von Shi Tuo-Tang
ERSTES KAPITEL
CHINAS MATRIARCHAT
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Ein Journalist lebte mehr als zwei Monate bei den matriarchalisch organisierten Mosuo in Südchina. Männer besitzen dort keine Autorität, Gewalt gibt es nicht. „Frauen dominieren auf andere Art“, sagt der Forscher im Interview.
Frage: Sie kommen aus Argentinien, wo machohaftes Gebaren nicht eben unbekannt ist. Was haben die zwei Monate im Matriarchat bei den chinesischen Mosuo mit Ihnen gemacht?
Antwort: Ich wollte wissen, was in einer Gesellschaft passiert, in der die Frauen bestimmen, wo es lang geht. Wie denken Frauen, wenn sie bereits von Geburt an durch ihre gesellschaftliche Stellung alles bestimmen? Wir Männer meinen zu wissen, was ein Mann ist, aber was ist eine Frau? In dem Punkt bin ich übrigens nicht weiser geworden.
Frage: Haben Sie bei den Mosuo in China das Paradies der Feministinnen gefunden?
Antwort: Ich hatte erwartet, auf ein umgekehrtes Patriarchat zu treffen. Aber damit hat das Leben der Mosuo absolut nichts zu tun. Frauen dominieren in einer anderen Art und Weise. Wenn Frauen herrschen, ist es Teil ihrer Arbeit. Ihnen gefällt es, wenn einfach alles gut funktioniert und es der Familie gut geht. Die Idee, Reichtum anzuhäufen oder viel Geld zu verdienen, kommt ihnen einfach nicht in den Sinn. Profit zu machen scheint ein männlicher Trieb zu sein. Nicht umsonst sagt der Volksmund: Der Unterschied zwischen einen Mann und einem Knaben ist der Preis seines Spielzeugs.
Frage: Wie lebt es sich für einen Mann im Matriarchat?
Antwort: Männer leben besser, wo Frauen das Sagen haben. Der Mann ist für nichts verantwortlich, er arbeitet viel weniger und ist den ganzen Tag mit seinen Freunden zusammen. Jede Nacht ist er mit einer anderen Frau intim. Und obendrein kann er für immer bei seiner Mutter leben. Die Frau bedient den Mann, und das in einer Gesellschaft, in der sie bestimmt und über das Geld verfügt. Im Patriarchat arbeiten wir Männer mehr im Job. In der reinen Form des Matriarchats wie bei den Mosuo darf der Mann das nicht. Wo sich die Frau ihrer dominanten Stellung sicher ist, haben solche archaischen Rollenmuster keine Bedeutung mehr.
Frage: Was hat Sie am meisten verwundert?
Antwort: Dass in der matriarchalen Gesellschaft keine Gewalt existiert. Ich weiß, das gleitet schnell in eine Idealisierung ab. Jede menschliche Gesellschaft hat ihre Probleme. Aber den Mosuo-Frauen leuchtet einfach nicht ein, warum Konflikte mit Gewalt gelöst werden sollen. Da sie bestimmen, streitet niemand. Rachegefühle kennen sie nicht, es ist einfach eine Schande, sich zu streiten. Sie schämen sich dafür, und es droht ihnen im Fall, dass sie streiten, der Verlust ihres sozialen Status.
Frage: Und wenn es für ein Problem keine Lösung gibt?
Antwort: Dann wird jedenfalls nicht gestritten. Die Frauen bestimmen, wo es lang geht. Manche tun es etwas bestimmter, manche etwas freundlicher. Sie sind starke Frauen, die klare Anweisungen erteilen. Von einem Mann wird erwartet, dass er es eingesteht, wenn er mit einer Sache nicht fertig wird. Er wird nicht gescholten oder bestraft, sondern behandelt wie ein kleiner Knabe, der seiner Aufgabe noch nicht gewachsen ist.
Frage: Werden die Männer etwazur Unfähigkeit erzogen?
Antwort: Für die Mosuo-Frauen sind Frauen die effektiveren und verlässlicheren Menschen. Dennoch sagen sie: Die großen Entscheidungen, also etwa, eine Maschine oder ein Haus zu kaufen oder eine Kuh zu verkaufen, die treffen die Männer. Männer taugen für diese Art von Entscheidungsfindung und für körperlich harte Arbeit. Auch die offizielle staatliche Autorität im Dorf, der Bürgermeister, ist ein Mann. Ich bin mit ihm durch das Dorf spaziert. Niemand hat ihn gegrüßt, niemand hat ihn beachtet. Als Mann besitzt er keine Autorität.
Frage: Wie gestaltet sich diese Rollenverteilung im Liebesleben?
Antwort: In der matriarchalen Gesellschaft sind Liebe und Erotik allgegenwärtig. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen beiden. Es werden ständig doppeldeutige erotische Witze gemacht. Immer will jemand einen Mann einer Frau präsentieren, und immer ist eine Frau da, die ihn anlächelt. Wie gesagt, es sind sehr starke Frauen, die Anweisungen erteilen und die den Mann anschreien, als wäre er taub. Aber wenn es um die Verführung geht, dann wandeln sie sich komplett. Die Frauen geben sich schüchtern, schauen auf den Boden, singen leise vor sich hin, werden rot. Und sie lassen die Männer glauben, sie seien es, die die Frauen auswählen und erobern. Dann sind sie eine Nacht intim zusammen. Am nächsten Morgen geht der Mann, und die Frau macht weiter wie bisher.
Frage: Also ist es das Paradies der Freien Liebe?
Antwort: Das Sexualleben der Mosuo ist sehr ausgeprägt, sehr aktiv, die Partner werden häufig gewechselt. Aber die Frauen entscheiden, mit wem sie die Nacht verbringen. Ihr Anwesen hat ein Haupttor. Jede erwachsene Frau wohnt dort in einem kleinen Häuschen. Die Männer wohnen zusammen in einem größeren Haus. An allen Haustüren ist ein Haken angebracht, und alle Männer tragen Hüte. Wenn ein Mann eine Frau besucht, hängt er seinen Hut an den Haken. So wissen alle, dass diese Frau männlichen Besuch hat. Und kein anderer klopft an. Sollte sich eine Frau verlieben, dann empfängt sie nur diesen Mann, und der Mann kommt nur zu dieser Frau.
Frage: Was macht einen Mann für eine Mosuo-Frau attraktiv?
Antwort: Wenn sie mit einem Mann klug reden können, Liebe machen und zusammen ausgehen, dann sind sie verliebt. Für sie ist die Liebe wichtiger als die Partnerschaft. Sie wollen verliebt sein. Der einzige Grund, mit einer anderen Person zusammen zu sein, ist Liebe. Heiraten oder mit einem Mann eine Familie gründen, das interessiert sie nicht. Und wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Sie bleiben nicht zusammen wegen der Kinder oder wegen des Geldes.
Frage: Gibt es bei den Mosuo das Konzept der Heirat, der Ehe?
Antwort: Ja, den Kindern wird sogar damit gedroht: Wenn du nicht brav bist, dann verheiraten wir dich! Die Kinder kennen die Ehe nur als Horrorgeschichte. Mich haben sie gefragt, wie wir das machen. Ich sagte: Ein Mann trifft eine Frau, sie verlieben sich, heiraten, haben Kinder und leben ihr ganzes Leben zusammen. Ah, sagten sie, das muss toll sein. Und dennoch denke ich, sie lachen uns aus, dass wir ständig etwas wiederholen, von dem wir selbst wissen, dass es nicht gut funktioniert.
Frage: Haben Sie Ihren Hut auch an einen Haken gehängt?
Antwort: Eine Frau wollte ein Kind von mir. Ich sagte ihr: Nein, ich kann kein Kind mit dir haben, du lebst hier in China und ich in Argentinien. Na und? war ihre Reaktion. Die Kinder bleiben ohnehin bei der Mutter. Ich sagte, ich könne keine Kinder haben, die ich nie sehen kann. Sie hat nur gelacht, als nähme ich die Sache zu ernst. Wenn sie Kinder haben, sind es die Kinder der Frauen, der Mann spielt dabei keine Rolle
Frage: In der chinesischen Gesellschaft haben Söhne immer noch einen höheren Stellenwert als Töchter. Ist das bei den Mosuo umgekehrt?
Antwort: Eine Familie ohne Töchter ist eine Katastrophe. Zudem geht es diesen Familien wirtschaftlich schlechter, denn es sind die Frauen, die mit dem Geld umgehen können. Eine Familie hat 15 bis 20 Angehörige. Allerdings gibt es auch kleine Familien mit fünf, sechs Angehörigen. Sie können bis zu drei Kinder haben. Das ist außergewöhnlich in China, wo der städtischen Bevölkerung nur ein Kind und auf dem Land nur zwei Kinder erlaubt sind. Aber die rund 25.000 Mosuo haben den Status einer ethnischen Minderheit, und deshalb sind ihnen drei Kinder erlaubt.
Frage: Haben die Mosuo eigentlich ein Wort für Vater?
Antwort: Doch, es gibt ein Wort, aber kein Konzept für das, was nach unseren Vorstellungen ein Vater sein sollte. Dessen Aufgaben übernehmen die Mutter oder die Familie. Oftmals wissen die Frauen nicht, von welchem Mann sie geschwängert wurden. Also wissen auch die Kinder nicht, wer ihr leiblicher Vater ist. Für die Frauen ist es ohnehin nicht wichtig, da die Männer wenig arbeiten und kaum über materielle Werte verfügen. Wichtig ist die Familie, und von der trennen sie sich nie.
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Die Zukunft ist weiblich, heißt es. Wird sie dann besser sein? Auch für die Männer, wie die Feministinnen behauptet? Eine Reise zu einem kleinen Volk, wo die Frauen von jeher das Sagen haben.
Man kann über Frauenherrschaft denken, was man will. Aber eines sollte man gleich wissen. Sie führt dazu, dass die Männer am Schluss nicht einmal mehr einen Wagen reparieren können.
Ein eisig kalter Morgen im Januar. Im Norden ragen die ersten schneebedeckten Gipfel des Himalaya in die Höhe, einer erhabener als der andere. In der Tiefe zeigt ein Fluss seine Kraft und wirft sich tosend an die Felsen.
Und in alle Richtungen erstreckt sich menschenleere Wildnis, bereit, die letzten Spuren des Unentschlossenen auszulöschen. Die Welt ist an diesem Morgen ein einziger Aufruf zu Mut, Lebenswille und Kraft. Doch der Aufruf verhallt ungehört. Die Männlichkeit feiert hier keine Triumphe.
Meine Begleiter stehen neben dem Wagen, die Hände in die Seiten gestemmt. Sie schauen sich den platten Reifen an. Sie stehen da, als ob auch nur die kleinste Chance bestünde, dass sich der Reifen ganz von selber wieder aufpumpt.
Nach einer Ewigkeit fragte der Eine: „Kannst du den Reifen wechseln?“ – „Vielleicht, sagte der Andere, „aber das ist meine beste Hose.“ Ein halbherziger Versuch ergab, dass etwas mit dem Wagenheber nicht stimmte. Dann ward es allen zu kalt, und wir setzten uns wieder ins Auto.
Der Eine telefonierte Hilfe herbei. Der Andere telefonierte mit seiner Mutter, der das Auto gehörte. Deren Geschrei war so laut, dass er das Telefon auf Abstand halten musste. Anschließend aßen wir schweigend Schokolade.
Die Zukunft ist weiblich, heißt es. Doch wird sie auch besser sein? Auch für die Männer, wie ein Glaubenssatz der Feministinnen behauptet? Um das herauszufinden, reist man am besten zu den Mosuo, einem Volk von 40 000 Menschen in den Bergen der Provinz Yunnan im Südwesten Chinas. Bei den Mosuo haben von jeher die Frauen das Sagen.
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Am Lugu-See im Südwesten Chinas lebt das Volk der Mosuo. Bei ihnen bestimmen die Frauen über alles, was wichtig ist: Sie tragen die Verantwortung für die Familie, wählen ihre Liebhaber, vererben Namen und Besitz an die Töchter. Auch die Schutzgöttin der Mosuo ist weiblich: Aus der Berggöttin Ge-mu Tränen, so die Legende, entstand der See, der das Gebiet der Mosuo begrenzt. Die 29-jährige Lamu Mian Zhe ist am See aufgewachsen. Sie wird bald die Führung der Familie von ihrer Mutter übernehmen.
Lamu Mian Zhe und ihre Familie sind dieses Jahr vom Unglück verfolgt. Sie selbst war schwer krank und musste operiert werden. Für die Behandlung musste sie Schulden machen. Dann kam ein Cousin bei einem Unfall ums Leben. Probleme, die bei den Mosuo stets die ganze Familie betreffen, vor allem aber die „Ama“, das weibliche Oberhaupt der Familie. In Lamus Familie trägt ihre Mutter Zhima die Verantwortung und auch die Hauptlast der täglichen Haus- und Feldarbeit. Lamu versucht durch den Verkauf von Webarbeiten ihre Schulden abzutragen. Währenddessen kümmert sich ihr Bruder Sogna um ihre zwei Töchter, denn bei den Mosuo sind die Onkel für die Erziehung der Kinder zuständig. Der leibliche Vater der Kinder lebt nicht bei ihnen, sondern bei seiner eigenen Mutterfamilie. Sogna wiederum verlässt abends das Haus, um die Nacht bei seiner Lebensgefährtin zu verbringen. „Wander-Ehe“ nennen die Mosuo diese Art von Beziehung. Sie kann nur entweder ein paar Nächte dauern, oder aber ein Leben lang.
Zum Volk der Mosuo gehören heute noch etwa 40.000 Menschen, die in den chinesischen Ausläufern des Himalaya traditionell von der Landwirtschaft leben. Auch wenn viele junge Mosuo inzwischen in den größeren Städten arbeiten oder im Tourismus am See, kommen sie zu den Familienfesten wieder zusammen. Eines der wichtigsten Feste im Leben einer Mosuo-Frau ist die Volljährigkeits-Zeremonie. Lamu und Sogna reisen zu dem Fest ihrer Nichte in das abgelegene Bergdorf Li-jia-zui. Mit 13 Jahren werden dem Mädchen zum ersten Mal die festlichen Mosuo-Frauenkleider angelegt. Ab dann darf sie ihre Meinung im Familienrat sagen, in dem Probleme zwischen den Generationen und Geschlechtern gelöst werden. Das wichtigste für die Mosuo ist die Harmonie in der Familie. Doch hat diese Jahrtausende-alte Kultur im modernen kommunistisch-kapitalistischen China noch eine Überlebenschance?
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Matriarchat – der Begriff ruft Verzückung bei vielen Frauen, einen Schauer bei den meisten Männern hervor. Aber gibt es sie wirklich, jene sagenumwobenen Regionen, in denen Frauen den Männern sagen, wo es lang geht? Ein Paradies, von dem viele Frauen nur träumen? Und wie geht es den Männern dort? Ich bin bei der Recherche auf interessante Fakten gestoßen.
In matriarchalen Gesellschaften gibt es oft sehr kreative weibliche Lösungsansätze.
Die Mosuo im Süden Chinas werden oft als letztes echtes Matriarchat bezeichnet, denn es geht weit über eine bloße Matrilinearität (Vererbung des Besitzes anhand der mütterlichen Linie) hinaus. Den Frauen, die hier an einem großen Gebirgssee nahe der tibetischen Grenze wohnen, gehört alles, sie sind aber auch für alles verantwortlich. Das heißt: Schwere Arbeiten wie Fischfang oder Landwirtschaft müssen die Frauen selbst verrichten. Auch Entscheidungen werden von ihnen allein getroffen.
Besonders interessant ist das Konzept der Partner- und Elternschaft: Männer werden hier nicht geheiratet, sondern als Liebhaber angenommen, was nicht heißt, dass eine Frau einen ihr angenehmen Mann nicht dauerhaft als Partner anerkennt. Aber die Männer wohnen zeitlebens bei ihrer Mutter und fungieren auch nach der Geburt ihrer Kindern allenfalls als „Freizeit-Papa“. Denn zugeordnet werden die Kinder immer dem Onkel mütterlicherseits, der in vielen Kulturen eine ganz besondere Rolle spielt. Der Vorteil für die Frauen liegt auf der Hand: Keine Mutter wird der Kinder oder des Geldes wegen bei einem unliebsamen Partner bleiben; auch häusliche Gewalt dürfte mit diesem Konzept weitgehend ausgeschlossen werden.
Und die Männer? Sie arbeiten deutlich weniger, tragen nur geringe Verantwortung und können sich dem Müßiggang hingeben, auch wenn sie sich um die Kinder ihrer Schwestern zu kümmern haben. Für diejenigen, die es nicht anders kennen, scheint es eine gute Sache zu sein. Nach ihrem Schicksal befragte männliche Mosuo äußerten sich zumindest sehr zufrieden. Ob das daran liegt, dass Frauen diejenige zur Matriarchin wählen, die am klügsten wirtschaften kann? Oder daran, dass bei jeder Entscheidung zu einem Konsens gefunden werden muss, mit dem jeder einzelne leben kann? Wahrscheinlich wird man die relativ hohe Zufriedenheit unter den Menschen im Matriarchat nicht an einzelnen Fakten festmachen können, sondern an dem gewachsenen Selbstverständnis einer für uns fremden Ordnung, die viel Konkurrenzdenken, Unterdrückung und Ängste auszuschließen scheint.
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Matriarchate sind Gesellschaften, welche auf mütterlichen Werten aufbauen: Pflegen, Nähren, Fürsorge, Friedenssicherung. Diese Werte sind „Mütterlichkeit im weitesten Sinne“ und gelten für alle Menschen einer matriarchalen Gesellschaft: für Mütter und Nicht-Mütter, für Frauen und Männer gleichermaßen.
Matriarchate sind bewußt auf diesen mütterlichen Werten aufgebaut, da diese die Basis jeder Gesellschaft darstellen. Sie sind grundsätzlich bedürfnisorientiert, und ihr soziales Regelwerk zielt daraufhin ab, die Bedürfnisse aller Menschen am besten zu erfüllen.
Das so genannte „Mothering“ (Muttersein und mütterliche Haltung) wird auf diese Weise von einer biologischen Tatsache in ein kulturelles Modell umgewandelt.
Patriarchate hingegen sind Gesellschaften, in welchen Männer über Frauen und andere Männer herrschen und Mutterschaft als Unterdrückungsmechanismus mißbraucht wird. Somit sind Matriarchate in keiner Weise als die spiegelbildliche Umkehrung von Patriarchaten zu verstehen.
In den matriarchalen Gesellschaften werden die natürlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Generationen respektiert und geehrt. Hingegen werden diese Unterschiede im Patriarchat dazu benutzt, um Hierarchien zu schaffen.
Die verschiedenen Geschlechter und Generationen haben ihre je eigene Würde. Sie handeln gemeinschaftlich und sind durch sich ergänzende Arbeits- und Aufgabenbereiche aufeinander bezogen. Auf die Wahrung der gesellschaftlichen Balance wird auf allen Ebenen der Gesellschaft sehr geachtet.
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Im gebirgigen Südwesten Chinas, an einer alten Handelsstraße zwischen den Provinzen Yunnan und Sichuan, leben die Mosuo. Ihre Heimat sind das fruchtbare Hochtal von Yongning und die daran angrenzenden Gebiete: ein fischreicher See, bewaldete Hänge und weiter oben im Gebirge ertragreiche Yakrinderweiden.
Die Mosuo praktizieren eine sehr ungewöhnliche Form der sozialen Organisation: Formelle Ehen sind bei ihnen zwar bekannt, aber selten und unbeliebt; die sozial erwünschte Form der Mann-Frau-Bindung ist eine Besuchsbeziehung, die ohne Mitwirken Dritter aufgenommen und beendet wird.
Ein Mann hat auch keine finanziellen oder sozialen Verpflichtungen gegenüber den Kindern, die er gezeugt hat. Seine Fürsorge richtet sich auf die Kinder seiner Schwestern und Kusinen, mit denen er als Onkel in einem Haushalt zusammenlebt und die ihrerseits für ihn sorgen, wenn er alt geworden ist.
Zur Ehe oder zum unverheirateten Zusammenleben sind die Mosuo nur unter Druck bereit. Vor der Machtübernahme durch die Kommunistische Partei Chinas war dieser Druck demografischer Natur: Hatte eine Familie in einer Generation keine weiblichen Nachkommen, so musste eine außenstehende Frau aufgenommen werden, um die Existenz des Haushalts fortzusetzen. Fehlten männliche Nachkommen, die körperlich schwere Arbeit verrichten konnten, nahm man den Partner einer der Frauen auf.
Nach der chinesischen kommunistischen Revolution reduzierten Gesundheitsprogramme Unfruchtbarkeit und Kindersterblichkeit, demografische Defizite verringerten sich. Statt dessen standen die Mosuo nun unter politischem Druck, denn die Kommunistische Partei betrachtete die Besuchsbeziehung als Relikt einer längst vergangenen Epoche, unvereinbar mit sozialistischer Moral. Von 1958 an führte sie energische Umerziehungskampagnen durch, 1975 wurden schließlich alle Erwachsenen zur Heirat mit ihren Partnern gezwungen. Ein großer Teil dieser unfreiwilligen Ehepaare ließ sich nach den ideologischen Lockerungen der Reformpolitik ab Ende der siebziger Jahre wieder scheiden. Die eingeheirateten Partner zogen in ihre mütterlichen Haushalte zurück, die gewohnten Besuchsbeziehungen wurden wieder aufgenommen.
Die Mosuo sind davon überzeugt, dass ein Mensch am besten mit denjenigen zusammenlebt, die er von Geburt an kennt und die über untrennbare mütterliche Blutsbande mit ihm verbunden sind. Denn die Mutter ist einem Kind vom Schicksal vorherbestimmt, während der Vater als zufällig und austauschbar gesehen wird, und Partner können einander niemals so nahe stehen wie mütterliche Blutsverwandte.
Die Frauen tragen die Hauptlast der landwirtschaftlichen und häuslichen Arbeit. Sie haben aber auch einen höheren Status als die Männer und einen leichteren Zugang zur Führungsrolle in der Familie. Männer sind zuständig für das körperlich schwere Pflügen und die Versorgung des Großviehs. Alles andere, vom Füttern der Schweine über das Jäten der Felder bis zum Kochen, ist Frauensache.
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Aus einem Interview mit Mosuo-Leuten, die in Südchina leben.Wie wird eine Frau zur Matriarchin? Das wollte ich von meinen Gesprächs-Partnerinnen wissen. Die Frauen erklärten mir, dass in ihren Clans die Klügste und Fähigste zur Matriarchin gewählt wird. Auf meine Frage, nach welchen Kriterien sie die Fähigste herausfinden, lachten sie und sagten: Das sieht man doch!
Aber ich beharrte darauf zu erfahren, woran sie das erkennen würden, und erhielt die Erklärung, dass diejenige als Matriarchin anerkannt wird, die am besten für alle anderen Sippenmitglieder sorgen kann. Sie gehe am klügsten mit der Ökonomie um, halte das soziale Gefüge zusammen, kümmere sich besonders um die Kinder, und zwar zuerst um die der Schwestern, ebenso um die Alten und Behinderten, und zuletzt erst denke sie an sich selbst.
Hier zeigt sich das Prinzip der Fürsorge als soziales Kriterium, ferner das gegenseitige Vertrauen auf dem Boden einer gewachsenen Struktur. Denn da eine Großfamilie immer zusammenbleibt, ist für sie durch Jahrzehnte klar, welche Frau am besten für alle sorgt und deshalb Matriarchin werden wird. Daher gibt es keine Konkurrenz um einen Posten, der wie im Patriarchat Prestige oder Macht einbrächte. Ein solches Denken ist matriarchalen Menschen fremd.
Unter den Männern im Clan besitzt der Bruder der Matriarchin die größte Würde. Denn er teilt mit ihr die Aufgabe, für das Wohl der Sippe zu sorgen. Er vertritt seine Großfamilie oder seinen Clan nach außen, bei öffentlichen Festlichkeiten, bei Beratungen mit der Nachbarschaft oder sogar bei überregionalen Aufgaben.
Noch in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts bildeten die Matriarchinnen eines Dorfes selbst den Dorfrat, während ihre Brüder als ihre Delegierten die Entscheidungen auf regionaler Ebene weitervermittelten.
Mit dem Eingreifen der Politik der kommunistischen chinesischen Zentralregierung verloren die Mosuo ihre Autonomie, und der Dorfrat der Matriarchinnen wurde abgeschafft. An ihrer Stelle wurden junge, dynamische und parteitreue Männer gefördert. Daher machen heute die Matriarchinnen über ihre Häuser hinaus keine Politik mehr, und die älteren Mutterbrüder können ihre Delegiertenrolle nur noch auf privater, nachbarschaftlicher Ebene wahrnehmen.
Aber auch die jungen Männer dürfen keine autonome Politik für die Mosuo-Clans machen, was sie gerne täten, sondern bereits auf lokaler Ebene sind sie gegenüber den von oben eingesetzten Verwaltern und pekingtreuen Funktionären in die Minderheit gedrängt. Das beklagten sie mir gegenüber, dass sie keinerlei Chance hätten, im Sinne ihrer Clans und ihrer Mütter, mit denen sie sich besprechen, eine Politik für die Kultur und die natürliche Umwelt der Mosuo zu machen. Daher äußerten sie als dringlichsten Wunsch, die Anerkennung als Nationale Minderheit von Peking zu erhalten, was ihnen eine gewisse politische Autonomie zusichern würde.
An dem Gespräch mit den Mosuo-Männern wurden die Kriterien für matriarchale Politik deutlich: Die Entscheidungsfindung geschieht in den Clanhäusern, wobei alle Sippenmitglieder gemeinsam einen Konsens finden müssen. Erst dann wird die Entscheidungsfindung auf die Dorfebene und später auf die regionale Ebene übertragen, wo zwischen den Clanhäusern im Dorf oder den Dörfern einer Region ebenfalls Konsens gefunden werden muss.
Dabei spielten die Männer als Boten und Vermittler, aber nicht als Entscheidungsträger eine große Rolle. Heute ist dieser politische Prozess für sie nur noch rudimentär möglich. Dennoch sind bis heute die Kriterien matriarchaler Politik bei den Mosuo dieselben geblieben als Konsensfindung auf familiärer, lokaler und regionaler Ebene. Das steht sehr im Gegensatz zur patriarchalen Herrschaftspolitik von oben, die immer darauf ausgerichtet ist, einzelnen und sozialen Gruppen ihr Selbstbestimmungsrecht zu nehmen.
Neugierig fragte ich die Mosuo-Männer, ob sie von den patriarchalen Männern anderer Ethnien oder der Han-Chinesen wegen ihrer Lebensform diskriminiert würden. Sie bejahten es und schilderten mir eine Variante.
Patriarchale Männer pflegen zu ihnen zu sagen: Ihr seid doch Männer und lasst euch von euren Frauen bestimmen! Ihr tut alles, was diese sagen!
Ich fragte, was sie darauf antworten würden.
Da sagten sie lächelnd, sie würden erwidern: Und ihr seid Männer und behandelt eure Frauen schlecht, so schlecht wie Tiere!
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Am Internationaler Frauentag: Weltweit leben viele Frauen immer noch in Unterdrückung und Rechtlosigkeit. Wie wäre eigentlich eine Gesellschaft, in der Frauen die Macht haben? Der Autor weiß es: Er hat in einem Matriarchat in China gelebt. Die Männer dort, sagte er, seien glücklich.
Im Süden Chinas, rund um einen riesigen Gebirgssee, leben die Mosuo, eine Gemeinschaft von rund 40.000 Menschen, in der die Frauen die Macht haben. Hier verbrachte der Autor drei Monate und schrieb über die Erfahrung ein Buch: „Das Paradies ist weiblich“.
Frage: Warum haben Sie einen Ort gesucht, wo allein Frauen das Sagen haben?
Antwort: Ich wollte eine Gesellschaft kennenlernen, in der sich Frauen über nichts zu beklagen haben, weil sie die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben wie die Männer. Mehr noch: in der die Frauen den Männern übergeordnet sind. Das Paradies des Feminismus. Ich wollte sehen, wie das funktioniert. Wenn es stimmt, dass in westlichen Gesellschaften die Position des Mannes immer schwächer wird, ist das ja von Interesse.
Frage: Haben Sie das Paradies gefunden?
Antwort: Ja, im Süden Chinas, bei den Mosuo. Ich habe vorher verschiedene Matriarchate besucht, in Indien, in Papua-Neuguinea und im Norden Australiens. Aber das der Mosuo ist das reinste, das letzte wirkliche Matriarchat. Dort haben die Frauen nicht nur mehr Rechte, sondern wirklich das Sagen.
Frage: Wie zeigt sich das?
Antwort: Es ist sofort offensichtlich. Komm man dort an, empfängt einen eine Frau. Was man auch organisieren will, mit wem man spricht, wo man übernachtet, das alles entscheidet eine Frau. Sie haben den Besitz, das Geld und machen einfach alles.
Frage: Die Geschlechter haben nicht einfach nur Rollen getauscht?
Antwort: Bevor ich dort hinfuhr, hatte ich die Vorstellung, dass ich ein umgekehrtes Patriarchat finden würde. Aber so war es nicht. Wenn ich mich zum Beispiel zum Essen an den Tisch setzte, wurde ich von Frauen bedient. Ich wollte dann wenigstens abwaschen. Aber nein, das machen die Frauen, die gesamte Hausarbeit. Weil es keine Art der Unterordnung ist, sondern weil es ihnen gefällt und entspricht. Die Idee, dass in einer matriarchalischen Gesellschaft die Aufgaben geteilt werden, das ist nur unsere Vorstellung von Gleichheit.
Frage: Ohnehin ist das Zusammenleben bei den Mosuo etwas anders organisiert?
Antwort: Es ist kurios: Wenn die Frauen die Macht haben, wollen sie offenbar nicht heiraten. Ehe gibt es nur in Form der sogenannten Besuchs-Ehe. An den Türen der Frauen gibt es Haken. Die sind für die Hüte der Männer. Hängt ein Hut am Haken, wissen alle: Die Frau hat Besuch von einem Mann. Die Frau sucht sich aus, mit wem sie in der Nacht zusammen sein will. In der nächsten Nacht kann es jemand anders sein. Das ist auch für niemanden ein Problem. Allerdings: Kommt Liebe ins Spiel, ändert sich das. Dann empfängt die Frau nur noch einen Mann, und der Mann besucht nur noch eine Frau.
Frage: Und auch dann wollen die Paare nicht zusammenwohnen?
Antwort: Die Mosuo leben mit ihren Blutsverwandten zusammen, auf dem Hof der Matriarchin. Sie finden die Idee seltsam, zu einer anderen Familie zu ziehen. Deswegen haben sie mich immer wieder gefragt, ob das funktioniert. Ich antwortete: Manchmal ja, manchmal nein. Wir tun ja so, als könnte man alles mit einer Frau ein Leben lang haben: Verliebtheit, Sex, gemeinsamen Haushalt, Kinder, Freunde und gemeinsame Ziele. Das ist oft ein bisschen viel erwartet, oder?
Frage: Aber nebenbei weiß kein Mosuo-Kind, wer sein Vater ist?
Antwort: Sie vermissen das nicht. Sie wachsen im Schoß der Familie auf, sind gut erzogen und glücklich.
Frage: Das funktioniert aber nur, weil die Mosuo keine Eifersucht oder Verlustangst kennen, oder?
Antwort: Eines stimmt: Ihnen fehlt das Gefühl für Besitz. Besitz bedeutet ihnen wenig, materiell und emotional. Wenn sie sich allerdings verlieben, kennen sie Eifersucht schon. Ebenso den Schmerz, wenn die Liebe vorbei ist. Aber der Schmerz dauert nur kurz. Es verbindet sie dann auch nichts mehr mit dem Mann. Das ist der Vorteil der eigenen Familien. Und: Keine Frau bleibt bei einem Mann wegen der Kinder oder wegen des Geldes oder aus Sorge darum, was die anderen sagen könnten.
Frage: Die Männer der Mosuo schlafen, träumen oder spielen?
Antwort: Richtig. Im Paradies der Frauen haben die Männer es wirklich gut. Sie arbeiten weniger. Sie haben keine Verpflichtungen. Sie wechseln ständig die Frauen. Es gibt immer jemanden, der auf sie aufpasst. Und sie leben ihr ganzes Leben bei ihrer Mutter.
Frage: Ist das nicht ein männliches Horrorszenario? Die Männer degenerieren zu Faultieren?
Antwort: Aber es ist so, dass die Männer glücklich sind, sie verteidigen das Matriarchat.
Frage: Der Bürgermeister der Mosuo ist allerdings ein Mann?
Antwort: Aber auch das muss man mit anderen Augen sehen. Diese Art der Macht interessiert die Frauen einfach nicht. Sie lachen darüber. Frauen bestimmen auf eine ganz andere Art als Männer. Der Mann bleibt auf Distanz, kontrolliert, ordnet unter. Die Frau ist immer mittendrin in der Gesellschaft. Nimmt teil und nimmt Anteil.
Frage: Und regiert gewaltfrei?
Antwort: Das ist ganz wesentlich. Es gibt keine Gewalt, weil sich die Frauen für Gewalt schämen. Gewalt ist in dieser Gesellschaft verpönt.
Frage: Ist das Matriarchat also die bessere Gesellschaft?
Antwort: Ich glaube, dass nicht die Herrschaft von Frauen, aber eine weiblich geprägte Herrschaft besser funktioniert. Auch wirtschaftlich. Aber weiblicher werden Gesellschaften nicht allein dadurch, dass es mehr Rechte gibt, mehr Kanzlerinnen und Präsidentinnen. Oder dadurch, dass Frauen die Rollen von Männern einnehmen.
Frage: Kennen Sie eine Alternative?
Antwort: Eins ist doch erstaunlich: In patriarchalischen Gesellschaften gibt es Menschen, die sich unterdrückt fühlen. In matriarchalischen Gesellschaften nicht.
Frage: Würden Sie gern immer im Matriarchat Südchinas leben?
Antwort: Es war großartig, für eine Zeit dort zu sein. Weil man Dinge, die fest im Weltbild verankert sind, überdenkt. Und weil ich dem komplexen Wesen „Frau“ etwas mehr auf die Spur gekommen bin.
Frage: Sie verstehen die Frauen jetzt besser?
Antwort: Frauen zuzuhören war für mich eine wichtige Erfahrung. Und eine Menge Arbeit. Das muss man ja erst mal verstehen: dass Frauen reden, um zu reden, und nicht wollen, dass man ihnen ständig Lösungen vorschlägt. Inzwischen kann ich den Mund halten.
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Matriarchate gab es weltweit. Sie entstanden vermutlich in Ostasien und breiteten sich über die Wasserwege als Ackerbaukultur aus. Eine mütter-bezogene Gesellschaftsstruktur ist schon in der Altsteinzeit festzustellen. Eine differenzierte Ausgestaltung entwickelte sich dann in der Jungsteinzeit, fußend auf der Ackerbaukultur. In ihrer mehrtausendjährigen Geschichte gab es Früh-, Mittel- und Spätformen (Amazonen), ab 7000 bis in die Bronzezeit um 1400 vor Christus.
Die Ablösung des Matriarchats durchs Patriarchat dauerte Jahrhunderte. Die Umbruchphase wurde eingeleitet durch den Einfall der Indogermanen im vorderen Orient und im Mittelmeergebiet, ab der Eisenzeit. Die Ursachen werden noch erforscht, es gibt verschiedene Theorien, warum es zur Bildung von patriarchalen Herrschaftsstrukturen kam. Matriarchale Elemente leben weiter in der Folklore, besonders in Rand- und Rückzugsgebieten.
Noch heute gibt es matriarchal organisierte Völker. Am bekanntesten sind die Mosuo in China, die Minangkabau in Indonesien und die Khasi in Indien. Ihre Existenz ist aber in vieler Hinsicht bedroht.
Aus Süd- und Mittelamerika sind die Juchiteken (Mexiko), die Kagaba in Kolumbien und die Cuna in Panama zu nennen, ebenso die indigenen Völker Brasiliens und Amazoniens.
Aus Nordamerika gibt es eine wachsende Forschungsliteratur zu den indigenen Populationen. Sie reicht von den Irokesen über die Natchez, Omaha, Apachen und Huronen bis zu den Puebloindianern. Am bekanntesten sind die Hopi-Indianer.
In Europa dagegen beschränken sich die Schriften auf wenige Völker wie Basken, Bretonen, Balten oder auf Sibirien. Zu gründlich wurde Matriarchales ausgerottet oder vereinnahmt. Allerdings gibt es eine reiche Literatur zur europäischen Volkskunde, die bis heute lebendige matriarchale Reste tradiert.
In Asien konnten sich in Rückzugsgebieten einige Völker halten, so die „Randvölker“ Südwest- und Westchinas wie die bereits erwähnten Mosuo. Dieses fast klassische Matriarchat ist durch zahlreiche Publikationen gut erschlossen. In Indien sind es die Khasi der Assam-Berge, ebenso die Jaintia und Garo, die Adivasi, die Zigeuner und die Nayar von Malabar, die aber nur noch einzelne matriarchale Elemente aufweisen. Aus Nepal, Tibet, Indonesien mit den Minangkabau, aus Malaysia sowie Japan, Korea und Taiwan liegen ebenfalls Forschungsberichte vor.
Aus der Südsee sind die Trobriand-Inseln zu nennen sowie Polynesien, Hawaii, Palau, Melanesien und die australischen Aborigines.
Auch Afrika weist mit den Luapula in Sambia, den Ashanti und den Akan in Ghana, den Ila in Simbabwe, den Yoruba und den Bidjogo in Westafrika zahlreiche matriarchale Völker oder Relikte auf. Im Norden sind der Sudan, die Tuareg und die Kabylei zu nennen.
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In der südwestchinesischen Provinz Yünnan wird noch eines der letzten Matriarchate gelebt. Drei Frauenportraits veranschaulichen den Wandel innerhalb der Generationen.
Nü Kuo, „das Reich der Frauen" - so werden in alten chinesischen Chroniken die westlichen Provinzen Chinas bezeichnet. Bis zum heutigen Tag leben dort die Mosuo, ein tibetisch-birmesischer Volksstamm, in einer matriarchalen Gesellschaftsform.
Sie leben neben anderen chinesischen Minderheiten in den abgeschiedenen Bergregionen des Grenzgebietes von Yünnan, Szetschuan und Tibet und in Dörfern um den Lugu-See. Sie verteilen sich in zwölf Regierungsbezirken über ein riesiges Gebiet von 80.000 Quadratkilometern. Insgesamt zählen die Mosuo 16.000 Menschen. In China werden sie häufig zu der Volksgruppe der Naxi (270.000 Menschen) gerechnet.
Matriachate sind Verwandtschaftsgesellschaften, die nach der Mutterlinie organisiert sind. Frauen haben in sozialen, ökonomischen und religiös-rituellen Bereichen zentrale Funktionen inne. Ein besonderes Merkmal matriachaler Familienstrukturen ist, dass keine Ehen geschlossen werden. Kinder werden im mütterlichen Familienverband aufgezogen, die leibliche Vaterschaft ist weder an Rechte noch an Pflichten gebunden.
In psychologischer Hinsicht mögen die matriarchalen Familienstrukturen der Mosuo ein Idealbild verkörpern, wenn man Folgendes berücksichtigt: Schwere Depressionen und Selbstmord sind fast unbekannt; die Kriminalitätsrate ist verschwindend gering; die Kinder werden von allen Sippenmitgliedern liebevoll betreut, und Gewalt in der Erziehung ist bei den Mosuo unbekannt; alte Menschen, Kranke und Behinderte sind im Familienverband integriert. Das Zusammenleben innerhalb der Sippe ist trotz klar ausgeprägter Hierarchien demokratisch ausgerichtet, die meisten Entscheidungen werden im Kreise der Familie getroffen.
In den letzten Jahren haben in China wichtige gesellschaftspolitische Veränderungen stattgefunden, und daher stellt sich die Frage, wie lange matriarchale Familienstrukturen noch überleben werden.
Überall begegneten mir die Mosuo stets mit großer Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Auf dem Boden hockend, nahe der offenen Feuerstelle vor dem Ahnenaltar, berichteten mir die Mosuo-Frauen von ihrem Alltagsleben in den Sippen, ihrer sozialen Rolle, Sitten und Bräuchen.
Mschi Zli's Äußeres lässt die Zugehörigkeit zu ihrer Volksgruppe beim ersten Anblick erkennen. Sie trägt den langen, reich gefalteten Rock, die Verschnürungen an der Oberkleidung und den blauschwarzen Turban. Sie ist die Matriarchin in ihrer Sippe. Diese Rolle wurde ihr aufgrund ihrer Fähigkeiten sowie ihres Alters von den Sippenmitgliedern zugeteilt und sie akzeptiert dies wie ein auferlegtes Schicksal.
Ihr Leben lang kam Mschi Zli nicht in Kontakt mit der modernen Zivilisation, denn sie lebt in einer abgeschiedenen Bergregion, in die sich kaum je ein fremder Besucher verirrt. Seit kurzem wurden aber die Straßen zum Lugu-See ausgebaut, und die Bemühungen der kommunistischen Regierung, das Wohngebiet der Mosuo für den Tourismus zu erschließen, gehen weiter. Deshalb kommt Mschi Zli, vor allem indirekt durch ihre Kinder und Enkelkinder, unweigerlich mit fremden Einflüssen in Berührung. Nicht immer findet dies ihre Zustimmung.
Kaum noch verlässt Mschi Zli das Haus, denn mit 58 Jahren ist sie bereits in einem Alter, in welchem sich Mosuo-Frauen aus dem öffentlichen Leben zurückziehen und auch die Feldarbeit den Jüngeren überlassen. Die Geburt Mschi Zli's fiel in eine Zeit, in der sich in China größte Umbrüche im gesellschaftspolitischen Leben durch die kommunistische Revolution ereigneten.
Im Zuge der maoistischen Kulturrevolution musste auch ihre Sippe als Angehörige einer nationalen Minderheit Chinas viele Repressionen erleiden. Doch die Versuche der kommunistischen Regierung, die mutterrechtliche Tradition zu zerstören, indem alle über Vierzigjährigen zur Ehe und Monogamie gezwungen wurden, waren nicht erfolgreich. Nicht nur lösten die Mosuo später diese Zwangsehen wieder auf, es gelang ihnen auch, trotz jahrelanger Unterdrückung und Versuchen der Assimilierung, ihre kulturelle Identität, die in ihren Sitten und Gebräuchen sowie einer eigenen Sprache Ausdruck findet, zu bewahren.
Als Matriarchin hat Mschi Zli eine ganze Reihe von Pflichten für das Gemeinschaftsleben der Sippe zu erfüllen und ein besonders hoher Stellenwert kommt ihr im religiös-rituellen Leben der Mosuo zu. Ihr ist es vorbehalten, am nächsten zum Ahnenaltar zu sitzen und somit am engsten in Kontakt zu den Ahnen zu stehen. Mschi Zli hält an der mythologischen Überlieferung fest, dass ihr Volk ursprünglich aus dem Gebiet der heutigen Mongolei gekommen war und dass nach dem Tod die Seele wieder zurück in die Mongolei wandert. Nichts ist für Mschi Zli wichtiger, als die lebenslange Vorbereitung ihrer Seelenreise.
Dschermatu ist 34 Jahre alt und Mutter zweier Kinder, für die ihr in der Sippe lebende ältere Bruder sorgt. Entgegen westlichen Vorstellungen von Vaterschaft sieht Dschermatu keine Notwendigkeit einer emotionalen Beziehung der Väter zu den Kindern. In der Sprache der Mosuo ist selbst das Wort "Vater" unbekannt. Wenn Dschermatu folglich von "Beziehung" der Väter zu den Kindern spricht, beziehungsweise auf eine bessere Beziehung hofft, dann nimmt sie allein Bezug auf die finanzielle Unterstützung der Kinder, für die bislang alleine die Sippe aufkam. Sie möchte ihren Kindern damit vor allem eine gute Schulbildung zukommen lassen.
Als Mosuo-Frau pflegt Dschermatu die Besuchsehe. Für kurze oder lange Zeit wählt sie einen „Azuh“, einen Liebhaber, aus. Wenn Dschermatu in Gesellschaft mit Männern ist, verrät ihr Auftreten, dass sie von klein auf die Gleichwertigkeit zwischen den Geschlechtern erfahren hat. Auch in der Erziehung der eigenen Kinder macht Dschermatu keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Wenn Dschermatu auf eigene Wünsche angesprochen wird, reagiert sie mit Zurückhaltung. Ihre Sozialisation vermittelte ihr, persönliche Wünsche zugunsten der Gemeinschaft in den Hintergrund zu stellen.
Dschermatus Leben innerhalb der Sippe entspricht in vieler Hinsicht noch der Tradition. Wie alle Mosuo-Frauen ihres Alters arbeitet sie schwer auf den Feldern. Doch nur ein Schimmer von Wehmut im Gesichtsausdruck der schweigsamen Frau vermittelt dann und wann das Gefühl, dass Dschermatu sich mitunter danach sehnt, „die Welt draußen“ zu erleben und dem harten Alltagsleben zu entfliehen.
Gisuhutsu strahlt mit ihrem Lächeln im Gesicht und offenen Blick Selbstbewusstsein aus und verstärkt dies noch, indem sie von Zeit zu Zeit an ihrer Zigarette zieht. „How are you?“ fragt Gisuhutsu, die in der Schule im Englisch-Unterricht „Hanna“ genannt wird, neugierig an mich gewandt. Wenn Fremde ins Dorf kommen, freut sie sich und wetteifert mit den Gleichaltrigen darum, als erstes Kontakt mit den Fremden aufzunehmen. Was Gisuhutsu von der älteren, analphabetischen Generation insbesondere unterscheidet, ist ihre Zugang zu Information und Wissen. Sie besucht im nächstgelegenen Dorf die Schule, wo sie zusammen mit Angehörigen anderer chinesischer Minderheiten unterrichtet wird.
Nichts wünscht sich Gisuhutsu im Moment mehr, als die Welt außerhalb des Dorfes kennen zu lernen. Sie träumt davon, eines Tages in die Großstadt Shanghai zu ziehen und das Management eines großen Restaurants zu übernehmen. Die Tradition der Mosuo hat Gisuhutsu zwar einen anderen Lebensweg vorgezeichnet, doch kann sie gewiss sein, dass die Sippe ihre Entscheidung, einem Beruf nachzugehen und sich somit aus dem Sippenverband zu lösen, akzeptieren wird. Vielleicht wird Gisuhutsu eines Tages einen Han-Chinesen heiraten.
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Männer, auf ins Matriarchat! Frauenherrschaft kann sich auch für Männer lohnen. Bei den Mosuo in China gibt es Sex ohne Besitzansprüche. und alle sind glücklich
Bei der Vorstellung eines Matriarchats bekommen viele Männer Kastrationsangst. Dass das gar nicht nötig ist, zeigt die Gesellschaft der Mosuo im chinesischen Staatsgebiet, die ich über Jahre hinweg immer wieder besucht habe. Die Mosuo leben seit Jahrtausenden in dörflichen Großfamilien, die von Frauen geleitet werden. Diese „Familien-Chefinnen“ werden nach Tüchtigkeit gewählt. Sie erteilen Arbeitsaufträge und verwalten die Vorräte. Wer Geld verdient, muss es der „Chefin“ geben. Außer Kleidung und Geschenken gibt es keinen Privatbesitz.
Abends kommt der Mann zu Besuch ins Schlafzimmer der Frau, morgens geht er in seine mütterliche Familie zurück, so laufen die Beziehungen der Mosuo normalerweise ab. Beide Geschlechter können eine Vereinbarung für die Nacht anbahnen, doch dass Frauen die Männer besuchen, ist nicht möglich, denn die Männer, die in der Regel in der Familie ihrer Mutter leben, haben anders als die Frauen keine eigenen Zimmer, sie schlafen in Gemeinschaftsräumen.
Wer abwechselnd mit mehreren Partnern schläft, muss sich dafür nicht rechtfertigen. Eifersucht ist tabu. Beide Geschlechter, etwas mehr aber noch die jüngeren Männer, ziehen Freude daraus, sexuelle Erfahrungen zu sammeln und sich dabei sicher zu fühlen. Unter Sicherheit verstehen sie, dass sie die Beziehung jederzeit und ohne Begründung beenden können, weil nur die immerwährende Bindung an die Familie zählt und „die nächste Tür offen ist“ beziehungsweise „der nächste Mann bald klopft“. Frauen und Männer gehören in dieser Gesellschaft niemandem. Dass Paare sich über erzieherische und finanzielle Pflichten der Väter streiten, ist mir nicht bekannt. Die Kinder werden von der Mutter und ihrer Familie erzogen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass aus den nächtlichen Besuchen eine feste Beziehung entsteht. Häufig zieht dann der Mann bei der Familie der Frau ein. Beide Familien müssen zustimmen, doch die Partnerwahl ist frei und Trennung jederzeit möglich.
Unser Wort „Liebe“ kennen die Mosuo nicht und damit auch nicht die Idealvorstellungen unserer Kultur: die Liebes-Ehe mit Exklusivität und Ewigkeit. Unter den Mosuo gibt so gut wie keine Gewalt, auch keine sexuelle Gewalt. Alle Probleme werden in Gesprächen ausgehandelt, bis sich ein Konsens als Lösung abzeichnet. Gemeinschaftswohl hat Vorrang vor individuellem Glück. Und beide Geschlechter führen ihre Lebenszufriedenheit auf die Balance im harmonischen Miteinander zurück.
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Erstaunlich wenig verbreitet ist im Allgemeinen das Wissen um matriarchale Gesellschaften. Es wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass die uns bekannte Form der Groß- oder Kleinfamilie historisch und weltweit Allgemeingültigkeit besitzt. Außerdem existiert eine irreführende Vorstellung davon, was Matriarchat bedeuten soll, nämlich angeblich die Herrschaft der Frauen. Von all dem muss sich der Leser nun gedanklich verabschieden. Beginnen wir bei der Begriffsklärung. Etymologisch setzt sich der Begriff „Matriarchat“ aus dem Lateinischen „Mater“, die Mutter, und dem Griechischen Wort „Arche“ zusammen. „Arche“ besitzt mehrere Bedeutungen, eine ältere – Anfang, Beginn – und eine jüngere – Herrschaft, Regierung. Matriarchat im Sinne der älteren Bedeutung heißt: am Anfang die Mutter – eine Definition, die keinerlei Bezug zu Herrschaft oder Hierarchie enthält.
Im Gegensatz dazu bedeutet „Patriarchat“ tatsächlich einen Dominanzanspruch und ist ein Begriff, der gesellschaftliche und familiäree Unterordnung impliziert. Wenn in weiterer Folge von der patriarchalen Familie die Rede ist, dann ist die Herkunft des Familienverständnisses aus der Antike gemeint: Die eheliche Gemeinschaft im Haushalt des Mannes oder der väterlichen Sippe (Patrilokalität) und bis in die 1970er Jahre die rechtliche Patronanz des Ehemannes oder Vaters über Frau und Kinder. Die Matriarchatsforschung reicht rund 140 Jahre zurück und begann mit den Pionieren Johann Jakob Bachofen und dessen Werk „Das Mutterrecht“ sowie dem Begründer der modernen Ethnologie, Lewis Henry Morgan, der hauptsächlich indigene Völker untersuchte. Deren Erkenntnisse zeigten zum ersten Mal, dass historisch weltweit matriarchale Gesellschaften die ersten Formen von Sozietäten überhaupt waren und patriarchalen Herrschaftssystemen vorausgingen. Für Europa ist nachweislich die minoische Kultur (auf Kreta) jene, die historisch am längsten währte und erst rund 1400 vor Christus gewaltsam zerstört wurde. Es gibt zahlreiche Theorien, warum Matriarchate vielfach – in Europa gänzlich – ausgelöscht und durch Patriarchate ersetzt wurden. Manche gehen davon aus, dass dies nur mit Gewalt, Krieg und Vergewaltigung vor sich gehen konnte.
Kaum bekannt ist aber, dass es bis heute zahlreiche matriarchal lebende Völker gibt, die vor allem in Amerika und Asien angesiedelt sind. Sie sind zuweilen bevölkerungsmäßig klein, können aber auch bis zu mehreren Millionen Menschen umfassen. Sie leben zumeist in entlegenen Gebieten, aber auch oft in unmittelbarer Nachbarschaft zu patriarchal organisierten Gesellschaften, deren Einflüssen sie häufig ausgesetzt sind.
Auf dem zweiten Weltkongress für Matriarchatsforschung stellte Dr. Barbara Alice Mann, vom Bären-Clan der Ohio Seneca Irokesen (USA) fest: „Für indigene Völker aus matriarchalen Kulturen ist es zutiefst demoralisierend, ihre Jahrtausende alte Geschichte ignoriert, unterschlagen oder von akademischen Stellungnahmen heruntergespielt zu sehen.“
Nach Schätzungen war um 1800 noch ungefähr die Hälfte der damals bekannten „Naturvolksgruppen“ matrilinear organisiert. Neue anthropologische Studien gibt es etwa zu den Mosuo in China, den Kabylen – gemeinhin Berber genannt – in Algerien, den Minangkabau auf Sumatra, Indonesien oder den Gesellschaften von Yuchitan, Mexiko.
Matriarchale Gesellschaften implizieren alle Dimensionen des Lebens: die familiäre, die gesellschaftliche, die ökonomische, die politische und die spirituelle. Im Rahmen dieses kurzen Beitrages beschränke ich mich auf die Darstellung der familiären Ebene.
Es wurden matriarchale Gesellschaften in Indien, Nepal, China, Tibet, Indonesien und Melanesien erfasst und deren matriarchale Grundstrukturen erfasst. Allen matriarchalen Gesellschaften eigen und auch heute noch an mutterrechtlich organisierten Gesellschaften zu beobachten, ist der Vorzug der Sippenbildung gegenüber der ehelichen Beziehung, die emotionale Basis war und ist die uterine Sippe, an erste Stelle tritt die Mutter, als die, von der man abstammt.
Am Beispiel der Khasi-Stämme in Assam (Ostindien) soll die Familienstruktur näher veranschaulicht werden. „Khasi“ bedeutet „von einer Mutter geboren“. Das „geheimnisvolle Reich, in dem Frauen regieren,“ wie es bereits 1956 die Französin Gabriele Bertrand genannt hat, konnte sich seine matriarchalen Eigenheiten bis in die Gegenwart nur bewahren, weil die von den Khasi bewohnte Berglandschaft bis ins 19. Jahrhundert von äußeren Einflüssen weitgehend verschont geblieben war. Die verschiedenen Khasi-Stämme bestehen aus großen Familiengemeinschaften oder Clans, deren wichtigste Person die Sippenmutter ist. Sie ist die Verwalterin des gesamten Sippenbesitzes, des gemeinschaftlichen Hauses und des Landes. All dies erbt sie als Amtsnachfolgerin von ihrer Mutter, allerdings nicht als Privatbesitz, sondern als Verwalterin dieser Güter im Sinne des Wohlergehens der Sippe.
Die Khasi haben vollkommene Matrilinearität: Die Familienmitglieder erhalten den Namen der mütterlichen Familie und gehören nur zu dieser. Beim Tod der Mutter erbt die jüngste Tochter die Würde, Rechte und Pflichten des Sippenoberhauptes. Hinzu tritt die Matrilokalität, die besagt, dass alle direkten Verwandten, männliche wie weibliche, auch wenn sie erwachsen sind, im Sippenhaus der Mutter wohnen bleiben. Frauen verlassen das mütterliche Clanhaus und damit ihre wirtschaftliche und soziale Sicherheit niemals. Die matriarchale Familie besteht zumindest aus drei Generationen und wird deswegen häufig als Clan bezeichnet. Entsprechend groß sind die sogenannten „Langhäuser“, die eine Länge von 100 m erreichen können, weil Sippenmitglieder kontinuierlich Anbauten errichten.
Die Männer sind als Söhne, Brüder oder Onkel mütterlicherseits im Haus der Sippenmutter daheim. Typisch ist die sogenannte Besuchs-Ehe – die Männer leben weiterhin im Mutterhaus und besuchen ihre Ehefrauen lediglich nachts in deren Sippenhaus. Sie haben dort kein Wohnrecht. Ehegatten bilden also niemals eine ökonomische Einheit, daher gibt es keine wechselseitige finanzielle Abhängigkeit. So wie die eheliche Verbindung ohne großes Zeremoniell beginnt, so kann sie auch mit einer formlosen Scheidung enden. Es genügt eine einfache Geste des Nicht-mehr-Mögens auf beiden Seiten und die Partner trennen sich. Serielle eheliche Partnerschaften sind üblich, aber auch lebenslang andauernde Liebesbeziehungen sind möglich. So wie der Ehemann nicht dem patriarchalen Verständnis eines Ehepartners entspricht, so wenig tut es die Vaterschaft, die als nachrangig gilt. Jeder Mann fühlt sich vielmehr als Mutterbruder mit den Kindern seiner Schwestern, also den Nichten und Neffen, eng verbunden, für die er als sozialer Vater Verantwortung trägt.
Wie in allen Matriarchaten besitzt der Mann repräsentative Funktionen nach außen, ist aber immer seiner Mutter oder Schwester und damit dem Sippenhaus verantwortlich. Der älteste Bruder der Sippenmutter ist ihr Helfer, Schützer und Delegierter nach außen. So ist auch die Funktion des Königs in historischen Matriarchaten zu verstehen, z.B. König Minos in der minoischen Kultur auf Kreta. Der König stellt dabei den Vertreter nach außen dar, der aber niemals autokratisch auftritt, sondern als Repräsentant der im Inneren der Sozietät hergestellten Entscheidungen.
Matriarchale Gesellschaften sind auch heute nicht so sehr „urdemokratisch“, sondern vielmehr „familiäre Konsensgemeinschaften“. Die Entscheidungsfindung liegt bei allen Sippenmitgliedern. Sie wird von der Sippenmutter als Oberhaupt zusammengefasst und zum Abschluss gebracht und danach vom Mutterbruder im Rat des Dorfes oder der Stadt vertreten.
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Im Süden von China, rund um den Lugu-See, lebt das Volk der Mosuo. Die Mosuo sind bekannt für ihr harmonisches Zusammenleben. Bei ihnen gibt es keine Eifersucht, keine Gewalt und keinen Krieg. Gegensätze wie arm und reich kennen sie nicht. Machtstreben ist ihnen fremd. Sie gelten als sehr zufriedene und glückliche Menschen. Das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben richtet sich nach der Lebenswelt von Frauen und Kindern. Männer sind dabei die fürsorglichen Unterstützer. Die Mosuo-Frauen gelten als besonders entspannt, frei und selbstbestimmt. Es sind die Frauen, welche die wirtschaftlichen und sozialen Fäden in der Hand halten. Mosuo bleiben mit ihrer Ursprungsfamilie immer innig verbunden. Sie kennen keine Ehe, der Liebhaber bleibt nur über Nacht, tagsüber lebt und arbeitet er in seinem Mutterclan. In diesem Verhältnis ist die Frau die Einladende. Das hat den Mosuofrauen im gesamten China den Ruf eingebracht, sie seien leicht zu haben. Der innerchinesische „Tourismus“ nahm aus diesem Grund zu. Wie vereinbaren die Mosuo Sex-Tourismus und matriarchale Tradition?
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Ein Journalist hat ein Buch über ein noch existierendes Matriarchat im Süden Chinas geschrieben. Bei den Mosuo verfügen die Frauen über Besitz und Geld und treffen alle Entscheidungen. Männer haben keine Verpflichtungen, besonders ihren Kindern gegenüber nicht, und leben bei ihren Müttern.
Im Süden Chinas, nahe der tibetischen Grenze, leben rund um einen riesigen Gebirgssee die Mosuo. Es ist eine Gemeinschaft von rund 35.000 Menschen, in der die Frauen das Sagen haben. Bis heute. Hier hielt sich ein Journalist drei Monate lang auf und beschrieb seine Erfahrungen in einem Buch.
Vorher schon hat er verschiedene Matriarchate besucht, in Indien, in Papua-Neuguinea und im Norden Australiens und darüber berichtet. Aber das Matriarchat der Mosuo sei das reinste, oder wie er sagt, "das letzte wahre Matriarchat". Die Frauen treiben Landwirtschaft, sie fischen, einige fahren Auto. Sie sind es, die über Besitz und Geld verfügen, sie entscheiden alles. Aber die Geschlechter haben nicht einfach die Rollen getauscht. Neben der Hausarbeit erledigen Frauen auch schwere Arbeiten. Männer arbeiten weniger, sie haben keine Verpflichtungen, besonders ihren Kindern gegenüber nicht, und sie leben dauerhaft bei ihren Müttern.
Die Ehe kennen die Mosuo nicht. Die Frauen suchen aus, mit wem sie die Nacht verbringen. In der nächsten Nacht kann es, ohne dass dies ein Problem wäre, ein anderer sein. Eifersucht und Schmerz, wenn die Liebe vorbei ist, kennen sie zwar auch. Aber er dauert angeblich nicht lange. Als Familie bezeichnen die Mosuo nur direkte Blutsverwandte, deren Oberhaupt die Matriarchin ist. Bei ihr leben ihre Kinder, ihre Mutter und ihre Geschwister, sowohl Schwestern als auch Brüder. Auch die Kinder der Schwestern gehören dazu und die Enkel.
Ehemänner, Väter und Großväter gibt es in diesen Familien nicht. Es ist nicht einmal bekannt, von wem man väterlicherseits abstammt. Vorteil dieser Familienstruktur ist, dass keine Frau bei einem Mann wegen der Kinder bleibt oder wegen des Geldes oder aus Furcht vor Prestigeverlust. Gewalt in all ihren Ausprägungen stößt auf Ablehnung. Nachdem man sie unter Mao Tse-Tung in Ehen zu zwingen versuchte, gelten die Mosuo im heutigen China als schützenswerte ethnische Minderheit. Sie genießen sogar das Privileg, bis zu drei Kinder bekommen zu dürfen.
Der Journalist ist kein Wissenschaftler, er betreibt keine ethnologische Feldstudie. Er folgt vielmehr dem Augenschein. Seine unmittelbaren Eindrücke schildert er farbig in der Form der erzählerischen Reportage. Dabei versucht er durchaus, sich den Personen analytisch-psychologisch anzunähern, immer von der Frage geleitet, was passiert, "wenn nicht Männer die Hauptnutznießer einer Gesellschaft sind" und wie sich dabei die Beziehungen zwischen den Geschlechtern verändern.
Mit staunender Neugier und Sinn für Details schildert der Journalist den Alltag und die Lebensphilosophie einer wundersamen Stammes. Er preist die Leistungen dieser Kultur, der es offenbar gelingt, Harmonie und friedliches Auskommen miteinander an die Spitze der sozialen Tugenden zu stellen.
Doch abgesehen davon, dass man das sogenannte "Frauenparadies" durchaus von zwei Seiten sehen kann – die Bequemlichkeit, die die Mosuo-Männer genießen, sind zumindest ambivalent – werden wichtige Aspekte des idyllischen Zusammenlebens ausgeblendet. So erfahren wir nichts über Kriminalität, über Geschlechtskrankheiten oder die Gefahr des Sex-Tourismus, der einem solch „Paradies der Freien Liebe“ gefährlich wird. Dennoch ist das Buch ein anregender Beitrag zu unserer Diskussion darüber, wie man ein Leben lang alles unter einen Hut bringt, indem man es mit einem einzigen Menschen teilt: Verliebtheit, Sex, gemeinsamen Haushalt, Kinder, Freunde und verschiedene Interessen. Ein interessanter Lesestoff, wenn auch nichts für Radikale.
ZWEITES KAPITEL
FUCHS-GEISTER
1
Cheng Yumen (Cheng Jinfang) erzählte von einem bestimmten Reisenden, der eine Konkubine in Guangling nahm. Sie war ziemlich raffiniert und war ein Fachwissenschaftler in der Liebeskunst. Die beiden, die sich sehr nahe kamen, genossen eine Hochzeits-Harmonie im Bett. Eines Tages kehrte der Reisende von einem Trinkgelage zurück, nur um die Zimmermädchen und Diener schon schlafend zu finden, ohne eine Kerze in der Dunkelheit. Es war tiefes Schweigen in den inneren Kammern, und er fand einen Brief auf dem Tisch, den las er:
„Ich war ursprünglich eine Geisterfüchsin, die ein einsames Leben in Bergen und Wäldern führte, für ein halbes Jahr blieb ich bei dir, um eine Schuld abzubezahlen, die ich dir zuvor schuldig war. Mein Schicksal war erfüllt, ich würde es nicht wagen, weiter bei dir zu verweilen. Ich wollte vorübergehend bei dir bleiben, um auf dich aufzupassen und zu verraten, warum wir uns für immer verabschieden müssen, aber ich fürchte, dass unsere intensive gegenseitige Hingabe die Trennung extrem schwierig machen würde, in quälenden Schmerzen lebte ich, bis ich entschied, abzureisen, anstatt dich länger zu sehen, ich schaute zurück und versuchte den Wind, tausend Gefühle, die mich durchwühlten, wer weiß, dass ich mit solchen Gedanken mein Schicksal nicht mehr mit deinem Schicksal verflochten will? Gute Sorge hab für dich selbst, und lass deinen reinen Geist nicht um einer Frau willen wütend sein. Wenn das so ist, obwohl ich gehen muss, fühle ich mich etwas getröstet.“
Beim Lesen des Briefes war der Reisende sehr beunruhigt. Als der Brief gelesen war, zeigten die Freunde und die alten Bekannten sich mit tiefen Emotionen. Da ähnliche Ereignisse in alten Büchern zu sehen waren, gab es keinen Zweifel an dem Vorfall.
Einen Monat später folgten die Konkubine und ihr Liebhaber ihrem Schicksal, als sie nach Norden per Boot fuhren und beraubt wurden. Sie berichteten dies den Regierungsbeamten und warteten darauf, dass die Räuber gefangen würden. Als die beiden seit Monaten auf diese Weise im Huai-Flußgebiet festgehalten wurden, kam die Wahrheit heraus: Die Mutter der Konkubine hatte sie zu einem hohen Preis verkauft, und so mußte die Konkubine sich selbst befreien, indem sie behauptete, eine Geisterfüchsin zu sein.
Zhou Shuchang (Zhou Yongnian) stellte fest: „Sie war eine Geisterfüchsin, wie könnte man darüber anders reden, dass sie als eine Frau verkleidet ist? Es gibt viele Geschichten von der merkwürdigen Erzählung von menschlichen Begegnungen mit weiblichen Feen und Unsterblichen, die schließlich ihren Abschied nahmen, ich vermute, dass einige von diesen Geschichten zu der gleichen Kategorie gehören wie dieser Vorfall.“
2
Es wird gemunkelt, dass in Kangxi mal ein Feuer in einem Geschäft ausbrach, das Melonensamen verkaufte. Es lag südlich des Hauptsüdtors und etwas östlich davon. Ein kranker Jugendlicher konnte nicht aus dem Haus entkommen und wurde verbrannt. Als das Feuer ausgelöscht wurde, gruben die Leute den verkohlten Körper zusammen mit einem Fuchs aus, der ihm im Tode beigestanden war. Es wurde klar, dass der Jugendliche wegen der Fuchsverführung krank geworden war. Doch warum der Fuchs auch gestorben ist, war nicht verständlich.
Einige sagten: „Der Fuchs war stark an ihn gebunden und konnte ihn nicht retten.“ Andere sagten: „Die Gottheiten haben den Fuchs totgeschlagen, um zu verführen und zu töten einen Mann.“
Weder das eine noch das andere ist richtig. Beide, Füchse und Geister, können sich verwandeln, und Gespenster können durch das Eindringen durch die Wände der Häuser kommen. Das ist es, was Luo Liangfeng sagte. Geister haben Form, aber keine Substanz, sie sind reines Qi. Wie das Qi überall hingehen kann, nichts kann sie blockieren. Wie Drachen können Füchse größer oder kleiner werden, aber mit Substanz und Form können sie schrumpfen, können aber nicht ganz verschwinden. Ein Fuchs kann auch durch eine Felsspalte entkommen, aber ohne Felsspalte gibt es keine Möglichkeit zu entkommen. Die genialsten Füchse kommen und gehen durch Türen und Fenster. Bevor der Jüngling starb, war der Fuchs gekommen, ihn zu verführen. Plötzlich fing das Feuer an und verbrannte die Türen und Fenster, so dass der Fuchs nur noch zu Asche werden konnte.
3
Liu Youhan, der Zensor, lebte er einmal im Haus eines Freundes in Shandong und hörte, dass das Mädchen nebenan von einem Fuchs verführt wurde. Der Vater des Mädchens folgte dem Fuchs und entdeckte seine Höhle. Mit jeder denkbaren Methode fing er einen Baby-Fuchs und schlug einen Deal dem Fuchs vor und sagte: „Ich werde deinen Sohn freigeben, sobald du meine Tochter freigibst.“
Der Fuchs stimmte zu. Doch nachdem der Babyfuchs freigelassen wurde, kehrte der Fuchs zurück. Als der Vater schimpfte, weil der Fuchs sein Wort nicht hielt, erwiderte er und sagte:
„Häufig ist der Betrug, den die Menschen gegeneinander üben. Warum verurteilst du nur Kreaturen meiner Art?“
Äußerst bitter und ranzig, zwang der Vater seine Tochter, einen Vorwand zu suchen, dass der Fuchs etwas trinke, während er heimlich Arsen den Fuchs trinken ließ. So vergiftet, wurde der Fuchs verwandelt und ist in Panik geflohen. Nachtsteine und Schindeln wurden aufs Haus geworfen. Wände und Türen wurden erschüttert. Eine Horde von Füchsen, die einen Schrei erhoben, war gekommen, Menschenleben als Entschädigung zu fordern.
Der Vater, mit einer strengen Stimme, erzählte den Vorfall dem Liu von Anfang bis Ende. Er berichtete, was ein alter Fuchs zu sagen hatte der Horde von Füchsen:
„Traurig in der Tat ist es, dass ihr euch nur die Menschen seht, die sich gegenseitig täuschen, und wählt sie, um ihrem Beispiel zu folgen, ihr kennt nicht den Weg des Himmels und die Unvermeidlichkeit der Vergeltung für die, die sich mit Täuschung abgeben, sie werden schließlich selbst getäuscht. Kühn, ihm zu schaden, würde das Böses bringen. Die ganze Bande kommt mit mir zurück.“
Als dies gesagt wurde, war alles wieder still. Dieser alte Fuchs war in seiner Einsicht weit überlegen.
4
Wu Lintang erzählte von einem jungen Mann, der von einer Füchsin verführt wurde, und obwohl er allmählich verwelkte, kam die Füchsin immer weiter. Seine Energien wurden so erschöpft, dass er schließlich nicht in der Lage war, sie zu befriedigen, wenn die beiden zusammen waren. Die Füchsin zog die Kleider an, um sich zu entfernen. Der junge Mann weinte und flehte sie an zu bleiben, doch weigerte sie sich fest.
Als sie wegen ihres Mangels an Gefühlen gerügt wurde, erwiderte die Füchsin zornig: „Es gibt keine ehelichen Verpflichtungen zwischen uns, ich bin für den besonderen Zweck gekommen, geistige Nahrung zu bekommen, die Sahne und das Wesen deines Wesens sind erschöpft, da ist nichts mehr zu gewinnen. Warum soll ich nicht gehen? Das ist wie die auf der Macht und dem Einfluss aufgebauten Liäsonen, die gebrochen werden, wenn es keine Macht und keinen Einfluss mehr gibt. Auch die auf Reichtum aufgebauten Liäsonen werden getrennt, wenn es keinen Reichtum mehr gibt. Reichtum und Macht haben ihre Aufmerksamkeit erregt, nicht irgendwelche echten Gefühlen, und hattest du dich nicht in Ai-Wei verliebt, um die du dich jetzt nicht mehr kümmerst? Und mir machst du Vorwürfe!“
5
In einer örtlichen Gemeinde gab es mehrere junge Bauern. Auf dem Friedhof, der zu einem gewissen Clan gehörte, gab es Füchsinnen, die Form annehmen und Männer verführen konnten. Die Männer nahmen nachts Fallen mit sich und legten sie an die Mündungen von Löchern und Winkeln, so haben sie zwei Füchsinnen gefangen. Damit die Füchsinnen ihre Formen nicht änderten, stachen die Bauern schnell mit den Dolchen in ihre Oberschenkel und fesselten sie mit Seilen. Wetzend ihre Messer, drohten sie den Füchsinnen:
„Wenn ihr menschliche Gestalt annehmen und uns Wein servieren werdet, werden wir euch freigeben, sonst werden wir euch schlachten.“
Die beiden Füchsinnen schrien und sprangen herum, als ob sie es nicht verstanden hätten. Die Bauern, die verärgert waren, stachen eine von ihnen zu Tode. Die andere sprach dann mit menschlicher Stimme:
„Ich habe weder Kleider noch Schuhe, wie könnte ich euch vors Gesicht kommen, wenn ich in einen Menschen umgewandelt werde?“
Die Bauern hielten ihre Messer vor ihre Augen. Durch eine Reihe von Wendungen und Wandlungen verwandelte sie sich in eine schöne Frau, die nackt war. Die Gruppe war ekstatisch vor Vergnügen, und einer nach dem anderen machte unanständige Fortschritte bei ihrer Vergewaltigung. Mit ihren Armen um sie herum, zwangen sie sie, ihnen Wein zu präsentieren, die ganze Zeit fest am Seil, mit dem die Frau gebunden war. Sie sprach leise und verführerisch und flehte sie an, das Seil zu lösen. Sobald sie aber ihre Hände freiließen, verschwand sie im Glitzern des Lichts.
Als sie sich nach Hause kamen, konnten die Bauern Flammen in der Ferne sehen. Alle ihre Häuser wurden zu Boden verbrannt, und eine Tochter des Mannes, der die Füchsin getötet hatte, war zu Tode verbrannt.
Fortan kannte man die Rache der Füchsin. Obwohl diese Füchsinnen den Männern keine Schwierigkeiten machten, entschieden sich die Männer, sie zu verjagen. Geeignet genug sind die Konsequenzen für diejenigen, die Böses tun!
6
He Zixiao lebte am Ostufer des Tiaoxi-Flusses in Zhejiang. Vor dem Haus war nichts als Wildnis. Eines Abends ging er spazieren. Er traf eine alte Frau, die einen Esel, mit einem jungen Mann, der hinter ihm lief, ritt. Die Frau war in ihren fünfziger Jahren und hatte eine ungewöhnliche Haltung. Der junge Mann war ungefähr fünfzehn oder sechzehn und sah so hübsch aus wie ein außergewöhnlich schönes Mädchen. He Zixiao war ein Homosexueller und sah den jungen Mann an, er war total überwältigt von seinen hübschen Zügen. Lange nachdem sie an ihm vorbeigegangen, blickte er immer noch auf seinen Rücken. Tatsächlich ist er nicht nach Hause gegangen, bis der junge Mann völlig außer Sicht war.
Am nächsten Tag ging He Zixiao früh nach Hause und wartete darauf, dass der junge Mann wieder vorbeikäme. Es war nicht bis zur Dämmerung, da der junge Mann tatsächlich vorbeikam. He Zixiao ging zu ihm und fragte ihn, woher er gekommen. Der junge Mann sagte, er sei von seinem Großeltern zurückgekehrt. He Zixiao lud den jungen Mann zu einem Mahl in seinem Haus ein, aber der Mann lehnte ab und sagte, dass er zu beschäftigt sei. Als der junge Mann endlich He Zixiaos beharrlichen Wunsch erfüllte und sich bereit erklärte, in sein Haus zu kommen, wollte er früh gehen und alle Anstrengungen ablehnen, ihn dort lange festzuhalten. He Zixiao musste ihn verabschieden, lud aber den jungen Mann wieder ein. He Zixiao war unruhig und konnte sich auf nichts konzentrieren. Sein einziger Wunsch war, den jungen Mann wieder zu sehen.
Bei Sonnenuntergang eines Tages kam der junge Mann wieder. Mit großer Freude lud He Zixiao ihn ein und gab ein Fest für ihn. Während ihres Gesprächs sagte der junge Mann ihm, dass sein Familienname Huang und er das neunte Kind in der Familie sei. „Warum gehst du oft an meinem Haus vorbei?“ fragte He Zixiao aufmerksam. Huang sagte: „Meine Mutter lebt mit meinem Großvater, und da sie oft krank wird, besuche ich sie ziemlich oft.“ Als sie genug getrunken hatten, wollte der junge Mann von seinem Wirt Abschied nehmen, aber He Zixiao weigerte sich, ihn loszulassen, und verschloss die Tür. Huang konnte nicht gehen, und er errötete. He Zixiao zündete die Kerze an und führte sein Gespräch mit Huang weiter. Da sie sprachen, schien Huang eher wie ein jungfräuliches Mädchen zu sein, und wann immer He Zixiao Worte der Verführung benutzte, wandte Huang den Kopf zur Mauer, als ob er sich sehr schämen würde über das, was er hörte. Bald schlug He Zixiao vor, zu Bett zu gehen, aber Huang lehnte ab und sagte, dass die Art, wie er schlief, hässlich wäre, und deshalb wollte er hier nicht schlafen. Erst nach langer Überredung durch He Zixiao zog Huang seine Jacke aus und ging mit der Hose ins Bett. He Zixiao blies die Kerze aus und legte seinen Kopf auf Huangs Kissen. Als nächstes legte er seinen Arm um Huangs Schulter, sein Bein auf Huangs Körper und umarmte ihn herzlich. Huang war wütend und protestierte: „Ich war damit einverstanden, hier bei dir zu bleiben, weil ich dachte, du wärst eine verständnisvolle und gebildete Person. Wie kannst du dich wie ein Tier verhalten?“ Sobald die Morgendämmerung erschien, ging Huang. He Zixiao wünschte, Huang würde bald wiederkommen.
Einige Tage später kam Huang zurück, zu He Zixiaos großer Freude. He Zixiao entschuldigte sich für das, was er das letzte Mal getan hatte, und bestand darauf, dass Huang in seinem Studium mehr Konversation übte. Im Geheimen gratulierte er sich, dass Huang keinen Groll gegen ihn hegte, weil er das letzte Mal ihm zu nahe gekommen war. Bald gingen die beiden wieder zu Bett. Einmal streichelte He Zixiao den Huang sanft und bat um eine intime Handlung. Huang sagte: „Ich kenne deine Gefühle, aber warum musst du das machen?“ Mit bewegten Worten bat He Zixiao, nur Huangs Körper berühren zu dürfen, worauf Huang zustimmte. Als Huang schlief, kam He Zixiao ihm leise näher und streichelte ihn wieder. Huang wachte auf, zog seine Kleider an und lief im Dunkeln davon. Enttäuscht, konnte He Zixiao nicht essen oder schlafen. Mit jedem Tag wurde er dünner und dünner. Jeden Tag schickte er seine Diener aus, um auf Huang vor dem Haus zu warten.
Eines Tages passierte Huang das Haus von He Zixiao und wurde von den Dienern hereingezogen. Huang war überrascht, He Zixiao so ernsthaft zu sehen und versuchte, ihn zu trösten. He Zixiao sagte Huang, warum er so krank war, und Tränen kamen ihm, als er sprach. Mit einer weichen Stimme sagte Huang: „Ich glaube wirklich, dass diese Art von Liebe, die du erbittest, nicht gut ist, sondern dir nur Schaden zufügt. Aber wenn du denkst, dass es das ist, was dir Freude macht, habe ich nichts zu verlieren!“ He Zixiao war überglücklich, dies zu hören, und nach ein paar Tagen war er wieder völlig gesund. Als Huang das nächste Mal zurückkam, erlaubte er He Zixiao, sein Vergnügen an ihm zu haben. Als es vorbei war, sagte Huang zu He Zixiao: „Ich habe es getan, um dir heute zu gefallen, aber ich hoffe, dass wir das nicht allzu oft machen werden.“ Huang fuhr fort zu sagen: „Es gibt etwas, bei dem ich deine Hilfe brauche. Wirst du mir helfen?“ He Zixiao fragte ihn, was es wäre. Huang sagte: „Meine Mutter leidet unter Herzstörungen, sie kann nur geheilt werden, indem sie die himmlischen Pillen von Doktor Qi bekommt. Du bist gut mit ihm vertraut, kannst du die Medizin nicht für mich bekommen?“ He Zixiao war einverstanden. Am selben Abend reichte er Huang die Medizin, die er erhalten hatte, und Huang dankte ihm reichlich. He Zixiao wollte noch einmal mit Huang intim werden, der aber sagte: „Ich habe jemanden gefunden, der viel besser ist, wenn es um das Liebesspiel geht. Sie ist meine Cousine und eine seltene Schönheit. Wenn du einverstanden bist, werde ich der Heiratsvermittler sein.“ He Zixiao lächelte glücklich, antwortete aber nicht. Huang ging mit der Medizin heim.
Drei Tage später kam Huang zurück und fragte nach mehr Medizin. He Zixiao beschwerte sich, dass Huang nicht früher zurückgekommen war. Huang erklärte: „Ich bin nicht früher gekommen, weil ich deine Gesundheit nicht verderben wollte, da du mich nicht verstehst, bitte bereue es nicht später.“ Danach kam Huang jeden Abend, und alle drei Tage fragte er nach himmlischen Pillen. Doktor Qi wurde neugierig und fragte He Zixiao: „Alle anderen haben sich nach der Einnahme der Medizin für drei Tage erholt. Was für ein Problem hast du, dass du so viel davon genommen hast?“ Trotzdem gab er He Zixiao genug Medizin, um noch drei Tage auszuhalten. Der Arzt sah He Zixiao an und sagte: „Du siehst so grau aus, bist du sehr krank?“ Der Doktor fühlte seinen Puls und sagte überrascht: „Warum ist dein Puls wie der eines Geistes? Wenn du es nicht ernst meinst, ist dein Leben in Gefahr!“
He Zixiao erzählte Huang, was der Doktor gesagt hatte, und Huang seufzte: „Er ist ein sehr guter Arzt, und um dir die Wahrheit zu sagen, ich bin ein Fuchs, und wenn wir so weitermachen, wird es dir nichts Gutes tun.“ He Zixiao dachte, Huang habe ihn betrogen, also versteckte er etwas von der Medizin, in der Angst, dass Huang nicht mehr kommen würde, um ihn zu sehen.
Da ward He Zixiao sehr krank, und Doktor Qi kam, um ihn zu behandeln. Der Arzt sagte: „Du hast mir nicht die Wahrheit gesagt, jetzt bist du in der Nähe des Todes, auch als ein guter Arzt wie Qin Yuan wöre nicht in der Lage, dich zu heilen!“ Huang kam jeden Tag, um sich um He Zixiao zu kümmern, und sagte zu ihm: „Du hast dich geweigert, mir zuzuhören, und nun siehe, wie du heute bist! Du bist so krank!“ Ein paar Tage später starb He Zixiao, und Huang weinte traurig.
Bevor all dies geschah, war ein Hofhistoriker ein Klassenkamerad von He Zixiao. Er bestand die nationale Kaiseruntersuchung und wurde Amtsgerichtsmann. Zu der Zeit nahm der Chefsekretär der Provinz Shaanxi Bestechungsgelder und herrschte wie ein Despot. Da er Beamte im Gericht bestochen hat, trat niemand vor, um seine Verbrechen anzuklagen. He Zixiaos Klassenkamerad schrieb dem Kaiser eine Petition, in der er die Verletzungen des Chefsekretärs enthüllte, aber der Klassenkamerad wurde von seinem offiziellen Posten entlassen. Später wurde der Chefsekretär zum Gouverneur von Zhejiang, der Heimatprovinz des Historikers, befördert. Einmal versuchte der Gouverneur, den Historiker zu finden. Als er jung war, hatte der Historiker das Vertrauen und den Respekt eines abtrünnigen Fürsten gewonnen. Nun entdeckte der Gouverneur die geheimen Briefe zwischen dem Historiker und dem Fürsten, mit denen er den Historiker erpresste. Erschrocken hängte sich der Historiker auf.
Ein Tag später wachte der Historiker auf und sagte: „Ich bin He Zixiao.“ Und alles, was er sagte, war wirklich das, was in des echten He Zixiao Familie passiert war. Die Leute erkannten, dass der Historiker eine Reinkarnation von He Zixiao war. Tatsächlich ist er sogar in He Zixiaos ehemaliges Zuhause gezogen. Als der Gouverneur das hörte, dachte er, es sei eine Handlung, die ihn verderben wollte. So schickte er die Leute zu He Zixiaos Haus und forderte die Zahlung von Gold. Der reinkarnierte He Zixiao tat so, als ob er der Zahlung zustimmte, aber er war zu Tode besorgt. Gerade da kam Huang zu Besuch. He Zixiao wurde aufgeregt und wollte wieder mit Huang Liebe machen, der ihn tadelte und sagte: „Glaubst du etwa, du habest drei Leben?“ He Zixiao sagte: „Nun, ich bedauere, wieder zum Leben gekommen zu sein. Der Tod bedeutet viel weniger Sorgen.“ Da sagte er zu Huang, worüber er sich Sorgen mache. Huang dachte eine Weile bach und sagte: „Ich habe dir schon mal von meiner Cousine erzählt, du bist noch Single, wie wäre es mit dieser talentierten und wunderschönen Dame? Ich bin mir sicher, dass sie dir helfen kann, dich von allen deinen Sorgen zu befreien.“ He Zixiao sagte, er wollte das Mädchen zuerst sehen. Huang sagte: „Das ist leicht zu arrangieren.Morgen werde ich sie von meiner Mutter zu deinem Haus begleiten, bitte sage, mein Bruder zu sein, ich werde sagen, ich hätte Durst, und frage dich nach einem Tee. Wenn du dann sagst: Der Esel läuft weg, bedeutet es, dass du der Ehe zugestimmt hast. Dann wirst du gesund und ohne Sorgen mit einem Mädchen Liebe machen.“
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Fuchsgeister besetzen die gleiche mythologische Nische wie die Feen in der westlichen Mythologie. Sie sind wunderschön, jenseitig, schwer fassbar, mächtig, schelmisch und rachsüchtig. In der chinesischen Mythologie ist die menschliche Gestalt der Gipfel der Schöpfung. Alle Tiere, und manchmal Pflanzen, versuchen, die menschliche Form auf ihrem Weg zur Unsterblichkeit zu erreichen. Von diesen Tieren scheinen Füchse am meisten dem Menschen zu folgen. Sie tun dies, indem sie das Wesen des Mondes und der Sonne in sich vereinigen. Einige Folklore-Legenden behaupten, dass der Fuchs dies durch die Durchführung der Rituale bei Vollmond erreicht. Nach ein paar Jahrhunderten erwerben sie die Fähigkeit, sich in menschliche Gestalt zu verwandeln.
Die meisten Fuchsgeister in Geschichten sind weiblich. Sie erscheinen meist als sehr schöne Frauen. Die männlichen Fuchsgeister, selten wie sie sind, erscheinen entweder als gelehrte und hübsche Männer oder weise alte Männer. Man kann einen Fuchsgeist von einem Menschen durch ihren Schwanz unterscheiden. Einige von ihnen haben die menschliche Form nicht ganz beherrscht. Während der Körper menschlich genug aussieht, bleibt der Schwanz. Sie lösen das Problem, indem sie ihren Schwanz in ihre Hose stecken. Diejenigen, die die menschliche Gestalt beherrschen, können verlockt werden, ihre wahre Gestalt zu zeigen, indem man sie betrunken macht. Wenn also dein Freund nach einer guten Nacht des Trinkens menschlich bleibt, kannst du glauben, dass er menschlich ist. Wenn sie getötet werden, kehren sie zu ihrer ursprünglichen Form zurück. Es sind die Frauen, die gefährlich sind. Sie versuchen gewöhnlich, mit menschlichen Männchen zu kopulieren. Sie benutzen die sexuelle Handlung selbst, um die Energie ihres Partners aufzunehmen, um sie ihren eigenen Kräfte hinzuzufügen. Solche Beziehungen, wenn sie verlängert werden, führen zu Krankheit und schließlich zum Tod für den Mann. Also, wenn du eine schöne Frau siehst, die mit dir Sex haben will, dann pass auf!
Die meisten Fuchsgeister sind nicht so unverschämt wie diese. Die Fuchsgeister, die gewöhnliche Menschen erlebt haben, sind viel schwerer. Sie leben auf dem Dachboden oder in einem verlassenen Zimmer in einem großen Haus. Man sieht sie nie. Du weißt, dass sie da sind, wegen der Geräusche, die sie machen. Der Unterschied zwischen Fuchsgeistgeräuschen und Gespenstergeräuschen ist natürlich, Fuchsgeister machen die Geräusche Tag und Nacht. Manchmal werfen die Fuchsgeister Dinge wie Felsen und Fliesen in den Hof oder gegen die Tür. Du weißt, dass die Leute nicht für die Störung verantwortlich sind, weil du niemanden um das Haus sehen kannst. Wenn eine Familie von einem Fuchsgeist verfolgt wird, richten sie im verlassene Dachboden einen Schrein ein. Räucherstäbchen werden regelmäßig verbrannt. Manchmal wird auch Essen dargeboten. Die Dinge schweigen nachher. Die meiste Zeit lassen die Fuchsgeister ihre Vermieter allein, wenn die Vermieter sie alleine lassen. Manchmal werden die Fuchsgeister sogar auf irgendeinen Dieb oder Einbrecher aufpassen, die dumm sind, ein solches Haus zu berauben.
Pu Sung-Lin sagte, dass der Glaube an Fuchsgeister vor allem auf Nordchina begrenzt sei. In Südchina ist der Hauptglaube auf eine viel bösartigere Art von Geist namens Wu Tong gerichtet. Ich werde eine Wu- Tong-Geschichte später übersetzen. Der Geist in der Geschichte "Die Geschichte von Tseng Shi" kann ein Wu Tong sein. Doch der Glaube an Wu Tong scheint in den letzten zwei Jahrhunderten im Süden gestorben zu sein. Meine Großmutter ist in Fujian aufgewachsen, das definitiv in Südchina ist, doch der einzige Geist, den sie kennt, ist der Fuchsgeist. Der bösartige Wu Tong verlor den Krieg um den Glauben der Menschen. Werden die Fuchsgeister nun auch den Glauben an die Menschen verlieren?
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Es war ein Mann mit dem Nachnamen Li, der in Tsao Chou lebt. Er besaß den größten Reichtum in der Stadt. Hinter seinem Haus hatte er ein leeres Grundstück, das verschwendet war. Eines Tages kam ein alter Mann zu ihm und bot ihm an, das Grundstück für hundert Goldstücke zu mieten. Li verweigerte den Boden, da das Grundstück kein Haus darauf hatte. Der alte Mann sagte: „Bitte akzeptiere das Geld und mach dir keine Sorgen um den Rest.“ Li verstand nicht, aber er nahm das Geld an, nur um zu sehen, was passieren würde. Nach einigen Tagen kam der alte Mann zu ihm und sagte: „Ich bin schon eingezogen, aber wir sind so beschäftigt, unseren neuen Haushalt einzurichten, dass wir die guten Manieren vernachlässigt haben. Heute werden meine Kinder ein Bankett für dich, den Vermieter, vorbereiten. Ich hoffe, du wirst uns mit deiner Anwesenheit zieren.“ Li ging zum Grundstück und entdeckte zu seiner Überraschung dort ein brandneues Herrenhaus. Als er hereinkam, sah er, dass das Innere reichlich dekoriert und eingerichtet war. Krüge des Weines säumten die Gehwege, und die Düfte des guten Tees wehten aus der Küche. Als das Bankett begann, wurde er von dem alten Mann bedient. Der Wein war vom feinsten Jahrgang. Er sah und hörte viele Männer, Frauen und Kinder, vielleicht mehr als hundert insgesamt, die in der Villa wohnten. Er wusste da, dass sie keine gewöhnlichen Menschen sein konnten, sondern Fuchsgeister. Als er vom Bankett zurückkam, kehrte er mit dem Tod in seinem Herzen zurück. Er kaufte Schwefel und anderes brennbare Material vom Stadtmarkt und legte es mit Hilfe seiner Diener heimlich um das neue Herrenhaus herum. Als er fertig war, zündete er es an. Das Feuer brannte und schickte schwarzen Rauch gen Himmel wie ein schwarzer und böser Pilz. Der Geruch des brennenden Fleisches und die Schreie des Sterbenden füllten die Sinne. Als das Feuer erlosch, gingen er und seine Diener in die Trümmer. Dort fanden sie die verkohlten Körper von Hunderten von toten Füchsen. Während er das Gemetzel inspizierte, trat der alte Mann in die Villa ein. Das Gesicht des alten Mannes war von Trauer und Wut verzerrt. Er sagte: „Ich habe dir niemals Unrecht getan, ich habe dir Hunderte Goldstücke in gutem Glauben gegeben, das ist kein gigantisches Geld, wie kannst du dein Gewissen begraben und uns schlachten? Ich muss den grausamen Tod meiner Familie rächen.“ Dann ist der alte Mann gegangen. Li dachte, der alte Mann würde nur versuchen, einige übernatürliche Tricks gegen seine Familie anzuwenden, wie das Werfen von Steinen in sein Haus, aber Jahre vergingen und nichts passierte.
Dann versammelten sich Zehntausende von Banditen auf einem nahe gelegenen Berg. Die örtlichen Beamten konnten nicht genug Kräfte sammeln, um sie zu unterdrücken. Li machte sich Sorgen um die Sicherheit seiner großen Familie und sein ziemlich großes Vermögen. Dann kam ein Astrologe, der sich „Alter Mann des südlichen Berges“ nannte, in die Stadt. Der Astrologe wurde berühmt, weil er alles zu wissen schien, und alles, was er voraussagte, wurde wahr. Li lud den Astrologen in sein Haus ein und fragte nach seinem zukünftiges Vermögen. Der Astrologe stand von seinem Sitz auf und sagte: „Das ist der wahre Kaiser!“ Li hatte Angst und erstaunte. Dann beschuldigte er den Astrologen zu lügen. Der Astrologe sagte: „Seit der Antike sind alle Dynastien von Kaisern gegründet, die aus der gemeinsamen Geburt kamen. Wer unter ihnen ist der Kaiser?“ Li begann ihm zu glauben. Der Astrologe bot an, Li's Militärberater zu werden und bat ihn, Rüstungen und Waffen vorzubereiten. Li machte sich Sorgen, dass ihm niemand folgen werde. Der Astrologe sagte: „Ich werde in die Berge gehen und für den wahren Kaiser sprechen, ich werde ihnen von deinem großen Schicksal erzählen, und die Banditen werden dir bestimmt folgen.“ Li wurde froh und schickte den Astrologen fort. Li als begann sich vorzubereiten, wie der Astrologe ihn belehrt hatte. Der Astrologe kehrte einige Tage später zurück und sagte: „Dein großes Prestige und meine Zunge haben alle Banditen überzeugt, dir zu folgen.“ Li sah nach draußen und sah Tausende bereit, ihm zu folgen, also machte er den Astrologen zu seinem Chefberater. Er erhob dann ein großes Banner und verkündete seinen eigenen kaiserlichen Status. Er befestigte seine Stellungen in den Bergen, und das Geräusch seines Namens schüttelte die benachbarten Präfekturen. Als die Präfektur eine Armee gegen Li's Armee schickte, führte der Astrologe die Verteidigung und zerstörte leicht die kleine Regierungsarmee. Der Präfektur-Richter wurde sehr ängstlich und bat um Hilfe des Fürsten. Der Fürst entsandte eine größere und besser ausgestattete Armee. Diese Armee ging in einen vom Astrologen vorbereiteten Hinterhalt und wurde wieder zerstört. Das Prestige von Li wurde groß, und seine Armee schwoll an. Er hat sich dann „König von den Neun Bergen“ genannt. Der Astrologe sagte Li, dass die Armee Pferde brauche. Er erzählte Li von einer Karawane, die kaiserliche Pferde aus der Hauptstadt transportierte. Li überfiel die Karawane und nahm alle Pferde. Sein Prestige schwoll noch mehr an, und so war groß sein Stolz. Li gab nun dem Astrologen den Titel „Herr Protektor“. Für sich selbst glaubte er, dass er bald die Drachenrobe tragen würde. Der Provinzgouverneur war sehr beunruhigt und erschreckt durch den Raub der kaiserlichen Pferde. Er erhielt Verstärkung von der kaiserlichen Regierung. Er teilte seine Armee in sechs Reihen und griff Tsao Chou an. Das Banner der kaiserlichen Armee füllte die Bergtäler um die Festung des Königs. Der König von den Neun Bergen ärgerte sich und fragte den Astrologen um Rat, aber seine Untergebenen konnten den Astrologen nicht finden. Der große König schaute auf seine Feinde und sagte: „Ich habe nie erkannt, wie mächtig die kaiserliche Regierung ist.“ Bald war seine Festung kaputt, und er wurde gefangen genommen. Weil er das Verbrechen der versuchten Usurpation sowie des Banditenwesens begangen hat, wurden Li und seine ganze Familie hingerichtet. Erst dann erkannte er, dass der Astrologe der alte Fuchs war, den er verraten hatte.
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Die Geschichte von „Hong-yu [紅玉], der Geisterfüchsin“ beginnt als himmlischer One-Night-Stand. Dies ist eine der frühesten Formen des Fuchs-Mythos, wo die Fuchs-Fee den Mann seiner Kraft raubt, seines Spermas, damit die Füchsin ihr volles Leben leben kann. Wie oben erwähnt, ist die Geisterfüchsin immer auf der Suche nach Yang, dem männlichen Element, um ihre Konstitution auszugleichen. In den frühesten Geschichten tat die Geisterfüchsin den Mann während der Nacht zu mehrfachen Orgasmen wecken und ging dann vor der Morgendämmerung, wurde manchmal in Fuchsform gesichtet.
Doch in dieser Geschichte fliegt Hong-yu nicht einfach am nächsten Morgen weg, sondern kommt aufmerksam zurück. Darüber hinaus, wenn sie von dem Vater des Mannes verachtet wird, findet sie für ihren verführten Gelehrten eine schöne menschliche Frau als Ersatz.
Eine Tragödie kommt bald dem Gelehrten zu, wenn ein mächtiger Mann die junge Ersatzfrau entführt, die dann Selbstmord begeht und zuvor vergewaltigt wird. Als nächstes, mit dem Verdacht auf Mord an dem Kidnapper, der auf den Gelehrten fällt, wird sein Säuglingssohn einen Berghang hinuntergeworfen und wie tot liegen gelassen.
Nach diesen Tragödien erscheint Hong-yu als Retterin. Sie rettet den Sohn und kehrt zurück, um dem Mann zu helfen, sein Leben wiederherzustellen. So, am Ende der Geschichte, hat Hong-yu ihr angebliches Opfer als gerechte Retterin gerettet und ihn nicht als Parasit behandelt.
Der Fuchs-Geist, mit seiner vitalen Suche nach dem Yin, wird von überschüssigem Sex profitieren. Die einzige andere, die von sexuellem Überschuss zu profitieren weiß, ist die Prostituierte. In der Tat fand man einen Tempel in Fuzhou, der dem Fuchs gewidmet war, der „Neun Offiziere-Tempel“ genannt wurde, wo die örtlichen Prostituierten beteten.
In der Geschichte von Fräulein Lien-hsiang oder Lianxiang erscheint die Geisterfüchsin in der Gestalt einer Prostituierten. Die Geschichte ist bemerkenswert, da sie die Widerlegung enthält, dass Fuchsgeister vor allem die Kraft eines Mannes abtropfen lassen. Lien-hsiang weist darauf hin, dass jedes Übermaß, entweder mit einem Fuchs-Geist oder mit einem Menschen, den Mann abbauen wird.
In dieser Geschichte ist Lien-hsiang Teil eines Liebesdreiecks von zwei Mädchen und einem Gelehrter namens Sang Tsu-ming, aber Pu Song-ling fügt eine faszinierende Version hinzu. Ein Liebhaber ist ein jungfräulicher Geist namens Li, der aus einer guten Familie kommt; der andere Liebhaber ist der sexuell erfahrene Fuchs Lien-hsiang. Doch in dieser Geschichte ist es der Geist Li, der die Ursache der sexuellen Überdimension ist, nicht der Fuchs-Geist Lien-hsiang, der wiederum eine rettende Rolle für den Gelehrten Sang annimmt.
In der Geschichte von „Ying-ning, dem lachenden Mädchen [嬰 寧]“ bewegt Pu Songling seinen Charakter weit weg von der Vorstellung des sexuell erlebten Fuchsmädchens. Ying-ning ist ein hervorragend naives Mädchen, das ständig lacht und eine besondere Vorliebe für Blumen hat.
Auf dem Laternenfest ist ein junger Gelehrter namens Wang Tzu-fu [王子 服] von der wunderschönen Ying-ning verhext, die ihm einen Spritzer Pflaumenblüten auf den Boden spritzt. Als Wang schwach wird, sucht sein Cousin ihn zu beschwichtigen, indem er ihm sagt, dass Ying-ning seine entfernte Cousine aus einem Dorf ungefähr 10 Meilen entfernt ist. Wang erholt sich und sehnt sich danach, Ying-ning zu besuchen, aber der Cousin entschuldigt sich immer, da er das Mädchen noch nie gefunden hat.
Irgendwann geht Wang auf eigene Faust und findet ein solches Dorf und das kichernde Mädchen Ying-ning. Nachdem er seine Liebe erklärt hat, nimmt er Ying-ning als seine Frau mit sich. Doch während ihr unaufhörliches Lachen viele erfreut, treibt sie ihre Schwiegereltern an, um verzweifeln zu lassen.
Doch ihre Obsession mit den Blumen führt zu ihrer Umwandlung. Als ein Nachbar sie sieht, wie sie ein Gitter auf der Suche nach einer feinen Rose hinaufklettert, hält er ihr Lachen für einen Flirt und eine Einladung zum Triumph. In dieser Nacht umarmt er sie und dringt in sie ein, nur um quälenden Schmerz zu fühlen; es stellt sich heraus, dass er einen hohlen Baum mit einem Skorpion umarmt hat, und bald stirbt er.
Von dieser Erfahrung gezüchtigt, nimmt Ying-ning die Ermahnung ihrer Schwiegermutter an und lacht nicht mehr und wird eine pflichtbewusste Frau.
Die Geschichte von Hsiao-tsui Xiaocui [小翠] ähnelt der von Ying-ning, wobei beide über die Versuche, eine gute Schwiegertochter zu sein, sich an ihre neue Familie anpassen. In dieser Geschichte heiratet die Geisterfüchsin Hsiao-tsui den idiotischen Sohn des Mannes, der schon lange ihren Fuchskörper vor Blitz geschützt hatte.
Die Tendenz für übernatürliche Frauen, passive Ehemänner zu haben, wird in dieser Geschichte zum Extrem gebracht. Hsiao-tsui freut sich, ihren Mann zu verkleiden und mit ihm Rollen zu spielen. Diese bizarren Spiele dienen dazu, ihre Schwiegereltern zu entfremden und zu begeistern.
Die Schwierigkeiten mit ihren Schwiegereltern werden durch das Fehlen eines Kindes weiter erhöht. Das Problem dieser Zeit ist die sexuelle Naivität des Mannes und seine Idiotie, die Hsiao-tsui beide drastisch heilt. So wird die Geisterfüchsin atypisch die sexuelle Retterin und nicht die sexuelle Zerstörerin eines Mannes.
Kaum hat Hsiao-tsui ihren menschlichen Mann ganz gemacht, als seine undankbaren Eltern über eine gebrochene Vase fallen. Dieses Mal verlässt sie die Familie und kehrt zur Fuchs-Welt zurück und ersetzt sich mit einer menschlichen Braut, die allmählich Hsiao-tsui's Aussehen annimmt.
So wird von Pu Song-ling kommentiert, der Adel des Fuchsgeistes wird gezeigt. Der Fuchs lehnt die menschliche Gunst ab, indem er den idiotischen Sohn heiratet und heilt, doch die menschliche Familie beweist sich ihrer unwürdig durch ihre weltliche Kleinlichkeit.