Der Brief an die Laodizäer


Deutsch von Torsten Schwanke


Wusstest du, dass Bibeln jahrhundertelang einen kleinen Brief von Paulus an die Laodizäer enthielten? Darauf wird in Kolosser 4, Vers 16 verwiesen: „Nachdem euch dieser Brief vorgelesen wurde, sorgt dafür, dass er auch in der Gemeinde der Laodizäer vorgelesen wird und dass ihr wiederum den Brief aus Laodizea lest.“ (Kolossä und Laodizea sind weniger als fünfzehn Meilen voneinander entfernt.)


Die älteste bekannte Bibelabschrift dieses Briefes befindet sich in der 546 für Victor von Capua verfassten Fulda-Handschrift. Er wird seit dem 4. Jahrhundert von verschiedenen Autoren erwähnt, insbesondere von Gregor dem Großen, auf dessen Einfluss letztlich das häufige Vorkommen zurückzuführen sein dürfte in Bibeln, die in England geschrieben wurden; denn es ist in englischen Bibeln häufiger als in anderen.


Allerdings ist dieser Brief nicht unumstritten. Es gibt keine Hinweise auf einen griechischen Text. Der Brief erscheint in mehr als 100 Manuskripten der lateinischen Vulgata (einschließlich der ältesten, dem berühmten Codex Fuldensis, 546 n. Chr.) sowie in Manuskripten früher albigensischer, böhmischer, englischer und flämischer Versionen. Ende des 10. Jahrhunderts schrieb Aelfric, ein Mönch in Dorset, eine Abhandlung in angelsächsischer Sprache über das Alte und Neue Testament, in der er feststellt, dass der Apostel Paulus 15 Briefe geschrieben hat. In seiner Aufzählung stellt er die Laodizäer nach Philemon. Um 1165 n. Chr. schreibt Johannes von Salisbury über den Kanon an Heinrich Graf von Champagne (Epistle 209), dass „es die verbreitete, ja fast universelle Meinung ist, dass es nur 14 Paulusbriefe gibt. Aber der 15. ist der, der an die Gemeinde der Laodizäer geschrieben ist.“


Der Laodizäerbrief ist in allen 18 deutschen Bibeln enthalten, die vor Luthers Übersetzung gedruckt wurden, beginnend mit der ersten deutschen Bibel, die 1488 von Johann Mental in Straßburg herausgegeben wurde. Darin folgen unmittelbar die Paulinischen Briefe mit dem Hebräerbrief, wobei Laodizäer zwischen Galater und Epheser stehen. In der ersten tschechischen (böhmischen) Bibel, die 1488 in Prag veröffentlicht und im 16. und 17. Jahrhundert mehrmals nachgedruckt wurde, folgt Laodizäer dem Kolosserbrief und geht dem 1. Thessalonicherbrief voraus.


Erst auf dem Konzil von Florenz (1439-43) gab der römische Stuhl erstmals eine kategorische Stellungnahme zum Schriftkanon ab. In der Liste der 27 Bücher des Neuen Testaments gibt es 14 Paulusbriefe, der an die Hebräer ist der letzte, wobei das Buch der Apostelgeschichte unmittelbar vor der Offenbarung des Johannes steht. Der Brief an die Laodizäer fehlt bemerkenswerterweise.


Dieser Brief an die Laodizäer wurde von mehreren gelehrten Männern der Kirche von Rom und anderen, einschließlich der Quäker, die eine Übersetzung gedruckt haben und dafür als kanonischen Text plädieren, hoch geschätzt. Es gibt jedoch mehrere Gelehrte, die ihn als Fälschung ablehnen. Ihr stärkster Einwand ist, dass kein erhaltener griechischer Text existiert.


Sixtus Senensis erwähnt zwei Manuskripte, das eine in der Sorbonne-Bibliothek in Paris, das eine sehr alte Kopie ist, und das andere in der Bibliothek von Joannes a Viridario in Patmos, das er transkribiert und veröffentlicht hat und das die Autorität für die Übersetzung ist.


Es gibt auch eine sehr alte Übersetzung dieses Briefes im Britischen Museum.


Lies diesen Brief selbst und entscheide, ob es sich um eine Fälschung oder um die Worte des Paulus handelt.


DER BRIEF DES APOSTEL PAULUS AN DIE LAODIZÄER


1. Paulus, ein Apostel, nicht von Männern, auch nicht von Menschen, sondern durch Jesus Christus, an die Brüder in Laodizea.


2. Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.


3. Ich danke Christus in jedem meiner Gebete, dass ihr in guten Werken fortfahren und ausharren mögt und auf das wartet, was am Tag des Gerichts verheißen ist.


4. Seid nicht beunruhigt durch die eitlen Reden von jemandem, der die Wahrheit verdreht, damit sie euch von der Wahrheit des Evangeliums, das ich gepredigt habe, abbringen könnten.


5. Und nun möge Gott gewähren, dass meine Bekehrten zu einer vollkommenen Erkenntnis der Wahrheit des Evangeliums gelangen, wohltätig sind und gute Werke tun, die mit der Erlösung einhergehen.


6. Und nun offenbaren sich meine Fesseln, die ich in Christus leide, worüber ich mich freue und frohlocke.


((Dieser Brief wurde zusammen mit denen an die Kolosser, Epheser, Philipper und Philemon wahrscheinlich während der römischen Gefangenschaft des Paulus um 61-63 n. Chr. geschrieben.))


7. Denn ich weiß, dass dies für immer zu meiner Errettung führen wird, die durch euer Gebet und die Zuführung des Heiligen Geistes geschehen wird.


8. Ob ich lebe oder sterbe, das Leben wird für mich ein Leben für Christus sein, das Sterben wird Wonne sein.


((Vergleiche: „Denn das Leben ist Christus, und das Sterben ist Gewinn.“ Philipper 1:21))


9. Und unser Herr wird uns seine Barmherzigkeit schenken, damit ihr dieselbe Liebe habt und gleichgesinnt seid.


10. Darum, meine Geliebten, so denkt und handelt ehrfürchtig, wie ihr von der Wiederkunft des Herrn gehört habt, und es wird euch das ewige Leben sein;


11. Denn es ist Gott, der in euch wirkt;


((Vergleiche: „Denn es ist Gott, der in euch sowohl das Wollen als auch das Tun nach seinem Wohlgefallen wirkt.“ Philipper 2:13))


12. Und tut alles ohne Sünde.


13. Und was das Beste ist, meine Geliebten: Freut euch des Herrn Jesus Christus und vermeidet allen schmutzigen Gewinn.


((Zu „schmutzigem Gewinn“ oder Geld, besonders aus sündhaften Aktivitäten, siehe 1. Timotheus 3:3, 8; Titus 1:7, 11; 1 Petrus 5:2. 1. Timotheus 6:10 wird oft falsch zitiert als „Geld ist die Wurzel allen Übels“, aber es heißt wirklich „Geldliebe ist die Wurzel allen Übels“, was die Wurzel aller Arten von Übel bedeutet.))


14. Lasst alle eure Bitten vor Gott kundtun und bleibt standhaft in der Lehre Christi.


15. Und alles, was gesund und wahrhaftig und von gutem Ruf und keusch und gerecht und lieblich ist, diese Dinge tut.


((Vergleiche: „Schließlich, Brüder, alles, was wahr ist, alles, was ehrlich ist, alles, was gerecht, alles, was rein, alles, was schön ist, alles, was von gutem Ruf ist; wenn es irgendeine Tugend gibt, und wenn es irgendein Lob gibt, denkt über diese Dinge nach.“ Philipper 4:8))


16. Was ihr gehört und empfangen habt, denkt darüber nach, und Friede wird mit euch sein.


17. Alle Heiligen grüßen euch.


18. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist. Amen.


19. Veranlasst, dass dieser Brief den Kolossern vorgelesen wird und dass der Brief der Kolosser unter euch gelesen wird.


((Vergleiche: „Und wenn dieser Brief unter euch gelesen wird, sorgt dafür, dass er auch in der Gemeinde der Laodizäer gelesen wird; und dass ihr ebenso den Brief von Laodizea lest.“ Kolosser 4:16))