PETHEDA

von Josef Maria von der Ewigen Weisheit


Ich hab in meinem Herzen
So wunderliche Schmerzen!“
(Pethedas Grabspruch)



BALTRUM

Wie schön ist das Dornröschen der Nordsee doch,
Die Perle in der südlichen Nordsee Schaum,
Heil, meine Mutterheimat Baltrum,
Eiland im friesischen Archipele!

Von Paula Margarethe geboren ward
Petheda, meine zärtliche Muhme, die
Gastfreundlich mich als Kind empfangen,
Teestube hieß ihre schöne Wirtschaft.

Dort waren blauweiß friesische Kacheln am
Kamin mit schönen Bibelmotiven, dort
Der Ohm las vor von Indianern,
Arno, vergötterter Mann Pethedas.

Der Apfelkuchen süß war mit Zimt bestreut
Und Eis gab es mit Erdbeergeschmack genug
Und heimlich den Genuss des Tabaks,
Rauchte Petheda ihn in der Küche.

Schön lag die kleine Teestube in dem Grün,
Wir suchten bunte Eier zu Ostern dort,
Man sah Kaninchen dort und Rebhuhn,
Nah war das schweigende Kiefernwäldchen.

Am Wegrand lagen Heuballen schön zum Spiel
Des Kinds, zu bauen heimliche Wohnungen
Im Heu und dann zurückzukehren
Fröhlich zur liebenden Mutterschwester.


HAGE

Den Lebensabend wollte verbringen sie
Allein mit dem vergötterten Arno in
Dem Flecken Hage auf dem Festland,
Wo sie ein Haus bauten an dem Rehweg.

Ins Fundament des Hauses sie mauerten
Die Leberwurst für Arno ein und dazu
Pethedas süße Schokolade,
Dass ihrem Hause nicht Segen mangle.

Und Arno sang sehr kunstvoll im Männerchor,
Petheda liebte Opern von Verdi und
Geduldig fügte sie das Puzzle
Kunstreich zusammen zu schönen Bildern.

Wenn meine Eltern waren im Urlaub, war
Mein Bruder bei Petheda und Arno, ich
Geborgen war im Hause meiner
Großmutter, dort war ich glücklich, selig!

Wie Arno starb, ich weiß es nicht mehr, ich kann
Mich nicht erinnern. Aber Petheda litt
Und trauerte den Rest des Lebens,
Einsame Witwe voll Liebeskummer.


MARION

Ich liebte eine Frau, ein Idol des Traums,
Ich dachte, ohne sie kann ich leben nicht,
Sie war mein Lebenssinn, mein Alles,
Atem und Seele und Himmelsgöttin!

Sie wollte aber nicht mit mir sprechen, sie
Verschmähte mich und lehnte mich ab und sprach:
Ich will dich nie mehr sehen, Irrer,
Lass mich in Ruhe mit deinem Wahnsinn!

Da sprach ich mit der Muhme Petheda und
Hab ausgeschüttet ihr all mein Liebesweh
Und bat um Beistand sie und Hilfe,
Trösterin war mir da meine Muhme.

Ich will mit deiner Marion reden, will
Sie locken an das Telephon, dass du sie
Noch einmal hören kannst und deine
Schreckliche Liebesqual ihr verkünden.

So sprach Petheda. Marion sprach mit ihr,
Ich sprach noch kurz am Telephon Marion.
Sie sprach: Ich will dich nie mehr sehen,
Komm nicht nach Heiligenkirchen zu mir!

Da sprach Petheda: Herzilein, fahr zu ihr,
Im Teutoburger Walde besuche sie,
Zum Denkmal Hermanns geh, Thusnelda
Wartet in Heiligenkirchen, Liebling!

Hier hast du ein paar Taler. So reise du
Und kämpf um deine Liebe! Du liebst sie doch?
Ja, sprach ich, wie die reine Jungfrau,
Unsere Frau von den Externsteinen!

So half Petheda mir in dem Liebeswahn,
Denn sie war selber wahnsinnig Liebende
Und glaubte an die Macht der Liebe,
Die sich im Gottessohn offenbarte!


ENNO

Ach Norden, ach du elendes Norden an
Der Nordsee Mordsee! Kaum überlebte ich
Den teuflischen Versuch des Selbstmords,
Da mich der Heilige Geist gerettet,

Spazierte einsam stets auf dem Friedhof ich,
Ein Toter unter Toten im Erdengrab,
Da kam zum Einsamen ein Trinker,
Mich zum Spaziergange abzuholen.

Wir gingen durch die Maisfelder an den Deich
Und schauten uns das Wattenmeer an, das lag
Bei Ebbe offen, Austernfischer
Gingen umher und die Möwen flogen.

Ich sprach zum Trinker: Ich war im Höllenschlund,
Sah die Dämonenratten der Unterwelt,
Ich hörte Satanas befehlen:
Irrer, du möchtest dich selbst ermorden!

Der Trinker sprach: Es gibt keine Hölle, nur
Den Himmel, alle kommen ins Himmelreich!
Ich sprach: Ich war ja in der Hölle,
Darum auch weiß ich, es gibt die Hölle.

Ich saß auf der Terrasse vorm Elternhaus,
Genoss die Sonne, schaute den Park mir an,
Der Trinker aber hielt die Flasche
Bier in den zitternden bleichen Händen.

Petheda kam, da sah sie den Trinker mit
Der Flasche Bier am hellichten Tage, da
Sprach sie zu mir: Such einen andern
Freund dir, nimm Abstand von diesem Trinker.

Ich sprach: Er sitzt des Nachts in dem Raum allein,
Leert eine Flasche Bier nach der anderen.
Petheda sprach: Ach, auch mein Vater
War ja ein Säufer gewesen, trunken

Tyrannisierte Großmutter er und war
Ein Patriarch, wir fürchteten uns vor ihm.
Such du dir bessre Freunde, suche
Dir einen Freund mit Charakter, trau mir!


REGINA

Regina, eine Altphilologin und
Studentin auch der Theologie, sie sprach
Von Augustinus, Meister Eckart,
Luther, sie las ihre Bibel griechisch,

Sie übersetzte Platon und las Homer
Auf griechisch, lobte hoch meine Poesie,
Sie liebte mich, und ich besuchte
Einmal in Heidelberg diese Dame,

Wir saßen in dem Schlosse von Heidelberg,
Ich dichtete Catullus nach, aber nicht
Für sie, denn sie war schrecklich hässlich,
Die mir bereitete Augenschmerzen

Und Ohrenschmerzen noch mit der Stimme rauh.
Und sie besuchte auch mich in Oldenburg
Und sprach nach dem Erwachen: Endlich
Hab ich die Theodizee enträtselt!

Ich konnte ihre Nähe ertragen nicht,
Mir waren ihre Brüste zuwider, doch
Sie wollte mich zum Ehemanne.
Davon berichtete ich Petheda.

Ich sagte: Eine Frau will mich freien und
Mit mir zusammenleben im Ehebund.
Doch wenn ich an die Ehe denke,
Seh ich unzählige junge Mädchen,

Die alle ich als Musen noch lieben will
Und werde immer schwärmen für Jugendreiz
Und kann nicht treu sein einer Alten,
Wenn sie auch klug ist, doch furchtbar hässlich.

Petheda sprach: Du bist aber kompliziert!
Willst du wie Goethe immer nur schwärmen und
Von Blümelein zu Blümchen flattern,
Schmetterling, bis dich verbrennt die Flamme?

Die Ehe ist ein nüchternes Ding, kein Traum,
Der Ehebund ist Arbeit, auch braucht man Geld,
Die Ehe gleicht nicht den Romanzen,
Ist doch ein weltliches Ding die Ehe!


KARINA UND IHRE KINDER

Karina war mir Freundin und schenkte mir
Die Früchte ihres Leibes, den ersten Sohn,
Den starken Drachentöter Juri,
Der mich Gott-Vater genannt voll Liebe,

Und ihre beiden Zwillinge, die mich sehr
Geliebt als Papa, Milan und Simon, fromm
Der Gottesmutter Zwillingssöhne,
Aber am meisten mein Liebling Milan

War Herz von meinem Herzen, mein Ebenbild,
Mein kleiner Jesusknabe, mein kleiner Gott.
Karina aber, krank zum Tode,
Wurde vom tödlichen Krebs zerfressen.

Ich sagte zu Karina: Lass uns ein Haus
Zusammen nehmen, du bist die Mutter dann,
Ich bin der Vater deiner Kinder,
Bruder und Pfleger der Sterbenskranken.

Petheda aber sagte: Gib acht, mein Schatz,
So wirst du eines Tages alleine sein,
Wirst dreier Kinder Vater sein und
Ohne die Mutter alleinerziehend.

Ich kann dir dies nicht raten. Zwar ehrt es dich,
Doch so kommst du ins Elend. Du bist auch krank,
Bist selber krank, es ist unheilbar
Doch deine psychische Herzenskrankheit.

Nun sind die Kinder fünfjährig, o wie süß
Sind Knaben mit fünf Jahren, sie lieben dich,
Fast beten sie dich an, doch später
Werden sie kaltherzig dich verlassen.

Nein, bleib in deiner Wohnung und leb allein,
Einst wirst du deine Ruh wieder schätzen, dann,
Wenn dieses Unglück ist vorüber,
Dann wirst du würdigen meine Worte.


ACHIM

Pethedas Sohn, die einzige Leibesfrucht
War Achim, Frucht des Fehltritts zur Jugendzeit,
Nicht Arnos Sohn, von ihm erzogen,
Streng und mit Schlägen der Sohn erzogen.

Erst als Erwachsner aber erfuhr der Sohn,
Der Vater, der ihn schlug, war sein Vater nicht.
Und Achim hasste seine Eltern,
Blieb als Erwachsener unversöhnlich.

Ich mochte diesen älteren Vetter und
Hab oft mein Herz ihm offengelegt, wenn ich
Gelitten unter meinen Eltern,
Achim war mir da ein Freund und Tröster.

Doch später brach er jeden Kontakt mit mir
Und seiner ganzen Sippe erkältet ab.
Und als die Mutter ward zur Witwe,
Hat er die Leidende stets verleugnet.

Nicht nur, dass ihr Geliebter gestorben war,
Dass Arno tot war, war ihr ein Weh und Ach,
Auch dass die eigne Frucht des Leibes
Hartherzig, bitter, die Mutter hasste.

Er aber hatte Alpträume, ward verfolgt
In seinem Traum von Vater und Mutter und
War niemals willig zur Vergebung,
Sondern er rächte sich an der Mutter.

Joachim, warum hasst du die Mutter so?
Und fühlst du Mitleid nicht in dem Herzen, ist
Dein Herz so hart und kalt und steinern,
Kennst du nicht Mitgefühl und Erbarmen,

Dass deine Mutter sterben muss ganz allein,
Ihr lieber Sohn steht nicht an dem Sterbebett?
Willst du mit diesem Hass im Herzen
Denn vor den ewigen Richter treten?


MEINE ELTERN UND MEIN BRUDER

Petheda sprach: Ich kam einst zu Eberhard
Und fragte: Wo ist Doris? Und Eberhard
Sprach: Sie ist krank und liegt zu Bette.
Ich trat ins Schlafzimmer ein zu Doris

Und fragte: Schwester, nenn mir der Leiden Grund!
Und Doris sagte: Ach, ich bin schwanger, ach,
Ich möchte dieses Kind nicht haben!
Also war deine Geburt, mein Neffe.

Ich sagte: Niemals liebte mich Eberhard
Und niemals liebte Doris mich. Schwarzes Schaf
War immer der Familie ich und
Liebling der Eltern war stets mein Bruder.

Doch sagte meine Großmutter einst zu mir:
Mein Junge, trenn dich nicht von den Eltern, sonst
Bist eines Tages du alleine
Hier auf der Erde und wimmerst einsam!

Petheda sagte: Aber ich weiß, dich liebt
Dein Mutterherz, sie kann es nur zeigen nicht.
Und trenn dich nicht von deinem Bruder,
Sonst bist du einmal vollkommen einsam.

Denn Blut ist schließlich dicker als Wasser doch.
Die Freunde werden gehen, die Freundinnen,
Doch deine Mutter wird dir bleiben,
(……………………...)


HIOBS TOCHTER

Petheda liebte Arno auch nach dem Tod
Des Mannes und sie wurde vor Liebe krank,
Ihr Alter war ein stetes Leiden,
Krank war Petheda, war Hiobs Tochter,

Und dachte sich: Mein Ehemann ist zwar tot,
Doch ist unsterblich leidend mein toter Mann,
Und voller Sehnsucht in dem Jenseits
Sehnt er sich schmerzlich nach seiner Gattin.

Pethedas Herz ein Dom war und ein Altar
Für Arno, den vergötterten Ehemann,
Er war ihr Gott, ihr Ein-und-Alles,
Sie seine leidende Frau auf Erden.

Die Seele war voll Kummer, der Geist voll Gram,
Ihr Herz war von den Schmerzen erkrankt, geschwächt,
Ihr krankes Blut war voll vom Gifte
Elend-unsterblicher Liebesleiden.

Ihr Körper war Verwesung im Leben schon,
Ein Siechhaus und ein Beinhaus voll Todesweh,
Ihr Körper war ein Sarg und Kerker,
Aber geduldig hat sie gelitten.

Und Trauern bessert, wenn mans versteht, das Herz,
Wer leidet, weiß für Leidende rechten Trost,
Der Weise geht ins Haus der Trauer,
Nimmt sich zu Herzen des Todes Schicksal.

Der Schmerz hat ihre Seele geläutert, sie
War lebend schon im Fegfeuer ihrer Pein,
So ward ihr Herz barmherzig, zärtlich,
Gern hab mein Herz ich ihr ausgeschüttet.

Und wenn ich sie verließ, stand sie vor der Tür
Und sah mir nach, wie ich auf dem Rad entschwand,
Und an der letzten Ecke winkte
Mütterlich nach mir die Todgeweihte.


GEBET FÜR PETHEDAS SEELE

Nun Paula Margarethe gestorben ist,
Nun Arno auch gestorben ist, Eberhard
Ist tot und tot ist Achim, tot ist
Auch meine Muhme Petheda. Jesus,

Bei deinen Leiden, Jesus, beschwör ich dich,
Nimm meine Muhme auf in dein Paradies,
Befrei sie aus dem Fegefeuer,
Wahrlich, sie hatte genug gelitten.

Nimm ihre Schmerzen hier in dem Jammertal
Zur Sühne ihrer Schuld an und tröste sie
Und trockne alle ihre Tränen,
Lass die Geliebten sie wiedersehen

Und führe sie zur Hochzeit des Lammes, Gott,
Denn wer von reiner Liebe entbrannt, o Herr,
Der wird erkannt vom Gott der Liebe,
Selig den Körper lass auferstehen!
Und höre ihr Gebet für den Neffen, Gott,
Lass sie mir eine himmlische Schutzfrau sein,
Patronin meiner Seelenschmerzen,
Bis ich das Jammertal froh verlasse!