
Buchmalerei auf. Daneben wurden kunstvolle, edelsteinbesetzte und
häufig mit elfenbeinernen Reliefschnitzereien geschmückte
Prachteinbände für die Handschriften angefertigt.
Am
28. Januar 814 starb Karl der Große in Aachen. Einhard berichtet,
dass sich der ansonsten gute Gesundheitszustand des Kaisers in seinen
letzten Jahren verschlechtert habe. Ende Januar 814 litt Karl
plötzlich unter einem hohen Fieber, hinzu kamen Schmerzen in der
Seite. Karl fastete und glaubte, so die Krankheit auskurieren zu
können, doch verstarb er kurz darauf und wurde in der Pfalzkapelle
beigesetzt.
OTTO I
Otto
wurde 912 als Sohn des Sachsenherzogs Heinrich I, der kurz nach der
Geburt Ottos König des Ostfrankenreiches wurde, und dessen Ehefrau
Mathilde in Wallhausen geboren. Mathilde war eine Tochter des
sächsischen Grafen Dietrich aus der Familie Widukinds. Aus der
annullierten ersten Ehe Heinrichs I hatte Otto den Halbbruder
Thankmar. Ottos jüngere Geschwister waren Gerberga, Hadwig, Heinrich
und Brun. Erste Erfahrungen als Heerführer sammelte Otto an der
Ostgrenze des Reiches im Kampf gegen slawische Stämme. Mit einer
vornehmen Slawin zeugte Otto als Sechzehnjähriger den Sohn Wilhelm,
der später Erzbischof von Mainz wurde.
Nach
dem Tod Konrads I, dem es nicht gelang, die Großen des Reiches in
seine Herrschaft einzubinden, war 919 die Königswürde erstmals
nicht an einen Franken, sondern an einen Sachsen übergegangen. Zwar
war Heinrich nur von den Franken und Sachsen gewählt worden, doch
durch eine geschickte Politik der Freundschaftsbindung samt
zahlreichen Zugeständnissen (amicitia und pacta) verstand er es, die
Herzogtümer Schwaben und Bayern an sich zu binden. Außerdem gelang
es Heinrich, Lothringen, das sich zu Zeiten Konrads dem
Westfrankenreich angeschlossen hatte, dem ostfränkischen Königreich
wieder anzugliedern.
Um
seiner Familie die durch ihn erlangte Herrschaft über das
Ostfrankenreich und diesem zugleich die Einheit zu sichern, wurde 930
eine Vorentscheidung zugunsten der alleinigen Thronfolge Ottos
getroffen. Der jüngste Sohn Brun wurde Bischof Balderich von Utrecht
zur Erziehung übergeben und damit auf eine geistliche Laufbahn
vorbereitet. In einem Memorialbuch des Klosters Reichenau wird Otto
bereits 929 als König bezeichnet, nicht aber seine Brüder Heinrich
und Brun.
Heinrichs
Nachfolgeregelung schloss nicht nur die nicht-sächsischen Anwärter,
sondern auch die Brüder Ottos aus. Sie war bedeutsam, da Heinrich
das Prinzip der karolingischen Herrschaftsteilung aufgab, die jedem
Mitglied des Königshauses eine Anwartschaft zuerkannt hatte. Er
begründete damit die Individualsukzession, die Unteilbarkeit des
Königtums und damit des Reiches, die auch seine Nachfolger
beibehalten sollten.
Gleichzeitig
zu den Krönungsvorbereitungen warben die Ottonen beim englischen
Königshaus um eine Braut für Otto. Heinrich bemühte sich auf diese
Weise, Dynastien außerhalb seines Reiches an sein Haus zu binden.
Auch brachte die Braut den Ruhm mit, aus der Familie des als
Märtyrerkönig gestorbenen Heiligen Oswald zu stammen. Nachdem die
zwei Halbschwestern Edgith und Edgiva des englischen Königs
Äthelstan an den Hof Heinrichs I gereist waren, wurde Edgith als
Braut für Otto ausgewählt. Nach der Heirat Ottos erhielt seine
angelsächsische Gemahlin Edgith Magdeburg als Morgengabe. Zu
Pfingsten 930 stellte Heinrich den designierten Thronfolger in
Franken und in Aachen den Großen der jeweiligen Region vor, um deren
Zustimmung für seine Thronfolgeregelung einzuholen. Otto wurde
bereits 930 in Mainz zum König gesalbt. Im Frühsommer 936 wurde in
Erfurt über den Bestand des Reiches beraten. Heinrich empfahl den
Großen nochmals eindringlich Otto als seinen Nachfolger.
Nach
dem Tod Heinrichs I 936 wurde die Nachfolge seines Sohnes Otto
innerhalb weniger Wochen realisiert. Otto wurde von Franken und
Sachsen zum Oberhaupt gewählt und die Pfalz Aachen als Ort einer
allgemeinen Wahl bestimmt. Am 7. August 936 setzten die Herzöge,
Markgrafen und übrigen weltlichen Großen Otto in der Vorhalle des
Aachener Münsters auf den dortigen Thron und huldigten ihm. Mitten
in der Kirche wurde die Zustimmung des Volkes zur Erhebung des Königs
eingeholt. Es folgte die Insignien-Übergabe (Schwert mit
Schwertgurt, Armspangen und Mantel, Zepter und Stab) durch den
Mainzer Erzbischof Hildebert von Mainz. Otto wurde von den
Erzbischöfen Hildebert von Mainz und Wichfried von Köln in der
Stiftskirche zum ostfränkischen König gesalbt und gekrönt. Der
Salbungsakt bildete den Anfang einer Vielzahl geistlicher Akte, die
dem Königtum jene sakrale Würde verliehen, auf die sein Vater noch
verzichtet hatte.
Otto
knüpfte durch die Wahl des Krönungsortes und bewusstes Tragen
fränkischer Kleidung bei der Zeremonie an die
fränkisch-karolingische Tradition des Königtums an. Der Wahl- und
Krönungsort im lothringischen Reichsteil sollte nicht nur die neue
Zugehörigkeit Lothringens zum ostfränkischen Reich betonen,
vielmehr war Aachen als Grabstätte Karls des Großen auch ein Symbol
der Kontinuität und der Legitimation. Die Königserhebung gliederte
sich in geistliche und weltliche Akte. Die Bedeutung der
sakral-göttlichen Legitimierung und der gesteigerte
Herrschaftsanspruch gegenüber seinem Vater wird auch in der
Veränderung der Herrschaftszeichen deutlich. Den ostfränkischen
Typus des Siegels, der einen von Gott begnadeten Heerführer zeigt,
führte er fort. Ab 936 wird jedoch die Gottes-Gnaden-Formel in die
Umschrift des Königssiegels eingefügt.
Otto
trat seine Herrschaft nicht einvernehmlich und harmonisch an; bereits
vor der Krönung war die Herrscherfamilie zerstritten, da Ottos
Bruder Heinrich ebenfalls die Königswürde beansprucht hatte. Auch
bildete sich Heinrich als Königssohn viel darauf ein, dass die
Urkunden ihn bereits kurz nach der Geburt sowie seinen Vater „Träger
des gleichen Namens“ bezeichneten. Das Verhältnis zwischen Otto
und seiner Mutter war ebenfalls gespannt. Mathilde war bei der
Königserhebung ihres Sohnes Otto nicht anwesend. Von Mathilde wird
überliefert, dass Ottos Mutter die Thronfolge durch ihren jüngeren
Sohn Heinrich bevorzugt hatte.
Ottos
Herrschaftsbeginn war von einer schweren Krise begleitet. Der
Chronist stützte sich auf am Hof kursierende Gerüchte und
Anekdoten, die die Gegner Ottos bloßstellten. Er nennt zum einen die
Herrschaftssucht des Bruders Heinrich, der sich durch die alleinige
Nachfolge seines Bruders benachteiligt fühlte, zum anderen die
Ambitionen des Herzogs Eberhard. Der hatte seinerseits nach
Ausschaltung Ottos und seiner Verbündeten die Königswürde erlangen
wollen.
Ebenfalls
im Jahre 937 starb der Bayernherzog Arnulf, der mit Heinrichs I
Billigung nahezu königsgleich in Bayern geherrscht hatte. Seine
Söhne verschmähten es aus Hochmut, sich auf des Königs Befehl in
dessen Gefolgschaft zu begeben. Der von seinem Vater designierte und
von den bayerischen Großen zum neuen Herzog erwählte Eberhard
weigerte sich 937, Otto zu huldigen, nachdem Otto Eberhard nur hatte
anerkennen wollen, wenn dieser bereit gewesen wäre, auf die
Investitur der Bischöfe in Bayern zu verzichten. Nach zwei Feldzügen
konnte Otto Eberhard verbannen.
Unterdessen
hatte im sächsisch-fränkischen Grenzbereich Herzog Eberhard von
Franken, Bruder des früheren Königs Konrad I, eine Fehde mit dem
sächsischen Vasallen Bruning siegreich bestanden. In ihrem Verlauf
hatte er die gegnerische Burg Helmern niedergebrannt. Diese Burg lag
im Hessengau, wo Eberhard die Grafengewalt ausübte. Da Otto Eberhard
nicht als autonome Zwischengewalt duldete, belegte er Eberhard mit
der Buße, Pferde im Wert von hundert Pfund zu liefern. Eberhards
Helfer wurden zur Schmach-Strafe des Hundetragens auf einer Strecke
bis zur königlichen Stadt Magdeburg verurteilt.
Ottos
Politik brüskierte gleich zu Beginn seiner Herrschaft mächtige
Adlige in Sachsen, Franken, Lothringen und Bayern, die sich bald
gegen den Herrscher auflehnten: Die Sachsen verloren jede Hoffnung,
weiter den König stellen zu können.
Der
Frankenherzog Eberhard und Graf Wichmann der Ältere aus dem
Geschlecht der Billunger verbündeten sich mit Thankmar. Dieser zog
gegen die Burg Belecke bei Warstein im Arnsberger Wald und lieferte
dort den gefangengesetzten Halbbruder Heinrich an Herzog Eberhard
aus. Doch der Kampf ging für die Aufständischen unglücklich
weiter. Herzog Hermann von Schwaben, einer der Aufständischen, lief
zu König Otto über. Nachdem Wichmann sich mit dem König ausgesöhnt
hatte und Thankmar nach der Befreiung Heinrichs in der Kirche der
Eresburg getötet worden war, war Eberhard isoliert und selbst
innerhalb seiner eigenen Sippe nicht mehr der unangefochtene Führer,
so dass er sich dem König unterwarf. Nach kurzer Verbannung nach
Hildesheim wurde er begnadigt.
Bereits
vor seiner Unterwerfung hatte Eberhard ein neues Bündnis gegen Otto
vorbereitet, indem er dessen jüngerem Bruder Heinrich versprach, ihm
zur Krone zu verhelfen. Als dritter Verbündeter kam Herzog Giselbert
von Lothringen dazu, der mit Ottos Schwester Gerberga verheiratet
war. Otto errang zwar zunächst in einer Schlacht bei Birten nahe
Xanten einen Sieg, der seinem Gebet vor der Heiligen Lanze
zugeschrieben wurde, konnte aber die Verschwörer nicht gefangen
nehmen und belagerte erfolglos die Festung Breisach. Ruthard von
Straßburg versuchte zwischen Eberhard und dem König zu vermitteln;
als Otto den Vorschlag des Vermittlers nicht annahm, schloss dieser
sich den Gegnern an. Währenddessen verheerten Giselbert und Eberhard
die Ländereien königstreuer Adliger. Die Erhebung brach aber
zusammen: Eberhard und Giselbert wurden 939 nach einem Plünderungszug
in die Gebiete zweier Gefolgsleute Herzog Hermanns von Schwaben von
einem Heer unter der Führung der Konradiner Udo und Konrad beim
Überqueren des Rheins bei Andernach überrascht und in der Schlacht
von Andernach am 2. Oktober 939 vernichtend geschlagen. Eberhard
starb. Gegen dieses offensichtliche Gottesurteil hatten es die Gegner
des Königs schwer, den Konflikt fortzuführen. Heinrich unterwarf
sich. Otto behielt das vakant gewordene Herzogtum Franken unter
direkter königlicher Herrschaft. Franken und Sachsen bildeten von
nun an das Kerngebiet des Reiches.
Markgraf
Gero hatte in der Zwischenzeit die Grenze gegen die Slawen unter
Inkaufnahme zahlreicher Opfer verteidigt und das Gebiet bis zur Oder
unterworfen. Die Slawen planten einen Anschlag auf den Markgrafen;
der kam ihnen allerdings zuvor und ließ 30 Slawenfürsten nach einem
Festmahl im weinschweren Schlaf umbringen. Da die sächsischen
Fürsten angesichts der hohen Verluste durch die lang andauernden
Kriegszüge eine zu geringe Beute und zu geringe Tribute beklagten,
gerieten sie in Konflikt mit dem Markgrafen. Ihr Unmut richtete sich
auch gegen Otto, der den Markgrafen unterstützte. Ottos Bruder
Heinrich machte sich diese Stimmung im sächsischen Adel zunutze, so
dass sich viele von ihnen an der Verschwörung gegen den König
beteiligten. Anfang des Jahres 939 veranstaltete er ein großes
Gelage oder Festmahl im thüringischen Saalfeld, dort beschenkte er
viele mit großen Gütern und gewann dadurch eine Menge zu Genossen
seiner Verschwörung. Otto sollte am Osterfest 941 in der königlichen
Pfalz Quedlinburg am Grabe des gemeinsamen Vaters ermordet werden,
und eine mächtige Schwur-Einung stand bereit, seinem jüngeren
Bruder anschließend die Krone aufzusetzen. Doch der König erfuhr
von diesem Vorhaben rechtzeitig, schützte sich während der
Festlichkeiten, indem er sich Tag und Nacht mit einer Schar treuer
Vasallen umgab, und holte danach unvermittelt zum Gegenschlag aus.
Heinrich wurde in der Pfalz Ingelheim festgesetzt, seine Verbündeten
wurden verhaftet und hingerichtet. Heinrich konnte jedoch aus der
Haft entkommen und unterwarf sich Weihnachten 941 in der Frankfurter
Pfalzkapelle seinem Bruder. So erhielt er erneut Vergebung, um die er
barfuß und fußfällig bat.
Bei
der Neubesetzung von Ämtern und Besitzungen wollte Otto seine
herrscherliche Entscheidungsgewalt durchsetzen und suchte bei seinen
Entscheidungen nicht den Konsens mit den Großen. Er missachtete die
Ansprüche der Herzöge und enger Familienangehöriger auf bestimmte
Herrschaftspositionen. Otto beförderte hingegen die ihm ergebenen
Mitglieder insbesondere auch des niederen Adels in
Schlüsselpositionen, um in Sachsen den Status quo zu sichern, und
ließ die Getreuen seiner Mutter sich benachteiligt fühlen.
Unterordnung verlangte der neue König schließlich auch von den
Freunden des Vaters, der diesen nie etwas verweigert hatte.
Zu
den weiteren Gründen für die Adelserhebungen zählten die noch
ungewohnte Individualsukzession oder Einzelthronfolge, aus der sich
die anfangs ungeklärte Frage ergab, wie die Brüder des Königs zu
versorgen seien, sowie Ottos selbstherrlicher Regierungsstil.
Heinrich hatte auf die Salbung verzichtet, die ihn symbolisch über
die Reichsgroßen erhoben hätte, und seine Regierung auf
Freundschaftspakte mit wichtigen Personen gestützt. Diese Pakte
waren eine wesentliche Grundlage der Herrschaftskonzeption Heinrichs
I gewesen, der dafür auf königliche Prärogative verzichtet hatte,
um so im Einvernehmen mit den Herzögen eine Konsolidierung im
Inneren zu erreichen. Der gesalbte Otto glaubte, seine Entscheidungen
ohne Rücksicht auf Ansprüche und unabhängig von der internen
Hierarchie der Adelssippen treffen zu können, da seine Auffassung
des Königtums ihn weit über den übrigen Adel erhob.
Nur
die Gegner des Königs aus der adligen Führungsschicht und seiner
eigenen Familie, die ihre Schuld öffentlich eingestanden und sich
bedingungslos unterwarfen, konnten auf Begnadigung hoffen. Die dem
König anheimgestellte Strafe fiel dann regelmäßig so milde aus,
dass der Bußfertige bald wieder in Amt und Würden war. So wurde vor
allem dem Königsbruder Heinrich zunächst in Lothringen, dann in
Bayern die Herzogsstellung übertragen. Gewöhnliche Verschwörer
wurden im Gegensatz dazu hingerichtet.
Das
darauf folgende Jahrzehnt war durch eine unbestrittene königliche
Machtausübung bestimmt. Ottos Urkunden aus dieser Zeit erwähnen
immer wieder Belohnungen, die treue Vasallen für ihre Dienste
empfingen oder die der Versorgung ihrer Hinterbliebenen dienten.
Durch die gefestigte Königsherrschaft entwickelten sich auch feste
Gewohnheiten der Herrschaftsrepräsentation.
Otto
änderte nach diesen Adelserhebungen zwar nicht seine Praxis,
Herzogtümer als Ämter des Reiches nach seinem Gutdünken zu
besetzen, verband sie jedoch mit dynastischer Politik. Hatte Ottos
Vater Heinrich noch auf die Freundschaftsbindung als wichtiges
Instrument zur Stabilisierung seiner Königsherrschaft gesetzt, so
trat nun die Heirat an ihre Stelle. Otto lehnte es ab, ungekrönte
Herrschaftsträger als gleichberechtigte Vertragspartner zu
akzeptieren. Die Integration bedeutender Vasallen vollzog sich nun
durch Heiratsverbindungen: Der westfränkische König Ludwig IV
heiratete Ottos Schwester. Die Tochter Ida des Herzogs Hermann von
Schwaben, des Anführers der ihm treu gebliebenen Konradiner,
verheiratete er mit seinem Sohn Liudolf. Dadurch wertete er Hermann
auf und sicherte seinem eigenen Haus die Nachfolge im Herzogtum, da
Hermann keine Söhne hatte. Den Salier Konrad den Roten setzte Otto
als Herzog in Lothringen ein und band diesen durch die Heirat mit
seiner Tochter Liudgard enger an die Königsfamilie. Den Anspruch
seines Bruders Heinrich auf eine Teilnahme an der Macht stellte er
dadurch zufrieden, dass er ihn mit Judith von Bayern aus der
Herzogsfamilie der Luitpoldinger verheiratete und, nachdem dieses
Herzogtum frei geworden war, als Herzog in Bayern einsetzte. Die
Verleihung der bayerischen Herzogswürde an Ottos zuvor
aufständischen Bruder Heinrich markierte dessen endgültigen
Verzicht auf die Königswürde.
Kurz
nach dem Tod Edgiths am 29. Januar 946, die in Magdeburg ihr Grab
fand, begann Otto die eigene Nachfolge zu regeln. Er ließ die
bereits 939 ausgehandelte Ehe Liudolfs mit Ida, der Tochter des
schwäbischen Herzogs, wohl im Spätherbst 947 schließen und
erklärte Liudolf zu seinem Nachfolger als König. Alle Großen des
Reichs wurden aufgerufen, seinem damals gerade volljährig gewordenen
Sohn einen Treueid zu leisten. In bindender Form erhielt Liudolf
damit die Zusage, Nachfolger seines Vaters werden zu können.
Ottos
Entscheidung für Aachen als Krönungsort warf bereits das Problem
der Beziehungen zum Westfrankenreich auf. Aachen lag im Herzogtum
Lothringen, auf das die westfränkischen Könige, die noch immer
Karolinger waren, Anspruch erhoben. Allerdings war das Herrscherhaus
im Westfrankenreich durch die Macht des Hochadels bereits stark
geschwächt. Indem Otto sich als legitimer Nachfolger Karls des
Großen darstellte, sah er seinen Anspruch auf Lothringen
legitimiert. Während Heinrichs Aufstand sowie später versuchte der
westfränkische König Ludwig IV, sich in Lothringen festzusetzen,
scheiterte aber an Ottos militärischer Stärke. Ludwig konnte seine
Ansprüche auf Lothringen zwar noch dadurch geltend machen, dass er
Ottos Schwester, die Witwe des gefallenen aufständischen Herzogs
Giselbert, heiratete. Da diese eine Schwester Ottos war, wurde er
damit allerdings zugleich ein Schwager Ottos. Otto betrieb also dem
Westfrankenreich gegenüber eine ähnliche Heiratspolitik wie
gegenüber den Herzögen im Ostfrankenreich. Ludwig IV musste auf
jegliche Ansprüche auf Lothringen verzichten.
Auf
der Universalsynode von Ingelheim wurden die Bischöfe von Ripen,
Schleswig und Aarhus ordiniert. Alle drei Bistümer wurden Erzbischof
Adaldag von Hamburg-Bremen unterstellt. Diese Bistumsgründungen und
die im gleichen Jahr erfolgten Gründungen weiterer Bistümer in
Brandenburg und Havelberg bedeuteten eine intensivierte
Christianisierung.
Zum
Königreich Burgund hatte das Ostfrankenreich gute Beziehungen,
seitdem Heinrich I von dessen König Rudolf II die Heilige Lanze
erworben hatte. Als Rudolf 937 starb, holte Otto dessen
minderjährigen Sohn Konrad an seinen Hof. Nach dem Tod des
italienischen Königs Hugo am 10. April 947 sorgte Otto außerdem
dafür, dass Niederburgund und die Provence an seinen Schützling
Konrad fielen, was sein Verhältnis zum burgundischen Königshaus
weiter festigte. Otto respektierte die Eigenständigkeit von Burgund
und griff nie nach der burgundischen Krone.
Enge
Kontakte bestanden auch zwischen Otto I und dem byzantinischen Kaiser
Konstantin VII Porphyrogennetos. Anlässlich des Osterfestes 949
überbrachten Gesandte der Griechen unserem König zweimal Geschenke
ihres Kaisers, die beide Herrscher ehrten.
Und
nun Adelheid, sie war nicht nur Witwe des italienischen Königs,
sondern auch Nichte der Ida von Schwaben, der Gemahlin von Ottos Sohn
Liudolf. Vor allem aber war Otto selbst sehr daran interessiert, in
Italien einzugreifen. Da er selbst Witwer war, hatte er die
Möglichkeit, Adelheid zu ehelichen und damit seine Herrschaft nach
Italien auszudehnen. Zudem bot sich damit die Perspektive auf die
Kaiserwürde. Nach der Festsetzung Adelheids entschloss sich Otto,
nach Italien zu ziehen.
Adelheid
wurde von ihrer Fluchtburg Canossa nach Pavia geführt, wo sich Otto
im Oktober mit ihr vermählte.
Die
Ehe mit Adelheid führte zu Spannungen zwischen dem König und seinem
Sohn und designierten Nachfolger Liudolf, da sich die Frage stellte,
welche Rechte den dieser Ehe entstammenden Söhnen zustanden. Auch
misstraute Liudolf dem wachsenden Einfluss seines Onkels, des
ehemaligen Rebellen Heinrich. Wahrscheinlich war Heinrich anderer
Ansicht darüber, wer die Position des Zweiten nach dem König
einnehmen sollte: der Bruder oder der Sohn. Liudolf verließ
jedenfalls im November in demonstrativem Unmut und ohne Abschied
seinen Vater, was einem Affront gleichkam.
Zu
Weihnachten 951 veranstaltete Liudolf in Saalfeld ein Gelage, bei
welchem er Erzbischof Friedrich von Mainz und alle anwesenden Großen
des Reiches um sich versammelte. Dieses Gelage war bereits vielen
Zeitgenossen verdächtig und erinnerte an jenes Gelage, das Heinrich
ein gutes Jahrzehnt zuvor gefeiert hatte, um eine bewaffnete Erhebung
gegen Otto einzuleiten. Mit dem Festmahl wurden Bindungen aktiviert,
um Widerstand gegen den König zu sammeln. Als Reaktion darauf kehrte
Otto mit Adelheid nach Sachsen zurück und verweigerte dem Sohn
demonstrativ seine Huld. Den Osterhoftag als das wohl wichtigste
Ereignis des Jahres beging Otto in Sachsen zur Repräsentation
herrscherlicher Macht und göttlicher Legitimation.
Liudolf
gewann in seinem Schwager Konrad dem Roten einen mächtigen
Verbündeten. Konrad hatte in Italien durch Verhandlungen Berengar,
den König von Italien, dazu gebracht, Otto in Magdeburg aufzusuchen,
und Berengar dabei offensichtlich verbindliche Zusagen zum Ausgang
dieses Treffens gemacht. Eine Gruppe von Herzögen, Grafen und
Hofleuten, mit den Herzögen Konrad und Liudolf an der Spitze,
erkannte Berengar als König an und brachte dies in einem Empfang
ostentativ zum Ausdruck. Am Hof angekommen, ließ Otto Berengar
jedoch zunächst drei Tage lang warten, gestattete von den
Versprechungen Konrads nichts und gewährte Berengar nur den freien
Abzug. Da Herzog Konrad und die weiteren Fürsprecher Berengars Ottos
Antwort als persönliche Beleidigung empfanden, schlossen sie sich
den Gegnern des Königs an.
Trotz
des sich so formierenden Widerstands wurde in der Frage der Stellung
Berengars noch ein Kompromiss erreicht.
Nachdem
Adelheid mit Heinrich einen ersten Sohn zur Welt gebracht hatte, soll
Otto ihn statt Liudolf als Nachfolger gewollt haben. Da brach in
Mainz der Aufstand aus. Als Otto in Ingelheim das Osterfest begehen
wollte, zeigten ihm Konrad und Liudolf offen die Zeichen des
Aufstandes (rebellionis signa). Liudolf und Konrad hatten inzwischen
eine große Schar Bewaffneter zusammengebracht, vor allem junge Leute
aus Franken, Sachsen und Bayern waren darunter. Der König konnte
deshalb weder in Ingelheim noch in Mainz oder Aachen das Osterfest
als wichtigsten Akt der Herrschaftsrepräsentation feiern. Immer mehr
Adelsgruppen verbündeten sich mit Liudolf. Als Otto hörte, dass
Mainz in die Hände seiner Feinde gefallen war, zog er in größter
Eile dorthin und begann im Sommer mit der Belagerung der Stadt. Schon
zu Beginn des Aufstandes hatte Erzbischof Friedrich von Mainz zu
vermitteln versucht, aber der König befahl seinem Sohn und
Schwiegersohn, die Urheber des Verbrechens zur Bestrafung
auszuliefern, andernfalls werde er sie als geächtete Feinde
betrachten. Diese Forderung war für Liudolf und Konrad unannehmbar,
da sie ihre eigenen Bundesgenossen hätten verraten müssen.
Das
Zentrum des Konflikts verlagerte sich nach Bayern. Dort hatte Liudolf
mit Unterstützung Arnulfs, eines der Söhne des verstorbenen
Bayernherzogs, Regensburg eingenommen, sich der dort angesammelten
Schätze bemächtigt und sie als Beute unter seine Gefolgschaft
verteilt. Auf Drängen Heinrichs begab sich das Heer des Königs
umgehend auf den Weg nach Süden, um Regensburg zurückzugewinnen,
doch zog sich die Belagerung bis Weihnachten hin.
Die
Heilige Lanze war für Otto von besonderer Bedeutung. In der Schlacht
von Birten, bei der Otto ein bedeutender Erfolg gegen seine
reichsinternen Gegner glückte, betete er vor den siegbringenden
Nägeln, mit denen die Hände des Herrn Erlösers Jesus Christus
befestigt und die in seine Lanze eingesetzt waren. Otto ging bei
seinem Sieg über die Ungarn mit der Heiligen Lanze seinem Heer in
der Schlacht voran. Die Heilige Lanze befindet sich heute in der
Schatzkammer Wien.
Als
Liudolf sich gegen Otto erhob, bedrohten auch die Ungarn das Reich.
Obwohl die Ostmarken zur Sicherung gegen heidnische Slawen und
Magyaren eingerichtet worden waren, blieben die Ungarn an der
Ostgrenze des Ostfrankenreiches eine dauerhafte Bedrohung. Die Ungarn
kannten das Reich und dessen innere Schwäche, die ihnen Anlass gab,
im Frühjahr 954 mit einer großen Streitmacht in Bayern einzufallen.
Zwar war es Liudolf und Konrad gelungen, ihre eigenen Gebiete zu
schonen, indem sie den Ungarn Führer in den Westen mitgaben, die sie
östlich des Rheins durch Franken geleiteten. Außerdem hatte Liudolf
am Palmsonntag des Jahres 954 in Worms ein großes Gastmahl zu Ehren
der Ungarn veranstaltet und sie mit Gold und Silber überhäuft. Aber
Liudolf sah sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, mit den Feinden Gottes
paktiert zu haben, und verlor schlagartig Anhänger an Otto. Die
Bischöfe Ulrich von Augsburg und Hartpert von Chur, die engste
Vertraute des Königs waren, vermittelten ein Treffen zwischen den
Konfliktparteien am 16. Juni 954 auf einem Hoftag in Langenzenn.
Verhandelt wurden nicht so sehr die Ursachen des Konfliktes zwischen
Vater und Sohn, sondern vielmehr allein die Verwerflichkeit des
Paktes Liudolfs mit den Ungarn.
Als
Ergebnis dieser Verhandlungen trennten sich Erzbischof Friedrich und
Konrad der Rote von Liudolf, der dennoch nicht bereit war, sich zu
unterwerfen, sondern alleine gegen den Vater weiterkämpfte, der
wieder Regensburg belagerte. Zweimal kam der Sohn persönlich aus der
Stadt heraus, um Frieden beim Vater zu erbitten. Erst beim zweiten
Mal erhielt er ihn durch Vermittlung der Fürsten. Die endgültige
Beilegung des Streites wurde auf einen Hoftag in Fritzlar vertagt.
Der Konflikt wurde durch die rituelle Unterwerfung beigelegt. Noch
innerhalb der Frist warf er sich im Herbst 954 während der
Königsjagd nahe Weimar barfuß vor dem Vater zu Boden und flehte um
Gnade, die ihm gewährt wurde. So wurde er in väterlicher Liebe
wieder zu Gnaden angenommen und gelobte zu gehorchen und in allem den
Willen des Vaters zu erfüllen.
Die
Ungarn waren unterdessen vor Augsburg aufgehalten worden, da Bischof
Ulrich die Stadt zäh verteidigen ließ. Er verschaffte so Otto Zeit,
ein Heer zu sammeln und zum Entsatz Augsburgs zu eilen. Die Schlacht
auf dem Lechfeld am 10. August 955 beseitigte die Ungarngefahr
dauerhaft. Der triumphale Sieg festigte Ottos Macht und Ansehen. Otto
wurde noch auf dem Schlachtfeld vom siegreichen Heer zum Imperator
ausgerufen. Otto gelobte vor der Lechfeldschlacht im Falle eines
Sieges dem Tagesheiligen Laurentius, in seiner Pfalz Merseburg ein
Bistum zu dessen Ehren zu errichten.
Nach
dem Sieg ließ Otto in allen Kirchen des Reiches Dankesgottesdienste
feiern und führte den Sieg auf die Hilfe Gottes zurück, die das
Gottesgnadentum des Herrschers habe sichtbar werden lassen. Auch
fasste er konkrete Pläne zur Errichtung eines Erzbistums in
Magdeburg. Dem Gotteshaus, in dem Königin Edgith bestattet wurde,
folgte ein stattlicher, mit Marmor und Gold geschmückter Neubau. Im
Sommer 955 schickte er den Fuldaer Abt Hademar nach Rom, wo dieser
bei Papst Agapet II für den König die Erlaubnis bewirkte, Bistümer
nach Belieben zu gründen.
Die
Lechfeldschlacht gilt als eine Wende in der Regierung des Königs.
Nach 955 kam es im ostfränkisch-deutschen Reich bis zu Ottos Tod
nicht mehr zu Erhebungen der Großen gegen den König, wie sie in der
ersten Hälfte seiner Herrscherzeit wiederholt aufgeflammt waren.
Ferner blieb Ottos Herrschaftsgebiet fortan von den Einfällen der
Ungarn verschont. Sie gingen nach 955 zur sesshaften Lebensweise über
und nahmen bald das Christentum an.
Im
selben Jahr drangen slawische Abodriten in Sachsen ein. Als Reaktion
zog König Otto mit einem Heer nach dem Sieg über die Ungarn in den
Osten. Als die Abodriten die Tributzahlung und Unterwerfung
verweigerten, mussten sie in der Schlacht an der Recknitz eine
weitere militärische Niederlage hinnehmen. Nach der Schlacht wurde
der Anführer Stoinef enthauptet und 700 Gefangene getötet. Mit dem
Ende der Kämpfe im Herbst 955 endete auch die unruhige Periode um
den Aufstand Liudolfs.
Nicht
nur der Aufstand seines Sohnes schwächte zeitweise die Herrschaft
Ottos, sondern es verstarben auch innerhalb kürzester Zeit wichtige
Akteure, etwa Ottos Bruder Heinrich von Bayern. Konrad der Rote, der
zwar nicht mehr Herzog, aber immer noch eine der bedeutendsten
Personen des Ostfrankenreiches war, fiel in der Schlacht auf dem
Lechfeld. Liudolf wurde nach Italien geschickt, um dort Berengar zu
bekämpfen, doch erlag er einem Fieber und wurde bei Mainz begraben.
Damit
waren Otto kurz nach seinem Triumph über den Aufstand plötzlich
wichtige Strukturen des Reiches weggebrochen. Hinzu kam, dass die
beiden ersten Söhne seiner zweiten Ehe jung gestorben und der dritte
Sohn Otto erst Ende 955 zur Welt gekommen war.
Otto
hatte nach der Lechfeldschlacht einen zweiten Versuch unternommen,
das Reich zu konsolidieren, indem er die Reichskirche für seine
Zwecke gegen die weltlichen Großen nutzbar gemacht hat. Besonders
Ottos jüngerer Bruder Brun, der Erzbischof von Köln war, soll in
der Hofkapelle Kleriker auf ihre spätere Tätigkeit als
Reichsbischöfe vorbereitet haben. Der König konnte aber keineswegs
allein über die Besetzung bischöflicher Ämter entscheiden. In die
Hofkapelle wurden bevorzugt Söhne aus adligen Familien aufgenommen.
Als kirchliche Würdenträger waren sie durch das Kirchenrecht
geschützt und dem königlichen Einfluss größtenteils entzogen.
Die
Reichskirche erhielt zahlreiche Schenkungen. Diese Schenkungen
verpflichteten jedoch die Beschenkten zu erhöhtem Dienst für König
und Reich. Neben der Versorgungsfunktion dienten die Reichsklöster
und Bistümer dazu, die gottgewollte religiöse Ordnung zu
verwirklichen, Gebetshilfe zu leisten und den christlichen Kult zu
mehren.
Eine
schwere Krankheit Ottos im Jahr 958 trug neben dem Aufstand des
Liudolf zur schweren Krise des Reiches bei. Berengar II. nutzte sie,
um die Festigung seiner Macht weiter zu betreiben und auch Rom und
das Patrimonium Petri unter seinen Einfluss zu bringen. Er geriet
dabei in Konflikt mit Papst Johannes XII, der Otto um Hilfe ersuchte.
Seinen
Romzug bereitete der inzwischen wieder genesene König sorgfältig
vor. Auf dem Hoftag zu Worms im Mai 961 ließ er seinen
minderjährigen Sohn Otto II zum Mitkönig erheben. Zu Pfingsten 961
wurde Otto II in Aachen von den Lothringern gehuldigt und von den
rheinischen Erzbischöfen zum König gesalbt.
Im
August 961 brach Ottos Heerzug von Augsburg nach Italien auf und
überquerte den Brennerpass nach Trient. Ziel war zunächst Pavia, wo
Otto das Weihnachtsfest feierte. Berengar II und seine Anhänger
zogen sich in Burgen zurück und mieden den offenen Kampf. Ohne sich
aufhalten zu lassen, zog Otto nach Rom weiter.
Am
31. Januar 962 erreichte das Heer Rom. Am 2. Februar wurde Otto von
Papst Johannes XII zum Kaiser gekrönt. Mit der Kaiserkrönung wurde
eine Tradition für alle künftigen Kaiserkrönungen des Mittelalters
begründet. Auch Adelheid wurde gesalbt und gekrönt und erhielt so
den gleichen Rang. Dies war ein Novum: Keine einzige Gemahlin eines
Karolingers war je zur Kaiserin gekrönt worden.
Eine
Synode dokumentierte die Zusammenarbeit von Kaiser und Papst. In der
Urkunde hob Papst Johannes XII nochmals die Verdienste Ottos hervor,
die seine Erhebung zum Kaiser rechtfertigten: den Sieg über die
Ungarn, aber auch die Bemühungen um die Bekehrung der Slawen. Einen
Tag später stellte Otto das so genannte Ottonianum aus. Durch das
Ottonianum wurde die Papstwahl geregelt; sie sollte dem Klerus und
Volk von Rom obliegen. Geweiht werden durfte der Papst aber erst nach
Ableistung eines Treueids auf den Kaiser. Nach der Kaiserkrönung
begab sich Otto zurück nach Pavia, von wo aus er den Feldzug gegen
Berengar leitete, der sich in die uneinnehmbare Burg San Leo bei San
Marino zurückzog.
Offenbar
über Ottos Machtwillen verstimmt, vollzog Johannes XII eine
unerwartete Kehrtwende. Er empfing Berengars Sohn Adalbert in Rom und
schloss mit ihm ein Bündnis gegen den Kaiser. Infolgedessen musste
Otto im Oktober 963 die sich über den ganzen Sommer hinziehende
Belagerung Berengars abbrechen und nach Rom eilen, um seinem Anspruch
wieder Geltung zu verschaffen. Zum Kampf kam es jedoch nicht,
Johannes und Adalbert flohen. Otto ließ sich gleich bei seinem
Einzug von den Römern eidlich versichern, niemals einen Papst zu
wählen oder zu weihen, bevor sie nicht die Zustimmung oder das Votum
des Kaisers eingeholt hätten.
In
Rom saß eine Synode im Beisein des Kaisers über den Papst zu
Gericht. Papst Johannes XII antwortete brieflich mit der Androhung
des Bannes gegen alle, die es wagen sollten, ihn abzusetzen. Als
Reaktion ließ die Synode Johannes tatsächlich absetzen und erhob
Leo VIII zum neuen Papst. Doch dem abgesetzten Papst gelang es, einen
Aufstand der Römer gegen Otto und Leo VIII zu entfesseln, dessen der
Kaiser zunächst Herr werden konnte. Nach seiner Abreise aus Rom
nahmen die Römer jedoch Johannes XII wieder in der Stadt auf, und
Leo VIII blieb nichts als die Flucht zum Kaiser. Eine Synode erklärte
die Beschlüsse der vorherigen kaiserlichen Synode für ungültig und
Leo VIII für abgesetzt. Noch bevor es zu einer bewaffneten
Auseinandersetzung kommen konnte, starb am 14. Mai 964 überraschend
Johannes XII, und die Römer wählten dem kaiserlichen Verbot zum
Trotz mit Benedikt V einen neuen Papst. Otto belagerte daraufhin im
Juni 964 Rom und konnte nach wenigen Wochen in die Stadt einziehen.
Dort inthronisierte er Leo VIII erneut und ließ Benedikt V nach
Hamburg in die Verbannung schicken.
Nach
der vorläufigen Ordnung der Verhältnisse kehrte Otto im Winter 965
in den nördlichen Reichsteil zurück. Sein Zug wurde von mehreren
großen Hoffesten begleitet. Um der Hoffnung auf dynastische
Kontinuität Ausdruck zu verleihen, wurde am 2. Februar in Worms, der
Stätte der Königswahl Ottos II, der Jahrestag der Kaiserkrönung
gefeiert. Wenige Wochen später beging Otto in Ingelheim das
Osterfest. Ein großer Hoftag Anfang Juni in Köln, bei dem nahezu
alle Mitglieder der Kaiserfamilie anwesend waren, bildete hierbei den
Höhepunkt.
Am
1. Oktober wurde Papst Johannes XIII unter Billigung des ottonischen
Hofes zum Nachfolger des inzwischen verstorbenen Leo VIII gewählt.
Doch bereits zehn Wochen später wurde er von den Stadtrömern
gefangen genommen und in Kampanien inhaftiert. Sein Hilferuf bewog
Otto, erneut nach Italien zu ziehen. Er sollte die nächsten sechs
Jahre dort verbringen.
So
zog Otto mit einer Heeresmacht über Chur nach Italien. Die
Rückführung des Papstes verlief am 14. November 966 ohne
Widerstand. Im Jahr 967 reisten Kaiser und Papst Johannes XIII nach
Ravenna und feierten dort das Osterfest.
Das
neue Erzbistum Magdeburg diente vor allem der Ausbreitung des
christlichen Glaubens und war von Anfang an die für Otto vorgesehene
Grabstätte. Durch die schwierigen italienischen Verhältnisse konnte
Otto allerdings die Errichtung des Erzbistums nicht persönlich
miterleben. Erst im Frühjahr 973, viereinhalb Jahre nach ihrer
Gründung, hat Otto das Erzbistum Magdeburg erstmals aufgesucht.
Otto
verlegte seit 967 seinen Aktionsradius in den Raum südlich von Rom.
Auf Zügen nach Benevent und Capua nahm er von den dortigen Herzögen
Huldigungen entgegen. Da Byzanz die Oberhoheit über diese Gebiete
beanspruchte und seine Herrscher sich als einzige legitime Träger
des Kaisertitels sahen, verschärften sich die Konflikte mit Kaiser
Nikephoros Phokas, der Otto vor allem seine Kontaktaufnahme mit
Pandulf I. von Capua und Benevent übel nahm. Dennoch war der
Byzantiner zunächst bereit, auf Frieden und Freundschaft einzugehen,
woran auch Otto gelegen war, der überdies an eine purpurgeborene
byzantinische Prinzessin als Braut für seinen Sohn und Nachfolger
dachte. Otto versprach sich von der Eheverbindung mit der ruhmreichen
makedonischen Dynastie Legitimation und Glanz für seinen Sohn und
sein Haus. Um seine dynastischen Pläne zu fördern, forderte Otto in
einem gemeinsam mit dem Papst verfassten Schreiben seinen Sohn auf,
im Herbst 967 nach Rom zu reisen, um mit ihnen Weihnachten zu feiern.
Die
Erhebung des jungen Otto wurde mit der Einladung beschlossen. Der
Vater reiste ihm bis Verona entgegen. Drei Meilen vor der Stadt
wurden Otto und sein Sohn von den Römern am 21. Dezember feierlich
eingeholt, und am Weihnachtstag erhob Johannes XIII den jungen Otto
II zum Mitkaiser. Die angestrebte Ehe sollte als Katalysator eine
Klärung der offenen Fragen erzielen: des Zweikaiserproblems sowie
der Regelung des Herrschaftsbereichs in Italien im Rahmen eines
Freundschaftsbündnisses, bei dem keine der Parteien einen
Prestigeverlust hinnehmen musste. Aber erst als Nikephoros im
Dezember 969 von Johannes Tzimiskes ermordet und ersetzt wurde, ging
der neue byzantinische Kaiser auf die Brautwerbung der Ottonen ein
und sandte seine Nichte Theophanu, eine dem Kaiserhaus entstammende
Prinzessin, nach Rom. Im Jahre 972, gleich nach der Hochzeit, wurde
Theophanu am 14. April vom Papst zur Kaiserin gekrönt. Mit einer
Prunkurkunde wies Otto II als Mitkaiser seiner Gemahlin große
Besitzungen zu. Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten dauerte es nur
wenige Monate, bis die kaiserliche Familie im August ins Reich
zurückkehrte.
Im
Frühjahr 973 besuchte der Kaiser Sachsen und feierte den Palmsonntag
in Magdeburg. Diese Feier in Magdeburg stellte zugleich eine Ordnung
wieder her, die im Vorjahr provokativ in Frage gestellt worden war.
Der Sachsenherzog Hermann hatte sich von Erzbischof Adalbert wie ein
König einholen lassen. In Ottos Pfalz hatte er dessen Platz an der
Tafel eingenommen und gar im Bett des Königs geschlafen und
schließlich noch dafür gesorgt, dass dies dem Kaiser gemeldet
wurde. In der Usurpation des königlichen Empfangszeremoniells lag
offenbar ein Protest gegen die lange Abwesenheit des Kaisers.
Das
Osterfest am 23. März 973 in Quedlinburg zeigte den Kaiser auf dem
Höhepunkt seiner Macht und die europäische Dimension seiner
Herrschaft. In Quedlinburg empfing er Gesandte aus Dänemark, Polen
und Ungarn, aus Byzanz, Unteritalien und Rom, aus Spanien. Für
Christi Himmelfahrt gelangte Otto über Merseburg nach Pfalz
Memleben. Hier erkrankte er schwer. Nach Fieberanfällen verlangte er
die Sterbesakramente und starb am 7. Mai 973 an jenem Ort, wo bereits
sein Vater gestorben war.
Otto
wurde nach einem prunkvollen dreißigtägigen Leichenzug in
Anwesenheit der Erzbischöfe Adalbert von Magdeburg und Gero von Köln
im Magdeburger Dom an der Seite seiner 946 verstorbenen Frau Edgith
beigesetzt.
OTTO II
Otto
II war der Sohn des ostfränkischen Königs Otto I und dessen zweiter
Gattin Adelheid von Burgund. Durch Wilhelm von Mainz, den späteren
Bischof Volkold von Meißen und Ekkehard II von Sankt Gallen erhielt
er eine umfassende literarische und geistige Bildung. Markgraf Hodo
unterwies ihn im Kriegshandwerk und im Recht. Bereits als
Sechsjähriger wurde er auf dem Hoftag zu Worms im Mai 961 von seinem
Vater bei der Vorbereitung eines Zuges nach Italien zum Mitkönig
gewählt und in Aachen gekrönt. Bis dahin war es im sächsischen
Haus üblich gewesen, das Erreichen der Volljährigkeit abzuwarten,
bevor man weitere Schritte unternahm.
Otto
II wurde nach Aachen geleitet, wo ihm die Lothringer huldigten, und
von den rheinischen Erzbischöfen Brun von Köln, Wilhelm von Mainz
und Heinrich von Trier zum König gesalbt. Die beiden Erzbischöfe
Brun und Wilhelm wurden zu Stellvertretern im Reich ernannt, mit
denen der junge Otto nördlich der Alpen blieb. Nach dreijähriger
Abwesenheit kehrte Ottos Vater Anfang 965 als Kaiser und König von
Italien in sein angestammtes Reich zurück. Um der Hoffnung auf
dynastische Kontinuität Ausdruck zu verleihen, wurde am 2. Februar
965 in Worms, der Stätte der Königswahl Ottos II, der Jahrestag der
Kaiserkrönung gefeiert.
In
Italien blieb die politische Situation auch nach der Kaiserkrönung
Ottos I instabil. Der kaisertreue Papst Johannes XII konnte sich
gegenüber dem stadtrömischen Adel nicht behaupten. Er wurde
gefangengenommen, konnte jedoch fliehen und rief den Kaiser um Hilfe
an. Nur anderthalb Jahre nach seiner Rückkehr zog Otto I erneut nach
Italien. Elfjährig war Otto II seit Ende August 966 wieder auf sich
selbst gestellt. Nach dem Tod Bruns verblieb der ältere Stiefbruder
Wilhelm als alleiniger Regent. Nach der Kaiserkrönung musste Otto
der Große auch sein Verhältnis zum älteren
oströmisch-byzantinischen Kaisertum klären. Im Zuge der
Auseinandersetzung um den Kaisertitel galt es für Byzanz, die
staatsrechtliche Situation und die Herrschaftsteilung zwischen den
beiden Reichen zu regeln. Faktisch beherrschte Byzanz nur einen
kleinen Bereich im Süden der italienischen Halbinsel. Die Oberhoheit
über die beiden Fürstentümer Capua und Benevent war seit langem
umstritten. Ein Ehebündnis zwischen den beiden Mächten sollte
sowohl das Zweikaiserproblem lösen als auch den Umfang des
jeweiligen Herrschaftsbereichs in Italien im Rahmen eines
Freundschaftsbündnisses klären. Gewahrt werden musste dabei auch
das Prestige der beiden Parteien. In Ottos I politischem Denken
bildete die Kaiserkrönung seines Sohnes eine wichtige Voraussetzung
für die angestrebte Ehe mit einer purpurgeborenen byzantinischen
Kaisertochter. Otto versprach sich von der Eheverbindung mit der
ruhmreichen makedonischen Dynastie Legitimation und Glanz für seinen
Sohn und sein Haus. Um seine dynastischen Pläne zu fördern,
forderte Otto in einem gemeinsam mit dem Papst verfassten Schreiben
seinen Sohn auf, im Herbst 967 nach Rom zu reisen, um mit ihnen
Weihnachten zu feiern. Durch den Weggang Ottos II nach Italien und
den Tod Wilhelms von Mainz im März 968 und der Königin Mathilde
entstand in Sachsen ein Machtvakuum. Dies blieb nicht ohne Folgen für
die Herrschaftskonzeption: Erstmals seit 919 wurde die königliche
Präsenz in Sachsen für einen längeren Zeitraum unterbrochen.
Otto
trat von Augsburg aus den Zug über den Brenner an. Im Oktober 967
trafen Vater und Sohn in Verona zusammen und zogen gemeinsam über
Ravenna nach Rom. Am 25. Dezember 967 wurde Otto II in Rom zum
Mitkaiser gekrönt. Damit war die Weitergabe des von seinem Vater
geschaffenen Imperiums und der Kaiserkrone gesichert. Die
Verhandlungen für die Vermählung Ottos II mit einer byzantinischen
Prinzessin begannen 967. 972 wurde ein Heirats- und Friedensabkommen
geschlossen. Die Wahl des Kaisers Johannes Tzimiskes fiel auf seine
Nichte Theophanu. Am 14. April 972 wurde Theophanu mit Otto vermählt
und zur Kaiserin gekrönt. Dies bedeutete die Anerkennung des
westlichen Kaisertums durch Byzanz. Dadurch entspannte sich die
Situation in den südlichen Teilen Italiens.
Auch
nach der Kaiserkrönung blieb Otto im Schatten seines übermächtigen
Vaters. Ihm wurde administratives Handeln in eigener Verantwortung
verwehrt. Anders als dessen früher Sohn Liudolf, der 950 das
Herzogtum Schwaben erhalten hatte, wurde Otto von seinem Vater nach
dem Eintritt in die Mündigkeit kein abgegrenzter Bereich eigener
Zuständigkeit überlassen. Nach der Kaiserkrönung blieb er auf den
nordalpinen Teil des Reichs beschränkt. Die von Otto II benutzten
Kaisersiegel bis zum Jahre 973 fielen schon in den äußeren
Proportionen kleiner aus als diejenigen des Vaters. Der junge Kaiser
erhielt keine eigene Kanzlei und auch die inhaltliche Reichweite
seiner wenigen Königsurkunden blieb gering. Im August 972 kehrte
Otto II nach fünf Jahren Abwesenheit mit seinen Eltern in die Heimat
zurück. In den folgenden neun Monaten, in denen der Vater noch
lebte, sind sechzehn Privilegien von Otto I, aber nur vier von Otto
II überliefert. In den ersten beiden Urkunden tritt der Sohn als
Co-Imperator Augustus auf, wodurch man beide Kaiser zumindest im
Titel auf eine Stufe stellte. Doch wurde dieser Titel in den
folgenden Urkunden wieder fallen gelassen.
Als
Otto der Große am 7. Mai 973 starb, waren die Weichen für eine
reibungslose Nachfolge schon lange gestellt. Otto II war seit zwölf
Jahren König und seit fünf Jahren Kaiser. Anders als sein Vater
hatte er auch keinen Bruder, der ihm die Herrschaft hätte streitig
machen können. Am Morgen des 8. Mai wurde ihm von den anwesenden
Großen gehuldigt. Widukind parallelisiert diese Wahl zum Oberhaupt
mit dem Herrschaftsantritt seines Vaters 936 in Aachen. Als eine
seiner ersten Handlungen bestätigte Otto die Besitzungen und Rechte
des Erzbistums Magdeburg. In den ersten drei Monaten seiner
Herrschaft traf Otto mit den Erzbischöfen des Reiches, den Herzögen
und vielen Bischöfen zusammen. Er besuchte die Zentralorte des
Königtums in Sachsen, Franken und Niederlothringen. Über Werla und
Fritzlar zog er nach Worms, wo der erste große Hoftag einberufen
wurde. In Worms begrüßten ihn die Erzbischöfe Dietrich von Trier,
Adalbert von Magdeburg, Friedrich von Salzburg, die Bischöfe
Dietrich von Metz, Wolfgang von Regensburg, Abraham von Freising und
Pilgrim von Passau. Einen Monat später fand in Aachen am Ort der
Königskrönung ein weiterer Hoftag statt. In Magdeburg feierte Otto
das Fest des heiligen Laurentius.
Obwohl
der Herrschaftsübergang reibungslos abgelaufen war, musste über die
zukünftige Verteilung von Macht neu entschieden werden. In der
sächsischen Adelslandschaft bestanden die Widerstände gegen die
Gründungen der Bistümer an der Ostgrenze unter Otto dem Großen
fort. Die Regelung vieler Details, von der genauen Grenzziehung bis
zur Ausstattung der Bistümer, blieb Otto II überlassen. Unter
seinen Beratern besaß nur Bischof Dietrich von Metz aus der älteren
Generation eine herausragende Stellung. Bei seinen anderen Beratern
handelte es sich meist um Personen, die nicht unbedingt Rückhalt in
mächtigen Verwandtschaftskreisen besaßen. Willigis war, obwohl er
nicht aus einer angeseheneren Familie entstammte, bereits mit dem
jungen Mitkaiser in Italien gewesen und seit 971 Erzkanzler. Im Jahre
975 wurde er von Otto zum Erzbischof von Mainz erhoben. Auch
Hildebald, der 977 die Leitung der Kanzlei erhielt und dem 979
zusätzlich das Bistum Worms übergeben wurde, gehörte nicht zu
einer der ersten Familien des Reiches.
Die
unsicheren Verhältnisse in Italien waren von Otto I nicht geklärt
worden. In Rom erhoben die Adligen gegen den 972 gewählten Papst
Benedikt VI den Gegenpapst Bonifaz VII. Wenig später wurde Benedikt
in der Engelsburg ermordet. Durch den Herrscherwechsel musste das
Verhältnis zu den auswärtigen Königen und Fürsten neu austariert
werden. In den ersten sieben Jahren war Otto damit beschäftigt, die
königliche Macht gegenüber inneren und äußeren Gegnern zu
behaupten. Die Konflikte in den Anfangsjahren führten zu einer
Änderung der Titulatur. Am 29. April 974 tauchte für die Kaiserin
die neue Titulatur Co-Imperatrix Augusta auf. Sie sollte Theophanu
nach byzantinischem Vorbild bei einer Thronvakanz das Recht zur
Nachfolge sichern. Theophanu trug damit einen Titel, den vor ihr und
nach ihr keine zweite lateinische Kaiserin führte. In dieser Zeit
vollzog Otto eine grundlegende Neuordnung der Besitzverhältnisse
unter den Frauen des kaiserlichen Hofes. Theophanu erhielt reichen
Besitz in Nordhessen und in Thüringen. Auch seine Schwester Mathilde
von Quedlinburg und seine Mutter, die Kaiserin Adelheid, empfingen
Schenkungen, allerdings weniger als seine Gattin.
Um
mit der jüngeren Linie der Nachkommen des Dynastiegründers Heinrich
I einen Ausgleich zu schaffen, schenkte Otto II 973 seinem Vetter,
Herzog Heinrich dem Zänker von Bayern, die ottonische Königsburg
Bamberg und den Ort Stegaurach mit allem Zubehör. Dennoch versuchte
Heinrich der Zänker in Bayern die ihm von Otto I eingeräumte
königsgleiche Stellung zu intensivieren und seinen Einfluss auf
Schwaben auszuweiten. Nach dem Tod des Bischofs Ulrich von Augsburg
973 war Abt Werner von Fulda, ein Vertrauter von Otto I und wichtiger
Berater Ottos II, als Nachfolger vorgesehen. Doch betrieben Heinrich
der Zänker und sein Schwager Burchard III von Schwaben ohne
Rücksprache mit Otto und unter Täuschung des Domkapitels die
Erhebung von Heinrichs gleichnamigem Vetter zum neuen Augsburger
Bischof. Dieser Wahl stimmte Otto II nachträglich zu.
Nach
dem Tod des Herzogs Burchard von Schwaben im November 973 sah sich
dessen Witwe Hadwig als Erbin der Herzogsgewalt. Doch Otto setzte
sich über ihre Ansprüche hinweg und bestimmte seinen Neffen Otto
zum Nachfolger, den Sohn seines Halbbruders Liudolf, einen Gegner der
bayerischen Liudolfinger. Otto wich damit nicht von dem Prinzip ab,
wichtige Würden im Reich mit Verwandten des Kaiserhauses zu
besetzen.
In
dieser Zeit war es aber zum Zerwürfnis zwischen Otto und seiner
Mutter Adelheid gekommen. Sie hatte ihren Sohn seit der Beisetzung
Ottos I bis Ostern 974 ständig auf dem Umzug im Reich begleitet. Ein
letztes Zusammentreffen kurz vor Pfingsten zur gütlichen
Verständigung mit Adelheid, Herzog Heinrich und dessen Berater,
Bischof Abraham von Freising, scheiterte. Adelheid zog sich von Ottos
Hof zurück. Da sie jedoch erst 978 in ihre burgundische Heimat
zurückkehrte, trugen noch zusätzliche Konflikte zum Zerwürfnis mit
ihrem Sohn bei.
Die
Herzogserhebung Ottos fasste Heinrich der Zänker offensichtlich als
Angriff auf seine königsgleiche Stellung auf. Er und sein Berater
Bischof Abraham von Freising verschworen sich mit den Herzögen
Mieszko von Polen und Boleslaw von Böhmen gegen den Kaiser. Heinrich
beabsichtigte zunächst nur die Wiederherstellung seiner Ehre und
seiner Stellung neben Adelheid als einflussreichster Berater. Als
Reaktion auf die Verschwörung sandte Otto den Bischof Poppo von
Würzburg und den Grafen Gebhard zu Heinrich dem Zänker und lud ihn
und alle seine Anhänger zu einem Hoftag. Sollten diese sich weigern,
wurde ihnen die Exkommunikation angedroht. Der Aufforderung leistete
Heinrich Folge. Er unterwarf sich Otto, noch bevor es zu bewaffneten
Auseinandersetzungen kam. Dennoch wurden beide hart bestraft. Der
Herzog wurde in Ingelheim inhaftiert, Bischof Abraham von Freising in
Corvey.
976
kehrte Heinrich nach Bayern zurück. Er führte sogleich den Konflikt
gegen Otto fort, er beanspruchte die Herrschaft Ottos. Heinrich
setzte nicht nur Regensburg in Verteidigungsbereitschaft, sondern
mobilisierte auch im sächsischen Adel seinen starken Anhang. Otto
zog daraufhin mit einem Heer nach Bayern, belagerte Regensburg, wo
sich Heinrich verteidigte. Die Bischöfe im kaiserlichen Heer
exkommunizierten den Herzog. Der Belagerung konnte Heinrich nicht
standhalten, und er floh zum Böhmenherzog Boleslaw.
In
Regensburg traf Otto im Juli 976 weitreichende Entscheidungen zur
Neuordnung der süddeutschen Herzogtümer. Bayern wurde in seinem
territorialen Bestand um fast ein Drittel verkleinert. Als Folge
dieser Maßnahme wurde das Herzogtum Kärnten neu geschaffen. Durch
Entzug der Grafschaften Verona und Friaul büßten die bayerischen
Herzöge auch ihren erheblichen Einfluss in Oberitalien und auf die
königliche Italienpolitik ein. Durch die Einsetzung seines Neffen
Otto von Schwaben und des Luitpoldingers Heinrich förderte Otto aber
auch Leute, die nicht zu den Begünstigten seines Vaters gehörten
oder gar gegen ihn gekämpft hatten.
Ein
erster Zug nach Böhmen scheiterte, doch gelang es Otto durch einen
weiteren Zug, Boleslaw im August 977 zur Unterwerfung zu zwingen.
Währenddessen hatte Heinrich der Zänker mit böhmischer
Unterstützung und seinem luitpoldingischen Verwandten Heinrich von
Kärnten, den soeben erhobenen Herzog in Kärnten, Passau besetzt.
Auch Bischof Heinrich von Augsburg hatte sich der Erhebung
angeschlossen. Otto zog deshalb von Böhmen nach Passau und konnte
nach langer Belagerung seine Gegner zur Unterwerfung zwingen. Die
Aufständischen wurden aufgefordert, zum Osterhoftag 978 in
Quedlinburg zu erscheinen. Boleslaw wurde ehrenvoll behandelt,
gelobte Treue und wurde mit königlichen Geschenken geehrt. Bischof
Heinrich wurde ins Kloster Werden geschickt und nach vier Monaten
wieder freigelassen. Heinrich der Zänker kam jedoch bis zum Tode
Ottos nicht mehr frei. Er wurde zu Bischof Folcmar in Utrecht in Haft
geschickt.
Otto
griff in die Struktur des bayerischen Regnums ein und strebte eine
hierarchische Unterordnung des Herzogs unter die kaiserliche
Autorität an. Der Sohn des Zänkers, der spätere Kaiser Heinrich
II, wurde der Hildesheimer Domschule zur Ausbildung für die
geistliche Laufbahn übergeben. Otto beabsichtigte, die weltliche
Herrschaft der bayerischen Liudolfinger endgültig zu beenden. In
Bayern musste Otto die Macht neu verteilen. Otto von Schwaben behielt
das verkleinerte Bayern. Das neue Herzogtum Kärnten wurde an den
salischen Neffen Otto von Worms vergeben. In Bayern und Kärnten
walteten nun Herzöge, die keine eigene Machtbasis in ihrem
Amtsbereich besaßen. Zu Ottos Neuordnung im Südosten gehörte auch
die Gründung des Bistums Prag im Jahre 976, das in die
Kirchenprovinz seines Vertrauten Willigis von Mainz eingegliedert
wurde. Als ersten Bischof ernannte er den Corveyer Mönch Dietmar.
Bayern blieb jedoch auch unter Otto eine Fernzone der
Königsherrschaft. Der Kaiser suchte Bayern lediglich dreimal auf, in
allen Fällen standen diese Besuche unter kriegerischen Vorzeichen.
Der
Dänenkönig Harald Blauzahn edrkannte die Oberhoheit Ottos des
Großen an und war zum Christentum übergetreten. Gegenüber Ottos
Vater hatte Harald alle seine Verpflichtungen erfüllt und Tribut
entrichtet. Mittlerweile hatte er jedoch seine Herrschaft über
Norwegen ausgedehnt. Angesichts seines Altersvorrangs und seiner
gesteigerten Macht war er nicht bereit, dem jungen Herrscher wie
einst dem Vater zu dienen. Im Sommer 974 fiel er in Nordalbingien
ein. Von norwegischen Scharen unter Jarl Hakon unterstützt, drang er
über den dänischen Schutzwall, das Danewerk, nach Süden vor. Ein
erster Gegenangriff Ottos scheiterte vor dem von Jarl Hakon und den
Norwegern zäh verteidigten Danewerk. Erst im Herbst, als die
Norweger wieder nach Norden abgesegelt waren, gelang Otto der
Durchbruch. Durch ein kastellartiges Tor im dänischen
Befestigungswall hatte der Kaiser jederzeit Zugang zum Königreich
Haralds. Doch war Harald auf keinem Hoftag Ottos.
Bereits
vor den Konflikten im Süden des Reiches war es zu Streitigkeiten im
Westen gekommen. Die Brüder Reginar IV und Lambert aus der
lothringischen Herzogsfamilie der Reginare nahmen 973 den Kampf um
ihr väterliches Erbe auf. Ihr Vater Reginar III hatte 958 nach einer
Empörung gegen den König alle Güter verloren und war zu
lebenslangem Exil beim Böhmenherzog verurteilt wurden. Otto II hatte
973 anlässlich der Huldigung der lothringischen Großen Ämter und
Lehen vergeben. Otto hielt an der Entscheidung seines Vaters fest und
enttäuschte somit die beiden Söhne, die sich Hoffnungen auf einen
Neubeginn gemacht hatten. Reginar und Lambert kehrten im Herbst 973
zurück, um sich ihr Erbe gewaltsam zurückzuholen. 976 wiederholten
sie den Versuch, unterstützt wurden sie dieses Mal vom
westfränkischen König Lothar. Um die Situation in Lothringen zu
beruhigen, wurde auf einem Hoftag Mitte Mai 977 in Diedenhofen
Reginar und Lambert der alte Familienbesitz zurückerstattet.
Außerdem wurde der Karolinger Karl mit dem Herzogtum
Niederlothringen belehnt und der Kanzler Egbert zum Erzbischof von
Trier eingesetzt.
Als
sich im Juni 978 Otto mit Theophanu in Aachen aufhielt, fiel
überraschend Lothar in Niederlothringen ein. Der Grund war die
Ernennung seines Bruders Karl zum Herzog von Lothringen, da Lothar
mit ihm in unversöhnlichem Streit stand. Otto war so überrascht,
dass er sich zu Pferd vom Herannahen des westfränkischen Heers
überzeugte. Das Kaiserpaar konnte sich durch Flucht nach Köln
retten. Doch Lothar sicherte sich in Lothringen weder Machtpositionen
noch versuchte er, die Herrschaft zu ergreifen. Er beließ es bei
einer symbolträchtigen Demonstration: Seine Krieger drehten einen
auf der Pfalz Karls des Großen angebrachten Adler in die
entgegengesetzte Richtung. Bei der Reichsversammlung in Dortmund
Mitte Juli beschloss Otto einen Feldzug gegen das Westfrankenreich.
Noch im Herbst desselben Jahres wurde das Unternehmen begonnen. Otto
sammelte ein Heer und fiel nun in das Westreich ein. Die Belagerung
von Paris musste er wegen des Wintereinbruchs abbrechen. Der Kaiser
begnügte sich damit, auf dem Montmartre das Heer zu einer
Siegesfeier antreten zu lassen und durch die Geistlichkeit das
Halleluja anzustimmen. Durch den Feldzug nach Paris hatte Otto seine
Ehre wiederhergestellt. 980 kam es zu Verhandlungen über eine
Aussöhnung. Beide Herrscher trafen in Margut-sur-Chiers zusammen und
stellten den Frieden durch ein Freundschaftsbündnis wieder her. Otto
zog von dort nach Aachen, wo er über Pfingsten Hof hielt. Von Aachen
wandte er sich nach Nimwegen. Auf dem Weg dorthin gebar die Kaiserin
Theophanu im Königsforst Kessel bei Kleve – nach den drei Töchtern
Adelheid, Sophia und Mathilde – den Thronfolger Otto. Danach kehrte
Otto nach Sachsen zurück, wo er Memleben eine große Stiftung
Nachdem
Otto seine Herrschaft nördlich der Alpen gefestigt hatte, und nach
der Geburt des Thronfolgers, rückte Italien in den Mittelpunkt. 979
war die Stellung des Papstes Benedikt VII bedroht, der sich aus Rom
zurückziehen musste und sich an den Kaiser wandte. Otto II reiste
mit Theophanu und seinem Sohn Otto, jedoch ohne größeres Heer, nach
Italien. Als Stellvertreter im Reich wurde der Mainzer Erzbischof
Willigis ernannt. Im fränkischen Bruchsal wurden im Oktober 980
letzte Regelungen für die Gebiete nördlich der Alpen getroffen und
erste italienische Delegationen empfangen. Der Kaiser zog mit seinem
Gefolge von Chur und Chiavenna nach Italien. In Pavia erfolgte die
Versöhnung des Kaisers mit seiner Mutter Adelheid. In dieser Zeit
war auch der Erzbischof Adalbero von Reims im Gefolge mit Gerbert von
Aurillac, einem der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit, gekommen.
Der ganze Hof fuhr nach Pavia, um dort das Weihnachtsfest zu feiern.
In Ravenna eröffnete der Kaiser ein wissenschaftliches
Streitgespräch über die Einteilung der Wissenschaften zwischen
Gerbert und dem ehemaligen Leiter der Magdeburger Domschule, Ohtrich,
der in dieser Zeit Dienst in der Hofkapelle tat. Ohtrich war Gerbert
wissenschaftlich aber nicht gewachsen. In Rom traf Otto zu
Fastenbeginn ein. Ohne Schwierigkeiten konnte Otto Papst Benedikt VII
nach Rom zurückführen. Der Gegenpapst floh nach Byzanz. In Rom
wurde zu Ostern 981 ein prunkvoller Hoftag abgehalten, zu dem sich
beide Kaiserinnen und Ottos Schwester Mathilde, dazu König Konrad
von Burgund und dessen Gemahlin Mathilde, ferner Herzog Hugo Capet
von Franzien, Herzog Otto von Schwaben, sowie hohe weltliche und
geistliche Würdenträger aus Deutschland, Italien und Frankreich
trafen. In der Sommerhitze zog sich Otto mit seinem Hof zunächst an
den Südrand des Apennin zurück, dann im August in die zentralen
Abruzzen.
Der
Einfluss Theophanus auf Ottos Süditalienpolitik war groß. Seine
Kaiseridee gründete sich nicht nur auf die Herrschaft in und über
Rom oder auf die Zusammenarbeit mit dem Papsttum, sondern zielte auf
die uneingeschränkte Herrschaft über ganz Italien. Seinen Anspruch
auf die Herrschaft über Süditalien untermauerte er durch die
Annahme eines neuen Titels: „Romanorum Imperator Augustus“
(„erhabener Kaiser der Römer“). Otto strebte die vollständige
Unterwerfung Süditaliens unter seiner Kaiserherrschaft an. Doch dies
bedeutete Krieg mit Byzanz und den Sarazenen, die Süditalien als
ihren Machtbereich beanspruchten. In Byzanz hatte es allerdings
innere Wirren um die Herrschaft gegeben. Kaiser Johannes Tzimiskes
war 976 gestorben. Seine Familie, zu der auch Ottos Gemahlin
Theophanu gehörte, wurde von den neuen Machthabern verfolgt. Dafür
rückten seit 976 die Sarazenen immer weiter nach Kalabrien vor.
In
Auseinandersetzung mit den byzantinischen Amtsträgern in Süditalien
hatte der langobardische Fürst Pandulf Eisenkopf zur Zeit Ottos I
einen Machtbereich aufgebaut, der das Fürstentum Capua, das
Herzogtum Benevent, das Herzogtum Spoleto und die Markgrafschaft
Camerino umfasste. Pandulf hatte dem Kaiser Otto I gehuldigt, war
jedoch im Frühjahr 981 gestorben. Damit hatte der Kaiser eine der
wichtigsten Stützen seiner Herrschaft in Mittelitalien verloren. Der
Zerfall des gesamten Machtblocks drohte, denn Byzanz hatte seine
Ansprüche auf die Oberhoheit über die langobardischen Fürstentümer
nicht aufgegeben. Otto II versuchte nach dem Tod Pandulfs, die
langobardischen Fürstentümer politisch wie kirchlich seiner
Herrschaft zu unterwerfen. Bei zahlreichen Aufenthalten sprach er
Recht und griff in das herrschaftliche Gefüge ein.
Auch
das Verhältnis zu Venedig wurde neu geordnet. Der Doge Pietro IV
hatte sich an Otto I angelehnt, der ihn wiederum dazu veranlasst
hatte, ihm Tribut zu leisten. Doch im August 976 war Pietro IV
ermordet worden. Seither beherrschten wechselnde Gruppierungen
Venedig. Als die weiterhin Otto II loyale Familie Coloprini mit den
pro-byzantinischen Morosini und Orseolo in Konflikt geriet, wandte
sie sich an Otto. Otto berhängte nach seiner Ankunft in Italien eine
Handelsblockade gegen die Inselrepublik. Während die erste im Januar
oder Februar 981 angeordnete Handelsblockade kaum Wirkung zeigte,
fügte die zweite, die im Juli 983 verhängt wurde, Venedig
erhebliche Schäden zu und spaltete die herrschenden Familien der
Republik. Die Unterwerfung Venedigs unter das Imperium schien nicht
mehr unmöglich zu sein, wurde aber durch den frühen Tod Ottos II
verhindert.
Mönchtum
und Klöster nahmen in der Herrschaft Ottos eine bedeutende Stellung
ein. Otto stärkte ihre rechtliche Integrität und wirtschaftliche
Unabhängigkeit gegenüber Adel und Episkopat. Unter Otto und
Theophanu wurde Memleben durch die Gründung einer Benediktinerabtei
aufgewertet. Das Kloster wurde reich mit Grundbesitz, Kirchen und
Zehntrechten ausgestattet. Diese Maßnahmen und die ungewöhnliche
Größe des Baus deuteten darauf hin, dass Memleben als Grabkirche
des Kaiserpaares gedacht war.
Nach
der Niederschlagung der Aufstände Heinrichs des Zänkers wurden die
Klöster als Verwahrstätten für Hochverräter herangezogen. Während
sein Vater in 37 Regierungsjahren mit Sankt Mauritius in Magdeburg
nur ein einziges Kloster gegründet hatte, darf Otto II für
mindestens vier Klöster den Rang des Gründers oder Mitstifters
beanspruchen. Die aktive Einbindung des Mönchtums in die kaiserliche
Politik bildete geradezu eine Grundkonstante in Ottos Verhältnis zum
Klosterwesen, dessen Vertreter er mit zentralen politischen
Funktionen betraute.
Otto
zählte bedeutende Mönche wie Ekkehard von Sankt Gallen, Majolus von
Cluny, Johannes Philagathos und Gregor von Cassano zu seinen
politischen Beratern. Das Kloster Sankt Gallen wurde von Otto mit
einer lebenslangen Fürsorge bedacht. Bereits in seinen ersten
Regierungsjahren beabsichtigte Otto aus Sorge um sein Seelenheil und
das seiner Gemahlin Theophanu, Bruder der Mönche zu werden. Durch
das Diplom vom 19. Januar 976 fand Otto Aufnahme in der
Gebetsbruderschaft des Klosters Sankt Bavo. Damit war Otto
gleichzeitig eine Gebetsbruderschaft mit dem Mönchskonvent
eingegangen. 977 schloss ebenfalls das Nachbarkloster Blandigni eine
Gebetsverbrüderung mit ihm.
In
Italien berief Otto 982 drei enge Vertraute zu Äbten. Wohl im
Spätsommer 982 wurde Gerbert von Aurillac Abt im Kloster Bobbio. Im
selben Jahr wurde der kaiserliche Erzkanzler für Italien, Johannes
Philagathos, in Nonantola zum Abt berufen, in Farfa erhielt Ende 982
Adam von Casa Aurea dieses Amt.
Grund
für ein militärisches Unternehmen in Süditalien waren die Angriffe
der Sarazenen unter der Führung des Emirs Abu al-Qasim auf das
süditalienische Festland. Durch den Tod des Pandulf Eisenkopf
vergrößerte sich die von ihnen ausgehende Gefahr. Der Zug nach
Süden wurde sorgfältig vorbereitet. Von geistlichen und weltlichen
Großen aus Lothringen, Franken, Schwaben und Bayern wurden insgesamt
2100 Panzerreiter aufgeboten. Dabei wurden achtzig Prozent des
Kontingents von geistlichen Institutionen gestellt.
Der
Feldzug begann am Tag des Heiligen Mauritius. Otto konnte zunächst
Salerno einnehmen, wo er das Weihnachtsfest feierte. Als Zeichen
seiner hegemonialen Stellung und der Legitimität seines Vorstoßes
auf byzantinisches Gebiet nahm er während der Belagerung Tarents im
März 982 den Titel eines Kaisers der Römer, Romanorum Imperator
Augustus, an. Dieser Kaisertitel sollte nach der Kaiserkrönung Ottos
III für alle westlichen Kaiser üblich werden. In Tarent feierte der
Kaiser das Osterfest. In Rossano ließ er seine Gemahlin Theophanu
und den Hofstaat zurück, da nun ein Zusammenstoß mit den Truppen
des Emirs Abu al-Qasim drohte. Am 15. Juli 982 kam es zur Schlacht am
Kap Colonna. Zunächst war das ottonische Heer erfolgreich, der Emir
fiel. Als sich die Schlachtreihen auflösten, griffen jedoch
sarazenische Reserven ein und vernichteten die kaiserlichen Truppen
fast vollständig. Der Kaiser selbst geriet in höchste Lebensgefahr
und konnte sich nur durch die Flucht auf ein byzantinisches Schiff
retten. Nur knapp entging er dem Versuch der Schiffsbesatzung, ihn
als Geisel zu nehmen. Otto gelang es vor Rossano, vom Schiff zu
springen. Schwimmend erreichte er das rettende Ufer. Allein durch die
Hilfe eines Mainzer Juden, der ihm ein Pferd überließ, konnte er
entkommen.
Die
Sarazenen nutzten jedoch ihren Erfolg nicht zum weiteren Vordringen,
sondern zogen sich nach Sizilien zurück. Otto zog sich über
Capaccio, Salerno und Capua nach Rom zurück, wo er mehrere Monate
blieb und auch das Weihnachts- sowie das Osterfest feierte.
Nach
Erhalt der Unglücksbotschaft verlangten die im Reich verbliebenen
Großen ein Treffen mit dem Kaiser. Zu Pfingsten 983 wurde ein Hoftag
in Verona einberufen. Dort wurden die Herzogtümer Bayern und
Schwaben neu besetzt. Nahezu alle in Verona gefassten Beschlüsse
brachten der Fürstenopposition einen Machtgewinn. Deutlichstes Indiz
war die Erhebung des bisher in der Verbannung befindlichen
Luitpoldingers Heinrich des Jüngeren, eines Rebellen von 977, zum
Herzog von Bayern. Das Herzogtum Schwaben erhielt Konrad aus dem
Geschlecht der Konradiner. Der Tscheche Voitech, mit Taufnamen
Adalbert, wurde zum Bischof von Prag bestellt und am 3. Juni vom
Kaiser mit dem Stab investiert. Am 7. Juni wurden mit Venedig
umfassende Abmachungen getroffen. Seeblockade und Handelskrieg wurden
beigelegt. Die wichtigste Entscheidung der Großen Italiens und
Deutschlands war die Wahl des dreijährigen Otto III zum König. Otto
III war der einzige römisch-deutsche König, der südlich der Alpen
gewählt wurde. Mit den abziehenden Teilnehmern des Hoftages wurde
das Kind über die Alpen geleitet, um am traditionellen Krönungsort
der Ottonen, in Aachen, die Königsweihe zu empfangen.
983
erhoben sich die slawischen Stämme östlich der Elbe. Der
Abodritenfürst Mistui vernichtete das Bistum Oldenburg und zerstörte
Hamburg. Am 29. Juni wurde Havelberg überfallen, drei Tage später
Brandenburg. Beide Bischofssitze mit ihren Kirchen wurden zerstört.
Einem
sächsischen Heer unter der Führung des Erzbischofs Giselher von
Magdeburg und des Bischofs Hildeward von Halberstadt gelang es in der
Schlacht an der Tanger, den Vorstoß auf Magdeburg abzuwehren und die
Slawen zum Rückzug über die Elbe zu zwingen. Die Erfolge
christlicher Missionspolitik wurden zunichtegemacht, und die
politische Kontrolle der Gebiete östlich der Elbe ging verloren. In
kürzester Zeit war das Missionswerk Ottos I vernichtet. Das Gebiet
der Slawen blieb, abgesehen vom sorbischen Bereich, für ein
Jahrhundert der Christianisierung verschlossen.
Im
September ging Otto nach Rom, um dort einen Nachfolger für den im
Juli verstorbenen Papst Benedikt VII zu erheben. Mit seinem Kanzler
Bischof Petrus von Pavia wurde eine Persönlichkeit Papst, die nicht
aus dem Umfeld der römischen Kirche stammte.
Eine
Malariainfektion verhinderte die erneute Aufnahme der militärischen
Aktivitäten in Süditalien und führte zum Tod des Kaisers. Völlig
unerwartet starb er im Alter von 28 Jahren am 7. Dezember 983.
Otto
verblieb lediglich noch die Zeit, sein Geld aufzuteilen. Er schenkte
einen Teil seiner Mittel den Kirchen, den Armen, seiner Mutter,
seiner Schwester Mathilde sowie seinen Dienern und adligen
Gefolgsleuten. Vorbereitungen oder längerfristige Pläne zur
Bestattung sind nicht bekannt. Von den Getreuen wurde Otto in der
Vorhalle von Sankt Peter beigesetzt. Anders als seine Vorgänger und
Nachfolger fand er seine letzte Ruhestätte in der Fremde und nicht
an einem Ort, den er selbst gestiftet oder reich ausgestattet hatte,
um seine Memoria liturgisch zu sichern.
Der
dreijährige Sohn Otto III wurde drei Wochen nach dem Tod seines
Vaters am Weihnachtsfest des Jahres 983 in Aachen zum König geweiht.
Während die Konsekration durchgeführt wurde, traf die Nachricht vom
Tod seines Vaters ein. Währenddessen weilten die Kaiserinnen
Theophanu und Adelheid sowie Ottos Tante Mathilde ein halbes Jahr in
Italien und kehrten erst zurück, als sich eine Lösung in der
Nachfolge abzeichnete.
Für
die Zeit der Regentschaft wurde Theophanu die wichtigste der Dominae
Imperiales. Einmal zog sie während ihrer Regentschaft nach Italien.
Am 7. Dezember 989, dem Todestag ihres Gatten, weilte sie an seinem
Grab und kümmerte sich um seine Memoria. Nach Theophanus Tod 991
übernahm Adelheid die Regentschaft für Otto III. Die Regentschaft
der Kaiserinnen blieb von größeren Konflikten verschont. Ihrer
wichtigsten Herrscheraufgabe, der Friedenswahrung, wurden sie
gerecht.
OTTO III
Die
Eltern Ottos III waren Kaiser Otto II und dessen byzantinische Frau
Kaiserin Theophanu. Er wurde 980 auf der Reise von Aachen nach
Nimwegen im Ketilwald geboren. Er hatte mit Adelheid, Sophia und
Mathilde drei Schwestern.
Im
Juli 982 wurde das Heer seines Vaters in der Schlacht am Kap Colonna
von Sarazenen vernichtend geschlagen. Der Kaiser konnte nur mit Mühe
entkommen. Da wurde zu Pfingsten 983 ein Hoftag zu Verona einberufen,
dessen wichtigste Entscheidung die Königswahl Ottos III war. Es war
zugleich die einzige auf italischem Boden vollzogene Königswahl. Mit
den abziehenden Teilnehmern des Hoftages reiste Otto III über die
Alpen, um am traditionellen Krönungsort der Ottonen, in Aachen, die
Königsweihe zu empfangen. Als er dort am Weihnachtsfest 983 von den
Erzbischöfen Willigis von Mainz und Johannes von Ravenna zum König
gekrönt wurde, war sein Vater bereits seit drei Wochen tot. Kurz
nach den Krönungsfeierlichkeiten traf die Todesnachricht ein und
machte dem Freudenfest ein Ende.
Der
Tod Ottos II führte sowohl in Italien als auch im Osten des Reiches
zu Erhebungen gegen ottonische Herrschaftsträger. Östlich der Elbe
machte 983 ein Slawenaufstand die Erfolge christlicher
Missionspolitik zunichte.
Als
Angehöriger der bayerischen Linie war Heinrich der Zänker der
nächste männliche Verwandte. Der wegen mehrerer Rebellionen gegen
Otto II in Utrecht in Haft sitzende Heinrich wurde sofort nach dem
Tod Ottos von Bischof Folcmar von Utrecht freigelassen. Erzbischof
Warin von Köln übergab ihm nach dem Verwandtschaftsrecht den soeben
gekrönten, sehr jungen König. Hiergegen gab es keinen Widerspruch,
da sich außer Ottos Mutter Theophanu auch seine Großmutter Adelheid
und seine Tante Mathilde noch in Italien aufhielten.
Doch
der Zänker strebte weniger nach der Vormundschaft für das Kind als
vielmehr nach der Übernahme der Königsherrschaft. Heinrich
versuchte durch Freundschaft und Schwureinung Netzwerke zu bilden.
Sofort vereinbarte er ein Treffen in Breisach mit dem Ziel, ein
Freundschaftsbündnis mit dem westfränkischen König Lothar zu
schließen, der in gleichem Grade wie er mit dem jungen Otto verwandt
war. Heinrich scheute jedoch ein Zusammentreffen mit Lothar und zog
sofort von Köln aus, wo er den jungen Otto übernommen hatte, über
Corvey nach Sachsen. In Sachsen lud Heinrich alle Großen zur Feier
des Palmsonntages nach Magdeburg ein. Dort warb er offen um
Unterstützung für sein Königtum, jedoch mit wenig Erfolg.
Gleichwohl war seine Anhängerschaft zahlreich genug, um nach
Quedlinburg zu ziehen und dort in bewusster Anlehnung an die
ottonische Tradition das Osterfest zu feiern. Dabei versuchte
Heinrich in Verhandlungen die Zustimmung der Anwesenden zu einer
Königserhebung zu erhalten und erreichte, dass viele ihm als ihrem
König und Herrn eidlich ihre Unterstützung zusagten. Zu denen, die
Heinrich unterstützten, gehörten Mieszko I von Polen, Boleslaw II
von Böhmen und der Slawenfürst Mistui.
Um
Heinrichs Pläne zu durchkreuzen, verließen seine Gegner Quedlinburg
und schlossen sich auf der Asselburg zu einer Schwureinung zusammen.
Als Heinrich davon Kenntnis erhielt, zog er mit militärischen
Verbänden von Quedlinburg nach Werla in die Nähe seiner Gegner, um
sie entweder zu zersprengen oder Vereinbarungen mit ihnen zu treffen.
Außerdem schickte er Bischof Folcmar von Utrecht zu ihnen, um über
eine Lösung des Problems zu verhandeln. Dabei wurde deutlich, dass
die Gegner Heinrichs nicht bereit waren, von der ihrem König
geschworenen Treue abzulassen. Heinrich erhielt lediglich die
Zusicherung für künftige Friedensverhandlungen in Seesen. Daraufhin
brach er abrupt nach Bayern auf; dort fand er die Anerkennung aller
Bischöfe und einiger Grafen. Nach seinen Misserfolgen in Sachsen und
Erfolgen in Bayern hing nun alles von der Entscheidung in Franken ab.
Die fränkischen Großen unter Führung des Mainzer Erzbischofs
Willigis und des Schwabenherzogs Konrad waren aber unter keinen
Umständen bereit, die Thronfolge Ottos infrage zu stellen. Da
Heinrich den militärischen Konflikt scheute, übergab er das
königliche Kind am 29. Juni 984 im thüringischen Rohr dessen Mutter
und Großmutter.
Von
985 bis zu ihrem Tod übte Ottos Mutter Theophanu die
Regierungsgeschäfte aus. Die lange Phase ihrer Regentschaft blieb
frei von Konflikten. Sie bemühte sich während ihrer Regentschaft um
die Wiedereinsetzung des Bistums Merseburg, das ihr Gatte Otto II im
Jahre 981 aufgehoben hatte. Ferner übernahm sie die Kapläne der
Hofkapelle ihres Mannes, und auch deren Leitung verblieb in den
Händen des Kanzlers Bischof Hildebold von Worms und des Erzkaplans
Willigis von Mainz. Beide Bischöfe entwickelten sich durch
regelmäßige Interventionen quasi zu Mitregenten der Kaiserin.
Im
Jahre 986 feierte der fünfjährige Otto III das Osterfest in
Quedlinburg. Die vier Herzöge Heinrich der Zänker als Truchsess,
Konrad von Schwaben als Kämmerer, Heinrich der Jüngere von Kärnten
als Mundschenk und Bernhard von Sachsen als Marschall übten dort die
Hofämter aus. Dieser Dienst der Herzöge war schon bei der Aachener
Königserhebung Ottos des Großen 936 oder derjenigen Ottos II 961
geübt worden. Durch diesen Dienst symbolisierten die Herzöge ihre
Dienstbereitschaft gegenüber dem König. Darüber hinaus
symbolisierte der Dienst Heinrichs des Zänkers am Ort seiner zwei
Jahre zuvor missglückten Usurpation seine vollständige Unterwerfung
unter die königliche Gnade. Otto III erhielt durch den Grafen Hoico
und durch Bernward, den späteren Bischof von Hildesheim, eine
umfassende Ausbildung in höfisch-ritterlichen Fähigkeiten sowie
geistige Bildung und Erziehung.
An
der Ostgrenze war es in den Monaten des Thronstreites mit Heinrich
dem Zänker zwar ruhig geblieben, jedoch hatte der Liutizen-Aufstand
massive Rückschläge für die ottonische Missionspolitik zur Folge.
Daher führten sächsische Heere in den Jahren 985, 986 und 987
Feldzüge gegen die Elbslawen. Den Slawenzug von 986 begleitete der
sechsjährige Otto, der damit erstmals an einer Kriegshandlung
teilnahm. Der Polenherzog Mieszko unterstützte mehrfach mit einem
großen Heer die Sachsen und huldigte Otto, wobei er ihn 986 durch
das Geschenk eines Kamels geehrt hatte. Im September 991 rückte Otto
gegen Brandenburg vor, das kurzzeitig eingenommen werden konnte. 992
erlitt er jedoch bei einem erneuten Slawenzug vor Brandenburg schwere
Verluste. In der Zeit der Kämpfe an der Ostgrenze wurde für
Theophanu ein ostpolitisches Konzept postuliert, das die kirchliche
Selbstständigkeit Polens bewusst vorbereitet hatte. Anstelle
Magdeburgs hatte sie das Kloster Memleben zur Zentrale der
Missionspolitik gemacht und sich damit bewusst gegen Magdeburger
Ansprüche gestellt, die auf Oberhoheit über die missionierten
Gebiete zielten.
989
unternahm Theophanu ohne ihren Sohn einen Italienzug mit dem Zweck,
am Todestag ihres Gatten für sein Seelenheil zu beten. In Pavia
übergab sie ihrem Vertrauten Johannes Philagathos, den sie zum
Erzbischof von Piacenza erhoben hatte, die Zentralverwaltung. In
Italien stellte Theophanu einige Urkunden in eigenem Namen aus, wobei
in einem Fall ihr Name sogar in der männlichen Form angegeben wurde:
Theophanis gratia divina imperator augustus. Ein Jahr nach ihrer
Rückkehr aus Italien verstarb Theophanu am 15. Juni 991 im Beisein
ihres Sohnes in Nimwegen und wurde im Kloster Sankt Pantaleon in Köln
begraben. Eine Memorialstiftung Theophanus für Otto II, deren
Ausführung sie der Essener Äbtissin Mathilde auftrug, wurde durch
die Übertragung der Reliquien des Heiligen Marsus nach 999 von Otto
III verwirklicht. Der König scheute später für das Seelenheil
seiner Mutter keinen Aufwand. In seinen Urkunden spricht er von
seiner „geliebten Mutter“, dem Kölner Stift machte er reiche
Schenkungen.
Für
die letzten Jahre der Minderjährigkeit Ottos übernahm seine
Großmutter Adelheid die Regentschaft, unterstützt von der
Quedlinburger Äbtissin Mathilde.
Der
Übergang zur selbstständigen Regierung vollzog sich durch den
allmählichen Regentschaftsverlust der kaiserlichen Frauen. Otto III
hatte auf dem Reichstag von Sohlingen im September 994 die volle
Regierungsfähigkeit in Form einer Schwertleite erlangt.
Bereits
994 traf Otto die ersten unabhängigen Entscheidungen und setzte mit
seinem Vertrauten Heribert einen Deutschen zum Kanzler von Italien
ein, auf einer Position, die bis dahin nur Italienern vorbehalten
gewesen war. In Regensburg setzte Otto im gleichen Jahr seinen Kaplan
Gebhard auf den Bischofssitz.
Im
Sommer 995 hielt er einen Hoftag in Quedlinburg ab und führte von
Mitte August bis Anfang Oktober die seit dem Slawenaufstand von 983
fast jährlich stattfindenden Züge gegen die nördlich wohnenden
Elbslawen fort. Otto weilte als Freund und Schutzherr des
Obdodritenherzogs in Mecklenburg. Nach seiner Rückkehr erweiterte er
durch ein in Frankfurt ausgestelltes Privileg am 6. Dezember 995
erheblich das Bistum Meißen und vervielfachte dessen Zehnteinkünfte.
Im
September 995 wurde für eine Brautwerbung Ottos III der Erzbischof
Johannes Philagathos und der Bischof Bernward von Würzburg nach
Byzanz geschickt.
Nicht
nur die angestrebte Kaiserkrönung veranlasste König Otto III zu
einem baldigen Italienzug, sondern auch ein Hilferuf von Papst
Johannes XV, der vom römischen Stadtpräfekten Crescentius und
seiner Partei bedrängt wurde und Rom verlassen musste. Im März 996
brach Otto von Regensburg aus zu seinem ersten Italienzug auf. In
Verona übernahm er die Patenschaft eines Sohnes des venezianischen
Dogen Pietro II Orseolo, Ottone Orseolo, der später von 1009 bis
1026 ebenfalls Doge werden sollte. Damit führte er das traditionell
gute Verhältnis der Ottonen zu den Dogen fort.
In
Pavia traf eine römische Gesandtschaft mit Otto zusammen, um mit ihm
über die Nachfolge des inzwischen verstorbenen Papstes Johannes XV
zu verhandeln. Noch in Ravenna nominierte er seinen Verwandten und
Hofkaplan Brun von Kärnten zum Papstnachfolger und ließ ihn von
Erzbischof Willigis von Mainz und Bischof Hildebard nach Rom
begleiten, wo er als erster Deutscher zum Papst erhoben wurde und den
Namen Gregor V annahm. Bereits einen Tag nach seiner Ankunft vor Rom
wurde Otto von Senat und Adel der Stadt feierlich eingeholt und am
21. Mai 996, dem Feste Christi Himmelfahrt, vom Papst zum Kaiser
gekrönt.
An
die mehrtägigen Krönungsfeierlichkeiten schloss sich eine Synode
an, bei der sich die enge Zusammenarbeit zwischen Kaiser und Papst im
gemeinsamen Vorsitz der Synode zeigte. Die Krönungssynode brachte
Otto III auch mit zwei bedeutenden Personen in Kontakt, die sein
weiteres Leben stark beeinflussen sollten. Zum einen mit Gerbert von
Aurillac, dem Erzbischof von Reims, der bereits in dieser Zeit so
engen Kontakt zum Kaiser hatte, dass er in seinem Auftrag mehrere
Briefe formulierte, zum anderen mit Adalbert von Prag, einem
Vertreter der erstarkten asketisch-eremitischen Frömmigkeitsbewegung.
Die Wege Ottos und Gerberts von Aurillac trennten sich zwar vorerst,
doch erhielt Gerbert wenige Monate später die kaiserliche
Aufforderung, in des Herrschers Dienst zu treten: Als Lehrer sollte
er Otto III helfen, an Stelle der sächsischen Rohheit eine
griechische Feinheit zu erlangen.
Nach
der Kaiserkrönung zog Otto Anfang Juni 996 ins Reich zurück. Er
hielt sich vom Dezember 996 bis April 997 am Niederrhein und vor
allem in Aachen auf.
Bereits
Ende September 996 vertrieb Crescentius Papst Gregor V. aus Rom und
setzte mit dem Erzbischof von Piacenza und früheren Vertrauten der
Theophanu, Johannes Philagathos, einen Gegenpapst ein. Bevor Otto III
jedoch in die römischen Verhältnisse eingriff, führte er im Sommer
997 einen Feldzug gegen die Elbslawen.
Im
Dezember 997 begann Otto seinen zweiten Italienzug. Seine
dilectissima soror (vielgeliebte Schwester) Sophia, die ihn noch beim
ersten Italienzug begleitet hatte und während seines langen
Aufenthaltes in Aachen bei ihm verweilt hatte, war nicht mehr dabei.
Während seines zweiten Italienzuges betraute Otto die Äbtissin
Mathilde von Quedlinburg mit seiner Stellvertretung im Reich, eine
Stellung, die bis dahin nur Herzöge oder Erzbischöfe eingenommen
hatten.
Als
Otto im Februar 998 in Rom erschien, einigten sich die Römer gütlich
mit ihm und ließen ihn friedlich nach Rom einmarschieren.
Währenddessen verschanzte sich der Stadtpräfekt Crescentius in der
Engelsburg. Der Gegenpapst Johannes Philagathos flüchtete aus Rom
und versteckte sich in einem befestigten Turm. Er wurde von einer
Abteilung des ottonischen Heeres gefangen genommen. Schließlich
setzte ihn eine Synode ab. Das kaiserliche Heer konnte nach
intensiver Belagerung des Crescentius habhaft werden und enthauptete
ihn.
In
einer Urkunde Ottos vom 28. April 998, die für das Kloster
Einsiedeln ausgestellt wurde, erschien erstmals eine Bleibulle mit
der Devise Renovatio imperii Romanorum (Erneuerung des römischen
Reiches).
In
der Zeit des mehrjährigen Italienaufenthaltes versuchten Kaiser und
Papst den kirchlichen Bereich zu reformieren. Entfremdetes Kirchengut
sollte wieder der Verfügungsgewalt der geistlichen Institutionen
zugeführt werden.
Auf
dem Palatin ließ Otto eine kaiserliche Pfalz errichten. Auch in
mehreren Personalentscheidungen wurde der Kaiser während seines
Italienaufenthaltes aus Rom tätig und besetzte wichtige
Bischofssitze mit engen Vertrauten.
Otto
III und Papst Gregor V nahmen im Jahr 997 das Verfahren zur
Erneuerung des Bistums Merseburg wieder auf und begründeten dieses
Vorgehen auf der römischen Synode zum Jahreswechsel 998/99 damit,
dass bei der Auflösung des Bistums im Jahr 981 gegen das
Kirchenrecht verstoßen worden sei. Das Bistum sei ohne Beschluss
aufgelöst worden. Doch erst Ottos Nachfolger Heinrich II ließ das
Bistum Merseburg 1004 wieder einrichten.
Anfang
999 fand Otto Zeit für eine Bußwallfahrt nach Benevent auf den
Monte Gargano. Auf dem Weg dorthin erfuhr Otto, dass Gregor V in Rom
nach kurzer Krankheit gestorben war. In dieser Zeit suchte er auch
Nilus von Rossano als büßender Pilger auf.
Nach
seiner Rückkehr erhob er mit seinem Vertrauten Gerbert von Aurillac
als Silvester II erneut einen Nichtrömer zum Papst. Auch in anderen
Personalentscheidungen wurde der Kaiser erneut von Rom aus tätig und
besetzte wichtige Bischofssitze mit engen Vertrauten. So erhob er
seinen Kaplan Leo zum Bischof von Vercelli Auch nach dem Tod des
Bischofs Everger von Köln bestimmte Otto mit seinem Kanzler Heribert
eine Person seines Vertrauens auf diesem wichtigen Bischofssitz.
Im
Februar und März 1000 pilgerte Otto von Rom aus nach Gnesen. Er
hatte am Grab seines Vertrauten Adalbert beten wollen. Bischof
Adalbert von Prag war am 23. April 997 von heidnischen Pruzzen
erschlagen worden. Otto war nach Gnesen gekommen, um der Reliquien
Adalberts habhaft zu werden.
Bei
der Ankunft in Gnesen ließ sich Otto barfuß vom zuständigen
Ortsbischof Unger von Posen zum Grab Adalberts geleiten und bat unter
Tränen im Gebet den Märtyrer um seine Vermittlung bei Christus.
Anschließend wurde die Stadt zum Erzbistum erhoben und die
selbstständige Kirchenorganisation Polens damit begründet. Der neu
eingerichteten Kirchenprovinz Gnesen wurden das bereits bestehende
Bistum Krakau und die neu zu gründenden Bistümer Kolberg und
Breslau zugeteilt. Dem Herrschaftsbereich Boleslaw Chrobrys wurde
somit die kirchenpolitische Selbstständigkeit zugestanden.
Auf
dem Rückweg ins Reich gab Boleslaw, der vom Kaiser zum König
erhoben worden war, dem Kaiser ein glanzvolles Geleit und begleitete
den Kaiser noch über Magdeburg bis nach Aachen. Otto schenkte ihm
dort den Thronsessel Karls des Großen.
In
Magdeburg feierte Otto Palmsonntag und Ostern in Quedlinburg. Über
Trebur ging es weiter nach Aachen, jenen Ort, den er nächst Rom am
meisten liebte. In Aachen zeichnete er einige Kirchen mit den
Adalbertsreliquien aus. Dort suchte und öffnete er auch das Grab
Karls des Großen.
Die
Bewohner Tivolis lehnten sich gegen die kaiserliche Herrschaft auf.
Otto belagerte daraufhin Tivoli. In den gleichen Monat wie die
Belagerung Tivolis fällt auch ein ungewöhnlicher Rechtsakt, nämlich
die Ausstellung einer kaiserlichen Schenkungsurkunde für Papst
Silvester. Diese rechnet schonungslos mit der bisherigen Politik der
Päpste ab, die durch Sorglosigkeit und Inkompetenz ihrer eigenen
Besitzungen verlustig gegangen seien und sich unrechtmäßig Rechte
und Pflichten des Imperiums anzueignen versucht hätten. Gegenüber
dem Papsttum war Otto hierbei auf die Wahrung des kaiserlichen
Vorrangs bedacht. Die aus der Konstantinischen Schenkung abgeleiteten
territorialen Ansprüche der römischen Kirche, ja sogar die
Schenkung selbst oder deren Wiedergabe durch Johannes Diaconus wies
er als lügenhaft zurück und übergab dem heiligen Petrus vielmehr
aus eigener kaiserlichen Machtvollkommenheit acht Grafschaften in der
italienischen Pentapolis.
In
die Wochen um die Ausstellung dieser Urkunde fiel der Aufstand der
Römer. Als Ursache für den Aufstand wurde die zu milde Behandlung
Tivolis genannt. Der Aufstand konnte innerhalb weniger Tage durch
Verhandlungen friedlich beigelegt werden. Ratgeber drängten aber den
Kaiser, sich dem unsicheren Zustand zu entziehen und außerhalb Roms
militärische Verstärkung abzuwarten.
Daher
entfernten sich Otto III und Papst Silvester II aus Rom und zogen
nach Norden in Richtung Ravenna. In der Folgezeit empfing Otto
Gesandtschaften von Boleslaw Chrobry, vereinbarte mit einer
ungarischen Gesandtschaft die Einrichtung einer Kirchenprovinz mit
dem Erzbistum Gran als Metropole und sorgte dafür, dass der neue
Erzbischof Askericus Stephan von Ungarn zum König erhob. Außerdem
festigte Otto in dieser Zeit die freundschaftlichen Beziehungen zu
Pietro II Orseolo, dem Dogen von Venedig; mit ihm traf er sich
heimlich in Pomposa und Venedig. Seinen Sohn hatte Otto schon 996 als
Pate angenommen, 1001 hob er seine Tochter aus der Taufe.
Otto
hatte zur Fastenzeit 1001 den Einsiedler Romuald in Pereum aufgesucht
und sich dort Buß- und Fastenübungen unterzogen. Diese Buße
gipfelte in einem Versprechen Ottos, die Herrschaft einem Besseren zu
überlassen und in Jerusalem Mönch zu werden. Allerdings wolle er
noch drei Jahre lang die Irrtümer seiner Regierung berichtigen.
Gegenüber anderen Herrschern des frühen Mittelalters ist die Dichte
der Quellenaussagen über asketische Leistungen und monastische
Neigungen des Kaisers in jedem Falle einzigartig.
Gegen
Ende des Jahres 1001 zog er mit den Kontingenten einiger
Reichsbischöfe auf Rom zu. Doch stellten sich plötzlich starke
Fieberanfälle ein, und in der Burg Paterno unweit Roms verstarb Otto
III am 24. Januar 1002. Man berichtete vom ruhig-gefassten,
christlichen Sterben des Herrschers.