VON TORSTEN SCHWANKE
Luther, Martin - Vorrede auf den Propheten Jona
Diesen Propheten Jona wollen etliche halten, wie Hieronymus zeigt, er sei der Witwe Sohn gewesen zu Zarpath bei Zison, die den Propheten Elias näherte zur teuren Zeit, im ersten Buch der Könige im 17. Kap. (V. 9.) und Lk. 4. (V. 26.) nehmen dess Ursache, dass er hier sich selbst nennt ein Sohn Amithai, das ist, ein Sohn des Wahrhaftigen, weil seine Mutter zu Elias sprach, da er ihn vom Tod erweckt hatte: Nun weiß ich, dass die Rede deines Mundes wahrhaftig ist.
Das glaube, wer da will, ich glaubs nicht, sondern sein Vater hat Amithai geheißen, auf Lateinisch Verax, auf Deutsch Wahrhaftig. Und ist gewesen von Gath-Hepher, welche Stadt liegt im Stamm Sebulon, Josua im 19. Kap. (V. 13.) Denn also steht geschrieben im 14. Kap. (V. 25.) im andern Buch der Könige: Der König Jerobeam brachte wieder herzu die Grenze Israel von Hemath an bis ans Meer im Blachfeld, nach dem Wort des HERRN, des Gottes Israel, welches er geredet hatte durch seinen Diener Jona, den Sohn Amithai, den Propheten von Gath-Hepher. Auch so war die Witwe zu Zarpath eine Heidin, wie Christus auch meldet in Lk. im 4. Kap. (V. 26.). Aber Jona bekennt hier im 1. Kap. (V. 9.), er sei ein Hebräer.
So haben wir nun, dass dieser Jona gewesen ist zur Zeit des Königs Jerobeam, dessen Großvater war der König Jehu, zu welcher Zeit der König Usia in Juda regierte. Zu welcher Zeit auch gewesen sind in dem selben Königreich Israel die Propheten Hosea, Amos, Joel, an andern Orten und Städten. Daraus man wohl nehmen kann, wie ein trefflicher, teurer Mann dieser Jona im Königreich Israel gewesen ist, und Gott große Dinge durch ihn getan hat, nämlich, dass durch seine Predigt der König Jerobeam so glückselig war, und gewann alles wieder, was Hasael, der König zu Syrien, hatte dem Königreich Israel abgeschlagen.
Aber das ist über alles, was er in seinem Volk getan, dass er ein solch großes mächtigs Königreich zu Assyrien angreifen kann, und so fruchtbar predigt bei den Heiden, der bei den Seinen nicht so viel hätte mögen mit vielen Predigten ausrichten; als wollte Gott damit anzeigen den Spruch Jesajas: Wer es nicht gehört hat, der wird es hören. Zum Exempel, dass alle, die das Wort reichlich haben, dasselbe verachten, und die es nicht haben können, es gerne annehmen. Wie Christus in Matth. 21. (V. 43.) selbst sagt: Das Reich Gottes wird von euch genommen und den Heiden gegeben, die ihre Früchte bringen.
Einleitung Einheitsübersetzung
Das Buch Jona ist keine Prophetenschrift, sondern eine Lehrerzählung über den in 2 Könige 14,25 erwähnten Propheten Jona. Der Verfasser ist unbekannt, ist aber wegen des Spätcharakters seiner Sprache und wegen der Bezugnahme auf die bereits vor ihm liegende Heilige Schrift unter den Schriftgelehrten des 4./ 3. Jahrhunderts vor Christus zu suchen.
Diese theologisch außerordentlich bedeutsame Parabel will nicht historisch ausgelegt werden, weil sie offensichtlich jeden geschichtlichen Rahmen sprengt. Das 612 v. Chr. zerstörte Ninive ist bereits zum Typus der gottfeindlichen Stadt geworden, die aber – anders als Jerusalem – nach einem einzigen Tag prophetischer Predigt sich bekehrt und Buße tut (vgl. 3,4 f.) Im ganzen Verlauf der Erzählung reiht sich Wunder an Wunder, womit Gott den engstirnigen und widerspenstigen Jona zwingt, dem göttlichen Willen zum universellen Erbarmen zu dienen. Am Ende ist Gott sogar nachsichtig gegenüber seinem eigenartigen Propheten.
Auch Parabeln können, ähnlich wie die Gleichnisse Jesu im neuen Testament, eine bedeutsame Gottesbotschaft verkünden. Das Buch Jona ist einschließlich des Dankpsalms für die rettende Bergung im Bauch des Fisches (Kap. 2) ein inspiriertes Lehrzeugnis für den alle Schranken durchbrechenden allgemeinen Heilswillen Gottes, den auch seine Berufenen nicht eigenmächtig einschränken dürfen. Wenn Mt 12,41 und Lk 11,29-32 die Bekehrung der Niniviten als nachzuahmendes Beispiel hinstellen und Mt 12,40 die Erzählung von Jona im Bauch des Fisches auf Jesu Begräbnis und Auferstehung hindeuten lässt, folgt daraus nicht die Geschichtlichkeit des Buches Jona, vielmehr seine große theologische Bedeutung.
KAPITEL 1
Der Prophet flieht vor seinem Auftrag
1 Das Wort des Herrn erging an Jona, den Sohn von Amittai, er sagte zu ihm:
Jona heißt übersetzt Taube. Die Taube ist ein Symbol der Reinheit (gallenlose Taube Maria), der Liebe (Vogel der Aphrodite), der Treue (eheliche Treue der Turteltauben), der Geistseele (der Seelenvogel der Heiden), des Friedens, der Hoffnung (Noahs Bote nach der Sintflut), des Heiligen Geistes. Jona bedeutet also: Gott ist rein und heilig, Gott ist Liebe, Gott ist ein treuer Bräutigam, Gott ist der Liebhaber der Seele, in Gott ist Friede, Gott schenkt Hoffnung, Gott ist Geist.
2 »Geh nach Ninive, der großen Stadt, und kündige ihr mein Strafgericht an! Ich kann nicht länger mit ansehen, wie böse die Leute dort sind.«
Ninive war die Hauptstadt des assyrischen Großreichs, im heutigen Irak, das den ganzen Nahen Osten beherrschte, eine militärische Großmacht war, an viele Götter und Göttinnen glaubte, der politische, militärische und religiöse Feind Israels. Die jüdische Dichterin Else Lasker-Schüler schrieb: Was doch „Ninive“ für ein schöner Name für eine Hauptstadt ist, etwa so wie „London“, was nach Donner klingt, wie öde und trocken dagegen das preußische „Berlin“. Jona wird also zu den Heiden, zu den Feinden Israels gesandt. Gott kündet Strafgerichte an. Auch heute gibt es Propheten, die Strafgerichte Gottes ankünden, in Form von Erdbeben, Meeresbeben, Vulkanausbrüchen, Taifunen, Asteroiden-Abstürze. Wenn Gott sein Strafgericht ankündigt, dann nicht, um die Menschenn ohne Hoffnung zu verdammen, sondern um den Geist der Buße, der Umkehr zu Gott, zu erwecken. Allerdings wollen viele Christen gerne, dass der Gott des Neuen Testaments ein liebender und barmherziger Gott ist, der keinen Zorn kennt, der keine Strafen androht, das sei alles alttestamentlich. Die Apokalypse spricht aber auch von Zorn des Lammes. In prophetischen Botschaften spricht die Jungfrau Maria vom Zorn Gottes, von den angedrohten Strafgerichten, die nur durch ihre Fürbittmacht und die Sühne der wenigen wahren Jünger aufgehalten oder zumindest gemildert werden können. Es gibt also auch heute Prophetie im Geiste des Jona, nur dass die meisten Christen nicht auf die Propheten hören, sondern für Propheten halten sie Weltmenschen wie Mahatma Ghandi, Nelson Mandela oder aktuell Greta Thunberg. Propheten fordern aber nicht nur zu politischem Wandel auf, sondern zur Umkehr zu Gott und seinem Gesetz.
3 Jona machte sich auf den Weg, aber in die entgegengesetzte Richtung. Er wollte nach Tarschisch in Spanien fliehen, um dem Herrn zu entkommen. In der Hafenstadt Jafo fand er ein Schiff, das dorthin segeln sollte. Er bezahlte das Fahrgeld und stieg ein.
Warum ist Jona vor dem Auftrag Gottes geflohen? Die erste Antwort könnte sein, dass er einfach vor der Größe des Auftas zurück geschreckt ist. Es ist, als ob ein ostfriesischer Bauernsohn zum amerikanischen Präsidenten geschickt werde. Da kann die geballte politisch-militärische Macht dem armen Prediger schon Angst einflößen. Die zweite Antwort könnte auch dies sein: Im weiteren Verlauf des Buches sieht man, dass Jona mit der universellen Barmherzigkeit Gottes hadert und lieber hätte, wenn Gott den Heiden mit strafender Gerechtigkeit begegnet. Dann wäre Jona geflohen, um nicht den Feinden Israels den Aufruf zur Buße zu überbringen. Wie dem auch sei, es gibt auch heute bei vielen Christen ein Misstrauen Gott gegenüber, was die Berufung betrifft. So sagte eine Christin: Ich glaube, Gott beruft mich zur Evangelisierung der indigenen Völker im Amazonas-Gebiet, aber ich habe große Angst, dass es Gott einfallen könnte, mich zu den Eskimos zu senden, denn da ist es mir zu kalt. Und ein Christ sagte: Es mag ja sein, dass Jesus Menschen zur Ehelosigkeit beruft, aber ich hatte immer große Angst, dass es dem Herrn einfallen könnte, auch mich zur Ehelosigkeit zu berufen. So ist es, wir wollenn ja gerne berufen werden, aber nur zu dem, was unseren Lebensentwürfen, unseren Plänen und Wünschen entspricht. Wir sagen wohl zu Jesus „Herr, Herr“, wollen aber doch lieber selbst über unser Leben entscheiden, denn wir trauen dem Herrn immer noch nicht recht und vermuten, er könnte etwas ganz Schreckliches von uns erwarten. So flieht also auch Jona vor dem Ruf Gottes, und zwar geht er nicht in den Nahen Osten, sondern in den Fernen Westen, das heißt nach Tarsis. Einige fragen, wo denn Tarsis liege, aber es scheint wohl Spanien gewesen zu sein. Spanien und die Säulen des Herkules zwischen dem Kap Gibraltar und der Nordküste Afrikas war das Ende der damals bekannten Welt. Die Erde war eine Scheibe, jenseits von Tarsis gibt es nur noch das Weltmeer, das von Ungeheuern wimmelt, und am Horizont stürzt das Meer dann in den leeren Weltraum ab, ins Nichts.
Der Hebräer wird von fremden Seeleuten beschämt
4 Da schickte der Herr einen Sturm aufs Meer, der war so heftig, dass das Schiff auseinander zu brechen drohte. 5 Die Seeleute hatten große Angst und jeder schrie zu seinem Gott um Hilfe. Um die Gefahr für das Schiff zu verringern, warfen sie die Ladung ins Meer. Jona war nach unten gegangen, hatte sich hingelegt und schlief fest.
Der Herr lässt Jona nicht einfach gehen. „Ich habe viele Botschafter, aber es ist ganz und gar notwendig, dass gerade du meine Mission ausführst“, sagte die Jungfrau Maria zu dem aztekischen Seher Juan Diego. Gott braucht Jona. Er schickt einen Sturm. Der Herr ist also mächtig, durch Wettererscheinungen seinen Willen zum Ausdruck zu bringen. Donner und Meeresrauschen erinnerte die Menschen des Altertums an die Stimme Gottes. In unserer modernen Zeit sind wir gewohnt, Wetterphänomene ein naturwissenschaftlich, rein physikalisch zu erklären. Wir „glauben“ an die Naturgesetze. Uns ist die Natur nicht mehr eine Sprache Gottes. In den Naturkatastrophen unserer Zeit sehen wir die wissenschaftlich erklärbaren Gesetze, Folgen menschlicher Umweltverschmutzung, und versuchen, das mit politischen, naturwissenschaftlichen und technokratischen Mitteln zu bekämpfen, erkennen aber nicht, dass die Schöpfung gegen die sündige Menschheit rebelliert und das Mutter Natur in ihrem Ächzen und Krächzen uns aufruft, zu Gott dem Schöpfer zurückzukehren. Wir sind Materialisten geworden. Die Menschen sind aber dennoch rettungslos religiös, und so sehen wir die Heiden auf dem Schiff zu ihren Naturgöttern beten. Die Phönizieer beteten vielleicht zu ihrem fischgestaltigen Gott Dagon. Die Griechen beteten vielleicht zum Gott Okeanos odder zu den Doriden, seinen fünfzig Töchtern, oder zu den Windgöttern wie Äolus oder Boreas, die Römer beteten vielleicht zu Neptunus, dem blauhaarigen Meeresgott mit dem Dreizack. De spanischen Kelten beteten vielleicht zu ihrer Weißen Dame, der Göttin der Kelten in Iberien. Ws sind die Götter? Die Bibel nennt sie einerseits nur „Machwerke von Menschenhänden“. Zum Beispiel, wer war Aphrodite? Für ihre Statuen, von großen Künstlern geschaffen, standen die schönsten Hetären Modell. So dass Clemens von Alexandrien sagen konnte: Wenn ihr zu Aphrodite betet, betet ihr eure Huren an! Andererseits nennt die Bibel die Götter auch „Hauchwesen“, es gibt also Götter, aber sie sind „Dämonen“. Betet wenigsten Jona zu Jahwe? Nein, sondern er begibt sich in den „Bauch“ des Schiffes, legt sich schlafen. Das Buch Jona ist auch ein reiche Fundgrube für eine tiefenpsychologische Deutung. Wir sehen in Jona auch das Problem einer Depression behandelt. Die Not ist so groß, die Angst ist so groß, der Kummer ist so groß, dass Jona einfach die Decke über den Kopf zieht. Das kennen wir auch, dass wir in seelischen Nöten den Kopf in den Sand stecken oder die Decke über den Kopf ziehen oder vor Kummer einfach einschlafen. So war es, als Jesus in letzter Einsamkeit betrübt bis zum Tode war, dass seine Freunde „vor Traurigkeit eingeschlafen“ waren.
6 Der Kapitän kam zu ihm herunter und sagte: »Wie kannst du schlafen? Steh auf, rufe zu deinem Gott! Vielleicht hilft er uns und wir müssen nicht untergehen!« 7 Die Seeleute wollten durch das Los herausfinden, wer an ihrem Unglück schuld sei. Da fiel das Los auf Jona. 8 Sie bestürmten ihn mit Fragen: »Sag uns: Warum sind wir in diese Gefahr geraten? Wer bist du eigentlich? Was für Geschäfte treibst du? Zu welchem Volk gehörst du, wo ist deine Heimat?«
Der Kapitän ist ein tief religiöser Heide und weckt Jona aus seinem „apathischen Tiefschlaf“ auf und fordert ihn heraus, nun auch zu „seinem“ Gott zu beten. So ist es auch heute: Die Christen in Europa sind „apathisch“ und „lethargisch“ geworden. Während in Deutschland von den jugendlichen Katholiken nur noch sieben Prozent beten, beten bei den muslimischen Jugendlichen in Deutschland siebzig Prozent. Während die Mehrzahl der europäischen Christen nicht mehr an die Auferstehung und das Ewige Leben glauben, sondern ans Nichts oder die Reinkarnation, glauben die europäischen Muslime fest an den Garten Eden und die Huris, wie es ihnen der Prophet Mohammed verheißt. Auch finden wir das Phänomen, dass deutsche Atheisten und Materialisten in Krisenfällen, wie etwa einer lebensbedrohlichen Krankheit, sich an gläubige Christen mit der Bitte um hr Gebet wenden. Manche Christen lehnen das ab und sind versucht zu sagen: Betet gefälligst selbst! Aber so sollen die Christen „Salz der Erde“ sein, die die Welt vorm ewigen Verfaulen bewahren, indem sie „stellvertretend“ für andere ihnen das Heil erflehen. So sagte Maria 1917 zu den Seherkinder in Fatima in Portugal: „Viele Menschen kommen in die Hölle, weil niemand für sie betet.“ Umgekehrt ist es ebenso wahr: Viele Menschen kommen in den Himmel, weil Christen ihnen das Heil erfleht haben. Zurück zu Jona: Der Kapitän und die Seeleute suchen nun einen Schuldigen für „den Zorn der Götter“, und da befragen sie Jona, ob er eventuell der „Frevler sei, der den Zorn der Götter provoziert habe“. Sie erkundigen sich nach seiner Person, nach seinem Volk, nach seiner Religion, und welchem der Götter er dient.
9 Jona antwortete: »Ich bin ein Hebräer und verehre den Herrn, den Gott des Himmels, der Land und Meer geschaffen hat.« 10 Er sagte ihnen auch, dass er auf der Flucht vor dem Herrn war. Da bekamen die Männer noch mehr Angst und sie fragten ihn: »Wie konntest du das tun? 11 Was sollen wir jetzt mit dir machen, damit das Meer sich beruhigt und uns verschont?« Denn es war inzwischen noch stürmischer geworden.
Hierauf erwacht in Jona wieder sein Glaube, den er in seiner Mutlosigkeit fast ganz aufgegeben hatte. Er erinnert sich, dass er zum auserwählten Volk Gottes gehört, dass er an den „Vater im Himmel“ glaubt, den „Gott der Götter, den einzigen Gott“, den Schöpfer von Himmel, Erde und Meer. Er gibt ein Zeugnis seines Glaubens ab. Wir sehen ihn nicht, wie evangelikale Missionare, mit listiger Taktik der Diskussion die anderen Menschen von seinem Glauben zu überzeugen, oder eigentlich, sie zu überreden. Das nennen die Päpste Proselytenmacherei und lehnen es ab. Er redet einfach von seinem Glauben und überlässt es Gott, ob das eine oder andere Wort seines Zeugnisses in dem einen oder anderen Menschen Glauben findet. Jona ist vor seiner Mission in den Nahen Osten geflohen, aber er ist dennoch der Berufene, und so, fast gegen seinen Willen, beginnt nun eine missionarische Aktivität im Fernen Westen. Aber Jona, nach seinem Bekenntnis zum Herrn von allem, gesteht auch, dass er auf der Flucht ist vor dem Einen und Allmächtigen. Die Heiden erschrecken. Sie sind es gewohnt, dass die Göttern in ihrem Zorn durch Opfer, ja, sogar durch Menschenopfer zu versöhnen sind. Und so fragen sie, was sie tun müssen, um das Meer zu beruhigen. Sind erkennen oder ahnen zumindest, dass Jona „einen besonderen Draht zur Gottheit“ hat und fragen ihn um Rat. Fast kann man ihre Gedanken lesen: Wen oder was müssen wir opfern, um die erzürnten Meeresgötter zu befriedigen?“ Menschenopfer waren im vorchristlichen und nichtjüdischen Altertum weit verbreitet, bei den Völkern des Nahen Ostens, aber auch die Griechen brachten der Artemis Menschenopfer dar, auch die Kelten und Grmanen kannten Menschenopfer. Jahwe lehnt (in der Geschichte von der Opferung Isaaks“ Menschenopfer ab. Die Propheten schelten, weil die Israeliten wie die Kanaanäer „ihre Kinder durchs Feuer gehen ließen“, das heißt, ihre Kinder verbrannten als ein Menschenopfer an den Götzen oder Dämon Moloch. Die Bibel spricht auch vom „Aufschlitzen der Schwangeren“. Warum wird nicht davon geredet, dass auch heute dem Moloch Kinderopfer gebracht werden? In der weltweiten, millionenfachen Abtreibung von Kindern im Mutterschoß sehen wir doch, wie „die Schwangeren aufgeschlitzt und die Kinder geopfert“ werden, auf dem altar des Moloch, nämlich der verantwortungslosen Sexualität und der egoistischen Selbstverwirklichung.
12 Jona sagte: »Werft mich ins Meer, dann wird es sich beruhigen. Ich weiß, dass dieser Sturm nur meinetwegen über euch gekommen ist.« 13 Die Seeleute machten einen letzten Versuch, durch Rudern das Land zu erreichen; doch sie schafften es nicht, denn der Sturm tobte immer heftiger. 14 Da beteten sie zum Herrn: »Herr, strafe uns nicht, wenn wir diesen Mann jetzt opfern müssen! Rechne uns seinen Tod nicht als Mord an. Es war dein Wille, und alles, was du willst, geschieht.« 15 Dann nahmen sie Jona und warfen ihn ins Meer. Sofort wurde es ruhig. 16 Da packte sie alle große Furcht vor dem Herrn. Sie schlachteten ein Opfertier für ihn und machten ihm Versprechen für den Fall ihrer Rettung.
Nun wenden sich die Heiden an „den Gott des Jona“. Statt zu „Jupiter“ beten sie nun zu „Jehova“, behalten aber ihre heidnische Denkweise: „Wen müssen wir schlachten, um Jehova zu besänftigen?“ Hier sehen wir schon erste Früchte der Mission des Jona, die Menschen um ihn herum beginnen, sich an „seinen“ Gott zu wenden. Aber in der Bibel geht es nicht darum, andere zu opfern, sondern sich selbst freiwillig als ein Opfer darzubringen. Jona opfert sich freiwillig selbst, um die Strafende Gerechtigkeit des Vaters zu „versöhnen“ (eigentlich „versühnen“) und ist damit eine Prophezeiung auf den Menschen Jesus, der sich freiwillig geopfert hat am Kreuz, um die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes zu „versühnen“. Gott nimmt das Opfer des Jona an, das Meer beruhigt sich. Die Heiden erkennen die Macht „Jehovas, des Gottes des Jona“ über Sturm und Meer und preisen Seinen Willen als allmächtig. Die ganze Menschheit hat ein einziges Menschenopfer gebracht, indem sie den Menschen Jesus geopfert haben. „Rechne uns seinen Tod nicht als Mord an“. Nicht nur die Juden (in Herodes) haben Jesus ermordert, auch die Heiden (in Pilatus), ja mehr noch, auch „die Christen sind Gottes-Mörder“ (im Apostel und Bischof Judas Iskarioth). Jesus hat sich ins „Meer des Todes“ werfen lassen, um den „Sturm des Zorn es Gottes über die Sünde zu versühnen“. Das bringt uns auf die Frage nach dem (Selbst-)Opfer in unserem Leben. Viele Christen sagen: Das Opfer Jesu genügt, wir müssen keine Opfer bringen. Sie berufen sich auf das Wort: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“. Aber in Wahrheit sollen wir „unsere Leiber als wohlgefällige Opfer dem Herrn darbringen“, wie Paulus sagt. Liebe gibt es nicht ohne Opfer. Wenn ein Mann einer Frau sagt, er liebe sie, aber nicht bereit ist, für sie auch Opfer zu bringen, ist seine Liebeserklärung nur Süßholzgeraspel. Wir sehen es an unseren lieben Frauen. Wie bringen die Mütter Opfer für ihre Kinder. Sind die Kinder klein, opfern die Mütter ihren Schlaf. Auch wenn die Mutter pubertierende Jünglinge hat, liebt sie sie weiterhin, ohne im mindesten Liebe und Dankbarkeit bei ihnen zu ernten. Das ist opferbereite Liebe. Die Mütter werden so zur Ikone der „selbstlosen Liebe Gottes“ (Mater Caritas Divina).
KAPITEL 2
Ein Gebet in höchster Not
1 Der Herr aber ließ einen großen Fisch kommen, der verschlang Jona. Drei Tage und drei Nächte lang war Jona im Bauch des Fisches.
Wir erinnern uns, dass das Buch Jona eine Art „philosophischer Roman“ ist, kein „historische Bericht“. Darum ist es auch müßig, darüber nachzudenken, was für eine Art Fisch es war, der Jona aufgenommen war. Manche sagen, es kann nur ein Wal groß genug sein, und ein Wal ist kein Fisch, sondern ein Säugetier. Manche sagen, in einem Haiwal wurde schon einmal ein Mensch gefunden. Aber der Wal oder Riesenfisch ist ein SYMBOL. Wofür steht dieses Symbol? Jesus erklärt es: „So wie Jona drei Tage im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage im Bauch der Erde sein.“ Jona ist also im Meer versunken. Das „Meer“ ist in der Bibel nicht das schöne Mittelmeer, aus dem Venus aufgetaucht ist, nicht die schöne Ostsee vom Kinderurlaub. Das Meer lag an der Küste der Heiden, der Philister und Kanaanäer. Israel war ein Hirtenvolk, sie Liebten die Berge und die „grünen Auen“. Dagegen steht das „Meer“ für das Chaos und den Tod. Am Anfang schwebte der Geist über dem Meer: Der schöpderische Geist schwebte über dem Chaos der Urmaterie. Jesus gebot dem Sturm auf dem See Genezareth und dem aufgepeitschten Meer: Jesus gebietet den dämonischen Mächten der Tiefe, des Chaos, des Unheils und des Todes. In der Johannes-Offenbarung heißt es: „Und das Meer wird nicht mehr sein“, das heißt: Im Himmel gibt es kein Chaos mehr, keine Abgründe der Trauer, keine Tiefen des Totenreichs. Und in diesem „Meer des Todes“ sind nun Jona und Jesus versunken. Aber da sind sie nicht in der „Leere“, im „Nichts“ versunken (wie im Buddhismus), sondern sie sind gewissermaßen auch noch im Tode „geborgen“: Jona „im Bauch des Fisches“, Jesus „im Schoß der Erde“. Der Tod – Geborgenheit im Mutterschoß! Ein schönes Bild. Der Tod nicht als Sensemann, ein Skelett mit einer Síchel, sondern als Mutter. Im berühmten „Sonnengesang“ des heiligen Franziskus heißt es: „Sei gepriesen, Herr, von Bruder Tod!“ Im Italienischen heißt es aber: „Sorella Morte“: „Schwester Tod“. Wenn die katholische Kirche einen Menschen heilig spricht und damit sagt, dass er oder sie definitiv im Himmel ist, feiert die Kirche den irdischen Todestag als himmlischen Geburtstag: Der Tod ist eine Geburt in den Himmel. Der Tod ist ein Mutterschoß, der uns in den Himmel gebiert! So sagt es auch ein Witz: Zwei Zwillinge als Embryos unterhalten sich im Schoß der Mutter darüber, „ob es ein Leben nach dem Mutterschoß gibt“: Nein, sagt der eine, nach dem Mutterschoß gibt es nur das Nichts, doch, sagt der andere, nach dem Mutterschoß schaue ich das Angesicht der Mutter! So gibt es für Jona auch in der tiefsten Versunkenheit in Trauer, in der Verlorenheit, noch die Geborgenheit bei Gott. Nach dem terroristischen Anschlag auf die twin-towers in den USA sagte die evangelische Bischöfin: „Wir fallen nicht ins Nichts, niemand kann tiefer fallen als in die Hand Gottes!“ Paulus sagte in Athen: „In Gott leben, weben und sind wir“, wir sind also gewissermaßen in Gottes Mutterschoß verborgen und geborgen, bis wir in den Himmel geboren werden und das Angesicht unseres Vaters im Himmel schauen.
2 Dort betete er zum Herrn, seinem Gott:1 3 »In meiner Not rief ich zu dir, Herr, und du hast mir geantwortet. Aus der Tiefe der Totenwelt schrie ich zu dir und du hast meinen Hilfeschrei vernommen.
Jona betet: In meiner Not betete ich zu dir, aus der Tiefe betete ich zu dir! Das finden wir auch in vielen Klagepsalmen: Aus der Tiefe rufe ich zu dir: de profundis, domine! Wir wundern uns nur, wie schnell Jona bekennen kann: Und du hast mir geantwortet, du hast meinen Hilfeschrei vernommen! Das können wir uns nur so erklären, dass der Jona-Text sehr knapp eine lange Erfahrung zusammenfasst. Denn wer kennt das Nicht: Ich schrie zum Herrn, und er schwieg? Ich schrie zum Herrn um Hilfe, und er ließ mich im Stich!? Es heißt zwar bei Johannes: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ - Gott ist ein redender, ein sprechender Gott. Aber machen wir nicht auch oft die Erfahrung, dass Gott „ein schweigender Gott“ ist, dass unsre Gebete nicht durch die Zimmerdecke dringen, dass Gott „sich die Ohren zugestopft hat“? Dann möchten wir Johannes umdichten und sagen: „Am Anfang war das Schweigen, und das Schweigen war bei Gott, und Gott war das Schweigen!“ Ja, Gott spricht, er offenbart sein Innerstes im Wort, das Jesus ist, aber Gott ist kein Schwätzer, Gott kann auch schweigen. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, sagt der Volksmund. „Wenn er geschwiegen hätte, wäre er weise gewesen“, sagt die Bibel. Können wir auch Gottes Schweigen aushalten? Und auf unserer Seite: Schreien wir immer nur zu Gott, schwatzen wir vor Gott, labern ihn voll? Oder schweigen wir auch einmal vor Gott und lauschen einfach nur? Oder kann es nicht eine sehr intime Vereinigung mit Gott sein, wenn der schweigende Gott und der schweigende Beter einfach nur miteinander schweigen? Ist es nicht ein Zeichen von Liebenden, Mann und Frau, dass sie miteinander schweigen können? Und im tiefen Schweigen Gottes und des Beters bildet sich dann vielleicht doch ein Gedanke, eine Eingebung, ein leises Wort, so dass wir dann doch sagen können: „Und du hast mir geantwortet, Herr!“
4 Du hattest mich mitten ins Meer geworfen, die Fluten umgaben mich; alle deine Wellen und Wogen schlugen über mir zusammen. 5 Ich dachte schon, du hättest mich aus deiner Nähe verstoßen, deinen heiligen Tempel würde ich nie mehr sehen. 6 Das Wasser ging mir bis an die Kehle. Ich versank im abgrundtiefen Meer, Schlingpflanzen wanden sich mir um den Kopf. 7 Ich sank hinunter bis zu den Fundamenten der Berge und hinter mir schlossen sich die Riegel der Totenwelt.
Wir finden, dass hier vom Ertrinken eines Menschen im Meer gesprochen wird. Von Gefühlen oder Gedanken ist nicht die Rede. Oder doch? Denn man kann die Bibel auch tiefenpsychologisch auslegen, und dann sehen wir hier in poetischen Bildern ausgedrückt den Seelenzustand einer klassischen Depression. Ein achtzehnjähriger Mann in seiner Reifekrise hat das Gefühl, im Sumpf zu versinken oder im Treibsand, und je mehr er strampelt, desto tiefer versinkt er. Kein Freund und keine Geliebte reicht ihm die rettende Hand. Es gibt zwei Formen von Depressionen: endogene und exogene. Die endogene Depression ist die Folge einer biochemischen Störung im Gehirn („zu wenig Glückshormone“) und wird vor allem mit Medikamenten behandelt. Die exogene Depression ist eine Lebenskrise, oft eine Sinnkrise, und wird vor allem mit Seelsorge und Psychotherapie behandelt. Beide Depressionen fühlen sich aber an wie ein Versinken im Meer, in einem Abgrund, in der dichtesten Nacht, in der kein Stern mehr scheint. Solche Menschen finden sich in unserem Jona-Text wieder. Ohne dass sie schon an die Rettung glauben können, ist es für sie tröstlich, solche Texte in der Bibel zu finden, denn dann fühlen sie sich vom Heiligen Geist verstanden: „Mir geht es grottenschlecht, aber Gott fühlt mit, wie es mir geht. Gott weiß um mein Herzeleid, Gott kennt es, Gott ist da.“ Viele Christen sagen: „Nach Regen kommt Sonnenschein und nach dem Kreuz kommt auch wieder die Auferstehung.“ Und sie tun so, als ob Gottes Gnade nur dann da ist, wenn die Sonne wieder scheint. Das ist oberflächlich. In Wahrheit ist Gott auch da, wenn wir in Nacht versunken sind: „Der Himmel trauert mit dir!“ Menschen, die in der Finsternis versunken sind, werden oft angefochten von Selbstmordgedanken: „Lieber der Tod als diese unerträglichen Leiden!“ Kann der Glaube gegen die Anfechtung zum Selbstmord helfen? Die Depression ist wie ein Trichter: Oben ist der Ring noch weit, da kann der Depressive noch sagen: „Aber was ich auch leiden muss, ich bringe mich nicht um!“ Aber wenn keine Hilfe kommt, sinkt der Depressive tiefer in den Trichter hinab, der Ring zieht sich immer enger um ihn zusammen. Auf dem Boden der Verzweiflung hilft der Glaube nicht mehr. Es ist eine Form von Wahnsinn. Menschen, die aus wahnsinniger Verzweiflung heraus Selbstmord begehen, sollten von den Christen nicht verurteilt werden. Gott sieht ihre Unzurechnungsfähigkeit durch ihren Wahnsinn. Beten wir, dass Gottes Barmherzigkeit auch die Selbstmörder rettet! Etwas anderes ist die Propaganda für den Selbstmord aus Gottlosigkeit und Atheismus heraus. Das ist eine schwere Sünde gegen den Schöpfer und das Leben.
Erinnern wir uns, dass das Buch Jona ein Propheten-Buch ist. Und erinnern wir uns, dass Jesus das „Zeichen des Jona“ auf sein Leben, Sterben und Auferstehen bezieht. So können wir in diesem Versinken des Jona im Meer der Traurigkeit und des Todes auch ein Vor-Bild sehen für das SEELISCHE Leiden des Messias. Das Mittelalter stellt uns in vielen Bildern und Kruzifixen die KÖRPERLICHEN Leiden des Messias vor Augen: Sein Rücken ward blutig gepeitscht, er ward angespruckt, der Dornenkranz ließ seine Stirn bluten, seine Hände und Füße wurden von Nägeln durchbohrt, er starb am Kreuz den Erstickungstod, seine Seite wurde von einer Lanze durchbohrt und Blut und Wasser flossen heraus. Was die Maler aber nicht zeigen können und was viele Christen nicht bedenken, sind die SEELISCHEN Leiden Jesu. Schon vor seiner Kreuzigung sagte Jesus im Garten Gethsemane: „Meine SEELE ist zu Tode BETRÜBT!“ Am Kreuz schrie Jesus: „MEIN GOTT, MEIN GOTT, WARUM HAST DU MICH VERLASSEN!?“ Jona sagt das so: „Ich dachte, ich sei von deinem Angesicht verstoßen“ Jesus, der in Ewigkeit mit dem Vater eins war, „im Schoß des Vaters war“, der in der ewigen Glückseligkeit Gottes war, der ward ein Sklave am Kreuz, „für uns zur Sünde gemacht“, das heißt, er FÜHLTE IN SEINER SEELE unsere ganze Sünde und Schuld, unsere Gottverlassenheit, unsern Todesschmerz, unsere inneren Höllen, unsere Verdammnis! Jesus, der ewig glückselige Gott, empfand unsere ganze Verdammnis! Das ist das SEELISCHE LEIDEN JESU. Wenn Jesus im Garten Gethsemane sagte: „Meine Seele ist zu Tode betrübt“, dann war sein seelischer Schmerz dies: Er sah, dass er am Kreuz FÜR ALLE sterben wird, um ihnen das ewige Leben zu verdienen, aber er sah auch, WIE VIELE sein Heil nicht annehmen werden, dass er für VIELE UMSONST STERBEN WIRD. Und dennoch starb er für alle. Das war auch ein tiefer seelischer Schmerz für Jesus. Wenn aber nun Jesus, der Sohn Gottes, schrie: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? - Dann ist für alle kommenden Menschen, die sich VON GOTT VERLASSEN FÜHLEN, ein abgrundtiefer Trost da: Sie sind GOTTVERLASSEN WIE JESUS, DER GOTTVERLASSENE GOTT, so ist in ihrer Gottverlassenheit doch Gott da: der gekreuzigte Christus!
Was Jona hier erlebt, das Versinken in der Tiefe, das nennen die Mystiker „die dunkle Nacht der Seele“. Bei Dichtern (wie Hölderlin), die wahnsinnig geworden sind, spricht der Deutsche von „Umnachtung“. Der Begriff „dunkle Nacht der Seele“ stammt von dem spanischen Mystiker Johannes vom Kreuz aus der katholischen Reformation des 16. Jahrhunderts. Er wollte eine Reform, eine Erneuerung des katholischen Lebens, ist aber von seinen Feinden, den verweltlichten Katholiken gefangen genommen worden, in einem dunklen Kerker bei Wasser und Brot eingesperrt, ausgepeitscht und verspottet. Da erfuhr der die dunkle Nacht der Seele, er verstand Gott nicht mehr, er fühlte Gott nicht mehr. Und dennoch! Er dichtete als ein Dichter-Mystiker ein großes Liebeslied von der Vereinigung Gottes und der Seele (wie im Hohelied Salomos). Eine zweite Mystikerin der dunklen Nacht der Seele war Mutter Teresa von Kalkutta. Sie wird als Missionarin der Nächstenliebe nicht nur von Katholiken und anderen Christen verehrt, sondern auch über die Grenzen des Christentums hinaus ist sie anerkannt und zum Sprichwort geworden: „Bin ich Mutter Teresa?“ Was aber kaum einer weiß: Sie lebte 35 (!) Jahre in der dunklen Nacht der Seele! Sie war „umnachtet“, von tiefer Trauer erfüllt, fühlte die süße Liebe Gottes nicht, fühlte sich verlassen und verloren. Jedes Gebet, dass sie zum Himmel sandte, kam wie ein Pfeil in ihr Herz zurück!
Aber du, Herr, mein Gott, hast mich lebendig aus der Grube gezogen. 8 Als mir die Sinne schwanden, dachte ich an dich und mein Gebet drang zu dir in deinen heiligen Tempel. 9 Wer sich auf nichtige Götzen verlässt, bricht dir die Treue. 10 Ich aber will dir danken und dir die Opfer darbringen, die ich dir versprochen habe; denn du, Herr, bist mein Retter.« 11 Da befahl der Herr dem Fisch, ans Ufer zu schwimmen und Jona wieder auszuspucken.
Der Abschnitt fängt so an: „Aber du, Herr!“ Das taucht auch unzählige Mal in den Psalmen auf. Eine heilige evangelische Diakonin liebte diese Formulierung sehr. Es stimmt immer. In der Welt gibt es keine Liebe für mich, aber du, Herr, bist die Liebe! In der Welt ist überall Krieg und Terror, aber du, Herr, bist der Friedefürst. In der Welt gibt es Mord und Selbstmord, Abtreibung und Euthanasie, aber du, Herr, bist der Liebhaber des Lebens. In der Welt, in Politik und Kultur und Wirtschaft herrschen Lug und Trug vor, aber du, Herr, bist die Wahrheit. In der Welt, und oft auch in der Kirche, herrscht die Torheit, aber du, Herr, bist die Weisheit. Und so weiter. Merken wir uns das: Aber du, Herr!
„Du hast mich lebendig aus der Grube gezogen.“ „Und der Fisch spie Jona aus.“ Das ist eine Prophezeiung der Auferstehung Christi. Das Totenreich, der Hades, hat Jesus „ausgespien“. Gott hat Jesus als Ersten aus dem Totenreich auferweckt. Eine jüdische Theologin meinte, man solle nicht von Jesu „Auferstehung“, sondern seiner „Auferweckung“ durch Gott sprechen. Das Neue Testament nennt Gott Vater den, der Jesus auferweckt hat, Jesus, den Gottessohn, den, der aus eigener Kraft auferstanden ist, und den Heiligen Geist die Kraft der Auferstehung. (Übrigens, wenn die katholische Kirche von Maria Himmelfahrt spricht, so spricht sie genau genommen, von Marias Aufnahme in den Himmel. Jesus ist kraft seiner göttlichen Natur in den Himmel gefahren, Maria in igrer reinen menschlichen Natur, in den Himmel von Jesus aufgeIch glaube an die Auferstehung der Toten.“ Ursprüngliche Fassung: „Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches“. Wir werden natürlich nicht kraft unserer menschlichen Natur „auferstehen“, sondern kraft der dreifaltigen Gottheit „auferweckt“. Wir können aber auch auf Erden schon Momente der Kraft und Freude der Auferstehung erleben. Nur gibt es nicht wie bei den Charismatikern gewünscht einen Dauer-Jubel und immerwährendes Halleluja-Singen, sondern wir müssen auch oft Kreuz und Tod erleben. Doch lässt uns Gott nicht im Stich. Das sagt uns unsere Erfahrung: Wer treu bei Gott blieb, als er das Kreuz zu schmecken bekam, der wird von Gott gesegnet mit neuen Gnaden und Auferstehungsfreuden. Ja, das Durchschreiten der Dunkelheit bereitet gewissermaßen den Empfang immer größerer Gnadeneinflüsse vor. Wir dürfen nur in unserm Glauben an den Auferstandenen und die Freude des Heiligen Geistes nicht vergessen, dass zu leben bedeutet, täglich tausend kleine Tode zu sterben. So dass Johannes vom Kreuz dichten konnte: „Wann sterbe ich, dass ich nicht mehr sterbe?“
KAPITEL 3
Die erfolgreiche Bußpredigt
1 Zum zweiten Mal erging das Wort des Herrn an Jona, er sagte zu ihm: 2 »Geh nach Ninive, der großen Stadt, und rufe dort aus, was ich dir auftrage!«
Hier wird Jona zum zweiten Mal vom Hern berufen. Bei der ersten Berufung hieß es: „Geh nach Ninive und drohe ihr die Strafe an.“ Jetzt heißt es: „Geh nach Ninive und sage ihr, was ich dir sage.“ Gott kommt dem Propheten entgegen, er legt ihm seine Worte in den Mund und verspricht ihm, durch ihn zu reden und mit ihm zu sein. So sehen wir es auch bei anderen Propheten. Zu Hesekiel spricht Gott: „Geh zu dem widerspenstigen Hus Israel und verkünde ihnen alles, was ich dir sage. Aber sie sind wie Schlangen und Skorpione, ein Haus des Widerstands. Ich aber mache deine Stirn so hart wie Diamant, fürchte dich nicht vor ihnen.“ Und zu Jeremia sagt Gott: „Du sollst mein Mund sein. Ich mache dich zur eisernen Mauer gegen dieses Volk. Du bekehre dich nicht zu ihnen, sondern sie sollen sich zu dir bekehren. Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir.“ Wir sehen auch, dass Gott doch zu seinem Ziel kommt, nämlich Jona nach Ninive zu schicken, obwohl Jona erst nicht wollte, aber „Gott hat ihn doch noch rumgekriegt“. So heißt es im berühmten Sprichwort: „Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade“.
3 Diesmal gehorchte Jona dem Herrn und ging nach Ninive. Die Stadt war ungeheuer groß; man brauchte drei Tage, um vom einen Ende zum andern zu kommen. 4 Jona ging eine Tagesreise weit in die Stadt hinein, dann stellte er sich hin und rief: »Noch vierzig Tage und Ninive ist ein Trümmerhaufen!«
Ninive ist eine große Stadt. Es leben in ihr 120 000 Menschen. Wir können Ninive also mit Oldenburg vergleichen. Die Pastorin der lutherischen Kirche würde auf dem Schlossplatz eine Rede halten und Oldenburg den Untergang ankündigen, wenn nicht ganz Oldenburg sich zu Jesus bekehrt. Wir hören auch heute Propheten, die in den Katastrophen, die weltweit geschehen, einen Aufruf zur Umkehr und Bekehrung sehen. Maria rief 1917 in Fatima in Portugal: „Bekehrt euch zu Gott, tut Buße, betet, sonst wird ein zweiter Weltkrig kommen und Russland wird seine kommunistische Irrlehre über die ganze Welt verbreiten.“ Aber wie auch heute, hörten die Menschen nicht auf Maria und bekehrten sich nicht zu Gott, und so kam der zweite Weltkrieg und die Hälfte der Welt ward kommunistisch mit einer einzigartigen Christenverfolgung, schlimmer als zur Zeit der römischen Gottkaiser.
5 Die Leute von Ninive setzten ihre Hoffnung auf Gott. Sie beschlossen zu fasten; und alle, Reiche wie Arme, legten zum Zeichen der Reue den Sack an. 6 Jonas Botschaft war nämlich dem König von Ninive gemeldet worden. Der stieg von seinem Thron, legte den Königsmantel ab, zog den Sack an und setzte sich in die Asche.
Die Heiden tun also Buße. Jesus sagt im Evangelium über seine Zeitgenossen und Volksgenossen: „Die Leute von Ninive werden kommen und euch verurteilen, denn sie taten Buße auf die Predigt des Jona hin. Ihr aber tut nicht Buße. Und ich bin doch mehr als Jona.“ Wir sehen, dass Reiche und Arme Buße tun. Die Botshaft der Bekehrung zu Gott richtet sich an Reiche und Arme, alle müssen sie ihr Herz von den irdischen Gütern lösen und nach den himmlischen Gütern streben. Denn wenn die Bibel die Armen auch die Lieblinge Jahwes nennt, so doch nicht im kommunistischen Sinn. Denn der kommunistische Materialismus ist doch nur Sozialneid, sie wllen nur das Geld der Reichen, sie hängen genauso am Geld wie di Reichen. Ein Armer, der nur nach Geld strebt, ist in Jesu Augen reich, und ein Reicher, der sein Herz nicht an seinen Besitz hängt und mit seinem Geld viel Gutes tut, ist in Jesu Augen arm. „Selig sind, die arm im Geiste sind“, die nicht nach irdischem Hab und Gut streben, sondern nach den himmlischen Schätzeen, nach der Liebe und Weisheit Gottes allein. Wir sehen auch, dass der König von Ninive der Anführer der Bußee ist. Stellen wir uns wieder Oldenburg vor, dass auf die Bußpredigt unserer Pastorin Buße tut: Der Bürgermeister von Oldenburg geht voran und weiht sich und seine Stadt öffentlich dem Herzen Jesu. Dass sich mi der Bekehrung des Königs auch das Volk bekehrt, das war auch die Strategie der christlichen Misssionare im Altertum undd frühen Mittelalter. Zum Beispiel in den skandinavischen Ländern bekehrten die Missionare die Könige, die daraufhin die Ausbreitung des Christentums im ganzen Land erlaubten, es wurde getauft, gepredigt, Klöster und Kirchen gebaut. Noch im sechzehnten Jahrhundert versuchten die christlichen Missionare diese Strategie in China: Bekehren wir den Kaiser von China, dann erlaubt er die christliche Mission im ganzen Land, so christianisieren wir China. Das war damals gescheitert, der Kaiser bekehrte sich nicht. Viele moderne Christen lehnen diese Missionsstrategie ab. Sie waar wohl auch nur in der Monarchie möglich. Ich finde, wir sollten unsere christlichen Väter und Mütter nicht hochmütig verurteilen, sie haben es geschafft, aus einem heidnische Europa ein christliches Europa zu machen (das heute fast schon wieder Geschichte ist). Nur hat dieses Prinzip: Erst der König, dann das Volk, auch negativ funktioniert. Nach der europäischen Glaubensspaltung im 116. Jahrhundert und der verfluchten Dreißigjährigen Krieg legten die Fürsten für ihre Untertanen die Konfession fest, katholisch oder evangelisch. Heute ist weltweit die Missionsstrategie eine andere. Zum Beispiel in Indien wenden sich die Missionare vor allem an die Ärmsten der Armen, die vom hinduistischen Kastensystem ausgestoßenen Unberührbaren. Die Missionare wenden sich an das Volk, hauptsächlich an die Armen.
7 Er ließ in der ganzen Stadt ausrufen: »Hört den Befehl des Königs und seiner Minister: ›Niemand darf etwas essen oder trinken, weder Mensch noch Rind noch Schaf! 8 Menschen und Vieh sollen den Sack anlegen und laut zu Gott rufen. Alle sollen von ihrem bösen Weg umkehren und aufhören, Unrecht zu tun.
Wir sehen hier, dass zur Buße nicht nur Bekehrung und Gebet gehört, sondern auch das Fasten. Das Fasten ist in der zeitgenössischen Christenheit fast vergessen. Maria sagte in ihren prophetischen Botschaften: „Vor allem versucht das Fasten einzuhalten, durch Fasten können Kriege und Naturkatastrophen aufgehalten werden.“ Ein starkes Wort. Wessen Evangelium aber dies ist: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot“, der wird am Fasten keinen Geschmack finden. Protestanten reden sich oft heraus, das Fasten sei eine katholische Sache. In der Welt von heute ist allerdings ein anderes „Fasten“ populär, nämlich die strenge Askese einer Diät, um – abzunehmen. So kennen wir auch moderne Christinnen, die „fasten für eine gute Bikinifigur, abgerechnet wird am Strand“. Aber uns fällt besonders auf, dass nicht nur die Menschen Buße tun und fasten, sondern auch die Tiere. Das amüsiert uns oberflächlich. Wie können Tiere sich in Sack und Asche hüllen, wie können Tiere fasten und Buße tun? Aber darin steckt, auf naive Art ausgedrückt, eine tiefe „Schöpfungstheologie“, die wir heute so dringend nötig haben. Die Bibel schildert am Anfang einen ungefallenen Urzustand. Da lebt der Mensch in Harmonie mit Gott, die Menschen in Harmonie miteinander und mit der Kreatur. Mit dem Abfall des Menschen von Gott geriet (auf wahrhaft tragische Weise) auch die Natur in einen gefallenen Zustand. So kommt es, dass Paulus im Römerbrief davon spricht, dass die Schöpfung in Wehen liegt, ächzt und stöhnt und in Hoffnung erwartet das Offenbar werden der Söhne und Töchter Gottes. So spricht die Bibel am Ende von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, in denen Gott alles in allem ist. Wir fragen uns, ob die heute sich häufenden Naturkatastrophen Strafgerichte des Zornes Gottes sind, die die Menschheit zur Buße aufrufen. Jesus spricht im Evangelium von den letzten Zeiten, da sich Kriege und Erdbeben und Hungerkatastrophen und Seuchen häufen. So meinen manche, dass wir heute in diesen letzten Zeiten leben, das heute die Apokalypse aktuell wird. Vielleicht ist es nicht so, dass Gott Vater auf dem Thron uns diese endzeitlichen Katastrophen schickt, sondern dass die Natur rebelliert gegen eine weitgehend gottlos gewordene Menschheit. Wenn die Menschheit in ihrem gottlosen Materialismus den Menschen und die Natur nur als tote Materie betrachtet, die nach Belieben ausgebeutet werden kann, dann entstehen als Folge der Gottlosigkeit Armut, Hunger, Elend, Seuchen, Naturkatastrophen. Was wir heute brauchen, ist nicht das kleingeistige Geschwätz der Politiker, ob zehn oder vierzig Euro die CO2-Steuer kosten soll, sondern wir brauchen eine „ökologische Bekehrung“, wir brauchen eine Bekehrung der Menschheit zu Gott dem Schöpfer, wir müssen die Schöpfung wieder sehen als Geschenk Gottes, als Bild Gottes. Wir müssen wie Sankt Franziskus von Bruder Sonne, Schwester Mond, Mutter Erde, keusche Schwester Wasser, und Bruder Esel (dem menschlichen Leib) reden. Es gibt eine „Schöpfungsgemeinschaft“ zwischen dem Menschen und der Kreatur. Wenn der Mensch sich wieder zu Gott bekehrt, dann kommen auch die Beziehungen unter den Menschen in Ordnung, dann endet der Klassenkampf, der Geschlechterkampf, die Ausbeutung der Armen und Krieg und Terror, dann kommt aber auch die Schöpfung in Ordnung, dann lieben wir die Mutter Erde, dann sehen wir die Schöpfung als unsere Schwester an, die wir nicht vergewaltigen, sondern hüten, pflegen und kultivieren. Zu dieser „ökologischen Bekehrung“ gehört auch die Entwicklung einer „neuen Wirtschaft“, die nicht dem Götzen Geld dient, sondern dem Menschen, die nicht räuberisch mit der Natur umgeht, sondern brüderlich. Allerdings ist die Alternative zum materialistischen Kapitalismus nicht der materialistische Sozialismus, der ja de facto noch grausamer mit der Schöpfung umging. Nur fehlen heute noch die realistischen Visionen für diese „neue Wirtschaft“.
9 Vielleicht lässt Gott sich umstimmen. Vielleicht können wir seinen schweren Zorn besänftigen und er lässt uns am Leben.‹« 10 Gott sah, dass sie sich von ihrem bösen Treiben abwandten. Da tat es ihm Leid, sie zu vernichten, und er führte seine Drohung nicht aus.
Kann Gott etwas „reuen“? Wir Menschen können, dürfen und sollen unsre Sünden bereuen, aber Gott sündigt ja nicht, er macht keine Fehler. Aber wir sehen hier, dass Gott sein Herz von den Menschen bewegen lässt. Gebet bewegt das Herz Gottes! Im Christentum gibt es keinen Fatalismus: „Allah entscheidet wie er will, und wir haben alles anzunehmen und zu gehorchen.“ Nein, Gott ist kein starrer unbeweglicher Herrscher, sondern ein liebender Vater. Wenn Gott in seiner Gerechtigkeit Strafen androht, dann rumort es in seinem Inneren, und er hofft insgeheim, dass die Menschen sich bekehren kann, und er ihnen alles verzeihen kann. Gott ist ein gerechter Richter und ein barmherziger Vater. Das Neue Testament sagt: „Chais lacht über das Gericht!“ Zu einer polnischen Mystikerin sagte Jesus einmal: „Die Welt ist im Inneren meiner Barmherzigkeit tiefer geborgen, als ein Kind im Schoß seiner Mutter!“ Das hebräische Wort für Barmherzigkeit leitet sich ab vom Wort Mutterschöße. Gottes Barmherzigkeit wohnt in Gottes Mutterschoß. Man sagt: „Wer nicht durch seine Buße durch das Tor der göttlichen Barmherzigkeit zu Gott gehen will, der muss durch das Tor der göttlichen Gerechtigkeit zu Gott gehen, und da wird es ihm schwer, seine Seele zu retten.“ Die heutigen Propheten sagen: „Jetzt ist die Zeit der Gnade und Barmherzigkeit, bekehrt euch, solange es noch Zeit ist, denn es wird eine Zeit der Gerechtigkeit kommen.“ Bewegen wir also das barmherzige Herz des Vaters durch unsere Gebete für uns und für die ganze Welt, wie Maria sagt: „Betet, betet, betet, euer Leben soll vollständig zum Gebet werden.“ Uns muss das Gebet wie das Atmen sein!
KAPITEL 4
Gottes Menschenliebe geht seinem Erwählten zu weit
1 Das gefiel Jona gar nicht und er wurde zornig. 2 Er sagte: »Ach Herr, genau das habe ich vermutet, als ich noch zu Hause war! Darum wollte ich ja auch nach Spanien fliehen.
Im ersten Kapitel war die Frage, warum Jona nicht nach Ninive ging. Ich sagte: Weil er die Botschaft der Barmherzigkeit nicht den Feinden Israels verkünden sollte. Eine alte Schwester sagte: Das hört sich ja schön an, aber Jona hatte einfach Angst vorr solch einer großen Stadt und solch einem mächtigen König. - Die Bibel legt sich selbst aus. Hier finden wir die Antwort: Jona wollte nicht Gottes Barmherzigkeit den Heiden bringen. Gibt es solche Typen auch heute in der Christenheit? Wir sehen, wie nordamerikanische rechtskonservative Katholiken den Papst wegen seiner Verkündigung der Barmherzigkeit als Häretiker verurteilen. Wenn man ihnen aber zuhört, spürt man nichts vom lebendigen Jesus, der auf alle Sünder zugeht, sondern man hört „Betonköpfe“, die sich viel einbilden auf ihre dogmatische Rechtgläubigkeit, deren Glaubensinhalt nicht der lebendige, liebende Jesus ist, sondern ein Gerüst von Formeln. Sie machen den Glauben, der eine Sache des Vertrauens zu einer Person ist, zu einem kalten Denksystem, zu einer Ideologie. Wir finden solche Typen aber auch im modernen Protestantismus, der ja sich immer mehr fundamentalisiert. Das sind Menschen mit unzweifelhafter Heilsgewissheit, die wissen, dass alle andern, die nicht ihre Gesinnungsgenossin sind, in die Hölle kommen. Das sind Menschen, die im Bewusstsein, wahrer Christ zu sein, allen Andersgläubigen mit Hass und Feindschaft begegnen. Sie verurteilen, natürlich, die katholische Kirche wegen der Kreuzritter des Mittelalters, möchten aber selbst am liebsten in muslimische Länder mit einer Armee militärisch einmarschieren. Das sind Menschen, die die Welt einteilen in Schwarz und Weiß, Gut und Böse, wiedergeborene Christen und die Andern, die Verdammten. Die erinnern mich an Jona.
Ich wusste es doch: Du bist voll Liebe und Erbarmen, du hast Geduld, deine Güte kennt keine Grenzen. Das Unheil, das du androhst, tut dir hinterher Leid.
Hier finden wir den „Gott des Alten Testaments“. Viele Christen lieben nur das Neue Testament (eine uralte Irrlehre) und nennen den „Gott des Alten Testaments einen Gott des Zornes und der Rache“. Im Grunde ist das Gnostizismus, denn die Gnostiker unterschieden zwischen dem „bösen Schöpfergott Zebaoth“ und dem „lieben Vater Jesu“, was natürlich Unsinn ist. Wir sehen, wie das Buch Jona hier Formeln für Gott wiederholt, die im ganzen Alten (oder Ersten) Testament verstreut sind: Gott ist 1. gnädig, 2. barmherzig, 3. geduldig, 4. langmütig, 5. langsam zum Zorn, 6. treu und 7. wahrhaftig. Wenn das nicht ein schöner, liebenswerter Gott ist, dann weiß ich nicht weiter.
3 Deshalb nimm mein Leben zurück, Herr! Sterben will ich, das ist besser als weiterleben!« 4 Aber der Herr fragte ihn: »Hast du ein Recht dazu, so zornig zu sein?«
Wir gewinnen einen Einblick in Jonas Seele (Psyche). Bei der geringsten Frustration wünscht er sich den Tod. - So wie wir auf Erden wohl nie verstehen werden, warum Glück und Unglück so ungleich verteilt sind, so bleibt es vielleicht auch ein Geheimnis, warum einige Menschen einen unbändigen Lebenswillen haben und selbst im Konzentrationslager von Nazis oder Kommunisten das Leben bejahen, dagegen andere mit einem derart schwachen Lebenswillen ausgestattet sind, dass sie oft schon in der Jugend beim ersten Liebeskummer ihr Vernichtung wünschen und Selbstmord begehen. Der katholische Dichter Reinhold Schneider, im Widerstand gegen Hitler aktiv, der in seiner Jugend einen Selbstmordversuch unternahm, schrieb, dass es „geborene Selbstmörder“ gibt. Er nannte übrigens auch die Nazi-Bande eine „Bande von Selbstmördern“. Solch eine Bande fanden wir dreißig Jahre später auch in der Roten Armee Fraktion. Das waren Menschen, die das Leben der anderen und ihr eigenes zutiefst verachteten. Nach Siegmund Freund gibt es im Menschen zwei Grundtriebe, die Libido (der Lust-Trieb) und den Thanatos (den Todestrieb). Warum der Thanatos, der Todestrieb, bei manchen Menschen so stark ist, weiß ich nicht. In einem Buch mit buddhistischen Legenden stand diese Legende: Ein buddhistischer Heiliger nahm Buddhas Lehre von der Lebensverneinung wörtlich und wollte Selbstmord begehen, um im Nirwana vernichtet zu werden. Da kam der buddhistische Teufel Mara in Gestalt eines nackten Weibes und wollte den Heiligen versuchen, das Leben zu genießen. Aus der Ferne sandte Buddha seine rettende Energie, vertrieb den Teufel, und der Heilige konnte sich das Leben nehmen. Auch bei den Griechen der Antike, die von den Gelehrten immer die „heiteren Griechen“ genannt werden, gab es den Spruch: Wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben. Und der griechische Tragödien-Dichter Sophokles sagte: Besser ist es, jung zu sterben, aber noch besser, nie geboren zu sein. - Was ist das für eine Heiterkeit? Aber auch in der Bibel gibt es starke Worte der Todessehnsucht. Der Prediger Salomo sagte: Besser als die Lebenden haben es die Toten, und besser als die Toten haben es die, die nie geboren wurden. Der große Hiob verflucht den Tag seiner Gebut und wünscht sich den Tod. Der leidende Prophet Jeremia sagt: Weh mir, meine Mutter, dass du mich geboren hast, der ich nichts als Jammer sehen muss! Und Paulus sagt: Ich hätte nicht übel Lust abzuscheiden und beim Herrn zu sein. - Und das waren doch keine Wahnsinnigen, das waren weise und heilige Männer! Die Mystikerin Mechthild von Magdeburg aus dem 13. Jahrhundert schrieb: Ein Mann wollte sterben, um beim Herrn zu sein. Der Herr sagte: Warrte auf mich! Der Mann sagte: Aber es verlangt mich so sehr, bei dir zu sein! Der Herr sprach: Ich begehrte dich scon vor Anbeginn der Welt! Wo zwei so große Verlangen zusammenkommen, da ist die Liebe vollkommen. - Und der englische Renaissance-Dichter Ben Jonson schrieb: O Himmel, wenn ich mir den Tod wünsche, dann ist es vielleicht mehr aus Lebensüberdruss als aus Liebe zu dir!...
Gott entlarvt die Selbstsucht seines Erwählten
5 Jona verließ die Stadt in Richtung Osten. In einiger Entfernung hielt er an und machte sich ein Laubdach. Er setzte sich darunter in den Schatten, um zu sehen, was mit der Stadt geschehen würde. 6 Da ließ Gott, der Herr, eine Rizinusstaude über Jona emporwachsen, die sollte ihm Schatten geben und seinen Ärger vertreiben. Jona freute sich riesig über diese wunderbare Staude.
Die Rizinusstaude wuchs im Nahen Osten sehr schnell und erreichte in kurzer Zeit eine Höhe von zwei bis drei Metern und breitete ein breites Laubdach aus, das willkommenen Schatten dem Wanderer vor der sengenden Sonne bot. Und nun „freut sich Jona riesig“. Fast ist er geeignet, einen charismatischen Lobpreis-Gottesdienst mit Halleluja-Gesängen und Tanz zu feiern! Er, der kurz zuvor noch sterben wollte. Es gibt Persönlichkeiten, die sind „himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“, wie Goethe sagte. Er kannte das selbst wohl auch, denn er schrieb nach dem Tod seiner Schwester: „Alles geben die Götter, die unendlichen, ihren Liebling ganz: Alle Freuden, die unendlichen, alle Leiden, die unendlichen, ganz!“ In der klinischen Psychiatrie nennt man das im Extremfall „manisch-depressiv“. Jona ist solchen extremen Stimmungsschwankungen unterworfen. Aber wie ein moderner Songwriter schrieb: „Inner feelings come and go“. Die Gefühle großen Jubels, großer 2Freude im Heiligen Geist“ sind kein sicherer Maßstab für eine echte Nähe zu Gott, und das Gefühl der Gottverlassenheit ist kein Maßstab für eine wirkliche Gottesferne. Gerade die Kreuzes-Mystik sagt, dass in Momenten der Gottverlassenheit in Wahrheit Gott uns besonders nah ist. Wir sehen aber den liebevollen Gott sehr geduldig und einfühlsam mit Jonas Stimmungsschwankungen umgehen, fast wie ein guter Therapeut oder eine liebevolle Mutter: „Wie geht es dir, mein Kind?“
7 Aber früh am nächsten Morgen schickte Gott einen Wurm. Der nagte den Rizinus an, sodass er verdorrte.
Die Rizinusstaude ist hypersensibel. Eine kleine Verletzung an ihrem Stamm lässt sofort die ganze Staude verwelken. Ein kleiner nagender Wurm – und schon ist Jonas „riesige Freude“ wieder dahin. Ein kleiner Misserfolg in der Schule – und der Knabe wünscht sich den Tod...
8 Als dann die Sonne aufging, ließ Gott einen heißen Ostwind kommen. Die Sonne brannte Jona auf den Kopf und ihm wurde ganz elend. Er wünschte sich den Tod und sagte: »Sterben will ich, das ist besser als weiterleben!«
Nun ist Jona nach dem „himmelhoch jauchzend“ wieder „zu Tode betrübt“. Der Autor des Jona-Buches stellt diese extremen Stimmungsschwankungen etwas kritisch dar. Aber Gott geht auf die Gefühle seines Propheten ein. Gott nimmt seine seelische Unausgeglichenheit ernst. Es gibt ein Marienbild, das heißt „Madonna der Ausgeglichenheit“. Im Mittelalter begannen Künstler, Maria unter dem Kreuz wie eine antike Klagefrau darzustellen, die sich beim Mit-Leiden mit ihrem Sohn auf den Boden wirft, heult und jammert, sich die Haare rauft und an die Brüste schlägt. Aber die Kirche unterband diese Darstellungen, da es im Evangelium heißt: „Maria STAND unter dem Kreuz.“ Daher kommt das Gedicht Stabat Mater, es stand die Mutter. Maria war in ihrem Mitleiden nicht hemmungslos aufgewühlt, sondern blieb innerlich gefasst und ertrug ihr Leiden mit „männlichem“ Mut (weiblichem Mut!). Der römische Konsul Festus sagte zu Paulus: „Paul, du bist verrückt! Das viele Studieren hat dich wahnsinnig gemacht!“ Aber Paulus sagte: „Nein, ich rede nicht im Wahnsinn (Manie), sondern in Vernunft (Logos) und Besonnenheit (Sophrosyne).“ Sophrosyne ist eine Tugend, die schon der edle Sokrates sehr hoch geschätzt hat. Zur Zeit des Paulus schrieb der römische Philosoph Seneca von der „Gemütsruhe, die stärker ist als das Schicksal“. So empfiehlt also die Weisheit drei Tugenden: Die Ausgeglichenheit der Madonna, die Besonnenheit des Paulus, und die Seelenruhe der Philosophie.
9 Aber Gott fragte ihn: »Hast du ein Recht dazu, wegen dieser Pflanze so zornig zu sein?« »Doch«, sagte Jona, »mit vollem Recht bin ich zornig und wünsche mir den Tod!« 10 Da sagte der Herr: »Schau her, du hast diese Staude nicht großgezogen, du hast sie nicht gehegt und gepflegt; sie ist in der einen Nacht gewachsen und in der andern abgestorben. Trotzdem tut sie dir Leid. 11 Und mir sollte nicht diese große Stadt Ninive Leid tun, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die rechts und links nicht unterscheiden können, und dazu noch das viele Vieh?«
Gott sagt hier zu Jona, dass er sich um die Assyrer kümmert. Gott kümmerte sich nicht nur um sein Volk Israel, sondern auch um die Heiden (Nicht-Juden) und zwar auch schon vor der Zeit Jesu, des Königs aller Völker. Im Römerbrief heißt es, dass Gott sich den Heiden offenbarte durch die (Schönheit der) Schöpfung. In der Apostelgeschichte heißt es, Gott war den Heiden gnädig, indem er ihnen Regen und Fruchtbarkeit – und Fröhlichkeit gab! Die apostolischen Väter und Missionare der Urkirche bezeugten, dass Gott den Heiden auch in ihren Mythen und vor allem in ihren Philosophien „Samenkörner der Wahrheit (logos spermatikos)“ geschenkt habe, die es nun aufzugreifen, zu bereinigen und mit dem Christusgeheimnis zu vereinigen gelte. (Und das gilt auch heute noch.) So gab es bei den heidnischen Völkern rund ums Mittelmehr in den Mythen immer einen höchsten Himmelsvater und einen Sohn von ihm, von einer Jungfrau-Mutter geboren, der (alljährlich) starb und auferstand und dessen Fleisch in den Mysterienriten kultisch verzehrt wurde. Die Christen hielten immer sehr viel von Platon und Sokrates, oder von Konfuzius und Lao Tse in China.
Nun heißt es, dass in Ninive 120 000 Menschen wohnten. Manche sagen, es waren 120 000 Kinder! Gott liebt die Kinder! Jesu Kinderliebe war sehr groß! Die Situation der Kinder im antiken Rom war sehr schlecht, das Christentum erst hat den Kindern die Menschenwürde zugesprochen. Afrikanische Kinder schrieben Papst Franziskus einen Brief: „Lieber Papst, warum müssen so viele unschuldige Kinder leiden und sterben?“ Der Papst schrieb zurück: „Liebe Kinder, das weiß selbst der Papst nicht. Aber Gott liebt die Kinder!“ Man spricht von „unschuldigen“ Kindern. Augustinus in seinen Bekenntnissen sagt, er war schon als Säugling nicht so ganz unschuldig, sondern schrie, wenn er nicht sofort die Brust gereicht bekam. Aber Kinder sind für ihre Sünden gewissermaßen noch nicht verantwortlich. So können wir glauben, dass alle Kinder, die im Mutterschoß oder im frühen Alter sterben, unmittelbar in den Himmel kommen. Man sagt, etwa mit dem siebten Lebensjahr beginnt das „Zeitalter der Vernunft“ und damit auch der Verantwortlichkeit der Knaben und Mädchen für ihre Sünden.
Und Gott kümmert sich auch um die Tiere. Hier ist vor allem das zahme Hausvieh gemeint, Schafe, Ziegen, Rinder. Aber Gott kümmert sich auch um den Schoßhund, die Hauskatze, das Meerschweinchen und Kaninchen. Salomo sagt: Der Gerechte kümmert sich um sein Vieh. Gott kümmert sich auch um die wilden Tiere. Tierschutz ist durchaus christlich und die Auswüchse der Massentierhaltung kann man auch als eine Sünde gegen den Schöpfer ansehen. Aber zuerst werden die Menschen (Kinder) genannt und dann die Tiere. Eine moderne Ideologie, die die Frösche rettet, aber die Kinder abtreibt, ist nicht im Sinne Gottes. Laut UNO werden jährlich weltweit etwa 40 Millionen Kinder abgetrieben. Aber es ist auch heute wie damals bei den Kindern von Ninive: Sie können ihre rechte Hand nicht von der linken Hand unterscheiden. Wer Kinder erzogen hat, weiß, dass es für Kinder gar nicht leicht ist, den Unterschied von rechts und links zu lernen. Im übertragenen Sinn sind aber auch unsere Zeitgenossen Kindermenschen, die gut und böse nicht unterscheiden können, die Saures süß nennen und Süßes sauer.