Von Dschami
Nachgedichtet
Von Josef Maria von der Ewigen Weisheit
ERSTER
GESANG
In
Schweigen und in Öde, ohne Dasein,
Die
Welt verborgen war im leeren Nichts,
Noch
paarten sich vereint die Körper nicht,
Noch
klang da schön ein frohes Du und Ich,
Die
Schönheit wurde noch nicht angeschaut
Im
Licht, das nur bestrahlt die reine Schönheit,
Sie
war ein schönes Lieblichen und verborgen,
Bon
jedem Makel frei die Makellose,
Kein
Spiegel spiegelte ihr Angesicht,
Kein
Kamm fuhr schon durch ihre schönen Locken,
Kein
Ostwind wühlte ihr in ihren Locken,
Kein
kleinstes Staubkorn flog ihr in das Auge,
Ihr
Röschen lockte keine Nachtigall,
Kein
Windhauch hob der Rose grünes Kleid,
Auf
ihren Wangen war kein 'Muttermal
Und
selbst im Geist beschaute sie kein Auge,
Sie
war mit sich allein, die Liebe herzend,
Sie
wob sich selbst das feste Band der Einheit.
Doch
wo die Schönheit voller Macht gebietet,
Da
zürnt sie, wenn ein Schleier sie verhüllt,
Die
Schönheit nicht erträgt die dichte Hülle.
Schließ
du die Tür – sie flüchtet aus dem Fenster.
Schau
an die Tulpe, die am Hügel blüht,
Kaum
lacht der jugendliche Frühling wieder,
So
drang sie aus dem Erdengrund hervor
Und
zeigte sich in ihrer ganzen Schönheit.
Wenn
dir Vernunft in deine Seele dringt,
Dann
sperrst du dich nicht gegen die Vernunft,
Du
hörst ihr zu und redest gern von ihr.
Und
das ist das Gesetz der reinen Schönheit,
Die
Ewigkeit der Schönheit selbst gehorcht,
Kam
vom Gelobten Land und ging ins Zelt
Und
zeigte sich den Engeln und der Schöpfung.
Aus
jedem Spiegel schaute schön ihr Bild
Und
überall ertönte ihre Stimme,
Ein
Schimmer fiel von ihr auf gute Engel,
Da
drehten tanzend sie sich wie die Sphären,
Die
Heiligen, die lieben Heiligkeit,
Die
sangen laut den Lobpreis: Halleluja!
Auch
auf die Rose fiel ein Strahl der Schönheit
Und
Glut von ihr ins Herz der Nachtigall.
Am
Schönheitsstrahl entzündet sich das Licht,
Der
Strahl verbrannte hundert Schmetterlinge,
Ein
Funke ihres Strahls fiel auf die Sonne
Und
aus dem Wasser tauchte auf der Lotos.
Das
Schönheitsantlitz war wie Laylas Wangen,
Drum
sehnte Medschnun sich nach Laylas Locken.
Die
Schönheit öffnete die Zuckerlippen
Der
Schirin, dass sie raubte Ferhads Herz.
Der
Mond von Kanaan erhob sein Haupt,
Und
Josef raubte der Suleika Herz.
All
überall der Schimmer war der Schönheit,
Wenn
sie verbirgt sich auch den Erdenmenschen,
Sie
trägt den Schleier des Mysteriums,
Sie
lenkt das Schicksal liebevoller Herzen.
Das
Herz lebt ganz allein nur durch die Liebe
Und
nur die Schönheit trösten kann die Seele.
Das
Herz, allein der Schönheit zugewandt,
Sich
selber unbewusst, in sie verliebt.
Gib
keinen Ketzereien jemals Raum!
Wir
lieben Schönheit, sie schenkt ihre Reize.
Wer
schön ist, der allein ist liebenswert,
Du
stammst von Schönheit ab, sie gab dich uns.
Du
bist der Spiegel, bist das Bild der Schönheit,
Du
bist der Schleier, sie das Offenbare.
Die
Schönheit selbst gleicht einem reinen Spiegel,
Sie
ist der Schatz, der im Geheimen ruht.
Wir
sind die eitlen Wesen nur der Muße,
Auf
Erden herrscht ja nichts als Wahn und Torheit!
Nun
still, sonst nimmt kein Ende dieses Märchen,
Denn
keinen Dolmetsch braucht die Zunge Gottes.
Wer
liebt, der hat das Beste schon getan,
Denn
ohne Liebe ist das Dasein Wahnsinn!
ZWEITER
GESANG
Ein
Herz ganz ohne Liebe ist kein Herz,
Ein
Körper ohne Herzschmerz ist nur Staub.
Du
wende dich dem Schmerz der Liebe zu,
Die
Liebeswelt ist eine Schönheitswelt!
Werd
jedem Herzen Liebeslust zuteil,
Kein
Herz der Welt soll ohne Liebe sein!
Die
Himmel drehn im Taumel sich der Liebe
Und
Streit von Liebenden erfüllt die Erde.
Lockt
dich die Freiheit, sei der Liebe Sklave,
Reizt
dich die Lust, gedenk der Liebesleiden!
Berauscht
entflamme dich der Wein der Liebe,
Sie
leihe dir Vernunft und Lebensmut.
Der
Liebe Wort verjüngt den Liebenden
Und
bringt Unsterblichkeit des Nachruhms ihm!
Den
Weinkelch hat einst Medschnun ausgetrunken,
Er
ist berühmt auf Erden und im Himmel.
Zehntausend
kluge Männer sind zugrunde
Gegangen,
weil sie nicht die Liebe hatten.
Ihr
Name schwand wie ihre Spur im Sand,
Ihr
Märchen steht nicht mehr im Buch der Zeiten.
Viel
schöne Vögel flattern heute noch,
Von
denen doch die Leute gar nichts wissen.
Doch
wenn ein Herz gefühlvoll spricht von Liebe,
Dann
sprichts von Schmetterling und Nachtigall.
Kennst
du auch hundert hochgerühmte Künste,
Die
Liebe nur befreit dich von dir selber!
Erfahre
Liebe, auch die Sinnlichkeit,
Die
Sinne bahnen ja den Weg zur Liebe!
Wenn
du nicht erst das A und dann das B lernst,
Wie
willst du dann die Heilge Schrift verstehen?
Es
bat ein Jünger einmal seinen Meister,
Dass
er ihn führe auf dem Weg der Weisheit.
Der
Meister sprach: Du liebst nicht, armer Mensch!
Geh
lerne lieben! Dann erst komm zurück.
Wer
nie den Kelch des Ideals geleert,
Der
schmeckt auch nicht der Sinnlichkeiten Hefe.
Doch
bleibe nicht allein beim Ideal stehn,
Vielmehr
du eile über diese Brücke,
Bleib
stehen nicht am Anfang dieser Brücke,
Willst
du das Ziel der Reise je erreichen.
Dem
Herrn sei Dank! Seit mich die Erde trägt,
Ich
wandle immer auf dem Pfad der Liebe!
Kaum
sah die Amme meine Nabelschnur,
Durchtrennte
sie sie mit dem Schwert der Liebe.
Kaum
gab die Amme mir die Muttermilch,
Schon
trank ich blutigroten Wein der Liebe!
Ist
auch mein Haupthaar schon so weiß wie Milch,
Doch
lebt die Liebeslust in meiner Seele!
Poet,
bist grau geworden in dem Dienst,
Ermanne
dich und stirb aus reiner Liebe!
Ein
Märchen singe von der schönen Liebe,
So
wird die Nachwelt deinen Namen rühmen.
Dein
sehr geschickter Pinsel mal ein Bild,
Das
bleiben wird, wenn du schon nicht mehr da bist.
Als
ich gehört hab diesen Ruf der Liebe,
Willkommen
bot mein Geist der schönen Liebe,
Und
meine Seele folgte dem Befehl
Und
bracht hervor ein neues Zauberwerk.
Wenn
mir der Himmel seinen Segen gibt,
Trägt
meine Palme einst der Weisheit Feige!
Mit
heißem Herzen schaff ich zarte Worte,
Den
Geist entflammt ja nur die Zärtlichkeit.
Mit
Duft des Weihrauchs fülle ich den Himmel,
Dass
Tränen von den Sternenaugen regnen.
Die
Worte setz ich weise und geschickt,
Dass
mir der ganze Himmel Beifall klatscht!
DRITTER
GESANG
Prologos
dieses Diwans schöner Liebe
Und
Erstling in der Liebe Garten ist
Das
Wort! Die wahre Weisheit ist das Wort!
Das
Wort ist ewiger als alle Erden.
Was
Altes ist und Neues in der Schöpfung,
Geschaffen
wurde alles von dem Wort.
Das
Schreibrohr rief das Wort: Es werde Licht!
Da
floss die Quelle aus dem Aug des Wortes.
Was
Hohes ist und Niedriges auf Erden,
Berauscht
sich alles an des Wortes Quelle.
Und
spricht der Mund der Quelle Plaudern aus,
Das
Wort wird Rose in der Sinne Garten.
Der
Geisthauch flattert um den Rock des Wortes,
Der
Geist das Wort führt aus dem Rosengarten,
Er
leitet es zur Pforte unsrer Ohren,
Und
kommt das Wort, so staunt die Weisheit selbst.
Die
Seele ist empfänglich für das Wort
Und
bringt das eigne Herz dem Worte dar.
Die
trunkne Lippe lacht dem Worte zu,
Bald
tropfen Schmerzensregen aus den Augen.
Der
Mund des Menschen voller Trauer lächelt,
Es
weint der Mund des Menschen voll des Lachens.
Ich
sehe Gottes Kraft im Gotteswort,
O
möge Gott mir nie das Wort entziehen!
Ich
bin schon grau geworden, Wortwein trinkend,
Und
schüttle ab die Bürde meines Alters.
Mysterien
steigen auf aus meinem Herzen
Und
lächeln soll und weinen soll die Welt.
Veraltet
ist in diesen Zeiten Chosru,
In
mir ersteht ein neuer süßer Chosru.
Geschrieben
steht ja Medschnuns Schicksal schon,
Ein
andres Schicksal will ich nun besingen.
So
wie ein Papagei ich kaue Kandis
Von
Josefs Schönheit und Suleikas Lust.
Gott
findet, Josefs Märchen sei das schönste,
Und
ich besinge dies in meinem Werk.
Der
Offenbarung Liebling kam herab,
Da
fand die Lüge keinen Eingang mehr.
Der
Irrtum nicht berührte mehr die Seele,
Selbst
wenn du ihn als Gottes Wahrheit schminkst.
Die
Wahrheit ist die Schönheit ja des Wortes,
Der
Reiz der Luna liegt in ihrer Rundung.
Die
Morgenröte ohne Glanz des Lichtes,
Sie
lügt ja nur der wahren Sonne Aufgang.
Das
echte Morgenrot verkündet Wahrheit
Und
schwingt der Sonne gelblichweiße Fahne.
Wenn
du die Lüge schminkst mit eitler Kunst,
Das
Licht der Lüge ist die Finsternis.
Schmückst
du ein altes Weib mit goldnen Kleidern,
Das
Kleid wird hässlich durch die Hässlichkeit.
Der
süßen Lippe nur gebührt die Schminke,
Der
Schminke Rot benetzt der Rose Röte.
Doch
malst du Rot auf todesblasse Lippen,
So
sieht dein Auge nichts als Qual und Kummer.
Kein
Liebender war jemals Josef gleich,
Er
war der schönste aller schönen Männer.
Und
nie ein Liebling liebte wie Suleika,
Denn
sie war liebender als alle Frauen.
Von
Kindheit bis ins Alter liebte sie,
Als
Sklavin und als Fürstin liebte sie.
Nachdem
zur Alten neu die Jugend kam,
Betrat
sie wiederum den Weg der Liebe.
Geboren
in der Liebe, in ihr lebend,
In
Liebe sterbend, in ihr auferstehend!
Von
Josef und Suleika spricht mein Buch,
Von
ihnen singen meiner Verse Perlen.
Zu
jeder Silbermünze, die ich finde,
Leg
ich der reinen Weisheit neuen Goldschatz.
Ich
wünsche nur, wenn je ein gutes Herz
In
diesem meinem Buch der Liebe liest,
Dann
möge mir das gute Herz verzeihen
Die
Fehler, die im Buche sind zu finden,
Der
gute Geist verbessere die Mängel!
VIERTER
GESANG
Die,
die die Perlen wiegen im Vernunftmeer
Und
kundig sind der Offenbarung Gottes
Und
die der Heilsgeschichte Lauf verfolgen,
Die
sprechen dies von Adam an dem Anfang:
Als
sich die Augen Adams öffneten,
Sah
er im Geist die Bilder seiner Kinder.
Er
sah die Heiligen und die Propheten,
Er
sah die Könige mit goldnen Kronen
Und
alle Sterblichen in schöner Ordnung.
Als
Adam alle diese überblickte,
Besuchte
er die Kinder Adams alle,
Da
fiel sein Blick auf Josef auch, den Mond,
Nein,
nicht den Mond, auf Josef, diese Sonne,
Dies
Licht der Heiligen, der Auserwählten,
Sein
Haupt empor wie eine Fackel ragend.
Die
Schönheit selbst der schönsten Heiligen
Verblasste
vor der reinen Schönheit Josefs
Wie
Sterne auch verlöschen vor der Sonne.
Es
floss um ihn die Anmut wie ein Mantel,
Zu
seinen Füßen starben tausend Feinde.
Und
seine Reize waren unvorstellbar,
Das
höchste Denken kann es nicht begreifen,
Die
Huld des Herrn war um ihn wie ein Kleid,
Ein
Königsdiadem auf seinem Haupt.
Dem
Orient des Glücks gleich seine Stirn strahlt,
Sein
Angesicht erleuchtete die Nacht.
Und
um ihn standen alle die Propheten
Als
geistige Ikonen in dem Äther,
Die
frommen Geister schwenkten ihre Fahnen,
In
Gotteslob versunken vorm Altar.
Erstaunt
sah Adam an die Schönheit Josefs
Und
sprach dann leise voll Verwunderung:
O
Gott, der Baum dort ist aus welchem Garten?
Und
wessen Auge ist fixiert auf ihn?
Er
ist ein zarter Zweig aus Jakobs Garten,
Ein
scheues Reh vom Walde Abrahams.
Und
er hat Macht selbst übers Firmament,
Ägypten
wird sein Thronsitz sein auf Erden.
Der
süße Reiz auf seinem Wangenflaum
Entflammt
die schönsten Fraun zur Eifersucht.
Er
hält dir vor den Spiegel, Vater Adam,
So
leihe du ihm deiner Schönheit Schatz!
Sprach
Adam: Offen steht die Tür der Gnade,
Von
sieben Reizen schenke ich ihm vier.
Der
Liebreiz selbst der allerschönsten Frau
Ist
Einmal ihr gegeben nur, ihm doppelt,
Und
schließt man auf die Schätze aller Schönen,
So
seien alle Reize aller Schönen
Ein
Drittel nur des reinen Reizes Josefs.
Dann
drückte Adam Josef an sein Herz
Und
Adams Herz gewährt ihm viele Wonnen,
Und
Adam offenbarte Josef ganz
Die
reine Weißglut seiner starken Liebe
'Und
küsst segnend Josef auf die Stirn.
Froh
blühte Adam da wie eine Rose
Und
Adam sang wie eine Nachtigall,
Sang
von der Herrlichkeit der Rose Josef!
FÜNFTER
GESANG
An
diesem Wechselort der Sinnlichkeit
Die
Reihe der Erscheinungen trifft jeden,
Und
jeder Tag bringt neue Phänomene,
Ja,
deren Namen oft die Welt erleuchten.
Die
Welt bleibt immer in der selben Form.
Wie
viel Geheimnisse denn schlummern noch?
Wenn
nie die goldne Sonne unterginge,
Wie
könnten dann die klaren Sterne strahlen?
Und
weil der Winter, ach, entlaubt die Bäume,
Drum
grüßt die rote Rose jeden Frühling.
Als
Adam diesen Pilgerort verließ,
Nahm
Seth die Stelle ein als ein Prophet,
Nach
Seth kam Henoch, lehrte in der Trugwelt,
Bis
er ein Lehrer ward im Himmelreich,
Da
wurde Noah dann der Glaubenshüter.
Nach
Noah ward es Vater Abraham,
Nach
Vater Abraham kam Isaak.
Am
Tische Abrahams die Erde speiste,
Doch
starb auch Isaak, des Vaters Liebling,
Und
Jakobs Stimme klang am Berg des Glaubens,
Als
Jakob sein Prophetenamt begann,
Er
herrschte von Damaskus bis nach Kana.
In
Kanaan schlug Jakob auf sein Zelt
Und
ward an Herden und an Söhnen reich
Und
seine Tochter war die keusche Dina.
Der
Schafe Herden und der Ziegen Herden
Ameisenvölkern
waren gleich an Zahl.
Elf
Söhne waren außer Josef noch,
Der
Josef aber war der Liebling Jakobs.
Als
seine Mutter Rahel ihn gebar,
Bekam
der Mond wohl einen Zwillingsbruder.
Aus
Herzensgarten spross die zarte Pflanze,
Am
Seelenhimmel schön erschien ein Neumond.
Dem
Garten Abrahams entspross die Rose,
Dem
Josef stand das Kleid der Anmut gut.
Am
Sternzelt Isaaks erschien ein Stern,
Sein
Angesicht erleuchtete die Welten.
In
Jakobs Garten hob ihr Haupt die Tulpe,
Des
Vaters Trost, jedoch der Tod der Mutter!
Ein
scheues Reh in Kanaan war Josef,
Um
Josef wurde Kanaan beneidet.
Solange
Rahel sich des Lebens freute,
Mit
ihren Brüsten wusch sie seine Lippen.
Zwei
Jahre lang hielt sie im Arm den Josef,
Als
Schlangengift auf Rahels Speise tropfte.
Die
reine Perle aus dem Meer der Gnade
Blieb
mutterlos allein, ein Waisenkind,
Und
weinte Tränen der Verlassenheit.
Und
Jakob sah die Schmerzen seiner Perle,
Der
Schwester Arm er ihm zur Muschel wählte,
Die
Tante zog den Herzensvogel auf,
Der
bald den Flug im Speisegarten wagte.
Sein
zarter Körper schwankte wie die Pappel
Und
seine Zunge lallte Zuckerworte.
Die
Liebe fesselte der Tante Herz,
Sie
wollte niemals sich vom Knaben trennen.
Er
schlief des Nachts in ihrem warmen Bett
Und
war am Tag die Sonne ihrer Augen.
Doch
auch der Vater Jakob liebt ihn sehr,
Die
Wünsche seines Herzens galten Josef,
Er
fand in seinem Herzen nichts als Josef,
Ihn
manchmal nur zu sehen, stimmt ihn traurig,
Er
wollte diese Luna seines Herzens
In
jeder Nacht vor ihm erscheinen sehen.
Zu
seiner Schwester also sagte Jakob:
Die
du den Josef liebst und für mich sorgst,
Ich
kann die Trennung länger nicht ertragen!
Befrei
mich von der Qual der bittern Trennung!
Schick
Josef in des Eremiten Zelle,
Schick
Josef zum Altare meines Flehens!
Als
Josefs Tante dieses Wort vernahm,
Gehorchte
sie den Wünschen Vater Jakobs,
Zugleich
die Tante sann auf eine List,
Wie
Josef sie von Jakob wieder kriege.
Ein
Gürtel Jakobs war in ihren Händen,
Der
abgenutzt durch fromme Gottesdienste.
Ein
jeder, der den Gürtel angelegt,
Befreit
ward von des Übels Schleudersteinen.
Die
Tante nun das Kind zu Jakob schickte,
Sie
band den Gürtel um die Lenden Josefs,
Dabei
jedoch verhielt so schlau sich jene Tante,
Dass
Josef nichts von ihrer List bemerkte.
Den
Liebling schickte nun die Frau zu Jakob
Und
dann begann die Tante laut zu schreien:
Der
fromme Gürtel Jakobs ist verschwunden!
Und
jeden Menschen hielt sie für verdächtig,
Sie
untersuchte aller Leute Kleider,
Sah
nach bei allen Leuten, nach der Reihe,
Und
als die Reihe dann an Josef kam,
Da
fand den Gürtel sie und band ihn los.
Zu
jener Zeit galt bei den frommen Leuten
Der
Urteilsspruch: Der überführte Dieb
Wird
Sklave dessen, den der Dieb bestahl.
Und
so durch ihre schlaue Hinterlist
Die
Tante holte Josef wieder zu sich.
Sie
kam mit Augen, die vor Freude strahlten,
Doch
bald schloss ihr der Tod die lichten Augen!
Da
jubelte die fromme Seele Jakobs
Vor
Glück, den Liebling wieder zu erblicken!
Da
konnte Jakob gar nicht schlafen mehr,
Er
fand an Josef seine ganze Freude
Und
schaute Josefs Brüder nicht mehr an.
Nun
Jakob dachte nur noch an den Josef,
Nur
Josef war ihm seines Herzens Inhalt!
Bei
Josef nur fand Jakobs Seele Ruhe,
Nur
Josef ließ die Augen Jakobs strahlen!
Denn
wenn der Mond der Liebe lieblich leuchtet,
Wird
selbst des Tages lichte Sonne matt.
Wie
preis ich diese Schönheit, diese Anmut,
Die
schöner ist als alle schönen Engel?
Am
Anmutshimmel Josef ist der Mond,
Der
alle Firmamente hell erleuchtet,
Ein
Mond, der lichter als die Sonne ist.
War
Josefs Lichtglanz denn der Sonne gleich?
Die
Sonnenglut ist nur ein Dunst vor Josef!
Der
Lichtglanz Josefs überwältigt so,
Man
fragt sich nach der Quelle dieses Lichtes.
In
Josef wohnt der makellose Gott,
Der
sich in Josefs Herz verborgen hat,
Kein
Wunder, dass ihn Vater Jakob liebte
Und
dass er Josef Herz und Seele weihte.
Suleika
selbst, der lichten Elfen Neid,
Der
keuschen Unschuld Bild im Morgenland,
Noch
strahlte Josef nicht Suleika an,
Als
sie sein Bild schon sah im Morgentraum.
Wenn
Schmerzen die Getrennten überfallen,
Doch
mehr quält Liebe noch die Liebende,
Wenn
nah sie ist dem schönen Vielgeliebten!
SECHSTER
GESANG
Dies
sind die Worte eines wahren Dichters,
Der
hat die Schätze der Beredsamkeit.
Ein
König war im Westen, der hieß Tammuz,
Der
schlug die Trommel seiner Herrschaft laut.
Er
hatte, was da zusteht einem König,
Sein
reines Herz war darum wunschlos glücklich.
Auf
seinem Scheitel saß die Königskrone,
Der
Schemel ihm erhöhte seine Füße.
In
seinem Heere diente der Orion,
Er
siegte allezeit mit seinem Schwert.
Suleika,
seine Tochter, war sehr schön,
Sie
war der Stolz, die Freude seines Herzens.
Sie
war ein Stern am Sternenzelt des Königs,
Des
königlichen Schmuckes schönster Stein.
Ach,
ich kann ihre Schönheit euch nicht malen,
Versuchen
will ich doch, das Bild zu malen.
Vom
Haupt zur Hüfte wallte ihr das Haar,
Der
Schimmer ihrer Wange rötlich leuchtet,
Es
helfe mir ihr zuckersüßer Mund,
Dass
ich besinge, was ich an ihr schaute.
Den
Wuchs schuf Gott wie eine schlanke Palme,
Sie
hebt ihr Haupt im Anmutsgarten auf,
Genährt
am königlichen Strom der Gnade,
Stand
aufrecht sie wie die Zypresse schlank.
In
ihrem Haar der Weise lag gefangen,
Die
langen Locken dufteten nach Moschus,
Oft
kämmte sie die schönen langen Haare
Und
zog gerade sich den Mittelscheitel.
Vor
Neid zerplatzte da die Moschusblase!
Die
langen Haare flattern wie Jasmin,
Der
Haare Flut beschattete die Rose.
Auf
ihrem Busen war ein Muttermal,
Wie
Afrikaner auf der Lilienwiese.
Verirrte
sich ein Philosoph ins Grübchen,
Trägt
seine Seelenruhe er zu Grabe!
Ihr
Hals ein schlanker Turm von Elfenbein,
Das
keusche Einhorn muss ihr Steuern zahlen.
Der
Schultern Schnee die Lilien verhöhnte,
Die
weiße Rose sich vor Scham verbarg.
Zwei
Brüste, glänzendschöne Wölbungen,
Zwei
Blasen auf dem Gnadenstrom von Eden,
Ein
goldnes Apfelpaar mit einem Zweig,
Woran
sich niemals meine Hände wagten.
Von
reinem Silber schien ihr schlanker Arm,
Die
reine Perle trug ein Medaillon,
Dort
war das reine Herz des frommen Beters.
Die
Feengesichter loben neidlos sie
Und
weihn ihr Herz der Elfenkönigin.
Den
Waisenkindern reichte sie die Hände
Und
tropfte Balsam auf zerrissne Herzen.
Die
Finger waren weich wie Schwanenfedern,
Mit
denen schrieb sie schöne Liebeslieder.
Bei
ihren schön geformten Fingernägeln
Man
musste denken an den Sichelmond.
Die
Lenden glichen dem gespaltnen Haar,
Noch
feiner als das Haar und unbehaart.
Vom
süßen Nabel bis zum Oberschenkel
Muss
ich mich leider alles Lobs enthalten!
Die
Keuschheit nämlich mir verwehrte leider
Den
Eintritt in das Allerheiligste!
Und
ah, die beiden Schenkel ihrer Beine
Wie
Silbersäulen sind im Tempel Gottes.
Sie
war so wie ein Blumenstrauß von Rosen,
Doch
nur Erleuchtete erblickten das.
Im
Spiegel glänzte klar ihr reines Antlitz,
Da
fiel ich voller Ehrfurcht auf die Knie.
Warum
ich kniee vor der Königin?
Ihr
Antlitz übergossen ist von Lichtglanz!
Wer
Bein an Bein bei dieser Schönen sitzt,
Dem
glühen ihre Wangen Glück zurück.
Zart
wie ihr Schenkel ist ihr kleiner Fuß,
Sonst
keine hatte solche kleinen Füße.
Und
wenn sie ging, so war sie wie ein Pfeil,
Die
Füße schlank von Fersen bis zu Zehen.
Wenn
sie den Liebenden zu Boden trat,
War
ihre Sohle feucht von seinen Tränen!
Mit
welchem Schmuck soll ich die Schöne schmücken?
Der
Schmuck der Erde ist so mangelhaft,
Doch
will ich schmücken sie mit schönem Schmuck,
Weil
ihre Schönheit noch den Schmuck verschönert.
Ein
Mondstein ist an ihrem Muschelohr,
Der
raubt der armen Seele den Verstand!
Reißt
sich die Perle von der Schnur des Halses,
Die
Perle fällt dann in die Schoß-Schatulle.
Die
goldne Spange hält der Haare Knoten
Und
wenn sie erst das Muschelarmband anlegt,
Was
soll ich armer Sünder dann noch tun?
Zuweilen
schwankte sie im Hof wie trunken,
Gehüllt
in Chinas Seide wie von Silber.
Und
jeden Tag, den süß sie angelacht,
Zog
sie ein neues feines Reizkleid an.
Der
Fürst selbst darf ihr nicht die Füße küssen,
Das
dürfen nur die goldenen Sandalen,
Und
nur ihr weißes Hemdchen war so selig,
In
ihren weißen Armen auszuruhen.
Die
palmenschlanken Mädchen lauschten ihr,
Die
Feengesichter staunten stumm sie an.
Ihr
Herz war nicht gepresst vor Qual und Kummer,
Kein
Dorn stach ihre kleinen nackten Füße.
Sie
liebte keinen, bis zu dieser Zeit,
Sie
hatte keinem Manne sich ergeben.
Nachts
ruhte sie wie die Narzisse und
Am
Morgen blühte sie wie rosa Rosen.
Bei
zarter Kinder Spiel und Lustgeschrei
Sie
lebte mit den Hirschen an dem Hof,
Ganz
unbekümmert um das ernste Schicksal,
War
all ihr Tun nur eitel Lust und Scherz.
O
sie war glücklich, sie war immer heiter,
Und
ihre Seele war von Qualen frei.
Was
wird die Tageszeit wohl dieser Seele
Noch
für ein Schicksal ernst und streng verhängen?
Und
was wird schwanger Mutter dunkle Nacht
Ihr
für ein schweres Schicksal noch gebären?
SIEBENTER
GESANG
Zur
Nacht, die schön war wie das Licht des Lebens,
Die
war so voller Wonne wie die Jugend,
Da
Fische und Gevögel schon entschlafen
Und
da zerknittert lag des Tages Zeitung,
Im
sehenswerten Gartenhaus der Sterne
Das
flimmernde geliebte Auge wacht,
Der
Dieb sich den Verstand des Wächters raubt,
Der
Glöckner hält der großen Glocke Zunge,
Der
Schwanz des Hundes ward zum weichen Halsband,
Das
Heulen und das Bellen sich verlor,
Ihr
Federschwert die kluge Eule zog,
Und
von der Kuppel königlicher Burg
Des
Wächters Auge glänzte weiß wie Mohnmilch,
Der
Wächter hatte nicht mehr Kraft zum Wachen,
Weil
ihn der Mond betäubt mit Opium,
Wo
schwieg die Trommel und wo schwieg die Zymbel,
Der
tiefe Schlaf des Trommlers Hände band,
Der
Ruf der Betenden zur Matutin
Die
Menschen noch nicht auferstehen hieß,
Da
lag mit ihrem süßen Mund Suleika,
Den
Zuckerschlaf auf ihren Rosenlippen,
Auf
ihrem Kissen duften ihre Haare,
Ihr
Leib lag in dem Bett wie eine Lilie.
Zwar
ihre schönen Augen schliefen noch,
Das
Auge ihres Geistes aber wachte.
Da
wars, ein junger Mann trat bei ihr ein.
Ein
junger Mann? O nein, ein Engel!
Sein
Königs-Antlitz war wie Glut des Feuers,
Der
Himmelsjungfrau raubte er das Herz.
Er
hatte alle Reize aller Jungfraun
Und
auch die Anmut aller Himmelsgeister.
Sein
Wuchs war wie der schlanke Buchsbaum schlank,
Die
Locken Fesseln, den Verstand zu fesseln.
Und
seine hohe Stirn so rein und strahlend
Sich
neigte voller Demut und bescheiden
Vorm
Angesicht der lichten Himmelssonne.
Und
seine Brauen waren ein Altar,
Ein
Weihrauchzelt den jung gestorbnen Toten,
Sein
Antlitz war des Paradieses Luna.
Und
Anmut schmückte schön ihm die Narzissen,
Die
Wimper wie ein Pfeil durchbohrt ihr Herz.
Sein
Mund zerstreute lächelnd weißen Zucker,
Sein
Wort war nichts als lauter Süßigkeiten.
Die
weißen Perlen im Korallenmund
Sind
wie ein Blitz im rosenfarbnen Morgen.
Und
wenn er lacht, er strahlt wie die Plejaden,
Die
Zähne streuen aus das Salz der Weisheit,
Wie
Moschusbeete duften seine Wangen,
Ein
Rabennest im trauten Rosengarten.
Wie
Silber seine Arme, seine Schenkel,
Die
Lende ist so zierlich wie ein Haar.
Und
als Suleikas Auge ihn erblickte,
Geschah
sofort, was da geschehen musste,
Da
sie des Übermenschen Reize sah,
Wie
nie die Elfen und die Feen geschmückt,
Die
Wangenröte und die Körperanmut
Mit
tausend Fäden knüpft sie an sein Herz,
Sein
Angesicht entflammte heiß ihr Herz
Und
die Geduld und Religion verglühten.
An
jedes seiner duftend feinen Haare
Hing
sie den Faden ihrer schönen Seele,
Die
Augenbrauen rührten sie zu Tränen,
Zu
Zuckerkörnern macht sein Mund ihr Herz,
Die
Silberschenkel den Verstand ihr raubten,
Dass
sie sich gürtete, um ihm zu dienen.
Fürwahr,
fürwahr, sie sah ein Bild voll Reiz,
Das
zwar verging, doch ihr im Geiste blieb.
Suleika
nun ihr eignes Ich verschmähte,
Das
Bild voll Reiz allein gefiel ihr noch.
Sie
fühlte diesen starken Trieb der Seele,
Gen
Himmel in das Paradies zu fahren!
Ein
sinnlich reizend schönes Bild entzückt sie,
Sie
kannte nicht platonische Verliebtheit,
Uns
fesselt eines Wahnes Flüchtigkeit!
Wir
kleben ewig an der Sinnlichkeit!
Das
Erdenbild von einem schönen Menschen
Im
Innern trägt doch einen Sinn des Himmels!
Und
darum huldigt das verliebte Herz
Dem
Bildner auch des wunderschönen Bildes!
Wer
dürstet, ach, der weiß von seinem Durst
Und
er begehrt den Kelch voll roten Weines,
Doch,
taucht er in das Rote Meer des Blutes,
Wird
er den Becher roten Weins vergessen.
ACHTER
GESANG
Als
früh die schwarze Mutter Nacht geschieden,
Des
Hahnes Ruf erscholl zur Morgenröte.
Die
Nachtigall mit Schluchzen in der Stimme
Den
Schleier hob vom Angesicht der Rose.
Das
Veilchen badet seine Veilchenlocken,
Jasmin
nahm nackt ein Bad im keuschen Tau.
Suleika
lag noch schlafend in dem Bette,
Die
Seele voll von der Vision der Nacht.
Sie
schlief nicht, des Verstands war sie beraubt,
Sie
staunte vor dem Traume noch der Nacht.
Es
nahten ihr die schönen jungen Mädchen
Und
küssten ihr voll Reverenz die Hand.
Den
Schleier hob sie von den Tulpenaugen
Und
sanft erwachten ihre trunknen Augen.
Dem
Ostwind gleich zog sie ein Kleidchen an,
Sie
hob ihr Haupt und sah sich staunend um-
Wo
war der Jüngling mit den Rosenwangen?
Ach,
das verschloss sie sich wie eine Knospe.
Im
Gram, weil sehr ihr die Zypresse fehlte,
Zerriss
sie voller Schmerz ihr Rosenkleidchen.
Jedoch
aus Scham vor den gemeinen Menschen
Zerriss
sie nicht ihr kurzes Rosenkleidchen,
Nein,
sie blieb in ihr Schicksal still ergeben.
Sanft
sprach ihr Mund zu jenen jungen Mädchen,
Ihr
Herz war gleich dem Knoten in dem Schilfrohr,
Dieweil
sie sprach mit jenen jungen Mädchen,
Wohl
tausend Funken sprühten heißer Liebe
Vom
Muttermal auf ihrer linken Brust!
Sie
warf die Augen auch auf andre Männer,
Doch
an den Freund gefesselt blieb ihr Herz.
Was
soll sie zügeln mit der Hand ihr Herz?
Der
Herzensdieb ihr doch stand vor den Augen.
Ein
Herz, das Lust den Krokodilen vorwirft,
Wird
lahm, bevor es die Begierde stillte.
Dies
Herz kennt keinen andern als den Liebling
Und
keine Seelenruhe als beim Liebling.
Und
spricht die Seele, spricht sie von dem Liebling,
Und
wünscht sie was, wünscht sie herbei den Liebling.
Und
tausendmal umschwebte sie sein Geist,
Bis
ihrer Leiden finstrer Tag erwachte.
O
dunkle Nacht! Der Liebenden Vertraute!
Du
hütest das Geheimnis des Verliebten.
Suleika
lehnt sich an des Kummers Mauer,
Da
glich sie dem gebognen Saitenspiel,
Das
sie bezog mit Tränenströmen-Saiten
Und
stimmte nach der Trauer ihres Herzens.
Der
Laut des Saitenspiels durchdrang die Herzen,
Da
ging sie auf den Tönen auf und ab,
Und
stets umschwebte sie das Bild des Lieblings
Und
Perlen quollen ihr aus ihren Augen.
In
welchem Schacht ist denn mein Edelstein?
O
dir verdanke ich den Strom der Perlen!
Du
raubtest mir mein Herz. Du sprachst kein Wort.
Wer
sagt mir deinen Namen? Und wo wohnst du?
Du
bist ein Fürst, wie spreche ich dich an?
Du
Mond, wo ist denn deiner Anmut Thron?
Selbst
meinen Feinden wünsch ich nicht die Leiden,
Die
litt und leide ich um den Geliebten!
Mein
Herzensliebling wurde mir geraubt!
Sein
wunderliebes Bild nahm mir der Schlaf,
Sein
Bild presst aus dem Herzen mir das Blut
Und
aus den Augen blutig-rote Tränen!
Und
schlaflos liege ich, mein Herz ist wach
Im
Liebesfeuer deiner wilden Flammen!
Was,
wenn du selbst nicht heiß wie Feuer wärest,
Ich
eine Rose war im Jugendgarten
Und
frisch wie eine klare Lebensquelle.
Nie
bliesen je mich raue Stürme an,
Kein
Dorn bohrt sich in meine nackten Füße.
Doch
du, du gibst mich nun den Stürmen preis,
Du
legtest tausend Dornen in mein Bett.
Mein
Leib ist weicher als die Rosenblüte,
Wie
soll ich liegen in dem Bett aus Dornen?
So
seufzte leise sie zur Morgenröte
Und
weinte vor des Lieblings Phantasiebild.
Die
Mutter Nacht von hinnen war geschieden.
Und
um Verdacht von Menschen zu vermeiden,
Suleika
hemmte ihrer Tränen Blut,
Ihr
Mund von feucht vom Trank des Bluts der Nacht,
So
schwieg sie mystisch doch und schloss den Mund.
Das
Bett blieb mit dem Rosenduft zurück,
Das
Bett war leer, es fehlte die Zypresse.
In
Klagen gingen Tag und Nacht vorbei,
Suleika
wich um keine Haaresbreite
Vom
Klagen um den fernen Vielgeliebten.
NEUNTER
GESANG
O
Wahn, mit einem Schilde abzuwehren
Die
Liebespfeile, die vom Bogen fliegen!
Und
steckt der Liebespfeil erst mal im Herzen,
Verraten
das zehntausend äußre Zeichen.
Den
Weihrauchkessel nimm dir da zum Gleichnis,
Wie
Weihrauch kann sich Liebe nicht verbergen,
Und
ob man ihn mit tausend Schleiern hüllt,
Verrät
der Weihrauch immer seinen Duft.
Suleika
still verbarg die Qual der Liebe
Und
barg den Schwermutssamen in der Brust,
Doch
immer sichtbar war der junge Sprössling,
Der
keimte frisch aus ihrem Seelengrund.
Bald
quollen Tränenströme aus den Augen,
O
Ströme gar von blutig-roten Tränen,
Mit
jeder Tränenperle ihres Auges
Fiel
ein Geheimnis still ihr auf die Wange.
Bald
seufzte sie aus heißem Herzensinnern,
Zum
Himmel rauchten ihre heißen Seufzer,
Und
durch das Ach und Wehe, das sie seufzte,
Roch
man den Braten ihres heißen Busens.
Sie
aß nicht mehr und schlief nicht mehr zur Nacht,
Die
rote Rose ward zur weißen Lilie.
Als
dies die schönen jungen Mädchen sahen,
D
dachten sie, das sei wohl wahre Liebe,
Doch
kannten sie den Grund des Kummers nicht.
Ein
junges schönes Mädchen sprach: Gewiss
Hat
jemand unsre liebe Frau verschmäht!
Ein
andres schönes junges Mädchen sprach:
Suleika
wird geplagt von einem Dämon!
Ein
drittes schönes junges Mädchen meinte:
Ein
Magier hat unsre Frau verzaubert!
Ein
viertes schönes junges Mädchen sprach:
Ihr
Herz erlegen ist der Macht der Liebe!
Doch
das Mysterium blieb unentschleiert,
Die
jungen Mädchen konnten da nur raten.
Suleika
hatte aber eine Amme,
Die
eine Zauberin und sehr geschickt war.
Die
kannte alle Wege heißer Liebe,
Sie
hatte selbst geliebt in ihrer Jugend.
Nun
brachte sie Verliebte gern zusammen
Und
lockte die an, die zu schüchtern waren.
Zur
Nacht die Amme schlurfte zu Suleika,
Sie
zu erinnern, sie sie oft gedient.
Sie
sprach: Du bist des Königsgartens Rose,
Ein
Dorn von dir beglückt die besten Männer,
Und
darum freue dich und lächle immer.
Du
bist der Lebensbaum im Schönheitsgarten,
Umflattert
stets von meinem Papagei.
Ich
aber bin der breite Strom der Treue,
An
meinem Ufer bist du aufgewachsen.
Ich
sah zuerst dein Rosenantlitz blühen,
Schnitt
deinem Nabel mit dem Messer durch.
Ich
salbte dich mit besten Moschusölen
Und
badete in Rosenwasser dich.
Mein
altes Herz war deiner Wiege Schleier,
Der
aus den Fäden meiner Seele war.
Milch
gab ich deinem süßen Zuckermäulchen,
Ich
zog dich mehr als deine Mutter groß.
Und
in der Nacht, da lag ich wach voll Sorge,
Und
morgens wusch ich dir dein Angesicht.
Und
wenn ich ging, trug ich dich auf den Armen,
Und
wenn du einschliefst, hielt ich deine Hand.
Und
wo du standest schlank wie die Zypresse,
War
ich dein treuer Schatten, liebes Kind.
Du
auf dem Sofa, ich dir stehend dienend,
Du
schliefst im Bett, da lag ich neben dir.
Noch
heute will ich sein, was einst ich war,
Ich
diene deiner Seele heute noch.
Was
hast du denn Geheimnisse vor mir?
Ich
bin nicht fremd. Was stößt du mich zurück?
Wer
brachte solchen Jammer über dich?
Wer
legte solch ein schweres Kreuz dir auf?
Was
nagt die Liebesschwermut so an dir?
Was
ist der düstre Gram allein dein Freund?
Was
wird denn deine rote Rose gelb
Und
was erstarrt dein Blut dir in den Venen?
Du
Sonne, was nimmst du nur wie der Mond ab?
Am
Morgen wünschst du schon die Nacht herbei?
Ein
Mond berührte deine Umlaufbahn.
Doch
sag mir: Wer ist dieser Mond des Himmels?
Ist
es ein schöner Engel denn vom Himmel,
Geschaffen
aus des Liebesfeuers Weißglut?
So
will ich beten, will so lange beten,
Bis
dir der Engel wiederum erscheint.
Doch
ist es ein gemeiner Wüstendämon,
Ich
bin in der Magie bewandert, Kindchen,
So
will ich ihn in eine Flasche bannen.
Doch
ists ein Mann, ein junger Menschensohn,
Soll
deine Seele sich doch wieder freuen!
Denn
wer verschmäht wohl deine Liebesfesseln?
Der
Kaiser selbst ehrt deiner Locken Fesseln!
Suleika
sah das Mitleid in den Augen
Und
hörte auf das Wort der Zauberin,
Doch
sah sie keine Hilfe, keine Rettung!
Ihr
Mond schwamm stumm in einem Meer der Nacht!
Unsichtbar
ist mein Seelenbräutigam,
Der
Schlüssel in der Pforte ist versteckt.
O
wie beschreibe ich dir nur das Vöglein,
Das
da sein Nest geteilt hat mit dem Phönix?
Des
Phönix' Name ist allein mein Trost!
Süß
ist der Liebenden verliebtes Leiden,
Wenn
sie den Namen des Geliebten kennen.
Ich
kenne meines Lieblings Namen nicht.
Wenn
bittre Trennung bitter macht den Mund,
So
ist im Munde süß des Lieblings Name.
Jetzt
offenbart sie alles ihrer Amme
Und
weihte sie in ihr Geheimnis ein.
Die
Amme ist jetzt wachsam, nüchtern-wachsam,
Sie
sorgt sich sehr um ihres Schützlings Wahnsinn.
Sie
liest ein irres Wort im Buch des Herzens
Und
zweifelt an der Heilung ihrer Kranken.
Zu
unbestimmt scheint ihr das schöne Bild,
Man
sucht ja nicht so sehr, was kaum man kennt.
Kennst
du nicht deines Herzens Ideal,
Wo
möchtest du dein Ideal dann finden?
Zu
schwach, Suleika zu befreien aus
Den
Liebesfesseln, spricht die Amme dies:
Gewiss,
mit dir, ach, spielen die Dämonen!
Und
der Dämonen Werk ist Lug und Trug!
Sie
lassen uns ein reizend-schönes Bild sehn,
Um
wildeste Begierden anzustacheln!
Suleika
sprach: Kann denn ein böser Dämon
Ein
solches herzensschönes Bild erzeugen?
Ein
Weib aus Sünden und aus Makel nie
Geboren
hat so einen reinen Engel!
Die
Amme sprach: Willst du an solch ein Traumbild
Die
Unschuld deiner Seele denn verkaufen?
Suleika
sprach: Und wärs ein böser Traum,
Hätt
er mich fromme Jungfrau nicht entzückt!
Denn
Krummes paart sich immer nur mit Krummem
Und
Grades paart sich immer nur mit Gradem.
Der
Weise stimmt mir zu. Die Amme sprach:
Kind,
aus der Seele banne solchen Wahnsinn!
Suleika
sprach: Es steht in meiner Macht nicht,
Denn
wenn es stünde auch in meiner Macht,
Die
Traumgestalt zu bannen aus der Seele,
Dann
legte ich mir nicht ein solches Kreuz auf!
Doch
fehlt die Kraft mir, ich bin willenlos,
Ins
kummervolle Herz grub sich ein Bild,
Als
ob ein Griffel wär aus Diamant,
Der
Liebesworte schrieb auf erzne Tafeln,
Der
Wind weht dieses schöne Bild nicht fort.
Die
Amme sieht die große Kraft der Liebe
Und
schweigt von jeder weiteren Ermahnung,
Begibt
sich heimlich zu Suleikas Vater.
Der
alte Vater wundert sich und staunt,
Doch
schien ihm seines Hirns Verstand zu schwach,
So
legt er alles in die Hände Gottes!
ZEHNTER
GESANG
Das
Herz ist selig, drin die Liebe wohnt,
Das
liebt und sorgt sich nicht ums Weltgeschehen.
In
diesem Herz entzündet sich ein Blitz,
Der
die Geduld und den Verstand verbrennt.
Nicht
regt sich Sorge im verliebten Herzen,
Der
Berg des Vorwurfs scheint ihm nichts als Stroh,
Es
still gewöhnt sich an der Leute Tadel,
Durch
Schmähung wird doch nur vermehrt die Liebe.
Suleika
nahm nun ab so wie der Mond,
Das
Jahr verging, ihr Vollmond ward zum Neumond,
Sie
war gebogen wie die blasse Sichel,
Sie
saß mit feuchten Augen in dem Frührot
Und
sprach: Du spielst mit mir, mein lieber Himmel!
Schau,
meine lichte Sonne wird schon matt,
Du
krümmst mich, dass ich nun dem Bogen gleiche,
Machst
mich zum Ziele von des Vorwurfs Pfeilen.
Der
Liebe Funken warf er in mein Herz
Und
zeigte sich mir selten nur im Traum.
Da
ich im Wachen ihn schon missen muss,
Soll
ich im Schlafe ihn denn auch nicht schauen?
Des
Glückes Zeichen ist mir jener Traum,
Da
mir mein lieber lichter Mond erscheint.
Mein
Auge ruht auch nicht im Schlummer mehr,
Ach,
möchte er mir seinen Schlaf doch leihen!
Dann
wachte sicher auch mit mir das Glück
Und
lieblich mir erschien mein Schatz im Traum.
So
stöhnte sie die ganze lange Nacht durch,
Bis
ihr der Geist ermattet auf den Lippen,
Ein
tiefer Schlaf sie plötzlich überwältigt,
Betäubt
von Mohnmilch sinkt sie auf ihr Bett.
Kaum
nahm ihr Bett den zarten Körper auf,
Als
schon der Seelenwunsch zur Türe eintrat.
Das
selbe Bild, das kürzlich sie gepeinigt,
Tritt
ein mit Wangen lichter als der Mond.
Auf
diese schönen Wangen fällt ihr Blick,
Da
springt sie auf und wirft sich ihm zu Füßen
Und
küsst die Erde: O mein Rosenstrauch!
Du
raubtest mir Geduld und Seelenruhe!
Bei
Gott, der dich als Licht vom Licht erschaffen,
Der
frei bewahrte dich vor jedem Makel,
Der
dir das Zepter gab der Himmelsschönheit,
Der
rein dich schuf so wie den Quell des Lebens,
Schuf
dich als Rose in dem Seelengarten
Und
deinen Mund zum Brot der Engel machte,
Der
dich erstrahlen lässt wie Liebesfackeln,
Darin
das Herz des Schmetterlings verbrennt,
Der
die gesalbten Locken schuf zu Fesseln,
Dass
sich mein Herz in deinem Haar verfing,
So
siehe doch, mein Leib gleicht deiner Lende,
Mein
Herz gleicht deines Mundes Ah und Oh!
Erbarm
dich meiner armen Seele, Herr!
Schließ
deine rubinroten Lippen auf
Und
streue weißen Zucker über mich
Und
sag mit der dir eignen Freundlichkeit
Mir,
wer du bist, von welchem Stamm du bist.
Du
schöne Perle bist aus welchem Meer?
Du
Himmelskaiser, wo ist dein Palast?
Und
Josef sprach: Ich bin ein Menschensohn,
Geformt
vom feuchten Lehm der Mutter Erde.
Du,
liebe Frau, gestehst mir deine Liebe,
Wenn
deine Worte reine Wahrheit sprechen,
So,
liebe Frau, bewahre mir die Treue
Und
bleibe, keusche Jungfrau, unvermählt!
Kein
Zahn berühre deine Zuckerlippen,
Kein
Diamant durchstoße deine Perle!
Der
Liebe Feuer lodert mir im Herzen,
Der
Liebestrieb durchlodert meine Seele,
Mein
Herz gefangen liegt in deinen Fesseln,
Gezeichnet
bin ich mit dem Liebeszeichen!
Kaum
sah Suleika Josefs warmes Mitleid,
Kaum
hörte sie das Wort aus seinem Munde,
Da
schon verzaubert sie ein neuer Dämon,
Und
ihres Herzens Schmetterling fing Feuer.
Vom
Traum ganz trunken stand die Jungfrau auf,
Die
Brust in Flammen und das Herz voll Glut.
Und
immer größer ward ihr Gram der Seele,
Zum
dritten Himmel rauchten ihre Seufzer,
Der
Liebe Folter war ihr unerträglich,
Ihr
wehevoller Jammer grenzenlos!
Die
Zügel des Verstandes flohn von ihr,
Frei
ward sie von den Fesseln der Vernunft.
Und
sie zerriss das Kleidchen ihrer Seele,
Blutstropfen
sie vergoss wie Rosen rot,
Zerkratzte
in der Liebeswut ihr Antlitz
Und
raufte sich die wunderschönen Haare.
Und
um Suleika saßen ihre Mädchen,
So
wie der Hof des Lichtes um den Mond.
Sie
hielten fest die Säume ihres Kleides,
So
wäre der Zypressenleib entblößt.
Man
hielt die Knospe fest, die junge Knospen,
Sonst
wär die Rose wohl zum Markt gegangen.
Und
als Suleikas Vater dieses hörte,
Beriet
er sich mit seinen alten Weisen.
Man
überdachte das und hielts für gut,
In
Ketten sie zu legen wie den Irren!
Und
also bracht man eine Kupferschlange,
Mit
Perlen und Rubinen rings besetzt,
Die
Schlange war es, die den Schatz bewachte.
Kaum
aber schlief die Kupferschlange, weinte
Suleika
eine Schnur von Tränenperlen:
In
Liebesfesseln bin ich nun gefesselt,
Die
Ketten sind mir teurer als die Welt.
Der
Himmel kann ein Leben schnell beenden,
Was
lässt der Himmel mich in diesen Ketten?
So
lange fehlt mir alle Lebenskraft,
Kaum
kann ich meinen Körper noch bewegen.
Ach
warum diese schweren Ketten doch?
Ach
warum dieses scharfe Schwert der Schmerzen,
Das
mir das Herz in meiner Brust zerfleischt?
Hat
die Zypresse Wurzeln erst geschlagen
Und
kann sie weiter sich nicht weg begeben,
Was
soll denn da die Klugheit noch des Gärtners,
Um
sie herum zu ziehen Wassergräben?
Der
Herzensdieb, er muss gefesselt werden,
Der
mir die Seele und den Sinn geraubt!
Vergebens
sucht mein Aug sich satt zu sehen
An
seinen wunderschönen Rosenwangen,
Denn
wie ein lichter Blitz schoss er vorbei
Und
davon raucht mein brennendes Gemüt.
Ach
wenn das Glück mir launisch lächeln wollte,
Die
Ketten fesselten den Herzensdieb,
Dann
schau ich ihn so lang an wie ich will,
Und
dunkle Nacht wird hell wie lichter Tag.
Was
rede ich? Den Zärtlich-Zarten fesseln?
Ihm,
dem der Staub erscheint wie Fels und Berg,
Die
reine Seele nieder ihm zu drücken?
Das
wäre unerträglich schwer für mich!
Was
wünsch ist seiner Seele denn die Lasten
Und
seinem Silberkörper Kerkerketten?
Nein,
sieben Schwerter mir mein Herz durchbohren,
Eh
nur ein Dorn zerfetzt ihm seinen Rock!
Da
sank sie hin auf die zerfleischte Brust
So
wie ein Vogel, der zur Erde fällt.
Im
Wahnsinn lallte sie die ganze Zeit,
Dann
kehrte die Vernunft zu ihr zurück.
Doch
bald erneut gepeinigt von der Liebe,
Sie
stimmte neue Klagelieder an.
Und
bald vergießt sie heiße Tränenströme
Und
bald lacht sie so laut wie eine Närrin.
Gen
Himmel jauchzend und betrübt zum Tode,
Ein
Jahr lang blieb der Jungfrau Seele einsam.
ELFTER
GESANG
O
Liebe, komm, die du bist schlau und listig
Und
die du Frieden spielst und Kriege spielst!
Den
Weisen machtest du zum irren Narren,
Den
Toren schaffst du um zum stillen Weisen!
Wenn
du das Haar der Himmlischschönen bindest,
Umstrickt
Frau Torheit den gelehrten Weisen.
Doch
lösest du den Knoten ihrer Haare,
Strahlt
der Verstand des ruhevollen Denkers!
Suleika,
ungeduldig, unvernünftig,
Sie
war des schwarzen Kummers Zwillingsschwester,
Von
Gram umarmt, vereinigt mit der Schwermut,
Sie
trank den Becher bittrer Leiden leer,
Verbracht
die Nacht im heißen Liebesfeuer.
Sie
riß den Schleier vom gesalbten Haupt
Und
streute Asche auf den Lockenkopf,
Bog
den Zypressenleib, um anzubeten.
Aus
ihrem Augenlotos quoll ein Nil
Und
mit der liliengleichen keuschen Zunge
Beklagte
sie die Schwermut ihrer Seelen
Und
sprach zu ihrem vielgeliebten Liebling:
O
Dieb und Räuber meiner Seelenruhe,
Zerstörer
der Zufriedenheit des Herzens,
Du
schaffst mir Schmerzen, teilst sie nicht mit mir,
Du
raubst mein Herz und gibst es nicht zurück!
Wüsst
deinen Namen ich, so sagt ich ihn,
Und
wüsst ich, wo du bist, ich eilte zu dir.
Einst
war mir süß zumute und behaglich,
Nun
bin verkorkst ich wie ein alter Korkbaum.
Ich
trank schon eine große Menge Blut
Und
schamrot bin ich wie die rote Rose.
Ich
bettle nicht um deine stolze Liebe,
Doch
darf ich denn nicht deine Sklavin sein?
Was,
wenn du freundlich zu mir wärst und lieb
Und
mich erlöstest aus den Leidensketten?
Kein
Mensch soll so wie ich voll Weh verbluten,
Wie
ich des ordinären Pöbels Spott!
Die
Mutter über das missratne Kind
Muss
klagen und mein Vater schämt sich meiner!
Verlassen
bin ich, ach, von allen Mädchen,
Ich
bin allein mit meinem schweren Kummer!
Hast
du nicht Mut, mich trocknes Stroh zu nehmen
Und
mich der Liebesglut zu übergeben?
So
sprach sie zu dem Liebling ihres Herzens,
Bis
sie ward von dem Schlummer überwältigt.
Vom
Schlummerbecher trunken ihre Augen,
Erschien
der Dieb, der ihr die Ruhe raubte,
Viel
schöner noch, als Menschen sagen können,
So
unaussprechlich lieblich war der Liebling!
Sie
klammert sich an seines Rockes Saum,
Vergoss
zu seinen Füßen dann ihr Herzblut
Und
sprach: O du, in meiner Liebesqual
Die
Seelenruhe flieht von meinem Herzen
Und
Schlummer flieht von meinen müden Augen.
Bei
Gott, der dich so sündenlos gezeugt,
Dich
auserkoren aus der Welt der Schönen,
Verkürze
mir die Zeit der Peinigung!
Sag
deinen Namen mir und wo du wohnst!
Und
Josef sprach: Erhört ist dein Gebet,
Ich
bin Wesir im großen Land Ägypten,
Ich
bin der Stellvertreter des Monarchen,
Der
Herr, der Ewige, mit Ruhm mich kränzte!
Suleika,
als sie ihren Liebling hörte,
Nach
hundert Jahren Tod erstand zum Leben
Und
voller Freude kam die Kraft zurück
Des
Körpers wie auch die Vernunft des Geistes.
Im
Schlummer war ihr neues Glück erwacht
Und
die berauscht Entschlafene stand auf
In
trunkner Nüchternheit erneuten Geistes.
Da
nun des Schönheitsmondes neue Botschaft
Bewusstsein
ihr verlieh und freien Geist,
Da
rief sie ihre jungen schönen Mädchen:
Ihr
habt die Leiden treu mit mir geteilt,
Seid
nun die Freudenboten meinem Vater,
Befreit
ihn aus der Feuersglut der Leiden,
Denn
mein Verstand ist mir zurückgekehrt.
O
treuer Vater, löse mir die Fesseln,
Ich
fürcht nicht mehr die Wiederkunft des Wahnsinns!
Der
Mann des Geizes schließt sein Silber ein,
Du
aber schenke mir den Geist der Freiheit!
Der
Vater hörte diese Freudenbotschaft
Und
wurde fast verrückt vor Glück und Freude.
So
eilte er zu der Zypressentochter
Und
eilte schnaufend, wie Verliebte eilen,
Da
schloss er auf der Kupferschlange Schnalle
Und
löst die Silberbrüstigen die Fesseln.
Jetzt
kamen junge Mädchen zu Suleika
Und
setzten sie auf einen goldnen Thron,
Den
hohen Ehrenstuhl der jungen Anmut,
Und
schmückten sie mit einer goldnen Krone.
Die
feengleichen jungen Mädchen kamen
Und
schwebten leicht die Falter um die Lampe.
Umgeben
von den jungen schönen Mädchen
Sie
knabbert Zucker wie ein Papagei
Und
fing dann an, geduldig zu erzählen:
Sie
sprach von Griechenland und Syrien
Und
schließlich vom berühmten Land Ägypten
Und
kam zu sprechen so auf den Wesir.
Wenn
ihre Zunge seinen Namen nennt,
Sinkt
wie ein Schatten sie zurück zur Erde
Und
auf zum Himmel steigen ihre Seufzer.
Und
so vergingen Tage, flohen Nächte,
Sie
sprach vom Vielgeliebten und Ägypten,
Lieh
ihre Ohren auch nur solchen Worten,
Die
ihr von ihrem Vielgeliebten sprachen,
Und
sprach ein Mädchen einmal etwas andres,
So
schwieg Suleika still aus lauter Liebe.
ZWÖLFTER
GESANG
Und
wenn der Liebling dir am Busen ruht,
Dann
sehnst du dich nach andern Freiern nicht.
Der
Schmetterling schwebt nicht zur Sonne auf,
Wenn
ihm der jungen Hoffnung Fackel leuchtet.
Die
Nachtigall schaut nicht zum Blumenstrauß,
Sie
schmachtet einzig nach dem Rosenbusch.
Und
wenn die Sonne wärmt die Lotosblume,
Dann
schaut die Lotosblume nicht zum Mond.
Wenn
Dürstende zu trinken kriegen Wein,
So
fragen sie nicht nach dem weißen Zucker.
Suleika
fand an diesem schönen Ort,
Was
alles man zur Seligkeit benötigt.
Als
Sklave diente ihr der weise Assaf,
Genügend
Gold und Güter hatte sie,
Es
waren Mädchen da mit weißen Körpern,
Die
Mädchen standen ihr in allem bei,
Die
herzverwirrenden, die jungen Mädchen,
Auf
jedes Winken ihrer Herrschaft willig,
Und
Knaben, lächelnd süß wie weißer Zucker,
Von
Kopf zu Fuß so süß wie Zuckerrohr,
Und
Neger, wie geschnitzt aus Ebenholz,
Und
wie des Paradieses Engel keusch
Eunuchen
in den Harem junger Frauen,
Vertraut
mit jeglichem Belang des Harems.
Ägyptens
wunderschöne Frauen alle,
Geschmückt
mit allen Reizen junger Anmut,
Sie
waren alle wie Suleika jung
Und
suchten ihre Freundschaft, freundlich, treu.
Suleika
saß da im Versammlungssaal,
Wo
Menschen drängten dicht an dicht sich um sie.
Da
spannte sie des Frohsinns blaue Fahne,
Die
Lippen lächelten, das Herz voll Blut,
Sie
schien mit allen Frauen klug zu reden,
Doch
waren die Gedanken anderswo.
Zwar
sprach sie mit den Sklaven der Versammlung,
Doch
war ihr Herz allein bei ihrem Liebling.
In
Weh und Wonne war sie ihm vereint.
Ihr
leerer Körper nur war bei den Leuten,
Die
Seele fühlte eine andre Qual.
So
lebte sie vom Morgen bis zum Abend
Mit
ihren jungen Freundinnen im Harem.
Kaum
tat die Sonne abends an den Schleier,
Kaum
thronte in der Einsamkeit der Mond,
Als
sie in stiller Ruhe dunkler Nacht
Das
Bild des Lieblings auf das Kissen legt
Und
niederfällt vorm Vielgeliebten flehend
Und
klagt der armen Seele stille Wehmut,
Sie
stimmte ihre Stimme auf die Seufzer
Und
fing das Klagelied des Wahnsinns an
Und
sprach zum Bild: O Liebe meiner Seele!
Du
hast mich fortgeschickt, mein Vielgeliebter,
Der
du Wesir Ägyptens dich genannt,
Und
dennoch sei dir ewig Ruhm und Ehre!
All
meine Wonne, meines Lebens Krone
Ists,
deine Magd und Dienerin zu sein!
Verlassen
bin ich, fern der Heimat bin ich,
Beraubt
des Glücks, mit dir vereint zu sein.
Wie
lange trag ich noch des Elends Fackel?
Sei
du das Licht im Garten meines Herzens,
Ein
Pflaster für die Wunden meiner Seele!
Die
Liebe schleppte, ach, mich zur Verzweiflung,
Ein
Engel aber gibt mir junge Hoffnung.
Ich
lebe nur noch für die junge Hoffnung,
Ich
schüttle der Verzweiflung Staub nun von mir!
Dein
Schönheitslicht strahlt in mein offnes Herz,
Ich
hoffe innig auf ein Wiedersehen.
Ob
ich auch blutig-rote Tränen weine,
Doch
meine Augen schauen nach dir aus.
Glückselig
ist die Zeit, da du als Mond
Ins
große Zeichen meiner Augen kamest.
Seh
ich dein Antlitz, werde ich zu Nichts!
Ich,
ach, verliere den Gedankenfaden,
Verlier
mich in Gedankenlosigkeit.
Ich
bin nicht mehr an meinem eignen Ort,
Du
bist nun an der Stelle meiner Seele!
Ich
kann mich an mich selbst nicht mehr erinnern,
Und
such ich mich, so finde ich nur dich!
Du
bist mein Glück auf Erden und im Himmel!
Wenn
ich dich treffe, sprech ich nicht von mir.
So
sprach sie mit sich selbst am frühen Morgen
Und
also sprach sie auch den ganzen Tag.
Am
Morgen sprach sie: O ihr Morgenlüfte,
Durchweht
die schneeigweiße Lilienaue,
Und
siehe da, wie schön tanzt die Zypresse!
Du
Ostwind, Bote du der Liebenden,
Du
wehe Ruhe in das Herz des Jünglings!
Bring
ihm den Liebesbrief vom jungen Mädchen
Und
lindre du den Schmerz des Trauervollen!
Ach,
keiner trauert trauriger als ich,
Kennt
keiner Trennungsschmerzen so wie ich,
Mein
Herz ist krank, mein Herz ist krank vor Liebe!
O
lindre meine innern Qualen, Herr!
Zu
schwer geworden ist mir dieser Gram,
O
Lieber, tröste meine dunkle Seele!
Mein
lieber Ostwind, schleiche du dich ein
In
jeden Winkel dieser Mutter Erde,
Du
dringe selbst noch durch verschlossne Türen,
Erbarm
dich meiner, ach, ich bin verwirrt!
So
eile du zur Stadt des Pharao
Und
steig hinan zum Throne des Monarchen!
Dann
frage überall nach meinem Mond
Und
suche überall nach meinem Fürsten,
Durchziehe
alle grünen Frühlingsgärten
Und
wandele an aller Flüsse Ufern,
Vielleicht
doch findest du die liebe Spur
Der
wandelnden Zypresse an dem Ufer?
Such
unter den getuschten Bildern Chinas
Ein
Reh voll Anmut, das dem meinen gleicht!
Und
kehrst du heim dann aus dem Reich der Mitte
Und
dir begegnet dann ein schönes Rebhuhn,
So
bitte, fang das Rebhuhn dann für mich!
Und
stößt du wo auf eine Karawane,
So
lenk die Karawane in mein Land!
Vielleicht
doch seh ich meinen jungen Helden
Und
pflücke eine scharlachrote Rose
Vom
süßen Rosenstrauch der jungen Hoffnung!
So
also sprach sie mit den Morgenlüften,
Als
aber dann des Tages Sonne aufging,
War
sie umringt von jungen schönen Mädchen
Mit
reinen Herzen und mit festen Brüsten!
Und
also ging es immer Tag und Nacht
Und
Mond um Mond und Jahr um Jahr so weiter.
War
ihr im Haus das volle Herz sehr schwer,
So
eilt sie zu den Blumen in dem Garten.
Und
bald erzählte sie den roten Tulpen
Von
ihrem Liebling mit den Rosenwangen,
Bald
aber eilte sie zum Strand des Nil,
Erzählte
dort dem Nil von ihrem Kummer
Und
mischte ihre Tränen mit dem Wasser.
Von
woher kommt der Vielgeliebte wohl?
Kommt
er als Sonne oder kommt als Mond?
Auf,
meine Seele, du bist ein Poet,
So
mach doch, dass der Mond von Kanaan
Kommt
zur Verliebten bald aus Kanaan.
Voll
süßer Hoffnung ist das Herz Suleikas,
Die
Augen voller tränenreichem Kummer.
Zu
lange musste, ach, Suleika warten!
Auf,
meine Seele, Dichterin, Prophetin,
Wir
wollen unsre Frau Suleika trösten
Durch
die Vereinigung mit dem Geliebten!
DREIZEHNTER
GESANG
Was
wäre schöner denn dem Liebenden,
Als
wenn ihn die geliebte Freundin liebte?
Wenn
er in ihr geheimes Zimmer komme
Und
ihre Brust wär frei von Alltagssorgen?
Er
dann erzählte ihr die alten Märchen
Und
wöhlte sie sich zur Intimvertrauten.
Und
Josef ging in seine Wohnung nun,
Da
kam ein Wärter, sagend: O mein Herr,
Hier
an der Türe steht ein altes Weib!
Soll
ich sie führen doch zu deinem Thron?
Und
Josef sagte: Bringe sie herbei
Und
ist sie arm, so gib ihr milde Gaben.
Sie
möge sagen, was sie von mir wünscht.
Da
tanzte wie die Müchen in dem Abend
Suleika
in den Thronsaal des Wesires.
Mit
ihrem Rosenmunde sprach Suleika:
Heil
Josef! Er frug sie um ihren Namen.
Suleika
sagte da: Ich bin die Frau,
Die
auf den ersten Blick dich auserkoren,
Die
Herz und Seele ganz dir hingegeben,
Die
ihren Frühling gab dem Winde hin
Und
die nun alt geworden, graues Weib.
Du
liebst die Herrschaft wie ein liebes Weib,
Mich
Alte aber hast du ganz vergessen!
Er
sprach: Was willst du denn von mir, Suleika?
Und
warum bist du doch so voller Sorgen?
Als
Josef sprach Suleikas Namen aus,
Ach,
da verlor Suleika die Besinnung!
Ihr
Busen schäumte von des Wahnsinns Schaumwein!
Er
sprach: Wo sind die Reize deiner Jugend?
Sie
sprach: Als ich dir fern war, wichen sie.
Er
sprach: Was funkelt nicht dein Aug mehr blitzend?
Sie
sprach: Ach fern von dir, ich weinte viel.
Er
sprach: Was krümmt sich dein Zypressenkörper?
Sie
sprach: Die Trennung lag auf meinen Schultern.
Er
sprach: Wo ist die Krone deines Hauptes?
Sie
sprach: Die Dichter rühmten meine Reize
Und
krönten mich mit Gold der Lobeshymnen.
Mein
Gold warf ich zu ihren Füßen hin
Und
krönte die Poeten mit dem Ruhm.
Er
sprach: Was willst du aber nun von mir?
Sie
sagte: Was ich will, das ärgert dich.
Er
sprach: Beim Gottesgeiste der Propheten
Und
bei dem Ewigen der Patriarchen,
Beim
Herrn, dem Feuer, das im Dornbusch brannte -
Ich,
Josef, ich bin Gottes Anvertrauter!
Sag
du mir, was du heute von mir willst,
Ich
will dir deine Wünsche gern erfüllen.
Sie
sprach: Ich will zurück die Jugendreize!
Ich
will erleuchtet meine Augen haben,
Um
dich zu sehn, du Rose meines Gartens!
Und
Josef betete zu Gott dem Herrn
Und
floss dann über von geweihtem Wasser
Und
schenkte wieder so der toten Schönheit
Der
alten Frau, die fünfzig Jahre zählte,
Erneutes
Leben, neue Jugendreize,
Erfrischte
Ihrer Jugend Rosengarten
Mit
dem lebendigen, geweihten Wasser.
Die
grauen Strähnen mit gespaltnen Spitzen
Ihr
fielen aus der rabenschwarzen Mähne,
Der
krummgebogene Zypressenleib
Ward
wiederum zur schlanken Dattelpalme,
Die
Falten und die Runzeln des Gesichts
Nun
wie der Luna Silberantlitz wurden,
Die
'Reize ihrer Jugend, hoch erotisch,
Sie
wurden reizender, entzückender!
Sie
war noch schöner als zur Jugendzeit!
O
Schönheit, sagte Josef voll Bewundrung,
Was
wünschst du dir, dass ich es dir erfülle?
Ich
habe einen Wunsch allein, sprach sie,
In
Ewigkeit mit dir vereint zu sein!
Tags
möchte ich dein Sonnenantlitz essen,
Nachts
möchte ich dein Mondenantlitz trinken,
Im
Schatten deines Zedernleibes ruhen
Und
kauen stets den Zucker deines Mundes!
Die
trockne Erde meines Körpers möge
Frisch
werden von dem Regen deiner Liebe!
Als
Josef dieses Wort Suleikas hörte,
Da
schwieg er still und dachte lange nach
Und
schaute in die Himmelswelt der Geister.
Da
nahte ihm der Engel Gabriel
Und
sprach zu Josef: Freue dich, Gerechter!
Gott
hat Suleikas Bitten all erhört,
Bewegte
sie doch Gottes Allerbarmen,
Barmherzigkeit
ist groß in Gottes Schoß!
Und
so vermählt der Herr der Heeresscharen
Dich,
Josef, jetzt mit deiner Vielgeliebten
Im
Angesicht des ganzen Hofs des Himmels!
VIERZEHNTER
GESANG
Als
Josef von dem Herrn empfing die Weisung,
Das
Bündnis mit Suleika nun zu schließen,
Da
macht er ein Gelage, das war fürstlich,
Da
alles war, was süße Lust verschafft.
Er
lud die Fürsten und die Edlen ein
Und
setzte sie auf ihre Ehrensitze.
Nach
Abrahams Gesetz und Jakobs Glauben
Und
nach des Morgenlandes schönen Bräuchen
Vermählte
er sich also mit Suleika,
Der
größten Perle an der Perlenschnur.
Frau
Luna und die Fische streuten Silber,
Als
sich der Meister seiner Wonne freute.
Und
Josef bat die Gäste um Vergebung,
Er
bat die Gäste um Verschonung, Nachsicht,
Und
schickte dann die junge Braut Suleika
In
sein Gemach in tiefer Einsamkeit.
Die
Mägde brachten ihrer Frau Suleika
Als
Morgengabe ihre goldne Krone,
Sie
jauchzten über ihrer Herrin Schönheit
Und
gaben ihr ein teures feines Kleidchen.
Als
nun der Lärm der Menge war verstummt
Und
jeder kehrte heim in seine Wohnung,
Als
Luna in dem seidigen Gewand
Verschleierte
die schwarze Mutter Erde,
Als
am saphirnen Firmament des Himmels
Der
Chor der Myriaden Sterne sang,
Als
die Plejaden schimmerten so schön
Wie
blutiger Rubin und weiße Perlen,
Das
schwarze Haar der Nacht die Welt bedeckte
Und
alle unter Decken lustig spielten,
Da
war Suleika einsam, doch ihr Herz
Glich
einem Mückentanz im Sonnenlicht.
Das
heiße Dürsten stillte ihr kein Wasser,
Kein
Meer je löschte ihres Herzens Brand.
Sie
sprach: Ich kann es ja noch gar nicht glauben,
Dass
mir das Schicksal jetzt so gnädig ist!
Der
Vorhang vor dem Fensterloch ging auf,
Frau
Luna schmückt mit Silberglanz das Haus.
Suleikas
Augen sahen den Geliebten,
Sie
fühlte neue Wonne, neue Wollust,
Sein
Schimmer raubte ganz ihr den Verstand,
So
weicht die Finsternis vorm Licht der Sonne.
Als
Josef die Geliebte sah, die Schöne,
Den
Wahnsinn sah der Lust, die er erregt,
Da
hebt er die Geliebte auf den Thron
Und
bettet sie in seinen starken Armen.
Durch
seinen Duft gestärkt, durch sein Parfüm,
Erwachte
sie aus ihrem trunknen Traum.
Nun
schaute sie ihn an, er war so schön
Wie
ein Poet auf einem Bild aus China.
Und
ihre süßen Lippen öffneten
Das
Salbgefäß des gläubigen Vertrauens,
Und
da das Salz ihm seine Lust gewürzt,
Umfing
er herzlich sie mit beiden Armen,
Und
oh wie glücklich war er, oh wie glücklich,
Als
nun sein Finger fand die kleine Perle,
Die
unversehrte Perle ihres Schoßes!
Wie
blieb doch deine Perle unversehrt?
Sie
sprach: Du hast mich ja nur angeschaut,
Doch
pflücktest du die keusche Knospe nie!
Ich
war ja noch ein unberührtes Mädchen,
Als
ich dein wunderschönes Traumbild sah
Und
leise dich nach deinem Namen fragte.
Dies
keusche Kleidchen der Jungfräulichkeit
Hab
heilig ich bewahrt vor jedem Mann!
So
blieb die kleine Perle unberührt!
Gelobt
sei Gott der Herr, der Himmelsvater,
Dass
diese reine Perle unberührt blieb
Und
nicht berührt von eines Sünders Finger!
Zwar
Schwerter mir durchbohrten meine Seele,
Doch
habe ich mich aufgespart für dich!
Er
sprach: Du Schönste aller Himmelsjungfraun!
Ist
diese Liebes-Einigung nicht schöner
Als
alles, was du einst im Traum erfahren?