DAS BUCH RUTH

 

Nach der Luther-Übersetzung von 1545

Revision von Torsten Schwanke 2020

Luther 1545 V2.0


I.


1 Zur Zeit, da die Richter regierten, war eine Teuerung im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog in der Moabiter Land, mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen, 2 der hieß Elimelech, und seine Frau Naemi (Lust) und seine zwei Söhne Mihlon und Chiljon, die waren von Ephrata, von Bethlehem in Juda. Und da sie kamen ins Land der Moabiter, blieben sie dort. 3 Und Elimelech, der Naemi Mann, starb. Und sie blieb übrig mit ihren zwei Söhnen. 4 Die nahmen sich moabitische Frauen. Eine hieß Arpa, die andere Ruth (Freundschaft). Und da sie da gewohnt hatten zehn Jahre, 5 starben sie beide, Mihlon und Chiljon. Die Frau überlebte beide Söhne und ihrem Mann.


6 Da machte sie sich auf mit ihren zwei Schwiegertöchtern und zog wieder fort aus der Moabiter Land. Denn sie hatte erfahren im Moabiter-Land, dass der Herr sein Volk hatte gnädig heimgesucht und ihnen Brot gegeben. 7 Und sie ging aus von dem Ort, da sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und da sie ging auf dem Weg, dass sie wiederkäme ins Land Juda, 8 sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Geht hin und kehrt um, eine jegliche zu ihrer Mutter Haus! Der Herr tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt! 9 Der Herr gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jegliche in ihres Mannes Haus. Und sie küsste sie.


Da hoben sie ihre Stimmen auf und weinten, 10 und sprachen zu ihr: Wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen. 11 Aber Naemi sprach: Kehrt um, meine Töchter. Warum wollt ihr mit mir gehen? Wie kann ich in Zukunft Kinder in meinem Leib haben, die eure Männer sein möchten? 12 Kehrt um, meine Töchter, und geht hin, denn ich bin nun zu alt, dass ich einen Man nehme. Und wenn ich spräche: Es ist zu hoffen, dass ich diese Nacht einen Mann nehme und Kinder gebäre,13 Wie könntet ihr noch warten, bis sie groß würden? Wie wollt ihr warten, dass ihr euch nicht Männer nehmen solltet? Nicht so, meine Töchter. Denn mich jammert euer sehr. Denn des Herrn Hand ist schwer über mich gekommen.


14 Da hoben sie ihre Stimmen auf und weinten noch mehr. Und Arpa küsste ihre Schwiegermutter. Ruth aber blieb bei ihr. 15 Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott. Kehre du auch um, geh deiner Schwägerin nach. 16 Ruth antwortete: Rede mir nicht drein, dass ich dich verlassen sollte und von dir umkehren. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. 17 Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, der Tod muss mich und dich scheiden!


18 Als sie nun sah, dass sie festen Sinnes war, mit ihr zu gehen, ließs sie ab, mit ihr darüber zu reden. 19 Also gingen die beiden miteinander, bis sie nach Bethlehem kamen. Und da sie in Bethlehem ankamen, regte sich die ganze Stadt vor ihnen, und man sprach: Ist das Naemi? 20 Sie aber sprach zu ihnen: Nennt mich nicht mehr Naemi (Lust), sondern Mara (Bittere), denn der Allmächtige hat mich sehr betrübt1 21 Voll zog ich aus, leer hat mich der Herr wider heimgebracht. Warum nennt ihr mich denn Naemi? So mich doch der Herr gedemütigt, und der Allmächtige mich sehr betrübt hat? 22 Es war aber um die Zeit, dass die Gerstenernte begann, da Naemi und ihre Schwiegertochter Ruth, die Moabiterin, wiederkamen vom Moabiter-Land nach Bethlehem.


II.

1 Es war auch ein Mann, der Verwandte von Naemis Mann, von dem Geschlecht des Elimelech, mit Namen Boas, der war ein herrlicher Mann.


2 Und Ruth, die Moabiterin, sprach zu Naemi: Lass mich aufs Feld gehen und Ähren auflesen, dem nach, vor dem ich Huld finde. Sie aber sprach zu ihr: Gehe hin, meine Tochter. 3 Sie ging hin, kam und las auf, den Schnittern nach, auf dem Felde. Und es begab sich eben, dass dasselbe Feld gehörte dem Boas, der von dem Geschlecht des Elimelech war. 4 Und siehe, Boas kam eben von Bethlehem, und sprach zu den Schnittern: Der Herr mit euch! Sie antworteten: Der Herr segne dich!


5 Und Boas sprach zu seinem Knaben, der über die Schnitter gestellt war: Wessen ist das Mädchen? 6 Der Knabe, der über die Schnitter gestellt war, antwortete und sprach: Es ist das Mädchen die Moabiterin, die mit Naemi wiedergekommen ist von der Moabiter Land. 7 Denn sie sprach: Lieber, lass mich auflesen und sammeln unter den Garben, den Schnittern nach. Und ist also gekommen und hat da gestanden von morgens an bis jetzt, und blieb wenig daheim.


8 DA sprach Boas zu Ruth: Hörst du das, meine Tochter? Du sollst nicht gehen auf einen andern Acker, aufzulesen, und gehe auch nicht fort, sondern halte dich zu meinen Mädchen. 9 Und siehe, wo sie schneiten im Felde, da gehe ihnen nach. Ich habe meinem Knaben geboten, dass dich niemand antaste! Und so dich dürstet, so gehe hin zu dem Gefäß und trinke, wo meine Knaben schöpfen. 10 Da fiel sie auf ihr Angesicht und verehrte ihn, zur Erde geneigt, und sprach zu ihm: Wodurch hab ich die Huld gefunden vor deinen Augen, dass du mich erkennst, die ich doch eine Fremde bin?


11 Boas antwortete und sprach zu ihr: Es ist mir gesagt worden alles, was du getan hast an deiner Schwiegermutter nach deines Mannes Tod, dass du verlassen hast deinen Vater und deine Mutter und deine Heimat und bist zu einem Volk gezogen, das du zuvor nicht kanntest. 12 Der Herr vergelte dir deine Tat, und es müsse dein Lohn vollkommen sein bei dem Herrn, dem Gott Israels, zu welchem du gekommen bist, dass du unter seinen Flügeln Zuversicht hättest. 13 Sie sprach: Lass mich Huld vor deinen Augen finden, mein Herr, denn du hast mich getröstet und deine Magd freundlich angesprochen, so ich doch nichts bin als eine deiner Mägde.


14 Boas sprach zu ihr: Wenn es Essenszeit ist, so mache dich hier herzu und iss Brot und tunke deinen Bissen in den Essig. Und sie setzte sich zu Seiten der Schnitter. Er aber legte ihr Brot vor, und sie aß und wurde satt und ließ noch übrig. 15 Und da sie sich aufmachte, zu lesen, gebot Boas seinen Knaben und sprach: Lasst sie auch zwischen den Garben lesen, und beschämt sie nicht! 16 Auch von den Haufen lasst etwas überbleiben und lasst etwas liegen, dass sie es auflese. Und niemand schelte sie darum!


17 Also las sie auf dem Felde bis zum Abend, und schlug es aus, was sie aufgelesen hatte, und es war ein Efa Gerste. 18 Und sie hob es auf, und kam in die Stadt. Und ihre Schwiegermutter sah, was sie gelesen hatte. Da zog sie es hervor und gab ihr, was übrig geblieben war, davon sie satt geworden war.


19 Da sprach ihre Schwiegermutter zu ihr: Wo hast du heute gelesen und wo hast du gearbeitet? Gesegnet sei der, der dich erkannt hat! Sie aber sagte es ihrer Schwiegermutter, bei wem sie gearbeitet hätte, und sprach: Der Mann, bei dem ich heute gearbeitet habe, heißt Boas!


20 Naemi aber sprach zu ihrer Schwiegertochter: Gesegnet sei er von dem Herrn! Denn er hat seine Barmherzigkeit nicht vorenthalten den Lebenden und den Toten! Und Naemi sprach zu ihr: Der Mann gehört zu uns und ist unser Erbe. 21 Ruth, die Moabiterin, sprach: Er sprach auch dies zu mir: Du sollst dich zu meinen Knaben halten, bis sie mir alles abgeerntet haben. 22 Naemi sprach zu Ruth, ihrer Schwiegertochter: Es ist besser, meine Tochter, dass du mit seinen Mädchen gehst, auf dass nicht jemand dir drein rede auf einem andern Acker. 23 Also hielt sie sich zu den Mädchen des Boas, dass sie las, bis die Gerstenernte und Weizenernte vollbracht war, und kam wieder zu ihrer Schwiegermutter.


III.


1 Und Naemi, ihre Schwiegermutter, sprach zu ihr: Meine Tochter, ich will dir Ruhe verschaffen, dass es dir wohlgehe. 2 Nun, Boas, unser Freund, bei dessen Mädchen du gewesen bist, worfelt diese Nacht Gerste auf seiner Tenne. 3 So bade dich, und salbe dich, und lege dein Kleid an, und gehe hinab auf die Tenne, so dass dich niemand erkenne, bis der Mann gegessen und getrunken hat. 4 Wenn er sich dann hinlegt, so merk dir den Ort, da er sich hinlegt, und komm und decke auf bei seinen Beinen und lege dich zu ihm. So wird er dir wohl sagen, was du tun sollst. 5 Sie sprach zu ihr: Alles, was du mir sagst, will ich tun.


6 Sie ging hinab zur Tenne und tat alles, wie ihre Schwiegermutter geboten hatte. 7 Und da Boas gegessen und getrunken hatte, wurde sein Herz guter Dinge, und er kam und legt sich unter einen Mandelbaum. Und sie kam leise und deckte auf bei seinen Beinen und legt sich zu ihm. 8 Da es nun Mitternacht wurde, erschrak der Mann und war erschüttert, denn siehe, ein Weib lag bei seinen Beinen. 9 Und er sprach: Wer bist du? Sie antwortete: Ich bin Ruth, deine Magd. Breite deine Flügel über deine Magd, denn du bist der Erbe.


10 Er aber sprach: Gesegnet seist du vom Herrn, meine Tochter! Du hast eine bessere Barmherzigkeit später getan als früher, dass du nicht den Jünglingen nachgegangen bist, weder reichen noch armen. 11 Nun, meine Tochter, fürchte dich nicht! Alles, was du sagst, will ich dir tun. Denn die ganze Stadt meines Volkes weiß, dass du eine tugendsame Frau bist. 12 Nun, es ist wahr, dass ich der Erbe bin. Aber es ist einer näher als ich. 13 Bleib über Nacht bei mir. Morgen, so er dich nimmt, wohl denn. Gelüstet es ihn aber nicht, dich zu nehmen, so will ich dich nehmen, so wahr der Herr lebt. Schlaf bei mir bis morgen. 14 Und sie schlief bei ihm bis zum Morgen bei seinen Beinen.


Und sie stand auf, ehe denn einer den andern erkennen konnte. Und er dachte, dass nur niemand inne werde, dass ein Weib auf die Tenne gekommen sei. 15 Und er sprach: Reiche mir deinen Rock, den du anhast, und halt ihn auf. Und sie hielt ihn auf. Und er maß sechs Maß Gerste und legte das auf sie. Und er kam in die Stadt. 16 Sie aber kam zu ihrer Schwiegermutter, die sprach: Wie steht es mit dir, meine Tochter? Und sie sagte ihr alles, was ihr der Mann getan hatte, 17 und sprach: Diese sechs Maß Gerste gab er mir, denn er sprach: Du sollst nicht leer zu deiner Schwiegermutter kommen. 18 Sie aber sprach: Sei stille, meine Tochter, bis du erfährst, worauf er hinaus will, denn der Mann wird nicht ruhen, er bringe es denn heute zu Ende.


IV.

1 Boas ging hinauf zum Tor und setzte sich dort. Und siehe, da der Erbe vorüberging, redete Boas mit ihm und sprach: Komm und setze dich hier oder dort. Und er kam und setzte sich.


2 Und er nahm zehn Männer von den Ältesten der Stadt und sprach: Setzt euch hierher. Und sie setzten sich. 3 Da sprach er zu dem Erben: Naemi, die vom Land der Moabiter wiedergekommen ist, bietet zum Verkauf das Stück Feld, das unserem Bruder Elimelech gehörte. 4 Darum gedachte ich es vor deine Ohren zu bringen und zu sagen: Willst du es erben, so kauf es vor den Bürgern und vor den Ältesten meines Volkes. Willst du es aber nicht erben, so sag es mir, dass ich es wisse. Denn es ist kein Erbe als du, und ich nach dir. Er sprach: Ich will es erben.


5 Boas sprach: An dem Tag, da du das Feld kaufst von der Hand Naemis, musst du auch Ruth, die Moabiterin, des verstorbenen Mihlon Frau nehmen, dass du dem Verstorbenen einen Namen erweckst auf seinem Erbteil. 6 Da sprach er: Ich mag es so nicht erben, dass ich nicht mein eigenes Erbteil verderbe. Beerbe du, was ich beerben sollte, denn ich mag es nicht erben. 7 Es war aber von alters her eine solche Gewohnheit in Israel, wenn einer ein Gut nicht erben noch kaufen wollte, auf dass allerlei Sache bestünde, so zog er seinen Schuh aus und gab ihn dem andern, das war das Zeugnis in Israel.


8 Und der Erbe sprach zu Boas: Kaufe du es. Und zog seinen Schuh aus. 9 Und Boas sprach zu den Ältesten und zu allem Volk: Ihr seid heute Zeugen, dass ich alles gekauft habe, was Elimelechs Eigentum gewesen ist, und alles, was Chiljon und Mihlon gehörte, von der Hand Naemis, 10 dazu auch Ruth, die Moabiterin, Mihlons Ehefrau, nehme ich zur Ehefrau, dass ich dem Verstorbenen einen Namen erwecke auf seinem Erbteil und sein Name nicht ausgerottet werde unter seinen Brüdern und aus dem Tor seines Ortes. Zeugen seid ihr dessen heute.


11 Und alles Volk, das am Tor war, samt den Ältesten, sprachen: Wir sind Zeugen. Der Herr mache die Frau, die in dein Haus kommt, wie Rahel und Lea, die beide das Haus Israel gebaut haben, und sie wachse sehr in Ephrata, und werde gepriesen in Bethlehem. 12 Und dein Haus werde wie das Haus des Perez, den die Tamar dem Juda gebar, von dem Samen, den dir der Herr geben wird von dieser Dirne.


13 Also nahm Boas die Ruth, dass sie seine Frau ward. Und da er mit ihr im Bett lag, gab ihr der Herr, dass sie schwanger wurde, und gebar einen Sohn. 14 Da sprachen die Weiber zu Naemi: Gelobt sei der Herr, der dir nicht hat lassen abgehen einen Erben in dieser Zeit, dass sein Name in Israel bliebe. 15 Der wird dich erquicken und dich im Alter versorgen. Denn deine Schwiegertochter, die dich geliebt hat, hat ihn geboren, welche dir mehr wert ist als sieben Söhne!


16 Und Naemi nahm das Kind und legte es auf ihren Schoß und wurde seine Amme. 17 Und ihre Nachbarinnen gaben ihm einen Namen und sprachen: Der Naemi ist ein Kind geboren Und nannten ihn Obed. Der ist der Vater von Isai, welcher ist Davids Vater.


18 Dies ist das Geschlecht des Perez. Perez zeugte Hezron. 19 Hezron zeugte Ram. Ram zeugte Amminadab. 20 Amminadab zeugte Nahesson. Nahesson zeugte Salmon. 21 Salmon zeugte Boas. Boas zeugte Obed. 22 Obed zeugte Isai. Isai zeugte David.