ORPHEUS IM XX. JAHRHUNDERT

Sonette
von Josef Maria von der Ewigen Weisheit

I

Komm, Jussuf, mein geliebter Kaiser von Theben,
Ich liebe dich und bin dein Namensvetter,
Asien unsere Heimat, unser Leben,
Unser Gott Jehova, Gott der Götter!

Sing dein Liebeslied dem glühenden Eros,
Sing der Venussehnsucht dein lüsternes Lied,
Der weise Suleiman, der Minne Heros,
Er liebt des Himmels Jerusalem-Sulamith!

Du sahst in Gehenna Hitler, Mephisto,
Gretchen mit blonden Zöpfen, o Tochter Zion,
Die du gottverlassen am Ölberg begraben.

Große Pädagogin von Genius' Gaben,
Du schautest die Engel am Gürtel des Orion
Und bist nun selig, Prophetin Jesu Christo!


II

Du hast den dunklen werdenden Gott gesucht,
Der nicht dein Vater, sondern dein Sohn,
Vom Genius gesegnet und vom Dämon verflucht,
Du warst ein großer Gesang vor Gottes Thron.

Gestorben bist du in Paris und begraben
In den Pyramiden in Luxor, Ägypten,
Der Engel deiner visionären Gaben
Schmückte mit Rosenblüten dein Grab in den Krypten.

Da beugte sich mütterlich über dich die Nacht
Und Engel sangen schrecklich in der Stille
Und du bist eingegangen in den Weltinnenraum.

O auf den Gipfeln des Herzens der Engel lacht,
Ob der Prophet auch weint, doch Gottes Wille
Erlöst ihn, er wird Traum in Gottes Traum.


III

O blaue Schwermut an den braunen Flüssen,
Wir haben getrunken zuviel Mohnmilch,
Der Tod ist unsre Schwester mit violetten Küssen,
Wir saugen an ihren Brüsten die Mondmilch.

Wir litten nackte Ängste in frostigen Schatten
Und sahen im toten Gesträuch die Totengespenster.
Von Unterweltsflüssen kamen die klirrenden Ratten,
Den Toten eine Lampe stellten wir ins Fenster.

Du, Dichter, musst die Bibel übersetzen,
Wir haben so schlechte Bibeln gelesen,
Deine Sprache ist geküsst vom Genius Luther,

Du dichtest in trunkenen Reimen neunzig Thesen,
Dich schweigend dann an die Seite der Schwester zu setzen
Und zu sterben im Schoß der Großen Mutter.


IV

Du gingest steif in feierlichen Prozessionen
Und warst ein Ministrant im Himmelsdom
Und warst ein Sänger vor den Königsthronen
Und warst Poet im antiken Rom.

Da sahest du die nackten Nymphen und Najaden
Vereint mit Schafhirten und mit Ziegenhirten
Sich bei den Schwänen im Eurotas baden
Und Venus lächelnd sich mit der Charis gürten.

Du hast gefeiert feierlich den Knaben,
Den seligen Engel in Apollons Schamott,
Die Lippen voll Süßigkeit und die Augen Himmeln gleich.

Ja, Prophet, es kommt das neue Minne-Reich,
Deine Jünger folgen deinen Gnadengaben,
Wenn du verkündest den kommenden Knabengott!


V

Von der Mutter geerbt die Schwermut,
Hast du die blaue Insel der Kindheit verlassen.
Da kam das Pentagramm, der Stern Wermut,
Die Bolschewiki den Zaren hassen.

Da bist du geflohen, da empfing dich La France,
Da hast du deine Briefe im Feuer geschrieben,
Visionärin in trunkener Trance,
Du wolltest nur glühen und geistig lieben!

Zurück im frostigen Osten und Norden
Du lerntest der bitteren Armut strenge Lektion.
Als Übersetzerin dientest du der Dichter.

Und Satan Stalin kam, dich zu ermorden.
Du weihtest dich der Gottesmutter und dem Sohn
Und fuhrest als Phönix auf zum barmherzigen Richter.


VI

Du bist als Pilger in die Kapelle getreten,
Da schautest du die Ikone der Schönen Dame.
All dein Lied war, zur Herrin zu beten,
Die Himmelskönigin nahm dich zum Bräutigame.

All deine Schmerzen hast du im Rausch ersoffen,
Und lalltest: In vino veritas! Ich diene
Der schrecklichen Muse, ohne zu hoffen,
Mein einziger Trost ist Colombine.

Panmongolismus, ein schreckliches Wort,
Du sprachest es aus, der Mutter Rußland geweiht,
Und sahest als Künder kommen das schreckliche Grauen.

Der Antichrist kommt, es herrschen Hass und Mord,
Aber die zwölf Apostel marschieren bereit,
Den siegreichen König Christus durftest du schauen!


VII

O du schwarze Muse der Klagen,
Die du Russlands Martyrium littest,
Wir bitten dich in apokalyptischen Tagen,
Dass du die Bekehrung Russlands erbittest!

Du hast im Spiegel den Gast aus der Zukunft gesehen,
Du sahst die Muse, die Dantes Inferno diktiert.
Des Großen Vaterländischen Krieges Wehen
Hast du gelitten, den Heiligen Geist zitiert.

Wie Mutter Maria den göttlichen Sohn sah sterben,
Dein Sohn in Sibiriens Strafarbeitslager
Ward gequält von Staatsanwälten und Richtern.

Einst ging ich, um die himmlische Muse zu werben,
Zum jüdischen Friedhof, vom Fasten hager,
Und sah die Madonna, verherrlicht von russischen Dichtern.


VIII

Du bliesest deine Wirbelsäulenflöte
Und priesest Mutter Russlands schönen Hintern,
Dich quälten der Armen erbärmliche Nöte,
Die nackt in der Hütte der Armut überwintern.

Die Hure floh nackt aus dem brennenden Haus,
Du brülltest: Mach mir die Tür auf, Maria!
Du gingst im Wirtshaus ein und aus,
Wer nicht zu dir kam, war Maria!

Du liebtest die Ehefrau des Ehemannes,
Du liebtest, mit ihr zu sprechen am Telefon:
O Lilja, lass mich nur deine Stimme hören!

O Selbstmord des Sowjet-Werther, ich kann es
Verstehen, die Welt sprach deiner Liebe Hohn,
Vergeblich, vergeblich war des Hirsches Röhren!


IX

O epische Muse der russischen Revolution
Des Jahres Neunzehnhundertfünf, des Oktober
Neunzehnhundertsiebzehn, da Russlands Sohn
Die wahre Liebe pries als poetischer Lober,

Die eine Frau war weltliche Ehegattin
Und gebar dem Dichter ein geliebtes Kind.
Die andere Frau war heilige Hure und Göttin,
Ein Ideal, wie die Musen der Dichter sind.

Liebe in des Roten Terrors Zeiten,
Da Kommunisten bekämpften die Monarchie,
Da Trotzki den Kriegskommunismus eingeführt,

O tragische Liebe in Russlands verschneiten Weiten,
Die Liebe schön wie Botticellis Madonna, sie,
Die Schöne Liebe am Ende triumphiert!


X

Ich war in Prag und trank den weißen Wein
In der Schenke der Sorte Poesie.
Da waren hübsche Mädchen, ich war nicht allein,
Die Mädchen sangen der Madonna Melodie.

Da lernt ich den verliebten Dichter lieben,
Der Mädchen besungen zur Nacht und am Tag.
Aber seine Muse war auf sieben
Hügeln die katholische Kaiserstadt Prag.

Doch dann ward er verwirrt vom Kommunismus,
Dem Pseudo-Mystizismus der Armen,
Er diente den Armen mit schönem Poetismus.

Nun gedenk ich seiner im Maien, im warmen
Prag, den stillen Geist des Poeten seh
Ich demütig knieen vor Maria-im-Schnee.


XI

In meiner Jugend hab ich ihn studiert,
Den falschen Propheten des Gottes Baal.
Den Menschen nannte er das Mensch vertiert,
Besoffen von Sündengesöffen ohne Zahl.

Dann ging er in die Schule von Marx,
Studierte dort Hegel in Lenins Dialektik.
Nicht Pneuma sein Genius, sondern Sarx,
Journalist in den Zweiten Weltkriegs Hektik.

Er besang die Götzen Stalin und Mao Tse-Tung,
Ein Knecht des Kommunistischen Gespenstes,
So stellt ihn an die Wand, ihn zu erschießen!

Doch weil ich ihn geliebt, als ich töricht und jung,
Sein Buch der Sonette und Psalmen, Gott, du kennst es,
Lasst vorm Erschießen ihn Wachteln genießen.


XII

Von der Großmutter hatte er den Katholizismus,
Aber er rebellierte gegen den Vater,
Wandte sich zur Irrlehre Kommunismus,
Predigte Hass und Krieg im Welttheater.

Vor Hitler floh er an Stalins kalten Busen,
Dort schrieb er Pamphlete: Hört den Dichter, Deutsche!
Lauthals rufen alle neun deutschen Musen:
Deutschland, Geliebte, liebe nicht länger die Peitsche!

Er lehrte mich als Erster die Sonette,
Die kunstreich er gehandhabt als Patriot.
Er liebte Deutschland mehr als Zebaoth!

Poetisch leben muss zuerst le Poète,
Das lehrte er in der Poetischen Konfession,
Der fromme Atheist, Deutschlands verlorener Sohn!


XIII

Er stand im Krankenhaus als Operateur
Und schnitt die tödlichen Krebse aus den Brüsten.
Er sah als blutigen Klumpen sacre coeur
Und weidete seinen Geist an den Todeslüsten.

Er sah in der Kneipe saufen den grauen Bart,
Das Schwarzhaar sah er einschenken grünen Absinth.
Er sah, wie Phallus sich mit Vulva gepaart,
Er sah im Uterus das Fötuskind.

Seine Lyrik war von Form und Art,
Seine Muse nihilistisch und klassisch,
Sein Genius liebte l'art pour l'art parnassisch.

Die kommunistischen Dichter haben ihn gehasst,
Er war der kommunistischen Muse Widerpart,
Der aber dennoch die Wahrheit auch nicht erfasst.


XIV

Als Musiker fuhr er ins schwüle Venedig
Und liebte den Knaben Adagio dort platonisch.
Meine schöne Lehrerin war ihm gnädig,
Sein stiller Humor war fein ironisch.

Der Doktor Faust hatte wieder den Pakt geschlossen
Mit Satan, doch die Liebe behielt den Sieg!
Und als der Dämon Deutschland totgeschossen,
Triumphierte des heiligen Knaben Musik!

Seine Waffe im Krieg war die Taubenfeder,
Er bekämpfte Satans Antisemitismus,
Indem er Josef beschrieb, so schön wie nicht jeder.

Zum Abschied er besang den Katholizismus.
Big Tom, wie du meine fromme Seele erlabst!
So wie du muss man singen vom Papst!


XV

Er hat gesucht als Goldmund unter den Frauen
Die Eine, die neue Eva, ewig-weiblich.
Als einsamen Künstler durft ich ihn schauen,
Der liebte seinen Knaben unbeschreiblich.

Der Steppenwolf irrte schizophren umher,
Siddharta suchte den Geist in der Alleinheit,
Und Josef Knecht war weise, gedankenschwer,
Und suchte der Weisheit Schönheit in klarer Reinheit.

Der Dichter wie Dante liebte die Jugendliebe
Und sehnte sich leidend nach der Ewigen Mutter,
Ward wahnsinnig, war verfallen trunkenem Triebe,

Suchte seinen Seelenfrieden beim Buddha.
Und weil der Heiland einer der Armen ist,
Liebte der Chinese auch Jesus Christ.


XVI

Gewaltig war die Rede Jesu an Eva,
Die allumfassende große Mutter des Lebens,
Größer die Mutter selbst als der Hirte Kefa,
Jesus liebte Eva mit der Gnade des Gebens.

Und schöner noch als Eva das Herz Marias,
Frankreich kam auf großer Wallfahrt zur Frau.
Die Königin und Mutter des Messias
Überwölbte Frankreich himmelblau.

Und ihre Töchter waren Jeanne d'Arc
Und Ginevevra, die Hirtin von Paris,
War keine Frau doch wie Johanna stark.

Das letzte Frauenlob gilt dem Mädchen jung,
Das schwer zu erobernde Mädchen Hoff-nung
Lockt uns mit ihrem Liebreiz ins Paradies.


XVII

Der junge Dichter war ein Atheist
Und trat um der Kunst willen ein in Notre Dame,
Man sang das Magnificat und er ward Christ
Und folgte als Jungfrau dem geschlachteten Lamm

Und ging in sein Haus und las in der Bibel
Und las das Magnificat der Jungfrau Maria,
Las in der schwarzen Bibel mit goldener Fibel
Salomos Hochzeit mit der Hagia Sophia.

Beruflich sah er Stella Matutina
Aufgehen lächelnd überm heidnischen China
Und sagte zu der Königin Chinas: Du,

Ein Mund, der nach Küssen dürstet, beginnt zu singen,
Ich will dir meine ersehnte Geliebte bringen
Und weihe dir der Geliebten seidenen Schuh.


XVIII

Sie sang vom Schweißtuch der Veronika,
Der wahren Ikone Christi im Herzen der Frau.
In Magdeburg auch auf der Bluthochzeit sah
Sie Christi Braut, die Kirche, in feuriger Schau.

Sie sah auch in der Französischen Revolution
Die Karmel-Nonnen, Märtyrer auf dem Schafott.
Sie sah auch die Liebende vor dem Herzensthron
Des Geliebten, des Minne-Altares Gott.

Sie sang der Braut Christi ihre trunkenen Hymnen,
Der Mutter, der Jungfrau mit intaktem Hymen,
Sie sang die Kirche in visionärer Schau.

Sie ging in die Schule der heiligen Edith Stein,
Drang tief und tiefer ins Mysterium ein
Der virgo sponsa, der Muse, der Ewigen Frau.


XIX

In seiner Jugend sucht er sich selbst zu ermorden,
Unheilbar des Vaters Erbe, die Schwermut.
Er sah zu tief das Unheil kommen von Norden,
Des Todes Kelch voll Schierlingsgift und Wermut.

Seine Liebe, der Engel von Portugal,
Seine Mystik, die Kreuzmystik von dem Karmel,
Er ehrte Thron und Altar im Ideensaal,
Die katholische Monarchie, fest wie Marmel.

Zur Zeit des Antichrist erhob er die Stimme
Und seine Seele litt wie ein Marterzeuge,
Als der Dämon herrschte im Welttheater.

Ich kann zu Gott nicht sagen: Lieber Vater!
Die Schöpfung ist allzu voll vom göttlichen Grimme!
Ich entschlafe unterm Kreuz und schweige.


XX

Homeros Ilias und die Odyssee
Verdeutschte er sehr gut und den ganzen Vergil,
Den ganzen Horaz und auch, wie ich gerne seh,
Racine und Shakespeare, das Theaterspiel.

Er schrieb auch als ein Meistersänger Sonette
An die verstorbne Geliebte voller Schmerzen,
Nun liegt sie in des Totenreiches Bette,
Der Dichter ist ohne Muse, Witwer im Herzen.

So sah er nur noch nach Elysium,
Er sah der Jenseitsschatten Mysterium,
Allein die Toten waren ihm noch echt.

Dann sang er Gottes Lob, das Lied der Gemeinde,
Als Deutschland stöhnte unterm Brüllen der Feinde,
Gabs liebendes Zwiegespräch von Herr und Knecht.


XXI

So reden Irre nur mit Schmerzen im Herzen,
Des pythischen Dämons Orakel ist wieder da,
So redet der Wahnsinn nur, im Herzen voll Schmerzen,
Seine schwarze Muse ist Pythia.

Der Dichter trank zu viel des Mohns Opiate
Und lallte von lauter Wundern, geschaut im Traum.
Der Tod von fern als ein bleicher Reiter nahte,
Und keine Aphrodite tauchte mehr aus dem Schaum.

Der Jude sang sein Hohelied Sulamith,
Ah weh uns, Sulamith vergast im KZ,
Faust kokettierte mit dem blonden Gretchen.

Ein letztes Leiden kommt, ein letztes Lied,
Dann heim in Abrahams Schoß, ins Himmelsbett,
Der Selbstmörder will zu den himmlischen Mädchen.


XXII

Als Israel ging zu seiner Schädelstätte
Und Tochter Zion zum Götterberg im Norden,
Kam Satan, schloss mit dem deutschen Faust die Wette,
Israel und die Tochter Zion zu ermorden.

Nun tot sind die Frauen, von den Männern geliebt,
Fort sind die Kinder mit ihren kleinen Schuhen,
Die blonde Mutter Deutschland ist betrübt,
Zu viele Tote ihr im Schoße ruhen.

Gott der Herr ist wieder Isaaks Schrecken!
Tochter Juda und Tochter Israel schreien
Aus tausend Leichen ihre Klagepsalmen!

Krönt die Dichterin mit des Triumphes Palmen!
Gott wird die Toten Israels auferwecken
Und als ein Bräutigam Tochter Zion freien!


XXIII

Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen,
Da kam er und sah das zwanzigste Jahrhundert.
Oben ging Kallisto mit ihren Sternen,
Die Dichterin stand vor der heiligen Sonne verwundert.

Die Schwester marschierte mit ihrem geliebten Bruder
Durch das nördliche Land der tausend Seen,
Wandte sich südwärts und bewegte das Ruder,
Das irdische Paradies in Italien zu sehn.

Einsamkeit! Allein im leeren Bette!
Der einzige Trost der Rauch der Zigarette
Und die immer seltener werdende Schrift.

Und zwischen südlichem Christus und nördlichem Teufel,
Zerfressen die Seele durch das Nagetier Zweifel,
Vereinsamt, verzweifelt starb sie an des Todes Gift.


XXIV

Die Atheisten hatten geteilt den Himmel,
Die Dichterin ging da unten unter den Linden.
Das einsame Ich in der Klasse Massengewimmel
Nachdenklich suchte die eigene Seele zu finden.

Sie suchte die Seele in den Kindertagen,
Da Germanien war nationalsozialistisch,
Zugleich den Krieg in Vietnam zu beklagen,
Wer war da nicht international-sozialistisch?

Enttäuscht von der Diktatur des Proletariats,
Erhob die Stimme die Kassandra des Staats,
Verkündend die heilige Würde des Matriarchats.

Der weibliche Orpheus ward getäuscht und betrogen
Von den Lügenpropheten und Ideologen
Und schwamm nach Lesbos auf des Hebrus Wogen.


XXV

Sie sang ihre Lieder ohne Komma und Punkt,
Immer folgte sie den Herden der Hirsche,
Hat save-our-souls in den freien Äther gefunkt,
An den Ohren die Kirschbommeln toller Kirsche.

Sie sang im Sanssouci des Flötenkönigs,
Trank Whiskey in Irland und Wein am Balaton-See,
In Transsylvanien Vampyr und Vogel Phönix
Aus der Asche und Schneejungfrau in dem Schnee.

O Schleswig-Holstein an der Ostsee-Küste,
Einöde, wo sie den Naturgeist küsste,
Da Mutter Natur war ohne den Menschensohn,

Da brannte allein in der Finsternis ihre Flamme,
Sie wanderte zu dem Meer mit ihrem Lamme,
Sah auf zu Gottes uneinnehmbarem Thron!


XXVI

Nun wurde jeder Buchstabe kleingeschrieben,
Auch Gott schrieb man nun mit einem kleinen g.
Die vierzehnjährige Tochter war schön zu lieben,
Mit High-heels, Petticoat und Négligé.

Er stimmte die Lyra der Lyriker Prags im Lenz,
Das einsame lyrische Ich war super-sensibel.
Das absolute Ich in seiner Transzendenz
Schrieb das Buch der Natur wie eine Bibel.

Orpheus spielte Piano, Chopin und Mozart,
Mozart auf der Reise nach Prag war so zart!
Die Muse machte Musik so meisterlich!

In all dem tiefen Schweigen immerfort,
Was blieb des Dichters letztes stammelndes Wort?
Das absolute einsame lyrische Ich!


XXVII

Nun Äschylos und Shakespeare kamen wieder
Und Hamlet kroch in den Schoß seiner eigenen Mutter,
Ophelia radebrechte Flussleichenlieder,
Die toten Väter waren Kanonenfutter.

Ich habe keine Hoffnung, sprach der Dichter,
Ich verzweifle auch nicht an meinem Zweifel.
Germania als das Land der Henker und Richter
Ergab sich faustisch wieder und wieder dem Teufel.

Der Griechen Schicksalstragödie, immer stiller,
Ersetzte lauthals der moderne Brüller
Durch die Dämonie des nackten Zynismus.

Das berühmte Theater am Schiffbauerdamm!
Die deutsche Dichtung, von altem adligem Stamm,
Nun fest in den Fängen des Kommunismus.


XXVIII

Leidenschaftlicher Liebhaber schöner Frauen,
Blumengesang sein leidenschaftlicher Spruch,
Mit hungrigen Augen die nackte Schönheit zu schauen,
Die er sich erkoren im schuldigen Ehebruch.

Dann aber Oden an Stalin und Mao Tse-Tung,
Oden an die Partei der Arbeiterklasse,
Ein Dämon inspirierte die Begeisterung
Für den revolutionären Hass, den ich hasse.

Tauwetter kam, der Dichter war desillusioniert,
Schrieb Oden an die Dinge der kleinen Leute,
An die Göttin der Materie, blutverschmiert.

Es lieben ihn die Amerikaner noch heute,
Der gestorben ist mit dem Buch des Zweifels,
Der verherrlicht die Schönheit des irdischen Teufels.


XXIX

Er verwechselte Gottes Kommunion
Mit dem revolutionären Kommunismus.
Seine Freunde verwechselten Gottes Sohn
Mit dem erleuchteten Lehrer des Buddhismus.

Der Priester segnete die Waffen der Hetzer,
Reich Christi war ihm die Revolution,
Wahrheit mischte mit Lüge der Hetzer,
Er setzte Lenin auf Jesu Christi Thron.

Schöne Poesie der alten Indianer,
Den heiligen Blumengesang der Mexikaner
Mischte er mit Kapitalismuskritik.

Gott ist eine Frau, Gott ist Aluna!
Im Sonnengewand auf dem Thron der Luna,
Der Indianita aber gehört zuletzt der Sieg!


XXX

Orpheus lebte im Kloster als Trappist,
Lauschte Gottes Wort im tiefen Schweigen.
Wenn das Wort nicht in den Worten ist,
Kann der Geist nicht im Schoß der Schönheit zeugen.

Aber in der mystischen Stille die Religionen
Offenbaren der Wahrheit verborgenen Samen.
Tschuang Tse wird bei Dionysios wohnen,
Dann auf das Tao antwortet Echo mit Amen.

Des Orpheus Inspiration ist das Herz Marias,
So singen wir wie einst Adonis Messias,
Küsst uns die Muse, das schöne Mädchen Maria!

Dann in der Stille, in der schwebenden Leisheit,
Schaut der Poet die ewigweibliche Weisheit

Und betet als Bräutigam an die Hagia Sophia!