CHINESISCHE LYRIK

Nachgedichtet von Josef Maria von der Ewigen Weisheit

BO DJÜ-I



NACH BESTANDENER PRÜFUNG

Zehn Jahr lang hab die Bücher nicht verlassen,
Ich ging, verdiente unverdientes Lob.
O hohe Orte! Nicht viel Raum zu fassen!
Der Eltern Lob mich machte stolz und grob.
Kommilitonen, sechs in jenen Tagen,
Sie sehen mich, wie aus der Stadt ich flieh.
Mein Sofa war bereit, mich zu verjagen,
Die Flöten bliesen Trennungsmelodie.
O Hoffnung! Öde ist der Trennung Schmerz!
Der Wein verkürzt den Weg, das Weh mich rührt,
Geflügelt ist mein Pferd, das heimatwärts
Die Straße reitet, die nach Hause führt.


BEGLEITET VON PRÜFUNGSKANDIDATEN

Ich fuhr im Morgenrot, begleitet von Doktoren
Der Kunst, im Osten war der Himmel grau geboren,
Ich sprach zu mir: Du bist zu frühe aufgebrochen,
Doch drängelt schon das Pferd, hab ich zu mir gesprochen.
Die Reiter reiten schon, die Fackeln glühn, die schönen,
Gedämpft und laut bereits der Wächter Trommeln dröhnen.
Ihr Reiter, wenn ich seh, wie stolz und ohne Fehle
Ihr tänzelt auf dem Damm, füllt Trauer meine Seele.
Die Sonne steigt, der Staub fliegt heiß auf weiße Linnen,
Die Wesen dieser Welt erneut den Streit beginnen.
Mit eurem Streben ihr, was sucht ihr heute Morgen?
Profit und Ehre nur sind alle eure Sorgen.
Du Höfling! Aber ich erst mittags steig vom Bette
Und müßig lebe in Tschang-an und schmier Sonette.
Der Lenz ist schön! Ich will nun das Büro versiegeln.
Ich sehn mich Tag für Tag nach fernen schönen Hügeln!


FRÜHSOMMERLICHE UNTERKUNFT IN EINEM TEMPEL, GENIESSEND DEN MONDSCHEIN

Im frühen Sommer mit zwei, dreien Leuten dann,
Die suchten Dichterruhm dort in der Stadt Tschang-an,
Doch ihre Arbeit gab kaum je ein Amt zu fassen
Und also mussten sie ihr Haus sehr arm verlassen,
Mit denen ging ich, um am Schrein das Tao zu preisen,
Wir suchten Trost und der war an dem Schrein verheißen.
Wir kamen an das Tor, zurück den Knecht zu schicken,
Wir traten in den Hof mit offnen Augenblicken,
Noch war der Äther klar, die schöne Zeit im Mai,
Da Bäume grün und bunt, die Lüfte lächeln frei,
Der Wind die Schatten hat des jungen Laubs gestohlen
Und auf den Zweigen schön verweilten die Pirolen.
Am Abend ward die Luft wie transparente Seide
Und schön der Osten kam im kurzen roten Kleide,
Zum Kreuzgang führten wir die Becher voller Wein,
Erwarteten den Mond, wir tranken im Verein.
Als schnell geboren ward des Mondes goldner Geist,
Die Schimmer schimmerten so klar und wie vereist,
Die Lichter tanzten auf des schlanken Turms Gesicht,
Und bis zum Morgen wir da saßen in dem Licht,
Mit Scherzen und Gesang. Doch in Tschang-an, wie viele
Genossen kennen dies Gesetz der heitern Spiele?


KRANKHEITSURLAUB

Auf die Kissen gestützt, und nicht um Geschäfte zu treiben,
Seit zwei Tagen lieg ich hier hinter verschlossenen Türen.
Ich fang an zu denken, dass die, die Ämter bekleiden,
Können sich keine Ruhe nehmen, außer durch Kranksein!
Für erholsame Muße-Gedanken braucht keinen Raum man,
Zehn Fuß im Quadrat ist der Raum, in welchem ich liege.
Durch die westliche Traufe, über den Zweigen des Bambus,
Seh ich von meinem Sofa aus die schneeweißen Berge.
Aber die Wolken, die schweben auf ihren ferneren Gipfeln,
Bringen Schmach dem Gesicht, das begraben liegt in dem Weltstaub.


DIE ERNTE-ARBEITER

Die Ackerbauern haben wenig Monde Ruh,
Im fünften Monat ist die Mühe doppelt schwer.
Ein Wind von Süden sucht die Felder heim zur Nacht
Und plötzlich ist der Hügel voll von gelbem Mais.
Die Frauen und die Töchter tragen Körbe Reis,
Die Knaben und die Jünglinge die Flaschen Wein.
Nachdem sie einen Lohn von Fleisch herbei gebracht,
Die starken Schnitter schuften auf des Südens Berg,
Die Füße sind durch heiße Erde ganz verbrannt,
Die Rücken durch des lichten Himmels Glut versengt.
Sie mühn sich müde, sorgen sich um Wärme nicht,
Nur widerwillig denken sie, wie kurz die Zeit.
Ein armes Weib den Schnittern an der Seite geht,
Mit einem süßen Säugling dicht an ihrer Brust.
Mit ihrer rechten Hand sie sammelt Körner auf,
An ihrem linken Arm hängt ein zerbrochner Korb.
Und ich nun heute? Ach, bei allem was gerecht,
Hab ich ein Feld beackert, eine Frucht gepflückt?
Dreihundert Tonnen die Regierungssteuer zählt,
Am Jahresende hab ich Korn noch in der Hand.
Und denke ich daran, dann heimlich schäm ich mich,
Den ganzen Tag bleibt der Gedanke mir im Kopf.


ALLEIN EINE NACHT ZU VERBRINGEN AM HSIEN-YU-TEMPEL

An dem Ufer der Kranich stand auf den Spitzen der Füße,
Und der Mond auf dem Teich war zu sehn vor der offenen Türe,
Und wo diese beiden sind, da hab ich die Wohnung
Und zwei Nächte lang konnte ich mich nicht wenden von ihnen.
Ich bin froh, dass ich zufällig bin an dem Platz, der so einsam,
Und noch ohne Begleiter zu ziehen frühabends nach Hause.
Nun, ich habe die stille Freude alleine verkostet,
Niemals wieder komm ich mit einem Freund an der Seite.


BAMBUS PFLANZEND

Mein Wunsch blieb unbelohnt, zu sein ein Reichsverweser,
Bei der verschlossnen Tür im Herbste wachsen Gräser.
Wie könnte trösten ich mein Herz im Weltenlauf?
Ich pflanze Bambus, und die Büsche schießen auf.
Als ich die Schönheit sah, wie sie am Ufer schwebte,
Ich fühlte mich, als ob ich auf den Bergen lebte.
An manchem Feiertag, da mir die Ruhe frommt,
Ich gehe durchs Gefild, bis Nacht und Dunkel kommt.
So sage du mir nicht, dass seine Wurzeln fein sind,
So sage du mir nicht, dass seine Schatten klein sind.
Schon fühl ich, wie am Haus und wie im Hain erregt
An jedem neuen Tag ihn frischer Wind bewegt.
Am meisten liebe ich den Bambusbusch am Turme,
In seinen Zweigen hör Geräusche ich vom Sturme.


FRAU LI CHIEN

Weltliche Dinge ziehen meine Schritte an wieder,
Weltliche Dinge wieder verführen das Herz und die Seele.
Immer, wenn ich für lange Zeit von Li Chien bin geschieden,
Dann allmählich werden habgierig meine Gedanken.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich einst zu Besuch war,
Damals hielt ich mein Pferd und klopft an die Pforte des Gartens.
Ach, als ich kam, da lag die schöne Frau noch im Bette,
Um mich einzulassen, schickt sie die Kinder zur Türe.
Und die kleinen Kinder lachend rannten zur Haustür,
Mit der schiefen Kappe und dem Rockzipfel fliegend.
Auf der Terrasse war ein grünes Muster von Moosen,
Abgestaubt auf der Bank die reinlichen Schatten der Blätter.
Zu den Hügeln blickten wir aus der östlichen Hütte,
Warteten auf den Mond, da gingen ins südliche Moor wir.
Vor dem ruhigen Tore einzig sprachen die Vögel,
Auf der weit entfernten Straße dröhnten die Trommeln.
Wir einander gegenüber, so sprachen wir lange,
Nicht ein einziges Mal wir sprachen von Geld oder Weltruhm.
Unsere Hände trennten sich. Ach, wie lang ist es her schon?
Dreimal hat der lichte Vollmond wieder geleuchtet.
Denn wir trennten uns, als die letzten Blüten grad fielen,
Heute hör ich schon wieder singen die neuen Zikaden.
Plötzlich zu seinem Ende neigt sich das duftende Jahr schon,
Aber unbezwungen ist noch die Trauer des Abschieds.


AM ENDE DES FRÜHLINGS

Des Birnbaums Blüte sammelt sich und wird zur Frucht,
Aus Schwalben-Eiern schlüpfen junge Vögel aus.
Wenn Jahreszeiten wandeln sich, bedenkts der Geist,
Kann dann des Tao Lehre geben einen Trost?
Ich achte drauf, wie Tag und Monat eilig flieht,
Ich bin nicht traurig, dass vorbei die Jugendzeit.
Die Welt ist flüchtig, Welt ist nur ein langer Traum,
Ob man nun jung ist oder alt, das ist egal.
Doch seit dem Tag, da mich mein treuer Freund verließ,
Der lebt in Chiang-ling nun ferne im Exil,
Hab ich nur einen Wunsch, ich lass davon nicht ab,
Dass ich von Zeit zu Zeit ihn wieder sehen kann.


DAS GEDICHT AN DER WAND

Ungeschickt war mein Gedicht
An der Schenke Wand zu sehn.
Vogelkot und grünes Moos
Überwuchert jeden Vers.
Kam ein Gast, sein Herz war voll,
Ob er Knecht auch war des Throns,
Mit dem Mantel wischte er
Ab den Staub und las das Lied.


IM DORF CHU CHEN

In Hsü-Chou, im Distrikt Ku-Feng, da wars,
Da liegt ein Dorf, des Name ist Chu-Chen,
Ist hundert Meilen ferne von der Kreisstadt,
Im Feld von Hanf und grünen Maulbeerbäumen.
Und surrend geht dort das Geräusch des Spinnrads,
Und Ochs und Esel gehen auf den Straßen.
Die Mädchen holen Wasser aus dem Bach,
Die Männer Feuerholz am Hügel sammeln.
Der Stadt fern gibt es wenig Staatsaffären.
Tief im Gebirg sind schlicht die Menschenwege.
Sie haben Reichtum, handeln nicht damit,
Sie werden alt, doch gehen nicht zum Heer.
Familien treiben Handel in dem Dorf,
Die Alten haben nie das Tor verlassen.
Lebendig sind die Menschen in dem Dorf,
Gestorben, werden sie zum Staub im Dorf.
Und draußen alte Männer, junge Männer
Bestaunen gerne das Gesicht des andern.
Im ganzen Dorfe gibt es nur zwei Clans,
Die Chus vermählten stets sich mit den Chens.
Ob nah, ob fern, Verwandte überall,
Ob jung, ob alt, und Freunde überall.
Bei Wein und Ente sie ergehen sich
Bei frohen Treffen einmal in der Woche.
Lebendig, kennen sie nicht fernen Abschied,
Die Gattin wählen sie im Haus des Nachbarn.
Und wenn sie tot sind, ist nicht fern das Grab,
Die Gräber liegen ringsum um das Dorf.
Sie sorgen sich um Tod und Leben nicht,
Sie bangen nicht um Körper oder Seele.
So leben sie bis hin ins hohe Alter
Und Ur-Ur-Enkel werden oft gesehen.
Ich ward geboren im Gefild der Sitte,
In frühen Jahren ungeschützt und arm.
Die Geister konnte gut ich unterscheiden,
Ich schuftete allein an schweren Pflichten.
Die Welt ehrt das Gesetz des Ruhms und Lernens,
Scholaren preisen Ehren, Doktorhüte.
Die Fesseln gab ich meinen eignen Händen,
Ich ward zu einem vielbetrognen Mann.
Zehn Jahre alt, hab ich gelernt zu lesen,
Mit fünfzehn konnt ich erste Prosa schreiben,
Mit zwanzig macht ich meinen Studienabschluss,
Mit dreißig ward ich Zensor am Gericht.
Die Pflicht verdank ich Eltern, dank ich Fürsten,
Die Bande, die mich binden, Frau und Kindern.
Die Unterstützung der Familie und
Der treue Dienst an meinem Vaterland,
Dafür bin ich von der Natur geschaffen.
Ich schätz die Zeit, da ich verließ die Heimat
Zum ersten Mal, ist fünfzehn Jahre her.
Mein Boot gesegelt dreimal ist nach Chu,
Mein Pferd gegangen viermal ist nach Chin.
Ich bin schon früh gewandert, hatte Hunger,
Nachts lag ich wach mit ruheloser Seele.
Ich habe Ost und West durchwandert stetig,
Ich irrte wie die Wolke unterm Himmel.
Im Bürgerkrieg die Heimat ward zerstört,
Mein Fleisch und Blut verstreut war und verloren.
In Flusses Norden und in Flusses Süden
Sind überall die Freunde meines Lebens,
Die Lebensfreunde, die ich lang nicht sah,
Von deren Tod ich erst nach Jahren hörte.
Am Morgen lieg ich traurig bis zum Abend,
Wehklagend nachts, ich wache bis zum Morgen.
Die Trauer hat verbrannt des Herzens Kern,
Der Kummer hat die Haare grau gemacht.
Mein ganzes Leben ist der Angst gewidmet,
Ach, ich beneid die Leute aus dem Dorf.


DIE FISCHEREI AM WEI-FLUSS

Die Wasser spiegeln noch als Spiegel mein Gesicht,
Im tiefen Wei-Strom Karpfen schwimmt und Barsch.
Und müßig komm ich mit der Bambus-Angel her
Und häng den Angelhaken in den tiefen Fluss.
Ein sanfter Wind weht mir auf meinem Fischergang
Und schüttelt zärtlich meine meterlange Schnur.
Mein Körper sitzt und wartet auf die Fische still,
Mein Herz jedoch spaziert im leeren Land des Nichts.
Vor langer Zeit ein alter Mann mit weißem Haar
Hat auch am gleichen Fluss vom Ufer aus gefischt,
Ein Nackter unter Männern, wie die Fische nackt,
Mit siebzig Jahren hat er sich Wen Wang gefischt.
Ich werfe meinen Angelhaken in den Fluss
Und denke nicht an einen Mann, an einen Fisch,
Denn ich bin unbegabt, zu fangen Beute mir,
Ich kann mich sonnen nur im Herbst im Wasserlicht,
Und fisch ich einen Reifen, hält die Angelschnur.
Ich geh nach Hause, leere meine Flasche Wein.


LIED DES FAULEN

Ich habe Land, doch bin zu faul zum Ackerbau,
Ein Loch im Dach, es abzudichten bin zu faul,
Mein Kleid zerrissen, es zu stopfen bin zu faul,
Ich habe guten Wein, selbst den zu trinken bin zu faul,
So ists als ob mein Keller leer von Flaschen wär.
Ich hab ein Saitenspiel, zu spielen bin zu faul,
So ists als ob die Harfe keine Saiten hätt.
Mein armes Weib sagt mir, es ist kein Brot im Haus,
Doch weißes Mehl zu mahlen bin ich auch zu faul.
Verwandte, Freunde schreiben lange Briefe mir,
Zu öffnen diese Briefe ist zu mühsam mir.
Ich habe stets gesagt, wie weise Chi Shu-Yeh
In absolutem Nichtstun immer hingelebt.
Doch spielte er die Harfe, machte manchmal Gold,
War nicht so faul wie ich in meinem Müßiggang.


KRANKHEIT UND MÜSSIGGANG

Krankheit und Müßiggang mir beschaffen reichliche Freizeit,
Und was mach ich mit meiner Freizeit? Das will ich fragen.
Nein, ich werde nimmer verwerfen Tusche und Pinsel,
Hin und wieder mach ich ein neues Gedicht für die Nachwelt.
Wenn das Gedicht gemacht ist, ist es leicht und geschmackvoll,
Eine Sache des Spottes auf alle Narren der Erde.
Hohe Leute schmerzt die Flachheit moderner Romane,
Und der Pöbel hasst die feinen Worte der Dichter.
Nun, ich sing nur für mich, dann höre ich auf, und dann denk ich.
Die Präfekten von So-Chow und Peng-Tse würden mich loben,
Aber die Kenner der wahren Dichtkunst starben vor Zeiten.
Wen sonst sollte es kümmern, meine Gedichte zu hören?
Niemanden außer Yuan Cheng, doch der lebt im Exile,
Seit drei Jahren ein Platzanweiser der Strafkammer ist er,
Dreitausend Li von mir getrennt, der Freund des Poeten,
Er wird es nicht erfahren, dass dieses Gedicht ward geschrieben.


WINTERNACHT

Kaputt mein Haus, die Liebste mich verließ,
Mein Körper krank, ich komme nicht zum Fest.
Nicht Eine Seele bei mir überdies,
Ich lieg allein im Bett, von Leid benässt.
Die Lampe brennt mit müder Flamme nett,
Der Vorhang ist zerfetzt und schief, o weh,
Und auf der Schwelle und dem Fensterbrett
Hör leise fallen ich den neuen Schnee.
Ich wurde alt, so kam Schlaflosigkeit,
Ich wache nachts und sitze auf dem Bett.
Und wenn ich nicht gelernt das Sitzen hätt,
Wie könnt ich tragen diese Einsamkeit?
Mein Leib die Erde spaltet steif und lahm,
Die Seele ändert ihre Lage bang.
Drei Jahre lang bin ich schon voller Gram,
Neunhundert öde Mitternächte lang!


DIE CHRYSANTHEMEN IM ÖSTLICHEN GARTEN

Tage der Jugend haben mich schon lange verlassen
Und nun schwinden auch noch die blühenden Zeiten des Frühlings.
Und mit welchen Gedanken von Einsamkeit, Traurigkeit, Kummer
Geh ich wieder an diese kalte verlassene Stätte!
In der Mitte des Gartens steh ich allein und bin einsam,
Schwach ist der Sonnenschein und kalt der Tau und der Windhauch.
Und verwirrt ist der Herbstsalat und wurde zu Saatgut,
Und die herrlichen Bäume verdorrten, die Blätter verwelkten.
Einzig ein paar Chrysanthemen sind übrig geblieben,
Diese haben sich neulich unter dem Flechtzaun geöffnet.
Ich hab Wein geholt und wollte füllen den Becher,
Als ihr Anblick meine Hände brachte zum Zittern.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten der Jugend,
Wie sich schnell die Stimmung von Trauer zu Freude geändert.
Wenn ich damals köstlichen Wein sah, in jeglicher Jahrszeit,
Schon bevor ich ihn trank, war voller Freude die Seele.
Aber jetzt, da zu mir das mürrische Alter gekommen,
Ein Moment der Freude ist schwer zu bekommen im Alter.
Immer, wenn ich fürchte, dass ich zu alt nun geworden,
Selbst die stärkste Bewegung des Herzens lässt mich dann trostlos.
Ihr verspäteten Chrysanthemen, so will ich euch bitten,
Bitten in dieser traurigen Jahreszeit, blüht nicht alleine!
Wenn ich auch weiß, dass ihr nicht um meinetwillen erblühtet,
Sah ich doch eure Schönheit, und kurz ward mein Angesicht heiter.


GEDICHT IN DER DEPRESSION

1

Ich näss mein Kissen und ich sprech kein Wort,
In meinem leeren Raum kein Laut mich traf.
Wer weiß, dass ich im Bett lieg immerfort?
Ich bin nicht krank und finde keinen Schlaf.

2

Wie Jade ist der Jugend Antlitz rot,
An meinen Körper klammert sich der Schmerz.
Mein kranker Körper zu verfallen droht,
Der Leib ist alt, doch älter ist das Herz.


AN MEINEN BRUDER IN TUNG-CHUAN

Ach, mürrisch, mürrisch runzle ich die Brauen stets,
Ach, leise, leise, und mein Mund bewegt sich nicht.
Es ist nicht so, dass ich das Leid erkoren hab,
Doch hübe ich den Blick, wer teilte meine Lust?
Du wurdest in den Westen abberufen jüngst
Zum kaiserlichen Heer im Lande Pa und Shu.
In diesem Lenz ward in den Süden ich verbannt,
Zu pflegen meine schlimme Krankheit an dem Quell.
Sechstausend Li bist du von mir getrennt, du bist
Da unter andrem Himmel und in andrer Welt.
Und von zehn Briefen haben neun mich nicht erreicht,
Was kann ich tun, um aufzuheitern mein Gesicht?
Ein Mann, der durstig ist, der träumt sehr oft vom Wein,
Ein Mann, der hungrig ist, der träumt sehr oft vom Fleisch.
Wo bleiben meine Träume, seit der Frühling kam?
Ich schließ die Augen und sofort bin ich bei dir.



BEGINNEND DIE REISE FRÜH AN DER CHU-CHENG-SCHENKE

Vom Regen nass sich legen Staub und Schmutz,
Es steigt der Fluss, die Straße ist sehr flach.
Der Mond stieg auf zum letzten Rest der Nacht,
Die Wanderer sind schnell durch frühen Frost.
In tiefer Stille sing ich leis ein Lied,
In schwarzer Nacht Gedanken düster sind.
Am Lotus-Ufer taufrisch ist der Wind
Und durch das Reisfeld rieselt hin ein Fluss.
Beim Glockenlärm rührt sich ein müder Hund
Und bei den Fackeln wacht ein Vogel auf.
Der Dämmer schimmert durch den Dunst im Baum,
Zehn Li, bis endlich bricht der Morgen an.


REGEN

Ich leb als Fremder in der Stadt Hsün-Yang,
Der bittre Regen sich ergießt am Tag.
Bald ist der dunkle Himmel aufgeklärt.
Im Schlafe lustlos ich verbring die Zeit.
Das Meer ist groß, erreicht den Himmel fast,
Die Wolken sinken, rühren an das Meer.
Fern meinem Haus hör ich der Schiffer Lied,
Am Straßenrand hör ich der Fischer Sang.
Verloren Vögel sind im Dunst der Luft,
Die Segel schlagen weiße Wellen schwer.
Vorm Tor mein Pferd, die Wagen-Wege sind
Verwandelt schon in eines Flusses Bett.


SOMMERANFANG

Bei dem Anfang des Sommers hundert Tiere und Bäume
Machen mir große Freude, die Jahreszeit lässt sie gedeihen.
Hirsche und Rehe tummeln sich tief in den schweigenden Wäldern,
Schlangen und Insekten sind zufrieden im Grase.
Die geflügelten Vögel lieben das Dickicht des Laubes
Und die Fische genießen das frische Unkraut im Wasser.
Doch an einen Ort zu kommen, das hab ich vergessen,
Ich allein blieb wie die verwehte Strohblume übrig!
Ich bin im Sommer verbannt an das Ende der Erde,
Fleisch und Knochen sind nun auf fernen einsamen Wegen.
Von dem Heimatort kommt keine geschriebene Botschaft.
Die Rebellen überfluten mit Krieg alle Länder.
Plötzlich Trauer! Am Ende, was wird bringen mein Leben?
Ich hab allein mein eigenes Herz in die Ferne getragen,
Besser doch leben in der Ferne Körper und Seele,
Blind dem Schicksal ergeben, das mir der Himmel gesendet.
Auch ist Hsün-Yang ja reich an jungem köstlichem Reiswein,
Also füll ich den Becher und lass ihn austrocknen nimmer.
An dem Pen-Fluss sind wie Schlamm so billig die Fische,
Früh und spät will ich sie essen, gekocht und gebraten.
Reis am Morgen im Tempel auf dem heiligen Hügel
Und am Abend köstlichen jungen Wein auf der Insel.
Warum sollen meine Gedanken wandern zur Heimat?
Denn auch hier wird kommen doch am Ende das Alter.


BESUCH BEIM HSI-LIN-TEMPEL

Nun ich steige von meinem Pferde beim Tempel von Hsin-lin
Und ich leg vorm Portier meine schlanke Reitpeitsche nieder.
Noch am Morgen saß ich in dem Büro der Regierung,
Doch am Abend bin ich Bewohner des heiligen Hügels.
In dem zweiten Monat im Norden, hoch in Kuang-lu,
Bricht das Eis und der Schnee beginnt, in Tropfen zu schmelzen.
Auf des Südens Plantagen die Teepflanzen treiben schon Sprossen,
Durch die nördliche Schleuse wälzen die Flüsse die Schlammflut.
Dieses Jahr gab es Krieg in An-hui, Soldaten bewaffnet.
Die Gelehrten wurden berufen in die Versammlung,
Männer der Tat sind für der Schlachten Fronten geeignet.
Ich nur allein, der keine Talente scheint zu besitzen,
Bleib in den Bergen, mit den Steinen des Baches zu spielen.



LI TAI BO



MICH ALLEIN AMÜSIEREND

Ich blicke auf den Wein, nicht auf die Dämmerung,
Die Blüten fallen ab, sie füllen mir das Kleid.
Betrunken bin ich, komm so nah dem Mond im Strom,
Die Vögel sind schon fern, und Menschen gibt es kaum.


ÖSTLICHE WEISE

Ich klettre hoch und schaue auf vier Meere hin,
Der Himmel und die Erde breiten sich so weit.
Frost liegt als Decke auf den Dingen nun im Herbst,
Der scharfe Wind weht in der großen Wüste kalt.
Gen Osten fließt das Wasser rauschend und immens,
All die zehntausend Dinge wogen in der Welt.
Die weiße Sonne sinkt, die Helligkeit verblasst,
Es scheint, kein Ende hat das schwimmende Gewölk.
Und Spatz und Schwalbe sitzen in dem Wu-tung-Baum
Und Yuan-, Luan-Vögel im Jujubenbusch.
Jetzt ist die Zeit gekommen, ich erheb mein Haupt
Und schärf mein Schwert und singe auf dem schweren Weg.


HERBSTLUFT

Des Herbes Luft ist klar, des Herbstes Mond ist hell.
Gefallne Blätter sammeln sich, verstreuen sich.
Die Amsel auf der Stange sitzt, fängt wieder an.
Ich denk an dich. Wann werden wir uns wiedersehn?
In dieser Nacht ist mein Gefühl von Wehmut schwer.


ERINNERUNGEN AN TSCHANG-AN

Als grad das Haar begann, zu decken meine Stirn,
Ich pflückte Blumen, spielt mit ihnen vor dem Tor.
Da kamest du heran auf deinem Bambus-Pferd,
Den Weg umkreisend, spieltest mit den Pflaumen grün.
Zusammen lebten wir im Landkreis von Tschang-an,
Zwei Kinder voller Unschuld, unverdächtig auch.
Mit vierzehn Jahren ward ich deine Ehefrau,
War schüchtern, ungeöffnet war mein Angesicht.
Ich senkte meinen Kopf in Richtung Schattenwand,
Und tausendmal ich drehte mich nach dir nicht um.
Mit fünfzehn hob ich meine Augenbrauen auf
Und wollt mit dir vereint sein wie mit Asche Staub.
Du warest stets der Treue feste Säule mir,
Den Ausguck-Hügel braucht ich zu besteigen nicht.
Und als ich sechzehn war, da gingest du davon,
Gingst an den Yan-yu-dui-Fluss zur Qu-tang-Schlucht.
Riskier es nicht, denn schlimme Überschwemmungen
Vom Himmel stürzen, Affen weinen voller Weh!
Vor meiner Pforte ließ Erregung ihre Spur,
Allmählich ist gewachsen auch das grüne Moos,
Nun, um es wegzufegen, ist das Moos zu tief,
Und Blätter fallen in dem Herbst vom frühen Wind.
Doch im August des Jahrs sind Schmetterlinge gelb,
Ein Paar fliegt in des Westens Garten überm Gras.
Ich fühle, dass du schädlich meinem Herzen bist,
Durch Sorgen wird mein rosiges Gesicht schon alt.
Wenn du gekommen bist zum Flusse von San-ba,
Dann schick rechtzeitig mir nach Hause einen Brief.
Wir gehen dann, einander zu begegnen, weit,
Ich komme dir entgegen bis nach Chang-feng-sha.


KRÄHENSCHREIE BEI NACHT

Wolken neben den Mauern, Krähen in Nähe des Turmes,
Krächzen, krächzen, sie schrein in den Ästen im Wirbel des Sturmes!
Webt an dem Webstuhl das Mädchen Brokat erlesener Sorte,
Garn-Smaragde wie Nebel, das Fenster verbirgt ihre Worte.
Traurig hört sie den Zug, denkt an Menschen auf ferneren Wegen,
Bleibt allein in dem einsamen Zimmer, Tränen wie Regen!


FÜR WANG LUN

Schon bin ich auf dem Boot, bin vorbereitet zur Abfahrt,
Hör ich plötzlich Geräusch von Liedersingen am Ufer.
Zwar das Wasser des Sees erreicht tausend Meter an Tiefe,
Doch so tief nicht wie Wang's Gefühle, die schauen zum Freunde.


LAUSCHEND EINER FLÖTE IN EINER LENZNACHT IN LUO-YANG

Woher heimlich fliegt der Klang einer Flöte aus Jade?
Mitten in Luo-yang flüstert der lenzliche Wind.
In der Mitte der Nacht gedenk ich gebrochener Ulme.
Welche Person da nicht denkt an ein trautes Zuhaus?


LAO-LAO-TING-PAVILLON

Welche Ort unterm Himmel schmerzt am meisten die Seele?
Lao-lao-ting! Dahin schaut schmerzlich der Gast.
Ach, es weiß der Wind des Frühlings, wie bitter sein Teil ist!
Trauernder Weide, dein Zweig, wehe, wird nie wieder grün!


WEHE SEHNSUCHT

O wehe Sehnsucht, in Tschang-an zu sein!
Die Grillen zirpen herbstlich schon ihr Lied
Am goldenen Geländer eines Quells.
Mit meiner Matte schon verschmilzt der Frost,
Sie ändert ihre Farbe mit dem Frost.
In Einsamkeit die Lampe ist nicht hell.
Ach, schwiegen nur die Nachtgedanken still!
Ich rolle mich hinab, blick auf den Mond,
Und lange Seufzer seufze ich umsonst.
Die schöne Frau wie eine Blume schön,
Die oben auf der Himmelswolke blüht!
Doch seh ich an dem Himmel nichts als Nacht,
Auf Erden wogt die grüne Wasserflut.
Der Himmel fern, der Weg dahin ist weit,
Voll Bitterkeit mein Geist zur Ferne fliegt,
Nicht anzukommen, träume ich im Traum,
Der Bergpass ist verschlossen, hart der Fels.
Die wehe Sehnsucht bricht mir noch das Herz!


WEHE SEHNSUCHT GESENDET IN DIE FERNE

Ach, als die schöne Frau bei mir gewesen,
Die Halle war von Blumenduft erfüllt.
Nun ist sie fort, ach, nun ist leer mein Bett!
Die Decke auf dem Bett wird aufgerollt,
Und niemand schläft jetzt mehr in meinem Bett!
Drei lange Jahre sind vergangen schon,
Doch kann ich nicht vergessen ihren Duft.
Verweht der Duft, vergessen aber nicht,
Die Frau ist fort und kommt nicht mehr zurück.
Ach Sehnsucht! Blätter fallen gelb im Herbst,
Tau-Perlen weißlich auf dem grünen Moos.


MARMORTREPPENBESCHWERDE

Der weiße Tau sich auf den Marmorstufen häuft,
In langer Nacht mein Strumpf des Taues Tropfen säuft.
Kristallnen Vorhang lass ich fallen wie gewohnt
Und wende meinen Blick im Herbst hinauf zum Mond.


MITTERNACHTSLIED VON WU

In Tschang-an des Mondes Scheibe schimmert,
Kleider rauschen leis in manchem Haushalt.
Ohne Unterlass es weht der Herbstwind.
Ach, ich denk an Guan: wie er spielte!
Wann beenden sie die Plünderungen?
Wann kommt heim mein Mann von seiner Heerfahrt?


FRAGE UND ANTWORT AUF DEM BERG

Fragst du, aus welchem Grund ich bleib auf dem grünenden Berge,
Lächl ich, aber antworte nicht, mein Herz ist im Urlaub.
Siehe, die Pfirsichblüten sind fern vom fließenden Wasser,
Zusätzlich hab ich Himmel und Erde in menschlichen Welten.


SIEHST DU EINEN FREUND

Grüne Hügel über ferner Nordwand,
Wilde Wasser in der Hauptstadt Osten.
Hier an diesem Ort der Akt der Trennung,
Einsam hundert Meilen weit zu fahren.
Wolken treiben, Wolken geben Echo,
Echo eines Reisenden Gedanken.
Sonne spiegelt in dem Untergange
Die Gefühle meines alten Freundes.
Du bewegst die Hand, verlässt die Stätte,
Deine Stute schnaubt, bist fortgeritten.


MENG HAO-JAN AM TURM DES GELBEN KRANICHS

Mein alter Freund nahm Abschied westwärts,
Hier, hier beim Turm des Gelben Kranichs,
Im Lenz die Weidenblütenwolken,
So ist er nach Yang-zhou gegangen.

Das Segel ist ein ferner Schatten,
Am Rande einer blauen Leere,
Am Horizont ist, was ich sehe,
Der Yang-tse-Fluss am fernen Himmel.


GESCHICKT AN DU FU

Was ists, dass ich bis hierher gekommen bin?
Hoch vor mir liegt die Sha-qiu-Stadt am Berg.
Und neben ihr die alten Bäume.
Abendrot. Herbstklänge tönen schaurig.

Der junge Wein macht nimmer betrunken mich,
Und trotz der Lieder schmerzt mein Gefühl mich sehr.
Ich denk an dich, ich denk wie Wasser,
Mächtig geschickt auf die Fahrt gen Süden!


SITZEND ALLEIN AUF DEM JING-TING-HÜGEL

Ein Vogelschwarm fliegt hoch in der Ferne dort,
Untätig schwebt die einsame Wolke hin.
Wir schaun uns an, wir sind nicht müde,
Ich und der heilige Jing-ting-Hügel.


BLEIBST DU IN DER NACHT IN EINEM BERGTEMPEL

Der hohe Turm ist einhundert Meter hoch,
Von hier aus reicht die Hand an die Sterne wohl.
Ich aber wag nicht, laut zu sprechen,
Will nicht die Menschen im Himmel stören.


GEDANKEN IN EINER STILLEN NACHT

Vor meinem Bette schimmert der Herbstmond hell,
Ich denke, dass es Frost auf dem Boden ist.
Ich heb den Kopf, blick auf den Vollmond,
Senke den Kopf, denk an mein Zuhause.


DAS HIMMELSTÜRGEBIRGE

Der Chu-Fluss schneidet rein durch die Himmelstür,
Das Wasser kommt von Osten und wirbelt hier.
Am Ufer schaun sich an die Hügel,
Einsam ein Segel kommt von der Sonne.



DU FU



HERBSTMEDITATIONEN

I

Jade-Tau und voll Wunden sind die Haine von Ahorn,
Auf dem Wu-Berg in der Wu-Schlucht die Lüfte sind träge.
Auf dem Fluss die Wellen steigen, den Himmel zu füllen,
Über dem Bergpass Wolken erfüllen die Erde mit Dunkel.
Chrysanthemen öffnen sich zweimal weinend den Tagen,
Einsames Boot und einsamer Vers, mein Herz voll der Heimat.
Winterkleidung überall dringend gemessen, geschnitten,
Bai-du-cheng in der Höhe, der Abend sinkt auf die Felsen.


II

Über Kui-zhou die einsame Mauer, schräg sinkt die Sonne,
Täglich folg ich dem Pfluge, um die Hauptstadt zu suchen.
Affen hör ich, die Schreie lassen mir tropfen die Tränen,
Durchführung einer Mission, vergeblich folg ich dem Floße.
Ministeriums Räucherofen ist fern meinem Kissen,
Bergturm der weißen Zinnen versteckt die traurigen Flöten.
Mondschein. Ich schau auf die Schlingpflanzen, die die Steine bedecken,
Weit vor der Insel schon leuchtet das Schilf und die trauernden Binsen.


III

Berg-Vorort, tausend Häuser im Licht des ruhigen Morgens,
Täglich sitz ich am Fluss im Turm am grünenden Hügel.
Für zwei Nächte die Fischer sind schwimmend, schwebend geblieben,
In dem klaren Herbst noch die Schwalben flattern und fliegen.
Kuang Heng hat Gedenkstätten, selten lobt man mich Dichter,
Liu Xiang liebt nur die Klassiker, nicht meine Verse.
Meiner früheren Jahre Mitschüler sind meist nicht faul, in
Städten begraben sie Pelze und Pferde in Glanz und in Fetten.


IV

Ich hab es gehört, wie sie sagen, Tschang-an sei ein Schachspiel,
Hunderte Jahre Geschichte – unerträgliche Schmerzen!
Die Paläste der Adligen haben nun neuere Herren,
Bürger und Krieger Kleidung und Kappe sind nicht wie einstmals.
Grade gen Norden über Bergpässe Gong klingt und Trommel,
Die Erobrung des Westens, Wagen und Pferdepost eilig.
Fische und Drachen sind still und stumm, und kalt ist der Herbstfluss,
Friedlich zu leben in meiner Heimat ist all mein Gedanke.


V

Peng-lai's Kaiserpfalz steht vor dem hohen südlichen Hügel,
Eine goldene Spindel, Tau zu fangen, am Himmel.
Starrend gen Westen steigt aus dem See die Königinmutter,
Östlich ist der Han-Bergpass voll von purpurnen Dämpfen.
Wolke verschiebt sich, Fasanfächer des Palastes geöffnet,
Drache badet in Sonne, ich kenne das heilige Antlitz.
Jetzt lieg ich in dem kalten Fluss, so spät ists im Jahre,
Ach, wie oft war in Ketten ich vorm Gerichte des Morgens!


VI

O der Mund der Schlucht, die Ufer des Flusses gebogen,
Zehntausend Meilen von Wind und Nebel im kommenden Herbste,
In der verborgenen Halle des Kaisers Aura vergangen,
Jetzt ist der Park mit Lotos gefüllt bis zur Grenze des Kummers!
Perlen am Vorhang, Muster an Säulen, Kraniche golden,
Und von Brokat und Elfenbein steigen die kreischenden Möwen.
Wendend meinen Kopf, jetzt traurig am Ort der Gesänge
Und der Tänze, Qin, die alte Heimat der Kaiser.


VII

Dieser Kun-ming-See ward einst in der Han-Zeit geschaffen,
Fahnen der kriegrischen Kaiser sieht noch mein geistiges Auge.
Webstuhl der Weberin und der Mond noch schwebt in der Leere,
Steinwal und Rüstungen sich bewegen im herbstlichen Winde.
Wellen werfen den Wildreis, es spülen die schwärzlichen Wolken,
Tau friert auf dem Lotos, es fällt das purpurne Pulver.
Zu dem Ende des Himmels können nur reisen die Vögel,
Flüsse füllen das Land, das gleicht einem uralten Fischer.


VIII

Von Kun-wu der Yu-su-Fluss schlängelt sich Welle um Welle,
An den Mei-pi-See tritt der Schatten des purpurnen Turmes.
Duftreis picken die Papageien und lassen die Schale,
In den Wu-tung-Bäumen hocken die Kinder des Phönix.
Schöne Frauen sammeln Blumen und plaudern im Frühling,
Ewige Freunde teilen das Boot und schwinden im Abend.
Meine farbigen Pinsel erobern die Bilder des Lebens,
Weiß ist mein Kopf wie der Kopf der Drohne und schwermütig bitter.


BALLADE VON DER ALTEN ZYPRESSE

Vor dem Kong-ming-Schrein steht eine alte Zypresse,
Ihre Zweige wie Bronze, ihre Wurzeln wie Steine.
Matt die Rinde, feucht vom Regen, breit die Zypresse,
Ihre Schwärze fügt sich in den Himmel der Höhe.
Herr und Diener sind bereits gelangt an ihr Ende,
Aber der Baum bleibt, er empfängt die Liebe der Menschen.
Wolken kommen und bringen die Lüfte der Wu-xia-Schluchten,
Mond kommt zusammen mit der Kälte des schneeweißen Berges.

Östlich vom Brokat-Pavillon die kurvige Straße,
Dort ist der Meister das Heer, sein Herr ist ein Tempel.
Flammend der Rumpf, die Zweige auf der Ebene breitend,
Heimliche Bilder, und leer sind Fenster und Türen.
Die Zypresse breitet sich aus, steht fest auf der Erde,
In den grauen Höhn gibt es viele heftige Winde.
Ihre Unterstützung ist die Allmacht des Himmels,
Und der Grund ihrer Ehrlichkeit ist das Schicksal des Schöpfers.

Sollte die Halle wanken, brechen Sparren und Balken,
Zehntausend Ochsen heben die Köpfe in Richtung des Berges.
Ihre Potenz ist nicht offenbart, die Welt ist voll Staunens,
Nichts wird aufhören, wenn die hohe Zypresse gefällt ist,
Aber wie kann damit umgehn der Mensch? Ihre Seele,
Bitter schaut sie die Arbeit der fleißigen Ameisen, ihre
Duftenden Zweige geben immer Zuflucht dem Phönix.
Ruhmbegierige Weise, stille Einsiedler, weder
Diese noch jene seufzen in Bedürfnissen irdisch,
Immer kommt das härteste Holz zum Einsatz auf Erden.


REINIGENDER REGEN

Vom Himmel Wasser fällt, Gewölk im Herbst ist dünn,
Der Wind von Westen hunderttausend Meilen bläst.
An diesem Morgen ist die Szene gut und schön,
Lang hat der Regen nicht dem Lande gut getan.
Der Weiden Reihen zeigen schon ihr erstes Grün,
Der Birnbaum auf dem Hügel ist schon weiß erblüht.
Das Rohr beginnt zu flöten, droben fliegt ein Schwan.


HOCHKLETTERN

Sanfter Wind, der Himmel hoch, der Affe schreit klagend,
Über der Insel weißem Sande kreisen die Vögel.
Endlos wie Schuppen die Blätter rascheln und rauschen nach unten,
Ohne Waffenstillstand überströmen die Flüsse.
Zehntausend Meilen im traurigen Herbst, stets habe ich Gäste,
Hundert Jahre voll Krankheit, einsam auf der Terrasse.
Leidensprobleme, ich bereu meine bleichenden Glieder,
Wie frustrierend, ich darf nun keinen Becher mehr trinken.


MIT BLICK AUF DEN SCHNEE

Nach diesem schlimmen Krieg viel neue Geister weinen.
Der alte Mann allein, hell seine Tränen scheinen.
Die Wolkenfetzen in der Dämmrung niedrig sind,
Der weiße Schnee tanzt schnell im wilden Wirbelwind.

Die Pfanne leider leer und ohne Wein die Schalen,
Noch immer glüht der Herd mit roten Feuerstrahlen.
Die Kommunikation ist unterbrochen, ach,
Ich kann nicht lesen mehr vor lauter Ungemach.


FÜR HUA QING

Musik von Saitenspiel und Flöte, fern vom Volke,
Sie weht zum Winde auf, sie weht hinauf zur Wolke.
Musik wie diese man im Himmel sich erhofft,
Doch in der Menschenwelt, da hört man sie nicht oft.


HERZOG YAN

Nach der langen Eskorte sind wir von nun an vereinigt,
Grüne Berge! Vergeblich nenn ich meine Gefühle.
Sag, an welchem Tage werde den Kelch ich begreifen?
Letzte Nacht wir reisten zusammen unter dem Monde.
Du wirst in jeder Himmelsregion geschätzt und gepriesen,
Unter drei Fürsten, alten und neuen, fandest du Ehre.
Ach, nun kehr ich allein zu meinem Dorf an dem Flusse,
Werde die letzte Zeit meines Lebens in Einsamkeit leben.


IM ZEN-KLOSTER DES DAYUN-TEMPELS

1

Mein Herz ist in der Welt aus Wasser und Kristall,
Die Kleider sind zur Zeit des Frühlingsregens feucht.
Zum Ende geh ich langsam wandelnd Tor um Tor,
Ich geh zum großen Hof, zum ruhig-stillen Raum.
Die Tür erreiche ich, sie öffnet und sie schließt,
Jetzt schlägt die Glocke, und jetzt kommt das Abendmahl…
Des Geistes Salbung hilft, zu stärken die Natur,
Diät gibt Unterstützung mir am Rückzugsort.
Wir griffen unter unsre Arme uns so oft
Und öffneten die Herzen ohne Scham und Trug.
Pirole huschen auf den Balken hin und her,
Vom Gitterfenster fliegt die Taube purpurrot.
Mein Selbst, ich glaub, zum Klagen fand ich einen Ort.
In meinem Tempo langsam geh ich durch das Beet.
Von meinem kranken Zustand mich erhebt der Abt
Und lächelnd bittet mich der Abt: Schreib ein Gedicht!

2

Da sind grüne Seiden-Schuhe,
Baumwoll-Schals sind für den Alten,
Das trag ich auf meinem Körper.
Ach, ich bin schon alt und öde,
Aber unsre Freundschaft frisch bleibt!
Tugend schätzt man mehr als Alter,
Übermenschlich ist die Tugend.
Regenfeuchter Bambus schimmert
Von der Abenddämmrung Traufe,
Wind in Sellerie am Brunnen,
Himmel dunkel, scheint ein Wandbild,
Viele fühlen schon des Drachens Feuchte.


3

Es scheint das Lampenlicht, ich liege schlaflos da,
Mein Geist jedoch ist klar, ich rieche süßen Duft.
Die Halle bäumt sich auf in tiefer Mitternacht,
Der Windhauch rührt sich, klingeln hört man schon das Gold.
Des Frühlings Maske ist der Himmel rabenschwarz,
An reine Erde klammert sich versteckter Duft.
Von runden Rädern schneidet man das Jade-Seil,
Der Eisen-Phönix über höchsten Höhen scheint.
Aus diesem Weisheitstempel manchmal strömt Sanskrit,
Die Glocken läuten immer noch an meinem Bett.
Doch morgen in dem Feld seh wieder ich den Schmutz.



4

Der Knabe helles Wasser aus dem Brunnen zieht,
Er hebt den vollen Eimer rasch mit seiner Hand,
Verspritzt das Wasser, weicht den Staub der Erde ein
Und fegt so gut, als wenn der Besen wär nicht alt.
Das Morgenrot beleuchtet die Pagode schön,
Der lichte Nebeldampf sich von den Fenstern hebt.
Gefallner Blüten Schaum den engen Weg bedeckt,
Die Weidenblätter tanzen bis herab zum Weg.
Ich bin von solchen Dingen umgetrieben, ach,
Und aus der Welt zu scheiden, das erschrickt mich doch.
Wir haben uns getroffen und gesprochen gut
Und unsre tiefsten Herzen stimmten gerne zu.
Wie kann denn unser Mund gezwungen werden, sag,
Dass unsre Rede einmal ganz komplett verstummt?
Ich nehme Abschied, halt die Peitsche in der Hand,
Den Abschied nehme ich für heute, lieber Freund,
Und wende meinen Kopf zum letzten Male um.
Es gibt so vielen Schmutz, der einen unrein macht,
Ich höre alle Hunde bellen in dem Land.
Ich kann mich nicht befrein von diesem Joch der Welt,
Doch manchmal komm ich, um vom Trubel auszuruhn.
Des Klosters Gegenwart wirkt rein wie weißer Schnee,
Wie könnte ich erfassen, was es geben wird?


BLUMEN GENIESSEND AM FLUSSUFER

1

Vor der Abt-Huang-Pagode, östlich des strömenden Flusses,
Hell und zart ist der Lenz blühend im sanftesten Hauch.
Pfirsichblüten sind zwar geöffnet, doch niemand besitzt sie,
Liebt man das Hellrot mehr, liebt man das Dunkelrot mehr?


2

Bei dem Huang-Si-Haus die Blumen füllen die Gasse,
Tausender Blüten Last tief drückt die Äste herab.
Ständig tanzen die Schmetterlinge und bleiben im Spiele,
Hemmungslos, voller Lust, laut schreit der schöne Pirol.


GNADENREICHE STIMMUNG

1

Ja, ich weiß, meine Strohhütte ist nur sehr niedrig und klein nur,
Darum kommen doch die Schwalben sehr gerne vom Fluss,
Bringen Schlamm mit dem Schnabel auf meine Leier und Bücher,
Jede versucht, ein Insekt siegreich zu fangen im Flug.


2

Schön gepflastert der Weg mit Weidenkätzchen, ein Teppich,
Lotus blüht auf dem Bach, Blätter wie Geldmünzen grün.
Bei den Bambuswurzeln, die noch niemand gesehen,
Hockt ein Entlein still neben der Mutter im Sand.


ZWEI PIROLE IN DEN GRÜNEN WEIDENBÄUMEN

Zwei Pirole in den Weiden singen,
Weiße Reiher streben in den Himmel.
Auf dem Westberg Schnee von tausend Wintern,
An dem Tor ist festgemacht die Dschunke.


JUE-JU

1

Im späten Sonnenlicht der Fluss, der Berg ist schön,
Der Frühlingswind bringt Duft von Blumen und von Gras.
Der Schlamm ist aufgetaut, die Schwalben segeln froh,
Und auf dem warmen Sand schläft still ein Entenpaar.


2

Der Fluss ist blau, der Vogel ein perfektes Weiß,
Der Berg ist oben auf den Gipfeln fruchtbar grün.
Dass Blumen wiederum verwelken, sah ich ein.
Wann kehre ich zurück an meinen Ursprungsort?