SIEGFRIED

Von Josef Maria von der Ewigen Weisheit 


ERSTER GESANG

Ja, Siegfried preis ich, ich den Helden preise,
Der da zum Weisesten der Männer ritt.
Es sage meine Zukunft mir der Weise,
Das ist es, was ich voller Demut bitt.

Als Mächtigsten der Erde preist dich jede,
Dein Ruf in allen Fürstentümern töne.
Von Weisheit unterrichtet deine Rede,
Dein Körper ist ein Wunderwerk an Schöne.

Erringen wirst du’s, alles Leid vergelten,
Mit deiner Kraft den wahren Sieg erringen.
Du wirst den Lindwurm harter Worte schelten,
Du wirst den dreisten Drachen niederzwingen.

O weiser Mann, du sage Siegfrieds Seele,
Was ihm begegnen wird, du sprich das Wort.
Den Drachen findest du in seiner Höhle,
Du raubst ihm all sein Gold aus seinem Hort.

Ich sage dir, was meine Seele schaut,
Ich sag es mit dem Munde überm Kinne:
Die Kluge wird es sagen dir, die Braut,
Der du geöffnet mit dem Schwert die Brünne.

Sie wird dich Gnadenreichen Runen lehren,
Sie wird in allen Menschenzungen reden,
Gibt Antwort deinem männlichen Begehren,
Wird Epen singen aus dem alten Schweden.

So wird es sein, ich lerne alle Stäbe,
Ich raune alle Runen, reite weiter.
Sag, Weiser, mir, wo ich in Zukunft lebe,
Ob ich besteigen darf die Himmelsleiter.

Da murmelte der Weise in den Bart:
Reden ist Silber, aber Gold ist Schweigen.
Und Siegfried sprach: Was ward dir offenbart?
O Seher, sieh, du mußt von allem zeugen!

In deinem Lose liegen keine Laster,
Das, Herr und Meister, sollst du nie vergessen.
Doch siehe, welken muß des Herbstes Aster,
Im Winter siehst du roter Rosen Blässen.

Solange aber Saat und Ernte gehen,
Solange Frost sich wechselt mit der Hitze,
Solange wird dein hoher Ruhm bestehen,
Es schreiben ihn des Allerhöchsten Blitze!

Und Siegfried sprach: Orakel muß ich tragen,
Dein Wort im Meer der Dunkelheiten schwimmt.
Der Weise sprach: Ich muß dir alles sagen,
O Mensch, dir ist dein Todestag bestimmt!

Ein Mädchen weiß ich, schön von Angesicht,
Der Heimirs-Tochter Name ist Brunhilde,
Sie ist so strahlend wie des Nordens Licht,
Doch kalt wie Gletschereis und ohne Milde.

Und Siegfried sprach: Wie könnte es mir schaden,
Das schön von Angesicht ist Frau Brunhilde?
Was nützen ihres Leibes Anmutsgnaden,
Wenn kalt die Seele ist und ohne Milde?

Erwirken wird die Schöne vielen Kummer,
Fast rollt dir ab vom Rad das Lebensfädchen,
Schläfst keinen Schlaf mehr, schlummerst keinen Schlummer,
Betört bist du von jenem schönen Mädchen!

Der Lebensbaum, den Lebensfaden flocht er
Und ließ um mich das Band als Fessel laufen?
Kann ich des Volksgebieters schöne Tochter
Mit eines Brautgeschenkes Reichtum kaufen?

Ihr werdet euch die höchsten Eide schwören,
Doch wenn du bist bei Gudrun erst gesessen,
Denn unfreiwillig wird sie dich betören,
Dann hast du die Brunhilde bald vergessen!

Wie? lüge ich wie Zwerge in den Städtchen
Tief unterm Gletscher, weiß ich nur zu scherzen?
Brech ich den Eid, gegeben einem Mädchen,
Die ich zu lieben schien von ganzem Herzen?

Die alte Grimhild wird die Tochter geben,
Daß du sie freist auf einer Hochzeitsfeier,
Die schöne Gudrun ist das lichte Leben
Und keusch wie Lilien unterm weißen Schleier.

Und hätte Siegfried da sein Ja gesprochen
Und sich zur Braut erwählt die schöne Maid,
So hätte seine Liebe doch gebrochen
Der alten Liebe ersten Treue-Eid!

Das ist für Grimhild aber nur ein weniges
Und wenig ist es ihr, ob du mußt sterben!
Sie wird dich bitten, für des Gotenköniges
Verwaistes Bett Brunhilde zu erwerben!

Unheil und Übel droht und ich muß sterben,
Der Lebensfaden von dem Rad mir rollt,
In Minne soll ich um das Mädchen werben
Für einen andern? Bin ihr selbst doch hold!

Der Gotenkönig ist ein kluger Fuchs,
Du bist ein edler Hirsch in seinem Röhren.
Da tauscht ihr die Gestalt und tauscht den Wuchs,
Und Gunther wird die Treue-Eide schwören.

Du hast nun Gunthers Wandel und Gestalt
Und Gunther deine Stirn und deine Milde.
Und so verlobst du dich für Gunther bald
Mit Heimirs Tochter. Wehe dir, Brunhilde!

Und liegen wirst du, der du lenkst das Heer,
Bei jener Jungfrau, in dem Bett beblümt,
Als wenn es deine eigne Mutter wär,
Und darum wirst du in der Welt berühmt.

Und Gudrun liebst du dann als deine Braut,
Doch bös verbunden dünkt sich dann Brunhilde,
Da sie dem Gotenkönig anvertraut,
Auf böse Rache sinnt sie ohne Milde.

Und was genügt zur Rache jener Maid,
Da wir der Frau den Gotenkönig bieten?
Der Edlen schwor ich einen Treue-Eid
Und hielt ihn nicht. Drum hat sie keinen Frieden.

Die Grimme wird dann ihrem Gatten sagen,
Du habest schlecht die Treue ihm gehalten.
Und Gudrun wird als deine Witwe klagen,
Dein Ruhm wird auf der Erde nicht veralten.

Dir bleibt ein Trost, Gepriesener der Frauen,
Dich singen wird dereinst ein stiller Beter.
Nie mehr wird Gottes große Sonne schauen
Solch einen Mann wie dich, o Drachentöter!

Und Siegfried sprach: O Segen uns beim Scheiden,
Weissagung ward mir hier, das ist schon Segen.
Du würdest gern mehr Segen mir beeiden,
Wenn es an dir, Prophet, nur hätt gelegen.


2

Der Recke Siegfried reiste in die Heide,
Auf dass er dort den Drachen Fafnir töte.
O Nordens Heide, schöne Augenweide,
O Erika im Gold der Morgenröte!

Und Siegfried grub sich eine große Grube,
Da wo der Drache an das Wasser kroch.
Du stiegst nun in die Grube, Heldenbube,
Und trugst dort die Verborgenheit als Joch.

Und Fafnir blies von oben bittres Gift,
Und Siegfried stach von unten mit dem Schwerte,
Ein Tropfen roten Drachenblutes trifft
Gleich die Empfänglichkeit der schwarzen Erde.

Und Fafnir sprach: Bei der Walhalla Saal,
Gebildet aus dem Golde und den Erzen,
Wie heißest du? Es steckt dein scharfer Stahl,
Steckt deine blanke Klinge mir im Herzen!

Doch Siegfried sagte seinen Namen nicht,
Damit der böse Feind ihn nicht verfluche!
So lehrte Odin ja im Spruchgedicht,
Das stand geschrieben in der Weisheit Buche.

Und Siegfried sprach: Ich heiße Wundertier
Und keine liebe Mutter nenn ich mein,
Die Götter gaben keinen Vater mir,
So einsam pilgre ich und ganz allein.

Und Fafnir sprach: Wie ließest du dich reizen,
Den armes Lindwurm tödlich zu ermorden?
Dein Schöpfer wollte nicht mit Gaben geizen,
Du bist der Mächtigste im ganzen Norden!

Mich reizte Tapferkeit und Mut und Herz,
Ein Herz, das einen Mann zum Manne macht.
Mit meiner Hand, der Schärfe meines Schwerts,
Mit meiner Hand hab ichs allein vollbracht.

Und Fafnir sprach, der Böse, gar nicht hold,
Zu Siegfried, da er röchelte im Sterben:
Der gleißend rote Schatz, das gelbe Gold,
Des Drachen Testament, wird dich verderben!

Doch Reichtum wollte er und Gold genießen,
Das wollte Siegfried bis zum Todestage,
Da seine Seufzer in den Schatten fließen
Und um ihn seufzt der dunklen Witwe Klage.

Du nimmst für nichts den dunklen Spruch der Nornen,
Du hältst mein Wort für Rede ohne Sinn?
Du wirst verstrickt in Disteln und in Dornen
Und gibst dem Reich der Hel die Seele hin!

Denn dies steht in der Nornen Schicksalsbuch,
Geschrieben in Walhallas goldner Schrift:
Das Gold des Lindwurms wird dem Mann zum Fluch,
Das Gold des Drachen ist dem Mann ein Gift!

Wohl bist du furchtbar, feurig roter Wurm,
Vom harten Herzen Gift sprüht aus der Nase.
Sag an, wie heißt die Insel mit dem Turm,
Da einigt mit den Nornen sich der Ase?

Die Insel, wo die Götter Herzblut mischen,
Es ist die Unvermeidliche-im-Meer!
Da Götter bechern an den goldnen Tischen
Und Donars Hammer steht und Odins Speer.

Dir, Recke, rate ich in meinem Sterben,
Reit fort von hier, dein Roß tu einen Satz,
Das Gold mit seinem Glanz wird dich verderben,
Des Manns Verderben ist der rote Schatz!

Du rietest so, ich werde dennoch fliegen
Zum goldnen Schatz auf purpurroter Heide.
Der Drache liegt in seinen letzten Zügen,
Daß Hel ihn in dem Höllenreiche weide!

Als Siegfried tötete den Drachen, tötet
Er ihn mit seines Freundes Regin Schwerte.
Und da das Drachenblut die Erde rötet,
Da nahte Regin auf der roten Erde.

Heil dir, o Siegfried, Segen deinem Handeln,
Du kühnster Sohn der keuschen milden Magd!
Von allen Männern, die auf Erden wandeln,
Kein Mann ist so wie du so unverzagt.

Wird uns erheben der Walkyre Schwinge,
Dann zeigt sich, wer den Göttern war zur Lust,
Ist mancher Held doch, welcher nie die Klinge
Gestochen hat in eines Feindes Brust.

Stolz bist du, Siegfried, stolz auf deine Macht,
Abwischest du im Grase allen Gram.
Du hast mir meinen Bruder umgebracht,
Ein Teil der Schuld auf Regin selber kam.

Und Regin mit der Schärfe seines Schwerts
Und mit dem Herzen voll von Heldenmut,
Er schnitt dem Drachen auf das harte Herz
Und trank des Lindwurms heißes rotes Blut.

O Siegfried, siehe hier des Lindwurms Gabe,
Sein Herz, du brate es am Feuer lang,
Damit ich rotes Herz zu essen habe,
Nachdem ich schon vom roten Blute trank.

Und Siegfried, sitzend unterm Birkenbaum,
Er briet das Herz, bis dass er Regin weckte,
Da spritzte von dem Blute roter Schaum,
Den Siegfried sich vom rechten Finger leckte.

Da kam das Herzblut ihm auf seine Zunge,
Da ging der Sinn ihm über, auf das Ohr,
Da sah er Meisen in dem schönen Schwunge,
Und er verstand den Sang vom Meisen-Chor.

Die Meisen sangen ihre Sangesweise:
Es brät das Herz am Feuer Siegfried keusch,
Der dünkt uns wahrlich tugendhaft und weise,
Wenn er es isst, das lichte Lebensfleisch!

Und Siegfried hörte leis die Meisen sprechen,
Da tief er in dem Birkenschatten sann:
Schaut, Regin möchte seinen Bruder rächen
Und sinnt auf böses Werk, der böse Mann!

Den eitlen Schwätzer manches eitlen Schwatzes,
Den sende er in Höllenfeuerrauch!
Dann nehm er sich die Herrlichkeit des Schatzes,
Gelagert unter jenes Lindwurms Bauch.

Er scheint uns unklug, liegt er länger still
Und wahrt sich nicht vor drohenden Gefahren.
Denn dort schläft Regin, der ihm Böses will,
Und Siegfried weiß vor ihm sich nicht zu wahren.

Und Siegfried schlug dem Regin ab das Haupt
Und sandte jenen Sünder hin zur Hölle.
Es lächelte der Birkenbaum belaubt,
Es sang die Meise mit der süßen Seele:

Ich weiß ein Weib, ein wunderschönes Mädchen,
Ich wünscht es dir, ach wär sie dir gegönnt!
Sei schön das Schicksal, licht das Lebensfädchen,
Daß Siegfried Gudrun sich erwerben könnt!


3

Und Siegfried kam zu Gjuhi, Gudruns Vater,
Da ward ihm reichliches Geschenk vertraut,
Er freute sich und dankte dem Berater,
Dann führte Gudrun man herein, die Braut.

O Gudrun, schönster Mond in allen Nächten,
Sei Jungfraunspiegel du der Heldensonne,
Birg Siegfried du in deinen Lockenflechten
Und sei für ihn ein Himmel voller Wonne!

Die Männer fuhren dann, Brunhilde freien;
Sie gäb sich Siegfried, wenns das Schicksal wollte.
Wer aber wagts, dem Schicksal zu verzeihen?
Der schneeigen Brunhild das Schicksal grollte.

Und Siegfried warb für Gunther um Brunhilde,
Da lag er neben seines Schwertes Schneide,
Nicht zu berühren ihres Leibes Milde
Und nicht zu deflorieren ihre Scheide.

Sie saßen einsam in der Abendstunde,
Da gern die Barden Zauberrunen kerben.
Da seufzte sie: O meines Lebens Wunde!
Dich will ich, Siegfried, oder ich will sterben!

Die rasche Rede hat sie bald gereut:
Bin ich doch Gunthers Blume unter Dornen
Und Siegfried nur an Gudrun sich erfreut,
So walten über uns die grimmen Nornen!

Brunhilde wandelte durch Eis und Gletscher,
Es schmerzte sie, daß Siegfried Gudrun herzte.
Sie ward zum wilden Wolf, dem Zähnefletscher,
Den seine eigne wilde Wollust schmerzte.

Der Maienminne Wonne ist mir fremd,
Denn meinen Liebsten muss ich doch entbehren!
Nun trag ich hartes Hassen unterm Hemd
Und will in heißem Zorn mich ganz verzehren!

Kann ich den süßen Siegfried selbst nicht haben,
Führt er sein Schäfchen nicht in meine Hürde,
So weigre ich dem Gunther meine Gaben,
Verzichte auch auf seine Königswürde!

Da wurde Gunther brennend eifersüchtig,
Dass Siegfried die Brunhilde ihm entzogen.
Und Gunther, sonst in aller Tugend tüchtig,
Entbrannte in des Eifers Feuerwogen.

Brunhilde ist mein einziges Verlangen,
Die Wonne meines Blutes, mein Ergötzen!
Soll eher mich die heiße Hel empfangen,
Als dass die Braut ich lass mit ihren Schätzen!

Und Gunthers Bruder war bereit zum Morden,
Er bohrte Siegfried durch das Herz das Schwert.
Dir, Siegfried, Weh! Das Übel kommt aus Norden!
Doch unvergänglich deiner Seele Wert!

Die gute Gudrun schlief an Siegfrieds Seite,
Als sie erwachte, hat sie weh geweint:
O littest du nicht mehr an deinem Leide!
Die Sonne sank! O tot ist Baldurs Freund!

Da raufte sie sich die geflochtnen Haare
Und schlug sich an die schöne Apfelbrust:
Mein Brautbett ward dem Bräutigam zur Bahre!
Mein Jungfraunschoß ihm Grabes Staub und Dust!

Gesunken ist die süße Heldensonne,
Die Gott als Zeichen gab Germania!
Zur Hel hinabgestiegen meine Wonne!
Wär ich bei ihm im Totenreiche da!

Beruhige dein Weinen, Gudrun du,
Schau her, die jungen Brüder alle leben,
Du wende deine Liebe ihnen zu,
Dich voller Liebe ihnen hinzugeben.

Ach meine kleinen Brüder, sanft wie Schwestern,
Kommt alle her und weint an meinem Busen!
Ihr grauen Schwanenküken in den Nestern,
Die Schwanin hüllt euch in des Flaumes Flusen!

Verdorbne Brüder Gunthers, Drachensaat,
Ich hörte wie die Midgardschlange lacht,
Versammelt ihr euch doch zum bösen Rat
Mit Lokis Listen in der Neumondnacht!

Des Übels Wurzel, wehe, ist Brunhilde,
Die Eifersucht entbrannte in dem Weib,
Des Bösen Braut, so ohne alle Milde,
Hat mir gemordet meines Liebsten Leib!

Da sank die Königin in lautem Stöhnen,
Der König von Germanien war nun tot!
Sie salbte seinen Leib mit ihren Tränen
Und ihre Tränen waren Perlen rot!

Sie schlug die Hände also laut zusammen,
Dass auf dem Tische bebten alle Becher,
Versprühten ihren Met wie goldne Flammen:
Allvater selber sende einen Rächer!

Allvaters Sohn, er gebe diesem Held
Nach seinem wundervollem lichten Lieben
Die Heimat einst auf jenem Ida-Feld,
Das sei in Schicksalstafeln eingeschrieben.

Brunhilde lachte, kalt wie Gletschereis,
Sie höhnte kalten Herzens, hart vor Hass:
Unliebe ward mir, das ist nun der Preis,
Ich stillte meinen Zorn! Das war ein Spaß!

Doch Gunther sprach: Sei still, Verderberin,
Dein harter Hass entraubt dich alles Schönen!
In Liebe zu dem Toten gab sich hin
Die Jungfrau Gudrun, ganz benetzt von Tränen.

So weinte Gudrun um den Königlichen,
In dem der Glanz Germaniens war gesunken.
Dem Weibe alle ihre Sinne wichen
Und traurig funkelte ihr Seelenfunken.


4

Die holde Gudrun sprach: Als reine Maid
Erzog mich meine Mutter für das Grab.
Der Vater gab mir Seide und Geschmeid,
Der mich dem liebsten Mann zur Gattin gab.

Und Siegfrieds herrliche Charakternase
War Zeichen: Er war Eiche über Büschen,
War weißer Hirschbock über Fuchs und Hase,
Er war der Königsbecher auf den Tischen.

Lauch blüht er über grüner Gräser Sprießen,
Vor allen Helden war er wahrlich hold.
Bis ihn die Grimmigen erschlagen ließen
Allein um eines bösen Weibes Gold.

Im Süden sah ich Siegfried immer so:
Die Krähen krächzen und die schwarzen Raben,
Der Adler jubelt, seiner Sonne froh,
Der Wolf heult um den Helden voller Gaben.

Wie sagtet alle ihr mir Schmach gemeinsam
Und grüßtet mich mit Gruß von Grimm und Graus!
Von Männern ging ich fort, allein und einsam,
Zu sammeln bei der Wölfe Leichenschmaus.

Die Mitternacht war tief, der Mond war dunkel,
Ich saß bei Siegfried, mein Gewand zerrissen.
Viel sanfter schaute Wolfes Blickgefunkel,
Ließ er mich bald mein Witwenleben missen!

Da zog ich durch des Waldes dunkles Tor, ah,
Ich war ein schwaches Weib, doch frei und stark.
Und sieben Jahre lebte ich bei Thora,
Der Busenfreundin mein in Dänemark.

Da hörte Grimhild, meine Mutter, Kunde,
Wie ich so tief betraure den Gemahl,
Mein Herz allein war eine Herzenswunde,
Ich weinend saß in meiner Freundin Saal.

Sie legte aus der Hand die Runenzeilen
Und rief die sieben Söhne in den Saal.
Wer ist bereit, die Schwester lieb heilen,
Zu rächen den erschlagenen Gemahl?

Da reiste Gunther, soll ich es erwähnen,
Und mit ihm Jarrisleif und Jarriskar
Und Eimod auch und mit ihm von den Dänen
Der Recke Waldar, der ein Eichbaum war.

Ein jeder reichte Gold und Silberkettchen,
Es sollte Schmuck den Schwanenhals mir schmeicheln,
Ein jeder wollte locken mich ins Bettchen,
Um Siegfrieds Frau die Apfelbrust zu streicheln.

Sie schenkten Met mir ein und Apfelmost,
Ob ich mich freuen könnte, eine Braut,
Ob ich mich öffnen werde ihrem Trost,
Doch hab ich mich den Tröstern nicht vertraut.

Weh mir! da brachte Grimhild mir den Becher,
Den Becher mit dem kalten Trank, dem herben.
Wie schmeckte mir die Bitterkeit doch lecker,
Ein Wohlsein trank ich auf das erste Sterben!

Der Becher war gefüllt mit reinem Tau,
Entsprungen aus dem Brunnen dreier Nornen.
Ich leerte ihn, ich bitterliche Frau,
Der Kelch umwunden war mit Rosendornen.

Der Becher war geziert mit Runenstäben,
Wie war die Weisheit mir doch unergründlich,
Wie Leid mir lebte in dem Frauenleben
Und Tod mich freite jährlich, täglich, stündlich!

O welche Bosheit in dem bittren Bier,
Das Unkraut wucherte beim goldnen Weizen,
Die Eingeweide reichte dar das Tier,
Und Hexen zauberten, mich aufzureizen.

Die Leber eines Schweines war gesotten,
Ich sollte durch das Licht der Zukunft schauen.
Und Speichel gabs, die Seele zu verspotten,
Und rote Milch vom Monatsblut der Frauen.

Und so bedacht vom Kelch der Bitterkeit,
Den mir die Gotin reichte dar zum Mahl,
Vergaß ich gar in allem meinem Leid,
Was einst mein König sprach im Hochzeitssaal.


5

Drei Könige sind vor mir hingesunken,
Sie wollten alle meinen Schoß verehren.
Dann kam die Mutter mit den Augenfunken,
Sie sprach mit einem Rauschen wie von Meeren:

Ich gebe dir, o Gudrun, reines Gold,
Empfange deines Vaters reiches Erbe.
Dass diese Spange um den Arm dir rollt,
Dich kränzt der grüne Hopfenkranz, der herbe.

Dein Erbe seien Töchter dir der Hunnen,
Ein goldner Gürtel ringsum dich ergötze.
Lass schöpfen einen Mann aus deinem Brunnen,
Dem Manne Atli auf den Schoß dich setze.

Da weigerten sich alle sieben Seelen
In mir und ich verneinte meine Mutter:
Ich werde nimmer, nimmer mich vermählen,
Besonders niemals mit Brunhildens Bruder!

Dass ich dem König treu, soll keinen wundern,
Und wäre er im Jenseits auf den Meeren.
Für keinen Mann mehr will ich mich ermuntern,
Will Atli seine Hoffnung nicht gewähren.

Ich leide ja an unstillbarer Schmerzwut,
Kann mich des Königs Körper nicht erlaben!
Ja, trinken immer wieder denn sein Herzblut
Die Krähen und die schrecklich schwarzen Raben?

Da zwang die Mutter mir den Gatten auf,
Stahl mir die Ehre meiner Witwentreue.
Gewähre Odin in der Sterne Lauf,
Dass ich an einem Fluche mich erfreue!

Ich will mit zauberstarkem Runenraunen
Dem alten Atli seinen Traum besprechen,
Liegt er im Samen unter Entendaunen,
Will ich an seiner Güte Geiz mich rächen!

Drei Weiber wecken ihn zur Mitternacht,
Drei dunkle Nornen mit gespaltner Zunge.
Die eine lästert, eine höhnt und lacht
Und eine spottet aus geschwärzter Lunge.

Da hört er Orgelton mit seinen Ohren,
Ein Donnerwetter aus dem Göttersaal.
Da sieht er Gudrun seine Brust durchbohren
Mit ihres harten Hasses scharfem Stahl.

Er sehe flammend blitzen einen Dolch,
Das Feuer sei ihm einer Hausfrau Zorn.
In seinem Eingeweide wühlt der Molch,
Der nährt sich am mit Gift gefüllten Born.

Und alle hohen Bäume, die er pflanzte,
Ihm werde ausgerissen alles Holz.
Das rote Herz der Buche um ihn tanzte,
Dass es erniedrige des Mannes Stolz.

Von seiner Hand soll ihm ein Habicht steigen
Und stürzen steil in seinen Untergang.
Dem soll sich Maus und Hase nimmer zeigen,
Er hungre, bis er ganz sich selbst verschlang.

Dann soll er dieses hohen Habichts Herz
Ganz füllen mit den Blumenhonigpollen
Und es verschlingen, rot wie Minneschmerz,
Das da von schwermutschwarzem Blut geschwollen.

Er schlafe ruhelos in schweren Leiden,
Kein blauer Balsam soll vom Mond ihm schimmern.
Ein Wolf entsteige seinen Eingeweiden
Und eine Wölfin hör er heulend wimmern.

Und Wolf und Wölfin sollen ihm verfaulen
Und stinken soll des Fleisches Aas abscheulich,
Da soll es munden ihm, da soll es maulen,
Und Ekel wird es ihm und Grausen gräulich.

Ihm sollen Räuber von der Decke baumeln
Und die Erhängten vor den schwarzen Fenstern.
Er soll in Furcht und Angst und Schrecken taumeln
Und untergehen mit den Nachtgespenstern.

So ritze Runen ich in rote Buchen,
Gelesen aus der Weisheit Schicksalsbuch.
Dem Bösen sollen alle guten Götter fluchen,
So fürchterlich ist einer Jungfrau Fluch!


6

Die Dienerin des alten Atli sprach,
Sie habe seine Frau gesehn, den Stern,
Sie sah sie kosend in dem Schlafgemach
Mit Dietrich ruhn, dem Herrlichen von Bern.

Der alte Atli, von der Magd betört,
In seiner Seele nach der Ruhe sucht,
Doch blieb die Seele wild und aufgestört,
Sich selbst verzehrend in der Eifersucht.

Und Gudrun sprach, die Jungfrau voller Milde,
Versöhnt in ihrer Seele, sanft so sehr:
Was leidest du, o Bruder der Brunhilde,
Was macht das Herz dir schwer? Du lachst nicht mehr!

Und Atli sprach: Du mögest mich nicht strafen,
Die Magd hat mir das Schrecklichste enthüllt.
Sie sah dich bei dem Berner Dietrich schlafen,
Ihr wart ganz bloß und nackend in das Bett gehüllt.

Und Gudrun sprach, die wunderholde Maid,
Vornehm hat sie gesprochen, fraulich fein:
Ich leiste dir den göttlich-wahren Eid,
Gesprochen überm weißen Opferstein!

Ich schwöre dir bei aller Götter Thron,
Dass ich mit Dietrich nichts zu schaffen hatte,
Er pflückte nimmer meiner Blüte Lohn,
Sie sei alleine dir zuteil, mein Gatte.

Schlang ich die Arme auch um seinen Hals
Und ordnete des Halses Silberkette,
Ich schwöre bei der Königin des Alls,
Ich lag ihm niemals bei in einem Bette.

Und küsste er mir etwa meine Hand
Mit seinen wortbegabten Manneslippen,
Daran auch Frigg nichts Ungetreues fand,
Er küsste nur, wie an dem Kelch zu nippen.

Selbst wenn ich meine Wange gnädig bot
Und wenn er meine warme Wange weich fand,
Vor Scham und Schande ward ich nimmer rot,
Und unsres Hauses Gast mich gnadenreich fand.

Und weiß ich auch, wo seine Blicke ruhten,
Wie Taubenaugen in den Felsenritzen,
So bot ich mehr nicht seinen Augengluten
Als unterm feinen Hemd der Brüste Spitzen.

Und wenn ich auch im Wohlgeruch der Düfte
Des Maien band mit meinen schlanken Händen
Den Keuschheitsgürtel lose von der Hüfte,
Erlaubt ich nie ihm, anzusehn die Lenden.

Und was des Weibes innerlichste Pforte
Betrifft, so hat er niemals sie durchschritten.
Wir teilten Pflaumen nur mit süßem Worte,
Der Saft ist ihm aus seiner Hand geglitten.

Und glaubst du meiner Jungfraunehre nicht,
Beschwöre ich dich bei den Weltenachsen,
Berufe ein zum göttlichen Gericht
Ein Dutzend Richterschöffen von den Sachsen.


7

Und in die Halle traten ein die Helden,
Da Atli saß in seines Thrones Sessel.
Die Götter sollen ihre Unschuld melden,
Und auf das Feuer stellte man den Kessel.

Zum Lodern brachte man die glimme Glut,
Die rot wie Rosen und so weiß wie Mehl,
Als stammte diese Feuerflammenflut
Vom Feuerpfuhle aus dem Hort der Hel.

Man füllte Wasser in den Kessel ein
Und brachte es zum Sieden und zum Kochen.
Auf Gudruns Wange lag ein Feuerschein,
Lag Glut auf schön gewölbten Wangenknochen.

Die Barden schlugen Schilde wild im Takte
Und murmelten ein magisches Geraun.
Da warf man in das Wasser drei Smaragde,
Grün wie die Augen dieser Frau der Fraun.

So grün die Augen wie kristallne Flut,
Wenn darauf ruht das goldene Geschwele
Des Nordlichts mit der sanften reinen Glut;
So sanft und rein war ihre schöne Seele.

Die schlanke weiße Hand am Schwanenarm
Lag auf dem Herzen, welches glühend pochte,
Sie sollte strecken sich, zu großem Harm,
Zu großem Glück, ins Wasser, welches kochte.

O Liebe Frouwa von den fernen Wanen!
Du sanfteste Begleiterin der Braut,
Beschütz mich vor des Mannes bösem Ahnen,
Dir hab ich meine Unschuld anvertraut.

O Liebe Frouwa du von Folkwangs Felsen!
Du Königin der himmlischen Walkyren,
Der Unschuldsmädchen mit den Schwanenhälsen,
Du mögest mich mit den Smaragden zieren.

O Liebe Frouwa von Walhallas Garten!
Ich hörte Lobgesang von dir so gern,
Du weißt, nichts andres wollt ich je erwarten
Von meinem Diener Dietrich je von Bern.

Da streckte sie die schlanke weiße Hand
Ins heiße Wasser hin, die weiße schlanke.
Den alten Atli voller Unverstand
Durchzuckte da ein frevelnder Gedanke.

Die Jungfrau hob darauf die drei Smaragde,
Sie hob sie triumphierend in die Höhe,
Es hielt sie ihre weiße Hand, die nackte,
Dass alle Menschheit ihre Unschuld sehe.



ZWEITER GESANG

1

O Kriemhild, scheues Mädchen, / sie sah im Traum ein Bild,
Sie hatte einen Falken, / vor allen Falken wild,
Zwei Adler ihn zerfleischten / mit scharfen Eisenklaun,
Wie weh ihr wurde, als sie / das musst mit eignen Augen schaun!

Zu Ute, ihrer Mutter, / floh nun das Mädchen fein,
Den Traum sie wollte deuten - / O möcht es anders sein! –
Der Falke, den du zähmtest, / das ist ein Edelmann,
Ihn segne Gott im Himmel! / Denn es ist bald um ihn getan.

Was sprichst du mir von Männern, / du strenge Mutter mein,
Vor aller Ritter Liebe / will ich behütet sein,
In unberührter Schönheit / ich sinke in den Tod,
Der Männer Frauenliebe, / sie soll mir schaffen keine Not!

Gelob es nicht zu eilig, / die Mutter mahnt dich so,
Willst du in diesem Leben / von Herzen werden froh,
Vom Manne lass dich lieben, / wie schön ist doch sein Leib,
Du wirst, wenn Gott es möchte, / noch eines Helden Eheweib.

O nein, ich wills nicht hören, / du liebe Mutter mein,
Ich hab es oft vernommen, / es muß die Wahrheit sein,
Dass Liebe noch mit Leiden / zuletzt wird nur belohnt,
Ich meide Lust und Liebe, / ob Schmerz und Gram mich dann verschont!


2

Es war in Niederlande, / da wuchs ein Königskind,
Der Vater, der hieß Siegmund, / die Mutter hieß Sieglind.
Es thronte dieser König, / der weit und breit bekannt,
In einer Stadt am Rheine, / und Xanten war der Ort genannt.

So einen starken Helden / gebar noch nie ein Weib,
Er hatte keinen Makel / an Seele oder Leib.
Der Ritter war sehr mutig, / war kraftvoll und gewandt,
Sein Name ward mit Ehre / in dieser weiten Welt genannt.

Der Ritter, der hieß Siegfried, / von dem singt mein Gesang,
Die Kühnheit zu erproben / ritt er den Rhein entlang,
Erwarb sich reiche Länder / mit heldenstarker Hand,
Bis er bei den Burgundern / die allerstärksten Ritter fand.


3

Am schönen Tag von Pfingsten, / zu Worms, der Stadt am Rhein,
Da war ein lauter Jubel, / war ein Frohlocken fein,
Der Sachsen Heer geschlagen, / die Feinde flohn in Hast,
Zwei Könige gefangen, / der Lüdeger, der Lüdegast.

Es war in aller Munde / der Sieger in dem Streit,
Dass Siegfried trug im Herzen / die Kriemhild, diese Maid,
Die Tochter war von Ute, / heut durfte er sie schaun
Im goldnen Schmuck der Krone, / die Allerschönste aller Fraun!

Wie viel des frohen Volkes / auf allen Wegen lief,
Als nun zur Morgen-Messe / die Kirchenglocke rief!
Da gab es viel zu sehen, / genug für alt und jung,
Viel Schmuck und schöne Kleider / und manchen stolzen Waffenprunk!

So wie die Morgenröte / aus dichter Wolken Flor,
So trat aus ihrem Zimmer / die schöne Frau hervor,
An ihren stolzen Schritten / erfreute sich das Herz
Des Helden, der so lange / um sie erlitten Liebesschmerz!

So wie das Licht der Luna / vor allen Sternen strahlt,
Die jüngst noch an dem Himmel / mit ihrem Glanz geprahlt,
So überstrahlte Kriemhild / auch noch die schönste Maid,
In Siegfried aber kämpften / da miteinander Lust und Leid.

Er dachte in dem Geiste: / In Liebe dir zu nahn,
Wie kann ich das beginnen? / Die Liebe ist ein Wahn!
Doch müsste ich dich meiden - / ich wäre lieber tot!
Da war auf seinen Wangen / die Glut von Liebe voller Rot.

So stand der Sohn der Sieglind, / als hätt des Meisters Hand
Mit meisterlichen Farben / auf Leinwand ihn gebannt.
Da nahte sich ihm Kriemhild / mit Frauen im Geleit:
Sei mir willkommen, Lieber, / so sprach die wundersüße Maid.

Dich lohne Gott im Himmel! / So hob sie wieder an:
Weil du an meinem Bruder / viel Gutes hast getan,
Den Feind, der uns bekriegte, / zwang deine fromme Hand,
Drum sind wir dir gewogen, / die Fürsten aus Burgunderland.

Mit königlicher Demut / er ihr die Antwort gab:
Ich will dir mehr noch dienen, / dir dienen bis ans Grab,
Es soll mein Haupt nicht ruhen, / bis ich erworben mir
Von dir die Gnade, Kriemhild, / du aller Mädchen schönste Zier.

In milden Frühlingstagen, / im Maiensonnenschein,
Da konnte keiner froher / und keiner heitrer sein.
Die keinen Mann je grüßte, / die reichte ihm zum Gruß
Das lilienweiße Händchen, / dass er ihr gebe einen Kuss.


4

Einst eine Königstochter, / ihr Thron auf hoher See,
Ihr Leib von weißer Schönheit, / so weiß wie Winterschnee,
Ihr Herz so hart und frostig, / so männlich ihre Kraft,
Mit kampferprobten Rittern / schoss um die Wette sie den Schaft.

Die Steine warf sie weithin, / sie selbst auch weithin sprang.
War einer ihrer Ritter / nach ihrer Liebe bang,
Im Dreikampf musst er siegen. / Verlor er nur Ein Spiel,
Des schlimmsten Henkers Händen / sein hochgemutes Haupt verfiel!

Da war der Herr vom Rheine, / wollt fahren auf die See,
Er wollt um Brunhild werben, / es gehe, wie es geh.
Ich trage solch Verlangen / nach ihrem weißen Leib,
Mein Leben will ich lassen, / wenn sie nicht wird mein Eheweib!

Willst du in den Gefahren / mir ein Genosse sein,
So will ich dir zu Diensten / dir meine Kraft auch weihn.
Und wird sie mir zu eigen, / dies wunderschöne Weib,
Wirst du das kühnste wagen, / ich setze Leben ein und Leib.

Zur Antwort gab ihm Siegfried, / des Siegmund stolzer Sohn:
Ich kenn für solch ein Wagnis / nur Einen süßen Lohn,
Zum Lohne will ich Kriemhild, / die Fürstentochter mild,
Gib du mir deine Schwester / und all dein Sehnen wird gestillt!

So soll es sein, sprach Günther, / ich geb dir meine Hand,
Kommt je die schöne Brunhild / in mein geliebtes Land,
So soll sich meine Schwester / als Braut dir bräutlich nahn,
Und aller Mädchen Krone, / in Liebe sollst du sie umfahn!

Mit einem Eid bekräftigt / ward, was sie sprachen da,
Die Stunde heißen Kampfes / war ihnen jetzt schon nah,
Denn bis sie Brunhild brachten / ins Vaterland am Rhein,
Die beiden stolzen Ritter, / sie mussten treu verbunden sein.


5

Der männlichstarke Siegfried, / der Held aus Niederland,
Der stieß von dem Gestade / das Schiff mit eigner Hand,
Und König Günther selber / sich unterm Ruder bog.
O wie das schnelle Schiff doch / den Vater Rhein hinunter flog!

Und schon am zwölften Morgen, / so sagt der Muse Mund,
Erhob sich aus den Fluten / der schönen Insel Rund,
Die Isenstein genannt ward, / der Brunhild Insel-Land,
Von Siegfrieds scharfen Augen / sie wurde alsogleich erkannt.

Dort sechsundachtzig Türme / hoch glänzten überm Meer,
Da waren drei Paläste / und war ein Saal so hehr,
Von weißem Marmor leuchtend / und Teppich, grün wie Gras,
Auf ihres Thrones Sessel / im Kreis von Männern Brunhild saß.

Da waren schöne Gäste / im goldnen Königssaal,
Aus Brunhilds Augen blitzte / es licht wie Blitzes Strahl:
Willkommen, lieber Siegfried! / Was lenktest du dein Schiff
Zu Isenstein, der Insel, / durch Wogenschwall und Felsenriff?

Mein König, der heißt Günther, / ist stolz und stark und kühn,
Um deine Liebe will er / im Kampfe sich bemühn,
Nur seines Wunsches wegen / hab ich die Fahrt gewagt,
Er ist mein Herr, sonst hätten / mir andre Reisen mehr behagt.

Ist Günther Siegfrieds König / und Siegfried Günthers Knecht,
Soll er das Spiel versuchen, / es bleibt das alte Recht,
Erweist er sich als Sieger, / bin ich sein Eheweib,
Geschieht es, dass ich siege, / verliert das Leben ihr, den Leib.

Der starke Siegfried murmelnd / zu König Günther trat,
Zu seiner Werbung gab er / dem Freunde einen Rat:
Verkünde dein Verlangen / der stolzen Königin,
Ich weiß dich wohl zu schützen / vor ihrem bitterbösen Sinn!

Da sprach der Herr vom Rheine: / O Königin so hehr,
Sag mir, was du gebietest, / und wäre es auch mehr,
Ich trag solch ein Verlangen / nach deinem weißen Leib,
Mein Leben will ich lassen, / wenn du nicht wirst mein Eheweib!

Als Brunhild, diese stolze, / dies starke Wort vernahm,
Die stärkste Kampfbegierde / die Fürstin überkam,
Zum Kampf ließ sie bereiten / in heißem Übermut
Die Rüstung und die Schilde, / die glänzten wie des Goldes Glut.

Indessen schlich sich Siegfried / an seines Schiffes Bord,
Er nahm der Tarnung Kappe, / die lag verborgen dort
Vorm Späherblick der Feinde, / er jene Kappe fand,
Die setzt er auf das Haupt sich / und ward von keinem mehr erkannt.


6

Am weißen Arme oben / sie streifte das Gewand
Und hob den Speer zur Schulter / und nahm den Schild zur Hand,
Denn Kampf begehrte Brunhild, / die männlichstarke Maid,
Sie maß mit Spott im Blicke / den Ritter in dem Eisenkleid.

Fern von den lieben Freunden, / allein auf weitem Plan,
Dem Wunder zu begegnen - / wohl ficht ihn Sorge an –
Wo ist geblieben Siegfried, / im Kampfe sein Gesell,
Da schlugs ihm auf die Schulter / und lachte etwas hoch und hell.

Wer hat mich angetastet? / Ich kann doch niemand sehn!
So dacht er, doch er konnte / ein leises Wort verstehn:
Ich bin es selber, Siegfried, / der Weggefährte dein,
Vor Brunhilds Satanskünsten / sollst du ganz ohne Sorge sein!

Lass deinen Schild nur fallen, / gib mir ihn in die Hand,
Und achte auf den Zauber, / den mach ich dir bekannt,
Tu du, als tätst du kämpfen, / ich will den Kampf bestehn,
Was Brunhild Böses trachtet, / uns beiden soll es nicht geschehn!

Da schoss auch schon die böse, / von Zorn erfüllte Maid,
Sie traf den Schild, den neuen, / so lang er war und breit,
Den hielt in seiner Linken / der Mutter Sieglind Kind,
Das Feuer stob und sprühte, / als blase drein ein Wirbelwind.

Dem kühnen Ritter Siegfried / brach aus dem Munde Blut,
Doch nahm er sich zusammen / mit wilden Kriegers Mut,
Den Speer, den sie geschleudert / auf seines Schildes Rand,
Hat er zurückgeschleudert / mit kampferprobter Kriegerhand.

Nun Glut stob aus dem Ringe, / als blies hinein der Wind,
Schoss mit der Kraft des Zornes / der Mutter Sieglind Kind,
Brach in die Kniee Brunhild, / sie konnt nicht widerstehn,
Noch war in diesem Leben / ein solches Leid ihr nicht geschehn.

Die stolze schöne Brunhild / vom Boden rasch aufsprang:
Ich sage, König Günther, / für diesen Speerwurf Dank!
Noch dachte sie, das hätte / des Königs Hand getan,
Doch fällte diese Starke / ein andrer doch, ein stärkrer Mann.

Sie lief nun übern Rasen, / vor Zorn bebt ihr der Leib,
Den Stein in höchste Höhe / hob nun das starke Weib,
Sie stieß mit Manneskräften / ihn weit von ihrem Stand
Und sprang ihm nach im Sprunge, / da klirrte ihr das Kriegsgewand.

Der Stein fiel auf die Erde, / er fiel zwölf Meter weit,
Und dennoch weiter sprang sie, / die schnelle schöne Maid.
Dies noch zu übertreffen / es galt jetzt alle Kraft,
Es ging um Leib und Leben / und um des Wettkampfs Meisterschaft.

Der junge Ritter Siegfried / war kraftvoll und war schlank,
Den Stein stieß er noch weiter / und weiter er noch sprang,
Auch lieh der Tarnung Kappe / dem Helden Kraft genug,
Dass er noch König Günther / auf seinem Sprunge mit sich trug.

Der Sprung, der war gelungen, / gewonnen war das Spiel,
Nun sah man König Günther / stehn einsam an dem Ziel.
Da brannten Brunhilds Wangen / vor Scham und Schande rot,
Als sie dem Überwinder / der Überwundnen Gruß entbot.


7

Vor einer Vesper-Messe / erhob sich Hall und Schall
Von Rittern und von Rossen, / von Schild- und Lanzenprall,
Denn Günthers großer Burghof / barg dort der Gäste viel,
Die Fürsten und die Ritter, / der Adel übte Reiterspiel.

Zwei Königinnen saßen / auf thronendem Gestühl
Und folgten mit den Blicken / zwei Rittern im Gewühl.
Und laut aufjauchzte Kriemhild: / Ich habe einen Mann,
Die Reiche alle wären / mit Fug und Recht ihm untertan!

Doch über Brunhilds Wangen / ein Schatten huschte leicht:
Ja, gibt es nur euch beide, / vielleicht, dass ihr’s erreicht,
Dass alle diese Länder / euch würden untertan,
Solange Günther aber / auf Erden lebt, sagt ab dem Wahn!

Und wieder jauchzte Kriemhild: / So schau doch, wie er geht!
Wie er so stolz und männlich / vor seinem Volke steht!
So strahlt des Mondes Scheibe / vor Sternen auserwählt,
Die ganze Welt der Wonne / ward mir als Gatte anvermählt!

Ich weiß, aus aller Munde, / sprach da die Königin,
Hört man den Helden preisen / und seinen edlen Sinn,
Doch strahlt auch Siegfrieds Name / in noch so hellem Glanz,
Doch Günther raubt dem Ritter / des Ruhmes und der Ehre Kranz!

Da sagte sanfter Kriemhild: / So herrlich ist mein Mann,
Dass nie ihn eine Lippe / genügend preisen kann,
An Ehre und an Tugend / ist er so überreich,
Du musst es zugestehen, / er ist wohl König Günther gleich.

Nun musst du, liebe Kriemhild, / mich ja nicht falsch verstehn,
Es ist von mir das Loben / nicht ohne Grund geschehn,
Sie haben’s eingestanden / in meinem Vaterland,
Als nämlich König Günther / mit Manneskraft mich überwand,

Und als er meine Liebe / im Sturme sich gewann,
Da sprach der edle Siegfried: / Ich bin des Königs Mann.
Drum hab ich ihn zu eigen, / er selbst hat es gesagt.
Nein, sprach die schöne Kriemhild, / das hätte wenig mir behagt.

Und schlecht geworben hätten / für mich die Brüder mein,
Wenn ich sollt eines Knechtes / vertraute Gattin sein.
Ich bitte dich, o Brunhild, / ich rat in Liebe dir:
Lass solches ungesprochen / und sei es nur aus Huld zu mir.

Nein, nein, ich wills nicht lassen, / so sprach des Königs Weib,
Wie sollte ich entsagen / dem, der mit seinem Leib
Und seinem ganzen Leben / zum Dienst mir untertan?
Bei diesen Worten zornig / hob Kriemhild neu zu loben an:

Du musst ihm wohl entsagen! / Vernimm es jetzt von mir:
Nie leistet doch mein Siegfried / Vasallendienste dir,
Er überragt an Ehren / selbst noch den Bruder mein,
Ich werde doch vor Schande, / vor Schmach doch stets behütet sein.

Du reckst dich in die Höhe! / Wie zornig klang das Wort!
Das möge man beweisen, / gleich jetzt, an diesem Ort,
Ob man des Landes Herrin / nicht mehr der Ehre zollt
Als einer Königsschwester, / der Magd der Königin so hold!

Nein, bei der Allmacht Gottes, / ich bin ganz tadelfrei,
Und heut vor allem Volke / es dir bewiesen sei,
Es sollen alle Ritter / und Könige es sehn,
Daß vor des Landes Herrin / ich wags, zum Dom hinein zu gehn.

Nun kleidet, meine Mädchen, / euch in das Prachtgewand,
Im Nibelungenschatze / mein Gatte Goldnes fand
Und schöne Edelsteine, / die zieren euren Leib,
Es wahrlich soll bereuen / die Schmähungen des Königs Weib!


8

Nun vor der Kirchenpforte / mit herrlichem Geleit
Stand Brunhild, bis auch Kriemhild / zum Kirchgang war bereit.
Doch ihr gebot die Herrin: / Bleib vor der Türe stehn,
Es soll die Magd der Herrin / nicht vor des Landes Herrin gehn!

Da sprang von Kriemhilds Lippen / das schicksalsschwere Wort:
Ach, hättest du geschwiegen / mir heut und immerfort,
Wohl hast du ihn geschändet, / den schönen weißen Leib,
Wie kann die Konkubine / nur sein des Königs Eheweib!

Du nennst mich Konkubine, / du wortereiches Weib?
Ja, dich und keine andre, / denn deinen weißen Leib,
Den liebte vorher Siegfried! / Wohl war dir, Stolze, bang,
Als dich der rasche Ritter / in starkem Liebeskrieg bezwang!

Wie weh da wurde Brunhild, / das weiß nur Gott allein,
Und Kriemhild mit den Mädchen / trat in die Kirche ein,
Da hoben Hass und Zanken / und heiße Feindschaft an,
Darum von schönen Frauen / beweint ward manch ein starker Mann.

Die Messe war gesungen - / und Brunhild, dumpf ihr Sinn,
Sie dachte alter Zeiten, / die stolze Königin,
Da trat sie aus der Kirche, / im Herzen Gram und Pein:
Du nennst mich Konkubine? / Das muss erst noch bewiesen sein!

Und wieder schmähte Kriemhild: / Was lässt du mich nicht gehn?
Du kannst doch diesen Goldring / an meinem Finger sehn,
Den schenkte mir mein Siegfried, / einst trug ihn deine Hand,
Des Königs Mann, so weiß ich, / ihn dir im Liebeskrieg entwand.

Der Ring von reinem Golde, / der ward mir einst entwand,
Es blieb, der ihn gestohlen, / bis heut mir unbekannt,
Nun hat er sich verraten, / der ungetreue Dieb!
Der heiße Hass die Frauen / zu immer wildern Worten trieb.

Nun nennst du meinen Gatten / noch einen schlimmen Dieb!
Da schwiegst du besser, Brunhild, / wär dir die Ehre lieb!
Der Gürtel solls beweisen, / der hier um meinen Leib,
Dass ich die Wahrheit sage: / Du warst doch vorher Siegfrieds Weib!

In Tränen brach zusammen / die herrlich hohe Frau,
Denn es glich Kriemhilds Gürtel / dem eignen ganz genau,
Er war von feinster Seide, / mit manchem Edelstein.
Unseliges Geheimnis / konnt länger nicht verborgen sein.


9

Es war im Odenwalde, / sie ritten auf die Pirsch,
Sie jagten Bär und Wildschwein / und auch den schnellen Hirsch,
Und Günther war und Hagen / die Herren dieser Jagd,
Die Hörner bliesen lustig - / auf Böses waren sie bedacht.

Und Hagen Tronje sagte: / Wenn es euch so behagt,
Die Treiber und die Hunde / wir teilen vor der Jagd,
So werden wir erkennen, / ich und der König mein,
Wer auf der Jagd im Walde / im Jagen Meister möchte sein.

Ach Hagen Tronje, immer / weißt du den besten Rat,
Lasst mir nur einen Rüden, / der so gefressen hat,
Dass er die Spuren wittert / des Wilds im grünen Tann,
So wird mir reiche Beute, / so sagte Fraue Kriemhilds Mann.

Da zog mit seinem Spürhund / ein grauer Jäger vor,
Bis sich in Waldes Dickicht / des Wildes Spur verlor,
Was da vom sichern Lager / gescheucht von Jägern ward,
Erlegten die Genossen / nach regelrechter Jägerart.

Und Günther war im Walde / mit manchem kühnen Mann,
Und vierundzwanzig Hunde, / die brachen durch den Tann
Mit wütendem Gebelle, / die Jäger stürmten nach,
Der Hörner heller Jagdruf / im Walde rief Frau Echo wach.

Das war für manches Wildtier / des Lebens letzter Tag,
Oh was des schönen Wildes / da auf der Strecke lag,
Was man zur Küche schleifte, / der Braten mancherlei,
Wohl dachte jeder Jäger, / dass er des Jagens Meister sei.

Nun ward das Horn geblasen - / in Einem langen Hall –
Von allen Enden ritten / die Jäger in das Tal,
Es lud das Horn die Ritter / zu fettem Imbiss ein,
Sie sollten König Günther / als Gäste hochwillkommen sein.

So lasst den Wald uns leeren, / rief Fraue Kriemhilds Mann,
In lustigem Geplauder / sie ritten durch den Tann,
Da scheuchten sie ein Tier auf / von zornig wildem Mut,
Sie jagten einen Bären, / wie lachte da der Ritter gut.

So schaut doch, meine Jäger, / darf ich den Augen traun,
Dort zu des Königs Tische / treibt ruhig Meister Braun!
Ich räum auf meinem Rosse / ein Plätzchen ein dem Tropf,
Es halten in der Küche / die Mägde schon bereit den Topf.

Der Hund ward losgelassen, / so schnell verging die Hatz,
Der schnelle Held erreichte / den Bär mit Einem Satz,
Umschlang ihn mit den Armen / und band ihm Arm und Maul
Und hob den braunen Bruder / vor sich auf seinen schnellen Gaul.

So ritt der frohe Ritter / zur Herbergsstätte ein,
Da ließ er seiner Fesseln / den Bären ledig sein,
Der eilte in das Dickicht / des Walds in raschem Trab,
Jedoch die Hundemeute / trieb ihn von seinem Wege ab.

So also in die Küche / der braune Gast geriet,
Wo man als Leckerbissen / ihn für die Männer briet,
Im Fette in der Pfanne / erlitt er Ungemach,
O weh dem guten Bären, / der bratend überm Feuer lag!

Man hörte Knechte fluchen, / der Hundeschar Gebell,
Der Herren frohes Jauchzen, / der Hörner Blasen hell,
Das war so ein Gewimmel, / das wird nicht ausgesagt,
Oh wie dem frohen Siegfried / das Treiben voller Lust behagt!


10

Der frohe Siegfried scherzte: / Mich wundert Eines heut,
Dieweil uns nun die Küche / viel Leckerbissen beut,
Warum die Schenken kargen / mit rotem Wein vom Rhein?
Die Jäger soll man pflegen. / Wer ohne Wein mag Jäger sein?

Zur Antwort gab ihm Hagen / im ungetreuen Mut:
Wir wählen statt des Weines / des Wassers keusche Flut!
Hier nah quillt eine Quelle / an einer Linde breit,
Da wär der starke Siegfried / von seines Durstes Qual befreit.

Der Rat hat manchem Ritter / besonders gut behagt,
Und weiter sagte Hagen: / Man hat mir oft gesagt,
Besiegen könne Kriemhilds / Gemahl kein Mann im Lauf,
Will er das heut beweisen? / Heut nehm ich’s mit dem Helden auf.

Ja, willst du es versuchen, / sprach Fraue Kriemhilds Mann,
So nehme ich die Wette, / o kühner Hagen, an,
Lass uns zusammen rennen / zu jener Quelle kühl,
Den soll man Sieger nennen, / den man zuerst erblickt am Ziel.

Und weiter sagte Siegfried: / Es sei noch mehr gesagt,
Dieweil ihr nur die Kleidung / auf euren Körpern tragt,
Will ich den Speer noch tragen / und auch mein Jagdgewand.
Er warf sich um den Köcher, / das Schwert sich an die Hüfte band.

Und Günther nun und Hagen, / sie waren schnell bereit,
Die keine Waffen trugen, / im leichten Unterkleid
Sie liefen durch das Grüne, / schnell wie ein Pantherpaar,
Und konnten doch nicht hindern, / dass Siegmunds Sohn der Sieger war.


11

Es glich dem Sohn der Sieglind / kein andrer Mann an Wert,
Das Schwert vom Leibe lösend, / den Köcher auf die Erd,
Den starken Speer anlehnend / an breiter Linde Ast,
So stand er an der Quelle, / der holde königliche Gast.

Den Schild er legte nieder, / wo still die Quelle floss,
Wo gern der Recke Siegfried / jetzt einen Trank genoss,
Den heißen Mund zu feuchten - / der Held doch niemals trank,
Bevor sein Herr getrunken, / und erntete so bösen Dank!

Der Quelle Wasser rannen, / so klar, so rein, so hell,
Sich König Günther beugte / hinab zum stillen Quell,
Genoss des frischen Trankes, / den Waldes Kraft uns beut.
Wie gerne hätt auch Siegfried / des frischen Trankes sich erfreut.

Doch als nun der sich neigte / hinab zur klaren Flut,
Traf ihn der böse Mörder, / der zielte wirklich gut,
Des Helden Blut vom Herzen / sprang dem an sein Gewand.
Weh des Verrats, des feigsten, / den je verübt ein Ritter hant!

So sank er in die Blumen, / ein kraftlos müder Mann,
Das Blut von seinem Herzen / in heißem Sprudeln rann,
Er, Held in allen Stürmen, / hier konnt er nicht bestehn,
Er konnte nur beklagen / das Leid, das hier ihm war geschehn.

Um den Verletzten standen / die Jagdgenossen all,
Wer irgend treu geblieben, / beklagte seinen Fall,
Das schien sehr vielen Rittern / ein freudenleerer Tag,
Als er, der Meisterjäger, / so jämmerlich am Boden lag.

Auch der Burgunder König / beweinte seinen Tod,
Doch zornig sagte Siegfried: / Jetzt hat es keine Not,
Dass der beklagt den Schaden, / der selber ihn ersann,
Er hätts verhindern sollen, / so wär der Mord auch nicht getan.

Zum letzten sprach der müde, / der todesmüde Held:
Willst du, mein König Günther, / noch irgend auf der Welt
Erweisen eine Huld mir, / lass dir befohlen sein
Zu deiner Gunst und Gnade / die treue Bettgenossin mein!

Lass sie genießen, dass sie / ist deiner Mutter Kind,
Bleib ihr zu allen Stunden / doch liebevoll gesinnt,
Denn meinen treuen Vater / werd ich nicht wieder sehn –
Nie ist an einem Freunde / solch ein Verrat noch je geschehn!

Die Blumen in dem Grünen, / von Blut sie wurden nass,
Er rang mit seinem Tode, / nicht lange währte das,
Des Todes Waffe, wehe, / sie schmerzte allzu sehr,
So musste er verblassen, / der Ritter, treu und sanft und hehr.

Als das die Ritter sahen, / dass dieser Heros tot,
Auf seinen Schild sie legten, / der war von Feingold rot,
Den Fürst der Niederlande / und saßen dann zu Rat,
Wie sie verbergen könnten / die ungeheure Missetat.

Da sagten viele Männer: / Ein Übel ist geschehn,
Wir können diese Wahrheit / doch nie der Frau gestehn,
Wir wollen einfach sagen: / Der Fraue Kriemhild Mann
Erschlug die Räuberbande, / die singend lärmte durch den Tann.

Da sagte Hagen Tronje: / Das geht mich gar nichts an,
Ich schaff ihn schon hinüber, / der Kriemhild toten Mann,
Das soll sie ruhig wissen, / dass ich der Mörder bin,
Was musste sie verspotten / auch meiner Herrin stolzen Sinn!

So harrten sie des Dunkels / und fuhren auf dem Rhein,
Es konnten Helden niemals / so böse Jäger sein,
Das Wild, das sie erlegten, / schuf Edelfrauen Not
Und auch so manchem Jäger / es brachte noch den bittern Tod.