GASPARA STAMPA

Nachgedichtet von Josef Maria von der Ewigen Weisheit


Gaspara Stampa wurde in Padua geboren. 1531 war ihr Vater, ein erfolgreicher Handwerker, gestorben, und ihre Mutter hatte die Familie nach Venedig verlegt. In den frühen 1540er Jahren war Gasparas Bruder ein Student und verdiente Lob als Dichter. Das Haus der Familie wurde ein Salon für die venezianischen Literaten, wo Gaspara und ihre Schwester musikalische Darbietungen präsentierten. 1544 ist Gasparas Bruder gestorben, aber seine Kollegen-Dichter besuchten sie weiterhin, und in den späten 1540er Jahren war Gaspara Teil von mehreren venezianischen Gruppen, die in verschiedenen Häusern zusammen kamen, um zu diskutieren und die Kunst zu üben. In einer dieser Gruppen traf sie Graf Collaltino de Collato; ihre Affäre mit ihm produzierte die Gedichte, für die sie berühmt ist. Nur drei ihrer Gedichte wurden zu Gasparas Lebzeiten veröffentlicht, obwohl viele unter ihren literarischen Freunden in Umlauf gebracht waren, und sie war offenbar bereitet, ein Buch zu veröffentlichen. Bald nach ihrem Tod, auf Drängen jener Freunde, veröffentlicht ihre Schwester ihre Gedichte, 311 Gedichte, von denen die meisten Sonette waren, und die meisten von denen Collaltino gewidmet. In diesen Gedichten verwendet Gaspara Stampa Petrarca-Konventionen durch die Annahme der Petrarca-Rolle: wie Petrarca sein Leiden aus Liebe zu einer stillen Laura beschrieben hatte, so besang Gaspara Stampa Details ihrer Liebe und den Verlust. Wie bei Petrarca, ist die Poesie des Dichters wichtiger als die Person, die ihn inspiriert. Gaspara Stampa gilt als die größte Dichterin der italienischen Renaissance, und wird von vielen als die größte italienische Dichterin jeden Zeitalters betrachtet. Eine hoch qualifizierte Musikerin, produzierte Gaspara Stampa einige der musikalischsten Gedichte in der italienischen Sprache. Ihre Sonette der unerwiderten Liebe sprechen in einer Sprache der ehrlichen Leidenschaft vom tiefen Verlust.


1

Die Reue folgt auf meiner Sünde Wege
Und meiner trivialen vielen Wünsche,
Verschwendung, ach, der wenig kurzen Tage,
Diffuses Leben neigt zum Feuer Amors.

O Herr, der harte Herzen du bewegst
Und Wärme vorbringst aus gefrornem Schnee,
Erleichterst jede bittre Last der Schmerzen
Für die, die glühn von deiner heilgen Glut,

Zu dir bekehr ich mich. O reich die Hand
Und aus dem Strudel rette mich, denn ich
Kann ohne dich erreichen nicht das Land.

Für uns hast du Verlust erlitten, Herr,
Und als Erlöser hingest du am Kreuz,
O sanfter Heiland, lass mich noch nicht sterben.


2

In diesem Neste, wo ich Abschied nahm,
Der bessre Teil von mir doch noch verweilt,
Ob müd die Sonne kommt zurück und Laub,
Ich breit die Flügel immer aus nach Wunsch.

Von Zeit zu Zeit bin ich noch selber schuldig,
Denn mit gebrauchtem Werkzeug oder Kraft
Ich blieb nie bei dir, wissend, fern von dir
Ich sterbe tausendmal in diesem Leben.

Es zweifelte mein Fuß, bewegt von Hoffnung,
Du würdest folgen bald, mich zu besuchen,
Verlängerte mein eitles Leben etwas.

Beachte, Herr, das Wort, das du gegeben,
Zu kommen und mein Ufer zu beleben,
Froh und geliebt, bin dankbar ich und glücklich!


3

Zeig mir, wo sich das Meer bricht zornig brüllend,
Zeig, wo das Wasser ruhig liegt und heiter,
Zeig, wo die Sonne Funken schießt versengend,
Zeig, wo das Eis durchsticht mit schärfsten Schmerzen,

Zeig den gefrornen Don und zeig den Ganges,
Wo süßer Tau und Manna destilliert wird,
Wo bittre Luft erglänzt von Schlangengift,
Wo Menschen lachen oder liebend weinen,

Zeig mir brutale Skythen, herzlos kämpfend,
Zeig, wo das Volk in Ruh und Frieden lebt,
Zeig, wo man lebt, man stirbt – zu früh – zu spät -

Ich werde leben, wie ich stets gelebt hab,
Solang noch meine beiden Sterne leuchten
Und wenden nicht von mir den Lichtglanz ab.


4

Warum, o Amor, gab dir deine Mutter
Den Pfeil zur Hand, die Binde um die Augen?
Dass du die erste Wunde schießen mögest
Im Herzen dieser treuen Vielgeliebten!

Und band die Augen, so dass du nicht siehst
Den Schreck, die Grausamkeit, die du verursachst,
Dass du aus Mitleid nicht zu leiden habest
Und milderst deinen gottverlassnen Wahnsinn!

Denn wenn du meine bösen Wunden sähest,
Du wärst kein Gott, du wärst ein wildes Raubtier,
Du würdest keine Opfer mehr verdienen.

Ich möchte nicht von Aug zu Aug erblicken
Die Strahlen meiner Sonne. Meine Wunden
Um sie ergießen weiterhin ihr Licht.


5

O Frauen, die ihr hört von meinem Herrn,
Bild sanften Ritters, lieblich anzuschauen,
An Jahren jung, an Weisheit aber alt,
Modell der Herrlichkeit, des Lebensmutes,

Blond, Röte glüht in seinem Angesicht,
Groß, gut gebaut, mit breiten Schultern, schließlich
In allen seinen Teilen voll der Gnade,
Mutwillig in der Liebe, wehe mir!

Wer kennt mich, denkt sich eine Frau, die schmiedet,
In Leidenschaft und Gegenwart der Schmerzen
Des eignen bittren Todes Bild, den Hafen

Der Sicherheit und unbeschwerten Ruhe.
Ach, Tränen nicht, noch Seufzer, noch Entzücken
In des Geliebten Brust das Mitleid weckt!


6

Planeten oben und bestimmte Sterne
Bestimmten meinen Herrn bei der Geburt,
Und jeder gab besondre Werte ihm,
Um einen Sterblichen perfekt zu machen.

Saturn gab ihm die Tiefe der Erkenntnis
Und Jupiter den Wunsch nach guten Werken,
Mars gab ihm große Tüchtigkeit im Krieg
Und Phöbus Eleganz und Witz im Sprechen,

Die Venus gab ihm Schönheit auch und Sanftmut,
Merkur gab ihm Beredsamkeit, doch Luna
Hat ihn zu kalt für mich gemacht, so frostig.

Doch jede dieser Gnadengaben lässt
Verbrennen mich durch seinen Strahlenglanz,
Doch er, er friert und bleibt mit sich allein.


7

O alle meine Müh umsonst verstreut,
O nutzlos ausgegossen meine Seufzer,
O Treue, o du lebensreiches Feuer,
Kalt, andere verbrennend, wie ich sehe,

O Blätter, die umsonst beschrieben wurden,
Ein Loblied der geliebten lichten Augen,
O dieser Hoffnungsdienst an eitlen Wünschen,
Dass würdig soll sein Preis gesungen werden,

In Einem Augenblick im Wind gesammelt,
Da hört ich meinen gottverlassnen Herrn
Mit eignen Ohren, ja, er sprach sich frei,

Er sprach, dass er mir nah sei, an mich denke,
Verließ mich doch im nächsten Augenblick
Und blieb der Liebe nur Erinnerung.


8

So krank vom Warten bin ich mittlerweile,
Geschlagen von den Schmerzen und verbrannt,
Es hört nicht auf, doch er hat mich vergessen,
Ich hoff und sehne mich nach seiner Rückkehr!

Ich heule laut und kann des Nachts nicht ruhen,
Sein blasses Antlitz wie ein scharfes Messer,
Das kühl mir definiert den Schluss des Lebens,
Notwendigkeit in meinem Busen reift.

Taub ist das Schicksal mir und tröstet nicht,
Verschmäht mein Sein, das ist verrückt vor Kummer,
Und taub verleugnet mich auch der Geliebte.

Nass meine Augen, weinend ist erfüllt
Die Villa hier am Ufer, ach, mit Elend,
Er selbstgefällig sitzt auf seinem Hügel.


9

Ich schwöre, Amor, dir bei deinem Pfeil
Und bei der Heiligkeit der Liebesflamme,
Ich sorg mich nicht, wenn einer mich verstümmelt,
Es brennt mein Herz, der Andre mich vergeudet.

Jedoch in weit vergangnen Zeiten gab
Es niemals eine Frau, noch wird’s sie geben,
Was du auch immer willst für Namen nennen,
Die so wie ich von Schmerzen ward verzehrt!

Geboren eine Tugend ist aus Leiden
Und das erobert das Gefühl von Schmerz,
Kaum spür ich es, kaum kann es mich verletzen.

Nein, diese Qualen, ach, an Leib und Seele
Verkünden mir den Tod! Ich habe Angst!
Was, wenn mein Liebesfeuer nur aus Stroh war?


10

Bös ist das Glück, doch böser ist das Schicksal,
Behandelt mich nach Wert: Er flieht vor mir,
Ich folg ihm. Andere nach mir verlangen,
Doch kann ich nicht ein andres Antlitz suchen.

Den Minner hass ich und ich lieb den Hasser.
Und gegen Minne-Demut rebellier ich.
Voll Demut töt ich meine eigne Hoffnung.
Mein Herz sehnt sich nach solcher schlechten Speise.


Er gibt mir immer wieder Grund zum Ärger!
Die andern geben Trost und Frieden mir.
Die ignorier ich, diesen halt ich fest.

In deine Schule ging ich, Knabe Amor,
Mir wird das Gegenteil von dem Verdienten.
Die Demut wird verschmäht, der Stolz geehrt.


11

Wenn ich vor diesen lichten Augen stehe
In meiner Schönheit und dem eitlen Reichtum
Und Sprache, Stil und Genius empfiehlt mich
Und Leidenschaftsgefühle, die ich schüre,

Wie bin ich überfordert und erschöpft!
Ich bin wie taub und stumm und ganz benommen!
Die Ehrfurcht ist dahin, es blieb das Staunen
Vor diesem schönen Licht, ich bin fixiert.

Genug! Kein Wort mehr kann ich intonieren.
Ach, endet nie die Macht des Incubus?
Er untergräbt die Kräfte meiner Seele!

Ach Amor, seltsam doch und wunderbar,
Ein Ding allein und eine Schönheit nur
Gibt mir das Sein, beraubt mich meines Geistes.


12

O Nacht, mir schöner du und seliger
Als selbst die prächtigsten der Feiertage,
O Nacht, erhabnen Lobgesanges würdig,
Nicht nur von mir (Ich Nichtsnutz, ruhelos),

Denn du allein bist doch die Geberin
Der Freuden mein. Den bitteren Geschmack
Des Lebens du versüßest mir, du liebe,
In meinen Armen, die ich bin gefesselt.

Doch ich bedaure, dass ich nicht das Glück
Des Tages sehe, denn Aurora hat
Verschoben ihre doch verheißne Rückkehr.

Nie ist es auszusagen, wie so gut
Du mir gewesen, stille Nacht! Mein Lied
Will alle Sehnsucht ganz dir unterwerfen.


13

Wenn ich, die ich nur eine arme Frau bin
Und bitter, kann in mir dies Feuer tragen,
Was soll ich nicht zum mindesten besitzen
Die Kraft der Poesie, mich auszusprechen?

Wenn Amor mich mit unerhörtem Feuer
Erhob, wohin ich niemals steigen konnte,
Was soll ich nicht auf ungewohnte Art
Beschreiben meine großen Liebesschmerzen?

Kann Amor das nicht bloß durch die Natur,
Vielleicht doch durch ein Wunder kanns der Gott,
Und alle andre Arbeit ist vergeblich.

Doch wie das geht, ich kann das nicht erklären,
Doch fühl ich, daß ich Gottes Huld empfangen,
Dass ich geprägt hab einen neuen Stil.


14

Besessen ich von Amor, wie im Feuer
Ein Salamander leb ich auf der Erde,
Und wie die andre Kreatur, der Phönix,
Der leidend stirbt und aufersteht zugleich.