Bibel-Andacht
von
Josef Maria von der Ewigen Weisheit
EINFÜHRUNG
Hosea
(auch: Hoschea, in der Vulgata Osee) war ein biblischer Prophet, der
etwa zwischen 750 und 725 v. Chr. im Nordreich Israel wirkte. Das ihm
zugeschriebene gleichnamige Buch eröffnet die Reihe des
Zwölfprophetenbuchs in der Bibel, mit der Geschichte über ein
Gottesbild, das Hosea auf der Grundlage der eigenen leidvollen
Liebeserfahrung entwickelte, und das die verzweifelte Liebe zu Israel
darstellt. Sein Werk wird unter den zwölf kleineren (das heißt
kürzeren) Propheten eingereiht. Der Name Hosea bedeutet: Er rettet.
Hoseas
eigene Liebesgeschichte war eine Leidensgeschichte. Er heiratete eine
Frau, die ihm immer wieder untreu wurde. Er beschwor sie, sperrte sie
sogar ein, um weitere Treffen mit ihren Liebhabern zu verhindern. Er
beschimpfte sie als Hure oder versuchte es mit pädagogischen
Strafmaßnahmen. Diese katastrophale Ehe, in der der Betrogene trotz
ihrer Untreue nicht von seiner Geliebten lassen kann, wurde als
Symbol für Israel genommen, dessen Volk mehrere Götter wie eine
Hure verehrte. Hoseas Geduld, der weder seine Frau, noch die Hoffnung
auf ihre Rückkehr aufgibt, zeugt von einer großen, anrührenden
Leidenschaft.
Ich
möchte Hosea nicht in erster Linie geschichtlich betrachten, sondern
symbolisch. Des Propheten Ehe mit der Hure Gomer symbolisiert die Ehe
Gottes mit Israel. Das nennt man Brautmystik. Besonders das Hohelied
Salomos wird verstanden als Ausdruck der Brautmystik.
Hier
nun einige Gedanken über die Brautmystik des Hohenliedes.
Das
Hohelied ist eine Schrift der biblischen Weisheitsliteratur,
bestehend aus Liebesgedichten. In diesem erotischen Wechselgesang
wird eine Liebesbeziehung zwischen einer jungen Frau namens Sulamith
und dem König Salomo geschildert, der auch als Dichter der Schrift
genannt wird. Im Altertum wurde das erotische Lied symbolisch
ausgelegt, eine Tendenz, die das ganze Mittelalter anhielt und erst
im 19. Jahrhundert bei Herder abgebrochen wurde. Vorher lehnten die
Kommentatoren eine weltliche, wörtlich-erotische Auslegung ab und
interpretierten das Liebesgedicht als Beschreibung der Liebe zwischen
Gott und seinem auserwählten Volk (im Judentum) bzw. zwischen
Christus und der Kirche als Braut Christi (im Christentum). Aus
Kommentaren zum Hohelied entstand so eine Brautmystik, die eine
ausdrücklich auch leibbezogene, persönliche Gestalt mystischer
Erfahrung darstellt.
Das
Judentum hat den Weg einer sinnbildlichen Deutung des Hohenliedes
vorgezeichnet, indem es für die Kommentare auf Bilder vom Bund
Gottes mit seinem Volk als Liebe, Brautschaft und Ehe und auf die
prophetische Brautsymbolik zurückgriff. Jesaja verwendet
beispielsweise das Bild der Braut, um Israels neuen Glanz in der
Wiederherstellung durch Jahwe nach der glanzlosen Zeit im Exil zu
beschreiben.
Auch
Motive des Neuen Testaments wurden für die Interpretation des
Hohenlieds genutzt. Die Gegenwart des Bräutigams Jesus bei den
Jüngern und die endzeitliche Wiederkunft des Bräutigams Christus
drücken mit den Worten der Brautsymbolik die intensive Verbindung
und Treue der Gemeinde aus. Paulus sieht die Gemeinde als Braut
Christi, sogar mit dem Wort „Jungfrau“ statt „Braut“.
Als
Antwort auf die Frage, wen die Braut Sulamith des Hohenlieds
darstellen soll, trafen im zweiten und dritten nachchristlichen
Jahrhundert insbesondere die Kommentare des jüdischen Rabbi Akiba
(1.Jahrhundert n. Chr.) und des antiken christlichen Theologen
Origenes (2. Jahrhundert) aufeinander. Akiba interpretierte das Lied
als eine Darstellung der Beziehung zwischen Gott und dem Volk Israel.
Bei Origenes ist die Braut dagegen die individuelle Seele.
Die
Kirchenväter Hippolyt (170–235) und Cyprian von Karthago (200 bis
258) sehen die die Kirche als Braut Christi. In den
Hohelied-Interpretationen von Methodios von Olympos (bis 312) und bei
Ambrosius von Mailand (339–397) findet man eine Deutung der Braut
als gottgeweihte Jungfrau.
Nun
lesen wir Hosea, Kapitel 1. Hört gut zu. Im Anschluss an den Text
machen wir eine Runde, da jeder von euch ein Wort oder einen Satz des
Textes wiederholt, was euch persönlich angesprochen hat, berührt,
erstaunt, oder was eine Frage oder ein Problem darstellt.
HOSEA
I
Hoseas
Familie als Bild für Israel
1
In diesem Buch sind die Worte des Herrn an Hosea, den Sohn Beeris,
aufgeschrieben. Damals regierten in Juda nacheinander die Könige
Usija, Jotam, Ahas und Hiskia. In Israel herrschte König Jerobeam,
der Sohn Joaschs.
2
Als der Herr zum ersten Mal zu Hosea sprach, befahl er ihm: "Such
dir eine Hure, und mache sie zu deiner Frau! Du sollst Kinder haben,
die von einer Hure geboren wurden. Denn mein Volk ist wie eine Hure:
Es ist mir untreu und läuft fremden Göttern nach."
3
Hosea heiratete Gomer, die Tochter Diblajims. Sie wurde schwanger und
brachte einen Jungen zur Welt.
4
"Nenne deinen Sohn Jesreel", sagte der Herr zu Hosea, "denn
bald werde ich das Blutbad rächen, das König Jehu in Jesreel
angerichtet hat.1 Ich werde seine Nachkommen bestrafen und dem
Königreich Israel ein Ende machen.
5
In der Ebene Jesreel werde ich das gesamte Heer Israels auslöschen."
6
Gomer wurde danach wieder schwanger und brachte ein Mädchen zur
Welt. Da sprach der Herr zu Hosea: "Nenne das Kind Lo-Ruhama2!
Denn ich habe kein Erbarmen mehr mit den Israeliten und werde ihre
Schuld nicht länger vergeben!
7
Aber mit den Judäern will ich Mitleid haben: Ich werde sie retten,
denn ich bin der Herr, ihr Gott. Ich werde aber nicht für sie Krieg
führen und ihnen nicht mit Bogen und Schwert, mit Pferden und
Reitern helfen."
8
Als Gomer ihre Tochter Lo-Ruhama nicht mehr stillte, wurde sie ein
drittes Mal schwanger und brachte einen Jungen zur Welt.
9
Da sagte der Herr: "Er soll Lo-Ammi3 heißen. Denn ihr seid
nicht mehr mein Volk, und ich bin nicht mehr für euch da.
Nun
lesen wir als Parallel-Stelle dazu Hesekiel Kapitel 16, Verse 1 bis
14. Anschließend werden wir wieder Worte sammeln, die euch berührt
haben. In dem nun folgenden Text spricht Jahwe als Bräutigam zu
seiner jungen Braut Jerusalem, der Jungfrau.
HESEKIEL
XVI
Jerusalem,
die junge Braut
1
Der Herr sprach zu mir:
2
"Sterblicher Mensch, mach den Einwohnern Jerusalems deutlich,
was für schreckliche Dinge sie getrieben haben!
3
Verkünde ihnen: So spricht Gott, der Herr: Jerusalem, du bist in
Kanaan zur Welt gekommen; dein Vater war ein Amoriter, deine Mutter
eine Hetiterin.
4
Nach deiner Geburt wurde nicht einmal deine Nabelschnur
abgeschnitten. Niemand hat dich gewaschen und mit Salz abgerieben,
niemand dich gewickelt.
5
Kein Mensch hatte Mitleid mit dir und erbarmte sich über dich. Noch
am Tag deiner Geburt warf man dich aufs freie Feld, weil jeder nur
Verachtung für dich übrig hatte.
6
Ich kam an dir vorüber und sah dich hilflos und blutverschmiert am
Boden liegen. Da sagte ich zu dir: 'Du sollst am Leben bleiben
7
und heranwachsen wie eine Blume auf dem Feld!' Du blühtest auf und
wurdest zu einer schönen Frau voller Anmut. Deine Brüste wuchsen,
dein Haar war voll und schön. Aber immer noch warst du völlig
nackt.
8
Wieder kam ich an dir vorüber, und ich sah, dass du alt genug warst,
einen Mann zu lieben. Da breitete ich meinen Mantel über dich aus
und bedeckte deinen nackten Körper als Zeichen dafür, dass du meine
Frau sein solltest. Ich, der Herr, schwor dir Treue und schloss mit
dir einen Bund fürs Leben. So wurdest du meine Frau.
9
Ich badete dich, wusch dir das Blut ab und salbte dich mit duftenden
Ölen.
10
Ich zog dir ein buntes, kostbares Kleid und Sandalen aus bestem Leder
an. Du bekamst von mir ein Stirnband aus feinem Leinen und einen
seidenen Umhang.
11
Ich gab dir wertvollen Schmuck, legte dir Spangen an die Arme und
eine Kette um den Hals.
12
Deine Nase schmückte ich mit einem Ring, ich gab dir Ohrringe und
setzte dir eine prachtvolle Krone auf.
13
Du warst geschmückt mit Silber und Gold, du kleidetest dich in
Leinen, Seide und bunt gewebte Stoffe. Die feinsten Speisen bekamst
du: Brot, gebacken aus bestem Mehl, Honig und Öl. So wurdest du
wunderschön und würdig, eine Königin zu sein.
14
Bei allen Völkern erzählte man sich von deiner Schönheit; sie war
makellos und vollkommen durch den Schmuck, den ich, der Herr, dir
geschenkt hatte.
Nun
folgen die weiteren Verse von Hesekiel 16. Jetzt beklagt sich der
Ehemann Jahwe, dass seine Jungfrau-Braut Jerusalem zur Hure geworden
ist, dass heißt, sie hat die Ehe mit Jahwe gebrochen und Hurerei mit
anderen Göttern getrieben. Merkt euch wieder die Verse, die ich
ansprachen.
Jerusalem,
die Hure
15
Aber du - du hast dir viel auf deine Schönheit eingebildet. Dass sie
überall gerühmt wurde, nutztest du reichlich aus: Jedem, der dir
über den Weg lief, hast du dich angeboten und dich ihm an den Hals
geworfen.
16
Aus deinen bunten Kleidern machtest du dir ein Lager auf den Höhen,
wo den Götzen geopfert wird. Dort schliefst du mit jedem, den du
bekommen konntest. So etwas hätte niemals geschehen dürfen!
17
Du nahmst den Schmuck aus Silber und Gold, den ich dir geschenkt
hatte, und machtest dir männliche Götterfiguren daraus. Mit ihnen
hast du mich betrogen.
18
Deine bunt gewebten Kleider zogst du ihnen an und brachtest ihnen als
Opfer den Weihrauch und das Öl dar, die du von mir bekommen hattest.
19
Das Brot aus bestem Mehl, Honig und Öl, das ich dir gegeben hatte,
hast du ihnen geopfert, um sie für dich zu gewinnen. Das alles hast
du getan; dies bezeuge ich, der Herr.
20
Die Söhne und Töchter, die du mir geboren hattest, warfst du den
Götzen zum Fraß vor. War die Hurerei, die du getrieben hattest, dir
noch zu wenig?
21
Musstest du auch noch meine Kinder schlachten und als Opfer für
andere Götter verbrennen?
22
Während du den widerlichen Götzen Opfer darbrachtest und die Ehe
mit mir brachst, hast du keinen Gedanken an die Zeit verschwendet, in
der du nackt und hilflos in deinem Blut lagst.
23
Darum sage ich, der Herr: Es wird dir schlecht ergehen! Denn dein
schlimmes Treiben war dir noch nicht genug:
24-25
An jedem öffentlichen Platz hast du dir ein Bett für deine Hurerei
errichtet, ja, an jeder Straßenecke bautest du deine Heiligtümer.
Du hast deine Schönheit missbraucht und deine Beine gespreizt für
jeden, der vorüberkam. Unaufhörlich triebst du deine schamlose
Hurerei.
26
Du ließest dich mit den Ägyptern ein, deinen Nachbarn mit dem
großen Glied. Du schliefst mit ihnen, um mich zu kränken.
27
Darum hob ich drohend meine Hand und nahm dir einen Teil von dem weg,
was ich dir geschenkt hatte. Ich lieferte dich den gierigen
Philisterinnen aus, die dich hassen; doch sogar sie verabscheuten
deine schamlose Hurerei.
28
Als Nächstes warfst du dich den Assyrern an den Hals, weil du immer
noch nicht genug hattest. Du schliefst mit ihnen, aber dein Verlangen
war auch dann noch nicht gestillt.
29
Du triebst es auch mit den Babyloniern, dem Händlervolk, doch selbst
danach hattest du noch nicht genug.
30
Ich, der Herr, sage dir: Wie sehr warst du von brennender Begierde
beherrscht, du hast es schlimmer getrieben als die schlimmste Hure!
31
An jeder Straßenecke hast du einen Altar für deine Liebesdienste
errichtet und an jedem öffentlichen Platz ein Bett für deine
Hurerei aufgestellt. Dabei benahmst du dich nicht einmal wie eine
gewöhnliche Hure, denn du lehntest jede Bezahlung ab.
32
Du Ehebrecherin! Andere Männer hast du deinem Ehemann vorgezogen!
33
Jeder Hure gibt man Geld, du aber hast deinen Liebhabern sogar noch
Geschenke gegeben und sie bestochen, damit sie von überall her
kommen und mit dir schlafen!
34
So machtest du genau das Gegenteil von dem, was andere Huren tun: Du
warfst dich jedem an den Hals, während dir keiner nachlief; niemand
gab dir Geld, im Gegenteil: Du bezahltest, damit man mit dir schlief.
So weit ist es mit dir gekommen!
35
Darum, du Hure, höre, was ich, der Herr, dir sage:
36
Du hast deinen Körper schamlos entblößt, um mit allen deinen
Liebhabern zu schlafen; du hast deinen abscheulichen Götzen gedient
und für sie deine Kinder geschlachtet.
37
Darum werde ich nun deine Liebhaber zusammenrufen - alle, die du
geliebt, und alle, die du verachtet hast. Von überall her lasse ich
sie kommen, damit sie gegen dich aussagen. Dann ziehe ich dir vor
ihren Augen die Kleider aus, damit sie deinen nackten Körper sehen.
38
Ich werde dich verurteilen, so wie man Mörderinnen und
Ehebrecherinnen verurteilt. Weil ich eifersüchtig und zornig bin,
spreche ich dir das Todesurteil.
39
Ich gebe dich in die Gewalt deiner Liebhaber; sie werden deine
Hurenaltäre und deine Heiligtümer zerstören. Sie reißen dir die
Kleider vom Leib, nehmen deinen prächtigen Schmuck weg und lassen
dich nackt und hilflos liegen.
40
Sie hetzen die Volksmenge gegen dich auf, die dich steinigt und mit
ihren Schwertern zerstückelt.
41
Deine Häuser brennen sie nieder und vollstrecken das Urteil an dir
vor den Augen vieler Frauen. So bereite ich deiner Hurerei ein Ende -
dann kannst du dir keinen Liebhaber mehr kaufen!
42
Wenn sich schließlich mein Zorn gelegt hat, ist auch meine
Eifersucht verflogen, und ich bin wieder ruhig und gelassen.
HOSEA
II
Wiederholung
des letzten Abends:
Wir
haben letzte Woche über Gottes Ehe mit der Jungfrau Israel
gesprochen. Wie im Hohenlied Salomo tritt Gott bei den Propheten als
leidenschaftlicher Bräutigam auf. Wir haben betrachtet, dass Jahwe
nach jüdischer Auffassung Bräutigam der Jungfrau Israel ist, nach
der Auffassung der christlichen Kirchenväter aus dem zweiten bis
vierten Jahrhundert ist Christus Bräutigam seiner jungfräulichen
Braut Kirche, aber auch der einzelnen christlichen Seele. Der Prophet
Hosea hat von Gott den Auftrag bekommen, eine Hure zu heiraten. Diese
Ehe ist ein Abbild für die Ehe Jahwes mit Israel, denn die Jungfrau
Israel ist auch zur Hure geworden. Sie ist ihrem Ehemann Jahwe untreu
geworden und hat Hurerei getrieben mit kanaanäischen
Fruchtbarkeitsgöttern. Im Kult der Fruchtbarkeitsgötter gab es die
Tempelprostitution. Indem heidnische Männer mit einer Tempelhure
schliefen, beschworen sie die Hochzeit von Himmelsgott und Erdgöttin.
Ich gab eine kurze Einführung zur Brautmystik, das heißt, der
Tradition des Glaubens, wo man sich Gott als Bräutigam vorstellt und
die Vereinigung mit Gott ersehnt. Wir sprachen dabei vor allem über
das Hohelied Salomo. Nun geht es weiter mit der Einführung zur
christlichen Brautmystik. An diesem zweiten Abend geht es um die
Brautmystik im Mittelalter. Das sind katholische Traditionen. Am
dritten Abend geht es dann um die Brautmystik in der Reformation und
im Pietismus.
BRAUTMYSTIK
II
Die
mystische Vereinigung zwischen Gott und Mensch mit dem Bild der
geistlichen Hochzeit hält sich auch in der theoretisch-theologischen
Mystik. In der mystischen Theologie wird die Liebessymbolik auf das
Verhältnis des einzelnen Gläubigen zu Gott angewendet und oft sogar
eine Einheit des Gläubigen mit Gott angestrebt.
In
den Paulusbriefen und im Johannesevangelium ist die Rede von einer
„Einwohnung“ Gottes im Menschen, die besonders im Abendmahl von
den Gläubigen als Vereinigung von Mensch und Christus erfahren
werden kann. In der katholischen Eucharistiefeier wird der Wunsch
ausgesprochen, dass alle Gläubigen von den Enden der Erde kommen, um
das Hochzeitsmahl des Lammes zu feiern in Gottes Reich.
Der
Kirchenvater Tertullian (zweites Jahrhundert) schrieb von den ersten
christlichen Jungfrauen, die sich Gott verlobt hatten.
„Aber
die eine oder die andere verlobt sich Gott.“
Tertullian
übertrug als erster den Brautschaftsgedanken des Neuen Testaments
von der Kirche auf den einzelnen Christen.
Bereits
zu dieser Zeit wurde das Vorhaben der gottgeweihten Jungfräulichkeit
als geistliche Eheschließung aufgefasst. Wenn eine Jungfrau dieses
Gelübde brach, galt sie als Ehebrecherin und hatte als Folge den
Ausschluss aus der Kirche zu tragen. Ein Weihegebet der Kirche über
die Jungfrau, aus dem 5. Jahrhundert, hebt den ehelichen Charakter
dieser mystischen Vereinigung mit Christus hervor:
„Obwohl
die Jungfrauen die Würde des Ehebundes, den du gesegnet hast,
erkennen, verzichten sie dennoch auf das Glück einer Ehe; denn sie
suchen einzig, was das Heiligtum der Ehe bedeutet: die Verbindung
Christi mit seiner Kirche. Die Jungfräulichkeit um Christi willen
erkennt in dir, o Gott, ihren Ursprung, sie verlangt nach dem Leben,
das den Engeln eigen ist, und sehnt sich nach der Vermählung mit
Christus. Er ist der Bräutigam derer, die im Stand der
Jungfräulichkeit leben.“
Höchstes
Ziel war im Mittelalter die mystische Vereinigung mit Gott, ein
„Gottspüren“ oder in einem weiteren Sinn „ein Bewusstsein der
unmittelbaren Gegenwart Gottes“. Dieses Spüren Gottes wird im
Mittelalter auch erotisch aufgeladen, und Gotteserkenntnis als
Begegnung zwischen Ich und Gott im Sinne einer heiligen Hochzeit
zwischen Seele und Gott oder Christus gedeutet.
Bernhard
von Clairvaux (zwölftes Jahrhundert) versucht in seinen Schriften
eine ekstatische Gottesverbindung, eine Verherrlichung der Seele
anschaulich zu machen. Seit Bernhard verbindet sich die Brautmystik
auch mit Elementen der Leidens- und Kreuzmystik.
In
dem Buch Das fließende Licht der Gottheit gestaltete Mechthild von
Magdeburg (dreizehntes Jahrhundert) in lyrischen Dialogen von Suchen
und Finden, Trennung und Vereinigung der Liebenden, der mystischen
Gottsuche der Seele wie der göttlichen Zuwendung zum Menschen.
Johannes
Tauler (14. Jahrhundert) verwendete für den Weg der Vereinigung mit
Gott die Vorstellung vom Nichts: Indem der Mensch „die allerwahrste
Erkenntnis des eigenen Nichts“ erlangt, wird er „eins mit Gott“.
Mensch und Gott begegnen einander, und dann fließt der eine Abgrund
in den anderen Abgrund, „versinkt das geschaffene Nichts in das
ungeschaffene Nichts“.
Der
Mystik des Johannes vom Kreuz (16. Jahrhundert) liegt eine
Heilsdramatik der Vermählung zugrunde: die Liebesbewegung geht von
Gott aus, der nicht allein sein will, die Menschheit als Braut des
Sohnes erschafft und immer wieder um sie wirbt – bis zur
Menschwerdung und Hingabe des eigenen Lebens am Kreuz. Die Schöpfung
steht von vornherein im Verhältnis einer innigsten Zugehörigkeit zu
Gott, sie ist Gabe an Jesus und Gabe um Jesu willen, nicht Werk eines
weltabgewandten allmächtigen Wesens. Der Sohn ist derjenige, der
durch seine Ehe die Schöpfung gottwürdig macht. Die Menschwerdung
wird schließlich als erlösender Ehevollzug und wunderbarer Tausch
zwischen dem Sohn und der Braut verstanden, wobei eine
Gleichgestaltung der Geliebten stattfindet. Diese Gleichgestaltung
ist das Zeichen vollkommener Liebe.
Jetzt
lesen wir Hosea 2. Hört gut zu. Anschließend sage jeder, welches
Wort oder welcher Vers euch berührt hat, wo Fragen sind, worin sich
einer wiedererkannt hat, was bei euch einen Gedankenblitz ausgelöst
hat.
1
Doch es kommt die Zeit, da werden die Israeliten so zahlreich sein
wie der Sand am Meer; man wird sie nicht zählen können. Ich habe
ihnen gesagt: Ihr seid nicht mein Volk. Dann aber werden sie 'Kinder
des lebendigen Gottes' heißen.
2
Alle Männer aus Juda und Israel werden sich versammeln und ein
gemeinsames Oberhaupt wählen. Sie werden das ganze Land in Besitz
nehmen. Was für ein großer Tag wird das sein, wenn meine Saat
aufgeht!1
3
Dann sollt ihr euren Schwestern und Brüdern in meinem Auftrag
verkünden: 'Ihr seid mein Volk, ich habe Erbarmen mit euch.'"
4
"Klagt euer Land an, ihr Israeliten! Bringt euer Volk vor
Gericht! Schon lange ist eure Mutter Israel nicht mehr meine Frau,
und darum will auch ich nicht länger ihr Mann sein! Sie soll die
Zeichen einer Hure von ihrem Gesicht und ihren Brüsten entfernen.
5
Sonst werde ich sie nackt ausziehen und hilflos machen wie bei ihrer
Geburt. Ihr Land mache ich zur Wüste, zu einer dürren Einöde, ja,
ich will sie verdursten lassen!
6
Auch mit ihren Kindern werde ich kein Mitleid haben, denn sie sind
Hurenkinder.
7
Ihre Mutter hat sich mit fremden Männern eingelassen. Sie ging mit
ihnen ins Bett und dachte: 'Es lohnt sich, bei meinen Liebhabern zu
bleiben, denn sie geben mir, was ich brauche: Brot und Wasser, Wolle
und Flachs, Öl und Wein.'
8
Darum versperre ich ihr den Weg mit Mauern und lasse ihn mit
Dornengestrüpp überwuchern, so dass sie nicht mehr weiter weiß.
9
Vergeblich läuft sie hinter ihren Liebhabern her. Sie wird sie
suchen, aber nicht finden. Zuletzt wird sie sich besinnen: 'Ich will
nach Hause zurückkehren, zu meinem ersten Mann; denn bei ihm ging es
mir besser.'
10
Sie hat nicht erkannt, dass ich es war, der ihr Getreide, Most und Öl
gegeben hat. Mit Silber und Gold habe ich sie überschüttet, sie
aber hat alles ihrem Götzen Baal zu Füßen gelegt.
11
Zur Erntezeit werde ich dafür sorgen, dass sie kein Getreide und
keinen Wein bekommt. Auch Wolle und Flachs nehme ich ihr weg, damit
sie sich keine Kleider nähen kann.
12
Vor den Augen ihrer Liebhaber ziehe ich sie nackt aus und stelle sie
öffentlich zur Schau; niemand kann sie davor bewahren.
13
Ihren Freudenfesten mache ich ein Ende, sie wird keinen Neumond oder
Sabbat und kein anderes großes Fest mehr feiern.
14
Ihre Weinstöcke werde ich zerstören und ihre Feigenbäume fällen.
Denn sie hat gesagt: 'Das habe ich von meinen Freunden für meine
Liebesdienste bekommen.' Alles, was sie gepflanzt hat, lasse ich von
Gestrüpp überwuchern; und den Rest werden die wilden Tiere fressen.
15
Denn sie hat mich vergessen. Statt für mich hat sie für ihre Götzen
Feste gefeiert und ihnen Opfer dargebracht. Sie hat sich mit Ringen
und Ketten geschmückt und ist ihren Liebhabern nachgelaufen. Deshalb
werde ich sie bestrafen. Darauf gebe ich, der Herr, mein Wort."
16
"Doch dann werde ich versuchen, sie wiederzugewinnen: Ich will
sie in die Wüste bringen und in aller Liebe mit ihr reden.
17
Dort wird sie auf meine Worte hören. Sie wird mich lieben wie damals
in ihrer Jugend, als sie Ägypten verließ. Dann will ich ihr die
Weinberge zurückgeben; das Achortal, das Unglückstal2, soll für
sie ein Tor der Hoffnung sein.
18
Ja, ich, der Herr, verspreche: An diesem Tag wird sie nicht mehr zu
mir sagen: 'Mein Baal', sondern sie wird mich wieder ihren Mann
nennen.
19
Den Namen Baal werde ich aus ihrem Mund nicht mehr hören, nie wieder
wird sie die Namen anderer Götter erwähnen.
20
Ich will einen Bund schließen mit den wilden Tieren, den Vögeln und
den Kriechtieren, damit sie ihr keinen Schaden zufügen. Ich werde
die Kriege beenden und alle Bogen und Schwerter zerbrechen. Das alles
werde ich tun, damit sie in Frieden und Sicherheit leben kann.
21
Die Ehe, die ich an diesem Tag mit dir, Israel, schließe, wird ewig
bestehen. Ich schenke dir Liebe und Barmherzigkeit, ich schütze dich
und helfe dir;
22
immer werde ich treu sein und dich nie verlassen. Daran wirst du
erkennen, dass ich der Herr bin!
23
In jener Zeit werde ich die Bitten Israels erhören. Aus dem Himmel
lasse ich Regen auf die Erde fallen,
24
und die Erde wird Getreide, Weintrauben und Oliven hervorbringen.
Dann wird Israel genug zu essen haben und satt werden.3
25
Ich werde dafür sorgen, dass mein Volk sich wieder in seinem Land
ansiedeln kann. Es wurde als eine Nation bezeichnet, 'die kein
Erbarmen findet'; doch die Zeit kommt, in der ich mich über mein
Volk erbarmen werde. Es war einst 'Nicht mein Volk'; nun aber sage
ich zu ihm: 'Du bist mein Volk', und Israel wird antworten: 'Du bist
mein Gott!'"
Nun
lesen wir noch Hesekiel 23. Auch hier geht es um Gottes Ehe.
Allerdings hat Gott hier zwei Geliebte, Jerusalem und Samarien, die
beide Huren sind.
HESEKIEL
XXIII
1
Der Herr sprach zu mir:
2
"Sterblicher Mensch, höre die Geschichte von zwei Frauen,
Töchter derselben Mutter.
3
Schon in ihrer Jugend, als sie noch in Ägypten lebten, ließen sie
sich mit vielen Männern ein, die ihnen ihre Unschuld nahmen und ihre
jungen Brüste streichelten.
4
Die ältere heißt Ohola und die jüngere Oholiba. Ohola ist Samaria,
Oholiba ist Jerusalem. Sie wurden meine Frauen und brachten Söhne
und Töchter zur Welt.
5
Doch hinter meinem Rücken wurde Ohola mir untreu. Sie warf sich
ihren Liebhabern an den Hals, den kriegerischen Assyrern,
6
die sich in Purpur kleideten und angesehene Statthalter und
Befehlshaber waren. Alle waren schöne junge Männer, gute Reiter
hoch zu Ross.
7
Mit den Söhnen der angesehensten Familien Assyriens betrog sie mich
und lud große Schuld auf sich, weil sie deren Götzen verehrte.
8
Auch die Ägypter wollte sie nicht aufgeben, die schon in ihrer
Jugend mit ihr geschlafen und ihre jungen Brüste gestreichelt
hatten.
9
Darum gab ich sie in die Gewalt ihrer assyrischen Liebhaber, die sie
ja unbedingt haben wollte!
10
Sie vollstreckten das Urteil an ihr: Sie zogen ihr das Kleid hoch,
dass alle ihren nackten Körper sehen konnten, nahmen ihr die Söhne
und Töchter weg und töteten sie selbst mit dem Schwert. So wurde
sie zum warnenden Beispiel für alle Frauen.
11
Ihre Schwester Oholiba hatte alles mit angesehen, und trotzdem trieb
sie es noch schlimmer. Ihre Schamlosigkeit übertraf die ihrer
Schwester bei weitem.
12
Auch sie warf sich den Assyrern an den Hals, den prächtig
gekleideten Statthaltern und Befehlshabern, allesamt schöne junge
Männer, gute Reiter hoch zu Ross.
13
Ich sah, dass auch sie große Schuld auf sich lud; darin waren beide
Schwestern gleich.
14
Aber Oholiba trieb es noch schlimmer: Sie sah Bilder von Babyloniern,
mit roter Farbe an die Wand gemalt.
15
Um ihre Hüften trugen sie einen Lendenschurz, ihren Kopf bedeckte
ein wehender Turban. Es waren hervorragende Soldaten aus Babylonien,
dem Land der Chaldäer.
16
Beim Anblick dieser Bilder packte Oholiba die Gier, und sie schickte
Boten nach Babylon.
17
Da kamen die Babylonier zu ihrem Liebesnest, sie schliefen mit ihr
und machten sie dadurch unrein. Oholiba aber wandte sich sofort
wieder von ihnen ab, nachdem sie ihre Gier befriedigt hatte.
18
In aller Öffentlichkeit beging sie Ehebruch und zeigte ihren nackten
Körper jedem, der ihn sehen wollte. Darum trennte ich mich von ihr,
so wie ich es auch bei ihrer Schwester getan hatte.
19
Sie aber trieb es nur noch schlimmer, sie dachte zurück an ihre
Jugend, als sie sich mit den Ägyptern eingelassen hatte.
20
Wieder packte sie die Gier nach ihren früheren Liebhabern, deren
Glied so groß war wie das eines Esels und die so brünstig waren wie
ein Hengst.
21
Ja, sie sehnte sich danach, wieder mit ihnen zu schlafen wie in ihrer
Jugend, als die Ägypter ihre jungen Brüste streichelten.
22
Darum höre, Oholiba, was ich, der Herr, dir sage: Deine früheren
Liebhaber, die du verlassen hast, hetze ich nun gegen dich auf. Von
allen Seiten werden sie auf dich einstürmen:
23
die Babylonier und Chaldäer, Männer von den Stämmen Pekod, Schoa
und Koa, und mit ihnen die Assyrer. Es sind schöne junge Männer,
Statthalter und Befehlshaber, die besten Soldaten und angesehensten
Leute im Volk, gute Reiter hoch zu Ross.
24
In Scharen fallen sie über dich her; ein Heer aus vielen Völkern
stürmt auf Kriegswagen heran. Sie umstellen dich, bewaffnet mit
Langschilden, Rundschilden und Helmen. Ich liefere dich ihrem Gericht
aus, und sie werden dich nach ihren Gesetzen verurteilen.
25
Weil ich eifersüchtig und zornig bin, sorge ich dafür, dass sie
ihren Zorn an dir auslassen: Deine Nase und deine Ohren schneiden sie
dir ab, und deine Nachkommen töten sie mit dem Schwert. Ja, alle
deine Söhne und Töchter nehmen sie dir weg, und dein ganzer Besitz
wird ein Raub der Flammen.
26
Sie reißen dir die Kleider vom Leib und nehmen deinen kostbaren
Schmuck weg.
27
So mache ich deinem abscheulichen Tun und deiner Hurerei, die du
schon in Ägypten getrieben hast, ein Ende. Dann wirst du nicht mehr
nach den Ägyptern Ausschau halten - ja, du wirst nicht einmal mehr
an sie denken.
28
Denn ich, der Herr, liefere dich deinen Liebhabern aus, von denen du
dich voller Hass abgewandt hast.
29
Hasserfüllt werden sie nun über dich herfallen und alles an sich
reißen, was du dir mühsam erworben hast. Dann lassen sie dich nackt
zurück, dass jeder deinen Körper sehen kann. Weil du es so schlimm
getrieben und ständig die Ehe gebrochen hast,
30
wird dies deine gerechte Strafe sein. Ja, anderen Völkern bist du
nachgelaufen, ihre Götter hast du angebetet und so große Schuld auf
dich geladen.
31
Du bist dem schlechten Beispiel deiner Schwester gefolgt, darum gebe
ich dir denselben Becher in die Hand, den sie trinken musste.
32
Ich, der Herr, kündige dir an: Gelächter und Spott wird dich
treffen, den Becher deiner Schwester musst du leeren. Viel passt dort
hinein, denn er ist tief und breit.
33
Er macht bekümmert und betrunken, der Becher voll Angst und
Zerstörung, den schon deine Schwester Samaria trinken musste.
34
Bis zur Neige trinke ihn, ja, schlürfe ihn aus bis zum letzten
bitteren Tropfen. Und mit seinen Scherben zerkratze deine Brüste!
Ich, der Herr, fordere dich dazu auf.
35
Du hast mich vergessen und mir den Rücken gekehrt, darum musst du
nun auch die Folgen deines Ehebruchs tragen!"
36
Weiter sprach der Herr zu mir: "Sterblicher Mensch, bist du
bereit, über Ohola und Oholiba Gericht zu halten? Dann tu es!
Erinnere sie an all die abscheulichen Dinge, die sie getrieben haben!
37
Ehebruch und Mord werfe ich ihnen vor: Sie haben mich mit ihren
Götzen betrogen und für sie die Kinder verbrannt, die sie mir
geboren hatten.
38
Aber das genügte ihnen noch nicht: Meinen Tempel haben sie entweiht
und den Sabbat nicht als heiligen Tag geachtet.
39
Wenn sie ihre Kinder für die Götzen geschlachtet hatten, gingen sie
noch am selben Tag in meinen Tempel und entweihten ihn dadurch. Ja,
so trieben sie es in meinem Heiligtum!
40
Klag die beiden weiter an: Immer wieder habt ihr Boten in die Ferne
geschickt, um Männer anzulocken, die dann gerne kamen. Für sie habt
ihr euch herausgeputzt: Ihr habt ein Bad genommen, die Augen
geschminkt und euch mit Schmuck behängt.
41
Dann habt ihr euch auf euer prunkvolles Bett gesetzt. Einen Tisch mit
Weihrauch und duftendem Öl habt ihr vor euch aufgebaut, obwohl doch
beides mir gehören sollte.
42
Ihr umgabt euch mit einer lärmenden, ausgelassenen Menge; laut
zechten die unzähligen Männer, die aus der Wüste zu euch gekommen
waren. Sie streiften euch Armreife über die Hände und setzten euch
prunkvolle Kronen auf den Kopf.
43
Ich dachte: Sie sind es gewohnt, die Ehe zu brechen, jetzt treiben
sie es schon wieder und haben auch noch Freude daran.1
44
Die Männer gehen zu ihnen wie zu Huren. Immer wieder laufen sie zu
Ohola und Oholiba, diesen schamlosen Frauen.
45
Aber aufrichtige Männer werden ihnen das Urteil sprechen, nach den
Gesetzen für Ehebrecherinnen und Mörderinnen. Denn sie haben die
Ehe gebrochen, und an ihren Händen klebt Blut!
46
Ich, der Herr, befehle: Eine Menschenmenge soll sich versammeln, sie
misshandeln, ausrauben
47
und schließlich steinigen und mit Schwertern zerstückeln! Danach
sollen ihre Söhne und Töchter getötet und ihre Häuser verbrannt
werden.
48
Ohola und Oholiba, ich mache eurer Hurerei ein Ende! Alle Frauen in
Israel sollen gewarnt sein, damit sie nicht genauso schamlos die Ehe
brechen wie ihr.
49
Man wird euch für eure Hurerei bestrafen, und ihr müsst für die
Sünden büßen, die ihr mit euren Götzen begangen habt. Dann werdet
ihr erkennen, dass ich Gott, der Herr, bin."
HOSEA
III
Am
letzten Abend haben wir über die Brautmystik des Mittelalters
gehört. Mechthild von Magdeburg sagte: Herr, liebe mich oft und
heftig und lange! Wir lasen Hosea, zweites Kapitel. Darin wurden uns
die Verse 21 und 22 wichtig: „Die Ehe, die ich an diesem Tag mit
dir, Israel, schließe, wird ewig bestehen. Ich schenke dir Liebe und
Barmherzigkeit, ich schütze dich und helfe dir; immer werde ich treu
sein und dich nie verlassen. Daran wirst du erkennen, dass ich der
Herr bin!“ Auch wenn die Braut Gottes untreu wird, Gott bleibt
immer treu. Aber die Braut Gottes wird auch als Ehebrecherin und Hure
bezeichnet, die sich mit anderen Göttern vereinigt. Da fanden wir
bemerkenswert Hesekiel 23, Vers 20: „Wieder packte sie die Gier
nach ihren früheren Liebhabern, deren Glied so groß war wie das
eines Esels und die so brünstig waren wie ein Hengst.“ Dieser
Bibelvers trieb den Christinnen die Schamröte ins Gesicht und ist
doch Gottes Wort. Nun kommen wir wieder zur Geschichte der
Brautmystik. Diesmal geht es um Reformation und Pietismus.
Der
protestantische Pfarrer Valentin Weigel (16. Jahrhundert) stellt
neben den „Christus für uns“ den „Christus in uns“. Weigels
mystische Theologie beinhaltet die Vorstellung eines völligen
Verschmelzens von Gott und Mensch. Nach Aussage des pietistischen
Theologen Johann Henrich Reitz (17. Jahrhundert) hätten die Frauen
„durch ihre Einfalt“ zugleich einen besseren Zugang zum
Mystischen und Göttlichem, sodass sie sich in ihre Rolle als Braut
leichter einfügen könnten.
Der
Pietist Gottfried Arnold (17. Jahrhundert) dachte, der Sündenfall
sei die Teilung des Menschen in eine weibliche und eine männliche
Seite. Nun wurde die Seele des Gläubigen als weiblich interpretiert,
die nach dem Bräutigam sucht. Gottfried Arnold schildert in der
Schrift Das Geheimnis der göttlichen Sophia in erotischen Bildern
aus dem Hohelied die Vereinigung des Gläubigen mit der
personifizierten Weisheit Gottes. Hier kehrt sich also das
Geschlechterverhältnis um, zu einer himmlischen Braut und einem
irdischen Bräutigam.
In
der Mystik des Barocks wird die Vorstellungen des Einswerdens mit
Gott unter dem Bild von Verlobung und Vermählung wieder aufgenommen.
Der Dichter und Mystiker Angelus Silesius beeinflusst diese
Entwicklung. Johann Sebastian Bach arbeitete in seinen Kantaten,
Oratorien und Passionen die mystischen Hochzeitstexte musikalisch um.
Er verwendet dabei die Lyrik der Brautmystik bei Gerhard Tersteegen
(18. Jahrhundert), Paul Gerhard (17. Jahrhundert) oder Nikolaus
Ludwig Graf von Zinzendorf (18. Jahrhundert). Diese evangelischen
Pfarrer haben auch die Theologie der Brautmystik in Texten und
Predigten weiterentwickelt. Die Braut erscheint hier als Tochter Zion
oder als einzelne Seele oder als Gemeinde. Im ersten Teil von Bachs
Weihnachtsoratorium steht Großes bevor; die Tochter Zion steht hier
für die Erwartung der christlichen Gemeinde auf den kommenden Herrn:
„Bereite
dich, Zion, mit zärtlichen Trieben,
Den
Schönsten, den Liebsten bald bei dir zu sehn!
Deine
Wangen – müssen heut viel schöner prangen,
Eile,
den Bräutigam sehnlichst zu lieben!“
In
der Matthäuspassion singt die Seele dem Bräutigam Jesus:
„Ich
will dir mein Herze schenken,
Senke
dich, mein Heil, hinein!
Ich
will mich in dir versenken;
Ist
dir gleich die Welt zu klein,
Ei,
so sollst du mir allein
Mehr
als Welt und Himmel sein.“
Das
Adventslied „Tochter Zion, freue dich“ thematisiert die
Hochzeitsvorbereitungen Zions beim Einzug Jesu in Jerusalem
einprägsam. Gelegentlich werden die Texte der Brautmystik, etwa bei
Zinzendorf oder in der Marienfrömmigkeit, poetisch überschwänglich.
Der Titel eines geistlichen Liederbuches von Emilie Juliane von
Barby-Mühlingen lautet: Der Freundin des Lammes geistlicher
Braut-Schmuck zu christlicher Vorbereitung auf die Hochzeit des
Lammes.
Nun
lesen wir Hosea 3. Merkt euch, welches Wort oder welcher Vers euch
auffällt und werft ihn anschließend unkommentiert in die Runde.
Israel
wird umkehren
1
Der Herr sprach zu mir: "Obwohl deine Frau deine Liebe nicht
erwidert hat, sondern ständig die Ehe bricht, sollst du sie wieder
bei dir aufnehmen und sie lieb haben. Denn auch ich liebe die
Israeliten, obwohl sie anderen Göttern nachlaufen und deren
Opfermahlzeiten essen1."
2
Da kaufte ich meine Frau für fünfzehn Silberstücke und viereinhalb
Zentner Gerste zurück
3
und sagte zu ihr: "Du wirst jetzt bei mir bleiben und dich mit
keinem anderen Mann mehr einlassen. Aber ich werde lange Zeit nicht
mit dir schlafen."
4
Genau so wird es Israel ergehen: Lange Zeit werden sie ohne König
und Fürsten sein, es wird keine Schlachtopfer und keine heiligen
Steinmale geben, auch keine Götterfiguren und Priestergewänder.
5
Und dann wird Israel zurückkommen und den Herrn, seinen Gott,
suchen. Das ganze Volk wird einen Nachkommen Davids als König
anerkennen. Zitternd werden sie in dieser letzten Zeit zum Herrn
zurückkehren und ihre Hoffnung ganz auf seine Güte setzen.
Nun
lesen wir Jesaja 54, 1-10. Wieder geht es um die Braut Gottes.
JESAJA
LIV
Die
schwere Zeit ist vorbei!
1
Sei fröhlich, du Unfruchtbare, auch wenn du nie ein Kind geboren
hast! Juble und singe, du Kinderlose! Denn du, die du allein bist,
wirst mehr Kinder haben als eine Frau, die einen Mann hat.
2
Vergrößere dein Zelt! Spann die Zeltdecken weiter aus! Spare nicht!
Verlängere die Seile, und schlag die Pflöcke fest ein!
3
Denn du wirst dich nach allen Seiten hin ausbreiten: Deine Kinder
werden das Land anderer Völker in Besitz nehmen und die zerfallenen
Städte neu besiedeln.
4
Hab keine Angst, du wirst nicht mehr erniedrigt werden! Niemand darf
dich je wieder beschämen. Du wirst vergessen, wie man dich in deiner
Jugend gedemütigt hat, und nicht mehr an die schwere Zeit
zurückdenken, in der du als Witwe allein dastandst.
5
Denn der Herr, der dich erschaffen hat, ist dein Ehemann. Er heißt
"der Herr, der allmächtige Gott". Er ist der heilige Gott
Israels, dein Erlöser, und der Gott der ganzen Welt.
6
Jerusalem, du bist wie eine verstoßene Frau, die tief enttäuscht
ist, weil ihr Mann, der sie als junge Frau liebte, sie verlassen hat.
Doch der Herr ruft dich zu sich zurück
7
und sagt zu dir: "Nur für kurze Zeit habe ich dich verlassen.
Ich will dich wieder zu mir holen, denn ich liebe dich immer noch.
8
Im Zorn habe ich mich für einen Augenblick von dir zurückgezogen.
Doch ich habe Erbarmen mit dir, und meine Liebe wird nie mehr
aufhören. Das verspreche ich, der Herr, dein Erlöser.
9
Damals nach der großen Flut schwor ich Noah: Nie mehr wird die ganze
Erde überschwemmt werden! Und heute schwöre ich: Ich bin nicht mehr
zornig auf dich, Jerusalem! Nie mehr werde ich dir drohen!
10
Berge mögen einstürzen und Hügel wanken, aber meine Liebe zu dir
wird nie erschüttert, und mein Friedensbund mit dir wird niemals
wanken. Das verspreche ich, der Herr, der dich liebt!"