Von Josef Maria von der Ewigen Weisheit
ERSTES
KAPITEL
ARISTIPP
VON KYRENE
Die
frühesten Quellen zu Aristipp sind Xenophon, Platon und Aristoteles.
Die wichtigsten der späteren antiken Quellen sind Diogenes Laertios
(vor allem zum Leben und ethischen Ansichten), Eusebios von Caesarea
(zu den ethischen Ansichten) sowie Plutarch, Sextus Empiricus und
Eusebios von Caesarea (zu den erkenntnistheoretischen Ansichten).
Generell
lassen sich die Berichte über Aristipp nicht immer leicht von denen
über seinen gleichnamigen Enkel trennen. Was aber schwerwiegender
ist, ist die Tatsache, dass in vielen Testimonien von den Kynikern,
nicht speziell von Aristipp oder anderen Philosophen die Rede ist. Ob
die Ansichten der Kyniker schon Aristipp zuzuschreiben sind, oder
erst später in der heute erhaltenen Form entstanden, ist eine in der
Forschung äußerst umstrittene und nur mehr schwer zu klärende
Frage. Bis zum 20. Jahrhundert war man der Ansicht, dass ersteres
zutrifft. 1916 widersprach Evangelos Antoniadis dem und führte die
Lehre der Kyrenaiker auf Aristipp den Jüngeren und andere Nachfolger
Aristipps zurück. Aristipp selbst sei mehr ein praxisorientierter
Lebenskünstler, als ein Philosoph gewesen. Bis heute werden beide
Ansichten vertreten.
Die
Lebensdaten Aristipps sind nur ungefähr bekannt. Aus Angaben des
Diogenes Laertios hat man erschlossen, dass er spätestens um 430 vor
Christus geboren wurde. Laut Diodor hat er 366 vor Christus noch
gelebt. Plutarch berichtet von einem Treffen mit Platon, als dieser
sich zum dritten Mal in Syrakus aufhielt (360 vor Christus). Ob die
Angabe, er sei während der Regierungszeit Dionysios II gestorben
(also vor 356 vor Christus), eine Erfindung ist, ist umstritten. Man
nimmt an, dass Aristipps bis in die 350er Jahre vor Christus gelebt
hat.
Der
Vater des im nordafrikanischen Kyrene geborenen Aristipp hieß
Aretades, die Mutter Mika. Er soll anlässlich eines Besuchs der
Olympischen Spiele den Sokrates-Schüler Ischomachos getroffen haben,
dessen Berichte ihn veranlassten, nach Athen zu gehen, um Sokrates
selbst kennen zu lernen. Er gehörte dort einige Zeit zu den Schülern
des Sokrates und hatte wohl auch Kontakt zu Platon. In seinem
weiteren Leben verließ er Athen, um auf eigene Rechnung
umherzuziehen. Seine Reisen brachten ihn vermutlich mehrmals nach
Syrakus, in Korinth soll er eine Beziehung zu der bekannten Hetäre
Lais von Korinth gehabt haben. Einmal soll er Schiffbruch erlitten
haben, darüber hinaus geriet er in persische Gefangenschaft und soll
auch einmal aus Kyrene verbannt worden sein. Wann er nach Kyrene
zurückgekehrt ist und dort seine Schule gegründet hat, ist
unbekannt.
Für
seinen Unterricht verlangte Aristipp als erster der Sokrates-Schüler
eine Bezahlung. Sein Verhältnis zu Platon, Antisthenes und Xenophon
dürfte schlecht gewesen sein, das zu Aischines von Sphettos dafür
gut. Zu seinen Schülern zählten unter anderen seine eigene Tochter,
die Philosophin Arete von Kyrene, und Antipater von Kyrene. Nach
Aristipps Tod übernahm seine Tochter Arete die Leitung seiner
Schule. Auch sein gleichnamiger Enkel und Sohn seiner Tochter Arete,
Aristipp der Jüngere, wurde später ein bekannter Vertreter der
kyrenaischen Philosophie.
Was
den Charakter Aristipps betrifft, berichten die Quellen von seiner
heiteren Natur, seiner Beherrschtheit und seiner Fähigkeit, in allen
Lebenslagen, in Freude und in Not, eine distanzierte Gelassenheit zu
bewahren. Luxus und Unterhaltung gegenüber soll er nicht abgeneigt
gewesen sein, ohne sich davon oder von anderen abhängig zu machen.
Bekannt ist Aristipps Ausspruch über seine Beziehung zu Lais: „Ich
habe sie, aber sie hat mich nicht.“ Oft wird dies mit einer
angenommen, selbständig-unabhängigen Grundeinstellung Aristipps
gegenüber Personen, Dingen und Gefühlen in Zusammenhang gebracht.
Horaz spricht in Bezug auf Aristipp von einer Kunst, sich nicht den
Dingen, sondern die Dinge sich zu unterwerfen.
Diogenes
Laertios hat im 3. Jahrhundert widersprüchliche Informationen über
die bereits damals verlorenen Schriften Aristipps gesammelt. Ein
erstes bei ihm zu findendes Schriftenverzeichnis zählt 23 Titel auf,
ein zweites nur 12 (wobei 6 Titel in beiden Verzeichnissen zu finden
sind). Unter den erwähnten Schriften befinden sich sowohl Dialoge,
als auch Traktate. Auch ein Brief an seine Tochter Arete, eine
Geschichte Libyens und so genannte Diatriben werden erwähnt. Einige
Autoren, so Diogenes Laertios, berichten hingegen, dass Aristipp nie
Schriften verfasst hat; dies wird heute als eine Fehlinformation
angesehen. Die im Corpus der Sokratiker-Briefe erhaltenen Briefe -
darunter einer an seine Tochter Arete - und die Schrift „Über die
Üppigkeit der alten Zeit“ sind Fälschungen aus späterer Zeit.
Fälschlicherweise zugeschrieben wurde ihm die Schrift „Über die
Naturphilosophen“. Laut Diogenes Laertios haben sowohl Speusippos
als auch Stilpon einen Dialog nach Aristipp benannt.
Die
Beiträge der verschiedenen Vertreter zu der Lehre der Kyrenaiker
sind in einigen Fällen nur schwer und oft überhaupt nicht
auseinanderzuhalten, da in den antiken Berichten nicht selten von
„den Kyrenaikern“ insgesamt die Rede ist. Dies betrifft
insbesondere Aristipp, seine Tochter Arete und seinen Enkel Aristipp
den Jüngeren. Was ihre Nachfolger betrifft, so sind immerhin etliche
Stellen überliefert, in denen berichtet wird, inwiefern sie von der
Lehre ihrer Vorgänger unterschiedliche Ansichten vertreten haben.
Es
liegen verschiedene Berichte darüber vor, welche Teilbereiche der
Philosophie die Kyrenaiker behandelt haben. So sollen sie die
Beschäftigung mit den Problemen der antiken Physik abgelehnt haben,
da Erkenntnisse auf diesem Gebiet, wenn überhaupt möglich, ohne
jeglichen Nutzen für den Menschen wären. Widersprüchlich sind die
Berichte darüber, ob die Kyrenaiker auch auf die Beschäftigung mit
dialektischen (logischen) Fragen verzichtet haben. Zentraler Bereich
ihrer Beschäftigung war jedenfalls die Ethik, die sie in angeblich
in fünf Teilbereiche teilten:
Erstens,
von dem, was zu erstreben und was zu meiden ist; zweitens, von den
Empfindungen; drittens, von den Handlungen; viertens, von den
Ursachen (hier ging es wohl auch um physikalische Fragen); fünftens,
von den Beweisen (hier ging es wohl auch um logische Fragen).
Man
vermutet aufgrund dieser Auflistung, dass Physik und Logik auch von
den Kyrenaikern behandelt wurden, allerdings wohl hauptsächlich
insofern es sich um ethisch relevante Fragen handelte. So ging es im
ethischen Teilbereich „Von den Ursachen“ wohl auch um Physik, im
Teilbereich „Von den Beweisen“ wahrscheinlich auch um Logik.
Etliche Testimonien behandeln die Erkenntnistheorie der Kyrenaiker.
Zur
kyrenaischen Erkenntnislehre ist ein ausführlicher Bericht von
Sextus Empiricus erhalten. Zentral ist folgende These: „Allein die
Empfindungen (Pathos) werden erkannt und sind untrüglich, von den
Dingen, die die Empfindungen hervorgerufen haben, ist dagegen keines
erkennbar und untrüglich.“ Dass verschiedene Menschen die gleiche
Aussage über die Beschaffenheit eines Dings tätigen und dass sie
die Dinge mit „gemeinsamen Wörtern“ bezeichnen, ändert nichts
an dieser Tatsache. Nach Ansicht der Kyrenaiker seien zuverlässige
Aussagen über die Beschaffenheit der Dinge unmöglich und die Dinge
unerkennbar.
Das
Zustandekommen von Empfindungen ist nach kyrenaischer Ansicht ein
körperlich-seelischer Vorgang. Durch die Einwirkung äußerer
Gegenstände oder Geschehnisse werden im Körper des Betroffenen
Bewegungen ausgelöst, die über die Sinnesorgane in die Seele
übermittelt und dort als Empfindungen registriert werden. So sollen
die Kyrenaiker statt Sätzen wie „Ich sehe etwas Weißes“, Sätze
wie „Ich werde geweißt“ bevorzugt haben, um deutlich zu machen,
dass einem bestimmten Gegenstand nicht die Eigenschaft „weiß“
zugesprochen werden kann. Oder in allgemeiner Form: „Ich werde von
etwas in einer bestimmten Weise bewegt.“
Die
Eigenschaften gut und schlecht sind nach den Kyrenaikern nur an
Empfindungen zu finden. Ihre erkenntnistheoretischen Ansichten
schließen ja schon aus, dass Dinge als gut oder schlecht bezeichnet
werden können. Gute Empfindungen seien aber gleichbedeutend mit
lustvollen (hedone) und schlechte mit schmerzlichen. Das Gute ist für
die Kyrenaiker also die lustvolle Empfindung, das Schlechte die
schmerzvolle Empfindung. Eine Bestätigung dessen sei, dass „die
Lust allen Lebewesen erwünscht ist, der Schmerz dagegen
zurückgewiesen wird.“ Das höchste Gut und das „Ziel all unseres
Tuns“ (Telos) ist demnach die Lust, das größte Übel ist der
Schmerz.
Physikalisch
gesehen seien Lust und Schmerz Bewegungen. Sanfte Bewegungen würden
als lustvoll, rauhe Bewegungen als schmerzhaft verspürt. Sextus
Empiricus berichtet von einem dritten Zustand in dem keine der beiden
Bewegungen, also weder Lust noch Schmerz verspürt würden.
Im
Gegensatz zu den anderen zeitgenössischen philosophischen Strömungen
setzten die Kyrenaiker den Zustand der Glückseligkeit (Eudaimonía)
nicht mit dem Ziel alles Tuns gleich. Die Eudaimonie wäre ein
dauerhafter Zustand ewig sich aneinander reihender Lustempfindungen,
ein Zustand der nach den Kyrenaikern nur äußerst schwer zu
erreichen ist. Erreichbares Ziel hingegen seien einzelne, zeitlich
begrenzte Lustempfindungen. Wodurch Lustempfindungen hervorgerufen
werden, war den Kyrenaikern übrigens egal, etwa ob durch
gesellschaftlich anerkannte oder von der Gesellschaft nicht
akzeptierte Handlungen. Sie unterschieden nicht zwischen
unanständiger und anständiger Lust.
Die
als höchstes Gut angesehene körperliche Lustempfindung sahen die
Kyrenaiker als einen körperlich-seelischen Prozess an. Ein von außen
kommender Impuls ruft im Körper eine Bewegung hervor, die an die
Seele weitergeleitet und von dieser als lustvoll empfunden wird. Laut
Diogenes Laertios haben sie daneben eine minderere, rein seelische
Form der Lust anerkannt (seelische Lustempfindungen nannten sie:
chara), wie zum Beispiel das Vergnügen am Wohlergehen des Vaterlands
und Kunstgenüsse.
Da
für die Kyrenaiker die Lust das höchste Gut war, schrieben sie
anderen Dingen nur einen Wert zu, insofern sie zum Lustgewinn
beitragen. Als Beispiele werden Reichtum, Freundschaft und Einsicht
genannt. So lässt etwa die Einsicht erkennen, wie eine Situation
lustvoll gestaltet werden kann. In manchen Fällen sei beispielsweise
einzusehen, dass es besser ist, gesellschaftliche Konventionen
einzuhalten, obwohl diese willkürlich seien.
Auch
empfiehlt die Einsicht, bestimmte Gefühle wie Neid, Verliebtheit und
Aberglaube zu meiden, da sie mit Schmerz verbunden sind und
Lustempfindungen verhindern. Die genannten Gefühle entstünden als
Folge leerer Einbildungen. Von diesen leeren Einbildungen, könne man
sich durch Einsicht befreien. Etwa wenn man einsieht, dass Neid die
Einbildung ist, man müsse etwas haben, was ein anderer besitzt; oder
dass Verliebtheit die Einbildung ist, man könne nicht ohne die
Gegenwart und Zuneigung einer Person auskommen; oder dass Aberglaube
die Einbildung ist, man sei mächtigeren und Strafen verhängenden
Wesen untergeordnet. Eine andere Art von Gefühlen bilden hingegen
beispielsweise Kummer und Angst (Phobie). Solche Gefühle seien keine
leeren Einbildungen, sondern kommen „auf natürliche Weise“
(physikalisch) zustande. Laut Cicero waren die Kyrenaiker aber
immerhin der Ansicht, man könne Kummer oft vorhersehen und
vorbeugende Maßnahmen treffen. So sprachen sie von einem gewissen
Vorhersehen. An anderer Stelle ist überliefert, dass sie nicht nur
solchermaßen ein mentales Training, sondern auch körperliches
Training (Askese) empfahlen.
Aristipp
von Kyrene soll als erster den Begriff der Menschlichkeit in die
Philosophie eingeführt haben und hat laut Xenophon und Plutarch
einen Kosmopolitismus vertreten.
Aristipp
stellte die körperliche Lust über die seelische. "Ich besitze
die Hetäre Lais, bin aber nicht von ihr besessen... Denn die
Begierden zu beherrschen und ihnen nicht zu unterliegen, ist am
besten."
In
der Neuzeit könnten manche Äußerungen Rousseaus von Aristipp
inspiriert sein. Auch Jeremy Benthams Lehren vom Glück enthalten
deutliche Anklänge an Aristipps Vorstellungen vom guten Leben
("Eudaimonia"). Eine Nähe zu gegenwärtigen hedonistischen
Strömungen wird man hingegen als äußerlich ansehen müssen.
Der
Grund, dass der Name Aristipp heute in Deutschland noch einige, wenn
auch meist wenig bestimmte Erinnerungen wachruft, dürfte darin
liegen, dass Christoph Martin Wieland ihn zum Helden seines
bedeutenden Briefromans „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen“
gemacht hat, der zu einem guten Teil der Aufklärung des 18.
Jahrhunderts seine Stimme verlieh. In der einen oder anderen Weise
wirkt das von Wieland dem aristippischen Lebensstil gesetzte Denkmal
in der Rezeption der Antike und in Teilen der deutschen Literatur
fort. Wenn die Wieland-Rezeption nach seinem Tode auch zurückging,
so haben doch Kenner später gern bei ihm Rat geholt.
Man
hat darauf hingewiesen, dass die aristippische Lebenskultur viele
Jahrhunderte später, vielleicht in etwas affektierterer Form, eine
gewisse Entsprechung in der Welt der französischen Salons des 18.
Jahrhunderts gefunden hat. Man zitiert dazu einen Satz Montesquieus,
der als Zusammenfassung dessen, was auch Aristipps charakterliche
Veranlagung gewesen sein könnte: „Meine Maschine ist so glücklich
zusammengesetzt, dass ich von allen Gegenständen lebhaft genug
ergriffen werde, um sie zu genießen, nicht lebhaft genug, um
darunter zu leiden.“
Zwei
antike Hermen, auf denen jeweils ein Mann und eine Frau dargestellt
sind, wurden von einigen Forschern als Aristipp und seine Tochter
Arete angesehen. Eine der Hermen befindet sich in Berlin, die andere
im Musée Antoine Vivenel in Compiègne.
Im
Palazzo Spada in Rom befindet sich eine sitzende Statue, die eine
verstümmelte Inschrift trägt. Diese beginnt mit ARIST, wird dann
unleserlich und lässt Platz für ungefähr vier Buchstaben. Der
letzte Buchstabe ist wieder leserlich und ein S. Es könnte sich also
um Aristippos, aber auch um Aristoteles handeln.
Arete
von Kyrene (geboren um 400 vor Christus, gestorben um 330 vor
Christus) war eine griechische antike Philosophin. Innerhalb der
Philosophiegeschichte zählt man sie zu den Kyrenaikern.
Der
Vater Aretes war der Philosoph und Begründer der kyrenaischen
Schule, Aristipp von Kyrene, ihr Sohn war der Philosoph Aristipp der
Jüngere. Arete wurde von ihrem Vater unterrichtet und folgte ihm als
Schuloberhaupt. Sie selbst war die Lehrerin ihres Sohnes Aristipp dem
Jüngeren. Ihre Schriften sind verloren und auch die Testimonien
(antike Berichte zu Leben und Lehre) sind äußerst rar. Letztere
findet man beispielsweise bei Diogenes Laertios, Eusebius von
Caesarea, Clemens von Alexandria, Theodoret, Themistios, Aelian und
Strabon. Erhalten ist ein Brief, den ihr Vater Aristipp auf dem
Sterbebett an sie schrieb. Vermutlich ist er nicht authentisch, doch
hat der Autor vielleicht einen wirklich geschriebenen Brief als
Vorlage genutzt.
Um
erst in späterer Zeit erfundene Informationen handelt es sich
wahrscheinlich bei Angaben, die besagen, dass sie 35 Jahre lang in
attischen Schulen und Akademien Naturphilosophie und Moralphilosophie
unterrichtet, 40 Bücher geschrieben und 110 Schüler gehabt haben
soll.
ZWEITES
KAPITEL
DER
ISLAM
Es
gibt ein paar Dinge, die wir zuerst verstehen müssen. Die Muslime
teilen die Welt in zwei Teile. Der erste Teil ist die Welt des Islam.
Darin leben die Menschen, wie es der Islam verlangt. Die andere Welt
ist die Welt des Krieges. Wenn in einem Land nicht die Scharia
herrscht, also das Gesetz des Korans und der Überlieferungen
Mohammeds, dann ist dieses Land nicht Gott unterworfen und ist also
ein Land des Krieges.
Dieser
Begriff, die Welt des Krieges, geht zurück bis auf die Zeit der
ersten Kalifen. Kalifen sind religiöse und politische Führer des
Islam und behaupten, bis auf Mohammed zurück zu gehen. Und damit
haben wir es heute zu tun.
Es
gibt verschiedene Arten des Dschihad, das heißt des Heiligen
Krieges. Der Dschihad ist eine religiöse Pflicht für die Muslime.
Das Wort Dschihad bedeutet im Arabischen eigentlich Kampf, nicht
Heiliger Krieg. Da gibt es den inneren Kampf des Gläubigen mit
seinem Ego. Da gibt es aber auch den Kampf gegen die Feinde der
islamischen Religion. Dann gibt es den Kampf, um Ungläubige zu Allah
zu bekehren. Muslime haben traditionell alle diese Arten von Dschihad
geführt.
Heute
sehen wir den Aufstieg neuer Bewegungen im Islam. Wir sehen einen
islamischen Terrorismus, wie ihn die Vergangenheit nicht gekannt hat.
Diese neue Form des Dschihad betrifft uns heute alle. Er ist nicht
ganz neu, aber er tritt in einer neuen Form auf. Worum geht es in
diesem Krieg?
Schon
im Anfang des Islam hatte Mohammed heftige Kämpfe mit den Heiden zu
bestehen. Mohammed stammte aus Mekka. Sein Vater starb, als Mohammed
noch im Mutterschoß war. Seine Mutter starb, als er sechs Jahre alt
war. Er wurde von seinem Großvater aufgenommen, der aber starb, als
Mohammed acht Jahre alt war. Da wurde er von seinem Onkel
aufgenommen. Als er erwachsen geworden war, wurde er Karawanenführer.
Mekka
war das Hauptheiligtum des heidnischen Arabien. In Mekka gab es und
gibt es heute noch die Kaaba. Das war der Kultort der Götter und
Göttinnen Arabiens. Es gab drei große Göttinnen. Diese waren die
Frauen oder Töchter des Hauptgottes Allah. Seine drei Töchter
wurden als Naturgöttinnen in Mekka angebetet.
Mohammed
reiste oft in den Norden. In Damaskus kam er in Kontakt mit Christen.
Er wusste etwas über die anderen Religionen. Er war bekannt als ein
ehrlicher Mann. Er hatte aber einen niedrigen sozialen Status, da er
ohne Vater oder Großvater war. Er lernte eine Christin namens
Kadischa kennen, die er schließlich heiratete. Er war damals
fünfundzwanzig und sie vierzig Jahre alt.
Im
heidnischen Arabien wurde das Erbe von den Müttern an die Töchter
weitergegeben. Der Koran und der Islam wollten eine neue Ordnung
durchsetzen. Nun sollte das Erbe von den Vätern den Söhnen
weitergegeben werden. Es war also der kulturelle Wandel vom
Matriarchat zum Patriarchat, was Mohammed durchsetzte.
Während
Mohammed mit der Christin Kadischa zusammenlebte, hatte er einige
Visionen in einer Höhle außerhalb von Mekka. Er stand auch unter
dem Einfluss eines Verwandten seiner Frau, der ein christlicher Mönch
war.
Dieser
Mönch übersetzte Teile des Alten und des Neuen Testaments ins
Arabische. Er überlieferte es Mohammed mündlich. Dieser konnte ein
wenig lesen, aber nicht schreiben. Auch Kadischa und ihre Verwandten
erzählten ihm Geschichten aus der Bibel. Als er seine Visionen
hatte, ermutigte Kadischa ihn, denn sie hoffte, er würde Christ
werden.
Mohammed
fing an, einige Schlüsselbegriffe zu lehren: 1. Es gibt nur einen
Gott. Nur Allah ist Gott und alle anderen Götter und Göttinnen sind
nicht Gott. 2. Allah will, dass die Menschen rechtschaffen sind. 3.
Allah wird die Toten auferstehen lassen, darum darf man nicht wie die
Heiden leben. 4. Allah wird richten, bevor er die Toten auferweckt.
Wer unmoralisch lebt, wird in die Hölle geschickt. Hölle heißt
Jehenum, das ist die Gehenna, von der Jesus gesprochen hat.
Wenn
du ein rechtschaffener Mensch bist, wirst du ins Paradies kommen.
Dort fließen Flüsse, die bewässern Gärten mit Obstbäumen. Da
gibt es Quellen von reinem Wasser, Brunnen von Milch und Brunnen von
Wein, der nicht berauscht. Den Männern sind Paradiesfrauen
verheißen, die Huris, die jeden Tag ihre Jungfräulichkeit wieder
herstellen. Mit diesen dürfen sich die Männer in alle Ewigkeit
vergnügen.
Es
gibt keine eindeutige Aussage über das, was muslimische Frauen
erwartet, wenn sie ins Paradies kommen. Mohammed sagte aber, die
meisten Menschen in der Hölle seien Frauen. Er lehrte dies erfolglos
zur Zeit seiner ersten Visionen, bis er aus Mekka nach Medina floh.
Der
Tod Kadischas war ein schwerer Schlag für Mohammed. Nun stand er
nicht mehr unter ihrem Schutz. Er war nun abhängig von seinem Stamm.
Der Stamm aber lebte von den Einkünften, die ihnen die Wallfahrer
ins heidnische Heiligtum brachten. Und nun sprach Mohammed gegen
diese Götter und Göttinnen. Darum war sein Stamm gegen ihn.
Mohammed sagte nun, dass das irdische Leben und der Reichtum nicht
alles seien, viel wichtiger sei es, ins Paradies zu kommen. Er sagte,
dass alle, die viele Götter und Göttinnen anbeten, in die Hölle
kommen. Das war nicht gerade eine populäre Botschaft.
Im
Jahr 622 nach Christus wurde Mohammed aus Mekka vertrieben und floh
nach Medina. Das ist wichtig, denn die Suren oder Kapitel des Koran
werden unterschieden zwischen denen, die in Mekka und denen, die in
Medina offenbart wurden. In Mekka hatte Mohammed versucht, als
sanfter Mann die Heiden mit Worten zu überzeugen. Nun aber in
Medina, zusammen mit seinen muslimischen Jüngern und bekehrten
Heiden, begann er, militanter aufzutreten.
Mohammed
dachte, dass die Juden als Monotheisten ihn als Propheten freudig
begrüßen würden. Das war nicht der Fall, sondern die Juden
stellten sich gegen ihn. Mohammed begann eine Reihe von Kriegen gegen
Mekka zu führen. Manchmal kämpften Juden auf der Seite von Mekka.
Daraufhin vertrieb Mohammed die Juden aus Medina.
Weitere
Juden hatte Mohammed enteignet. Bei einem anderen jüdischen Stamm
ließ er die Männer über 12 Jahren enthaupten und die Frauen und
Kinder versklaven. Einige Jüdinnen nahm er sich zur Frauen.
Zehn
Jahre lang führte Mohammed Krieg, bis zu seinem Tod im Jahr 632.
Wenn man im Koran die Aufforderung zum Kriegführen liest, handelt es
sich immer um eine Sure aus Medina.
Im
Islam gibt es keine verbindliche Lehrautorität. Jeder kann den Koran
interpretieren, wie er will. Der Islam ist eine Religion des Friedens
bei denen, die sich auf Mekka-Suren beziehen. Der Islam ist eine
Religion des Krieges bei denen, die sich auf Medina-Suren beziehen.
Die
Frage ist für jeden Muslim, welchen Texten er folgt. In der Sure 4,
Vers 77 aus Medina heißt es: „Unser Herr, warum hast du uns
befohlen zu töten?“ Sieben Mal gibt es im Koran die Aufforderung,
die „Ungläubigen zu töten“. In einem andern Text, diesmal aus
Mekka, heißt es, es darf keinen „Zwang im Glauben“ geben.
Welcher dieser Ansichten ein Moslem folgt, ist seiner persönlichen
Interpretation überlassen.
In
seinen zahlreichen Kriegen gegen Mekka gelang es Mohammed, Mekka zu
unterwerfen. Sie konnten seinem Heer nicht widerstehen. So wurde
Mohammed nach und nach der Herrscher über ganz Arabien. Er tötete
einige seiner stärksten Gegner, denen er nicht verzeihen konnte. Es
gibt Stellen im Koran, die sagen, dass es gut ist, zu vergeben. Aber
er gibt auch Stellen, die die Ermordung der Gegner des Islam
rechtfertigen. Rache wird gutgeheißen. Welchen Weg nun ein Moslem
wählt, den der Vergebung oder den der Rache und des Mordes, ist
einer persönlichen Interpretation überlassen.
Mohammed
war gewillt, weiterzukämpfen und das Reich von Byzanz anzugreifen.
Er starb aber im Jahr 632. Sein Schwiegervater wurde der erste Kalif.
Die Moslems breiteten sich aus von Persien bis Spanien. Im
traditionellen Islam wurden die Juden und Christen nicht als
Ungläubige angesehen, sondern beide waren Volk der Schrift. Wenn
Juden und Christen bereit waren, in einem von Moslems eroberten
Gebiet zu leben, und wenn sie eine Schutzsteuer an den islamischen
Staat zahlten, konnten sie weiter ihrer Religion nachgehen.
Die
Christen im nahen Osten begrüßten sogar die muslimischen Eroberer,
weil sie so befreit wurden vom byzantinischen Reich. Die
Schutzsteuer, die die Christen an die Muslime zahlen mussten, war
geringer als die Steuer, die sie dem byzantinischen Reich zahlen
mussten. Der kulturelle Fortschritt, den die arabische Kultur damals
brachte, ging auf die Christen zurück. Die Christen hatten die Werke
der griechischen Philosophen ins Arabische übersetzt. Es gab
muslimische Philosophen, die sich mit Platon und Aristoteles und dem
Neuplatonismus auseinandersetzten. Aber als sich eine strenge Form
des Islam durchsetzte, in der die griechische Philosophie abgelehnt
wurde, begann der Niedergang der arabischen Kultur.
Da
traten die Türken auf den Plan der Geschichte. Türken sind keine
Araber, aber Muslime. Sie drängten nach Europa. Sie zwangen besiegte
christliche Männer, zum Islam überzutreten und als Elitesoldaten
dem türkischen Sultan zu dienen. Diese Elitesoldaten waren die
Janitscharen. Sie hatten noch keine familiären Bindungen an die
Türken. Sie waren radikal-loyal dem Sultan gegenüber. Sie wurden
gezwungen, gegen andere Christen zu kämpfen. So setzte das
Osmanische Reich der Türken seine Expansionspolitik weiter fort.
Da
kam es zur berühmten Schlacht bei Lepanto. Eine kleine christliche
Flotte besiegte die Türken. Die Christen hatten zuvor in ganz Europa
zu Jesus und zur Mutter Jesu gebetet. Die Türken hatten damals Allah
geschworen, Rom zu erobern und den Petersdom in eine Moschee zu
verwandeln. Das ist nicht geschehen. Hundert Jahre später griffen
die Türken Wien an. Wieder beteten die Christen zu Jesus und Maria,
und so wurden die Türken vertrieben.
Nun
begann das türkische Reich wie auch das persische Reich mehr und
mehr zu zerfallen. Im 18. Jahrhundert dringt Peter der Große, der
Zar von Russland, in diese Gebiete vor. Die Briten sehen den Erfolg
Peters des Großen. Die Briten unterwerfen sich darauf 'Teile
Nordafrikas und Indien.
Im
Ersten Weltkrieg zerfiel das türkische Reich fast vollständig.
Briten und Franzosen nehmen sich ihre Teile. Frankreich nahm sich
Libanon und Syrien. Die Briten nahmen sich Palästina, den Irak und
Arabien.
Im
achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert entwickelten sich zwei
Ideologien, die für unsere heutige Situation entscheidend sind:
Ersten der radikale Islam und zweitens der Nationalismus.
Im
Jahre 1740 entstand eine neue Bewegung des radikalen Islam, von einem
Mullah gegründet, der von anderen Mullahs abgelehnt wurde. Diesen
radikalen Islam nennt man nach seinem Gründer Wahabismus. Der
Gründer stammte aus der Saud-Familie, daher kommt der Name
Saudi-Arabien. Die Familie Saud bildete den militärischen Arm des
Wahabismus.
Al-Qaida
zum Beispiel ist eine Gruppe des Wahabismus. Der Wahabismus bildet
die ideologische Grundlage von Saudi-Arabien, Al-Qaida,
Moslembrüderschaft, Taliban und ähnlichen Gruppen in der ganzen
Welt. Der Wahabismus betreibt die Ausbreitung im südlichen Afrika
und ist besonders stark in Nigeria. Außerdem versorgt der Wahabismus
viele Moscheen und Schulen in den USA.
Der
Wahabismus hat nun eine bestimmte Auslegung des Koran. Grundlegend
ist dafür das Buch ihres Gründers mit dem Titel: Die Einheit
Gottes. Im traditionellen Islam wurden ja Juden und Christen als Volk
der Schrift bezeichnet. Als Ungläubige galten nur Heiden und
Atheisten. Der Wahabismus nennt nun Juden und Christen und
muslimische Shiiten Ungläubige und Zauberer. Sie sehen im Koran die
Aufforderung, diese Ungläubigen zu töten. Diese Tötungen sehen sie
als Gottes Gebot an und fühlen sich verantwortlich, diese Tötungen
durchzuführen.
Die
Wahabiten begannen 1790 mit einem Angriff auf die schiitischen
Muslime, in der Arabischen Emiraten und im Irak. Dann marschierte
ihre Armee gen Westen bis nach Damaskus. Da sagte der Sultan: Genug
ist genug!
Im
Jahre 1900 entkam Ibn Saud aus der Gefangenschaft. Er verbündete
sich mit den Wahabiten und begann, Arabien zu erobern. Er schuf
Saudi-Arabien, nach ihm benannt. In Saudi-Arabien war nun der
Wahabismus eine offizielle Art des Islam. Die Familie von König
Abdullah wurde zu Ketzern erklärt und vertrieben. 1920 schufen die
Briten Jordanien und gaben es einem der Abdullah-Bruder, für einen
andern Abdullah-Bruder schufen die Briten den Irak.
Das
war also die Ideologie des radikalen Islam. Aber eine zweite
Ideologie ist noch von Bedeutung für unsere heutige Lage, und das
ist die Ideologie des Nationalismus. Anfang des 19. Jahrhunderts ward
die Idee des Nationalstaats groß, dem die Bürger mehr verpflichtet
seien als regionalen Fürstentümern. Die Idee der Nation ersetzte
bei vielen Menschen die Religion. Schon in der Zeit nach der
Reformation, besonders in der Zeit der Aufklärung, war die Religion
nicht mehr die alles einende Idee. Im 30jährigen Krieg führten
Christen gegen Christen sogar Krieg. Da nun nicht mehr der Glaube die
Menschen vereinte, suchte man die Einheit in der Idee der Nation.
Bismarck schuf Deutschland, Garibaldi schuf Italien. Der
Nationalismus gipfelte im Ersten Weltkrieg und mit dem Rassismus dazu
im Zweiten Weltkrieg.
Der
Nationalismus war nicht nur ein europäisches Problem. Auch die
Libanesen sagten: Wir sind die libanesische Nation, obwohl es gar
kein Staatsgebiet Libanon gab. Zur Zeit des großen Osmanischen
Reiches hatten die Menschen sich nicht als Ägypter, Libanesen,
Iraker, Kurden, Syrer gesehen. Die Idee der Nation existierte dort
nicht, bis sie von den europäischen Christen exportiert wurde. Nun
entstanden neue Spannungen. Auch die Armenier begannen, ihre
nationale Identität zu entdecken.
Die
Türken unterdrückten die Armenier und begingen Anfang des 20.
Jahrhunderts den ersten Völkermord, indem sie bis zu zwei Millionen
Armenier ermordeten. Da das Osmanische Reich zerfallen war, trat die
Idee von Nationalstaaten an dessen Stelle. In Damaskus wurde die
Baath-Partei gegründet, das war eine Partei des Nationalismus in
Syrien und im Irak. Sie sympathisierten mit Hitlers
Nationalsozialisten. Die vom Großmufti von Jerusalem geführten
Palästinenser schlossen sich der nationalsozialistischen Idee an,
der Großmufti lebte während des zweiten Weltkriegs in Berlin. Die
nationalistische Ideologie bildete Regierungen in Ägypten, Syrien,
Irak und bestimmte die PLO.
Diese
Regierungen waren zentralistisch und mischten sich stark in das
Privatleben der Bürger und töteten mehr Menschen, als es das
Osmanische Reich je getan hatte. Moderne Kommunikationsmittel und
moderne Waffen machten all dies möglich.
Nun
stellten die gewöhnlichen Menschen im Nahen Osten fest, dass sie vom
Nationalismus unterdrückt wurden. Da sagten sie sich: Der
Nationalismus ist ein Dämon aus dem Westen, sie wollen uns dazu
bringen, westlich zu denken, aber wir wollen zurück zum Islam, zu
einem radikalen Islam.
Die
Reaktion gegen den Nationalismus gegen den Nationalismus war also ein
Erstarken der radikal-islamischen Bewegungen. Das war der Fall in
Syrien und im Irak bis zum Sturz von Saddam Hussein. In diesen beiden
Ländern war die Unterdrückung durch die Nationalisten schwer.
Die
beiden Zentren für den radikalen Islam sind Iran und Saudi-Arabien.
Im Iran hat Ayatollah Khomeini den radikalen Islam für die Shiiten
entwickelt. Die Wahabiten entwickelten den Radikalismus für die
Sunniten. Schiiten und Sunniten sind streng von einander getrennt und
vermischen sich nicht. Sie lehnen einander ab.
Wenn
ihr hört, dass sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt
hat, dann ist es in der Regel ein Vertreter des radikalen Islam, der
hofft, so ins Paradies zu den Huris zu kommen. Wenn ihr hört, dass
einer andere in die Luft gesprengt hat, ohne sich selbst zu opfern,
ist es in der Regel ein Nationalist, denn die Nationalisten haben
nicht die gleichen Hoffnungen für den Himmel.
Der
Versuch, Freundschaft mit den radikalen Islamisten zu schließen, ist
Torheit. Sie lehnen alles ab, was aus dem Westen kommt. Sie zu
beschwichtigen wird wohl nicht gelingen. Im neunzehnten Jahrhundert
haben allein militärische Aktivitäten die Wahabiten zurückgedrängt.
Der
Krieg, obwohl er auch viele neue Probleme schaffen könnte, ist
wahrscheinlich die einzige Sprache, die die Radikalen verstehen. Die
Art der Kriegsführung ist schwierig. Gibt es noch Hoffnung? Der
Islam ist im Chaos.
Eine
Vielzahl von Kräften versucht, den nächsten Kalifen zu stellen. Der
Kalif wäre der Nachfolger Mohammeds und das religiöse und
politische Zentrum des Islam. Um diesen Posten kämpfen die
Nationalisten und die Radikalen. Der Islam erfordert ein totalitäres
System, um zu überleben. Wenn die Menschen in einer freiheitlichen
Demokratie mit Religionsfreiheit die Wahl hätten, würde der Islam
sehr schwach werden. Sie können sich nur erhalten, indem sie allen
Moslems die Todesstrafe androhen, die Christen werden möchten. Der
Islam ist durchdrungen von dieser Mentalität des Totalitarismus.
In
Saudi-Arabien ist es verboten, eine Bibel zu besitzen. Dort wurden
zwei philippinische Frauen geköpft, weil sie ein Neues Testament bei
sich hatten. Sollte sich die Demokratie im Nahen Osten durchsetzen,
und wenn die Christen im Nahen Osten ihre Identität bewahren können,
wenn die Christen den Missionsauftrag Christi ernst nehmen, kann es
möglich sein, den Nahen Osten zu evangelisieren. Dann kann der Nahen
Osten wieder christlich werden. Palästina, Syrien, Ägypten und
Nordafrika waren einst christlich und Stätten, wo die christliche
Weisheit blühte. Dies sollte das Ziel der Missionstätigkeit aller
Christen sein.
Wie
lernen wir, Muslime zu evangelisieren? Wie können wir lernen,
Christus zu verkündigen? Wir müssen eine klare Vorstellung vom
Evangelium und der Lehre des Christentums haben. Was die Würde der
Person betrifft, sind Christentum und Islam sehr verschieden. Das
Christentum würde die Kultur im Nahen Osten enorm erheben. Wir
müssen lehren, dass Rache Sünde ist und dass Gott Vergebung
fordert. Wir müssen allerdings das Evangelium auch in dem inzwischen
materialistischen Europa verkündigen.
Das
materialistische Europa hat nicht die Kraft, den Islam aufzuhalten.
Die Materialisten werden vom Islam überrollt. Wer denkt, dass der
Glaube an Christus die persönliche Freiheit beschränkt, muss sich
nicht wundern, wenn ihm vom Islam alle persönliche Freiheit genommen
wird. Belgien wollte schon Arabisch zur dritten Landessprache machen.
Die Scharia, die islamische Gesetzgebung, soll auf den Straßen von
Paris herrschen. Wir brauchen in Europa eine Wiederbelebung des
Christentums, eine christliche Mission und eine vom Evangelium
geprägte Kultur.
In
Indonesien lassen sich jedes Jahr zu Ostern 300 000 Muslime taufen.
Ost-Timor war einst ganz muslimisch, jetzt ist es ganz christlich
geworden. Das soll uns Hoffnung machen. Wir müssen beten, dass der
Nahe Osten evangelisiert wird. Wir müssen selbst auch missionarisch
werden. Jeder Christ muss Missionar sein, um Seelen zu Jesus zu
führen. Der Kampf gegen den Islam kann erfolgreich sein, wenn wir
uns vom Materialismus zum Christentum bekehren.
DRITTES
KAPITEL
ÜBER
DIE EHE
1. Buch Mose / Genesis Kapitel
2
21
Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen,
sodass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre
Stelle mit Fleisch.
22
Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen
hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu.
23
Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein / und
Fleisch von meinem Fleisch. / Frau soll sie heißen, / denn vom Mann
ist sie genommen.
24
Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine
Frau und sie werden ein Fleisch.
25
Beide, Adam und seine Frau, waren nackt, aber sie schämten sich
nicht voreinander.
KOMMENTAR
1.
Die Welt sagt: Ha, der Mann zuerst geschaffen und dann die Frau, das
ist typisch patriarchalisch! Stell dir vor, in der Bibel stünde, die
Frau sei zuerst geschaffen und dann aus einer Rippe der Frau der Mann
geschnitzt. Dann sagte die Welt: Ha, die Frau ist also nur der
Steinbruch des Mannes? Das ist typisch patriarchalisch!
2.
Die Geschichte, dass Adam aus Lehm geknetet wurde und die Frau aus
des Mannes Rippe geschnitzt, ist natürlich nicht buchstäblich zu
verstehen. Es ist ein Mythos, aber mit einer tiefen philosophischen
Bedeutung.
3.
Vor der Schaffung der Frau war Adam einsam. Adam heißt einfach
Mensch. Es gibt die Einsamkeit des Menschen vor Gott. Das betrifft
Männer und Frauen. Jeder Mensch ist einsam vor Gott. Die Liebe will
diese Einsamkeit aufheben. Adam ist ein Mensch, eine geistige Person
mit freiem Willen und Vernunft. Die Tiere, die um ihn waren, konnten
seine Einsamkeit nicht aufheben, das kann nur ein anderer Mensch, der
auch geistige Person ist.
4.
Adam sank in einen Schlaf, in eine tiefe Trance. Er ist also nicht
der Schöpfer der Frau, sondern Gott. Vielleicht träumte Adam aber
von seiner Traumfrau?
5.
Die Frau wurde aus der Rippe des Mannes geschaffen. Statt Rippe kann
man auch Flanke übersetzen, das bedeutet: Auf einer Flanke allein
kann man nicht stehen, es braucht zwei Flanken. Die Frau wurde nicht
aus dem Schädelknochen geschnitzt, denn sie soll nicht die Herrin
des Mannes sein, und sie wurde nicht aus dem Fußknöchel geschnitzt,
denn sie soll nicht die Magd des Mannes sein.
6.
Adam ruft: Sie ist Bein von meinem Bein, das heißt: Sie ist Mensch
wie ich, ist von gleicher Würde und von gleichem Wert, aber doch
verschieden. Mann und Frau ergänzen sich.
7.
Adams Ruf: Sie ist es! ist das erste Liebesgedicht der Menschheit.
Seine Begeisterung, als er die Frau sah: Sie ist es! findet einen
Nachhall in allen Liebesgedichten der Menschheit.
8.
Sie soll Frau heißen, denn vom Mann ist sie genommen. Das ist im
Hebräischen ein Wortspiel: Sie soll Ischa heißen, denn vom Isch ist
sie genommen. In Isch oder Mann steht das J, in Ischa oder Frau steht
das H, zusammen ergibt das JAH, die Kurzform von Jahwe, den Namen
Gottes. Mann und Frau sind beide Ebenbilder Gottes. Der Mann ist ein
Abbild Gottvaters, die Frau ist ein Abbild von Gottes Liebe.
9.
Der Mann wird Vater und Mutter verlassen. Das ist wichtig. Die
Hauptperson ist nun die Partnerin. Wer heiraten will, muss aus der
kindlichen Abhängigkeit von den Eltern herauswachsen.
10.
Sie werden Ein Fleisch werden. Das bedeutet dies: Sex schafft eine
Herzensverschmelzung. Sex ist Ausdruck personaler Liebe zum
personalen Du. Sex ist die Sprache des Leibes, die sagt: Ich will ein
Kind mit dir. Sex hat eine doppelte Funktion: Zum einen vereinigt der
Sex Mann und Frau, und zum andern wird im Sex das neue Leben gezeugt.
Sex will schöpferisch sein.
11,
Wie der Vater den Sohn liebt, und der Sohn den Vater liebt, und ihrer
beider Liebe ist der Heilige Geist – so liebt der Mann die Frau,
und die Frau liebt den Mann, und die Frucht der Liebe ist das Kind.
So ist die Familie ein Abbild der Heiligen Dreifaltigkeit.
12.
Und sie waren nackt und schämten sich nicht. Das ist nicht die
Schamlosigkeit des FKK-Strandes und der Pornographie. Schamgefühl
ist gesund. „Verlust des Schamgefühls ist einsetzender
Schwachsinn“, sagte Freud. Scham schützt die Person, die Seele.
Darum wünscht sich Christus von den Christen schamhafte Kleidung.
Aber in der Intimität der Ehe wird die Scham überwunden durch
Liebe. Scham schützt vor egoistischer Begierde, aber hingebungsvoll
schenkende Liebe in der Ehe überwindet die Scham. Da entsteht wieder
die paradiesische Nacktheit in Unschuld vor dem Antlitz Gottes.
Matthäus Kapitel 5
(Bergpredigt)
Vom Ehebruch: 5,27-30
27
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe
brechen.
28
Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in
seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.
29
Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus
und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner
Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle
geworfen wird.
30
Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab
und wirf sie weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner
Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle kommt.
KOMMENTAR
1.
Ehebruch ist der sexuelle Verkehr eines Ehepartners mit einer Anderen
als der Ehepartnerin. Ehebruch ist kein Kavaliersdelikt, wie er in
unserer heutigen Medienkultur behandelt wird. Ein Kuss ist noch kein
Ehebruch. Aber Ehebruch beginnt im Kopf. Männer werden versucht von
sexuellen Phantasien, Frauen mehr von romantischen Träumen. Einen
Menschen lüstern ansehen, heißt, einen Menschen zu reduzieren auf
erotische Reize, die Person nicht zu respektieren, sondern den andern
als Lustobjekt oder Sex-Idol zu sehen. Das kann auch in der Ehe
geschehen, wenn der Partner nicht mehr als Person gesehen wird, dem
ich mich hingeben möchte, sondern als bloßes Fleisch, dass ich
benutzen will, um mich selbst daran zu befriedigen.
2.
Das Auge ausreißen und die Hand abhacken ist natürlich nicht
buchstäblich zu verstehen, sondern bedeutet, auf bestimmte
körperliche Genüsse zu verzichten, wenn sie Sünde sind und dem
Seelenheil entgegenstehen.
Von der Ehescheidung: 5,31-32
31
Ferner ist gesagt worden: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt, muss
ihr eine Scheidungsurkunde geben.
32
Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von
Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau
heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch.
KOMMENTAR
1.
Das Gesetz Moses sagte: Nur der Mann darf sich scheiden, nicht die
Frau. Jesus sagte: Das ist nur wegen eurer harten Herzen gesagt
worden. Am Anfang bei Adam und Eva war die Ehe unauflöslich, und so
soll es wieder werden.
2.
Der Fall von Unzucht, griechisch Porneia, ist unklar. Entweder meint
es die Verwandten-Ehe (die bei Moses erlaubt war), oder es ist eine
spätere Einfügung des Evangelisten Matthäus. In der Katholischen
Kirche ist Scheidung nicht erlaubt, nur die sogenannte Trennung von
Tisch und Bett, das heißt, räumliche Trennung ohne Scheidung. In
der Orthodoxen Kirche ist Scheidung und sogar Wiederverheiratung
erlaubt. Unzucht oder Porneia ist nicht nur Pornographie, wie es
klingt. Bedenke: 70 Prozent der männlichen Jugendlichen in
Deutschland haben heute Umgang mit Pornographie. Allerdings ein
dauerhaftes Ehebrechen oder eine krankhafte Sexsucht kann zur
Ungültigkeit der Ehe führen. Also: Entweder ist Scheidung
grundsätzlich verboten, wie Jesus wörtlich sagt und die Katholische
Kirche es lehrt, oder aber Scheidung ist unter gewissen Umständen
erlaubt, wie es die Orthodoxe Kirche lehrt. Jedenfalls darf man nicht
bei erster Gelegenheit die Vergebung verweigern und sich scheiden
lassen. Ehe und Familie ist ein „Fitness-Training der Vergebung“.
3.
Die Ehe - und besonders die vor dem Antlitz Christi vollzogene Ehe -
und die eheliche sexuelle Vereinigung schafft ein inneres
Herzensband, das auch nach der formalen Trennung für Gott bestehen
bleibt. Überhaupt verschmilzt die sexuelle Vereinigung zwei Herzen.
Eine Trennung lässt schwere Wunden von zerrissenen Herzen zurück.
Wer solche Trennungen öfter vollzieht, bekommt ein zerstörtes Herz,
mehr und mehr unfähig zu Vertrauen und Selbsthingabe - wenn nicht
der Heiland Heilung schenkt.
Epheser-Brief
Über die christliche
Familienordnung: 5,21 - 6,9
21
Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor
Christus.
22
Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn
(Christus);
23
denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der
Kirche ist; er hat sie gerettet, denn sie ist sein Leib.
24
Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, sollen sich die Frauen
in allem den Männern unterordnen.
25
Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und
sich für sie hingegeben hat,
26
um sie im Wasser und durch das Wort rein und heilig zu machen.
27
So will er die Kirche herrlich vor sich erscheinen lassen, ohne
Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und
makellos.
28
Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie
ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst.
29
Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und
pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche.
30
Denn wir sind Glieder seines Leibes.
31
Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau
binden und die zwei werden ein Fleisch sein.
32
Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die
Kirche.
33
Was euch angeht, so liebe jeder von euch seine Frau wie sich selbst,
die Frau aber ehre den Mann.
KOMMENTAR
1.
Es gab bei den griechischen Philosophen solche Hausregeln. Paulus
übernimmt die Vorstellungen seiner Zeit, patriarchalische
Vorstellungen. Das wesentlich Neue ist die Verbindung zwischen
Mann-Frau einerseits und Christus-Kirche andererseits. Die Ehe
bekommt einen göttlichen Sinn und Inhalt.
2.
Einer schätze den anderen höher als sich selbst. Gott fordert
gegenseitige Unterordnung. Eheliche Liebe soll kein
Herrschaftsverhältnis sein, sondern Selbsthingabe und Dienst.
3.
Wenn es wahr ist, dass die Aufgabe des Mannes die Führung ist, dann
jedenfalls soll er führen wie Christus, also keine Macht und
Herrschaft zur Unterdrückung der Frau ausüben, sondern wie Christus
dienen und sich selbst hingeben. Des Mannes Krone ist keine
Kaiserkrone, sondern eine Dornenkrone.
4.
Der Mann liebe die Frau, die Frau ehre den Mann. Die Frau braucht
Liebe: Der Mann soll sie schön finden, sie braucht Geborgenheit und
Zärtlichkeit und Austausch im Gespräch. Der Mann braucht Ehre: Er
will anerkannt und gerühmt werden wegen seiner Arbeit, seiner
Leistung, seiner Klugheit und Kraft.
5.
Christus ist der Bräutigam, die Kirche ist die Braut. Es ist eine
Liebe wie im Hohenlied Salomos. Das Ziel des christlichen Lebens ist
die Vereinigung mit Christus. Die Ehe ein Abbild davon. Die Liebe,
die Mann und Frau einander spenden, soll die Liebe Gottes sein. Mann
und Frau - und Gott der Dritte im Bunde! So wird die Liebe Gottes
durch den Partner sinnlich erfahrbar.
6.
Selbst im Liebesakt ist Gott gegenwärtig als der Schöpfer. Die Lust
der Vereinigung der Ehepartner ist ein Abglanz der großen Lust
Gottes an dem geschaffenen Kind.
VIERTES
KAPITEL
DIE
MÜTTERLICHE LIEBE GOTTES
ZEUGNIS
Die
Psychologen sagen, dass in der frühen Kindheit das Gottesbild des
Kindes geprägt wird. Ich hatte keinen liebenden Vater und keine
liebende Mutter, aber eine liebende Großmutter, die allein lebte. So
lebt in mir das Bild von Gott als einer Großen Mutter. Weil ich nun
ein weibliches Gottesbild habe, war ich in meiner Jugend offen für
den Feminismus. Frauen schienen mir höhere Wesen zu sein. Nach
meiner Phase des atheistischen Kommunismus erwachte die Sehnsucht
nach dem Göttlichen wieder. Ich war begeistert von der Literatur
über die heidnischen Muttergöttinnen und das Zeitalter des
Mutterrechts in der Jungsteinzeit. Die Frauen, die ich liebte,
schienen mir Göttinnen zu sein. Ich träumte von einer weiblichen
Lichtgestalt, einer himmlischen Jungfrau. Als meine Großmutter
starb, begegnete mir Christus und ich bekehrte mich. Zwei Jahre lebte
ich ohne Anschluss an andere Christen und verliebte mich in die
Jungfrau Maria. Sie war die weibliche Lichtgestalt von der ich
geträumt hatte. Dann fand ich Anschluss erst bei einer evangelikalen
Freikirche und dann bei den Lutheranern. Da wurde mir dann die
Marienverehrung genommen. In der Zeit, da ich in der Pfingstgemeinde
war, besuchte ich eine charismatische Psychotherapie, dort wurde mir
erst bewusst, dass ich zu Gott nicht Vater sagen konnte. Ich nannte
Gott den Vater eben Herr, wie im Alten Testament üblich. Bei der
Psychotherapie lernte ich ein katholisches Mädchen kennen, die mir
wieder einen Zugang schuf zur Marienverehrung. Ich schrieb als
Pfingstler einen Roman über das Leben der Mutter Jesu. Als ich
katholisch wurde, verlobte ich mich mit der Jungfrau Maria und
dichtete ihr viele Hymnen. Da kam ich ins schriftliche Gespräch mit
dem Benediktiner-Pater Anselm Grün. Er ermutigte mich, in einer
geistlichen Ehe mit Maria zu leben, aber Maria wolle mich ja zu Gott
führen, zu Gott als Mutter. Nun las ich erst noch einmal die
feministisch-heidnischen Bücher über die Göttin. Dann las ich
christlich-feministische Bücher über die Weiblichkeit Gottes, über
das Mutter-Antlitz Gottes. Ich studierte katholische Mystiker des
Mittelalters die von der Liebe Gottes oder Caritas als einer Frau
sprachen oder von der Weisheit Gottes als einer Frau. Die göttliche
Weisheit, auf griechisch Hagia Sophia, wurde mein weibliches
Gottesbild. Und während mir in der menschlichen Liebe die geliebte
Frau als feminines Antlitz Gottes erschien, verwandelte sich Gott der
Herr für mich in die Frau Weisheit des Alten Testaments und der
christlichen Mystik. Und dieser Frau Weisheit oder Hagia Sophia hab
ich die Ehe versprochen. Das ist mein ganz persönlicher Weg. Gott
wird in der Bibel ja hauptsächlich Vater genannt. Aber Gott ist
Geist, kein Mann. Gott hat väterliche und mütterliche Züge. Von
der Vaterschaft Gottes wird viel gepredigt, heute wollen wir uns
einmal einige Texte zur mütterlichen Liebe Gottes anschauen. Die
Bibeltexte sind nach der Hoffnung-für-alle-Bibel zitiert.
Genesis
1,1
26
Dann sagte Gott: "Jetzt wollen wir den Menschen machen, unser
Ebenbild, das uns ähnlich ist. Er soll über die ganze Erde
verfügen: über die Tiere im Meer, am Himmel und auf der Erde."
27
So schuf Gott den Menschen als sein Ebenbild, als Mann und Frau schuf
er sie.
KOMMENTAR
Mann
und Frau sind beide Abbilder Gottes. Der Mann ist Gott ähnlich. Wir
nennen Gott ja Vater, Herr und König. Gott tritt auch als Bräutigam
auf. Aber die Frau ist auf ihre Art auch Gott ähnlich. Die Frau ist
ein Spiegel für Gottes zärtliche Liebe, Weisheit, Schönheit und
Barmherzigkeit. Wie ein Priester mir einmal sagte: Wenn schon die
Frauen so schön sind, wie schön ist dann erst die Gottheit! Ich sag
euch, ich fände die Vorstellung, in der Ewigkeit Gott anzuschauen,
fürchterlich, wenn Gott ein alter Mann mit langem grauen Bart wäre!
Aber wenn Gott die Quelle aller Schönheit ist, das Urbild aller
Schönheit, dann sehne ich mich danach, die göttliche Schönheit
ewig zu genießen!
JESAJA
49
14
Jerusalem klagt: "Ach, der Herr hat mich im Stich gelassen, er
hat mich längst vergessen!"
15
Doch der Herr antwortet: "Kann eine Mutter ihren Säugling
vergessen? Bringt sie es übers Herz, das Neugeborene seinem
Schicksal zu überlassen? Und selbst wenn sie es vergessen würde -
ich vergesse dich niemals!
KOMMENTAR
Habt
ihr auch schon mal das Gefühl gehabt: Gott hat mich verlassen? Ich
habe das sehr oft. So fühlt es sich in der Depression oft an. Und
wenn wir uns die Welt anschauen heute: Kriege, Terrorismus,
Abtreibung, Euthanasie, Flüchtlingsströme, Hungerkatastrophen,
Umweltzerstörung – fragt ihr euch auch manchmal: Gott, wo bist du?
Warum greifst du nicht ein? Wir denken doch insgeheim wie Schiller:
Über den Sternen muss ein Vater wohnen! Und wir denken, Gott sitzt
auf einer Wolke und schaut zu, wie wir uns gegenseitig umbringen!
Aber hier sagt Gott: Ich bin euch so nah wie eine Mutter ihrem
Säugling! Gott als Vater – das zeigt, dass Gott über der Welt
ist, jenseits von allem Irdischen, größer als alles. Gott als
Mutter – das zeigt, Gott ist in der Welt, uns ganz nah, ja, Gott
ist in uns und wir sind in Gott. Gott leidet mit uns, wenn wir
leiden. Gott weint mit uns, wenn wir weinen. Und Gott freut sich,
wenn wir uns freuen. Gott weint mit den Weinenden und lacht mit den
Lachenden. Man sagt ja, es gibt keine so innige Verbindung wie
zwischen Mama und Baby! So ist Gott mit uns! Aber was, wenn eine
Mutter ihr Baby umbringt, oder es nicht will und nicht liebt? Dann
sagt Gott: Aber Ich liebe dich! Ich liebe dich noch mehr als eine
Mutter! Ich liebe dich bedingungslos, hingebungsvoll und für alle
Ewigkeit!
JESAJA
66
10
Freut euch mit Jerusalem! Jubelt über diese Stadt, alle, die ihr sie
liebt! Früher habt ihr um sie getrauert, doch jetzt dürft ihr
singen und jubeln vor Freude.
11
Lasst euch von ihr trösten wie ein Kind an der Mutterbrust. Trinkt
euch satt! Genießt die Pracht dieser Stadt!
12
Denn ich, der Herr, sage euch: Frieden und Wohlstand werden Jerusalem
überfluten wie ein großer Strom. Ich lasse den Reichtum der Völker
hereinfließen wie einen nie versiegenden Bach. Und an dieser Fülle
dürft ihr euch satt trinken. In dieser Stadt werdet ihr euch wie
Kinder fühlen, die ihre Mutter auf den Armen trägt, auf den Schoß
nimmt und liebkost.
13
Ich will euch trösten wie eine Mutter ihr Kind. Die neue Pracht
Jerusalems lässt euch den Kummer vergessen.
14
Wenn ihr das alles seht, werdet ihr wieder von Herzen fröhlich sein,
und neue Lebenskraft wird euch durchströmen."
KOMMENTAR
Wir
dürfen an den Mutterbrüsten Jerusalems die Milch des Trostes
trinken. Aber was ist da Jerusalem? Jerusalem ist im Alten Testament
die Jungfrau Jerusalem, die Braut Jahwes. Es ist das auserwählte
jüdische Gottesvolk. Im Neuen Testament ist das auserwählte
Gottesvolk die Kirche, die Gemeinschaft aller Christgläubigen. Die
Kirche ist die Braut Christi. Wie eine Mutter führt sie die Menschen
zur geistlichen Wiedergeburt, ernährt sie mit dem Brot des Lebens,
mit Christus, segnet die Eheleute, belehrt die Kinder, begräbt die
Toten. Die Kirche im Himmel, also alle geretteten Seelen, wird von
Johannes Himmlisches Jerusalem genannt, und Paulus nennt das
Himmlische Jerusalem unsere Mutter. Aber auch Gott selbst will uns
trösten wie eine Mutter. Wenn wir in den Himmel kommen, wird Gott
wie eine Mutter alle unsere Tränen trocknen. Aber was sind die
Mutterbrüste, die uns die Milch des Trostes saugen lassen? Die
christlichen Mystiker sprachen von der Frau Weisheit. Ein Tropfen
Milch aus ihrer Brust schenkte den Predigern Beredsamkeit. Frau
Weisheit hat zwei Brüste. Die eine Brust ist das Alte Testament, die
andere Brust ist das Neue Testament. Frau Weisheit hat zwei Brüste,
die eine Brust schenkt den Kleinen im Glauben die Milch der
Mutterliebe Gottes, die andere Brust schenkt den Reifen im Glauben
den Wein der Weisheit und der Mystik.
PSALM
131
1
Herr, ich bin nicht hochmütig
und
schaue nicht auf andere herab.
Ich
maße mir nicht an,
deine
Geheimnisse und Wunder zu ergründen.
2
Ich bin zur Ruhe gekommen.
Mein
Herz ist zufrieden und still.
Wie
ein Kind in den Armen seiner Mutter, so ruhig und geborgen bin ich
bei dir!
KOMMENTAR
Ich
hatte einen Liebling, der war zwei Jahre alt und sagte zu mir Mama.
Er braucht nur „Arm“ zu sagen, dann wusste ich, er wollte von
„Mama“ in den Arm genommen werden. Und so geborgen dürfen wir
uns bei Gott fühlen. Ich als Pflegevater fühlte mich geehrt, dass
mein Ziehsohn Mama zu mir sagte. Und so lächelt auch wohl Unser
Vater im Himmel, wenn wir beten: Mama! Arm! Gott will uns
Geborgenheit schenken und tiefes Vertrauen: Alles wird gut! Wir
müssen keine großen Theologen sein oder Männer, die meinen, Gott
verstehen zu können. Wir dürfen wie Kinder sein und mit kindlichem
Urvertrauen alles von Gott erwarten. Philosophen sagen: Wir haben
alle Angst vor dem Tod, eine nackte Angst vor dem Nichts! Aber eine
Heilige sagte: Sollte das Baby auf dem Arm der Mutter Angst haben,
fallen gelassen zu werden? Nein, wenn wir sterben, ist es wie eine
Geburt, wir werden im Himmel zur Welt kommen.
NUN
HEBRÄISCH-UNTERRICHT
Rachamim
ist hebräisch und bedeutet „Barmherzigkeit“. Es ist genau
genommen ein Plural des Wortes für „Gebärmutter“. Gottes
Barmherzigkeit ist wie „viele Mutterschöße“. Das, was ein
ungeborenes Kind im Mutterleib erfährt, verdeutlicht den biblischen
Ausdruck „Barmherzigkeit“. Kein anderes Bild als das des
Mutterschoßes beschreibt also treffender das Wesen göttlicher und
menschlicher Barmherzigkeit. Das ungeborene Kind spürt Wärme,
Geborgenheit, Fürsorge, Schutz. Es erlebt Vertrauen, innige
Verbundenheit mit einer liebenden Mutter.
Im
Lateinischen heißt Barmherzigkeit: Misericordia. Das setzt sich aus
zwei Worten zusammen: Misere – mir geht es miserabel – und cor –
das heißt Herz. Gott hat ein Herz für unsere Misere, für unser
Elend. Gott ist voller Mitgefühl und Mitleid.
Zu
einer polnischen Heiligen hat Jesus einmal gesprochen. Jesus sagte zu
ihr: Die Welt ist in Meiner Barmherzigkeit noch tiefer geborgen, als
ein Kind im Schoß seiner Mutter!
Was
für eine Tragödie, dass heute Millionen von Mutterschößen zu
Gräbern des ungeborenen Lebens werden!
Wenn
die Bibel also von der Gebärmutter Gottes spricht, ist das ein
Ausdruck für Gottes mütterliche Barmherzigkeit. Man spricht auch
vom rechten Arm Gottes oder der Hand Gottes, in der alles ruht, oder
vom Schemel der Füße Gottes, oder vom alles sehenden Auge Gottes
oder vom Angesicht Gottes. Das sind alles menschliche Bilder. Gott
ist kein Mann, Gott ist auch keine Frau, Gott ist grenzenloser Geist.
Aber bildlich dürfen wir auch vom Mutterschoß Gottes reden. Paulus
sagt ja auch: In Gott leben und bewegen wir uns – eben wie ein Kind
im Schoß seiner Mutter.
LUKAS
15
8
Oder nehmt ein anderes Beispiel: Eine Frau hat zehn Silbermünzen
gespart. Als ihr eines Tages eine fehlt, zündet sie sofort eine
Lampe an, stellt das ganze Haus auf den Kopf und sucht in allen
Ecken.
9
Endlich hat sie die Münze gefunden. Sie ruft ihre Freundinnen und
Nachbarinnen zusammen und erzählt: 'Ich habe mein Geld wieder! Freut
euch mit mir!'
10
Genau so freuen sich auch die Engel Gottes, wenn ein einziger Sünder
zu Gott umkehrt."
KOMMENTAR
Ich
habe schon oft Frauen beobachtet, die alles abgesucht haben nach dem
Autoschlüssel. Jesus vergleicht sich selbst mit so einer Frau. So
intensiv, wie eine Frau nach dem Autoschlüssel sucht, sucht Jesus
nach den verlorenen Seelen. Wir suchen Gott, aber wichtiger ist noch:
Gott sucht uns! Und wenn Gott uns gefunden hat, wie die Frau ihren
Autoschlüsseln, sagt er es seinen Engeln, wie die Frau es ihren
Freundinnen sagt.
LUKAS
13,34
Jerusalem!
O Jerusalem! Du tötest die Propheten und erschlägst die Boten, die
Gott zu dir schickt. Wie oft schon wollte ich deine Bewohner um mich
sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt! Aber
ihr habt es nicht gewollt.
KOMMENTAR
Als
die Kinder meiner nun toten Freundin klein waren, lebten sie in einem
großen Garten mit Hahn und Hennen und Küken. Wenn die Kinder im
Garten spielten, konnte ich die Henne beobachten, die die kleinen
Küken spazieren führte. Und die Küken drängten sich ganz dicht an
die Henne. Da sagte meine Freundin zu mir: Du bist kein Vater, du
bist eine Glucke! Und mit genau so einer Glucke vergleicht sich
Jesus. Wir sind die Küken, Jesus ist die Glucke.
PAPSTWORTE
ZUM THEMA
1
In
der Barmherzigkeit werde auch „die mütterliche Dimension Gottes“
sichtbar, erklärte Papst Franziskus. Allerdings würden diesen
Ausdruck nicht alle verstehen, er sei „nicht populär im guten Sinn
des Wortes“, sondern gehöre wohl einer „etwas gewählten
Sprache“ an. „Deshalb rede ich lieber von der Zärtlichkeit, die
einer Mutter eigen ist, die Zärtlichkeit Gottes. Gott ist Vater und
Mutter.“
2
In
einem Buch wurd die kurze Sonntagsansprache abgedruckt, die Papst
Johannes Paul I. von hoch über dem Petersplatz an die dort
Versammelten hielt. Es ging um das Treffen der Politiker Jimmy Carter
aus den USA, Sadat aus Ägypten und Begin aus Israel in Camp David.
Papst Johannes Paul I. hörte die Klagen der Politiker, dass kein
Frieden im Nahen Osten zustande käme. Als ob Gott uns verlassen
habe! "Premierminister Begin erinnert daran, dass das jüdische
Volk einst schwere Zeiten erlebte und sich klagend an den Herrn
wandte: Du hast uns verlassen, hast uns vergessen. - Nein, antwortete
Gott durch den Propheten Jesaja, kann denn eine Mutter ihr eigenes
Kind vergessen? Aber selbst wenn das geschehen könnte, Gott wird
sein Volk niemals vergessen." Damit schloss der Abschnitt in dem
frommen Buch. Der Papst hat damals aber noch mehr gesagt. Es ist
Sonntag, der 10. September 1978. Auf dem Petersplatz warten Tausende
Pilger, alle schauen hinauf zum obersten Stock des Papstpalastes.
Kurz nach 12 Uhr tritt Johannes Paul I. ans Fenster. Er spricht von
den Verhandlungen in Camp David, zeigt sich bewegt darüber, dass die
drei Staatsmänner ihre Hoffnung auf Gott ausgedrückt haben. So
erinnerte Premier Begin an das Jesaja-Wort: Kann vielleicht eine Mama
das eigene Kind vergessen? Wörtlich fuhr der Papst dann fort: "Auch
wir hier haben dieselben Gefühle. Für Gott sind wir Gegenstand
einer unüberwindlichen Liebe. Wir wissen: Gott hat die Augen immer
offen über uns, auch wenn es scheinbar Nacht ist. Gott ist Papa,
mehr noch, ist Mutter, will uns nichts Schlechtes tun, will uns nur
Gutes tun, uns allen. Wenn Kinder vielleicht krank sind, haben sie
noch mehr Anspruch, von der Mutter geliebt zu werden. Und auch wir,
wenn wir vielleicht an Schlechtigkeit erkrankt und auf Abwege geraten
sind, haben noch mehr Anspruch, vom Herrn geliebt zu sein.''
FÜNFTES
KAPITEL
HEILIGUNG
DES ALLTAGS
Die
Bekehrung ist ein Augenblick, die Heiligung ist eine Aufgabe fürs
ganze Leben.
Gertrud
die Große: Jesus spricht: Was ist mir das Liebste? Das geduldige
Tragen der alltäglichen kleinen Widrigkeiten.
Elisabeth
von Dijon: Schwester, du meinst, du kannst nicht den ganzen Tag Gott
anbeten, aber du kannst Gott in deinen Kindern dienen.
Therese
von Lisieux: Die größten Erkenntnisse fand ich nicht in der
Gebetszeit, sondern beim Kartoffelschälen.
Teresa
von Jesus: Gott ist zwischen den Kochtöpfen zu finden.
Den
Tag mit Stoßgebeten ausfüllen: Jesus, ich vertraue dir! Mein Jesus,
Barmherzigkeit! Herr, erbarme dich!
Bei
jedem Glockenläuten ein kurzes Gebet sprechen.
Die
Arbeit möglichst gut tun. Zu mir sagte ein Priester: Für dich
heißt, Gott zu dienen, ein guter Dichter zu sein.
Den
Tag mit Gebet beginnen und beenden.
Nächstenliebe
am Arbeitsplatz üben. Allen Menschen gütig und freundlich begegnen,
auch an der Kasse im Supermarkt. Statt sich über die
Menschenschlange zu ärgern, die Wartezeit zum Beten nutzen.
Mütter
tun an den Kindern die von Jesus geforderten Werke der
Barmherzigkeit. „Das habt ihr mir getan.“
Immer
denken: What would Jesus do?
Erfüllung
der Standespflichten, Befolgung der Berufung. Ein guter Ehepartner
sein, gute Eltern sein, ist Gottesdienst. Das Zeugnis einer
christlichen Familie geben. Die Kinder zu Jesus führen (vorrangige
Mission).
Wer
nicht verheiratet ist, soll Vaterschaft und Mutterschaft geistlich
ausüben über geistliche Kinder. Wer ehelos lebt, soll sich mit Gott
vermählen.
Den
Gottesdienst besuchen. Beten. Bereit sein, täglich das Kreuz auf
sich zu nehmen. Lebe so, dass man dich nach dem Grund deiner Hoffnung
fragt. Lerne deinen Glauben besser kennen. Lese täglich in der
Bibel, lese gute christliche Bücher.
Die
Dankbarkeit nicht vergessen.
Jesus,
ich vereinige mein Kreuz mit deinem Kreuz, mein Leiden mit deinem
Leiden, damit durch mich deine Gnade in unsere heutige Welt fließen
kann.
Gebetsgemeinschaft
mit andern Christen.
Im
Beruf kein Konkurrenzkampf, sondern Bescheidenheit und Solidarität.
Dem
Vorgesetzten gehorsam sein. Die Untergebenen mit Respekt behandeln.
Kindern
vor allem das Vorbild eines gelebten Glaubens geben. Die Liebe Gottes
den Kindern erfahrbar machen.
Für
Partner und Kinder beten. Bei Ehelosigkeit Fürbitte für die ganze
Welt.
Jede
begangene Sünde gleich dem Herrn bekennen.
Sonntagsheiligung.
Christliche
Hochfeste feiern.
Immer
hilfsbereit sein. Wie die Pfadfinder: Jeden Tag eine gute Tat.
Beherrsche
deine Zunge, hüte dich vorm Lästern über andre. Rede gut über
andre, und wo es nicht geht, da halt den Mund.
Wenn
dich Menschen in der Familie, im Beruf, auf den Straßen beschimpfen,
schimpfe nicht zurück. Wie hätte Jesus sich verhalten? Hast du
Feinde, bete für ihre Bekehrung.
Kümmere
dich um die Alten der Familie. Danke deiner Mutter, dass sie dich
geboren hat.
Zügle
deine Leidenschaften, dass sie dich nicht beherrschen.
Behandle
die Schöpfung mit Respekt.
Mit
dem Geld tu Gutes.
Denke,
dass Gott dein Arbeitgeber ist und du für Gott arbeitest. Arbeite so
gut du kannst. Bilde dich weiter. Diene mit deinen Gaben. Arbeitest
du in einem Büro für medizinische Informatik, denke, du dienst der
Gesundheit der Menschen. Arbeitest du in einem Büro einer
Heizungsfirma, denke, du arbeitest für Wärme und Geborgenheit der
Familien.
Arbeite
an deinem Charakter. Bekämpfe zuerst die kleinen Sünden. Neigst du
zur Traurigkeit, suche Gelegenheiten wahrer tiefer Freude auf. Neigst
du zum Zorn, lerne von Jesus sanftmütig und demütig zu sein und
beherrsche dich. Arbeite an deinem Charakter. Ahme in allem Jesus
nach.
Sei
nicht ärgerlich oder verzweifelt, wenn deine Pläne scheitern.
Denke, Gott hat offensichtlich einen andern Plan.
Werde
nicht wütend auf Gott, wenn er dir ein Kreuz auferlegt, sei es
Stress oder Ärger oder Streit oder körperliche oder seelische
Krankheit. Wisse, dass wir berufen sind, das Kreuz geduldig zu
tragen. Das Leben ist kein Ponyhof, das Paradies erwartet uns erst im
Himmel. Auf Erden müssen wir bereit sein, das Kreuz zu tragen.
Das
Geld, dass du dir verdienst, ist dir letztlich von Gott gegeben.
Häufe keine irdischen Reichtümer an, sondern nutze das Geld, um
deinen Nächsten zu dienen.
Bemühe
dich, immer möglichst bald denen zu vergeben, die dir weh getan
haben.
Erziehe
deine Kinder nicht in erster Linie für eine weltliche Karriere,
sondern so, dass sie Jünger Jesu werden.
SECHSTES
KAPITEL
PLATON
UND DIE MATHEMATIK
Keiner
kommt in den Tempel der Göttlichen Weisheit,
Der
nicht mathematisch gebildet vom heiligen Platon!
Der
altgriechische Philosoph Platon aus dem 5. Jahrhundert vor Christi
Geburt schrieb ein Buch namens „der Staat“. Darin spricht er über
Gerechtigkeit und was ein gerechter Staat wäre. Aber er spricht
darin auch über Mathematik. Er entwickelt ein System mathematischer
Wissenschaften. Gegenstand dieser Wissenschaften ist das „koinon
mathema“, das heißt, das „gemeinsame Wissen“. Dieses Wissen
muss in allen Wissenschaften und in der Technik berücksichtigt
werden, wenn diese Bereiche wissenschaftlich sein sollen. Dieses
gemeinsame Wissen leitet Platon von dem Axiom der Rationalität ab,
das besagt: Jeder Gegenstand des Wissens muss zweite Dinge aufweisen,
nämlich Einheit und Bestimmtheit. Mathematik wird so zur Lehre, wie
das Viele oder Mannigfaltige zu einer Einheit verbunden werden kann.
Damit erfüllt die Mathematik auf exakte Weise die Forderung der
Vernunft, die Einheit und Bestimmtheit der Dinge darzustellen.
Diese
platonische Mathematik hatte eine doppelte Zielsetzung: Erstens war
sie die Reflexion des Denkens über sich selbst, und zweitens war sie
die Grundlage alles theoretischen und technischen Wissens. Im zweiten
Jahrhundert nach Christi Geburt nahmen die Philosophen des jungen
Christentums diese Idee Platons auf und entwickelten daraus die
„Sieben freien Künste“, das heißt: Grammatik, Rhetorik, Logik,
Arithmetik Geometrie, Musik und Astronomie.
Nachdem
das Römische Reich von den wilden Germanen der Völkerwanderung kurz
und klein geschlagen war, wanderte die platonische Mathematik in den
Nahen Osten aus. Syrische Christen hatten die Werke Platons ins
Arabische übersetzt. Als dann im siebten Jahrhundert die arabischen
Muslime den Nahen Osten militärisch eroberten, entstand eine
arabische Philosophie, in die die platonische Mathematik mit
einfloss. Damals bemühte sich der Islam, die „Offenbarung Gottes“
im Koran mit der menschlichen Vernunft in Harmonie zu bringen. Später
verabschiedete sich der Islam von der Vernunft und somit auch von der
platonischen Mathematik und zog sich zurück auf einen sklavischen
Gehorsam dem Koran gegenüber.
Interessant
ist, dass die platonische Mathematik im lateinischen Westen mit der
Bibel harmonisiert werden konnte und im arabischen Osten mit dem
Koran. Die Elementarität dieser vernünftigen Wissenschaftlichkeit
ward im Judentum, im Christentum und im Islam aufgenommen. Somit
bildete die platonische Mathematik eine gemeinsame Grundlage, auf der
sich Juden, Christen und Muslime verständigen konnten, wenn sie auch
über ihre Heiligen Bücher uneins waren. So kann die platonische
Mathematik den Orient und den Okzident miteinander versöhnen. Die
platonische Wissenschaftlichkeit der Vernunft muss in allen
Disziplinen entwickelt werden. Dabei müssen sich die verschiedenen
Disziplinen untereinander austauschen. So wird von vielen Denkern ein
Dialog zwischen Philosophen und Mathematikern gewünscht.
In
Platons Buch vom Staat stehen einige der berühmtesten Formulierungen
der platonischen Philosophie. Da unterscheidet Platon zwischen dem
Liebhaber der Wahrheit und den Liebhabern von beliebigen Meinungen.
Die Wahrheit ist nur Eine, beliebige Meinungen sind viele. Der Satz:
„Du hast deine Wahrheit, ich hab meine Wahrheit“ ist Unsinn und
zeigt nur, dass man die absolute Wahrheit mit Meinungen des
Zeitgeistes verwechselt. Dann gibt Platon ein Gleichnis: Die Menschen
sitzen in einer Höhle und schauen auf die Höhlenwand. Hinter ihnen
brennt ein Feuer. Hinter dem Feuer bewegen sich Gestalten. Die
Menschen sehen nicht die wirklichen Gestalten, sondern nur die
Schatten der Gestalten. So sind die irdischen Dinge nur Abbilder der
himmlischen Urbilder, der geistigen Ideen in Gott. Gewöhnliche
Menschen sehen nur die irdischen Abbilder, aber Philosophen erkennen
im Geist die himmlischen Urbilder. Dann spricht Platon über die
Regierungsformen. Wenn ein guter König herrscht, ist es eine
Monarchie. Wird die Monarchie pervertiert, wird sie zur Tyrannei.
Wenn eine Gruppe von Fürsten herrscht, ist es die Aristokratie. Wird
diese pervertiert, wird sie zur Oligarchie. Wenn die Menge des Volkes
herrscht, ist es eine Demokratie. Wird diese pervertiert, kommt es
zur Anarchie oder Pöbelherrschaft. Die Geschichte verläuft nach
Platon zyklisch. Die Monarchie sinkt herab zur Aristokratie, diese
sinkt herab zur Demokratie, diese artet aus in Anarchie, dann kehrt
die Ordnung der Monarchie zurück. Platon hielt es für besser, der
Staat werde von Einem Weisen regiert, als von einer Menge von Narren.
Im Anschluss an diese Gedanken entwickelt Platon seine Logik oder
Dialektik als die Kunst des vernünftigen Denkens.
Nicht
nur viele Mathematiker und Informatiker berufen sich auf die antike
Logik des Platon und seines Schülers Aristoteles, sondern auch die
Philosophen und Theologen des jungen Christentums. Als das
Christentum im Römischen Reich Staatsreligion geworden war, wurde
die Platonische Akademie geschlossen. Die Platonisch-Aristotelische
Logik kam durch Übersetzungen arabischer Christen in den jüdischen
und muslimischen Kulturkreis des Nahen Ostens und befruchtete dort
die islamische und jüdische Philosophie. Mit diesen islamischen und
jüdischen Philosophen setzten sich im katholischen Mittelalter die
großen katholischen Philosophen des Abendlandes auseinander. So kam
das Wissenschaftskonzept und die Logik und Mathematik der Antike in
den lateinischen Westen und wurde an den großen Universitäten
studiert.
Die
Verbreitung der platonischen Mathematik und Logik über verschiedene
Kulturräume und Geschichtsepochen, die untereinander sehr
verschieden waren, zeigt die große Elastizität der platonischen
Wissenschaft. Für 1000 Jahre nahm sie die Logik des Aristoteles in
sich auf. In der christlichen Spätantike und im katholischen
Mittelalter wurde die Logik des Aristoteles mit dem Denken des
Neuplatonismus verschmolzen, so auch in der arabischen Philosophie.
Die platonische Mathematik war also eine Denkmethode, um die Antike,
das Judentum, das Christentum und den Islam untereinander dialogfähig
zu machen. Die Rationalität, die Vernünftigkeit der griechischen
Logik bringt Menschen unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse ins
Gespräch und ist ein Gegengift gegen Fanatismus und Religionskriege.
Nicht
nur die Mathematiker haben sich die platonische Mathematik zum Muster
genommen, sondern auch die heidnischen Philosophen der Spätantike.
Des weiteren war sie die Grundlage der islamischen Philosophie von
Avicenna und Averroes. In der jüdischen Philosophie verwandte sie
Moses Maimonides. In der katholischen Philosophie des europäischen
Mittelalters verwandte sie Albert der Große, auch genannt Doctor
Universalis, der Schutzpatron der Naturwissenschaftler, und Thomas
von Aquin, auch genannt der Engelgleiche Thomas.
Dieses
große Interesse an Platons „communis mathematica scientia“ macht
es zu einem dringenden Anliegen, den Gründen nachzugehen, die diese
Wissenschaftstheorie so attraktiv machte. Es wäre sinnvoll, Platon
erneut zu lesen im Hinblick auf ein modernes Mathematikverständnis.
Es wäre auch sinnvoll, die moderne Informatik ins Gespräch zu
bringen mit der Logik des Aristoteles.
Die
mathematische Universal-Wissenschaft Platons wurde in die Konzeption
der Sieben Freien Künste eingebracht. Man kann sie auf diese Formel
bringen: Es ist die Reflexion des Denkens über die rechten
Urteilskriterien. Auf welche Urteilskriterien kann die Theorie der
Wissenschaft gestützt werden? Was garantiert die wahre Rationalität
der Wissenschaften?
Was
ist das Ziel, das Platon mit seiner Universal-Mathematik verfolgt? Er
will, das wir in der Erkenntnis, im Handeln und im Produzieren
vernünftig vorgehen und nicht beliebig. Die meisten Menschen wenden
die Kriterien rationalen Handelns an, aber da sie diese Kriterien
nicht kennen, gebrauchen sie sie nur aus dem Zufall der Intuition
heraus.
Ein
solches Wissen, dass über die Kriterien der Vernunft aufklärt,
nennt Platon „koinon mathema“, das heißt, ein „gemeinsames
Wissen“. Die Disziplin, die dieses Wissen methodisch ordnet, heißt
auf lateinisch „communis mathematica scientia“ oder auch
„mathesis universalis“. Mathematik bedeutet auf Griechisch: zum
Wissen gehörig. Es geht nicht nur um Rechenaufgaben, sondern um ein
vernünftiges Leben.
Platon
suchte die Wissenschaft der Wissenschaften und nannte diese
Fundamentalwissenschaft mathematisch. Es geht darum nicht nur um
Quantitäten. Das Mathematikverständnis, in dem es nur noch um
Quantitäten geht, ist ein Produkt des neuzeitlichen Rationalismus.
René Descartes sagte: Ich denke, also bin ich. Dieser neuzeitliche
Rationalismus hat wenig gemeinsam mit der platonischen Vernunft.
Es
geht bei den platonischen Mathematik aber auch nicht um eine
esoterische Zahlenmystik, wie der moderne Zeitgeist der Esoterik
gerne behauptet. Nein, sondern Platon weist einfach nach, dass man
etwas nicht denken kann, wenn es nicht erstens mit sich selbst
identisch ist und es zweitens von anderem unterschieden ist.
Identifizierbarkeit und Unterscheidung sind Grundforderungen
rationalen Denkens. Denken ist ein Akt der Unterscheidung.
Wenn
man reflektiert über die Bedingungen, die es dem Denken ermöglichen,
seine Arbeit der Unterscheidung zu tun, kann man daraus erschließen
ein gut strukturiertes und hoch differenziertes Wissenschaftssystem.
Dabei werden zuerst die Begriffe mathematischer Gegenstände
angewandt.
Wie
lässt sich etwas unterscheiden von etwas anderem? Zuerst muss es ein
Eines sein, das mit sich selbst identisch ist. Es muss ein Ganzes
sein, dass von anderem unterschieden ist. Das Ganze hat Teile, die
als Teile des Ganzen einander gleich sind, aber untereinander
verschieden. Es gibt also beim Erkennen eines Dings zu bedenken: Die
Einheit, die Identität, die Verschiedenheit, das Ganze, die Teile,
Gleichheit, Ähnlichkeit, Kontinuität, Anfang, Mitte und Ende. Das
sind Kriterien, an denen man sich bei der Erkenntnis orientieren
sollte.
Wer
einen Ton hören will, muss ihn als Ton in seiner Identität
wahrnehmen, er muss ihn von anderen Tönen unterscheiden, er muss
seinen Anfang, seine Dauer, sein Ende wahrnehmen. In der Mathematik
tut man das Gleiche. Nur in der Mathematik untersucht man, was
Identität, Unterschied, Anfang und Ende an und für sich ist.
Die
platonische Mathematik ist also ebenso eine allgemeine wie auch eine
besondere Wissenschaft. Als allgemeine Wissenschaft ist sie die
Anwendung der rationalen Kriterien auf alle möglichen
Erkenntnisgegenstände.
EPILOG
Widme
dich, o Student des mathematischen Denkens,
Deinem
Schöpfer und der göttlichen Intelligenz!