VON TORSTEN SCHWANKE
ERSTER GESANG
Maria spricht im Dunkel dieser Zeit
In Kibeho, wo das Leid die Seelen bricht,
Da rief sie uns zur Buße und zum Streit
Mit unsrer Schuld, im sanften Mutterlicht.
Drei Mädchen schauten auf das ew’ge Licht,
Die eine, die zuerst nicht glauben wollt.
Doch Marie-Claire empfing den heil’gen Pflicht,
Den Schmerz der Mutter zu verkünden, hold.
„Den Rosenkranz der Leiden“, sprach sie klar,
„Sollt ihr in eurer Not zum Himmel flehn.“
Denn Gottes Mutter, mild und offenbar,
Lässt nie ihr Volk in Finsternis vergehn.
Sie sprach von Gleichheit – schwarz und weiß sind eins,
Kein Mensch ist minder, keiner Gott zu klein.
Ihr Ruf durchdrang der Völker Stolz und Stein,
Und warb um Liebe, nicht um Macht und Glanz.
Am Grab des Sohns, im letzten Schmerz versenkt,
Sah sie das Kreuz, das Mitleid ganz erfüllt.
Ihr Blick, so tief, dass selbst Marie-Claire denkt:
„Die Liebe ist, was uns zur Umkehr gilt.“
Maria spricht im Dunkel dieser Zeit
In Kibeho, wo das Leid die Seelen bricht,
Da rief sie uns zur Buße und zum Streit
Mit unsrer Schuld, im sanften Mutterlicht.
Drei Mädchen schauten auf das ew’ge Licht,
Die eine, die zuerst nicht glauben wollt.
Doch Marie-Claire empfing den heil’gen Pflicht,
Den Schmerz der Mutter zu verkünden, hold.
„Den Rosenkranz der Leiden“, sprach sie klar,
„Sollt ihr in eurer Not zum Himmel flehn.“
Denn Gottes Mutter, mild und offenbar,
Lässt nie ihr Volk in Finsternis vergehn.
Sie sprach von Gleichheit – schwarz und weiß sind eins,
Kein Mensch ist minder, keiner Gott zu klein.
Ihr Ruf durchdrang der Völker Stolz und Stein,
Und warb um Liebe, nicht um Macht und Glanz.
Am Grab des Sohns, im letzten Schmerz versenkt,
Sah sie das Kreuz, das Mitleid ganz erfüllt.
Ihr Blick, so tief, dass selbst Marie-Claire denkt:
„Die Liebe ist, was uns zur Umkehr gilt.“
Die sieben Schmerzen Mariens
1. Die Weissagung Simeons (Lk 2,25–35)
Im Tempel hört sie, was der Greis verkündet:
Ein Schwert wird einst ihr Herz in Stücke reiß’n.
Der Trost, den sie im Kind gefunden, mündet
In düstre Ahnungsbilder voll von Pein.
2. Die Flucht nach Ägypten (Mt 2,13–15)
Sie flieht mit Josef durch die Wüstennacht,
Das Kind im Arm, verfolgt von Herodes' Mord.
Im Elend wird die große Kraft entfacht –
Der Gottessohn muss ziehn von Ort zu Ort.
3. Der Verlust Jesu im Tempel (Lk 2,41–50)
Drei Tage sucht sie ihn, von Schmerz gezehrt,
Im heil’gen Haus erkennt sie seinen Plan.
Ein Kind, das lehrt – doch sie bleibt unversehrt
Nicht, denn ihr Herz fasst kaum, was da geschah'n.
4. Jesus begegnet seiner Mutter (Lk 23,26–31)
Sie sieht ihn zieh’n mit Blut und Dornenkron’ –
Das Kreuz ist schwer, der Weg nach Golgatha.
Ihr Blick trifft seinen: Mutter, heil’ger Sohn –
Und Schweigen spricht, was niemand je ersah.
5. Jesus stirbt am Kreuz (Joh 19,25–30)
Die Sonne stirbt – und mit ihr stirbt ihr Licht.
Sie steht beim Kreuz, wo Gott das Leben lässt.
Kein Wort, kein Schrei durchbricht ihr Angesicht,
Nur Tränen fließen in das Abendrest.
6. Der Leichnam Jesu wird vom Kreuz genommen (Joh 19,31–37)
In ihre Arme sinkt sein toter Leib,
Ein letzter Blick, ein letztes stummes Flehn.
Sie hält ihn fest – so zärtlich, wie er blieb,
Bis ihre Finger seine Wunden sehn.
7. Jesu Grablegung (Joh 19,41–42)
Im Steineshauch der Höhle ruht ihr Kind,
Die Stille schreit, ihr Herz ist müd und leer.
Die Welt vergeht – doch Glaube bleibt und Wind,
Der weht vom Ostermorgen still daher.
Zum Schluss: Der Auftrag von Kibeho
Marie-Claire soll dieses Leid verkünden,
Damit die Welt zum wahren Licht erwacht.
Denn nur wer lernt, mit Gott sich zu verbünden,
Wird neu geboren aus der dunklen Nacht.
O Mensch, gedenk der Schmerzen dieser Frau,
Die uns im Kinde Gottes Mutter ward.
Sie ruft dich heim – ihr Blick ist ernst und blau,
Doch voller Gnade, zärtlich, stark und zart.
Nach jedem Schmerz betet man ein Vater-
unser und sieben Gruß an Marienmund.
Sie ist die Mutter, Helferin der Vater-
verlassenen Seelen in der Leidensstund.
Zum Schlussgebet tritt still das Herz vor sie:
O Königin, Du Trösterin der Qual,
Du littest mit in blut’ger Sympathie,
vergossest Tränen ohne Maß und Zahl.
Ich fleh um Gnade, tiefe Reue mir,
für alle Sünder auf der weiten Welt.
Durch Deine Tränen, Schmerzbegleiterin hier,
sei meine Schuld in Reue aufgehellt.
Amen. Danach dreimal mit treuem Mund:
Maria, die du ohne Sünde warst,
und litten hast zu unsres Heiles Grund,
bitt, dass Du uns beim ew’gen Richter klarst.
So bete täglich diesen Rosenkranz,
besonders an den Tagen voller Pein:
Am Freitag, Tag des Leidens und des Glanz,
am Dienstag, da begann das göttlich Sein.
In Fastenzeit und an dem Vortag jäh,
der Christi Leiden gedenkt in heil’ger Pflicht –
am Kreuzerhöhungstag, am Marientag,
vergiss den Siebenschmerzenrosen nicht.
Zweimal hat sie gesprochen klar und sacht:
„Es wird euch eine Stimmung auferlegt,
damit ihr Mittel findet in der Nacht,
die euch den Weg zum Glauben wieder prägt.
Im August, da sprach sie ernst und leis:
‚Es kommt die Zeit, da müsst ihr Buße tun,
und sucht nach Wegen, nicht nur frommem Fleiß,
damit die Christen nicht im Dunkel ruhn.‘
„Der Schmerz-Rosenkranz wird oft verkannt,
manch einer denkt, er sei nun Pflicht allein;
doch wer ihn betet, reicht Maria die Hand –
ihr sollt ihn kennen, treu und innig sein.
Wenn ihr nicht jetzt euch wandelt und beginnt,
wenn ihr nicht hört, was ich von Herzen sprech,
dann ist es bald zu spät, der Sturm gewinnt –
die Zeit verrinnt, der Glaube wird euch schwäch.“
ZWEITER GESANG
Im Frühling brach das Morden grausam aus,
ein Land in Blut, von Hass und Tod durchdrungen.
Die Hutu trieben Tutsi aus dem Haus,
wo früher Lieder klangen, ward geschrungen.
Ein Plan, geboren aus Gewalt und Macht,
ließ Nachbarn ihre Freunde kalt erschlagen.
Die Miliz zog mordend durch die Nacht,
in hundert Tagen endlos Not und Klagen.
Die UN schwieg, die Welt schaute nur hin,
ihr Zaudern ließ das Morden weitergehen.
Die Helfer floh’n, kein Rettungswerk begann,
der Tod zog durch das Land mit dunklen Wehen.
Die Täter waren viele – nicht nur Heer,
auch Nachbarn griffen zu den scharfen Klingen.
Wer helfen wollt’, der lebte oft nicht mehr,
die Angst ließ selbst Gerechte stumm verschlingen.
Frankreich, so hieß es, deckte manches Tun,
gab Waffen, Rat – so lautet der Bericht.
Die Schuld begann in alten Herrschaftsruh’n,
Kolonialmacht prägte das Gesicht.
Denn einst schon trennten Deutsche das Geflecht
in Hutu, Tutsi – fremde Rassentheorie.
Die einen stark, die andern minder recht,
so wuchs der Hass – gewürzt mit Tyrannei.
Der König einst zentralisiert’ das Land,
gab Vieh und Macht der Tutsi-Adelsklasse.
Die Hutu litten unter harter Hand,
verstoßen von der Äcker fruchtbar-nasse.
Die Belgier folgten dieser alten Spur,
sie bauten auf der Spaltung ihre Macht.
So festigte sich tief die Fremdenuhr,
und jede Hoffnung schwand in langer Nacht.
Nach alledem kam neue Not herbei,
die Täter flohen in das Nachbarland.
Die Armee drang ein, der Krieg war noch nicht frei,
die Wunden blieben offen – ohne Rand.
Die neuen Herren kamen in das Land,
mit Zwang und Plan erschlossen sie das Feld.
Die Arbeit war mit harter Last verbannt,
der Mensch gezählt, vermessen und entstellt.
Sie tilgten Clan und Stamm durch Paragraph,
die Macht nun auf das Einzelhaupt gelenkt.
Ein Ausweis schrieb, ob Tutsi, Hutu – scharf,
was einst durch Herkunft bloß im Nebel hängt.
Die Kirche wies den Tutsi einst den Weg,
durch Schul und Schrift ins Amt und in die Macht.
Doch bald schon wurde dieser Weg zum Steg,
den Hutu trugen – wach in neuer Nacht.
Ein Umbruch kam, die Macht lag nun im Streit,
die Tutsi bangten, Hutu wurden laut.
Die Worte trugen Hass in jedes Kleid,
ein jedes Haus ward bald in Blut getaucht.
Ein König starb, und mit ihm ging der Staat,
die Ordnung fiel, die Straßen wurd’n zu Gassen.
Man zählte Tote, wo zuvor noch Saat,
und Brüder sich in dunkler Wut verhassten.
Der Wandel sprach in Bürgermeisterhand,
die Hutu führten nun das neue Recht.
Was Tutsi war, vertrieben sie vom Land,
und rühmten sich als endlich aufrecht, echt.
Die Flucht begann, Zehntausende entkamen,
der neue Staat war hart und unerbittlich.
Die, die noch blieben, litten tief in Flammen,
ihr Tod war still, doch grausam und vernichtlich.
Im Osten ward das Blut erneut vergossen,
der Tutsi Feindbild – Hass als Argument.
Kayibanda, von Angst wie stumm erschlossen,
ließ morden, was die Wut der Hutu brennt.
In Burundis Land floh man vor den Klingen,
dort starben Hutu, hunderttausendfach.
Dies Leid ließ neue Rachelieder singen,
man schlug auf Tutsi ein mit blinder Macht.
Dann stieg Habyarimana an die Spitze,
ein Hutu aus dem Norden – klug, gewandt.
Er bannte Blut und gab dem Land Gesetze,
doch hielt die Macht im fest verknüpften Band.
Die Einheitspartei – straff geführt, allein –
war Schild und Schwert des neuen Regiments.
Doch Tutsi blieben außen vor, gemein
war Ausschluss still – getarnt als Existenz.
Die Wirtschaft wuchs, man hoffte auf Gedeih,
der Kaffeehandel füllte kurz das Land.
Doch bald zerschellte Wohlstand wie ein Ei,
als Marktverfall der Armut Tür verband.
Geburten drängten Menschen auf die Äcker,
das Land zu knapp, die Schulen nicht mehr frei.
Man kürzte, was einst galt als Grund und Anker,
die Jugend wuchs – doch ohne Perspektiv.
Die Krise fraß sich tief in Staat und Herz,
die Opposition sprach laut vom Wandel.
Die Hegemonie erschien nun wie ein Schmerz,
der Süden schloss sich an dem Gegenhandel.
Der Ruf nach Freiheit kam auch aus dem Westen,
Demokratie ward plötzlich ein Gebot.
Doch Habyarimana wollt nicht testen,
was seine Macht auf wackligem Grund droht.
Die Tutsi draußen – über dreißig Jahre –
sollten nicht heim; man fürchtete den Raum.
Man sprach von Krieg, von Rebellengefahr,
die Rückkehr schien ein unerfüllter Traum.
Im neunz’nhundertneunzig ersten Oktobertag
begann der Krieg – die RPF marschiert.
Der Bürgerkrieg war nun der neue Schlag,
das Land zerbarst, vom Frieden abspaliert.
Die RPF, gestählt in Ugandas Land,
griff Habyarimanas Reich nun an.
Der bat um Hilfe – reichte seine Hand
nach Frankreich, Zaire und dem Belgiermann.
Der erste Stoß ward schließlich abgewandt,
doch Frieden war im Grunde längst verloren.
Die Angst blieb tief im ruandischen Land,
die Spaltung wuchs, aus Misstraun ward Zorn geboren.
Die Armee wuchs rasch, mit westlichem Gerät,
Frankreich half Waffen, Wissen, Macht zu mehren.
Was einst als Schutz gedacht, schlug bald konkret
in Hass um, der begann, sich zu verehren.
Milizen formten sich im Schattenreich,
die Jugend wurde heimlich einverleibt.
Sie übten schon, als ob es morgen gleich
um Tod und Ruhm in Blutvergießen schreibt.
Die Sender schrien: »Die Kakerlaken kommen!«
Propaganda nährt den Bürgerzorn.
Der Friede ward in Arusha vernommen,
doch Lügen blühten giftig wie ein Dorn.
Man sprach von Teilung, doch nur mit den Lippen,
der Hass saß tief, die Waffen heimlich nah.
Die Pläne lagen längst auf jenen Kippen,
wo bald der Mord zum Alltag wurde, ja.
Im April dann stürzt ein Flugzeug aus dem All,
der Präsident ist tot – ein letztes Zeichen.
Da brach entfesselt los der große Fall,
das Menschsein selbst begann sich zu erbleichen.
Mit Listen, Waffen, Messern, Mördersinn
zog man durch Dörfer, Straßen, Städte, Flur.
Ein Tutsi galt als Feind, als Schuld darin,
dass Macht einst floh – und nun sei Rache nur.
In hundert Tagen fiel die Welt in Stücke,
der Nachbar schlug, der Lehrer schnitt ins Fleisch.
Die Welt, sie schwieg – als gäb es keine Brücke,
zu groß der Tod, zu weit das Mörderreich.
Im Schatten hielten sie das Ruder fest,
die Macht blieb still in Habyarimans Hand.
Sie täuschten vor, man teile das Protest,
doch banden sie das freie Vaterland.
Wer wagte, laut zu schreiben, was geschah,
den traf die Wut des mächtig kalten Staats.
Die Presse rief zur Hetze, scharf und nah,
und säte Hass mit jedem Wort des Rats.
Man gründet’ Truppen, Miliz ward gemacht,
die CDR mit finsterm, starrem Ziel.
Die Tutsi galt als Feind, bei Tag und Nacht,
die Hetze wuchs, sie war das eigne Spiel.
Die Interahamwe folgte ihrem Ruf,
die Jugend lernte töten, nicht verzeihn.
Man übte Mord im staatlich klaren Beruf,
die Schuld blieb fort, als wär sie nie geschehn.
Die RPF, besiegt zwar, nicht besiegt,
zog weiter kämpfend durch das weite Land.
Die Zahl der Flüchtling’ stieg, ihr Ziel blieb krieg,
ihr Lager wuchs, zerschlug der Feinde Band.
Byumba fiel, das Kornland war nun ihrs,
die Führung zwang das Schwert zum Friedenswort.
Man redet’ lang, doch nirgends war ein Wir,
die Hoffnung starb an jedem neuen Ort.
Vier Male ward ein Pakt in Arusha voll,
doch jedes Mal mit Widerstand gepaart.
Die MRND blieb treu dem alten Zoll,
und CDR mit Hass erneut erstarrt.
Im Jahr, da Hutu-Power sich erhob,
zerbrach die Einheit, Spaltung war nun Ziel.
Die Mäßigen verloren ihren Lob,
der Kampf ward Volk, das Opfer ward Profil.
Ein Staat, so lautlos gegen Tutsi blind,
ward Traum derer, die das Morden führn.
Was einst als Machtkampf seinen Lauf beginnt,
soll bald die Flamme des Genozids schürn.
Die RPF zog kampfstark Richtung Stadt,
die Macht in Kigali begann zu beben.
Die Angst, die sich bei Hutus eingenistet hat,
ließ jeden Wunsch nach Frieden sterbend leben.
Ein Stoßtrupp drang bis an die Tore vor,
nur Druck aus West verhinderte den Fall.
Doch Furcht vor Revanche schwoll zum Chor,
man sah sich selbst vorm eignen Untergang im All.
Dann fiel in Burundi der Präsident,
ein Hutu, den die Tutsi niederstreckten.
Die Nachricht flog, das Feuer lodernd brennt,
sie ließ die Angst erneut und tiefer wecken.
Die Mäßigen begannen nun zu schweigen,
die Harten aber schrien nach kaltem Plan.
Der Mord ward Bild für Tutsis dunkles Neigen,
man schürte Rache – laut und ohne Wahn.
Zugleich begann ein Werk der Ideologen,
ein Gift, das still durch Worte wirksam drang.
In Schriften, Bildern, Lügen ward gelogen,
bis selbst Vernunft im Wahnsinn unterging.
Ein Blatt mit Namen Kangura genannt,
verbreitete den neuen Hutu-Glanz.
Die Zehn Gebote, schwarz auf weiß gebannt,
verbannten Liebe, Gnade, jeden Kranz.
Der Mann, Mugesera, sprach es klar,
er rief zur Tat, zum Völkermord im Land.
Was einst noch Schimpf war, wurde Wahrheit gar,
sein Fluchtweg zeigte uns die blut'ge Hand.
Doch Radio war das Schwert, das tiefer schnitt,
RTLM mit Witz und dunklem Wort.
Was scheinbar Spiel war, schürte Schritt für Schritt
die Lust am Tod – kein Hörer kehrte fort.
Mit Liedern, Lachen, Rufen aus dem Rund
vermochten sie den Hass zu säen breit.
Sie gaben Tutsi Namen ohne Grund:
ein Wurm, ein Affe – nicht mehr Mensch im Kleid.
„Fällt große Bäume, schneidet Büsche klein!“
So sprach man dort, wo Mord verschlüsselt lag.
Und „junge Triebe“ sollten’s auch nicht sein,
sie mähte man im Frühlicht ohne Frag.
Die Pflicht zur Arbeit ward zur Tötungspflicht,
„Umuganda“ hieß das neue Ritual.
Die Nachbarn führten Messer in das Licht,
ihr Werk geschah im Rhythmus, kalt und schmal.
Man führte Listen, schrieb die Namen auf,
von Feinden, Freunden, die nicht mitgehn wollten.
Die Milizen nahmen bald den blut'gen Lauf,
und taten, was die Führer schon gewollten.
Ein Colonel schrieb den Plan, er hieß Bagosora,
ein Mann des Staates, kalt in seinem Blick.
Er schuf Milizen, bildete sie vor – da
gab es kein Rück zur Menschlichkeit zurück.
Was dann geschah, ist Schwärze ohne Rand,
ein Spiegel, der nur Leere zeigt und Tod.
Und dennoch sprach man stolz vom Vaterland –
die Wahrheit aber blutete in Not.
Im Jahre dreiundneunzig, Anfang vier,
gab man Gewehre aus in großer Zahl.
Die Führer rüsteten das Volk zur Gier,
bewaffnet ward der Tod für jedes Mal.
Zu teuer war der Schuss, das Ziel blieb klar,
drum kaufte man Macheten in dem Land.
Ein Drittel der Hutu war kampfbereit sogar,
das Werkzeug lag schon griffbereit zur Hand.
Seit langem war die Klinge wohlbekannt,
ein Werkzeug auf den Feldern Jahr um Jahr.
Schon vierundachtzig zählte man im Land
bei Bauern fast in jedem Haus ein Paar.
Und nicht genug – im Januar erschien
ein Report von Human Rights ganz klar:
Dass Waffen, Kriegsgerät in Massen fliehn
nach Ruanda – blutig, furchtbar, wahr.
Am Abend sank ein Flugzeug in den Tod,
ein Feuerstrahl durchzuckte Kigalis Nacht.
Ein Präsident, gefesselt seinem Lot,
vom Himmel fiel, der Krieg hielt neue Wacht.
Man weiß nicht, wer die Waffen dort entfacht,
ob Hutu-Hass den Funken niederzog,
ob RPF die Macht sich selbst gemacht –
der Zweifel bleibt, so wie der Leichen Zug.
Ein halbes Stundenspiel, dann brach das Graun.
Mit Listen in der Hand, so zogen sie,
um Nachbarn, Freunde, Mütter zu verhau’n,
in Häusern, Kirchen, Schulen, klang ihr „Wie?“
Die Garde mordete mit kaltem Blick,
die Mörder stachen auf die Opfer ein.
Agathe fiel, es half kein Schutz zurück,
die Blauen Helme starben, stumm und klein.
Bagosora trat aus dunklem Schatten,
ein Krisenrat, nur Militär war da.
Die Macht verteilte sich in alten Platten,
die Übergangsregierung sprach Hurra.
Die Welt? Sie zog sich rasch aus Ruanda.
Man flog hinaus, was fremd, war schnell gerettet.
Die, die noch blieben, starben ohne Panda,
die Zahl der Toten hat sich schwarz gebettet.
Die Massenflucht begann mit frommem Ziel,
an heiligen Stätten suchten sie Versteck.
Doch Mordwerkzeuge, Speer, Machete, Kiel,
sah’n bald ihr Blut, das keuchend floss im Dreck.
Ab dreizehn war kein Zögern mehr zu sehn,
es kamen Waffen, Granaten, Soldat’n.
Ein Aufruf rief: „Die Hutu sollen gehn!“
Die Tutsi blieben – niemand hat’s verbannt.
Dann flogen Bomben, Fluchten endeten
in Bergen Leichen, Schrei und Stille laut.
Die Mörder kamen, um zu beenden,
was Menschenwürde jemals aufgebaut.
In Nyarubuye lag das letzte Wort,
ein Gotteshaus, ein Blutsee und Gebein.
Bis April einundzwanzig war der Ort
des Todes voll – man schätzt: zweihunderttausend sein.
In Byumba war die RPF bereit,
sie hielt das Land, die Mörder fern vom Ziel.
Die Schrecken blieben aus zu jener Zeit,
zu stark der Feind, zu nah das Schlachtenspiel.
In Ruhengeri, Gisenyi zog
die Angst bereits vor Zeiten ihre Bahn.
Denn wer dort Tutsi war, der längst entfloh,
bevor das Morden wirklich einst begann.
In Gitarama hielt man kurz noch Stand,
die Opposition regierte das Revier.
Doch bald zog auch der Tod durch jenes Land,
seit Milizen kamen – und mit ihnen Gier.
In Butare saß ein Präfekt als Schild,
ein Tutsi, stark, mit Mut im Angesicht.
Er wehrte sich, bis man ihn abgesetzt,
dann brach der Sturm los – brannte jedes Licht.
Die Weisung kam auf manchem dunklen Pfad,
vier Wege führten in das blut’ge Werk.
Im Heer galt schlicht der Befehl wie ein Rad,
das jeden trieb, der zögerte und schwärk.
Die Ordnung sprach durch Ämter, alt und klar,
vom Präfekt bis zum Dorf, durch Rat und Wort.
Man nannte’s „Umuganda“, wie es war,
doch war es Mord – und keiner wich mehr fort.
Wer sich nicht fügte, fiel dem Hass zum Fraß,
man stürzte ihn – mitunter schlug man tot.
Die Macht der Partei brachte weiteres Maß,
sie hetzte kleinste Zellen auf zur Not.
Ein vierter Weg ging durch das Zentrum blind,
wo Bagosora seine Netze spann.
Die Miliz und die Verwaltung – oft verwind
die Grenze sich – man sah kaum, wer begann.
Nicht stets war’s oben, wo der Befehl entstand,
manch Untertan war schlimmer als sein Chef.
Sie drängten, wo der Vorgesetzte stand,
zu rascher Tat, zu Schrecken ohne Heft.
Die Miliz war mal gehorsam, mal allein,
mal fremdbestimmt, mal selbst in heißer Pflicht.
Sie drohten jenen, die zu zögernd sein –
und trieben sie mit Drohung ins Gericht.
Auch Radios klangen laut durch jedes Tal,
mit Hass erfüllt, mit Blut im vollen Klang.
RTLM voran – ihr schwarzes Mal
vergiftet Wort und Wille, Tag für Tag.
Wie viele mordeten, bleibt ungewiss,
die Zahlen schwanken – wild, mit leerem Grund.
Einige nennen drei Millionen – bis
zu hundertfünfzigtausend geht der Bund.
Man schätzte später, wer getötet hat,
auf sieben, acht Prozent der Hutu-Macht.
Bei Männern gar war's jeder sechste statt,
der mordend durch die Dörfer zog bei Nacht.
Die Kerker füllten sich zur höchsten Zahl,
im Jahr '97 war’n es hundertvierzigtausend.
Dann sanken sie – doch langsam – in das Tal,
zwei Null Null waren’s zehntausend weniger draußen.
Drei Prozent nur der Täter waren Frau’n,
doch eine stach aus all den andern aus:
Pauline, die mit Worten grauenvoll und rau
zur Hetze rief – auch aus dem Radiohaus.
Sie hetzte Mörder, wählte Opfer selbst,
rief auf zu Schande, zu Vergewaltigung.
Für das, was sie als Frau begangen, hält
ihr Urteil heute Gültigkeit und Schwung.
Die Täter stammten aus dem ganzen Land,
von Bauern bis zu Führern an der Front.
Die Eliten planten vieles wohlbekannt,
doch zahlreich waren sie im Volk nicht prompt.
Die Massen waren Männer – einfach, roh,
nicht anders als der Schnitt im Land zur Zeit.
Doch jung und arm, mit wenig Schulniveau,
war'n viele, die zum Äußersten bereit.
Die Mörder, die das Morden erst entfacht,
gehörten oft zur Führung vor Ort.
Gebildet, gut vernetzt, mit kalter Macht,
sie trieben an – und gaben dann das Wort.
Aus Furcht, so sagten viele einst zurück,
beteiligt man sich an dem Mordgescheh’n.
Man fürchtete Gewalt als Gegenstück,
wollt nicht als Feigling unter Feinden steh’n.
Die Tutsi galten als des Feindes Schar,
man sprach von Rache für des Führers Tod.
Die Angst, dass Krieg ihr eignes Ende war,
trieb viele in den blutgetränkten Pfad von Not.
Der Staat befahl, das Morden war Gesetz,
wer tötete, erfüllte seine Pflicht.
Doch war auch Habgier Teil des bösen Netz’,
man raubte, brandschatzt’, schämte sich oft nicht.
Man schoss zuerst auf jene, wohlbekannt,
und Massaker folgten kurz darauf im Zug.
Die Flucht war durch Barrieren bald gebannt,
wo Tutsi starben ohne Hoffnung, Lug und Trug.
Es folgten Plünderung, Vergewaltigung,
Verstümmelung und Folter ohne Maß.
Die Opfer litten lang in Qual und Dung,
ihr Tod war oft ein grausam, langsam Nass.
Man warf sie Flüssen zu, dem Grab verweht,
ließ Leichen offen, stumm im Straßengrund.
Die Mörder rühmten, was in Flammen steht,
der Mensch verbrannt, entkleidet und gesund.
Die Machete war das Werkzeug der Gewalt,
sie schnitt in Fleisch, mit Vorsatz, roh und kalt.
Schon früh importiert, war sie billig und schlicht,
sie diente dem Morden, Gesicht für Gesicht.
Mit Knüppeln erschlug man, was lebte zuvor,
in Kibuye war’s gar die gängigste Spur.
Die Zahl spricht vom Blut, das die Klingen vergoss,
vom Tod, der in Wellen durchs Land sich ergoss.
Versteckt im Dunkel, tief im Erdversteck
Sie flohn in Sümpfe, Wälder, Nacht und Not.
Ein Dach, ein Loch, ein Hügel gab Versteck,
vor Mördern, die entfesselt suchten Tod.
Mit Geld, mit Leib, mit letztem Lebensmut,
erkauften sich Verfolgte Zeit und Raum.
Ein Hutu half, ein Freund, auch wer es tut,
aus Mitleid oder Hoffnung, nicht aus Traum.
Wo Augen fremder Zeugen sich erhob’n,
da zögerten die Mörder oft ihr Werk.
Im „Mille Collines“ blieb manch einer lob’n,
weil Rusesabagina standhaft, stark und stark.
Wo Rotes Kreuz die Fahne aufgericht’,
da sammelten sich viele, suchten Schutz.
Im Stadion, im Lager, im Gesicht
des Feindes war Verzweiflung oft der Trutz.
Wo RPF das Land zurückgewann,
da endeten die Morde – nicht sofort.
Doch Hoffnung keimte, wo der Zug begann,
der Aufstand gegen Hass, der dunkle Ort.
Auch Hutu lehnten Taten oftmals ab,
gab Befehl zur Ruh, doch blieben stumm.
Ein Oberst sprach – man schob ihn schnell ins Grab,
weil Mord zu Dienst geworden war, darum.
Präfekten hielten Mörder an der Tür,
sie straften früh, doch bald kam Übermacht.
Mit Garde kam der Tod, das Menschentier,
und trieb den letzten Widerstand zur Schlacht.
In Bisesero warfen sie mit Stein,
verbannten Angst mit Kampf, mit Mut, mit Glut.
Sie schrien nicht, sie verschmolzen Stein zu Bein –
bis Heere kamen. Tausend blieb’n mit Blut.
Im Schatten stehn die Twa im Leidensland,
ihr Volk wird kaum im Buch der Schuld benannt.
Ein Drittel starb durch Mörderhand im Sand,
ein Drittel floh, dem Tod ins fremde Land.
Als Jäger einst geachtet, dann verbannt,
verfemt, vergessen, tief in eig‘ner Schand.
Doch auch aus ihren Reihn trat mancher Mann
mit Waffe in den blutgetränkten Bann.
Wie groß ihr Tun im Strom der Morde war,
ist ungewiss, ein blinder Fleck sogar.
Ihr Leid, ihr Schweigen klingt noch immer klar –
ein Echo aus der Nacht, das niemand sah.
Ein Schuss zerreißt des Himmels dunkle Ruh,
der Krieg entflammt, die Stadt wird Kampfeskuh.
Die RPF marschiert mit klarem Ziel,
ihr Aufbruch folgt dem takt’schen Kriegsprofil.
Mit Disziplin und unerbittlich fest
zieht sie durch Nord und Süd, durch Dorf und Nest.
Regierung flieht, der Feind wird bald zerdrückt,
der Sieg war nah, der Tod war mitgeschickt.
Die Hauptstadt fällt, die Flucht reißt Menschen mit,
doch bringt der Sieg nicht nur des Friedens Schritt.
Auch Rebellen töten – kalt und ungeniert,
ihr blut’ger Pfad ist oft nicht dokumentiert.
Und fragt man nach, war’s Macht, nicht nur der Schutz,
war Kalkül Teil des Siegs im Mörderputz?
Die Wahrheit ruht in Staub und Blut und Stein –
nicht alles, was gerecht, ist auch nur rein.
Im Land, wo Blut die Felder dunkel färbt,
sah Gersony, was man nicht sagen darf.
Er sammelte, was still die Menschheit schmerzt:
Berichte, die man später unterwarf.
Die RPF, einst Retter in der Not,
wird angeklagt, das Volk erneut zu schlagen.
Doch schweigt die Welt, aus Furcht vor neuem Tod,
will nicht die junge Macht in Frage tragen.
Wer zählt die Frauen, die geschändet sind,
zerrissen durch die Tat in dunkler Stunde?
Ein jedes Opfer bleibt ein stummes Kind
in einer schmerzverwehten Lebenswunde.
Aus Scham wird Schweigen, aus Gewalt ein Grab,
aus neuem Leben manchmal nur Verderben.
Und viele trugen schon das tödlich Lab,
das AIDS – ein Erbe jener Höllenherben.
Wo Eltern starben, stehen Kinder auf,
als Hüter leerer Töpfe, leiser Träume.
Sie fristen in dem Elend ihren Lauf,
verlassen in Ruandas Ascheäume.
Die Mädchen leiten schweigend das Quartier,
kein Brot, kein Trost, nur Angst und leere Hände.
Doch wuchs aus ihrer Not auch Kraft in ihr,
ein Mut, der trotzt dem langsamen Gelände.
Zu Tätern wurden Kinder in der Nacht,
getrieben von dem Rausch der blinden Massen.
Die Schuld, sie kam mit einer fremden Macht,
und ließ sich nie ganz aus dem Herzen fassen.
Sie saßen ein in dunkler Zellen Zeit,
verloren Kindheit, Glaube, auch Vertrauen.
Wer heilt, was tief im Innern still verbleibt,
wenn Mauern Kinderseelen überdauern?
Die Glocken schwiegen, als die Messer fielen,
die Kirchenmauern blieben nicht mehr heil.
Nicht überall – doch oft genug – verließen
die Hirten ihre Herde in der Weil.
Ein Priester ließ die Kirche niederreißen,
wo Menschen fliehend um Vergebung baten.
Was heilig war, verging in kalten Schneisen,
wo Mörder folgten alten, frommen Pfaden.
Der Genozid zerriss des Glaubens Band,
verloren ging das kirchlich' alte Bild.
Die Gläub’gen wandten sich von jener Hand,
die schwieg, als man in Massen Menschen killt.
Die Freikirch' wuchs, der Islam fand Gehör,
die Kirchen baten spät um Schuldverzeihn.
Die Taten einzelner – so klang ihr Chor –
soll'n nicht der ganzen Kirche Erbe sein.
Der Papst entschlug sich einst der Mitschuld klar,
doch Jahre später kam ein neues Wort.
Franziskus bat um Gnade, die wohl wahr
den Schmerz erkennt, der blieb an jedem Ort.
Die Muslime, kaum vom Hass erfasst,
sie retteten, wo Tod die Grenze zog.
Sie halfen still – ganz ohne Mordelast –
und gingen meist des Hasses blut’gen Bogen.
Nicht Ziel der Wut, doch fremd im eignen Land,
so sah man sie, als Volk ohn’ Erd’ und Raum.
Doch fest vereint durch ihren Glaubensstand,
entstiegen sie dem Leid wie aus dem Traum.
Ihr Ansehn wuchs, ihr Wirken wurde Pflicht:
Versöhnung ward ihr Dschihad in der Tat.
Vom Fundamentalismus keine Sicht –
ihr Glaube lebt, doch friedvoll ihre Saat.
Hymne an die Jungfrau Maria von Kitebo
O Mutter Gottes, hell und rein,
Du strahlst in Ruandas grünem Hain.
Vom Ew’gen Wort, das Licht gebracht,
Bist du die Königin der Nacht.
In deinem Blick der Friede ruht,
Versöhnung blüht in deinem Gut.
Schwarze Mutter Afrikas Land,
Du hältst es sanft in deiner Hand.
Vom Himmel sandtest du das Wort,
Das klingt in Herz und jedem Ort.
In Kitebo steigt dein Lobgesang,
Der Hoffnung hell und ewig klang.
Du heil’ge Mutter, rein und klar,
Stehst fest in Sturm und Dunkel gar.
Dein Schutz erhebt das Menschengeschlecht,
In dir erblüht das wahre Recht.
O Jungfrau, schütze dieses Land,
Führ deine Kinder an der Hand.
Du bist des Friedens Sternenzelt,
Die Hoffnung in der ganzen Welt.