DAS BUCH DER EWIGEN WEISHEIT – TEIL 1

Didaktisches Epos

von Josef Maria von der Ewigen Weisheit



MOTTO

Als er SIE in den ausgelegten Gleichnissen der Schrift mit den inneren Augen schauen wollte, da zeigte SIE sich ihm also: SIE schwebte hoch über ihm auf einem Wolkenthron, SIE leuchtete wie der Morgenstern und schien wie die spielende Sonne! IHRE Krone – Ewigkeit, IHR Kleid – Glückseligkeit, IHRE Rede – Süßigkeit, IHR Umfangen – aller Lust Genüge! SIE war fern wie nah, hoch wie niedrig, SIE war gegenwärtig und doch verborgen, SIE ließ mit sich umgehen und doch vermochte niemand, SIE zu begreifen! SIE reichte über das Oberste des höchsten Himmels hinaus und rührte das Tiefste des Abgrunds, SIE breitete sich aus von einem Ende der Erde zum andern und reichte mannigfaltige Süßigkeiten! Glaubte er, eine schöne Jungfrau zu haben, fand er geschwind einen herrlichen Herrn! SIE gebärdete sich als eine weise Meisterin, eine weidliche Minnerin! SIE bot sich ihm minniglich an und sprach zu ihm voll Güte: „Mein Sohn, gib MIR dein Herz!“ Er neigte sich zu IHREN Füßen und dankte IHR von Herzen aus demütigem Grund. Dies ward ihm, und mehr konnt ihm nicht werden.“
(Heinrich Seuse)


STANZEN AN DIE BIBLISCHE WEISHEIT
 
Gott, o mein Gott, du Gottheit voll Erbarmen,
Du schufest alle Sphären durch dein Wort.
Der Mensch, er kam aus deiner Weisheit warmen
Urmütterlichen Herzen, wo der Hort
Der Ruhe ist. Er soll mit seinen Armen
Die Kreaturen tragen fort und fort,
Der Weisheit folgen in Barmherzigkeit,
Dir, Gott, in deiner reinen Heiligkeit!
 
Sohn deiner Magd bin ich, o Herr, dein Sklave,
Ich bin ein schwacher Mensch, und sehr gering
Ist die Erkenntnis, die ich habe, Jahwe!
Gib, daß ich zu der Weisheit aufwärts dring,
Gewähr, daß ich in römischer Oktave
Die Rühmung deiner großen Liebe sing.
Geweiht der schönen Weisheit sei ein schlichter
Gesang zu Gottes Ruhm von seinem Dichter.
 
Mit Jahwe ist die Weisheit, die man nennt
Mitschöpferin der Meere und der Berge,
Die Tal und Teich und Nacht und Nebel kennt
Und Deich und Düne, all des Wortes Werke,
Die jener, dem sie es gewährt, erkennt,
Daß er sie nennt im Herzen seine Stärke.
So sende sie vom Thron der Herrlichkeit,
Daß sie mit mir sei meines Wirkens Zeit.
 
Sie leite mich in meinem Werk besonnen,
Das ich vollbringen möchte in der Welt;
Sie spende meinem Geiste süße Wonnen,
Selbst wenn mich schrecklich drängt des Leibes Zelt;
Sie spende reinen Tau aus ihrem Bronnen
Und sei ein Leben lang mir zugesellt.
Denn wer kann singen, daß es ruhmvoll heißt
Und klug dazu, als nur durch deinen Geist!
 
Drum hat die Weisheit in dies Buch geschrieben:
Der wird mich finden, der mich ernsthaft sucht!
Ich liebe herzlich alle, die mich lieben,
Und besser ist als Feingold meine Frucht.
Die Weisheit ist den Menschen treu geblieben,
Doch untreu ist die Torheit und verrucht.
All jenen, welche lieb im Herzen haben
Die Weisheit, spendet sie des Geistes Gaben.
 
Jehova schuf mich einst im Anbeginn,
Bevor die Wege er betrat der Zeit.
Bevor die Erde wurde, war ich in
Jehovas Geiste alle Ewigkeit.
Ich war in seinem Mutterschoße drin,
Bevor die Meere wogten weit und breit.
Vorm Werden erster wasserreicher Quellen
Tat Jahwe sich die Weisheit zugesellen.
 
Als er das dunkle Firmament gebogen,
War ich schon längst, vor seinem ersten Stern,
Bevor die ersten Wolken sind geflogen,
Da hatte er mich schon im Herzen gern,
Und als er fluten ließ des Meeres Wogen,
Sah ich als Taube schwebend zu von fern.
Der Erde Fundamente und den Wind
Schuf er durch mich, sein meistgeliebtes Kind.
 
Ich war an jedem Tage seine Wonne
Und habe Jahwe Nacht für Nacht erfreut.
Ich spielte mit der Erde, mit der Sonne,
Als Kind vor seinem Throne allezeit.
Die Torheit aber packt ich in die Tonne
Und trug sie in den Abgrund tief und weit.
Wohl dem, der auf mich hört und Nacht für Nacht
An meinem reinen Perlentore wacht!
 
Ich kam hervor aus Gottes süßem Mund
Und sang entflammt wie sieben Feuerzungen.
Auf einer Wolkensäule rein und rund
Mein Thron steht von den Engeln schön umschwungen.
Den Himmelskreis umschritt ich Stund um Stund,
Bin in die Tiefe des Abyss gedrungen.
Ich wollte über Meereswogen wohnen
Mit meiner Herrschaft über die Nationen.
 
Bis in die Ewigkeit vergeh ich nicht
Und bin die Königin der neuen Welt.
Ja, auf der Menorah war ich das Licht
Und war die Wolke in dem heilgen Zelt.
Zum Berge Zion wandt ich mein Gesicht,
Hab in Jerusalem mich aufgestellt.
Inmitten meiner Engelsschar vom Jabbok
Wollt wohnen ich in meinem Volke Jakob.
 
Wie eine Zeder auf dem Libanon
Wuchs ich, der Bäume Königin, empor.
Als Ulme mit der Rebe in Union
Stand ich als Königin im Sangeschor.
Als Oleander mit dem Sangeston
Der Nachtigallen in dem Maienflor
Hab ich geblüht als Königin der Psalmen
Und war die Höchste aller hohen Palmen.
 
Wie Mastix- und wie Myrrhenharze süß
Bin ich und wie des Onych Wohlgeruch.
Aus meiner Staude linder Balsam fließt
Und gibt den Wunden Linderung genug.
Mein Reden ist das Wort vom Paradies
Und steht geschrieben in des Lebens Buch.
Mein Lebensbaum ist weithin wipfelkronig.
Als Königin der Bienen geb ich Honig.
 
Wohl dem, der über Weisheit sinnt und sinnt
Und meditierend sich um Einsicht müht,
Der mütterlichen Weisheit folgt als Kind
Und für die heilige Erkenntnis glüht,
Der horchend steht, wo ihre Tore sind
Und der begierig in ihr Fenster sieht,
Der baut in ihrem Baum ein Nest und stellt
Nah ihrer schönen Wohnung auf sein Zelt.
 
Wohl dem, der solches tut, der Jahwe ehrt,
Der festhält an der Schrift und heilig handelt,
Der wird erfahren, was die Weisheit lehrt,
Und mehr und mehr so wandeln, wie sie wandelt.
Den wird sie lieben, der sie heiß begehrt,
Wird lieben ihn als Braut, der sie behandelt
Nicht etwa so wie eine wüste Närrin,
Vielmehr als seines Herzens hohe Herrin!
 
Sie wird ihn nähren mit der Klugheit Brot
Und mit der Wahrheit blutigrotem Wein.
Die immer ihm der Einsicht Wasser bot,
Die wird ihm Apfel der Erkenntnis sein
Und ohne Sünde, denn des Herrn Gebot
Ist auch das Wort der Weisheit, wahr und rein.
Und so wird von der Weisheit Wunderspeise
Der Weisheitliebende in Wahrheit weise.
 
Er möge sich an ihre Schulter lehnen
Und ihr vertrauen, und er wird nicht fallen.
Sie wird erkennen seiner Seele Sehnen,
Ihm geben mehr an Lob und Ruhm als allen
Den Toren, sondern gleich dem Sang von Schwänen
Prophetisch wird ihm seine Stimme schallen
Zu Gottes Ruhm. Wo Fromme sich versammeln,
Da wird er lachen, lallen, stottern, stammeln.
 
Den Übeltätern ist sie unerreichbar
Und Unbeherrschte werden sie nicht schauen.
Die Wahrheit ist mit Lüge nicht vergleichbar,
Mit Huren nicht vergleichbar keusche Frauen.
Wie soll der loben, der an Wildheit reich war,
Die milde Weisheit in den Maien-Auen?
Der Mund des Weisen singe Gottes Lob
Und unterrichte alles Volk darob.
 
Verlangt nach meinem Wort mit vollem Sehnen,
Dann werdet ihr Belehrung wohl empfangen.
Seht unvergänglich sich die Weisheit dehnen
In ihrem Strahlenglanz und Lichterprangen.
Ihr möget euch in Liebe an sie lehnen,
Sie schenkt sich denen, die nach ihr verlangen.
Wer sie am Morgen sucht in goldner Frühe,
Da singt sie süß, da braucht es keine Mühe.
 
Das ist die Klugheit: Über sie zu sinnen,
Und sorglos ist, wer ihretwegen wacht.
Sie geht einher, die Würdigen zu minnen,
Und leuchtet ihren Wegen in der Nacht.
Begehr nach Bildungsgut ist ihr Beginnen,
Doch Liebe, das ist ihre wahre Macht!
O daß ich stets in Gottes Nähe bliebe
Und lebe nach der Weisheit: das ist Liebe!
 
Wer sucht die Weisheit und sie ist ihm gnädig,
Der wird in dieser Welt ein rechter Walter
Und waltet über Gutes, ists auch wenig,
So ists doch recht in Tugend. Und das Alter
Vermählt sich mit der Weisheit, wird ein König
Und lobt und preist und rühmet mit dem Psalter.
Und wenn er seines Lebens Weisheit schriebe,
So ist es alles Liebe, Liebe, Liebe!
 
Mein Sohn, du lern von meinen Worten Zucht,
So wirst du weise, wenn du auch ergraust.
Geh auf sie zu und pflücke ihre Frucht,
Auf daß du ihre süße Schönheit schaust.
Den Narren ist sie lästig und verrucht.
Doch sieh, daß du dein Haus auf Felsen baust,
Wie auf Morijah steht Jerusalem.
Nur Toren ist die Tugend unbequem.
 
Bring deine Füße in der Weisheit Fesseln
Und neig den Nacken unters Tugendjoch.
Geh nicht den Weg in Disteln und in Nesseln,
Geh auf der Weisheit schmalem Wege doch!
Lausch immerdar den Weisen in den Sesseln
Und du wirst Ruhe finden noch und noch.
Die Fessel wird zum Schutz in allen Ländern,
Der Weisheit Strick zu reinlichsten Gewändern!
 
Ihr Joch wird dir zu goldnem Diadem,
Der Weisheit Garn wird dir zu Purpurschleifen.
Die Weisheit wird dir Mantel angenehm,
Du trage sie wie einen Kronenreifen.
Die Weisheit predigt in Jerusalem,
Du mußt nicht länger durch die Länder schweifen,
Lausch du in der Versammlung süß und milde
Dem Ruf der Weisheit, daß sie klug dich bilde.
 
Verweile gerne in der Alten Kreisen
Und schließ dich an dem Volk von hohen Tagen,
Da wird die Weisheit dir die Wege weisen.
Du eile, weisen Menschen nachzujagen,
Und lausche allezeit dem lieblich leisen
Gesang der Weisheit, mußt so nicht beklagen
Die Torheit deines wilden Herzens. Siehe,
Die Weisheit sitzt vor deiner Türe frühe.
 
Und siehe, alle Weisheit kommt vom Herrn,
In aller Ewigkeit ist sie bei ihm.
Den Sand des Meeres, Regentropfen, Stern
Um Stern und Heeresscharen Seraphim,
Der Wiesen Halme, der Granaten Kern
Um Kern - wer zählte alle? Sehr sublim
Ist Gottes Weisheit. Auch versteht der Herr,
Wenn ich der Weisheit Muttermilch begehr!
 
Das Himmelreich der wieviel Himmel - wessen
Wohnort ist dies und wer hat ihn geschaut?
Wer hat der Erde ganzen Kreis besessen
Und rief die ganze Menschheit sich als Braut?
Wer maß die Ozeane unermessen
Und wer befahl dem Eise, daß es taut,
Und wer bemaß mit welchem Maß die Eiszeit
Und schuf den Schnee? Das war die Gottesweisheit!
 
Der Weisheit Wurzel, wem ward sie enthüllt,
Wer sah der Weisheit grünen Lebensbaum?
Wer schob den Schleier von dem Gnadenbild?
Wer sah der Weisheit Lieblichkeit im Traum?
Wer weiß von ihrem Plane gnadenmild?
Wer sah die Königin im Sternenraum?
Ach, alle sind wir Toren, klug ist keiner!
Vollkommne wahre Weisheit hat nur Einer!
 
Der aber kann sie seinen Menschen geben,
Wie er sie in den Werken ausgegossen.
Die Menschen müssen nur nach Weisheit streben
Und steigen auf der Weisheit Leitersprossen,
Dann werden schauen sie das wahre Leben.
In Ewigkeit wird wunderbar genossen
Der Weisheit mütterliches Angesicht
Von dem, der mit ihr im Gebete spricht.
 
Dies Lied soll sein ein heiliger Gesang
Und reden soll Elia hier mit Mose.
Der Schritt soll hallen hier vom Botengang,
Die Weisheit sei gepriesen als famose.
Der Klang soll geben den Gedankengang.
Ein Leben lang will preisen ich die Rose
Der Liebe Gottes, seiner Weisheit Blume,
Und jeder Reim sei zu des Retters Ruhme!
 
Das Lied soll strömen wie der Jangtsekiang
Und fluten wie der gelbe Vater Nil,
Soll strömen wie der Rhein vom Alpenhang
Und spielen wie ein Kind der Weisheit Spiel,
Und wie des Amazonas Schwall und Schwang
Der Wasser der Erkenntnis führen viel,
Wie Phrat und Tigris in dem ersten Garten,
Soll singen vom Messias wie der Jarden.
 
Die Weisheit ist ja selber wie ein Bach
Und wie Kanäle, wie der schlanke Jarden
Aus seinen Quellen, und sie wässert jach
Mit ihren Wassern einen schönen Garten,
Wo Blumenaugen schauen blau und wach,
Die Rose steht mit schwesterlichen Arten,
Die lichten Lilien, schlichtesten Reseden,
Die Osterglocken seufzen sehr nach Eden.
 
So soll mein Lied mir blühen wie die Blume
Und golden glänzen wie die Morgenröten.
Drum mög mir strömen aus dem Heiligtume
Die inspirierte Weisheit der Propheten,
Auf daß ich weise sing zu Gottes Ruhme
Mit Charisma der heiligen Poeten
Und lehre singend Generationen
Der Zukunft, die auf neuer Erde wohnen.
 
Denn in ihr ist ein Geist gedankenvoll,
Denn in der Weisheit ist ein Geist sehr zart,
Ein Geist durchdringend und geheimnisvoll,
Ein Geist beweglich wie ein Leopard,
Das Gute liebend, rein und lebensvoll,
Ein Geist, in Gottes Herzen wohlverwahrt,
Wohltätig, menschenfreundlich, nicht zu hemmen,
Von aller Sündflut nimmer fortzuschwemmen.
 
Ja, in der Weisheit wohnt ein Geist durchdringend
Die unermessne Schar der Menschengeister,
Die Körper mit der Zucht der Tugend zwingend
Und aller gottgeschaffnen Seelen Meister,
Ein Geist, in allen Lobgesängen singend
Für Gott, der Gott der Schönen Liebe heißt er,
Die allerlei erfüllt in ihrer Reinheit
Und schöner Ausfluß ist aus Gottes Einheit.
 
Von Gottes Macht und Kraft ist sie ein Hauch
Und Widerschein von Gottes Herrlichkeit.
Ihr Spiegel wird befleckt von keinem Rauch,
Aufs Bild der herrlichen Vollkommenheit
Fällt schwarzer Schatten nicht noch Makel. Auch
Ist sie nur Eine (wie die Eine Maid
Der eine Dichter liebt) und kann doch alles,
Sie spricht mit süßer Stimme schönen Schalles.
 
Seit langem geht sie in die Seelen ein
Und bildet Freunde Gottes und Propheten,
Die schöner als der Morgensonne Schein
Und süßer als Gesänge der Poeten,
Macht trunkener als roter Rebenwein,
Anziehender ist sie als die Magneten,
All dies vergeht, doch sie bleibt ohne Makel,
Weil Jahwe wohnt in ihrem Tabernakel!
 
Die Weisheit mag bei frommen Menschen wohnen
Und weilen noch bei Kind und Kindeskind,
Die Frommen wird sie mit Granaten lohnen
Und ihre Seelen mit dem Süßwein lind.
Sie gibt den Gotteskindern ihre Kronen
Des Ruhmes. Alles andere ist Wind
Und Jagd nach Hauch und leerem Luftgespinst.
Nur Weisheit suchen wahrhaft ist Gewinst.
 
Ihr Haus ist angefüllt mit Jaspis, Jade,
Türkis, Smaragd, Saphir, Rubin und Gold,
Sie selbst ist edler noch; und ihre Gnade
Verschenkt sich selbst und ist den Herzen hold.
Sie gab das Wort, das in der Bundeslade
Inkorporiert, das allem Bösen grollt.
Die Speicher füllt sie an mit wahren Gütern:
Der Liebe Heiligkeit in den Gemütern.
 
Die Weisheit ist ein starker Wanderstab
Und rechte Stütze auf der Pilgerschaft.
Die Weisheit gibt den Denkmalstein am Grab,
Da sie des Menschen wahren Ruhm erschafft.
Sie ist es, die dem Adam Leben gab
Und ruft ihn in die Ewigkeit mit Kraft.
Der Weisheit Wurzel: Gottesreverenz!
Das ewge Leben blüht der Liebe Lenz!
 
Sie habe ich geliebt in meiner Jugend,
Gedenk auch heute liebend ihrer Schöne.
Sie ist die reine Lehrerin der Tugend,
Ihr tropfe meiner Buße heiße Träne.
Seid nicht wie geile Geisterfüchse lugend
Und nicht gelenkt vom Wallen eurer Vene!
Sie ist die Meisterin der Herzensreinheit,
Es lebt in ihrer Liebe die All-Einheit!
 
Bei Gott zu sein ist Grund für ihren Adel,
Der Herr des Universums hat sie lieb,
Die eingeweiht in Tugend, die den Tadel
Den Sündern über ihre Sünde schrieb.
Sie wob den Faden, zog ihn durch die Nadel
Und stickte in die Windel, was da blieb
In einem Menschenleben sein Geschick:
Die vielen Tränen und der Kindschaft Glück.
 
Wenn einer vor der Klugheit Schriften saß,
War sie die wundervolle Meisterin.
Sie lehrt die Klugheit und das rechte Maß
Und Tugend für die Sinne und den Sinn.
Frau Weisheit küssen ist der rechte Spaß,
Ein Kuß und alles andere geht hin!
Sie gibt, daß einer trägt mit Tapferkeit
Sein Lebensleid und sucht Gerechtigkeit.
 
Wenn jemand strebt nach reichlicher Erfahrung:
Sie kennt die Zukunft und Vergangenheit.
Sie ist der wahren Schönheit Offenbarung
Und kündet die Erlösung allem Leid
Und gibt den Menschengeistern Geistesnahrung
Wie eine Mutter, und ist eine Maid
Von wundervoller Schönheit, die entboten
In Gott den Ausgang aller Perioden.
 
Ich, Schwanke, wollte sie als Muse haben
Und immer lauschen ihrer Unterweisung,
Empfangen ihrer reinen Schönheit Gaben,
Die meiner Seele wundervolle Speisung.
Ihr Singen süßer ist als Honigwaben
Und voller herrlich ewiger Verheißung.
Sie führt mich in der Liebe Heiligtum
Und ist der Grund für meinen edlen Ruhm!
 
Sie liebend, steig ich zur Unsterblichkeit.
Sie sei Geliebte mir in meinem Alter,
Wenn alt ich werden sollte. Wenn ich heut
Hinschwebe wie ein ausgeschlüpfter Falter,
Begleite sie mich in die Ewigkeit!
Sie ewig liebend, nehme ich den Psalter
Und stimm dem unbedürftigen Bedarfe
Jehovas die von ihr gestimmte Harfe!
 
Und komm ich balde in die ewge Heimat,
Mög finden ich an ihrer Seite Ruh,
Wo sie auf Jahwe einen holden Reim hat
Und sagt zum göttlichen Messias: Du!
Weil sie von Gott der sßen Liebe Seim hat,
Drum ich, nicht wert zu tragen ihren Schuh,
Lieb sie mit allen Kräften, die ich habe,
Denn sie zu lieben, das ist Gottesgabe!
 
 
DAS GEHEIMNIS DER WEISHEIT
 
O Jesus, o Sophia, du
Hast denen, die der Welt dich zeigen,
Verheißen ewigliche Ruh,
Drum laß mich singen und nicht schweigen.
 
1
 
Sophia zu erkennen ist
Erkenntnis edel und erhaben,
Denn aller Adel wohnt in Christ,
Der Weisheit ganze Gnadengaben.
 
Und Gottheit ist und Menschheit eins
In ihr, und Himmelreich und Erde,
Des kreatürlichen Vereins
All-Einheit heiliger Gebärde.
 
Der Inbegriff der Gotteswerke
Und Körper der Vollkommenheiten,
Sie ist das Feuer auf dem Berge
Und will ihr Volk als Wolke leiten.
 
Was irgendjemand wünschen kann
Ist sie, ein Schatz und eine Perle.
Ich selber, der ich traurig sann,
Ich wachs zu ihr wie eine Erle.
 
Die edle Perle dir erwirb
Und mußt du alles auch verkaufen.
Im Leide für Sophia stirb,
Sie wird dich mit dem Jubel taufen.
 
Der Weisheit rühme sich der Weise,
Er rühme sich, daß er sie kennt.
Der Sänger sing zu ihrem Preise,
Der er in süßer Minne brennt.
 
Hörst du auf sie, dann bist du glücklich;
Und selig ist, wer sie ersehnt.
Auf ihrem Weg zu gehn ist schicklich,
Der sich zu Ewigkeiten dehnt.
 
Des Weisen Herz verspürt die Freude
Und selige Glückseligkeit
Und wohnt im heiligen Gebäude
Der Gottheit in der Ewigkeit.
 
So unvorstellbar wird sich freuen,
Wer da Sophias Schönheit schaut,
Sie wird verjüngen und erneuen
Ihn mit der Liebe einer Braut.
 
Wer trinken wird von ihren Brüsten
Die süße Milch der Freundlichkeit,
Nach anderm nicht wird ihn gelüsten
Als nach der Liebe Seligkeit.
 
Da rufe ich zu ihr: Dein Minnen
Ist süßer als der süße Wein,
Ist süßer als der Seim den Sinnen,
Ist süßer selbst als Liebespein!
 
So kommt, der Göttlichen zu lauschen,
Sie singt euch zu so süß und schön:
O kommt herbei, euch zu berauschen,
An meiner Huld euch satt zu sehn!
 
Erkenntnis der Sophia kann
Nicht trösten nur, sie kann auch retten,
Sie bricht der Torheit Sündenbann
Und führt zu Edens Gartenstätten.
 
Vollendete Gerechtigkeit
Ist es, Sophia zu verstehen,
Und Wurzel der Unsterblichkeit,
Um ihre Schönheit einst zu sehen.
 
Wer leben will in Ewigkeit,
Der muß Sophia kennenlernen,
Die trägt der Sonne Strahlenkleid
Und Diadem von Morgensternen.
 
Und wollen wir die Heiligkeit
Der Seele, frei zu sein von Sünden,
So müssen wir in dieser Zeit
Sophia suchen zu ergründen.
 

2
 
O Tiefe, Unermeßlichkeit
Der Weisheit, wer kann sie ergründen?
O Tiefe, Unbegreiflichkeit
Der Weisheit, ach, wer kann sie finden?
 
Und welcher Mensch und welcher Engel
Kann ihren Ursprung mir erklären?
Zahllos sind deine Kinder, Enkel,
Die neue Welt wirst du gebären.
 
Dass mich dein helles Licht nicht blendet,
Drum schließ ich meine Augen zu.
O deiner Schönheit Glanz nie endet
Und glüht und schimmert immerzu!
 
Wer könnte deine Schönheit schildern
Und deine Schönheit nicht entstellen,
Du Inbild allen Ebenbildern,
Du Reinheit vor den Sündenfällen.
 
Wer deine Schönheit will ergründen
Und nicht erschlagen werden will
In seiner Seele Schuld und Sünden,
Der bete an und bleibe still.
 
Du bist ein Hauch der Gotteskraft,
Auf deine Schönheit fällt kein Schatten.
Nimm du mit meiner Leidenschaft,
Sophia, meinen Geist zum Gatten!
 
O Widerschein des Gotteslichts,
Du Gottes ungetrübter Spiegel,
Du Ausfluß aus dem ewgen Nichts,
Du unter aller Schöpfung Siegel,
 
Bild göttlicher Vollkommenheit,
Idee der Schönheit, laß dich schauen.
Du warest im Beginn der Zeit,
Warst in der Schöpfung Morgengrauen.
 
Vor allen Zeiten du gezeugt,
Von Gott zum Ebenbild erkoren,
Als noch in Nacht die Meerflut schweigt,
Hat Gott als Vater dich geboren.
 
Gott hat an deiner Schönheit Schimmer
Gefallen allezeit gefunden;
Der Gottheit Lieblingstochter immer,
Sophia, Heilerin der Wunden.
 
Darf einer schauen deine Klarheit,
Dem wird Ekstase und Entzücken,
Denn wunderschön ist deine Wahrheit,
Dein Gutsein weiß so schön zu blicken.
 
Und heben Menschen ihre Herzen,
Dann gleichen sie der stolzen Zeder.
Gedenken sie der Todesschmerzen,
Ist ähnlich der Zypresse jeder.
 
Wenn sie des Lebens Mühen tragen
In Demut, gleichen sie den Palmen.
Mit Palmen in den Händen klagen
Die Seligen mit Davids Psalmen.
 
In dem Martyrium der Leiden
Wird gleich der Mensch der roten Rose.
Der Gärtner wird sie ewig weiden
Und bergen sie die Dornenlose.
 
Die leben in der Wüstendürre
Und niemand weiß von ihrem Namen,
Die ähneln da der bittern Myrrhe
Und ähneln lieblichen Balsamen.
 
Sophia, Mutter du und Quelle
Des schönen Guten, alles lassen
Will ich und auf des Lebens Welle
Die Schönheit deines Wesens fassen.
 
Du schenkst dich dem, der dich begehrt,
Der sich mit Eifer nach dir sehnt.
Die Weisheit wahre Klugheit lehrt
Dem Menschen, der sich weise wähnt.
 
Notwendige Erleuchtung will
Und Geistbegabung ich erwerben.
Ich ehr die Gottheit, bete still,
Und bin bereit, für sie zu sterben.
 

3
 
Sophia aus der Gottheit Schoß
Sich in der Schöpfung offenbart.
Sie schuf im Worte makellos,
Der Welten Mutter rein und zart.
 
Sophia, Meisterin der Dinge
Und Mutter aller Lebewesen,
Hör wie ich dir als Herrin singe
Und deiner Gnade neunzig Thesen.
 
Sie schuf Geschöpfe in Gestalten,
Ging in sie ein und wohnte innen,
Zusammen alles Sein zu halten.
Wer innerlich, wird sie gewinnen.
 
Vollkommne Schönheit der Natur
Gab sie und ordnete das All,
Gab Schönheit aller Kreatur
Und ordnete nach Maß und Zahl.
 
Dem Mond, der Sonne und den Sternen
Gab sie die Bahnen, Galaxien
Ließ schweben sie in Weltraumfernen,
Die alle zu der Gottheit ziehn.
 
Das Weltall in Genauigkeit
Schuf sie zum kosmischen Gebäude,
In reicher Mannigfaltigkeit
Als Spiel zu ihrer Gottheit Freude.
 
Abwechslungsreiche Jahreszeiten
Schuf sie und Sonnenschein und Schnee,
Das ganze Glück, die ganzen Leiden,
Ließ Hirschbock röhren, fliehn das Reh.
 
Sie schuf die Lilien und die Rosen,
Mariengras und Schlomo-Siegel,
Vergißmeinnimmer und Mimosen,
Die Blaue Blume auf dem Hügel.
 
Im Grund ließ wachsen sie die Gräser
Und fliegen ließ sie Schmetterlinge
Zum Blumenkelch als Nektarleser.
Sie schuf des Engels schöne Schwinge.
 
Sie schuf den Balsam und den Wermut,
Saturnus schuf sie und die Venus.
Sie schuf das Heitre und die Schwermut.
Sei Lobpreis Jesus Nazarenus!
 
Wenn Macht und Lieblichkeit erscheinen
Bei Engeln, Sternen, Rosen, Affen,
Vielmehr noch aber, will ich meinen,
Im Menschen, welchen sie erschaffen.
 
Der Mensch ist ihrer Schönheit Bild
Und Gleichnis der Vollkommenheit,
Der Becher ihrer Gnade mild,
Schatzkammer aller Kostbarkeit,
 
Ihr Stellvertreter auf der Erde
Ist das Geschöpf der Schöpferin.
Und Mann und Männin durch das „Werde“
Erschaffen hat die Meisterin.
 
Sie gab Verstand, Gedächtnis, Willen,
Ihr Bild der Seele einzuprägen,
Mit Gottes Gnade sie zu füllen
Und ihr zu schenken Gottes Segen.
 
Sie gab dem Menschen Leib und Seele,
Er ist ein Engel und ein Tier.
Sein Herz war schön wie ein Juwele,
Sophia war ihm eine Zier.
 
Das Sein des Menschen war erleuchtet,
War frei von aller Häßlichkeit,
Von Lüsternheiten nicht befeuchtet
Und unverhüllt von Seelenleid.
 
Sein Herz erleuchtet von dem Licht
Der Weisheit, hat er sie erkannt.
Unschuldig-heiliges Gedicht
War seine Lust in ihrem Land.
 
Unsterblich ihm sein Körper blühte,
Unschuldig seine Seele war,
Sein Herz von Gottesliebe glühte,
Erleuchtet war sein Geist und klar.
 
Er war der Weisheit Meisterstück,
Er liebte seiner Gottheit Huld.
Das war der Mensch in seinem Glück,
Er kannte Sünde nicht und Schuld.
 
Vom Himmel fiel der lichte Stern,
Den Glanz verlor die goldne Sonne.
Er speiste von dem bittern Kerzn
Und fiel aus seinem Stand der Wonne.
 
Stumpfsinnig war sein Geist und blind,
Sein Herz war ausgebrannt und kalt,
Er war nicht mehr das frohe Kind,
Blieb nur gebrechliche Gestalt.
 
Er kam sich selbst so häßlich vor,
Daß er vor Gott sich barg in Scham.
Und war doch einst im Seraphschor
Sophia wie ein Bräutigam.
 
Nun wusste er nicht mehr zu lieben,
Nun war das Leben nicht mehr süß,
So hatte ihn sein Fall vertrieben
Aus seiner Wonne Paradies.
 


4
 
Sophia in der lichten Schöne
Liebt als die Wahrheit alles Gute,
Der Menschen gute Herzenstöne,
Die Liebe in der Menschen Blute.
 
Sie sucht die Menschen in der Welt
Und geht in reine Seelen ein,
Die sie in Liebe sich erwählt,
Sie sollen ihre Freunde sein.


Einst ging sie in das Herz des Mose,
Dem sie wie eine Flamme war,
Wie eine Flamme in der Rose
Und wie das Licht des Himmels klar.
 
Und tritt Sophia in die Seele,
Dann bringt sie mit das wahre Gut,
Der sieben Tugenden Juwele,
Wenn sie in einer Seele ruht.
 
Sie bringt die Wirkungen hervor
Der Klugheit und der Wissenschaft,
Ein lichtes Aug, ein offnes Ohr
Und Ordnung in der Leidenschaft.
 
Auch spendet sie der Dinge Kenntnis,
Auch reden kann durch sie der Stumme.
Sie reicht des Heiligen „Bekenntnis“
Und seiner Gottgelehrtheit „Summe“.
 
Sophias Wissen ist nicht trocken
Und nicht unfruchtbar und nicht dürre.
In Liebe schüttelt sie die Locken,
Die sind gesalbt mit Öl der Myrrhe.
 
Sophias Geist kennt jeden Laut,
Das Maß des Sanges und den Reim,
Poeten die ersehnte Braut,
Den Mystikern intim geheim.
 
Beredt macht sie die Menschenzungen,
Sie lehrt die manischen Poeten,
Von ihrer Redekunst durchdrungen
Sind ihre heiligen Propheten.
 
Sie öffnete den stummen Mund
Den Zöllnern, Ärzten und den Fischern,
Sie gab das Wort der Liebe kund
Den Mädchen und den Salbenmischern.
 
Sie ist die Quelle wahrer Freude,
Der Gottheit Freude und der Engel,
Ist Freude für die guten Leute
Wie Blüte auf des Stieles Stengel.
 
Des Trostes und der Freude Quelle
Dem, der an ihr Gefallen fand.
Sie führt ihn in des Lichtes Helle
An ihrer arbeitsamen Hand.
 
Wenn ihr Gefährte kommt nach Haus,
Der mühte fern sich irgendwo,
Ruht er an ihrer Seite aus,
Sie macht ihn durch die Liebe froh.
 
Und muß ich auf den Berg, ans Meer,
Geh ich zu Kindern aus dem Volke,
Sophia wandelt vor mir her
Als Feuersäule oder Wolke.
 
Nur eines mag sie nicht: dass lau,
Nachlässig ihr Gefährte wird.
Mit Glut erfüllt die höchste Frau
Ihn, den sie aus dem Geist gebiert.
 
Auch wird sie den Gefährten prüfen,
Er sei ihr treu und immer treuer,
Dass bete er die Apokryphen
Auch in der Seelentrübsal Feuer.
 
Im Feuer wird das Herz sie läutern,
Auf dass es werde rein wie Gold.
Und scheint der Mensch zuletzt zu scheitern,
Sophias Liebe bleibt ihm hold.
 

5
 
Die Weisheit ist ein Mensch geworden,
Der ganzen Schöpfungswelt zum Segen,
Um auf die Art den Menschheitsorden
Ihr freund zu werden zu bewegen.
 
Sophias menschliche Gestalt
War voller Liebenswürdigkeit,
Ihr Herz nicht hart, ihr Herz nicht kalt,
Das Antlitz ohne Häßlichkeit.
 
Ihr Ursprung ist aus Gottes Liebe
Und aus der Lust der sieben Geister,
So trat sie in das Weltgetriebe,
Unendliche liebevoller Meister.
 
Maria wurde auserkoren,
Die Liebliche, die war so zart,
Sie hat die Weisheit uns geboren,
Sophia, Mensch und Gott von Art.
 
Marias Schönheit, ohne Lüge,
Und ihre Liebenswürdigkeit,
Sie gaben Jesus ihre Züge
Der Schönheit und der Lieblichkeit.
 
Zutraulich war er wie ein Lamm,
Sanftmütig wie ein Mutterschäfchen.
Er trug die Schuld von Adams Stamm,
Er kam zur Freude für das Evchen.
 
Sophias Sanftmut, zum Entzücken,
Und ihre Liebe, ungelogen,
Kam, unsre Menschheit zu beglücken,
Sie hat die Welt an sich gezogen.
 
Der Name Jesus heißt: das Heil,
Das seligmachende Erretten.
Wir haben an Sophia teil,
Uns in der Gottheit Schoß zu betten.
 
Der Name Jesus ist so süß
Wie Honigseim dem Kindermunde,
Wie Wein im Huri-Paradies,
Ist Balsamsalbe jeder Wunde.
 
Messias ist von Angesicht
So lieblich wie in Wort und Werken,
Entzückend war sein Augenlicht,
Gottseele war darin zu merken.
 
Die Hirten sahn die schöne Milde
Des Kindes an wie einen Zauber,
Als ob im jüdischen Gefilde
Sie angeschaut Jehovas Tauber.
 
Die Weisen aus dem Osten schauten
Des Kindes Schönheit an und Zierde,
Zu atmen sie sich kaum mehr trauten,
Vergaßen ihre Königswürde.
 
Die Schönheit und die Majestät
Des Angesichtes war so süß,
Dass jedes Kind im Lande fleht:
O bring mich in das Paradies!
 
Die Könige in fernen Reichen
Begehrten sehr von ihm ein Bild.
Was könnte Gottes Schönheit gleichen
Als diese Liebe anmutmild?
 
Nie hörte man zu Lebenszeiten
Laut schreien Jesus oder zetern,
Nie hörte man den Meister streiten
Mit den Gesetzesübertretern.
 
Woher kommt solche Weisheit dir,
Du sag es mir, daß ich dir folge,
So sagten Jünger zu der Zier,
Die da voranging vielem Volke.
 
Sie blieben ohne Speis und Trank,
Nur um den Heiligen zu hören.
Gazellen Galiläas schlank
Belauschten dieses Rehbocks Röhren.
 
Soldaten mußten seine Reize
Verhüllen, um ihn dann zu geißeln.
Dann ließ er, nach dem Tod am Kreuze,
Von Michelangelo sich meißeln.
 
Zu Magdalena in dem Leid
Sprach voller Liebe die Sophia
Zur Tröstung ihr und Seligkeit:
Maria! Einzig nur: Maria!
 
 
DIE WEISHEIT IN DER DUNKLEN NACHT
 
O Gottheit, siehe meiner Seele Wunden,
Hab ich dein Fernesein so weh empfunden,
Verwundet von der Liebe zu Sophia
Beschwör ich dich! Und segne mich Maria.
 
1
 
Erfüllt ist meine Seele vom Verlangen
Nach dir, Sophia, Gottes-gleiche Frau.
Ich will an deinen vollen Brüsten hangen
Und mich dir einigen in trunkner Schau.
 
Verborgne Gottheit, manchmal kann ich fühlen,
Wie nah du bist, da kommt mir die Vision,
Da will ich wie ein Kind so selig spielen,
Wie du, vor mütterlicher Gottheit Thron.
 
Fühl ich dich nah, bist du vielleicht doch ferne,
Fühl ich dich fern, bist du vielleicht doch nah.
Im Wüstenlande schrei ich an die Sterne,
Verzehrend ist der Wind der Wüste da.
 
Wenn ich dich fühle, gnadenhafte Frau,
O Gottheit, ists noch lange nicht dein Wesen,
Bin ich noch nicht erfüllt von deiner Schau.
Drum musst du, Weisheit, mein Gefühl erlösen.
 
Hingeben will ich mich mit allem Streben,
Gewissheit will ich finden, volle Klarheit,
Will schauen deine Huld in diesem Leben
Und ewig deine Schönheit, deine Wahrheit.
 
Du Kind, das spielte vor der Gottheit Thron,
Du bist der schöpferischen Gottheit Wonne,
Komm, ruhe du in mir, dem Menschensohn,
Erleuchte meine Seele, süße Sonne!
 
Sprich du das hochzeitliche Ja und Amen
Und führe deinen Liebling auf die Weide
Und senke deines Liebeswortes Samen
In meine Seele, Licht in allem Leide.
 
Die schöpferische Gottheit ruht in dir,
Ergeht sich abendlich in deinem Garten.
Vor deinem Hain, vor deines Gartens Zier,
Sieh mich mit Schmachten meiner Seele warten!
 
Dass ich im Schmachten meiner Seele finde
Die Gottes-gleiche Braut, mit ihr verschmelze,
Musst du dich zeigen an der Liebe Linde,
Wo Bienen summen in dem goldnen Pelze.
 
O Weisheit, du der Gottheit liebes Reden,
Göttliche Seele, glühend wie der Morgen,
Dreifaltige! du führe mich nach Eden,
Lass du mich ein und sei in mir verborgen!
 
Ich will mich an das wahre Wort erinnern,
Dass deine Gottheit, wenn sie irgend bliebe,
Verborgen ist in meines Herzens Innern,
Da such ich dich beschaulich voller Liebe.
 
Ich finde dich schon lang nicht mehr im Draußen,
Im Distelland, in Feindschaft und in Sorgen.
Wenn über innre Meere Stürme brausen,
Bist du wohl in mir, aber auch verborgen.
 
Und will ich das Verborgene erkennen,
Muss ich durchschauen Täuschungen und Schein.
Getrieben von der Seele Liebesbrennen,
Will innen ich in dir verborgen sein.
 
Anbeten will ich dich mit süßen Reimen,
Du meines Unbewussten tiefster Traum.
Und lieben will ich dich in dem geheimen
Und allerinnerlichsten Innenraum.
 
O schöpferische Gottheit, Mutterschoß
Der Schöpfungswelt, Gebärerin der Seele,
Beglückung spende du mir grenzenlos,
Dass ich zu seligen Verzückten zähle!
 
Da spricht die Weisheit: Schätze will ich geben,
Ich will dir mein Mysterium enthüllen.
Geheimnis ist der Gottheit tiefes Leben,
Lass von des Lebens Leben dich erfüllen! -
 
Geh du vorüber, willst du mir vertrauen,
Lass schauen dich zum seligen Entzücken,
Lass deine Herrlichkeit und Schönheit schauen
Und darf ich schauen auch nur erst den Rücken.
 
Ich suche dich in Liebe und in Glauben
Mehr als ich Dinge dieser Welt begehre,
Du Feueratem in den Turteltauben,
Der Stille Sternbild überm wilden Meere.
 
Die Liebe sei mir meine Führerin,
Mein Herz will wallen auf der Liebe Pfade.
Der Unermesslichkeit geb ich mich hin
Und traue mich der Charis an, der Gnade.
 
Du Unbegreifliche, Geheimnisvolle,
Dich will ich lieben, dich allein genießen.
In Ehrfurcht liebevolle Ehre zolle
Ich dem Mysterium, des Lebens Fließen.
 
Du siehst, o Gottheit, meiner Seele Liebe,
Da komm du mir als schöne Braut entgegen,
Erleuchte du, lass blühen meine Triebe
Und segne sie mit deiner Liebe Segen!
 
Und mag ich finden auch den Herzensfrieden,
Den Weise dieser Welt als Höchstes achten,
So bleibe ruhelos ich doch hienieden:
Lass sterben mich und stille all mein Schmachten!
 
Weil deine Liebe mich so sehr verwundet,
Drum muss ich seufzen über meine Wunde.
Der Liebe Fülle ist mir nur gestundet,
Mein wird der Kuss sein von Sophias Munde.
 
Bis dahin aber muss ich dauernd klagen,
So oft muss ich der Gottheit Ferne fühlen.
O wie so lieb war sie an manchen Tagen,
Doch kann dies meine Sehnsuchtsglut nicht kühlen!
 
Heimsuchende Sophia, mit dem Pfeil
Aus Feuersglut berührst du mich im Grunde,
Da reißt es mich empor zu deinem Heil,
Ich steh in Flammen ganz mit meiner Wunde.
 
Vom Liebesfeuer bin ich weiß erglüht,
Der ich nicht mehr nach Luftgespinsten hasche,
Mein Herz als feuerroter Phönix blüht
In Sehnsucht auferstehend aus der Asche.
 
Der Sinne Neigungen, des Fleisches Triebe,
Die sinnlichen Gefühle meiner Nieren,
Sie wandeln sich im Feuer deiner Liebe,
Sie sollen deinen Thron im Jenseits zieren!
 
Wie unerträglich ist doch das Begehren,
Das stürmende Verlangen, dich zu sehen!
Lass du mich nicht in aufgewühlten Meeren
Der Leidenschaft und Pein zugrunde gehen!
 
Mein Herz ist von der Flamme ganz gerötet,
Ich bin ganz Wunde, wund von Sehnsuchtspeinen.
Was hast du mich, Sophia, nicht getötet,
Im Paradies in Lust dich mir zu einen!?
 
Heil meiner Wunde! Schmerzen mich verbinden
Und widmen meiner Gottheit alle Triebe.
Die Dinge brauchen nicht einmal zu schwinden,
Verklärt ist alles durch die Gottesliebe!
 
Doch leben muss ich dauernd in der Qual,
Der ich der Liebe ganz mich hingegeben,
Dass sie nicht kommt in meinen Hochzeitssaal
Und gibt sich gänzlich mir mit ihrem Leben.
 
Ich sah nur wie durch einer Pforte Spalt
Die schönste Schönheit, die ich je begehrt!
Sie ließ mich nicht an ihren Aufenthalt,
Sie hat mir ihre Gunst noch nicht gewährt.
 
2
 
Wenn ich den Tod nicht fand und den Genuss
Der schönen Liebe, bleiben mir nur Klagen,
Weil ich Sophia ferne leben muss
Und einsam sein an allen meinen Tagen.
 
Verwundet von der Liebe spitzem Dorn,
So wie ein Hirsch vom Gifte einer Pflanze,
Bin ruhelos ich, rastlos und verlorn,
Der Dorn dringt ein wie eine Römerlanze.
 
Ich bin ein leerer Becher und muss warten,
Bis mich Sophia füllt mit Liebestau.
Ich hungre nach den Früchten aus dem Garten
Und dürste nach dem Nektar ihrer Schau.
 
Seiltänzer bin ich, hänge in der Luft,
Ich bin ein Luftgespinst, so fern dem Grunde.
Soll satt ich werden denn allein vom Duft
Und darf ich hangen nicht an deinem Munde?
 
Dir dienen siehe mich um Minnesold,
Verlangen kann ich nur nach Einem Lohn:
Zahl deiner Liebe Schatz aus reinem Gold
In überreichem Maß dem Menschensohn!
 
Und muss ich weltliche Geschäfte treiben,
Nach deiner Liebe bin ich nur begehrlich,
Wollt stets im Arme deiner Liebe bleiben,
Ist alles andre mir doch nur beschwerlich.
 
Und manchmal weile ich auch unter Leuten,
Die Meisten meinen innern Sinn zerstreuen.
Gott, du allein kannst Alles mir bedeuten,
An dir, Sophia, will ich mich erfreuen.
 
Schau, Herrin, wie die Menschen mich behandeln
Mit Qualen und Verdruss und Widerwillen!
Ich aber will mich in die Muße manteln,
Da mögst du mich in der Betrachtung stillen.
 
Kein andres Wesen kann mir Hilfe spenden
Und meiner Seele wehe Sehnsucht stillen
Als du. Du mögest meine Schmerzen enden,
Lass Balsamtau aus deiner Staude quillen!
 
Wenn ich nur baden will in deinen Buchten,
Mich betten will allein in deinen Schoß,
Erhöre mich! Gewähr dem Heimgesuchten
Von Herzen deine Liebe grenzenlos!
 
Als Feuer breche aus den Grottenschlitzen,
Du Lebenslicht des Lichtes meiner Augen,
Gott-Seele, lasse deine Schönheit blitzen
Und mich zum Spiegel deiner Schönheit taugen.
 
Sieh meine Seele schmachten, sieh sie lechzen,
Das Herz vermochtest du mir gar zu rauben.
Sieh meine Leidenschaften gurren, krächzen,
Wie schwarze Raben und wie weiße Tauben.
 
Heiß schmachten siehe mich nach deiner Schöne,
Die Seele brennt mir wie vom Gift der Nesseln,
Mit deiner Wesenheit mein Herz versöhne,
Komm du, mich aus dem Leibe zu entfesseln!
 
Und wenn das Schauen deiner Schönheit Glanz
So überherrlich ist und wie Verderben,
Dann lass mich schauen deine Schönheit ganz
Und lass mich in sie eingehn durch mein Sterben!
 
Den Tod, den möchte ich die Todin nennen,
Brautführerin und Freundin ist sie mir,
Denn alle Qual wird sie zu Nichts verbrennen,
Entledigt mich der Last, führt mich zu dir.
 
Ja, denk ich an die Todin, ihre Macht
Und ihre Stunde, werd ich wieder jung,
Es ist, als dächt ich an die Hochzeitsnacht
Und an die göttliche Vereinigung!


TERZINEN AN SOPHIA
 
1
 
Sophia ist geborn von Gottheit, ist
Mitschöpferin und ordnet, was geschaffen.
Geliebte Gottes ist sie (glaub es, Christ),
 
Heerscharen-Herrin, waltet sie der Waffen
Des Geistes, die Beisitzerin des Thrones,
Die Schöpfung im Gerichte weg zu raffen,
 
Geliebte Gottes (in Person des Sohnes),
Geliebte ist sie, Ehefrau des Weisen
(Es spreche niemand drüber Spott des Hohnes).
 
Gastgeberin ist sie und lädt mit leisen
Lockungen Menschen in das Lehrhaus ein,
Dass im Symposium die Kelche kreisen.
 
Sie ist die Rose und der Rebenwein,
Will eine Muse dem Poeten sein.
 
 
2
 
Sprach David mit der Weisen aus Tekoa,
Dass er den Abischalom nicht verstoße,
War ihre Weisheit wie der Quell Schiloa.
 
Die weise Frau gepriesen sei, die große,
Die Joab abhielt von dem Blutvergießen,
Die auf der Mauer wuchs als wilde Rose.
 
Die weise Frau spricht: Wassern gleich zerfließen
Wir alle, aber Gott wird die bewahren,
Die gütig die Verstoßnen nicht verstießen.
 
Die kluge Abigail mit braunen Haaren
Bewahrte David vor der Blutschuld weise,
Als er erzürnte über einen Narren.
 
Auch Judith ich als Weib der Weisheit preise,
Die Israel erlöst auf Frauenweise.
 
 
3
 
Auch preise ich die klugen Ehefrauen
Und denk, wie Sarah Abraham geraten,
Sich seiner Magd in Hoffnung zu vertrauen;
 
Und wie Rebekkas Blicke Jizak baten,
Jakob ins Zweistromland zurückzuschicken,
Dort Frauen zur Vermählung einzuladen;
 
Und wie bei unglückseligen Geschicken
Sauls Tochter Michal David beigestanden
(Sie wusste ziemlich zauberisch zu blicken);
 
Und wie Bath-Sheva (die sehr reizvoll fanden
Die Augen Davids) stand vor Davids Thron
Und bat den König in der Demut Banden
 
Für ihres Schoßes auserwählten Sohn,
Den Weisesten der Weisen, Salomon.
 
 
4
 
Sophia, eine Gattin, kann gefallen
Dem weisen Manne mehr als edles Gold
Und Silber und Demanten und Korallen.
 
Wer solche Freude fand, dem ist Gott hold,
Sie ist dem Weisen Krone oder Kranz,
Der Ehrfurcht auch der frommen Mutter zollt.
 
Wer die Sophia findet, Gottes Glanz,
Dem ist Gott gnädig in dem Heiligtum,
Wer diese Frau fand, schön in ihrem Tanz.
 
Der starken Dame guter Ruf und Ruhm
Ertönt zur Ehre Gottes in den Toren
Wie auch der Minnesang der blauen Blum.
 
Sophia ist von Jahwe auserkoren
Und bleibt in alle Zeiten unverloren.
 
 
5
 
Ich habe sie geliebt in meiner Jugend
Mit dem Verlangen, sie zur Braut zu nehmen,
Weil sie so schön, voll sanfter stiller Tugend.
 
Ich werd mich meiner Liebe nimmer schämen,
Gespielin wurde sie mir voller Wonnen
Und Trösterin, wenn Trauertränen kämen.
 
In ihren Armen habe ich begonnen,
Zu pflegen Gottes Wort, des Wortes Samen.
Mit ihrem Liebeslied hab ich gewonnen
 
Durch ihre Minne dauerhaften Namen
Und Nachruhm durch Sophias Lorbeerkranz!
Gespielin Gottes, all mein Ja und Amen,
 
Braut meines Lebens, einen Rosenkranz
Will weihn ich deines Hauptes hehrem Glanz.
 
 
6
 
Frau Weisheit, o Sophia, Führerin
Auf meinem Wege in das Himmelreich,
Weltarchitektin, Schöpfungskünstlerin,
 
Geliebte, Braut und Gattin gnadenreich,
Du ladest ein mich zum Symposium
Und schenkst den Süßwein deiner Minne gleich.
 
Wo ist dein Ort, wo ist dein Eigentum,
Liturgin in dem Tempel, Seherin?
Mach mich zum Freund der Gottheit, schenk den Ruhm,
 
Dass ich dir diene, Friedenskönigin
Und Freudenbotin mit den schönen Füßen!
In meinem Herzen wohne, der ich bin
 
Allein, vergeblich sonst mein Minnegrüßen,
So werd mein Grüßen dir, der Minnesüßen!
 
 
7
 
Die göttliche Sophia, schau, sie wohnt
Im Himmel, sie ist Gottes Ebenglanz,
Als wie die Sonne spiegelt sich im Mond.
 
Die Schöpfungsmittlerin, die da den Kranz
Der Rosen ordnet und die Nachtigall
Begeistert und anführt der Sterne Tanz,
 
Die Throngenossin Gottes wirkt im All,
Die alles schafft, vernichtet und erneuert,
Auf Gottes Schöpfungswillen Wortes Hall.
 
Die Heilige, von lauter Licht verschleiert,
Ist Menschenliebende, die Eingeweihte
In Gottes Herz, von Gottes Glut befeuert,
 
Die Mitarbeiterin an Gottes Seite,
Die Gott in alle Ewigkeiten freite!
 
 
8
 
Dich, Jesus, sehe ich als den Propheten
Sophias, Gottes Weisheit, der gesandt,
Uns heimzuführen in den Garten Eden.
 
Die arm sind und beladen, unbekannt
Und ausgestoßen, die zu Unrecht leiden,
Die nimmst du alle an die sanfte Hand.
 
Sophias Sohn, als Hirte willst du weiden
Die Ausgestoßnen, Hungernden und Armen,
Die goldnen Zöllner, Dirnen sinnlich-seiden,
 
Den Kindern deines Volks, zeigst du Erbarmen
Und lädst sie alle unter deine Flügel,
O Mutter Jesus, unter deine warmen
 
Hell-lichten Taubenflügel; auf dem Hügel
Du girrest, unverstanden vom Geklügel.
 
 
9
 
Der Geist kam in Gestaltung einer Taube
Und sagte: Du bist mein geliebter Sohn.
Der Geist ist Jesu Mutter, wie ich glaube.
 
Die Turteltaube in des Wipfels Thron,
Sie ist der transzendenten Weisheit Zeichen,
Die immanente Weisheit seh ich schon
 
In einer Felsentaube. Wolken weichen,
Sophia offenbart sich, Gott im Nu,
In Jesus, Menschensohn, dem gottesgleichen.
 
Sophia findet im Messias Ruh
Und badet sich in ihm, dem Gott von Art.
Und Ruach redet zu dem Sohne: Du,
 
An dir hab ich mein Wohlgefallen, zart
Bist Zeuge du für meine Gegenwart.
 
 
10
 
O weh, Jerusalem! von Anbeginn
Hab ich Propheten dir gesandt, gereinigt
Hat jeder Zion, Jahwe’s Königin,
 
Jerusalem, doch du hast sie gesteinigt,
Kam ein Prophet zu dir, so hast du bald
Den Seher der Sophia arg gepeinigt;
 
Johannes so, die heilige Gestalt,
Hat Salome gemordet mit dem Reiz,
So leidet stets das Himmelreich Gewalt
 
Und leidet Gott an deiner Liebe Geiz,
Weil du Sophias Seher tatst ermorden;
So auch Messias starb an seinem Kreuz,
 
Der Göttliche aus der Sophia Orden,
Der auferstanden, Gottes Weisheit worden.
 
 
11
 
Messias Jesus aber, auferstanden,
Ist zur Sophia Gottes uns gemacht
Und sendet Ruach allen unsern Landen,
 
Denn der Sophia ist das Reich, die Macht,
Die Kraft der Ruach und die Herrlichkeit.
(Die Schechinah erleuchtet unsre Nacht.)
 
Sophia ist in Jesu Menschenkleid
Zur Erde kommen, wieder heimgekehrt
Ins Himmelreich. Auf Erden litt sie Leid,
 
Im Himmel angebetet und verehrt
Wird sie von Heiligen und Engeln dort.
Im Anfang war bei Gott Sophia, lehrt
 
Der Liebesjünger, lehrt er von dem Wort,
Lobt er die Weisheit Gottes fort und fort.
 
 
12
 
Triumph! Denn übers dunkle Schicksal siegt
Und über Hellas schwachgeborne Götter
Die Weisheit Gottes, die gen Himmel fliegt
 
Und fährt gen Himmel auf der Wolken Wetter.
Im Kosmos gründet sie ihr Königtum
Als Kyrios, als Christos, unser Retter!
 
Befreit aus Sklaverei und Heidentum
Und Todverfallenheit die Jüngerinnen
Und Jünger alle, die zu Gottes Ruhm
 
Die Gottesenergie empfangen innen,
Da Ruach redet mit den Flammenzungen
In ihren Seelen und in ihren Sinnen,
 
Die aus der Taufe aufgetaucht, die jungen
Aus-Gnade-Götter, ganz von Gott durchdrungen!
 
 
13
 
Sophia, Jesus jubelt seinen Jubel
Zur Gottheit, zu der Ewigen der Scharen:
O Gottheit, mitten in dem Menschentrubel
 
Wir einig, Gott und dein Messias, waren.
Du, Gottheit, hast es alles mir vermacht,
Was dein war. Alle Frauen, die gebaren,
 
Und alle Menschensöhne in der Nacht
Des Todesschattens habe ich gerufen
Und sie geliebt mit deiner Liebe Macht.
 
Wir, Gottheit, die wir alle Schöpfung schufen,
Wir haben uns der Menschheit offenbart.
Ich führ sie auf der Himmelstreppe Stufen
 
Durch meine Weisheit mütterlich und zart,
O Gottheit, ganz in deine Gegenwart!
 
 
14
 
O Bräutigam, wie preis ich deine Brüste,
Aus denen fließt die süße Milch der Gnade!
Erwart mich an des Lebensmeeres Küste,
 
O Mutter Jesus, in der Stadt von Jade,
Bis dahin nähr mit Milch mich der Geduld
Und Honig deiner Heilung allem Schade.
 
Dann reiche mir den Süßwein deiner Huld,
Er wird mir gut wie deine Minne munden.
Berauscht vergess ich alle meine Schuld,
 
Weil ich an deinen Brüsten darf gesunden,
Wenn du mir einschenkst in dem Schein von Kerzen
Den herben roten Wein aus deinen Wunden,
 
Den starken herben Rotwein deiner Schmerzen
Und ich dir trunken ruh an deinem Herzen!
 
 
15
 
Ich lieb die gute Mutter Caritas,
Sie liebt sie alle, ihre kleinen Kinder,
Sie gibt uns allen, was wir brauchen, was
 
Wir wirklich brauchen, Weihnacht uns im Winter
Und in der Sonnenhitze kühlen Schatten,
Ruhlosen Ruh wie einem frommen Inder,
 
Den Sehnsuchtsvollen nimmt sie an als Gatten,
Viel Trost in Trübsal gibt sie Heimgesuchten,
Von ihr die Weisen ihre Weisheit hatten,
 
Ja, ihre Tränen galten den Verfluchten,
Sie will noch selbst den Toten Liebes tuen,
All jenen, die sie in dem Leben suchten.
 
Nicht wert, zu liegen vor den roten Schuhen
Der Gottheit, werd ich ihr im Schoße ruhen.
 
 
16
 
Ich preise Gott den Herrn und Bräutigam,
Den Vater aller Kräfte der Äone!
Die Menschheit ist Geschlecht von Seinem Stamm.
 
Die Weisheit aber hingelagert throne
Bei Gott in ihrem königlichen Bette,
Sein Liebeskuss ist ihre lichte Krone.
 
Sie sind vereinigt in geheimer Stätte,
Woraus entsprungen ist die Caritas,
Dass sie durch lauter Liebe uns errette;
 
Die durch uns schaut wie durch ein klares Glas
Und die sich spiegelt in dem reinen Tau,
Der reiht sich Perl an Perle an das Gras,
 
Darin gebettet liegt die Liebe Frau,
Die blüht als meiner Sehnsucht Blume blau.
 
 
17
 
Ich bin die Caritas, ich trage Flügel
Aus Licht und halt in meinem Arm das Lamm
Und tret den Drachen nieder auf dem Hügel
 
Der Schmerzen. Mensch, du bist mein Bräutigam,
Ich bin dir Flamme, bin dir Lebensfunken.
Und bist du einsam auch wie Abraham,
 
Die Sphären sind von meiner Liebe trunken,
Die ich gebaut mit Zahl, Gewicht und Maß.
Sei mit dem Kosmos du in mich versunken,
 
Ich bin das Wesen Gottes, Caritas.
Ich glänz im Meer, ich schein in Mond und Stern,
Ich bin wie Sonne, scheine durch dein Glas,
 
Ich bin der heimatliche Wind des Herrn,
Dein Odem, dir in deiner Nacht nicht fern.
 
 
18
 
Ich sah, die einer schönen Jungfrau gleich,
Ihr Antlitz strahlte wie die Maiensonne,
Sie war so schön, so lieb und gnadenreich,
 
Dass ich verstummen musst vor solcher Wonne,
Sie war so gold, die Füße waren bloß,
Sie tanzte. Ihrer Liebe reiche Bronne
 
Hielt ihren Sohn-Geliebten auf dem Schoß,
Der war ein schmerzensreicher Menschensohn.
Sie war so liebevoll und makellos,
 
Die Schöpfung betete vor ihrem Thron
Und Trauerschwäne sangen Lobgesang.
Das war die Caritas, im roten Mohn,
 
Die Augen liebevoll, die Wimpern lang,
Ich weinte vor ihr freudig, wehmutbang.
 
 
19
 
Vor Heiligen Altares Sakrament
Ward mir das Wort der Biblia vertraut,
Das Gottes Offenbarung Weisheit nennt,
 
Die Salomon erwählt als seine Braut.
In ihrer Schönheit kam sie mir entgegen,
Mit goldner Krone hab ich sie geschaut.
 
Ich warb um Minnedamen allerwegen
Und lieblich waren wohl die Minnedamen,
Wollt keine sich in meine Arme legen.
 
Da nahte Sie (Sophia ist ihr Namen),
Da nahte Sie, dass sie in meinem Fehle
Ergänze mich mit ihrer Gottheit Samen
 
Und, Rose aller Rosen, meine Seele
Als Nachtigall der Gottes-Nacht vermähle.
 
 
20
 
Der Weisheit Minnesänger und Psalmiste
Bin ich, der göttlichen Sophia Sklave,
Leg mich als Myrrhe zwischen ihre Brüste,
 
Wie ich im Schoße meiner Mutter schlafe
Und grüße morgens meine Kaiserin
Des Friedens, Hirtin aller ihrer Schafe,
 
Die Kaiserin des Herzens, der ich bin
Geweiht, vermählt, der Spenderin der Gnaden.
Von Stern zu Sonne wandelt hoch sie hin,
 
Im Licht der Morgenröte sich zu baden
Und sich zu schmücken mit dem Morgenstern,
Mich dann in ihre Arme einzuladen
 
Und zu beseeligen den Seelenkern
Mit ihrer Minne Wonnen, nah und fern.
 
 
21
 
Die Weisheit preise ich als Mutter, die
Geboren hat geschöpfliche Ideen
Und nährt sie all mit Gottes Sympathie.
 
Die Weisheit lässt sich auch als Mutter sehen,
Als sie in Jesus Mensch geboren ward,
Mit uns den Weg durchs Tränental zu gehen.
 
Die Weisheit ist noch Mutter, da sie hart
Vom Teufel angegangen und vom Tod,
Uns bis zum Tode liebte, stark und zart.
 
Die Weisheit ist die Mutter, rosenrot
Im Wein des Blutes, das der Geist geweiht,
Ist mütterlich und spendet sich im Brot.
 
Maria Mutter ist, die schöne Maid,
Sophia Mutter ist von Ewigkeit.
 
 
22
 
Wohlan, die vielen eine Mutter war
Im Anbeginn und süß und süßer ward
Und führt die Kinder in der frommen Schar,
 
Die ward von Gott als Braut mir offenbart!
Am Anfang pries ich schön die Sophiam
Als meine Sehnsucht, die war rein und zart,
 
Abirrt ich dann, verlor Maid Mariam
Und fiel in allzu große Seelenprein
Und ward vor Gott zu einem wunden Lamm,
 
Da lud Maria mich zur Minne ein
Und schwebt vor mir im All als Blume blau
Und lehrte mich durch göttlichen Verein
 
Und durch den Wein, die Salbe und den Tau:
Frau Weisheit sei mir eine Ehefrau.
 
 
23
 
Frau Weisheit sendet ihre Mittlerin
Und liebet mich in ihrem Ebenbild
Und Jungfraunspiegel: Minnekönigin
 
Maria ist anmutig, zart und mild
Und wahrlich schön, liebreizende Madonne,
Die kam zu mir vom himmlischen Gefild
 
Im Mantel blauer Nacht, im Kleid der Sonne,
Sie trocknete der Liebestränen Tau,
War meine Zuflucht, Hoffnung mein und Wonne,
 
Mein Ideal, der Sehnsucht Blume blau,
Der Meeresstern an meiner Sehnsucht Küste,
Die heilige Erlöserin, die Frau,
 
Die ich in der Erscheinungsgrotte küsste,
Birgt mich im Apfelgarten ihrer Brüste.
 
 
24
 
Sophia (du bist Jesus) O Sophia,
Ich trage dir mich an als Bräutigam,
Du Schöpferin der heiligen Maria!
 
Du sanft wie eine Taube, wie ein Lamm,
Mit deiner Gottheit meinen Geist vermähle,
Einpfropfe, Ölbaum, mich in deinen Stamm,
 
Sei du die Mutterheimat meiner Seele,
Dass ich in dir der Gottheit Schönheit schau!
Führ mich zur Stadt von Jade und Juwele
 
Und sei mir, Gottheit, dort als meine Frau,
Dass in dein Meer einmünden Lebenstriebe
Und Hauch in deinen Äther. Dir vertrau
 
Ich Glaube, Hoffnung, Liebe, dass ich bliebe
In Ewigkeit im Schoße deiner Liebe!
 
 

SOPHIA VON KAIRO


Sophia suche und den guten Weg,
Dann wirst du groß sein in den Augen Gottes.

Wer Hochmut, Dummheit fern hält seinem Herzen,
Der wird wahrscheinlich stark und weise werden.

Aus allem Vorteil zu erwählen – besser
Die Eitelkeit vom Herzen fernzuhalten.

Die ganze Welt ist eitel Eitelkeit,
Das Kommende Äon ist ein Gewinn.

Ist närrisch, Arbeit am Unvorteilhaften,
Denn es vergeht sich, wer sich darum müht.

Bekümmre wenig dich um deine Nahrung,
Mach keinen Kummer dir um deine Speise.

Nur wenig Arbeit, aber viel Studieren,
Wer so tut, der ist glücklich vor Jehova.

Sorgt einer sich, den Körper zu erbauen,
So reißt er beides Geist und Seele ein.

Wer sich beschäftigt, diese Welt zu bauen,
Das Kommende Äon wird ihm Ruine.

Die eitle Welt ist nur ein Ort von Fremden,
Von Gästen, die hinüber gehn zur Ruhe.

Sorg dich um das nicht, was dir nicht gehört.
Und auch, was du besitzt, gehört dir nicht.

El Shaddai wählt nicht Lust an dieser Welt,
Vielmehr des Kommenden Äones Freuden!

Die Freude dieser Welt ist schließlich Kummer,
Das Leben dieser Welt ist schließlich Tod.

Das Haus der Welt wird schließlich zur Ruine,
Die Erdenherrschaft wird zur Knechtschaft schließlich.

Der Ruhm der Welt wird schließlich Scham und Schande,
Der Erde Reichtum wird zur Armut schließlich.

Wer Lust hat an der Eitelkeit der Welt,
Der findet nicht das Kommende Äon.

Wer diese Welt und ihre Lust verachtet,
Doch die Torah verehrt und tief erforscht,

Der wird das Kommende Äon erlangen
Und wandeln unter denen, die vor Gott stehn.

Die Einsicht zu erwerben, dies begehre,
Sie steht mit ihrem Freund vor Gottes Antlitz.

Wer schmäht Sophia, schmäht auch Gott den Schöpfer,
Die böse Schmach fällt auf ihn selbst zurück.

Wer ehrt Sophia, wird geehrt von Gott,
Sein Angedenken bleibt in Ewigkeit.

Erforscht Sophia, Reverenz Jehovas,
Dann geht’s euch gut auf allen euren Wegen.

Erwählt nicht Ruhmbegierde dieser Welt,
Ein Schicksal trifft die Menschenkinder alle.

Ein Bett der Nacht hat Gott für euch bereitet,
So richtet euer Herz aufs Bett der Nacht.

Schickt Speise schon an euer Bett der Nacht,
Zur rechten Stunde kommt ihr in das Bett.

Seid vor der Todesstunde schon bereit,
Dem Gast gleich, der schon schlief im Bett der Nacht.

Das Kommende Äon ist ohne Ende,
Ist besser, Jenes lieben als das Diesseits.

Was gebt ihr Geld für das, was satt nicht macht,
Was müht ihr euch um nichts und wieder nichts?

Ist kein Gewinn bei aller Menschenmühsal,
Als nur zu sinnen über die Torah.

Sophia ist Ergänzung der Torah,
Gott gibt die Völker hin für Israel.

Das Kommende Äon bezeugt den Schöpfer,
Sophia ist das Zeichen jenes Schöpfers.

Wer nun es liebt, den Schöpfer zu erkennen,
Der üb sich in Erkenntnis und Sophia.

Wer lieben will das Kommende Äon,
Erforsche fleißig die Torah Jehovas.

Der Weisen Seele, Odem der Gerechten
Und Glanz der Welt sind Hinweis auf den Schöpfer.

Wie man den Faulen von der Weide treibt,
Dass er zurück zu seinem Bette kehrt,

Wie eine Brücke, drüber hinzuschreiten,
So auch ist diese Welt den Menschenkindern.

Der Wandrer eilt zu seinem Bett der Nacht,
Die Weisen eilen auch zu ihrem Bett.

Die Huld des Herrn ist besser als das Leben,
Die Charis besser als die Ungebornen.

Halt ferne deine Seele von Begierde,
Dem Gegenteil des Kommenden Äons.

Wer diese Welt der Eitelkeit studiert,
Gelangt nicht in das Kommende Äon.

Wer aber sucht das Kommende Äon,
Verachten möge er den eitlen Kosmos.

Zwei Tische warten nimmer auf den Menschen.
Die Lust der Welt vertreibt die Himmelswonnen.

Ein schmales Bett der Nacht und eitles Dasein
Und wenig Freude, aber reichen Mangel,

Es ist nicht angemessen, das zu suchen,
Sie zu erforschen, solcherlei zu lieben.

Wer auf die Eitelkeit vertraut, wird straucheln,
Wird fallen und sich nimmermehr erheben.

Ein breites Bett der Nacht und ewges Leben,
Unendliche Genüsse ohne Mangel,

Ja, solches sollst du suchen und ergreifen,
Auf dies vertraue, dieses sollst du lieben.

Nur durch Sophia wird gefunden solches,
Durch Reverenz Jehovas, wenig Arbeit.

Wer Gutes tut, wird Gottes Gnade finden
Und er wird leben fort, selbst wenn er stirbt.

Sein Herz ist eingebunden in dem Bündel
Bei seinem Schöpfer in dem süßen Bett.

Wohl jenem Mann, der liebt die Maid Torah,
Sophia sucht und Reverenz Jehovas,

Wer glaubt an Gott den Herrn, Gott Israels,
Geht auf den Pfaden der Gerechten, Guten.

Die Wege der Gerechten liebt Jehova,
Der Weg der Sünder ist dem Herrn ein Ekel.

Die Straße der Gerechten ist Sophia,
Ist Demut und Enthaltsamkeit von Weltlust.

Der Weg der Narren aber ist Moria,
Ist Hochmut und Begierden dieser Welt.

Demütige Gerechte gehn die Pfade
Und sitzen einsam und in Schweigsamkeit,

Ertragend stumm die Schmähungen der Narren
Und nicht gesellend sich zu frommen Heuchlern

Und nicht betretend frecher Sünder Straßen,
Fernbleibend den Versammlungen der Spötter,

Vielmehr zu sinnen über die Torah
Und sich zu freun der Freuden der Torah.

Die fromme Seele aber wählt die Demut
Und leidet mit mit Josefs schweren Leiden.

Nie wird Geschwistern schaden jene Seele,
Die auf die Gottheit Israels vertraut.

Fromm ist die fromme Seele, ohne Wissen,
Hat sie doch Anteil an Gerechtigkeit.

So mahne alle du zum Weg des Guten,
Doch freche Spötter lassen sich nicht warnen.

Dann liebe, welche lieben die Torah,
Die Reverenz Jehova spenden, ehre.

Jedoch verachte Narren, Spötter, Sünder,
Die sich beschäftigen mit Weltgeschäften,

Die fleißig sind in Schlemmen, Zechen, Beischlaf
Und widerspenstig gegen Gottes Reich.

Die ehren Gott, die lieben nicht die Welt,
Sie lieben nicht mit ihrer Augenlust,

Sie lieben nur das Kommende Äon,
Drum der Gerechte ist im Tod getrost.

Getrost ist der Gerechte trotz der Scheu,
Die seine eignen Sünden ihm erwecken.

Denn die Gerechten und die tun die Buße
Gewürdigt werden eines ewgen Lebens.

Die Freude an Sophia ist das Schönste,
Ein Zeichen für die Guten vor Jehova.

Die Lust der Welt, viel Eigentum zu sammeln,
Ist Zeichen für die Sünder dieser Welt.

Ein Frommer lässt sich warnen vor dem Unheil,
Er überwindet seine Triebbegierden,

Enthält sich der Begierden und des Zornes,
Jedoch ein Narr verschmäht den Herrn und lästert.

Ein Narr verschmäht das Fasten des Geweihten,
Er preist vielmehr die Wollust dieser Welt.

Der Weltlärm kommt von der Begier der Narren,
Die Seelenruhe von der Zucht der Weisen.

Die Zucht der Toren ist Geschmack am Essen
Und sein Begehren steht nach Übertretung.

Sophia ist die Zucht der Frommen, Demut,
Demütigend die Seele vor Jehova.

Denn der Begierden Reichtum mehrt die Sünden,
Viel Sünden kommen von dem wüsten Zechen.

Betrunkne scheuen sich nicht vor Jehova,
Die wüsten Zecher schmähn die Gottesdiener.

Der Trunkne kennt nicht heilige Erkenntnis,
Die Züchtigen verwirft der wilde Zecher.

Der eitlen Narren Werkzeug ist das Bier,
Der Narr ist stark allein durch seinen Rausch.

Wie der Erkenntnis Baum den Tod gebracht,
So bringen Bier und Rauschtrank viele Torheit.

Sophias Feinde Rauschtrank sind und Bier,
Betrunken Taumelnder wird nimmer weise.

Sophia edler ist als hohe Ahnen,
Die Reverenz Jehovas als die Eltern.

Sophia bringt dich in die Nähe Gottes,
Der Menschen Nähe sucht Profit und Schlemmen.

Nur wer Sophia liebt, liebt auch Jehova,
Wer den Profit des Mammon liebt, hasst Gott.

Ruhm Gottes ist der Weisung Meditieren,
Der Menschen Ruhm ist Vorteil und Genuss.

Ruhm Gottes ist die Treue zu der Zucht,
Der Menschen Ruhm ist die Verwilderung.

Ruhm Gottes ist der Ruhm der Frau Sophia,
Der Menschen Ruhm ist Torheit hoher Herren.

Der Fraß stopft zu die Sehnsucht nach der Gottheit,
Deswegen bangt die Seele vor der Speise.

Wer liebt den Rausch, hat Hochmut, Hoffahrt, Stolz
Und alle Lüste aller Weltbegierden.

Des Trinken Wonnen, Kummer ist ihr Ende,
Der Rausch bringt Weh und Leiden, Schmach und Schande.

Die Freude der Torah bringt schließlich Glück,
Erleuchtet wird man von dem Licht des Lebens.

Die lieben die Begierden dieser Welt,
Die machen ganz zunichte die Sophia.

Die die Genüsse dieser Erde lieben,
Die kennen nicht der großen Güte Wonnen.

Die Schlechtes essen und die saufen Bier
Und lieben langen Schlummer, die sind Sünder,

Die freun sich mit den Freuden fremder Frauen
Und leiden nimmer mit den Leiden Josefs,

Die nimmerdar des Ewigen gedenken
Und nimmer denken an Jerusalem,

Vergessen werden sie von Gott dem Herrn.
Sie bauten ihren eigenen Palast,

Dieweil verwüstet war der Tempel Gottes,
Und sie gedachten nicht der Tochter Zion.

Vergessen haben sie den Retter, Gott,
Sie folgten einzig ihren Weltbegierden.

Sophia schmähten sie und Ehrfurcht Gottes,
Was tun die für das Kommende Äon?

Nicht gut die Seele ohne die Sophia,
Erbarmt sich ihrer nicht der Seele Schöpfer.

Vergebung und Erbarmen wird den Büßern,
Doch Schmach und Schande Unbußfertigen.

Der Weise und Geweihte nah sind Gott,
Die Narren aber, sie vergessen Gott.

Die Liebe, die an den Genüssen hängt,
Ihr Schluss ist Hass, ist Grimm und Zorn, ist Feindschaft.

Die Liebe, die an der Sophia hängt,
Ihr Schluss ist Seligkeit und ewge Wonnen.

Sophia aber mehrt die Caritas,
Der Torheit Zunge aber stiftet Zank.

Grundloser Hass und Neid auf alle Guten,
Das ist das Lebenswerk von Übeltätern.

Der Weisen Worte sind wie Heil und Friede
Und Seelenruhe und Glückseligkeit.

O Leben, Gnade, überreiche Güte
Und liebevoller, ehrenvoller Segen!

Die Lustbesessnen, die im Stolze wandeln,
Für solche ward erschaffen die Gehenna.

Die Weisen, die sich scheuen vor Jehova,
Für solche ward erschaffen Edens Garten.

Die Taumelnden vom Rauschtrank sind voll Stolz
Und Lust nach Hoheit und nach Niedrigkeit.

Der Rauschtrank mehrt den Zorn und die Begierde,
Die Sünde kommt vom Zürnen und Begehren.

Wer stolz ist, wird Sophia nicht erlangen,
Die Reverenz Jehovas flieht vor solchem.

Wer nachts beim Rauschtrank sitzt, mischt Zorn darein,
Verdreht Gerechtigkeit, verschmäht Sophia.

Geht glatt der Rauschtrank ein, wird Recht gepriesen,
Wer säuft, der schaut nicht auf Gerechtigkeit.

Wer den Gewinn liebt, leugnet Gott den Herrn,
Wer den Gewinn hasst, bleibend ist sein Name.

Wer Mammon liebt, der hasst die Frau Sophia,
Der Mammon hilft nicht an dem Tag des Zornes.

Wer an das Treiben dieser Welt gewöhnt,
Bedarf des Angedenkens an den Tod.

Die Welt ist Eitelkeit der Eitelkeiten,
Ist Vorzug nirgends außer in Sophia.

Das Königtum, der Reichtum und der Ruhm
Auf Erden, das ist eine Gabe Gottes.

Sophia liebet, die Sophia suchen
Mit Studium bis zu des Leibs Ermüdung.

Die Herrschaft ist das Erbe von den Vätern,
Sophia kommt durch eine Menge Mühsal.

Die Arbeit hat Bestand nur durch Sophia,
Sophia nur durch eine Menge Forschung.

Sophia mehrt die Reverenz Jehovas
Und so erlangt das Diesseits man und Jenseits.

Die Schlummer lieben, hassen die Erkenntnis,
Sie schlafen ein und wachen nicht mehr auf.

Demütige sind Meister des Gesanges,
Indem sie im Palast Jehovas singen.

Als Morgenröte lichter strahlen jene,
Die da erleuchtet von dem Licht des Lebens.

Wohl dem, der fernhält brennende Begierde
Und seinen Unmut fortschafft aus dem Herzen,

Der festhält an der Reverenz Jehovas
Und sinnt auf Lieder, Fremdling hier auf Erden.

Jehova schafft das Kindlein, das er liebt,
Und gibt dem Kind nach seines Herzens Wünschen.

Was übers Schicksal jammert doch der Mensch?
Er wandelt doch auf seines Schicksals Wegen.

Gefällts dem Menschen, tut er Gutes, Liebes,
Gefällts dem Menschen, tut er Übles, Böses.

Er darf nicht sagen: Ich habs nicht getan
Und gegen meinen Willen wards getan.

Des Menschen Tun ist nicht der Gottheit Tun,
Des Menschen Tun zeugt wider seinen Täter.

Ob gut, ob böse, rühmt der Mensch sich selber,
Sein Name ist im Munde aller Welt.

Der Mensch verfügt ja über seine Kunst,
Ob gut, ob böse, er beherrscht die Kunst.

Gottsucher wird erhöht sein von der Allmacht,
Gott lenkt den Suchenden mit Wohlgefallen.

Des Menschen Sache ist es, Recht zu tun,
In seinem Liede preise er das Gute.

Er soll nicht wandeln in dem Rat des Bösen,
In Satans Schlinge wird man sonst gefangen.

Der Dank, das Lob, die Demut und die Buße,
Die retten den Besitzer vor der Sünde.

Besinnung der Torah, das ist das Größte,
Dann werden deine Werke dir gelingen.

Wohl jenem, der gefunden hat Sophia,
Der meditiert die schöne Maid Torah.

Die Narren sind der Philosophen Diener,
Sie brauchen jene wider ihren Willen.

So wie der Reiche über Arme herrscht,
So Narren Sklaven sind der Herzensweisen.

Wie Schuldner Sklaven sind der Gläubiger,
So Heuchler Sklaven der Demütigen.

Das Herz des Weisen gleicht Prophetenherz,
Er wird gehalten durch Prophetenwort.

Es denken viele, dass sie weise sind.
Wer Gottes Wort verwirft, ist ohne Weisheit.

Sophia und Besinnung der Torah
Ist besser als das Treiben dieser Welt.

Sophia und die Reverenz Jehovas
Ist süßer als Genüsse dieser Welt.

Torah und die Erziehung durch Sophia
Ist besser als das Leben dieser Welt.

Sophia ist Werkmeisterin des Schöpfers
Und seine Throngenossin in Äonen.

Wer sucht Sophia, wird sich an ihr laben,
Die andern aber gehn in Schmach zugrunde.

Wohl jenem, der da meditiert Torah,
Er lebt für immer und wird nicht zuschanden.

Nicht rühm der Mensch sich seines schönen Äußern,
Nicht freue er sich an der Eitelkeit.

Nicht rühme er sich seines Kinderreichtums.
Sind seine Kinder fromm und gottesfürchtig?

Nicht rühme sich der Mensch der Kraft der Schenkel,
Vielmehr, dass er bezwingen kann die Triebe.

Nicht rühme sich der Mensch des Reichtums Ruhm,
Denn Mammon wird ihn retten nicht vorm Tod.

Nicht rühme sich der Mensch des großen Wissens
Und er vertraue nicht auf seine Klugheit.

Der Mensch vertraue, rühme sich Jehovas,
Dass er verständig ist und Gott erkennt,

Dass er Gerechtigkeit und Güte übe
Und immer sinne über schöne Rede.

Gerechtigkeit errettet einen Menschen,
Es rettet keiner aus der Hand des Herrn.

Gerechtigkeit gibt Menschenleben Dauer
Und Gottes-Wissen und der wahre Glaube.

Der Menschen soll denken immer an den Schöpfer
Und soll nicht preisen seine Todesstunde,

Denn nichtig ist das Ende allen Lebens,
Doch Vorteil bringt es für die Freunde Gottes.

Die Seelenruhe kommt ihm durch Sophia,
Unruhe kommt nur von des Menschen Torheit.

Nachlässigkeit und Stillstand, das ist Torheit,
Vergessenheit ist übles Werk des Bösen.

Wer Wissen mehrt, verwirft Nachlässigkeit,
Vergessenheit führt er zur tiefen Einsicht.

Wird Eisen stumpf, so schärft man seine Schneide,
Durchs Lernen führt man Herzen zu der Einsicht.

Der Acker wird gepflügt und wird besät,
Man führt durchs Studium das Herz zur Einsicht.

Ein Pflanzenspross sprießt aus dem Wasser auf,
Sophia sprießt aus Forschung nach Sophia.

Gelenkt wird alle Arbeit durch Sophia,
Sophia selbst erforscht man durch das Reden.

Wer sie erforscht, einsichtig wird er, froh,
Es fliehen vor ihm Trübsal, Schmerz und Seufzer.

Des Leibes Krankheit heilt die Medizin,
Der Seelenkrankheit Heil ist in Sophia.

Des Leibs Gesundheit rettet nicht den Menschen,
Gesundheit an der Seele aber hilft.

Das Licht der Augen und der Ohren Hören,
Der Nase Riechen und der Hände Tasten,

Des Gaumens Schmecken und der Füße Gehen,
Sie sind vorhanden bei den Lebewesen.

Viel besser aber ist der Lippen Rede,
Es findet sich das Wort allein beim Menschen.

Das Sprechen zeigt die Wege an des Lebens
Und nicht die andern Pforten deiner Sinne.

Die Sinnespforten sind bei Lebewesen,
Doch kennen sie die Wege nicht Sophias.

Das Wort Sophias ist im Menschenherzen,
Die Gnade ist nicht in den Sinnespforten.

Sophia steht dem Menschen zur Verfügung,
Wenn auch die Sinne ihre Sklaven sind.

Die Sinnespforten ohne die Erkenntnis,
Ist gleich dem Vieh, das schweigend muss davon.

Denn Gott ließ die Sophia sie vergessen,
Gab ihnen keinen Anteil an der Einsicht.

Gott lehrt den Menschen Wissen und Sophia,
Er sucht den Menschen heim am Jüngsten Tag.

Dem Menschen schenkte er die Frau Sophia
Und fordert sie gerechterweis zurück.

Man kann nicht sagen: Ich kenn nicht die Wahrheit,
Erkenntnis ward dem Menschen anerschaffen.

Wenn nur der Mensch es will, kann er erkennen,
Sophia ist vorhanden in dem Herzen.

Der Mensch jedoch, der sich der Einsicht sperrt,
Wie sollte der Sophia jemals finden?

Wer kennt die ganze, göttliche Sophia?
Ein Teil Sophias ist jedoch erkennbar.

Es lässt sich alles finden, wenn man sucht,
Sophia wird durch Forschung nur erkannt.

Der Eine Gott erkannt wird durch Sophia,
Er ist nicht da nach Art von Heresscharen.

Sophia ist das Leben für den Weisen
Und Ruhm und Kraft für ihren Eigentümer.

Die Hoffnung der Gerechten ist das Glück,
Der Toren Hoffnung ist die Finsternis.

Gefallen an der Kunst gab Gott dem Menschen,
Der Mensch kann Gutes schaffen oder Böses.

Gefällt dem Menschen Gutes und nicht Böses,
Erhört ihn Gott nach seinem Wohlgefallen.

Der Mensch kann suchen, was ihm nur gefällt,
Er wird es finden, Gutes oder Böses.

Erkannt wird alles einzig durch Sophia,
Sophia aber durch Gefundenwerden.

Das Suchen nach Sophia mehrt das Wissen,,
Der Zucht Mißachtung ist des Wissens Feindin.

Das Hören ist der Anbeginn des Lernens,
Des Lernens Ende ist Erkenntnis, Einsicht.

Sophias Summe ist die Ehrfurcht Gottes,
Das ist die Angelegenheit des Menschen.

Es meinen viele, dass sie weise sind,
Und freun sich über ihres Triebs Gedanken.

Ihr Mühen richtet sich auf Eitelkeit,
Doch warten sie auf Lohn für ihre Mühen.

Sie haben Augen, aber sehen nicht,
Verhärtet ihre Herzen, unverständig.

Die ganze Welt schaut nur auf Eitelkeiten.
Doch gibt es nicht Gewinn bei aller Mühsal.

Das Leben, Königtum und Können, Reichtum
Und Gnade, Herrlichkeit und Ruhm und Ehre,

Sind wertlos alle, sind nur Nichtigkeit,
Sophia edler ist als alles das.

Bedarf doch alles des Sophien-Wissens,
Sophia aber liebt Gerechtigkeit.

Das Recht ist das Erzeugnis der Sophia,
Doch lobenswürdig ist Sophia selbst.

Denn durch Sophia weiß man von der Sitte,
Gefunden wird die Ganzheit durch Sophia.

Wer liebt es, die Sophia zu erkennen,
Vermindert in sich dieser Welt Begierden.

Gewarnt sei, Mensch, vor Zürnen und Begehren,
Dich finden Leben und Gerechtigkeit.

Demütige, die lassen vom Begehren,
Empfangen Segen von dem Ewigen.

Die fragen nach Sophia, suchen Gott,
Die werden würdig ewiglicher Wonnen.

Wer liebt es, zu erkennen Gottes Weg,
Der sättigt sich am Angesicht Jehovas.

Beginn der Ehrfurcht ist die Gnosis Gottes,
Beginn Sophias ist die Reverenz.

Wer sich verachtet um des Schöpfers Ehre,
Der wird geehrt sein in den Augen Gottes.

Wes Wille spricht zu Gott: Gescheh dein Wille,
Wer seinen Trieb bezwingt und Stolz zerschlägt,

Um die Sophia zu erforschen tätig,
Gewürdigt wird er ewiglichen Lebens.

Sophia ward geboren für die Menschen,
Sie ist ein Werkzeug der Gerechtigkeit.

Der Glaube ist allein Gerechtigkeit,
Der Glaube durch Sophia ist gerecht.

Nicht Hilfe und nicht Liebe zu Geschöpfen,
Doch Ruhm den Menschen, die die Gottheit rühmen.

Wer Gott rühmt, wird in Ewigkeit nicht wanken,
Gelabt wird seine Seele sein am Fett.

Die Philosophen sammeln die Erkenntnis,
Die Narren aber hassen Gottes Wissen.

Wer Gutes sucht, der wird das Gute finden,
Wer nach dem Bösen jagt, den wird es treffen.

Ein Weiser ist voll Ehrfurcht, Böses meidend,
Der Narren Abscheu ists, das Böse meiden.

Wer Mahnungen beachtet, wird geehrt,
Wer schmäht die Mahnungen, muss schmachvoll sterben.

Die Zucht der Weisen ist die Ehrfurcht Gottes,
Die Zucht der Narren aber ist Moria.

Die Gnade für die Guten ist Sophia,
Der Sünder Wollust ist das Weltgetriebe.

Wer achtet auf Sophia, findet Gutes,
Wer fand das Wissen, der hat Grund zu Hoffnung.

Wer in den Krieg zieht, wird zuschanden werden,
Dem Kriege fernzubleiben, das bringt Ehre.

Der Weise öffnet seinen Mund in Weisheit,
Der Tor verschließt die Lippen selbst im Unglück.

Erhaben, dauernd meiner Seele Arbeit,
Doch über andre murren, ist nicht gut.

Und haben deine Werke keine Dauer,
Sprich von Geheimnissen der Andern nicht.

Der Weisen Denken, das ist Recht und Wahrheit,
Der Toren Denken ist Gewalt und Lüge.

Das Denken der Gerechten, das ist Weisheit,
Der armen Narren Denken ist nur Torheit.

Der Weisen Denken ist den Tod betrachtend,
Der Toren Denken ist den Bauch betrachtend.

Der Frommen Denken kommt von ihrem Schöpfer,
Der Frevler Denken kommt von ihren Lüsten.

Des Frevlers Seele nur erdenkt den Zorn
Und die Begier nach Hoheit und Gemeinheit.

Der Ruhm der Seele ist Erkenntnis, Weisheit,
Das Hässliche der Seele Zorn und Wollust.

Der Seele Ruhm ist Einsicht und Erkenntnis,
Die Schmach der Seele ihre Narretei.

Der Demut Ehre, das ist die Geduld,
Als Schande gilt sie Zornigen und Stolzen.

Begierde, Zorn, das sind der Toren Waffen,
Doch Weisheit, Demut ist der Weg des Herrn.

Ein Trunkenbold und Schlemmer erbt nur Schande,
Die sich beherrschen, die erlangen Ehre.

Der Toren Ehre ist Beschämung, Schande,
Der Weisen Ehre, das ist Pracht und Hoheit.

Wer Zorn beschwichtigt und Begierden fortschafft,
Geht nicht zugrund in dieser Welt und jener.

Wer Einsicht hat, der mag die Torheit nicht,
Der arme Narr jedoch, er hasst die Einsicht.

Des Narren Liebe, das ist Speis und Trank,
Er gleicht dem Vieh, das schweigend muss davon.

Die Wollust treibt den Narren zum Gelächter,
Des Weisen Lächeln stammt aus seiner Einsicht.

Der Toren Denken kreist um ihren Leib,
Der Weisen Denken stammt aus Gottes Weisheit.

Die Weisen wissen durch den Lebensgeist,
Die eigne Seele ist ein Glied des Selbst.

Die Toren wollen Weisheit nicht erkennen,
Denn sie besitzen nicht des Menschen Einsicht.

Die Toren lieben die Begier und Wollust,
Die Weisen herrschen über Leidenschaften.

Die Toren glauben an den Augenschein
Und sind ganz uneinsichtig wie das Vieh.

Die Weisen schauen durch der Weisheit Augen,
Die Narren wandeln in der Finsternis.

Die Toren sind die Sklaven ihres Bauches
Und folgen den Begierden ihrer Augen.

Der Herr verabscheut Torheit, Stolz und Hochmut
Und Ehebruch, Begierde, Grimm und Zorn,

Genüsse dieser Welt und die Profitgier,
Die Lüge und die Hinterlist der Herzen.

Dies alles liebt der nicht, der Buße annimmt,
Der Demut aber gibt er, was sie will.

Die Sünden sind Erzeugnisse der Menschen,
Sie kommen nicht aus Gottes weiser Lenkung.

Bleibt frei die Seele von der Lust der Welt,
So labt sie sich am Fluss von Milch und Honig.

Dem Weisen Heil und dem Rechtschaffenen,
Durch Weisheit und Gerechtigkeit kommt Gnade.

Wer ist ein wahrer Weiser vor Jehova?
Er, der da handelt nach dem Rat Sophias.

Des Täters Name kommt von seiner Tat,
Des Weisen Name von Gerechtigkeit.

Erkenntnis ohne Tat ist keine Ehre
Und ehrlos sind die Toren ohne Zucht.

Tat ohne Einsicht auch ist nicht von Dauer,
Die Tat ist möglich nur durch die Erkenntnis.

Erkenntnis ist die Hilfe der Gerechten,
Gerechtigkeit ist Retterin der Weisen.

Des Menschen Weisheit kommt von reicher Forschung,
Des Menschen Torheit kommt von großer Faulheit.

Die Weisheit ist dem Toren schwer wie Sand,
Er kann sie tragen nicht und nicht ertragen.

Das Herz der Narren ist die Lust der Augen,
Des Weisen Auge ist das reine Herz.

Die Lust des Weisen, das ist Rat und Einsicht,
Die Lust des Narren, das ist Speis und Trank.

Wer schmäht Sophia, liebt in Wahrheit Wollust,
Wer liebt Sophia, der verschmäht Profitgier.

Der Narren Liebe, das ist Speis und Trank
Und Beischlaf und die Eitelkeit der Welt.

Der Toren Abscheu ist die Magd voll Demut,
Sie spotten über jeden Geist voll Demut.

Der Toren Freude ist in ihren Lüsten,
Sie schlafen nicht, bevor sie Sünde taten.

Den Toren ist Genüge diese Welt,
Sie lieben nicht das Kommende Äon.

Ein Tor kann nicht gedenken der Sophia
Und kann nicht hören auf die Wege Gottes.

Stets kehrt der Narr zurück zu seinem Speien,
Solange er noch keine Scham besitzt.

Des armen Narren Herz folgt der Profitgier,
Er wendet seinem Schöpfer stets den Rücken.

Des Weisen Worte sind des Toren Abscheu,
Die Narren wollen hören nicht von Zucht.

Sophia ist Erleuchterin der Weisen,
Des Weisen Seele tanzt vor Lust und Freude.

Des Weisen Denken ist Erkenntnis, Ratschlag,
Des Toren Denken ist Begierde, Zorn.

Begier und Stolz, sie bringen dich zu Fall,
Doch Demut, Weisheit bringen dich zur Ruhe.

Des Stolzes Ende ist Erniedrigung,
Das Ende deiner Demut ist Erhöhung.

Begierde nach dem Hier und Jetzt der Sünde,
Ihr Ende ist Beschämung, Schmach und Schande.

Die ihren Trieb beherrschen, werden bleiben,
Wenn sie die Keuschheit weihen Gottes Allmacht.

Sophia ist allein des Herrn der Heere,
Sophia nicht vergeht in Ewigkeit.

Die Weisen wählen Pfade der Sophia
Und nicht die Straßen der Begier der Welt.

Die Narren folgen ihrem Lustverlangen,
Die Frevler gehen ab von Gottes Weg.

Der Weise tröstet sich mit seinem Brot,
Die Narren sammeln ungerechten Reichtum.

Gerechte sind die freien Sklaven Gottes,
Die Frevler sind die Knechte ihres Bauches.

Dem Herrn zuwider ist der Weg der Frevler,
Gott aber liebt die Pfade der Gerechten.

Gut ist die Ruhelosigkeit des Weisen
Und übel die Bequemlichkeit der Narren.

Der Weise hat genug an wenig Speise
Und nährt sich von dem Studium des Wortes.

Glückselig ist der Arme, welcher Gott liebt,
Verdammt der reiche Mann ist ohne Weisheit.

Gut, wenig haben in der Ehrfurcht Gottes,
Ist besser, arm zu sein, als Mann der Lüge.

Ist besser, nachzudenken über Gott
Als viel Geschäftigkeit, um reich zu werden.

Vor allem rette deine eigne Seele,
Und dann erst geh und rette andre Leben.

Dem Weisen Heil, der macht die Andern weise,
Dem Narren Fluch, der macht die Andern gottlos.

Ist besser, Gott den Schöpfer zu verehren,
Als hochzuschätzen seine eigne Seele.

Ist besser, Gottes Weisung zu verehren
Als Vater, Mutter, Bruder, Tante, Neffe.

Ist weiser, Gottesfürchtige zu ehren
Als eines Mannes Reichtum in den Häusern.

Wer da vermehrt Besitz, vermindert Weisheit,
Der bleibt nicht ungestraft von Gott dem Herrn.

Wer da vermehrt Besitz und Wohltat tut,
Wer Wohltat tut, der hat bei Gott noch Hoffnung.

Wer da vermehrt Besitz und zuchtvoll bleibt,
Wer zuchtvoll bleibt, der hat bei Gott noch Hoffnung.

Wer den Besitz vermehrt und hilft den Kranken,
Vielleicht besteht für ihn bei Gott noch Hoffnung.

Wer den Besitz vermehrt, sich müht um Reichtum,
Nicht ungestraft bleibt der von Gott dem Herrn.

Wer Weisheit mehrt und müht sich um das Wort,
In Ewigkeit bleibt seine Redlichkeit.

Wer lebt, muss sterben, Fürsten werden Knechte
Und Reiche stürzen ab in Niedrigkeit.

Die Satten müssen dienen um ihr Brot,
Die Helden – ach ihr Bogen ist zerbrochen.

Die Weisheit aber kann man nicht verlieren,
Gerechtigkeit weicht nicht von dem Gerechten.

Gerechtigkeit geht her vor dem Gerechten,
Die Weisheit, sie vermählt sich mit dem Weisen.

Der Mensch soll sich um seine Seele kümmern
Und soll sich kümmern nicht um Gold und Silber.

Erkenntnis wird ihm durch der Weisheit Einsicht,
Wenn Weisheit fehlt, so ist der Mensch wie blind.

Verpflichtet bist du, Weisheit ernst zu suchen,
Nach ihr zu forschen wie nach einem Schatz.

Wer Geld liebt, kümmert sich nicht um die Seele,
Wer Reichtum sucht, der bleibt nicht ungestraft.

Wer Reichtum liebt, der liebt nicht seinen Schöpfer,
Wer Weisheit liebt, der ist vertraut dem Schöpfer.

Der Welt Gedanken mindern die Erkenntnis,
Der Narr verachtet nur der Weisheit Menge.

Wer wenig tut, doch forscht in Gottes Wort,
Dem wird die Weisheit bald zu eigen sein.

Von jedem Menschen lerne du Erkenntnis,
So gehst du nicht zugrunde in der Trübsal.

Die Frucht des Leibes, das ist Speis und Trank,
Die Frucht der Seele, das ist Einsicht, Weisheit.

Die Frucht des Leibes rettet nicht den Menschen,
Die Frucht der Seele ist des Menschen Hilfe.



GRIECHISCHE PHILOSOPHIE


1

Was ist das Wesen aller Wesen,
Was ist der Schoß von allem Sein,
Mit welches Philosophen Thesen
Erfasst der Mensch das einig Ein?

Woher kommt alles? Wohin geht es?
Wohin verging das, was nicht blieb?
Und wie vergeht es, wie entsteht es?
Was ist des Daseins Urprinzip?

Der Ursprung der geschaffnen Dinge,
Das sei des Wassers Element?
Den Mond und Baum und Tauben singe,
Des Menschen Geist auch, der erkennt.

Das alles soll aus Wasser stammen,
Das Wasser ist der Schoß? Ich bin
Das Wasser, aus mir stammen Flammen?
Verwunderlicher Anbeginn!

Ist denn der weise Thales, ist
Er gleich gemeinen Narren, Spöttern,
Gemeiner Materialist?
Nein! Alles ist erfüllt von Göttern!

Der Dinge Wesen vor den Sinnen,
Der Dinge, die da sind gestaltet,
Ist, dass im Innern ihnen innen
Die ewigliche Gottheit waltet.

Sind alle Dinge sichtbar Zeichen
Des göttlichen Prinzips, trotz Spottes,
Gewordnes in den sichtbarn Reichen
Ja gar Geschaffenheiten Gottes?

Des Thales Wasser aber floss
Als Quell des Werdens und Vergehens
Dem Ur-Strom gleich, Okeanos,
Dem Urquell alles des Entstehens.

Das schöpferische Wasser muss
Gedeutet werden, wie wir hören,
Als dunkler Styx, der Jenseitsfluss,
Bei welchem alle Götter schwören.

Des Thales Wasser, wie ich hoffe,
Dass man nicht Narrheit davon dächte,
Nicht stofflich Urstoff aller Stoffe,
Ist Überwesen aller Mächte.

Das Wasser mythisch ist die Macht,
Als ewiglicher Mutterschoß
Des wirklich Seienden gedacht,
Als Urprung, selber ursprungslos.

Das Zeitliche und das Bezirkliche,
Das gründet in der Göttlichkeit.
Denn in der Gottheit hat das Wirkliche
Die einzig wahre Wirklichkeit.


2

Parmenides schrieb schön Gedichte,
Die Muse war die Philosophie,
Er sah Visionen und Gesichte,
Sah Hagia Sophia, Sie!

Der Weise aus dem Haus der Nacht
Ging abseits von dem Volk der Städtchen,
Hat sich zur Reise aufgemacht,
Den Wagen zogen Sonnenmädchen.

Geöffnet hat sich ihm die Pforte
Der Wege all von Tag und Nacht.
Ein Mädchen dort, mit einem Worte:
Gerechtigkeit hat dort gewacht.

Er sah die Göttliche in Klarheit,
Sie gab ihm hohe Weisheit ein
Und offenbarte ihm die Wahrheit
Und unterschied sie von dem Schein.

Die Göttin Weisheit kündet Wahrheit,
Sind ihre Lippen gleich zwei Bibeln.
Denn Weisheit ist in Offenbarheit,
Nicht in der Menschenhirne Grübeln.

Sophia kommt im eignen Licht
Zum Menschen, der ihr nachgegangen.
Er wird sie schauen im Gesicht,
Wird Wahrheit in dem Geist empfangen.

Die Menschen schauen viele Dinge
In Vielheit an und Allgemeinheit.
Doch der Erleuchtete durch dringe
Zum Großen-Ganzen, zu der Einheit.

Die Menschen schauen Streit um Streit,
Wer aber kennt der Einheit Macht?
Grundwiderspruch ist so entzweit:
Der Männer Licht, der Frauen Nacht.

Vergänglich Dasein sei das Seiende?
Ach Torheit törichten Gedichts!
Die Wahrheit ist allein Befreiende!
Das Dasein ist aus Sein und Nichts.

Wer aber kennt das Nichts, den Trug,
Die Illusion, den leeren Schein?
Man rede nur mit Recht und Fug
Vom einzig wahren Sein allein.

Parmenides verkündet: Wisst,
Das ewigliche einig Ein,
Das einzig wahre Wesen – ist,
Das ist allein das wahre Sein.

Wenn alles Seiende-Vergängliche
Vergangen ist, was sichtbar leibt,
Vergangen ist das Todes-Bängliche,
Das Sein ist es allein, das bleibt.

Das Sein ist gleich nicht buntem Scheine
Im Treiben wilder Allgemeinheit.
Das Sein ist rein das ewig Eine,
Die Ruhe absoluter Einheit.


3

Sieh, Heraklit, von dem ich munkle
Und sprech von seinem hohen Ruhm,
Er ward genannt der mystisch Dunkle
Schon in dem dunklen Altertum.

Tiefsinnig aber Heraklit
Vollendet Anfang war der Alten.
Noch tausend Jahre tönt sein Lied,
Sein Weisheitsruhm wird nicht veralten.

Sie haben Ohren, hören nicht,
Und Lippen, können doch nicht sprechen,
Verschmähn das weisere Gedicht
Und halten sich für klug, die Frechen.

Doch über dem gemeinen Weltbild
Erhebt Frau Weisheit sich in Klarheit.
Ach Welt der Narren, wo das Geld gilt,
Die Allvernunft allein ist Wahrheit.

Vielwisserei wird dir nicht nützen,
Die Weisheit ist nicht bei Gelehrten,
Die nicht die Wissenden besitzen,
Umsonst die Weisen sie verehrten.

Unsterbliche Vernunft nur lebt
Verschüttet tief in den Gemeinen.
Das Volk der Wahrheit widerstrebt
Und widerspricht dem Einzig-Einen.

Die Narrenmenschen sind wie Schlafende,
Der Philosoph darf da nicht schweigen,
Er rede als der zärtlich Strafende:
Der Seele ist der Gott zu eigen!

Ja, meiner Seele ist zu eigen
Die Allvernunft der Weisheit und
Im philosophischen, im Schweigen
Betrete ich den Seelengrund.

Erst wenn sich tief das Selbst des Geistes
Fromm an das Wort der Weisheit bindet,
Des Herzens Herz (der Weise preist es)
Die Wirklichkeit der Weisheit findet.

Der Seele Grenzen unbekannt,
Wie Traumland, da die Seele schlief,
Ist weit und fern das Seelenland,
Das Wort ist unermesslich tief.

Das in dem Dasein wirklich waltende
Allwesen ist die Allnatur,
Die Gottnatur, die nie veraltende
Natur in aller Kreatur.

Die Gottnatur hält sich verborgen,
Verbirgt sich gern in Wirklichkeit.
Das Licht verbirgt sich so im Morgen,
Das Eine in der Schöpfung Kleid.

Zweideutig ist die Wirklichkeit,
Das Dasein ist ein Doppelreich,
Verbirgt Natur der Ewigkeit
Und offenbart Natur zugleich.

Der Mensch ist aber, ist auch nicht,
Zwei Kräfte kämpfen im Theater
Zerrissner Welt aus Nacht und Licht,
Der Widersprüche Krieg ist Vater.

Da aber gilts, die Widersprüche
Zu deuten weise tiefer. Wisst,
In allem Dasein lebt die Psyche,
Die Herrscherin des Innern ist.

Die Widersprüche sich vereinen
So wie ein holdes Liebespaar
Und machen so den Sinn des Einen
In allem Werden offenbar.

In liebender Bezogenheit
Der Widersprüche Sympathie
Sich offenbart die Einigkeit
Unendlich schöner Harmonie.

Das Seiende des Daseins da
Des widersprüchlichen Vereins
Ist göttliche Harmonia,
In ihr ist wahrlich alles eins.

Das Werden wird so von den Frommen
Und Weisen ins vollkommne Sein
Zur Harmonie mit aufgenommen,
In Vielheit lebt das einig Ein.

Das eine Wesen doch, was tut es
In Wandlungen der Allgemeinheit?
Sich selber ewig wandelnd ruht es,
Im Allgemeinen reine Einheit.


4

Auf rechte Einsicht doch allein
Kommt es vor allem andern an.
Die wahre Wissenschaft soll sein,
Dann spricht ein wahres Wort der Mann.

Man soll verstehen, was man sagt
Und lege von den eignen Worten
Gott Rechenschaft ab. Gott geklagt
Sei das Geschwätz an allen Orten.

Willst du die Weisheit rein benennen
Und schönes Wort der Wahrheit finden,
So musst du dich erst selbst erkennen,
Des eignen Herzens Herz ergründen.

Wir haben das nicht zu bedenken,
Was spricht von uns der Menge Narrheit,
Der Richter über unser Denken,
Der Eine ist es und die Wahrheit.

Was heißt, ein wahrer Mensch zu sein,
Mensch in Wahrhaftigkeit zu wandeln?
Die wahre Einsicht führt allein
Zu der Wahrhaftigkeit im Handeln.

Gibt Sokrates die Antwort nicht
Auf all die Wissbegier der Fragen.

Denn kaum begonnen erst, schon bricht
Er das Gespräch ab, nichts zu sagen.

Er ist wahrhaftig ja und echt,
Kennt eigene Unwissenheit
Darüber, was da gut und recht
In Augen der Wahrhaftigkeit.

Fragwürdig wird nur das Bestehende,
Die Weisheit sich erweist als Narrheit,
Das Seiende als das Vergehende,
Es bleibt nur Sehnsucht nach der Wahrheit.

Ist Eines aber das Gewisse:
Das Gute, das allein soll sein!
Woher denn Sokrates das wisse?
Das gab der Genius ihm ein.

Bedarf das nicht mehr des Beweises,
Trotz allen Spottens, allen Scherzens,
Denn er, Unwissender, er weiß es
Mit der Gewissheit seines Herzens.

Was sein soll, ist allein das Gute,
Allein das Gute ist das Glück,
Das Gute ist das Absolute.
Die Weisheit geht auf Gott zurück!


5

Es war voll Liebe Sokrates
Mit einer weisen Sympathie
Zum Knaben Alkibiades
Und zu der hohen Philosophie.

Platonisch liebte Sokrates
Als seines Lebens schönstes Glück
Den Knaben Alkibiades
Und hielt sich vornehm doch zurück.

Das ist die Lust des Philosophen,
Die Liebe zu der Philosophie,
Der anders liebt als niedre Zofen,
Liebt die Idee der Schönheit, Sie!

Des Philosophen holder Eros
Ist nicht gemeine Sinnlichkeit,
Ist nicht in Hurenhäusern Heros,
Ist frommer Liebe nur geweiht.

Dies, das erotische Verhältnis,
Dem schönen Knaben zugeneigt,
Ist wie ein mystisches Behältnis,
Dem Weisheit als ein Geist entsteigt,

Die Liebe zu der reinen Seele
Und zu der Seele Ideal,
Urania, der Weltallseele,
Der Göttin im Ideensaal!

Des weiblichen Geschlechtes Ehre
Bewahrt hat heilig Diotima,
Sie pries die Charis höchster Sphäre,
Nicht Cypria von Paphos-Ktima.

Die Seherin sprach voll der Weisheit
Von Eros‘ Kraft in Mantinea,
Pries schweigend in des Wissens Leisheit
Urania Sophia Thea!

Sie sprach: Der Eros ist Verlangen,
In Schönheit als ein Geist zu zeugen.
Wer will zum Ideal gelangen,
Muss sich zu allem Schönen neigen.

Der liebt die reine Schönheit immer,
Der will die Schönheit ganz zu eigen.
Der weise Geist muss in dem Schimmer
Der Schönheit ewge Kinder zeugen.

Denn alles das vergänglich Schöne
Ist Reiz nur, flüchtig bunter Schimmer.
Doch die Idee der Schönheit, jene,
Sie ist des Weisen Liebe immer!

Wes Seele zeugungsfähig ist,
Der sucht die Schönheit überall,
Der nimmer Hässlichkeiten küsst,
Nur Schönheit mit des Eros Schwall.

Wenn in der Schönheit er des Leibes
Die Seele findet rein, erhaben,
Ehrt er den Genius des Weibes,
Liebt er die Seligkeit des Knaben.

Die Schönheit liebt er dann der Tugend
Und wird ein weiser Pädagoge,
Der schönen holden Knabenjugend
Zu sein der Weisheit Mystagoge.

Der wahrhaft Liebende liebt Leiber,
Der Leib ist heilig und erhaben,
Er liebt die Schönheit aller Weiber
Und aller wunderschönen Knaben.

Nicht einen Leib liebt er allein,
Er liebt die holden Seelen alle.
Der Seele Schönheit ist ihm rein,
Idee in der Ideenhalle.

Der Liebende als Pädagoge
Der schönen Knaben sinnt auf Tugend,
Er preist, der Liebe Mystagoge,
Der Jungfrau Tugend ewge Jugend.

Dann wird er lieben die Erkenntnis,
Die Schönheit schaut er wahrer Gnosis,
Er schaut die Gottheit im Bekenntnis,
Die Seelen heiligt durch Theosis.

Des Einen Diener er allein,
Das Eine ist ein Meer des Schönen!
Er wird ein Seher-Sänger sein
Und von der Gottheit Schönheit tönen!

Er wird das reine Wort gebären
In schöner Liebe zu der Weisheit.
Als Immerseiende in Sphären
Die schöne Liebe spricht in Leisheit.

Die Ewige, die Schönheit Gottes,
Die schöne Liebe ist ihr Wesen,
Der Weise hat trotz Narrenspottes
Sie zur Geliebten sich erlesen!


6

Besinnen wir die Entelechie,
Kennt jedes Lebende das Ziel
Des eignen Seins, Vollendung, die
Vollendet sich im Lebensspiel.

Die Welt drängt zur Vollkommenheit,
Das ist die Schönheit der Natur,
Die heilige Lebendigkeit
Der Strebenden, der Kreatur.

Die Welt ist von dem heißen Drang
Nach der Vollkommenheit durchwaltet,
Dies ist der Sehnsucht Allgesang,
In Selbstverwirklichung gestaltet.

Dem Menschen wie dem Lebewesen
Ist inne doch ein heißes Streben
Allein nach Gutem auserlesen
Und nach dem wahren Glück im Leben.

Der große universale Drang
Ist innre Teleologie,
Es ist der Sehnsucht Allgesang,
Gesungen von der Entelechie.

Was ist des Menschen wahres Gute?
Ist, dass er werde, der er ist,
Ein Mensch nicht nur von Fleisch und Blute,
Ein Mensch, von Gottes Geist geküsst!

Der Mensch in seines Wesens Grund
Ist gut geschaffen im Gemüte,
Doch soll er sich vollenden und
Verwirklichen die eigne Güte.

Was nun den Menschen allermeist
Von Kreaturen unterscheidet,
Ist die Vernunft, das ist der Geist,
Um welchen ihn die Welt beneidet.

So ist des Menschendaseins Sinn,
Das eigentümliche Vermögen
Zu bilden, bis er spricht: Ich bin
Vernunft, vom Geist ward mir der Segen.

Vernunft, sie ist das wahre Wesen
Des Menschen. Wer ist dieser Geist?
Vernunft, der Sinn antiker Thesen,
Ist die Erkenntnis allermeist.

Erkenntnis seines eignen Herzens,
Erkenntnis aller Kreatur,
Erkenntnis ist trotz Narrenscherzens
Der geistigen Vernunft Natur.

Erkennen wir den Anbeginn
Und Ursprung aller Kreatur?
Sprach je ein Anbeginn: Ich bin
Von ursprungsloser Gottnatur?

O allumfassende Bewegung
Der Welt! Was ist ihr Anbeginn
Und Ziel? Und was in der Erregung
Der Wesen ist ihr innrer Sinn?

Bewegungen, sie alle müssen
Im schaffenden Beweger gründen.
Und wie ins Meer der Lauf von Flüssen,
Wird alles in den Urschoß münden.

Die ursachlose Erstursache
Ist Quelle des bedingten Strebens.
Der Erstbeweger (Narr, nicht lache!)
Ist Ziel und Schlusspunkt alles Lebens,

Wie auch die Leidenschaft der Liebe
Von der Geliebten wird erregt,
So ruhen alle Sehnsuchtstriebe,
Wenn Freier sich zur Fraue legt.

So alles Streben in der Welt
Ist Selbstvollendung alles Lebens.
Drum man die eine Gottheit hält
Für das vollkommne Ziel des Strebens.

In einer Gottheit alles gründet,
Die Entelechie der Evidenz,
Dies Liebesstreben schließlich mündet
Ein in der Gottheit Transzendenz.

Wenn schon der Mensch Vernunft besitzt,
Zu eigen ist der Gottheit Geist.
Geist in der Gottheit Busen sitzt,
Erkenntnis der Erkenntnis heißt.

Eins ist die Gottheit mit dem Geist,
Doch Gottheit ist noch mehr, noch mehr.
Der Geist erkennt die Gottheit, reißt
Sie an sich, liebt sie sehr, so sehr!

Der Geist glückselig ist versunken
Im Anschaun der geliebten Gottheit!
Der Geist ist der Erkenntnis Funken
Im Weltenmutterschoß der Gottheit!


7

Sah Zenon in der Philosophie
Die Kunst der Lebensführung, Kunst
Des Seelenfriedens. Aber die
Begierde Epikurs ist Dunst.

Des Menschen Sitte, Menschen Pflicht,
Die seiner Seele nur genügt,
Ist allgemeine Tugend nicht,
Ist Bild, das in dem Innern liegt.

Wer stimmt denn mit sich überein?
Wie findet man der Tugend Spur?
Du sei vereinigt mit dem Sein
Der wahrhaft wirklichen Natur.

Wer sich in seiner Seelenreinheit
In eins mit der Idee wird setzen,
Der lebt geborgen auch in Einheit
Mit ewig kosmischen Gesetzen.

Was ist das Wesen der Natur?
Was ist ihr Anfang, Sinn und Ziel?
Sie ist nicht blindes Chaos nur
Und Zufall, der Atome Spiel.

Ein mächtiges Naturprinzip
Ist, Feuer oder Lebenshauch,
Die Eine Gottheit habe lieb,
Die Griechen sagen Theos auch.

Der Gott der Götter aber ist
Das reine Pneuma, reiner Geist,
Die Allvernunft, der Logos ist
Weltseele, die Sophia heißt.

Die Gottheit, aller Wesen Wesen,
Unsterblich ist, begabt mit Geist,
Ein ewigliches Lebewesen,
Das Geist heißt und glückselig heißt.

Das ewiggöttliche Prinzip
Lebendig lebt in Wirklichkeit.
Weltseele Gottes habe lieb,
Die Gottheit allzeit trägt ein Kleid.

Die Weltvernunft durchdringt lebendig
Abwasser, Würmer und Verbrecher.
Die Welt ist geisterfüllt, verständig.
Gott ist der Wein, die Welt der Becher.

Die Welt der Menschen doch zumeist
Vor aller andern Kreatur
Stammt ab von Gott. Gott gibt den Geist,
Dem Menschen seine Gottnatur.

Die Menschen sind von Gottes Art,
Dies schäumte aus des Dichters Maul.
Die Weisheit wurde offenbart
Im Euangelion Sankt Paul.




KABBALISTISCHE THEOSOPHIE I


1

Preis der unsichtbaren Welt der Engel,
Lobpreis den erhabnen Intelligenzen,
Die die Ströme ewigen Lichts empfangen,
Das wird zugeordnet Gott dem Vater.
Preis den Engeln, die die Welt bewohnen,
Diesen sichtbarn Kosmos der Gestirne,
Welcher Gott dem Sohn wird zugeordnet,
Welcher ist die göttliche Sophia,
Die in Unermeßlichkeit des Raumes
Schuf die Himmelskörper Kreis um Kreise.
Preis der niedern Welt der Elemente,
Welche gut und schön ist, wohlgefallend,
Von den Philosophen zugeordnet
Gott dem Geiste, der das innerliche
Sein der Kreaturen ist, Gott-Seele.


2

In dem Urprinzip schuf Gott die Himmel
Und die Erde. Und die Gottheit Ruach
Hat gebrütet auf dem Meere Majim.
Wie hat Gott, das höchste reinste Wesen,
Diese niedre grobe Welt geschaffen?
Diese gegensätzlichen Wesenheiten
Dieser Welt und der erhabnen Gottheit
Brauchen sicherlich ein Mittlerwesen.
Als die Gottheit hat ihr Wort gesprochen,
Ward die Welt geschaffen in dem Worte.
Gottheit schuf im Urprinzip die Welten.
Was ist dieses Urprinzip? Die Ruach,
Geist planmäßiger Schöpferweisheit Gottes,
Geist der Schöpferkraft, im Worte wirkend.
Also spricht die göttliche Sophia:
Gott besaß mich, ehe Gott die Werke
Seiner Schöpfungen begann, als Anfang
Und als Urprinzip der Schöpfungswege.
Als der Herr den Himmel schuf, die Erde,
War ich mit ihm, Weltenarchitektin,
Seine Lieblingin und Throngenossin.
Darum preisen Weise so den Schöpfer
Und beginnen so die Bibel Gottes:
In der Weisheit schuf der Herr die Welten.
Nämlich sie, die göttliche Sophia,
Sie ist mehr als eine Hypostase
In der Gottheit, mehr als nur ein Weltplan,
Personifiziert von frommen Dichtern,
Sie ist göttliche Person, ist Gottheit.
Nämlich die verborgne eine Gottheit
Schöpferin wird offenbare Gottheit
In dem Worte Gottes, seiner Weisheit.
Was dem Einen ist der Logos Gottes,
Ist dem Andern Hagia Sophia.
Salomonisch heißt die Weisheit Gottes
Heilig Geist und Hauch der Allmacht Gottes
Und ein reiner Ausfluß aus der Gottheit,
Aus der Herrlichkeit der Allmacht Gottes,
Und ein Glanz vom Glanz und Licht vom Lichte
Und ein makelloser Jungfraunspiegel
Schöpferischer Kraft und Allmacht Gottes
Und Beisitzerin des Thrones Gottes.


3

Von der höchsten, ganz verborgnen Gottheit
Ist allein zu sagen, was sie nicht ist.
Sie, unwandelbare Eine, zeitlos,
Ist das absolute Sein, das reine.
Ich war, bin und werde sein die Gottheit!
Ja, ihr Wesen ist nicht zu erkennen,
Sie ist nicht das höchste Gut, All-Einheit.
Nimmer reicht an sie heran das Denken.
Nur wer mit dem Spekulieren aufhört
Und im reinen Glauben reinen Herzens
Über alle Widersprüche aufschaut
Zu der Einheit mystischer Versenkung,
Kann im innern Grunde seiner Seele
Einen Augenblick im Ozeane,
In dem Meer des Absoluten baden.
Mystische Vereinigung ist möglich,
Weil die unergründlich absolute
Eine Gottheit Urgrund alles Daseins
Ist und alles Einzelseins der Seele.
Ur-Idee der ewigen Ideen,
Ur-Idee ist Gottheit der Idee der Psyche,
Ist der Ort der Seele, ihre Heimat.


4

Hat die Gottheit selbst sich unterschieden,
Ist sie Geist, Sophia sie und Logos.
Ja, die göttliche Vernunft des Geistes
Ist die Krone aller Offenbarung,
Reiner Abglanz absoluten Wesens.
Nur im Geist erkennbar ist die Gottheit,
Vater aller Offenbarung, Urgrund
Der geschaffnen Dinge, Gott des Weltalls,
Allerhöchster Gott von Wort und Denken.
Dieser Geist als göttliche Sophia
Offenbart sich als die Gottheit Mutter,
Schöpferische Königin der Dinge
Und die Quelle aller Offenbarung,
A und O und Meisterin und Göttin,
Haus des Herrschers, Braut des Allerhöchsten.
Diese göttliche Sophia ist nun
Durch Sophias Offenbarung einzig
Vom begnadeten Geschöpf erkennbar.
Siehe, Vater Geist und Mutter Weisheit
Zeugen das geliebte Kind, den Logos,
Der Idee und Wort erschafft als Schöpfer,
Demiurg der ewigen Ideen,
Der Ideen alle unterscheidet
Durch die Setzung und die Gegensetzung
Und vereinigt alle die Ideen
In der Harmonie des Geistesreiches.
Nach dem Vorbild der Ideen aber
Schuf das schöpferische Wort die Dinge,
Christus, alle Körperwelt im Kosmos.


5

Immer mehr erkennen sie, die Weisen,
Doch das mütterliche Wesen Gottes,
Nämlich sie, die göttliche Sophia.
Sagen alle doch die Schriftgelehrten,
Daß der Bräutigam im Hohen Liede
Ist der Herr, und seine Braut und Freundin
Ist auf Erden seine Heilsgemeinde.
Aber diese Freundin Braut-Gemeinde
Ist im Himmelreich die Makellose,
Die Idee der unbefleckten Freundin.
Diese himmlische Geliebte aber
Ist die Braut des Herrn, des Lammes Nymphe.
Also wird in Ewigkeit im Himmel
Festlich zelebriert die Gottes-Ehe
Gottes mit der himmlischen Matrone,
Wo der Herr, der Herr der Heeresscharen,
Seiner Herrlichkeit ist ganz vereinigt.


6

Ihre Form besitzen alle Dinge
In der Ur-Ideen Geisteswelten,
Ihre Form besitzen die Ideen
In der Gottheit, Quelle aller Wesen.
Drei Personen sind im Geistesreiche,
Sind die höchste Macht, das Wort, die Weisheit.
Denn die höchste Macht ist die Erkenntnis,
Die Erkennende ist Herrin Weisheit,
Das Erkannte ist das Wort des Lebens.
Denn die höchste Macht, das ist die Liebe,
Doch die Liebende ist Freundin Weisheit,
Der Geliebte ist der Logos Christus.
In der einen absoluten Gottheit
Ist Vereinigung der zwei Personen
In vereinender Person der Liebe.
Doch die Liebende und der Geliebte
Und die Liebe selbst sind eins und einig
In der einen absoluten Gottheit,
Welche ist die Quelle allen Liebens.
Die Ideen nun der Liebesgeister
In der Gottheit sind vollkommen, heilig.
Aber in der Welt die Lebewesen
Sind vollendet nur in solchem Maße,
Wie sie Anteil haben an der Liebe.
Dieses ist der Spalt in der Granatfrucht,
Dieses ist der Saft in der Granatfrucht,
Dieses ist der Lusthain der Granatfrucht.


7

Also nähern Juden sich und Heiden
Menschlich sprechend Gott, der unaussprechlich,
Nennen Gott sie einen Greis, den Ur-Ahn,
Nennen Gott sie Schechinah und Ruach
Oder Hauch, die schöpferische Mutter,
Nennen Gott den Sohn und den Messias,
Der ist Demiurg der Körperwelten.


8

Ewig ruht die eine dunkle Gottheit.
Sie, die Ewige, die Absolute,
Sie erhebt sich zu dem Selbstbewußtsein
In Sophia, Urquell der Ideen,
Die den Schöpfungsplan in sich begriffen.
Die Unendliche, die Grenzenlose
Faßt sich selbst als universale Einheit,
Die All-Einheit, Wesen aller Wesen,
Wenn auch noch nicht Wirklichkeit geworden
Sind die Ur-Ideen aller Wesen.
Der Ideen Ur-Idee, Sophia,
Faß das reine Sein als Bild von Wesen,
Als Imago Gottes in den Dingen.
Da ergeht die Ur-Kraft, Kraft der Kräfte,
Reine schöpferische Kraft des Geistes,
Und verwirklicht alle die Ideen.
Diese Kraft ist Gottes Schöpferwille,
Hauchend, brütend schafft sie Wirklichkeiten
Nach den Bild-Ideen in Sophia,
Die Inkarnationen der Sophia
Als des unbefleckten Bildes Gottes.


9

Gottes erste Offenbarungssphäre
Ist das ebenbildliche Vernunftreich.
Die Vernunft hat ihre höchste Krone
In unmittelbarer Schau der Gottheit.
Aus der Schau des Angesichtes Gottes
Geht hervor die Weisheit als Erkenntnis,
Die Vision der Intelligenzen oder
Theorie der menschlichen Erkenntnis.
Der Verstand steht aber ihr zur Seite,
Der Verstand verwirklicht alle Weisheit
Als ein schöpferischer Wirkungswille,
Göttlich wirkend in den Wirklichkeiten,
Als die Prägung Gottes in den Welten.


10

Auch andeutend reden weise Seher
Von dem allerersten Tun der Gottheit,
Von der Zeugung göttlicher Sophia
Als der göttlichweiblichen Genossin
Gottes. Ihrem Schoß entnahm Gott Welten,
Alle Seelen, Lebewesen, Dinge.
Gott schrieb auch im Geiste der Sophia
Seiner Weisung Weisheit von der Liebe!


11

Wer ist aber voll von Gottes Segen?
Segen ist der Anfang aller Wege,
Anfang aller Wege ist die Weisheit,
Anfang aller Weisheit ist die Ehrfurcht
Gottes. Weisheit also ist der Segen.
Gott gab Salomo den Segen Gottes,
Gott gab Salomo die Weisheit Gottes.
Solcherlei ist ähnlich einem König,
Der die eigne königliche Tochter
Seinem Freunde gibt zur Brautgenossin,
Zu ihm sprechend: Tu mit ihr nach Wunsche!


12

O Sophia, Rose unter Dornen,
O Sophia, Rose ohne Dornen,
O Sophia, rote, weiße Rose,
O Sophia, Richterin der Seelen,
O Sophia, ewig schöne Liebe,
O Sophia, Mutter voll Erbarmen,
O Sophia, deines Schützlings Schutzfrau,
O Sophia, schöner Kelch der Rose,
O Sophia, Becher voll der Gnade,
O Sophia, benedeiter Becher,
O Sophia, Becher zwischen Fingern,
O Sophia, rosengleicher Becher,
O Sophia, bechergleiches Becken,
O Sophia, Schoß voll Rauschtrank Jahwes!


KABBALISTISCHE THEOSOPHIE II


1

Jahwe segnet Abraham mit Allem.
Gab der Herr dem Frommen eine Tochter?
Sprach der eine Rabbi aus den Juden:
Jahwe segnet Abraham mit Allem,
Dieses heißt, er gab ihm keine Tochter.
Sprach der andre Rabbi aus den Juden:
Jahwe segnet Abraham mit Allem,
Segnete den Freund mit Bakol: Allem,
Siehe, Bakol, das ist seine Tochter.
Bakol ist die Schechinah der Gottheit,
Tiefste Kraft der Offenbarung Gottes.
Dieser Schechinah wird nun zum Vater
Abraham, Gesegneter Jehowahs.
Jahwe segnet Abraham mit Allem,
Jahwe sprach: Es wird genannt das Alles
Nach dem makellosen Namen Gottes.
War die Segnung also seine Tochter
Oder war die Segnung seine Mutter?
Siehe, dieses gleich ich einem König,
Welcher hatte einen treuen Sklaven.
Sprach der König: Was soll ich dem treuen
Und gerechten Sklaven Gutes geben?
Ich empfehl ihn meinem lieben Bruder,
Daß er ihn berate und beschütze,
Daß der Sklave lern des Bruders Weise.
Ging der Sklave also mit dem Bruder
Und erlernte seine Art und Weise.
Da gewann der Bruder lieb den Sklaven
Und er nannte ihn: Mein Freund und Bruder!
Was soll ich dir Gutes tun und geben?
Sieh, da hab ich einen schönen Becher,
Sind im Becher schöne Gnadenströme,
Sind des großen Königs Gnadenströme.
Siehe, diesen Kelch der Ganzhingabe
Will ich dir vertrauen, diesen Becher,
Daß du trinkst daraus den Trank der Gnaden.
Das ist, was geschrieben in den Schriften:
Jahwe segnet Abraham mit Allem!


2

Gott der Herr hat Abraham gesegnet
Mit der Bakol, seinem Ein-und-Alles.
Aber wer ist Bakol, diese Tochter
Abrahams, der Segen seines Gottes?
Spricht sie: Wer mich sucht, der wird mich finden,
Ist sie dann denn nicht die Chochmah Gottes?
Wer mich liebt, den werd ich wieder lieben.,
Sagt die Chochmah Gottes ihren Minnern.
Gott der Herr gebot dem Engelfürsten
Metatron, des Angesichtes Engel,
Diesen Schatz, die Segensgabe Gottes,
Hin zum Freunde Abraham zu tragen.
Da erkannte Abraham: Dies Alles
Ist die Gegenwart der Gottheit Jahwe,
Ist die Schechinah, allgegenwärtig
Ist die Schechinah an allen Orten,
Gegenwärtig Jahwe ist in Allem,
Gegenwärtig Schechinah in Bakol,
Abrahams gebenedeiter Tochter.


3

Voll der Glorie Gottes ist die Erde,
Erde, die am ersten Tag geschaffen,
Die Idee des Landes der Verheißung,
Welche voll ist von der Glorie Gottes.
Wer ist sie, die Glorie jener Erde?
Ist Sophia, denn es steht geschrieben:
Glorie ist das Eigentum der Weisen.
Darum heißt es auch: Gegrüßet seist du,
Glorie Gottes an dem ewigen Orte!
Wer ist Gottes Glorie? Hört ein Gleichnis:
War ein König einst, in dessen Kammern
War die Königin, an deren Schönheit
Aller Engel Scharen sich entzückten.
Königin und König hatten Söhne,
Jene Söhne aber kamen täglich,
Um den großen König anzuschauen,
Ihn zu grüßen und zu benedeien.
Sprachen sie zu ihm: Wo ist die Mutter?
Sprach der König: Ihr könnt sie nicht sehen.
Sprachen daraufhin der Mutter Söhne:
Mutter, Königin, gegrüßet seist du,
Wo du immer bist, geliebte Mutter!
Ist doch keiner da, der deinen Ort kennt.
Du bist so wie eine Königstochter,
Wie ein schönes Mädchen aus der Fremde,
Wußte keiner, wo sie hergekommen,
Doch sie sahen, daß das schöne Mädchen
War voll Anmut, Einsicht, Kraft und Sanftmut.
Sprachen drum die Menschen: Wahrlich, wahrlich,
Diese ist gekommen von dem Lichte,
Ist gekommen aus des Lichtes Seite,
Denn durch sie wird diese Welt erleuchtet.
Sprachen drum die Menschen: Woher bist du?
Sprach die Frau: Ich bin aus meinem Orte.
Sprachen da die Menschen: Ganz gewißlich
Selig sind die Leute deines Ortes,
Sei gegrüßt an deinem schönen Orte.


4

Wer kennt sie, die doppelte Sophia?
Zwei Äone der Sophia gibt es.
Steht die obere Sophia droben
In dem Himmel über allen Himmeln,
Geht die untere Sophia drunten
Als die lichte Jungfrau auf der Erde.
Denn Sophia ist die höchste Krone,
Offenbarung der verborgnen Gottheit,
Und Sophia ist das Reich der Himmel,
Heute schon auf Erden angebrochen.
Also ist Sophia schlichthin Weisheit,
Weisheit, Anbeginn der Wege Gottes.
Als der Herr dem Salomo die Weisheit
Gab ins Herz gemäß dem Traumgebete,
Machte Gott die obere Sophia
Wie die untere Sophia, also
Daß sie Salomo erfassen konnte.
Diese untere Sophia ist die
Königstochter, Salomos Vermählte.
Ist die obere Sophia Weisheit
Gottes, Anbeginn der Wege Gottes,
Ist die untere Sophia Weisheit
Salomos, Geschenk des Herrn, Vermählte.
Doch die mystische Sophia bräutlich
Nicht allein Vermählte Salomonis

Ist sie, ist auch Elohims Vermählte.
Elohim sprach also zu Sophia:
Komm, Geliebte, du sollst Salomonis
Freundin werden, Schwester, Braut, Vermählte.
Das ist die Sophia, welche droben
Ist im Brautgemach, der Himmel Himmel,
Elohim vertraut als Brautgenossin.
Sie wird Salomo mit Weisheit helfen,
Recht zu sprechen unter seinem Volke.
Denn sie liebt Gerechtigkeit und Rechtsspruch,
Die Gerechten liebt sie, flieht die Frevler.


5

Wer ist sie, des Lichtes Königstochter?
Ganz verborgen ist die Königstochter,
Doch erscheint sie in der Offenbarung.
Diese Königstochter ist wie Vollmond,
Ist die offenbare lichte Tochter.
Doch sie ist zugleich wie dunkler Neumond,
Die verborgne und geheime Tochter.
So die offenbare Königstochter
Ist die untere Sophia, welche
Ist die Königin, ist Matronitha,
Die die Königssöhne alle suchen.
Sie kam in die Welt, die Welt zur Wohnung
Nahm sie sich, die Welt zur dunklen Wohnung,
Sie stammt aber aus der Form des Lichtes.
Göttliche Bestimmung dieser Tochter
Ist es, in der dunklen Welt zu wirken
Und auf jene Stätte hinzuweisen,
Jenen Lichtort, welcher ihre Heimat.
Die genommen aus des Guten Seite,
Vom verborgnen guten Lichte Gottes,
Wird der untern Welt gezeigt als Midda,
Jungfrau Midda, Hypostase Gottes.
Diese Tochter, diese Jungfrau Midda,
Ist Sophia, Abglanz von dem Urlicht,
Wie es heißt im Brautlied der Sophia:
In ihr glänzt der lichte Strahl des Königs!


6

O die Herrscherin im Reich der Himmel
Ist die Weiblichkeit der Wohnung Gottes,
Die Einwohnung Gottes in dem Kosmos,
In Ecclesia, der auserwählten,
In den Freunden und Propheten Gottes.
Diese göttlichweibliche Erscheinung
Ist die Midda Gottes, Urzeit-Göttin,
Die Sophia mystischer Erkenntnis,
Ist die Mondin, Spiegelbild der Sonne,
Ist die Tochter Gottes, ist die Jungfrau,
Ist im Hieros Gamos Brautgenossin,
Ist die Lebensfrucht des Lebensbaumes.
Sie, Einwohnung Gottes, sie ist göttlich,
Göttliche Person, Präsenz der Gottheit.
Wer ihr beiwohnt, ist ein Liebling Gottes!


7

Da wo zwei und drei in Gottes Namen
In der Bibelschule sich versammeln,
Schechinah ist mitten unter ihnen.
Wie ist nun die Zahl der Schechinatha?
Ist es eine, sind es drei, sinds sieben?
Sinds Zehntausende, sinds Myriaden?
Eine ist die Schechinah, die Einheit
Gottes in der Schöpfungswelt bezeugend.
(Manichäer irrten im Gewimmel
Der Äonen und der Gnosis Ketzer
Irrten unter tausend Hypostasen.)
Eine ist die Schechinah, die Gottheit
Gegenwärtig in geschaffnen Welten.
Aber schauend ward ich und ich schaute
Schechinah im Körper in dem Himmel,
In dem Pneumakörper eines Menschen,
Und sie sprach ihr Wort zu Menschensöhnen:
Voller Fleiß im Studium der Weisheit,
Wird der Herr dich Fürsten zugesellen.


8

Der Ecclesia Idee, die Jungfrau
Gottes, ist die Königstochter Zion.
Aber sie ist nicht die Hure Babel.
Sie ist Gottes ehelich Vertraute,
Gott vertraut im ewigen Ehebunde,
Tochter, Braut und heilige Matrone.
Ihre Weiblichkeit ist unanstößig
In der Theologen reinen Augen,
Denn sie ist das Ideal der Menschheit.
Sie ist Mirjam, Gottes erster Liebling.


9

Du sollst überhaupt nicht Gott erschauen,
Wenn du ihm nicht nahst mit der Matrone.
Wenn du der Matrone Antlitz schautest,
Sahst sie an des Feiertages Ruhe,
Dann bring Gott dem Herrn ein Lobpreisopfer.
Sie, die schöne Braut des Hohen Liedes,
Ist das Feld, in welches Gott gesät hat,
Und ist das Gefäß, gefüllt mit Ur-Kraft.
Ja, die Glorie Gottes gleicht dem Felde,
Welches liegt an einem schönen Garten,
Wird aus einem hohen Ort befruchtet,
Wenn auch alles eins ist, eins und alles.
Diese Braut ist Kelch der Ganzhingabe,
Aber auch das Mutterherz der Gottheit.
Er, der König, ist in den Gemächern,
Heimlich in den inneren Gemächern.
War ein Weg zu jedem der Gemächer.
Ziemt es nun sich für den reinen König,
Jedermann auf diesen seinen Wegen
In das innerste Gemach zu führen?
Aber ziemt es sich für solchen König,
Perlen, Edelsteine und Juwelen,
Seine Schätze allen zu verbergen?
Darum nahm nun Gott der Herr die Tochter,
Und in ihrem Leib und ihren Kleidern
Faßte er die Wege all zusammen
Zu dem einen wahren Weg der Wege.
Wer das Innerste betreten möchte,
Der anschaue nur die Tochter Gottes.
Gott der Herr nennt sie in seiner Liebe
Meine Tochter oder meine Schwester,
Meine Mutter (wahrlich, Gottes Mutter)!


10

Sieh, der König hatte eine Tochter,
Gut und schön, anmutig und vollkommen,
Die vertraute er dem Sohn des Königs.
Und er gab ihr Kleider, Schmuck und Krone,
Gab die reiche Braut dem Königssohne.
Kann der König ohne seine Tochter
Leben, kann er fern der Tochter leben?
Kann er bei ihr sein zu jeder Stunde?
Zwischen sich und ihr macht er ein Fenster,
Immer wenn die Tochter braucht den König
Oder wenn der König braucht die Tochter,
Kamen sie zusammen an dem Fenster.
Ja, der König baute seiner Tochter
Einen heiligen Palast und Tempel
Und er sprach: Wer beiwohnt meiner Tochter,
Ist im Inneren des großen Königs.
Diese Tochter gleicht der schönen Aue
Außerhalb des innern Liebesgartens,
Doch mit aller Schönheit in dem Garten
Ist die Aue innerlich verbunden.
So vom Jenseits wandelte die Tochter
In das Diesseits. Droben heißt sie Glorie
Gottes, aber drunten Herz des Himmels.
Sie ist Schutzfrau aller Auserwählten.
Stammend aus der reinen Form des Urlichts,
Läßt sie sich auf den Gerechten nieder.
Welcher König trägt den Namen Gottes,
Diesem wird vermählt die Königstochter.
So vermählt der König seine Tochter,
Sprechend zu dem Brautgemahl der Tochter:
Tu mit ihr nach deinem Herzverlangen!
Die Geliebte ist die Paradiesfrucht,
Die gespaltne Dattel an dem Palmstamm.
Wer sie je erkennt, der ist im Himmel,
Der taucht droben in das Meer Sophias.
Die von Israel verworfne Perle,
Die Geliebte gibt sich dort dem Gatten.



ABENDLÄNDISCHE MYSTIK


1

Gepriesen die Jungfräulichkeit,
Jungfräuliche Enthaltsamkeit,
Die höher als die Ehe steht.
Die Jungfrau lebt allein für Gott.

Die neuplatonische Sophie
Und der Asketen Geistigkeit
Vereinen sich zum mystischen
Urchristentum in Gottes Geist.

Die reine Bibelfrömmigkeit
Und neuplatonische Sophie
Vereinen zur asketischen
Hingabe an den Christus sich.

Der Mensch wird dann ermächtigt erst,
Zu schauen göttliche Natur
Im eignen tiefsten Seelenkern,
Wenn er purgiert, geläutert ist.

Im Menschen lebt ja die Begier,
Zu schaun das Höchste Gute an.
Erreichbar ist das Höchste Gut.
Im Menschen selber liegt die Norm,

Die Göttliches erfassen läßt.
Als Gott den Menschen nämlich schuf,
Prägt er der menschlichen Natur
Das Ebenbildnis Gottes ein.

Wie Mose stieg, der Gottesmann,
Hinan zum Gipfel Sinai,
So steigt der Mensch zu Gott hinan.
Jenseitig ist der Gottheit Sein.

Die Gottheit in der Wolke wohnt,
Ist über der Erkenntnis fern,
Ist unbegreiflich. Niemand sah
Die Gottheit, nie sah sie ein Mensch.

Verhüllt in dunkler Wolke Gott,
Verborgne Gottheit, offenbar
Ward sie in Christus, Gottes Bild,
Der Christusmystik Urbegriff.

Verzehrt die Seele sich nach Gott,
Verzehrt vor Liebe sich die Braut,
Ist Christus Freund und Bräutigam,
Ein leidenschaftlich Liebender!

Der Seher in der Wolke bleibt,
Nichtwissens Wolke. Aber Gott
Im Seelenspiegel wird geschaut,
Ist nur die Seele erst purgiert.

Teilhabe an der Gottheit ist
Der Seele Leidenschaftsbegehr.
Die Sehnsucht bleibt, denn Gott ist groß,
Unendlich, unfaßbar ist Gott.

Die Schau im innern Seelenkern,
Verborgner Gottheit dunkle Schau,
Teilhabe an der Gottheit ists.
Die Weisheit wohnt der Seele ein.


2

Geist, steige auf den Gottesberg!
Bekehre dich und gib dich hin,
Du wirst gewürdigt werden der
Einsprache durch den Heiligen Geist.

Erlange erst die Apathie,
Frau Weisheit rein von Leidenschaft,
Dann strebe nach der geistigen
Erkenntnis der Dreieinigkeit.

Erkennen wird allein den Herrn,
Wer lebt das göttliche Gebot
Der Ganzhingabe an den Herrn
Und wer die Nächstenliebe übt.

Erfahrung seiner Sinne wird
Von Gottesliebe überhöht
Zu der Erkenntnis in dem Geist
Durch intuitive Gottesschau.

Der Seele Spiegelbild sei licht,
Gereinigt sei zur Gottesschau,
Dann betet Gott in dir als Geist
Gebete reiner Kontemplation.

Wer aber wahrlich sagen kann:
Ich habe Gott den Herrn geschmeckt!
Der spreche als ein Mystagog
Zu Seelen seiner Weisheit Wort.

Doch Wachen, Fasten, Demut, Psalm
Und gute Werke nutzlos sind,
Wenn du nicht Gott den Herrn geschmeckt,
Die Milch aus seiner Mutterbrust...

Hygiene sei gebendeit:
Sei immer dein Gedanke still,
Laß ab vom Heidenplappern, sprich
Allein den Namen Jesus aus!


3

Wenn wir zu Jesus Christus schaun,
Urgöttlich seliglichem Licht,
Und steigen wir dann möglichst hoch
Die Stufen zu der Gottesschau,

Dann werden wir erleuchtet sein
Von geistiger Erkenntnis Licht.
Wir treten nicht nur selber ein,
Wir führen Andre auch zum Licht.

Wir werden dann zur Lichtgestalt
Und lösen in den Andern los
Die eigne innre Lichtgestalt
Und sind gesalbt von Gottes Geist.

So steige du zu Gott hinan,
Der Gipfel aber ist nicht Licht,
Der Gipfel ist die Dunkelheit
Und tief vertraute Schweigsamkeit.

Dreifaltigkeit, o einig Ein,
Du Über-Gottheit, mehr als gut,
Du Wächterin der Theosophie,
Führ uns zum mystisch dunklen Wort,

Wo heilige Mysterien
Der Gottesweisheit offenbar
Und wo des Schweigens Dunkelheit
Erleuchtet tief der Wahrheit Reich.

Im Schweigen werden offenbar
Geheimnisse der dunklen Nacht.
O dunkle Nacht der Schweigsamkeit,
Du schöner als die Schönheit selbst!

So kehre in dein Innres ein
Und werd dein selber inne, Herz,
Und steige über die Idee
Der Schönheit noch hinan zu Gott!

Wem Gottes Liebe gnädig ist,
Der wird gelangen in der Nacht
Bis an die Schwelle des Gemachs,
Gottmenschlicher Verschmelzung Schoß.

Erst wenn du nackt von allem bist
Und zogst auch aus dein eignes Ich,
Hingebungsvoll ekstatisch wirst
Du eingehn in die Dunkelheit,

Gehst ein der Dunkelheit des Lichts,
Urgottheit einst ergoß das Licht,
Wirst in der Gottheit du ein Nichts,
Von allem Wesen nackt, in Gott.

Urgottheit in der Finsternis,
Der Weise ist vor dir ein Narr,
Und schaut er Gottes Angesicht,
Bleibt Gott doch ewig unerkannt.

Der Weise aber wahrlich weiß
Kraft seiner Torheit dies von Gott,
Daß Gottheit unerkennbar ist
Und alle Weisheit wahrlich nichts!

Und doch die geistige Natur,
Der Mensch, hat an der Gottheit teil
Durch Weisheit, Sein und Gnadenhuld,
Denn Gottheit schenkt sich frei aus Huld.

Agape wird dich leiten, Mensch,
Agape sei dir Führerin!
Zur wahren Gnosis du gelangst,
Gehst du auf der Agape Weg!

Agape singt ihr Hohes Lied,
Agape wählt sich zum Symbol
Den Eros Gottes offenbar,
Ist Gott der Herr dein Bräutigam!


4

Die Mutter in der Agonie
Nun bei dem Sohn und Christen war.
Der Mutter allerletztes Wort
Wird nun gesprochen zu dem Sohn.

Wir sprachen also schön allein,
Vergaßen alles, innig süß,
Da fragten wir im Angesicht
Der Wahrheit nach der Ewigkeit.

Wir fragten, wie das Leben sei
Der Geister in Glückseligkeit.
Voll heißer Inbrunst flogen wir
Zum einen wesenhaften Sein,

Ja, stufenweise durch die Welt,
Die Körperwelt, das Himmelreich.
Zurück die Erde blieb, der Mensch.
Vorm innern Auge aber stand

Sophia, Eine, Ewige,
Unwandelbare, Göttliche!
Die Mutter und der Sohn und Christ,
Sie wurden angerührt vom Geist,

Von einer holden Geistperson,
Bisher aus Schriften nur bekannt,
Doch nie in ihrer Existenz
Ergriffen sie von ihr bisher.

Dieweil wir sprachen so vom Tod
Und von Sophia bei dem Herrn,
Voll Sehnsucht nach Sophia, da
Liebkoste Sie die Seelen uns!


5

Wer naht sich der Vollkommenheit,
Dem wird erscheinen Gott der Herr
Nicht mehr gestaltlos, einig Ein,
Ein Überwesen, absolut,

Gott kommen wird dann in Gestalt,
In einer göttlichen Gestalt,
Erscheint nicht nur in einem Bild,
Nicht nur in Abglanz, Schatten, Spur,

Vielmehr in seiner Einfachheit,
Gebildet durch das reine Licht,
Das unaussprechlich lieblich ist,
Davor versagen Wort und Lied.

Er bietet sich den Blicken dar,
Erkennbar ist er, deutlich, klar,
Er spricht in einem stillen Hauch
Und hört das innere Gebet.

Er ist die Gottheit von Natur,
Der er zu Gnadengöttern spricht
Und spricht zu Gnadengöttinnen,
Gottheiten, welche Gott gemacht.

Er spricht mit ihnen wie ein Freund
Und ein verliebter Bräutigam,
Von Angesicht zu Angesicht
Mit seiner Freundin, die er liebt.

Der Geist wird seinen Freunden dann
Die wahre Heimat, Himmelsruh,
Wird Purpurperle, Samenkeim,
Wird Wasser und wird Feuer sein,

Wird Speise und wird Lebensquell
Und Ruheort und Brautgemach.
Gott ist der Bräutigam, der Freund,
Der liebe väterliche Freund.

Unsagbares, wer spricht es aus?
Wer aber Gott den Herrn geschaut
Von Angesicht zu Angesicht,
Der singt nur noch der Liebe Lied.


6

Der Dichter wird zum Seher auch,
Begleitet ihn der Philosoph,
Den göttliche Sophia schickt
Zum steilen Weg hinan zu Gott.

Wohl muß er durch die Hölle selbst,
Durchs Fegefeuer muß er auch.
Da scheidet er, der Philosoph,
Die göttliche Sophia kommt.

Am Ort der Buße Tränen sind,
Die göttliche Sophia mahnt,
Der Narrenweisheit dieser Welt
Ging allzulang der Dichter nach.

Die göttliche Sophia strahlt
In ihrer Himmelsschönheit auf
Und trägt den Dichter Arm in Arm
Süß lächelnd durch das Paradies.

Der Doctor Marianus preist,
Der Doctor Caritatis preist
Maria, Rosa Mystica,
Da schaut der Geist die Schau von Gott:

Wie Licht von Licht in Licht sich schlingt
Und in dem Licht ein Angesicht,
Der Gottmensch strahlend stand vorm Geist,
Der preist die Liebe: Sie ist Gott!


7

Mein Herz, das Herz der Freundes, schwang
Sich auf zu des Geliebten Höh,
Damit sein Lieben nicht beengt
Vom Pfuhle dieser Erde sei.

Des Freundes Herz zum Liebling kam
Und schaute ihn in süßem Glück.
Doch der Geliebte schickte mich
Zur Welt zurück, zum Sehnsuchtsleid.

Der Freund sprach zum Geliebten so:
Du bist mein Ein-und-Alles, Sein,
In allem du, mit allen du,
Ich will dich ganz und dich allein.

Sprach der Geliebte zu dem Freund:
Ich werde ganz dein eigen sein,
Wenn du dich ganz allein mir schenkst.
Der Freund sprach: Ich bin dein allein.

Und der Geliebte sprach: Was bleibt
Für deine Freundinnen, mein Freund,
Und für die lieben Kinderlein?
Der Freund sprach: Sei in allen du!


8

Ich forschte in der Heiligen Schrift
Und hab gefunden und erkannt,
Daß Gottesliebe dreifach ist:
Ist Glut, ist Liebeslied, ist Lust!

Das ist der Gottesliebe Glut,
Wenn von der Liebe ist ein Geist
Entflammt und liebevoll das Herz
Der Gottesliebe Glut erfährt.

Ein Herz, das Feuerflamme wird,
Das fühlt der Liebe weiße Glut.
Der Liebe rotes Feuer wird
Der Gottesliebe weiße Glut.

Das Liebeslied ist aber das,
Wenn eine Seele voll Gesang
Des Geistes der Lobpreisungen
Und all sein Glaube Harmonie.

Die Liebe, überströmende
All-Liebe Gottes ist Gesang,
Der rauschend in die Seele strömt,
Weltharmonie in Gottes Geist.

Doch Liebesglut und Liebeslied
Erfährst du nicht im Müßiggang,
In Ganzhingabe nur an Gott,
Dann wird das Höchste dir: die Lust!


9

Ist in der Gottheit Trinität:
Ist Vaterschaft im einig Ein,
Ist im Messias Mutterschaft,
Ist Herrschaft in dem Heiligen Geist.

Allmächtiger ist Gott der Herr,
Der Vater gab uns das Gesetz,
Der Richter aller Toten er
Und Richter aller Lebenden.

In Jesus ist die Mutterschaft
Des neugebornen Gläubigen,
In Jesus neugeboren ist
Der Mensch ein Kind der Mutter Gott.

Der Geist, der Heilige, ist Herr.
In Treue und Gehorsam sei
Und Liebe ganz ergeben sei
Dem gnadenvollen Herrn der Mensch.

Ja, wahrlich, wie die Mutter ist
Zu einer Tochter, einem Sohn,
Wie eine Mutter ist zum Kind,
So ist zu mir in Jesus Gott.


10

Es geht die Allerliebste nun
Zum Allerschönsten ins Gemach,
Die Kammer seiner Göttlichkeit,
Und findet dort der Liebe Bett

Bereit der Seele und dem Gott.
Der Herr spricht: Komm, geliebte Frau,
O Seele, und erhebe dich.
Spricht Psyche: Was gebietest du?

Spricht er: Du sollst vollendet sein.
Spricht sie: Wie soll mir das geschehn?
Frau Seele, du bist also schon
Von meiner heiligen Natur,

Nichts zwischen dir und mir hat Raum,
War nie ein Engel je so schön,
Daß ihm ward einen Augenblick,
Was dir wird eine Ewigkeit.

Drum leg die Tugend von dir ab
Und lege ab die Furcht und Scham.
Nur die der innersten Natur,
Die Reinheit sei allein dein Kleid.

Dies Kleid der innersten Natur
Ist nichts als Sehnsucht und Begehr,
Die ich dir auch befriedigen
In meiner Ganzhingabe will.

Die Seele spricht: Nun bin ich nackt
Und du ein Gott in Herrlichkeit
Und unsere Vereinigung
Ist ewig schöner Liebe Lust!

Und da erfüllt sich beider Wunsch.
Da ist es um sie beide still.
Er gibt sich ihr, sie gibt sich ihm.
Sie weiß, wie ihr geschehen ist.


11

Es spricht der Herr: Erkennst du nicht
Dies dein verborgnes Himmelreich?
Umfing dich liebevoll das Reich
Und hat dir oft den Weg verstellt,

Wenn du zu fremder Minne gingst,
Bis dich die wahre Minne nun
Gewonnen für sich selber hat,
Zu der du auch berufen bist.

Nun tu die innern Augen auf
Und siehe, wer ich bin, spricht Gott.
Ich bin Sophia, göttliche
Sophia, ewig eine Frau

Sophia, die in Ewigkeit
Ich in der Providentia
Dich auserwählt für mich allein,
Bin Frau dir, du mein Ehemann!


12

Nicht durch den Scharfsinn der Vernunft
Und Streben unsrer Forschungen
Erlangen wir den wahren Grund
Der Gnosis, der pneumatischen.

Die Forschung fängt im Hunger an,
Der Seele Hunger nach dem Licht.
Vernunft erkennt astralische
Weltkörper voll der Weltvernunft.

Die Seele forscht in ihrem Stern,
In ihrem geistgehauchten Reich,
Studiert die innerliche Welt,
In der sie ruht mit ihrem Grund.

Dort ist die theosophische
Pfingstschule, wo die Seele lernt,
Was Gott ihr alles beigebracht
Von Weisheit aus dem Lebensbuch.

Die Bibel in dem Seelengrund
Muß jeder Geist studieren selbst.
Kein Andrer lehrt die Weisheit ihn,
Der Rabbi ist der Herr allein.


13

Die Mystik ist geheimnisvoll
Verborgene Erkenntnis, die
In dem verborgnen reinen Sinn
Ereignet sich geheimnisvoll.

Die Seele heimlich Umgang hat
Mit dem geheimen Bräutigam.
Das weiß kein Weiser dieser Welt,
Wie sie, die Gott-Sophia, wirkt.

Die Ischa Chochmah ist die Braut,
Die sich erwählte Salomo,
Sie ist die Minnedame, ist
Der Christus, welcher auferstand.

Eh nun ein Mensch zur Neugeburt
Im Mutterschoß von Heilig Geist
Gelangt ist, wird er kennen nicht
Der Gottesliebe Brünstigkeit.

Der Schöpfer durch den Menschensohn
Im Geist der Liebe brennt vor Glut,
Das spürt nur ein bekehrtes Herz,
Gereinigt durch die Kreuzigung...

Wenn aber diese Neugeburt
Geschehen ist in Heilig Geist,
Der Feuerstrom der Liebeskraft
Aus Gott strömt in den Menschengeist.

Den engelgleichen Brüdern sagt
Der Geist der Weisheit dies Gesetz:
Laß von der Erden-Eva ab
Und nimm die Himmels-Frau Sophie!



TEUTONISCHE PROPHETIE


1

Ich sah Sophie, ich sah ihr schönes Handeln
Im Kosmos und ihr in der Menschheit Wandeln.
Sie trug die schönste goldne Tunika,
Sie trug der Schönheit Krone, die war da
Wie Sternenhimmel vor verliebten Seelen,
Die Stola war durchwoben mit Juwelen,
Juwelen ihrer königlichen Würde.
Das Fundament des Kosmos trug als Bürde
Die sieben Säulen ihres Hauses. Nur
Erstaunen vor der göttlichen Natur
Kann ich, vor ihr, die schrecklich ist und mild
Zu jeder Kreatur. Ich sah ihr Bild,
Das Auge des Verstandes floh davon,
Als ich Sophie erschaut in der Vision,
Erblindet bin ich vor der Herrin Schoß,
Der liegt allein vor Gott dem Schöpfer bloß,
Der alle die Geheimnisse der Braut
Wie eine offenbare Klarheit schaut.
Sophie, sie ist die Schöpferin der Welt,
Die Herrin, die das All in Händen hält.
Sie faltet ihre Hände vor der Brust,
Sie ist sich ihrer Schönheit Macht bewußt,
Sie fesselt die Geschöpfe, die sie lenkt,
Indem sie Liebe, Schönheit, Klugheit schenkt.
Kann niemand widerstehen solcher Frau,
Ich schaute ihre Brust in frommer Schau.
Als königliche Ehefrau genießt
Sie Gottes Brautgemach, wo er sie grüßt.
Sie selbst erstrahlt als Schmuckstück, Morgenstern,
Am hohen Busen Gottes, meines Herrn.
Mit Gott in liebender Umarmung sie
Ist in des Liebestanzes Harmonie
In göttlicher Erotik, wie im Thron
Personen in der mystischen Union.


2

Befreundet sind die Weisheit und die Liebe,
Sind beide gleichsam Gottes Seelentriebe.
Sophie, die schönste Freundin Gottes, Charme
Entzückt ihn, legt er um sie seinen Arm
Und sie umarmt in heißer Wollust Wallen,
Sophie hat Gott dem Ewigen gefallen.
Sophie ist immer bei dem Herrn, der Hirt
Stets sie mit Lammesaugen anschaun wird.
Die Karitas spricht nun in der Vision:
Ich bin die liebe Freundin an dem Thron
Des Ewigen und seine Augenweide.
Er sagt mir immer, wie er sich entscheide.
Das königliche Brautgemach ist mein,
Mein Eigentum ist alles, was ist sein.
Die Karitas voll göttlichem Genuß
Dem Herrn und König gibt den Friedenskuß.
So küsst euch alle auf der Erde lieb,
Wie Gott und Karitas im Archetyp.


3

Ich sah die reine klare Lebensquelle,
Den Lebensbrunnen, draus des Wassers Welle
Geflossen ist hinab auf Weltenhügel
Und war so rein wie ewiger Vorsicht Spiegel.
Die Quelle war die göttliche Vernunft,
Aus ihr erquoll voll Inbrunst, voller Brunft,
Die Seele aller Welt. Der Seher preist
Sie als die große Mutter, Heilig Geist.
Nun sah ich eine südliche Region.
Drei Frauen waren da. Und zwei davon
Am Lebensbrunnen standen, reich an Leben,
Von Felsen und von Steinen rings umgeben.
Der einen Frau Gewand war nachtschwarz ganz,
Der andern Frau Gewand von weißem Glanz.
Die dritte Frau war oberhalb der Quelle,
Wie aufgetaucht aus reinen Wassers Welle,
Ihr süßes Kleid war rot wie Purpurrosen.
Das Angesicht der reinen makellosen
Geliebten war wie Milch und junger Schnee.
Noch bin ich blind, wenn ich sie strahlen seh,
Wie Karitas geschaut so lustvoll schicklich,
Geworden ist durch sie die Seele glücklich!


4

Ich wahrlich sah in reiner Geistesschau
Im wachen Körper eine Gottheit-Frau,
Ein unaussprechlich schönes Mädchen, Licht
Von Gloria umgab ihr Angesicht.
Vor solcher Herrlichkeit der Gottheit-Frau
Ich wagte kaum zu schauen meine Schau.
Sie trug ein Kleid wie Licht und junger Schnee.
Ich Myriaden Sonnen strahlen seh.
Die bloßen Füße waren lieblich, hold,
Die himmlischen Sandalen ganz wie Gold.
In ihren Armen hielt sie voller Wonne
Die Luna-Mondin und die Phöbus-Sonne.
Vor ihrem Busen – oh der Wonne mein –
Trug eine Tafel sie von Elfenbein,
Drauf sah den Neuen Adam ich, sah Ihn,
Der wie ein Lapislazuli erschien.
Die Schöpfung dieser Welt, die arme Närrin,
Die Gottheit Karitas lobpries als Herrin.
Und Karitas sprach voller Leidenschaft
Zum Neuen Adam: Dein ist Reich und Kraft
Und Herrlichkeit in Ewigkeit des Herrn,
Denn ich gebar dich vor dem Morgenstern!


5

Sophie ist unbewegt nicht, der Bewegung
Bewegende, in innerster Erregung
Erschafft den Kosmos sie, den Weltenlenz,
Durch ihre Gegenwart und Existenz.

Allgegenwart erotischer Erregung
Erregt Maßlosigkeit der Allbewegung.
O Kraft der Frau Sophie, die du umfaßt
Den Kosmos, den du heiß umfangen hast,
Umschlangest ihn mit deiner Flügel Schwere
In einer freien liebevollen Sphäre.
Ein Flügel der Sophie fliegt in die Höhe,
Ein Flügel zelebriert die Erden-Ehe
Mit Blut und Schweiß und Tränen reichen Schwalles,
Ihr dritter Flügel ist das Ein-und-Alles.


6

Sophie ist eine Manifestation
Der Gegenwart der Gottheit in dem Thron
Des Kosmos, denn Sophie ist Ich-bin-da.
In Israel heißt sie die Schechinah.
Sie ist der Heilige Geist so muttermild,
Die Ruach, die das ganze All erfüllt,
Den Heiden ist sie Göttin der Natur.
So wie der Dichter-Weise sie erfuhr,
Ist sie die Lebenskraft, die Geisteskraft,
Die neues Leben in der Seele schafft.
Sophie spricht leis, die Worte süß wie Duft:
Ich bin der reine Äther, bin die Luft,
Die alles wachsend grüne Leben nährt,
Aus Blüten zu den Früchten hin begehrt.
Die Atemzüge Gottes sind vertraut
Der hingehauchten äthergleichen Braut.
Ich aber gieße reiche Ströme aus,
Aus Seufzern mache ich der Tränen Braus,
Aus Seufzertränen mach ich süßen Duft.
Ich bin ein Hauch, bin Liebe in der Luft.


7

Ich bin die höchste feuervolle Kraft,
Die Funken zündet voller Leidenschaft,
Und niemals ausgehaucht hab ich den Tod.
Das Sein erzeugte ich im Morgenrot.
Ich habe einen hohen Himmelskreis
Umkreist in der Vernunft, mit der ich weiß.
Ich habe unterschieden Tag und Nacht
Und reine Ordnung in die Welt gebracht.
Ich bin die feuerreiche Lebenskraft
Von Gottnatur und voller Leidenschaft
Und flamme übers Schönsein grüner Felder
Und strahle auf im Dom der dunklen Wälder,
Ich schimmere im Wald im stillen Teiche,
Ich glühe in dem Licht im Himmelreiche
Und leuchte hell in Ferne über Ferne,
Bin Glut von Mond und Sonne, Glanz der Sterne.
Mit Winden treib ich alles lebensvoll
Als unsichtbare Kraft, von Leben schwoll
Der Busen mir, der alles Sein der Welt
Am Feuer meiner Mutterbrust erhält.
Die Luft lebt nämlich in dem frischen Grün
Und in den Frühlingsblüten, welche blühn,
Gewässer fluten, lebensvoll ihr Schwall,
Es lebt in seinem Licht der Sonnenball,
Wenn man Diana schlank als Sichel findet,
Wird sie vom Sonnenlichte neu entzündet,
Daß gleichsam sie von neuem leuchtend lebt,
Das Sternreich auch an meinem Busen bebt.


8

Ich sah Sophie in feiner weißer Seide,
Der Leib von Jade eine Augenweide,
Der Umhang grün, bestickt mit goldnen Sternen,
Wie goldne Glocken, gleich Granatfruchtkernen.
Sie war verschwenderisch in Prunk und Pracht,
Der Goldschmuck schön an ihren Brüsten lacht.
Das Grün, das ist Sophie in ihrer Kraft
Der Allvernunft, die alles Leben schafft.
Das Weiß der feinen Seide, wie sie fließe,
Das Fleisch Sophiens zeigt, das mannasüße.
Die goldnen Sterne, Galaxienspur,
Sie zeigen, wie der Herrin folgt Natur.
Das Sein der Wesen ist in Frau Sophie
Ein einzigartig schöner Schmuck, den sie
Als Herrlichkeit der eignen Seele trägt.
Der Fromme, den sie an die Brüste legt,
Der Weise, der Sophie allein sich weiht,
Der ist wie das gehauchte Ätherkleid.
Er ist ein grüner Sternenmantel, Tugend
Erwirkt Sophie im Weisen, zweite Jugend.
Sie ist die Weberin der Lebensfäden,
Ihr Teppich ist der grüne Garten Eden.


9

Das Angesicht der Gottheit-Weiblichkeit
Ist der verborgnen Gottheit Strahlenkleid.
Weib Weisheit im natürlichen Gewand
Verborgen in Natur gehüllt ich fand.
Der transparente Hauch, der Schleier Tanz,
Ein Lichtkleid um des lichten Leibes Glanz.




SELBSTLOB DER HAGIA SOPHIA


1

Mein Sohn, die Seele ist unsterblich, weißt
Du das, so flieht von dir das zage Bangen.
Gott hat in Ewigkeit in seinem Geist
Geliebt die Seele, die du dann empfangen.

Der Herr ist grenzenlos und ohne Schranken,
Die Wesen alle sind in Gottes Hand.
Gott hat in seinen ewigen Gedanken
Die Seele dein vor aller Zeit erkannt.

Gott nicht erkennt dein Seelchen, weil es ist
Geworden als Geschöpf in Wirklichkeit,
Die Seelen alle wurden, daß ihrs wißt,
Weil Gott erkannte sie in Ewigkeit.

Drum, liebe Seele, sei nicht mehr betrübt,
Sag zu der Seele Kummer: Geh nun, geh!
Du, Seele, bist von Ewigkeit geliebt,
Unsterblich du als göttliche Idee.

Geliebt von Gott, so brauchst du nicht zu bangen,
Die Liebe Gottes sei dein Seelenfrieden.
Nun wurdest du im Mutterschoß empfangen
Und lebst die ernste Prüfungszeit hienieden.


2

Wo lernst du Gottes Sapientia,
Sie, die allein besiegt des Teufels Übel?
Du lernst sie in der reinen Maid Torah,
Du lernst allein sie in der ganzen Bibel.

Was ist die Bibel denn als Gottes Wort,
Als Gottes Offenbarung, Gottes Namen?
Vor aller Schöpfung las der Herr schon dort
Vom lebensschöpferischen Weisheitssamen.

Die Bibel, die die Gottesweisheit feiert,
Die Weisheit, die Erlöserin von Sünden,
Die Bibel ist ein Mädchen, das verschleiert,
Du nun sollst ihr Geheimnis tief ergründen.

Du sollst die Jungfrau in den sieben Schleiern
Erforschen, ob du schaust ihr Angesicht,
Du sollst mit ihr den Namen Gottes feiern,
Gott Ich-bin-da preist dieses Weltgedicht.

Das Wort sei deine Speise an dem Morgen,
Die Weisheit deine Speise an dem Abend.
Wie Wein verscheucht die Weisheit alle Sorgen,
Wie Rotwein ist das Gotteswort erlabend.

Frau Weisheit, die im reinen Linnentuch
Verschleiert ist wie mit der Haut der Zwiebel,
Sie schläft gebettet in der Bücher Buch,
Sie wohnt in jedem Jota in der Bibel.

Wie Biblia sollst du den Namen nennen,
Ist jedes andre Buch nur wie ein Schatte,
Du sollst Frau Biblia als Mann erkennen
Und werden so der Gottesweisheit Gatte.


3

Wenn du dich Gott vereinigst im Gebet
Und opferst der Gebete Opferlamm,
Wirst du ein Gottesmann, der aufrecht steht,
Der Gottesweisheit freier Bräutigam.

Was will die Weisheit aber von dem Gatten?
Sie will ihn immer im Gebete freien,
Sie will, du sollst die Menschen, Gottes Schatten,
Stets im Gebete Gott dem Heiland weihen.

Die Liebe Gottes sollst du heiß beschwören,
Sollst sein ihr Pilger, barfuß, ohne Schuhe.
Frau Weisheit will dich immerdar betören,
Frau Weisheit sei dir deine Seelenruhe.

Frau Weisheit sei allein dein Seelenfrieden,
Sie, die dich auserwählt zum Beter, weil
Sie liebt dich sehr und will, daß du hienieden
Ihr Ritter seist um aller Seelen Heil.


4

So wisse, wessen Seele nicht bei Gott,
Wes Seele nicht bei Gott im Seelenfunken,
Der ist sich selber fremd, sich selbst ein Spott,
In Eitelkeit und Nichtigkeit versunken.

Wer nach vergänglich eitlen Dingen strebt,
Nach Ruhm und Schönheit oder Macht und Geld,
Ist tot in seiner Seele. Doch es lebt,
Wenn Gottes Geist herrscht in der Seelenwelt.

Wer in die eigne Seele steigt hinab
Und findet Gott im tiefsten Seelenkern,
Wird auferstehen aus dem Daseinsgrab
Und leben in der Liebe seines Herrn.

Wer seine Seele in dem Herrn versenkt
Und gibt die Seele hin an Gott den Herrn,
Dem wird von Gott die Seele erst geschenkt,
Die Seele mit dem Herrn im Seelenkern.

Drum Gott zu suchen in dem Innern wähle
Und du wirst nicht zuschanden und zuspott.
Die Gottheit ist die Seele deiner Seele,
Vergöttlicht deine Seele wird in Gott!


5

Wer mit der Weisheit Gottes sich vereinigt,
Der wird durch meine Liebe ewig leben
Und von der Liebe Feuersglut gereinigt
Hinan ins Paradies der Liebe schweben!

Die Seele lebt nur einmal ihre Frist
Und tritt vor Gott dann zu Gerichtes Spruch.
Die Seele, die der Weisheit inne ist,
Die steht geschrieben in des Lebens Buch.

In Ewigkeit war jede Seele, als
Idee, der Weisheit Gottes eingeboren.
Doch ging sie durch den Fluch des Sündenfalls
Im Jammer dieser Todeswelt verloren.

Wer aber Gottes Weisheit sich erlesen,
Daß er die Weisheit als der Seele Reim hat,
Aus Gnade kehrt er als erlöstes Wesen
In Gottes Mutterschoß, der Seele Heimat!


6

Was will die Hagia Sophia denn
Von ihren Minnern? Die Gelassenheit!
Sie sollen frei von den Geschaffenen
Anbeten nur das Herz der Ewigkeit!

Sie sollen nicht wie Götzendiener hassen
Den Schöpfer aller Erdenkreatur.
Sie sollen selig sein, im Geist gelassen
Verehren nur die göttliche Natur!

Gott sei allein ihr Trost in allem Leide,
Nichts nütze ist der Menschenkinder Trösten,
Gott ist allein in allem Leiden Freude,
Das Glück des Seelengipfels der Erlösten.

Ob du gepeinigt wirst an Leib und Seele
Und Satan zupft an deines Rockes Zipfel,
Erkenntnis deines Gottes nie dir fehle,
Der Geist frohlocke auf dem Seelengipfel!

Ob du auch gleich nur mit der Zähne Haut
Davonkommst, schauerlich Verwesung naht,
Frohlocke Gott dem Herrn als Seelenbraut
Und jauchze in dem Geist Magnifikat!


7

Doch mehr noch will Sophia, daß in Freuden
Du immer wieder einkehrst in den Herrn
Und dich verbirgst, wenn stürmen an die Leiden,
In deiner Gottesburg im Seelenkern.

Sechs Kammern hat die Seelenburg im Herzen,
Gebete öffnen dir die Pforten, bis
Die siebte Kammer, tiefer als die Schmerzen,
Dich bräutlich lockt in Gottes Finsternis.

Wenn du in Gottes Finsternis gedrungen
In deinem siebenten Gemach, die Nähe
Des Herrn erfährst du in Vereinigungen
Mit deiner Seele in der Gottes-Ehe.

Doch daß du in der Seele Brautgemach
Einkehren kannst, laß nimmer an dir haften
Den Zorn und die Begierde, diese, ach,
Verderblich sind dir diese Leidenschaften.


8

Wie in dem Mutterschoß die Kinder leben,
So leben die Glückseligen in Gott,
In Gott sie leben und in Gott sie weben,
So Gott ist ihre Mutter, ohne Spott.

Der Weise aber in der Andacht schaut,
Der Schriftgelehrte in dem Studium,
Frau Weisheit als die angetraute Braut,
In Liebe einig im Mysterium.

Dem Weisheitsfreunde Weisheit kommt von oben
Und macht sich offenbar intimer Nähe
Und führt ihn nach dem geistlichen Verloben
In die Vereinigung der Weisheits-Ehe.


9

Marien Kindlein auf Marien Schoß
Lehrt dich die Gottesfrömmigkeit hienieden.
Vertraue dich dem Kind Mariens bloß,
Dann wirst du finden deinen Seelenfrieden.

Du wirst dem Kind Mariens ähnlich, gleich,
Ein anderes Marienkind hienieden,
Du ruhst dann an Marien Brüsten reich,
Gestillter Säugling voller Seelenfrieden.


10

In deinem Hirn sind Sorgen, Ängste, Schmerzen,
Ist Drangsal, Trübsinn, wie das alles heißt.
Zieh du herab ins Herz in deinem Herzen,
Aus deinem Hirn ins Herz zieh deinen Geist.

Dann spüre du dein Herz lebendig pochen,
Fühl du den Puls, das Blut im Herzen spielen,
Die Pulse sind geflogen, sind gekrochen,
Du sollst den Herzschlag deines Lebens fühlen.

Dann aber sollst du mit dem Herzen beten,
Gleichgültig ob du faltest deine Hand,
Dein Herz allein soll mit dem Herzschlag reden,
Im Herzen bet zu Gott, nicht im Verstand.

Dann sollst du beten, aller Sorgen ledig,
Sollst beten mit dem Herzen, mit dem warmen:
O Jesus, sei mir armen Sünder gnädig,
Erweise mir dein himmlisches Erbarmen!

Du sollst mit deines Blutes Puls das Amen
In jedem Augenblicke beten, da
Soll beten an dein Herz den süßen Namen
Des Herrn, dein Herzschlag immer sage: Ja!

Wenn so dein Herz nur immer „Jesus“ betet,
Siehst Jesus du in jedem kleinen Kind,
In jeder Mutter, was sie immer redet,
Im Bambusbusch, im unsichtbaren Wind,

Dann hörst du Jesus in dem Priesterrat,
Dann spürst du Jesus in der Freundin Hilfe,
Dann fühlst du Jesus in des Christen Tat,
Dann hörst du Jesus rauschen in dem Schilfe,

Dann siehst du Jesus nachts in einem Stern,
Dann hörst du Jesus singen dir ein Lied,
Siehst Jesus in der Schönheit hoch und fern,
Beim Kinde, wenn es lachend an dich sieht,

Dann rauscht dir Jesus an dem Ahnengrab,
Dann schwebt vorüber Jesus in dem Falter,
Ist Jesus Öl, das dir die Kirche gab,
Ist Jesus Wunderschönheit in dem Psalter,

Denn Jesus ist dir Alles, ist der Eine,
Der Welten Schoß und Pilgerweg und Ziel,
Denn Jesus ist Sophia, ist die deine,
Ist Gottes Lieblingin im Liebesspiel!


11

Im Himmelreich ist eine Himmelsrose,
Dort angeordnet sind wie in Spiralen
Die Geister. Fern von ihrem süßen Schoße
Die Lauen sind, an äußern Sphärenschalen

Sie freuen sich, von fern nur zu betrachten
Den fernentrückten Glanz der Himmelsrose.
Die Weisen, die durch mystisches Umnachten
Gegangen sind, sind innig ihrem Schoße,

Die tiefer schon in ihre Schönheit blicken
Und schon des Nektars Süßigkeit genießen,
Sie leben ganz in seligem Entzücken
In süßen Rosengartenparadiesen.

Der Mystiker und Heilige, der große
Geopferte für Gott, am Kreuz gereinigt,
Verschmelzen wird dem Himmelsrosenschoße,
Zentralem Feuer Gottes ganz vereinigt!


12

Ja, Hagia Sophia ist mein Name,
Ich bin die Gottheit in der Transzendenz,
Ich bin als schöpferischer Weltensame
In allem Seienden in Immanenz.

Des Lebens Leben werde ich geheißen,
Der Seelenfunke bin ich aller Seelen,
In aller reinen Liebe Liebe preisen
Die Weisen mich, die mir sich anbefehlen.

Im ganzen Körper dieses Kosmos bin
Die Seele ich, die alles Leben schafft,
Zentrales Feuer und geheimer Sinn,
Ich halt das All zusamm durch meine Kraft!

Ich bin die Transzendenz und Immanenz,
Den Kosmos wirkte ich mir als mein Kleid,
Dem Seher ists ein Kleid von Transparenz,
Der Seher unverschleiert schaut die Maid!

Erleuchtet von der Weisheit, seiner Braut,
Weltseele schaut der Seher, bloß und nackt,
Der Gottheit Antlitz unverschleiert schaut
Der Seher, Gottheit voll Potenz und Akt!

Wem ich mich gebe also zu erkennen,
Der schaut mich als das absolute Sein,
Alleinheit, namenlos und nicht zu nennen,
Dann schweigend geht er ins Geheimnis ein...


13

Der Liebeszyklus in der Trinität,
Das Spiel der Liebe in dem höchsten Gut,
Umgibt die Seele, die in Gnaden steht,
Wie ewigschöner Liebe Meeresflut.

Die Seligen verströmen in der Liebe
Der zyklischen Vereinigung in Gott.
Die Seele im erlösten innern Triebe
Vereint sich mit der Liebe ohne Spott.

Die ewigschöne Liebe wird dich stillen,
Wie nie dich eine Kreatur gestillt.
Die Liebe strömt in dich und wird dich füllen,
All dein Verlangen ewig ist erfüllt.

Doch ist der Liebesfülle süße Sattheit
Und dieser ewigliche Liebeskuß
Nicht schwül wie diese Welt, daß du in Mattheit
Gehst von Befriedigung zu Überdruß,

Nein, dieser Liebeskuß, der Zierrat Zierde
Des Schoßes Gottes, wird dich herrlich fürsten,
Daß du in ewigschmachtender Begierde
Wirst ewig nach der Liebe Wonnen dürsten,

Begierig dürstend, aber ganz befriedigt,
Befriedigt und gestillt, und doch verschmachtend!
Die schöne Liebe keinen Geist erniedrigt,
Vergöttlicht Geister, sie mit Lust umnachtend!


14

Wenn einst die Göttinnen und Götter alle
Vergöttlicht werden durch der Gottheit Gnade,
Dann selig du als Götterseele walle
Zur unbefleckten Jungfrau, rein wie Jade.

Die Königin der Seligen und Geister
Regiert im Paradies das Himmelreich,
Dort leben Weise, Minner, Dichtermeister,
Vergöttlicht alle Seelen Christus-gleich.

Was immer sie auf Erden auch getrieben,
Das Gute finden sie im Himmel wieder.
Hier ist vollendet all ihr reines Lieben,
Hier tönen makellos der Liebe Lieder.

Die du auf Erden Christus-gleich gefunden,
Die findest du im Paradiese wieder.
Ihr seid in Gottesliebe tief verbunden,
Wie Glied an Glied, seid alle Christi Glieder.

Gott gibt dir schließlich einen weißen Stein,
Dir weiße Jade oder weißen Marmel,
Dort trägt der Herr den wahren Namen ein,
Den Ordensnamen in dem Himmels-Karmel.

Den neuen Namen kennt nur Gott allein
Und du allein, du hast ihn ja von Ihm,
Er wird dein Vater, du sein Sohn wirst sein,
Du nackte Seele mit dem Herrn intim!

Dann wird den Ewigen und dich verbinden
Geheimnisvoll, persönlich und intim,
Ein Eheglück, in welchem zu verschwinden
Ist deine höchste Wollust! Preis oh Ihm!



DAS EWIGWEIBLICHE


1

Das ist es, was die schöne Gotteswelt
Verbindet und im Inneren erfüllt,
Das Ewigweibliche, das Ebenbild
Der Liebe, die die Welt zusammenhält.

Allkönigin im lichten Himmelszelt
Ist Mutter unser in dem Himmel mild,
Die alle Welt mit Mutterliebe stillt,
Den Kosmos wie ein Kind am Busen hält.

Der Liebe Gottheit ist in meiner Schau
Urweiblichkeit, ich schau die Liebe an,
Urschöne Gottheit, unbeschreibliche!

Das Ewigweibliche in jeder Frau,
Das Ewigweibliche in jedem Mann
Die Liebe preist, die ewigweibliche!


2

Im Universum, in dem schönen All
Ist alles aus Vereinigung geworden,
Erotischer Befruchtung Überschwall
Ist Herrin in des Kosmos Minne-Orden.

Wie suchen sich der Süden und der Norden,
Das Meer Amerikas und Chinas Wall,
Der Sphären sang, der Nächte Echohall,
Im All der Liebe Kräfte überborden!

Das Ewigweibliche ist wie das Sammeln
Der Eros-Energie, der großen Kraft,
Ist ihre Hoheit, Reinheit und Verdichtung.

Das Ewigweibliche ist Leidenschaft,
Die lockt das All in Gottes Schoß. (Nur Stammeln
Vor Gottes Muse ist des Sehers Dichtung.)


3

Das Ewigweibliche ist Angesicht
Des Seienden, das Antlitz allen Seins,
Weltseele eines innigen Vereins,
In Sonne, Mond und Stern der Liebe Licht.

Allkünstlerin spricht sie das Weltgedicht,
Verzauberung des anmutreichen Scheins
Ausgießend auf die Welt. Das All ist eins
Mit ihr, der Ewigweiblichen, die spricht:

Durch mich gerät das Weltall in Bewegung,
Ich bin der Liebe innerste Erregung,
Ich stifte Freundschaft zwischen Kreaturen.

Reiz gieß der Welt ich ein als Zauberstrahl,
Schweb überm All, des Weltalls Ideal,
Bin Gott-Natur nichtgöttlichen Naturen.


4

Das Ewigweibliche den Weisen schafft.
Dem Weisen als dem angetrauten Gatten
Ist sie der bräutlich-mütterliche Schatten,
Das Mädchen an dem Anfang seiner Kraft,

Die Jungfrau, die der Jugend Lebenssaft
Erblühn läßt in der Träume Blumenmatten,
Die tiefe Sehnsucht eines Nimmersatten,
Die übergroße Macht der Leidenschaft.

Im Schauen der Natur (dem Weibe nackt
Und offen dem glückseligen Genuß)
Erfährt der Fromme in dem Geist befreiend

Den Wurzelgrund, den innigen Kontakt
Mit der All-Einheit, in den Wesen seiend,
Die Heimkehr in der Gottheit Uterus.


5

Von Horizont zu Horizont zu schauen,
Zu schauen an den Schauer in dem Wald,
Die Menschen anzuschauen, jung und alt,
Die Kinder anzuschauen und die Frauen,

Die Blüten und den Vogelsang der Auen,
Wenn die Zikade in dem Grün erschallt,
Wenn Echo wie ein Reim vom Berge hallt,
Das Glühen der Natur, das Morgengrauen –

Ich bin der eine wesentliche Strahl,
Der Schöpfung schafft, der Schöpfung Ideal,
Urschöne Gottheit Liebe, unbeschreiblich!

Der Mensch im Feuer seiner Leidenschaft
Die Schönheit schafft durch seiner Liebe Kraft,
Durch Eros‘ Glut zu Ihr, die ewigweiblich!


6

Dieweil der Zauber ihrer Illusion
Dem Mann zum Stoffe zieht mit List von Lüsten,
So ihre Hoheit zieht den weisen Christen
Als Mittlerin hinan zu Gottes Thron!

Befreierin zum Lichtglanz aus der Fron
Der Nacht ist sie den Weisen, welche küssten
Die Ewige, die an den großen Brüsten
Gebettet ruhen läßt den Gottessohn!

Der Gottheit Stimme durch die Jungfrau keusch
Zerreißt ja nicht die Bande mit dem Fleisch,
Die Mann und Weib vereinen im Geschlecht.

Wenn Jesus, Gottes Weisheit, Gottes Kraft,
Dich ruft, sei nur in deiner Menschheit echt,
Dann treibt zur Gottheit dich die Leidenschaft!


7

Zur reinen Jungfrau wird die ganze Welt,
In der nichts mehr als Gottheit für euch bleibt.
Zur Jungfrau euch der Gottheit Liebe treibt,
Sie liebte Gott bereits im Himmelszelt,

Gott seine Jungfrau in den Armen hält,
Bevor ein Dichter ihr von Minne schreibt,
Ein Freier liebte, wie er lebt und leibt,
Erotisch Gott zur Jungfrau überschwellt.

Gott hat als seine Weisheit sie empfangen,
Sie hat sein Herz verzaubert und betört,
Der Schöpfer warb, die Magd hat ihn erhört.

Gott brannte wie der Liebe Feuerschlangen,
Entflammt von ihrer Schönheit Reiz voll Reinheit,
Gott einigte sich ihrem Schoß zur Einheit!


8

Gott, um aus sich als Gott herauszugehen,
Er mußte wandeln auf dem Sehnsuchtspfade,
Das Ziel der Sehnsucht schuf sich selbst die Gnade,
Der Jungfrau Schönheit ewig anzusehen.

Gott kann der Jungfrau Reiz nicht widerstehen,
Der Feuersäule und der Bundeslade.
Er wollte, daß er in dem Meere bade
Der Schönheit, wollte in der Wolke wehen,

Der Wolke zwischen Gott und Mutter Erde,
Gott wollte, daß die Jungfrau Wolke werde,
Die Mutter Erde führend heim zu Gott!

Versteht ihr jetzt die glühende Erregung,
Wenn naht die Jungfrau liebender Bewegung,
In Liebe zu dem Odem im Schamott?


9

Sie ist das zarte Mitgefühl, der Reiz
Zur Heiligkeit, der ausgeht von der Frau,
So nah ist sie, wie sichtbar in dem Tau,
Als ob sie sichtbar sich im Garten spreiz,

Verborgen auch, fast geizig wie der Geiz,
Fern wie die Mutter Nacht, die Blume blau,
Fern wie der Urquell für das Morgengrau,
Dann wieder wie die Gottheit an dem Kreuz!

Wie Gott und Mutter Erde voll der Triebe
Des Eros lieben sich in freier Liebe,
Sie sich vereinigen in Leidenschaft!

Ich bin die Weisheit und ich bin die Kraft,
Wo Gott und Welt sind eins, die Christ-Sophia!

(Ich weihe meinen Minnesang Maria.)



DAS LIED VON DER PERLE


1

Als ich ein Mädchen war im Königreiche
Des goldnen Orients, die Ohnegleiche
Und Auserwählte meiner Mutter war,
Da war mir all ihr Reichtum offenbar,
Da sog ich Honigseim und Milch und Butter
Wie aus dem Götterbusen meiner Mutter,
Die große Mutter war im Morgenland!
Da hat mich meine Mutter ausgesandt,
Sie, die Geheimnisvolle, die Allweise,
Sie schickte mich auf eine Pilgerreise,
Sie sandte fort mich aus dem Orient,
Aus meiner Mutterheimat Element.
Vom Reichtum ihrer Kammer voller Schätze
Sie gab mir reiche Gaben: Goldne Netze
Von Gold aus Ofir, Lapislazuli
Aus Persien mit schriftlicher Magie
Und Diamanten aus dem Lande Kusch
Und einen rosigen Korallenbusch
Vom Stillen Meer und Muschelperlen auch,
Süßwasserperlen aus der Muscheln Bauch.
Und meine Mutter nahm mit sanfter Hand
Von meinem Leibe fort das Hauchgewand
Mit buntgewirkter Blumenstickerei
Und meinen blauen Mantel auch, der frei
Um mich geflossen wie des Äthers Ferne,
Da eingewoben Ordnungen der Sterne.
Die Mutter schloß mit mir nun einen Bund
Und schrieb ihn in mein Herz, in Herzensgrund,
Sie schrieb ihn ein in meines Herzens Krypten:
Mein Mädchen, wenn du wanderst nach Ägypten,
Um dir zu holen dort der Weisheit Perle
Aus tiefer See am Fuß der schwarzen Erle,
Wo in dem Wurzelwerk die Schlange zischt,
Wenn du erfolgreich also hast gefischt
Der Weisheit Perle in Ägyptenland,
Dann kleidet wieder dich dein Hauchgewand
Mit buntgewirkter Blumenstickerei
Und auch der himmelblaue Mantel frei
Wird wieder dich umfließen wie die Ferne
Des Äthers mit den Ordnungen der Sterne.
Dann sollst du, o mein Mädchen, wenn ich sterbe,
Die Königin des Ostens sein, mein Erbe.


2

So stieg ich nieder aus dem Orient.
Im Rücken mir die Morgenröte brennt,
Aurora streute Rosen von den Stengeln,
Da ging ich meines Weges mit den Engeln.
Der Weg war voll Gefahr und Schwierigkeit,
Und ich war jung, noch eine zarte Maid.
So kam ich auf der Pilgerstraße Bahnen
Zu dem Oasenhain der Karawanen.
Kaufleute tränkten durstige Kamele
Am Quell, auch ich erfrischte meine Seele.
Dann zog ich weiter unterm Orion
Und den Plejaden, kam nach Babylon,
Trat durch das goldne Löwentor von Babel,
Der Götter Pforte oder Ischtars Nabel.
Ich trat als junges Mädchen sanft und zart
An Uruks Mauer rings um Uruk-Gart
Und sah den Göttertempel von Eanna,
Das Haus der Himmelskönigin Inanna.


3

Doch schließlich kam ich in das Land Ägypten,
Wo Götter in den Pyramidenkrypten
Als Mumien der Auferstehung harrten,
Der Auferstehung in der Isis Garten.
Als ich am Nil, beim Lotus auf den Stengeln,
Zur Sonne rief, ward ich von meinen Engeln
Verlassen. Schamrot war auf meiner Wange.
Ich ging zum heimlichen Revier der Schlange,
Zu jener düstern Höhle, dunklen Grotte,
Wo sie verehrt ward ähnlich einem Gotte.
Vor jener Grotte ließ ich still mich nieder,
Entspannte meine wandermüden Glieder
Und wartete, bis müd die Schlange schlafe.
Der Hirt des Mondes und die Sternenschafe
Beleuchteten die Nacht, das Dunkel tief,
Als ich gewartet, bis die Schlange schlief.
Als ich um Mitternacht im Mondenschein
War wie ein Waisenkind im All allein,
Da nahte mir ein schöner Knabe, weiland
Er lebte auch im Orient, mein Heiland

War er mit dem Rubin von einem Mund,
Als er mich küsste. Er schloß einen Bund
Mit mir und ward mein Liebling und Gefährte.
Ich war nicht mehr allein auf dieser Erde.


4

Ich warnte ihn vor den Ägyptern, die
Verschrieben sich den Geistern der Magie.
Ich aber anzog in Ägyptenland
Ägyptens transparentes Reizgewand,
Daß kein Ägypter schöpfe je Verdacht,
Woher dies Mädchen sei, daß in der Nacht
Dort einsam stehe, wo die Schlangen zischen.
Daß nichts ich als der Weisheit Perle fischen
Wollt in Ägypten, sollte keiner merken,
Daß die Ägypter nicht mit Zauberstärken
Die böse Schlange gegen mich erweckten.
Aus irgendeinem Grunde doch entdeckten
Die Leute, daß ich eine Fremde sei.
Mit Lockungen und Listen gleich dabei
Verlockten mich die Leute von Ägypten,
Zu huldigen der Isis vor den Krypten.
Und ich vergaß durch solchen Zauber gar,
Daß ich der Königin Prinzessin war.
Ich diente nun den Göttinnen und Göttern
Mit Narren, Frevlern, Lästerern und Spöttern.
Und ich vergaß der Weisheit Perle ganz
Und ihren magisch mysteriösen Glanz,
Nach der die Mutter aus dem Heimatland
In diese fernen Länder mich gesandt.
Und durch der Isis große Zaubermacht
Sank ich in tiefen Zauberschlaf der Nacht.


5

Doch alles, was mir widerfahren ist,
Der großen Ishtar und der Herrin Isis List,
Das hörte meine Mutter in der Heimat,
Die für ihr Mädchen einen Rat und Reim hat.
Die Mutter litt um mich mit Herzeleiden,
Ließ Boten durch die Fürstentümer schreiten,
Ließ Fürstentümer kommen, Throne, Mächte.
Die Herrlichkeiten gingen durch die Nächte
Zu meiner Mutter marmornen Palast,
War jeder Fürst ihr Diener und ihr Gast.
Herrschaften standen alle Wacht und Posten
Vor meiner Mutter, Königin von Osten.
Und meine große Mutter mit den Weisen,
Die mit ihr trinken Wein, die mit ihr speisen,
Die große Herrscherin mit ihrem Staat,
Ersonnen haben sie mir Trost und Rat,
Mir Trost und Rat in ihrer treuen Liebe,
Daß ich nicht länger in Ägypten bliebe.
So meine Mutter hat mit ihren Lieben
Mir ihrer Botschaft Liebesbrief geschrieben,
Den alle Edlen unterschrieben haben,
Die Fürsten mit der Weisheit Geistesgaben:
Von deiner Mutter, die total dich kennt,
Der großen Mutterkönigin von Orient,
An ihr geliebtes Mädchen, ihre Malve:
Der Friede sei mit dir, mein Mädchen, Salve!
Erwache, stehe auf von deinem Schlafe,
Sonst kommt zu dir des Todesschlafes Strafe.
Hör auf die Botschaft meines Liebesbriefes,
Mein Wort der Liebe wahrlich ist ein tiefes:
Ich möchte, daß mein Mädchen nie vergißt,
Daß sie der Königin Prinzessin ist!
In welche Sklaverei bist du geraten
Im Westen dort in den Dämonenstaaten?
Erinnre dich der Weisheit Perle doch,
Die du zu suchen in dem tiefen Loch
Von deinem mütterlichen Heimatland
Ins Fremde der Verbannung warst gesandt.
Erinnre dich an die gehauchte Seide
Und reinen Flor, du meine Augenweide,
Und an den blauen Mantel mit den Sternen,
Der leuchtend floß wie lichte Ätherfernen,
Mit dem du wieder werden sollst bekleidet.
Ach wüsstest du, wie deine Mutter leidet,
Gedenkt sie ihrer Einzigen und Lieben!
Doch stehst im Buch des Lebens du geschrieben,
Auf daß du Erbin, die ihr Erbe fand,
Einst seist im mütterlichen Morgenland!


6

Der Brief der Mutter ist ein Brief geflügelt
Und mit dem roten Siegellack gesiegelt
Und nur bestimmt den Augen ihres Kindes,
Nicht den Dämonen düstern Labyrinthes
Und wilden Babyloniern in der Wüste.
Der Brief, mit dem die Mutter lieblich grüßte,
Er flog als wie ein Adler, wie ein Aar,
Der aller Himmelsvögel König war,
Flog droben, kam zu mir herab von dort
Und wurde Rede ganz, der Liebe Wort.
Bei seiner Stimme aber, seinem Klang,
Da fuhr ich auf vom Schlaf, noch etwas bang,
Da küsste ich des Briefes Adlerflügel,
Erbrach das heißgeschmolzne Scharlachsiegel
Und las im Liebesbrief den ganzen Morgen.
Sein Inhalt, meiner Mutter Muttersorgen,
Sein Inhalt stimmte mit dem überein,
Was stand geschrieben in dem Herzen mein.
Gleich kam mir wieder die Erinnerung,
Daß ich der Königin Prinzessin jung,
Und meine Herkunft, neu mir offenbart,
Verlangte nach der ihr gemäßen Art.
Auch ich gedachte wieder an die Perle.
Nur darum sahen mich Ägyptens Kerle,
Weil ich der Mutter schwor einst in Gelübden,
Der Weisheit Perle in dem Land Ägypten
Zu fischen aus dem Meer. Und da begann
Ich mit geheimnisvollem Zauberbann
Die Schlange in dem Wasserloch zu bannen.
Die Verse mir von meinen Lippen rannen,
Ein jeder Vers voll Zauber, daß ich siege,
Die schlimme Schlange ganz in Schlummer wiege,
Mit magischem Gesang die Schlange bannte,
Indem ich meiner Mutter Namen nannte.
Das wird der Schlange ja ihr Leben kosten,
Der Name meiner Königin von Osten.
Und da ich sprach den Namen – Mariam –
Ich süßer Weisheit Perle an mich nahm.


7

Nun wollte ich mich wieder heimwärts schwingen,
Die Perle meiner Königin zu bringen.
Zurück ließ ich das lüsterne Gewand,
Das transparente, in Ägyptenland.
Von Pfosten eilte ich den Weg zu Pfosten
Zu meiner Mutterheimat heim im Osten,
Zu meiner Heimat in dem Morgenlicht,
Zu meiner Mutter liebem Angesicht!
Und meinen Brief mit meiner Mutter Segen,
Den fand ich vor mir schon auf allen Wegen.
Der mich erweckt, wie meine Mutter spricht,
Er führte mich mit seinem Strahl von Licht.
Das Briefpapier war süß und sanft wie Seide,
Die Worte drauf wie eine Augenweide,
Ein jedes Wort Magie und Zauberbann,
So leuchtete der Brief mir licht voran.
Mit seinem Wort und seiner Führung Heile
Er machte neu mir Mut zu rascher Eile.
Die Liebe führte mich und zog mich lieber!
So kam ich an dem Labyrinth vorüber,
Ließ Babylon zu meiner Linken liegen
Und kam dahin, wo sich Kamele wiegen,
Die Wüstenschiffe großer Karawanen,
Die Seide handeln mit den Hindostanen.
Und siehe da, den Hauch von Lichtgewand
Der Heimat ich in der Oase fand
Und dort auch bei der Karawanen Handel
Den feinen himmelblauen Sternenmantel.
Die Kleider waren aus dem Morgenland
Entgegen von der Mutter mir gesandt
Durch einen Abgesandten, dem sie traute,
Auf dessen treue Dienste fest sie baute,
Schatzmeister ihrer Gnadenschätze er,
Der mir begegnet in der Wüste Meer.


8

Inzwischeen aber hatte ich vergessen
Den Glanz des Hauches um des Leibes Blässen
Und auch die Herrlichkeit des Mantels blau,
Die ich einst trug als Mädchen. Aber Frau
War ich nun in der langen Zeit geworden,
Gereifte Frau nun in der Weisheit Orden.
Als ich nun sah den Hauch von Lichstoff mild,
Schien mir die Gaze wie mein Spiegelbild.
Ich sah es in mir leuchten immer lieber
Und stand ihm doch als Schwester gegenüber.
Zwei Wesen schienen wir und wie geschieden,
Doch Eine Seele nur voll Seelenfrieden.
Und auch den Meister aller Gnadenschätze
Sah doppelt ich (daß ich mich nicht entsetze),
Die beiden Meister trugen Engelsflügel,
In Händen meiner Mutter Herrschaftssiegel,
In ihren Händen lag mein guter Schatz.
Sie gaben mir an dem Oasenplatz
Das Hauchgewand, geziert mit feinem Flor,
Und eine Perle für mein Muschelohr,
Und zu dem geistgewebten Hauchgewand
Mir Diademe ganz von Diamant
Und zu dem Hauch und Flor von Schleier hold
Für meine Haarflut Spangen auch von Gold.
Auf eines Silbertalismanes Zier
Sah ich das Bild der Mutter von Saphir.


9

Da sprach mein Hauchgewand von wahrer Gnosis:
Ich bin die Ganzhingabe zur Theosis!...
Ich bin Gerechtigkeit, aus Gnade gnädig,
Wie sie erwirkt im Liebestod mein König. –
Da merkte ich, wie mich der Hauch umwallt,
Liebreizender ward meine Lichtgestalt,
Und mit dem geistgehauchten Äthertaft
Wuchs meines lichten Leibes Liebeskraft!
Mit einer wahrhaft herrlichen Bewegung
Ergoß es sich erotischer Erregung
Um meinen gnädig heimgesuchten Leib.
Glückselig war ich wie einst Edens Weib!
Geziert war ich mit keuscher Blüte Flor.
Da schwebte ich hinan zum Sphärenchor
Der Fürstentümer und ging ein und aus
In meiner königlichen Mutter Haus
Und ehrte meiner großen Mutter Glanz
Mit Schwung des Beckens in dem Sphärentanz!
Und meiner königlichen Mutter Glast
Mich an der Perlenpforte zum Palast
Empfing, Erlöste unter den Erlösten,
Die Allerkleinste bei den Allergrößten.
Sie freute sich in ihrem Muttertume,
Daß ich als Frau in ihrem Königtume
Nun angekommen war, wo alles preist
Die große Mutter in der Liebe Geist!
Die Mutter aber heimlich mir verhieß,
Ich werde nun im Liebesparadies
Als Paradiesesnymphe Morgenstern
Vereinigen mich mystisch meinem HERRN!



SELBSTLOB UNSERER LIEBEN FRAU MORIA


1

Frau Torheit spricht: Soll rufen ich die Musen,
Mit ihnen recht zu knutschen und zu schmusen?
Soll ich den Theologen der Sorbonne
Als Geist beschwören zu Disputes Wonne?
Ich bin ja wohl die Meisterin der Diebe,
Was immer auch ein Theologe schriebe
Und je ein frommer Theosoph geglaubt,
Das hab ich all zusammen mir geraubt!
So las ich in der Predigt Salomos:
Der Toren Zahl ist wahrlich grenzenlos!
Auch Jeremia sprach in frommer Leisheit:
Zum Toren jeder wird durch seine Weisheit!
Gott ist allein die Weisheit von Natur,
Doch Torheit ist das Teil der Kreatur.
Drum bild dir nichts auf deine Weisheit ein,
Du überkluges Menschenkindlein klein.
Was soll der Mensch sich nicht der Weisheit rühmen,
Was soll dem Menschen nicht der Selbstruhm ziemen?
Kein Mensch ward von der Milch der Weisheit satt,
Kein Mensch die Weisheit je gesehen hat.
Ist alles Eitelkeit der Eitelkeiten,
Ist alles Nichtigkeit der Nichtigkeiten,
Die Sonne Gottes über unserm Scheitel -
Doch unterm Mond ist alles eitel, eitel.
Das Leben ist, sagt Salomo, der Vater,
Der Torheit tragikomisches Theater.
Sprach Cicero, begeistert von Apoll:
Die ganze Welt ist doch der Torheit voll!
Der Tor ist wetterwendisch wie der Mond,
Der mal im Licht und mal im Dunkel thront,
Der Weise ist beständig wie die Sonne,
Doch solche Dauer ist nur Gottes Wonne,
Beständig wie die Sonne ist der Weise,
Und das gereicht nur Gott zu Lob und Preise.
Auch Christus sagt: Gott ist alleine gut.
Die Weisheit, heißt es, ist das höchste Gut,
Wenn Weisheit ist das höchste Absolute,
Ist Gott allein die Weisheit und das Gute.
Gott ist die Weisheit. Aber alle Leute
Nur an der Torheit haben ihre Freude.
Der Torheit Leben bringt allein Genuß,
Frau Torheit nur besitzt den süßen Kuß.
Wer aber Wissen sammelt mit dem Herzen,
Wird Weh erleiden, viele wehe Schmerzen,
Nachdenken bringt nur großes Ärgernis,
Die Weisen sind voll Gram und Bitternis.
Im Herz der Weisen wohnt die Traurigkeit,
Im Herz der Toren wohnt die Fröhlichkeit.
So sprach auch Salomo, der Genius,
Die Weisheit brachte nichts ihm als Verdruß,
Er wär vor lauter Überdruß verloren,
Wenn sie nicht wären, seine kleinen Toren...
So Salomo gab hin sein Herz, um Wissen
Zu lernen, die Vernunft nicht zu vermissen,
Es sollt sich ihm der Irrtum offenbaren,
Frau Torheit wollte er zuletzt erfahren,
Erfahren wie so gut Frau Torheit tut.
Ist Torheit Salomonis höchstes Gut?
Die er gesucht noch über die Frau Wahrheit,
Fürwahr sein höchstes Gut ist sie, die Narrheit!


2

Wie willig doch ertragt ihr alle Toren,
Vor allem aber Paulus auserkoren!
Es sprach der Kenntnisreichste unter Kennern,
Sprach Paulus: Ich bin närrisch unter Männern,
Der größte Narr, das ist gewißlich wahr,
Im Kreis der Närrischen der größte Narr!
Und wenn sich schon die eitlen Toren preisen
Und halten sich für Weiseste der Weisen,
So preist sich der Apostel auch gar sehr
Und spricht: An Torheit ich vermag noch mehr!
Das war doch des Apostels höchstes Hoffen:
An Torheit und an Wahn unübertroffen
Zu sein, durch Gottes Gnade auserkoren,
Zu sein der Allertörichste der Toren!
Spricht Paulus: Nehmt mich hin als einen Narren!
Ihr sollt es nicht wie Christi Wort erharren,
Was ich euch sage, so als sei es Wahrheit,
Vielmehr ich rede als ein Narr von Narrheit!
Uns, die wir Toren sind um Christi willen,
Uns kann nur Muttermilch der Torheit stillen.
Dünkt einer weise sich in Christi Herde,
Er werde Tor, auf daß er weise werde.
Ja, Paulus spricht: Was töricht ist bei Gott,
Ist weiser als der Menschenweisheit Spott!
So spricht der Christus selbst im Psalm die Wahrheit:
Mein Vater, du allein kennst meine Narrheit!
Verachtet Christus nicht die Klugen klüglich,
Nennt allen männlichen Verstand betrüglich
Und spricht, der Menschenweisheit Überwinder,
Daß ihn verstehen Frauen, kleine Kinder?
Spricht Paulus: Nicht die Weisen dieser Welt –
Unmündige hat Christus auserwählt!
Gott wollte diese Welt von allem Bösen
Vor allem durch der Torheit Kreuz erlösen.
Die kluge Menschenwelt mit ihren Sünden,
Die Menschenweisheit konnte nicht begründen
Das Reich des Himmels, Gottes Königreich.
Die Torheit schaffte das auf einen Streich.
Gott macht zunichte ja der Weisen Weisheit,
Verstummen muß der Klugen Sinn in Leisheit.
Das göttliche Geheimnis, Gottes Wahrheit,
Wird offenbart den Kleinen voller Narrheit,
Unmündigen und Säuglingen und Kindern,
Nicht Philosophen und weltweisen Sündern.
Verachtet Christus doch die Schriftgelehrten,
All die Studierten, die Gesetze lehrten,
Verachtet Christus doch die weltlich Weisen.
Die Frauen und die frommen Kinder speisen
Der Torheit Manna unter dieser Sonne,
Zumeist die Kinder sind doch Christi Wonne!...
Die klugen Füchse, die ereilt die Strafe,
Auch kluge Schlangen. Geistig arme Schafe
Vor allem liebt der Seelenbräutigam,
Der nennt sich selbst in Einfalt Gottes Lamm.
Sind alle Menschen töricht, ausgenommen
Von allgemeiner Torheit nicht die Frommen.
Ist Christus, Gottes Weisheit, Gottes Narrheit,
Nicht auch die Torheit Gottes, Gottes Narrheit?
Weil Gottes Weisheit selbst, Gott eingeboren,
Zu uns gekommen in Gestalt des Toren,
Daß er die Sünder, Übeltäter, Bösen
Durch seine eigne Torheit zu erlösen
Von ihrer Torheit töricht starb am Holz,
Ein Wurm und nicht ein weiser Denker stolz?
Was sprach zum Vater Christus an dem Kreuz?
Wenn ich am Kreuze meine Glieder spreiz,
Vergib den Menschenkindern, denn in Wahrheit,
Sie fehlten nicht aus Bosheit, sondern Narrheit!


3

Wohlan, die Seligkeit der wahren Christen,
Gesogen wird sie aus der Torheit Brüsten!
Die Seligkeit der Paradiesbeglückten
Ist Glück von reinen Toren und Verrückten!
Ich rede mit Beredsamkeit wie Cato,
Daß wahre Christen glauben auch wie Plato,
Die Seelen in den Leibern als Spelunken
Versunken seien, Geist in Fleisch versunken,
Der Leib sei Fessel und Verließ und Grab.
Die Seele aber ein Begehren hab,
Die Wahrheit anzuschauen, zu genießen,
Die nackte Wahrheit in den Paradiesen!
Die Philosophie ist darum wie ein Tod,
Der Geist verläßt des Fleisches Erdennot
Und wendet sich den unsichtbaren Dingen
Des Himmels zu, den Sphären, die da singen,
Den unsichtbaren ewigen Ideen,
Die Ur-Idee der Schönheit anzusehen!
Ist nun die Seele in dem Leibe drinnen,
So sagt man auch: Die Seele ist bei Sinnen.
Ist aber erst der Geist dem Fleisch entronnen,
So redet man: Der Mensch ist unbesonnen.
Fiel nun die Seele eine Krankheit an,
So spricht man von Verrücktheit und von Wahn.
Wahnsinnige sind oftmals auch Propheten,
Verrückte oft begeisterte Poeten,
Die Idioten beten oft in Zungen,
Fallsüchtige sind oft zu Gott gedrungen.
So jede Seele, die der Wahnsinn liebt –
Geheimer Schauer Gottes sie umgibt.
Sobald der Geist von seinem Fleische frei,
Ist ihm, als ob er schon im Himmel sei.
Desgleichen Menschen in der Sterbestunde
Oft künden Wahrheit mit Prophetenmunde.
Wie sind verrückt nun erst die Philosophen!
Sie spotten über das Geschwätz der Zofen.
Die Zofen schaun nur Schatten in der Höhle,
Das Urlicht schaut des Philosophen Seele.
Der Weise nun die Närrischen bedauert
Und über arme Schattengucker trauert.
Die Narren, die gefangen sind vom Drachen,
Sind stets bereit, den Weisen auszulachen.
Der Weise vor den Narren wird verstummen,
Doch mit Gelächter lachen aus die Dummen
Den Weisen, den Erleuchteten, der blickte
In Gottes Licht. Man spottet: Der Verrückte!
Die armen Narren schauen Dinge, Stoffe,
Der Weise auf das Unsichtbare hoffe,
Aufs unsichtbare, geistig-ideale
Einfältige in Gottes Himmelssaale.
Der Weise, der nur Gott die Ehre gibt,
Als reiner Tor die Einfalt Gottes liebt!
Das selige Entzücken der Entzückten
Ist so wie die Verrücktheit der Verrückten.
Schon Platon nennt die Liebe einen Wahn:
Der Liebende schaut die Geliebte an
Und flüchtet aus der eignen Seele sein
Und geht in der Geliebten Seele ein
Und ist nicht mehr er selbst, er ist nun sie!
Je weiter er nun vor sich selber flieh,
Je mehr er in der reizendsten Madonne
Verschwindet, um so süßer seine Wonne!
Je heißer in des Liebevollen Brust
Ist seiner Ganzhingabe Liebeslust,
Je mehr wird er in trunkenen Ekstasen
Wie ein Besessener im Wahnsinn rasen!
Er ist verrückt nach der Geliebten süß!
Wie ist der Wahnsinn erst im Paradies!
In Ewigkeit der Geist wird in den Sphären
Des Fleisches nackte Sterblichkeit verzehren,
Der Geist wird aber voll des Lichtes Blinken
Im Urlicht seiner Gottheit ganz versinken!
Wenn so der Menschengeist versunken ist,
Wenn sich der Geist des Menschen ganz vergißt
In seiner Gottheit Liebe voller Lust,
Dann trägt der Mensch den Wahnsinn in der Brust,
Es reißt ihn in der Gottesliebe Wahn
Von Seligkeit zu Seligkeit hinan,
Er taumelt selig und besinnungslos
Wahnsinnig liebend in der Gottheit Schoß!



GROSSER WEISHEITSPSALM


ERSTER GESANG


Frau Weisheit ist auch für die Himmlischen sinnvoll,
Auf immer ist der Weisheit die Herrschaft,
Im Himmel ist sie eingesetzt,
Denn der Herr der Heiligkeit hat sie eingesetzt.

Bist du als Erster der Menschen geboren?
Kamst du schon vor den Hügeln zur Welt?
Hast du im Ratskreis Gottes gesessen?
Konntest du Weisheit an dich bringen?

Als Gott dem Winde Gewicht gegeben
Und die Wasser geordnet mit rechtem Maß,
Als er dem Regen seine Richtung gab
Und einen Weg dem Blitzstrahl des Donners,
Da sah er die Weisheit und maß sie,
Stellte sie hin vor sich und ergründete sie,
Da sprach er zum Menschen: Siehe,
Ehrfurcht vor Gott ist Weisheit,
Abkehr vom Bösen ist Einsicht.

Jahwe hat durch die Weisheit die Erde gegründet,
Hat die Himmel gestaltet durch die Einsicht.
Durch seine Erkenntnis spaltete sich die Urflut,
Durch seine Erkenntnis träuffeln die Wolken Tau.

Jahwe schuf mich als Erstlingin seines Waltens,
Als Uranfang seiner Werke einstmals.
Seit jeher bin ich Form geworden,
Seit Anbeginn, seit der Ur-Zeit der Erde.
Als es noch keine Urflut gab, ward ich geboren,
Als es noch keine Quellen gab, schwer von Naß.
Bevor die Gebirge sich falteten,
Vor den Hügeln ward ich geboren.
Als es noch kein Land und keine Wüste gab
Und nicht den unzählbaren Staub.
Als er den Himmel machte, war ich bei ihm,
Als er dem Horizont seine Grenze gegeben über der Urflut,
Als er die Wolken oben stark gemacht,
Als die Quellen der Urflut kraftvoll wurden,
Als er dem Meere seine Grenze feststeckte,
Als er das Fundament der Erde legte,
War ich bei ihm, seine Lieblingin,
Ich war seine Wonne Tag für Tag,
Lachend und scherzend vor ihm allezeit,
Lachend und scherzend auf der festen Erde.

Alle Weisheit stammt von Gott
Und ist bei ihm für immer.
Den Sand am Strand des Meeres
Und die Regentropfen
Und die Tage der Vorzeit,
Wer kann das zählen?
Die Höhe des Himmels
Und die Breite der Erde
Und die Tiefe des Meeres,
Wer kann all das ergründen?

Vor allen Dingen ist die Weisheit erschaffen,
Die vernünftige Einsicht ist von je.

Die Wurzel der Weisheit,
Wer hat sie erkannt?
Und ihre Werke,
Wer erkennt sie?

Einer ist weise, gewaltig,
Sitzend auf seinem Thron, der Herr!
Er selbst hat die Weisheit erschaffen,
Er hat sie angeschaut und gemessen,
Er hat sie ausgegossen über all seine Werke,
Über alles Fleisch, nach seiner Gabe,
Er hat sie denen geschenkt, die ihn lieben!

Wer fand ihren Ort
Und wer drang vor zu ihren Schätzen?
Wer stieg zum Himmel hinauf
Und nahm sie zu sich
Und brachte sie aus den Wolken herab?
Wer fuhr übers Meer
Und hat sie gefunden
Und wer wird sie heimbringen wie einen Goldschatz?
Keiner ist, der ihre Wege kennt,
Keiner, der ihre Pfade findet.
Nur er, der Allwissende, der erkennt sie,
Er hat sie gefunden mit seiner Einsicht.

Er hat den Weg der Erkenntnis gefunden
Und die Weisheit seinem Sohne Jakob gegeben,
Israel, dem Gottgeliebten!
Schließlich erschien sie selbst auf der Erde
Und verkehrte mit den Menschen.

Ich, die Weisheit, kam aus dem Munde des Höchsten,
Wie Nebel verschleierte ich die Erde.
Ich schlug auf den Gipfeln mein Zelt auf,
Mein Thronstuhl stand auf einer Wolkensäule.
Die Kreise des Himmels durchschritt ich alle,
In dem Abgrund der Urflut bin ich gewandelt,
Auf den Fluten des Meeres
Und auf der ganzen Erde.
In jedem Volk, in jeder Nation hab ich geherrscht.
Bei allen suchte ich meine Ruhe:
Wo soll ich mein Erbe finden und mein Lager?
Da gebot mir der Schöpfer des Kosmos,
Mein Schöpfer gab mir ein Ruhelager
Und sprach: In Jakob sollst du zelten,
In Israel sei dein Erbbesitz.

Vor der Weltzeit, im Anbeginn hat Gott mich geschaffen,
Solange die Weltzeit existiert,
Werde ich kein Ende nehmen.
Im Offenbarungszelt tat ich Dienst vor ihm
Und habe mich in den Toren der Tochter Zion niedergelassen,
In der geliebten Stadt Jerusalem fand ich Ruhe,
Jerusalem ist mein Königreich,
Ich bin verwurzelt im Gottesvolk,
Im Eigentum des Herrn,
Im Erbbesitz des Ewigen.

Beobachte und befolge die Weisung!
Das wird in den Augen der Heiden,
Die von all den Geboten hören,
Deine Weisheit und Klugheit sein.
Die Heiden werden sagen:
Wahrlich, wahrlich, ein weises und kluges Volk
Ist dieses gesegnete Gottesvolk!

Wo gibt es so ein großes Gottesvolk?
Wo sind die Götter der Heiden?
Sind sie uns so nahe, wie Jahwe uns nahe ist?
Jahwe ist uns nahe immer, wenn wir ihn rufen!

Wo gibt es ein Volk,
Das so vollkommne Gebote hat
Wie diese ganze Weisung, die Gott mir heute gibt?

Wie liebe ich deine Weisung!
Tag und Nacht betrachte ich sie.
Weiser als meine Feinde machen mich deine Gebote,
Denn sie sind immer mit mir.
Klüger selbst als meine Lehrer bin ich,
Denn deinem Zeugnis gilt mein Sinnen.
Einsichtiger bin ich als die Greise,
Denn deine Ordnung beschaue ich.

Dies ist die Weisung des höchsten Gottes,
Die Mose uns vermittelt
Als Erbe der Gemeinde Jakobs.
Die Weisung ist voll von Weisheit
Wie der Tigris in den Tagen des Frühlings,
Die Weisung bringt Fülle der Einsicht
Wie der Euphrat und der Jordan im Herbst.
Die Weisung lässt die Vernunft erscheinen wie der Nil,
Wie Pischon und Gihon in den Tagen der Weinlese!

Keiner kommt an ein Ende damit, die Weisung zu lernen,
Auch der letzte Mensch forscht sie nicht ganz aus.
Voller als das Meer ist die Fülle ihrer Weisheit,
Ihr Einsicht ist tiefer als der Abgrund.

Dies ist die Weisung des ewigen Gottes
Und die ewige Weisheit.
Alle, die sich an ihr festhalten,
Werden für immer leben,
Aber die sie verlassen, die verfallen dem Nichts.

Es schuf der Heilige seine Welt mit der Weisheit!
Es gibt aber keine Weisheit außer der Weisung Gottes!

Mit der Weisheit gründete Gott die Erde,
Mit der Weisung gründete er die Erde.

Weil die Weisung vor allem andern die Geliebte ist,
Wurde sie vor allen Dingen erschaffen.
Darum spricht die Weisung:
Jahwe schuf mich als Erstlingin seines Waltens.

Sieben Dinge wurden geschaffen,
Bevor die Welt erschaffen wurde:
Die Weisung,
Der Garten Eden, die Buße,
Gehenna,
Der Thron der Herrlichkeit,
Das Heiligtum und der Name des Messias!
Aber die Weisung spricht:
Jahwe schuf mich als Erstlingin seiner Werke!

Geliebt sind die Kinder Gottes von Gott,
Denn es ist ihnen ein Instrument gegeben,
Durch welches die Welt erschaffen worden ist,
Aus besonderer Liebe wurde ihnen
Dieses Instrument offenbart!

Gott ist gleich einem König,
Der eine einzige Tochter hatte.
Es kam einer von den Fürsten der Völker
Und nahm die Tochter zur Frau.
Er wollte in sein Königreich heimziehen
Und die Tochter mit sich nehmen.
Da sprach der König zu ihm:
Meine Tochter, die ich dir zur Frau gegeben,
Ist meine einzige Tochter,
Mich von ihr zu trennen, vermag ich nicht!
Aber dir zu sagen: Nimm sie nicht mit,
Das vermag ich auch nicht, denn sie ist deine Frau.
Aber dies bereite mir,
Daß du überall, wo du bist,
Mir ein Gemach bereitest, dass ich bei euch sein kann,
Denn ich kann von meiner Tochter nicht lassen.
So spricht Gott zum Gottesvolk:
Ich habe euch die Weisung gegeben,
Mich von ihr zu trennen, vermag ich nicht.
Aber überall, wohin ihr immer zieht,
Bereitet mir eine Wohnung, dass ich bei euch wohnen kann!

Es ist vernünftig,
Daß Gott die ganze Welt geschaffen
Und uns den siebenten Tag zur Ruhe gegeben.
Der siebente Tag heißt: Die Entstehung des Lichts,
Er kann auch der erste Tag genannt werden,
Das Licht, das alles erleuchtet und Erkenntnis schenkt.
So ist es auch mit der Weisheit,
Alles Licht kommt von ihr.
Die Weisheit ist wie eine Fackel,
Wer der Weisheit nachfolgt,
Befindet sich sein Leben lang im Zustand der Ruhe.
Schöner aber noch hat das unser Ahne,
König Salomo gesagt, als er sagte:
Die Weisheit ist vor Himmel und Erde.

Vernunft ist Verstand, der mit ruhiger Überlegung
Ein Leben mit der Weisheit erwählt.
Weisheit ist Erkenntnis des göttlichen Wesens
Und der menschlichen Dinge im rechten Licht.
Erkenntnis aber ist die Bildung,
Die durch die Weisung erreicht wird,
Durch die Bildung der Weisung
Lernen wir das Göttliche würdig kennen.
Arten und Weisen der Weisheit sind
Die Klugheit und die Gerechtigkeit,
Der Mut und die Besonnenheit,
Das wichtigste ist die Klugheit,
Durch welche die Vernunft die Triebe beherrscht.

Anfang der Weisheit ist
Verlangen nach Bildung,
Bemühen um Bildung ist Liebe zur Weisheit.
Liebe zur Weisheit
Besteht im Halten ihrer Gebote,
Halten ihrer Gebote erlangt die Unsterblichkeit,
Die Unsterblichkeit bringt in die Nähe Gottes!

Gott ist der Vater von allem
Und der Mann der Weisheit,
Der für den sterblichen Menschen
Den Samen der Erkenntnis
In guten jungfräulichen Boden sät.

Der Garten Eden ist der Garten der Wonne,
Der Garten der Wonne ist die Weisheit,
Die sich freut und in Frohsinn lebt
Und sich ergötzt an ihrem einzigartigen Vater.

Die Weisheit ist die Tochter Gottes,
Die edle Tochter Gottes,
Die immerwährende Jungfrau!

Die Weisheit ist vor aller Schöpfung,
Die Weisheit ist vor der Menschheit,
Sie ist die Amme von allem!


Die scharfgeschnittene Weisheit
Ist wie ein scharfgeschnittener Felsen.
Als der Mensch versucht ward,
Sich der Sinnlichkeit zuzuwenden,
Bot Gott dem Menschen denn besten Trank an,
Nämlich die Weisheit aus der Quelle,
Die Gott selbst hervorsprudeln lässt aus seiner eigenen Weisheit!

Siehe, mein Sohn, jetzt sag ich dir dies alles
Und schreib es für dich auf,
Ich habe dir alles enthüllt
Und dir die Bücher der Weisheit übergeben.
Bewahre, mein Sohn, die Bücher,
Die Bücher der Weisheit aus deines Vaters Hand,
Und übergib sie den kommenden Generationen.

Ich habe dir die Weisheit anvertraut,
Dir und deinen Kindern und Kindeskindern,
Damit die Weisheit den Generationen überliefert wird,
Die Weisheit, die über den Verstand geht.

Die aber die Weisheit verstehen,
Werden nicht schlafen, sondern wachen,
Werden horchen, von der Weisheit zu lernen,
Und sie wird denen, die ihre Speise essen,
Besser schmecken als gute Küchengerichte.

Es wird noch größeres Unrecht kommen
Als in den Tagen Noahs und seiner Söhne geschehen ist.
Aber ich kenne die Geheimnisse
Und das Geheimnis der Geheimnisse,
Denn die Heiligen reden zu mir
Und zeigen, was auf der Tafel des Himmels geschrieben steht.

Der Vater gab seinem Sohn den Namen.
In seinen Tagen stiegen die Engel Gottes,
Die Wächter, auf die Erde herab,
Die Menschenkinder zu lehren,
Gerechtigkeit auf der Erde zu üben.

Henoch ist der erste unter den Erdegeborenen,
Der Schrift und Weisheit lernte
Und der die Zeichen des Himmels beschrieb
Nach der Ordnung ihrer Monde,
Daß die Menschenkinder die Perioden des Jahres erkennen
Nach der Ordnung der Monde.

Er war der Erste,
Der das Zeugnis aufschrieb
Und es den Menschenkindern übergab
Unter den Geschlechtern der Erde.

Und er sagte von den Jubeljahren
Und von der Ordnung der Monde
Und verkündete den Ruhetag,
Wie die Engel es ihn lehrten.

Er sah in einem Traumgesicht
Die Vergangenheit und die Zukunft,
Was den Menschen geschehen wird
Bis zum Jüngsten Tag,
Er sah es, er verstand es,
Er schrieb sein Zeugnis auf
Und legte das Zeugnis nieder
Für alle Menschenkinder und Menschenkindeskinder.

Er war bei den Engeln
Im Jubeljahr,
Sie zeigten ihm alles,
Was auf der Erde und was im Himmel ist,
Und er schrieb alles auf.
Und er legte Zeugnis ab
Gegen die Göttersöhne,
Die zu den Menschentöchtern eingegangen waren.

Asael lehrte die Herstellung von Kosmetik,
Schemichaza lehrte die Beschwörung,
Chermoni lehrte die Magie,
Baraquel lehrte die Zeichen des Donners,
Zeqiel lehrte die Zeichen der Blitze,
Kokabel lehrte die Zeichen der Sterne
Schamschiel lehrte die Zeichen der Sonne,
Sahriel lehrte die Zeichen des Mondes,
Artaqof lehrte die Zeichen der Erde.

Die Engel lehrten Noah aber auch
Die Heilkunst und die Verführungskünste.

Der Engel Penumue weihte die Menschen ein
In die Geheimnisse seiner Weisheit
Und lehrte sie schreiben
Mit Tinte auf Papier.
Der alles vernichtende Tod
Wird diese Weisheit nicht vernichten.

Ich kam in den Garten der Gerechtigkeit
Und sah von ferne die Bäume,
Große, hohe Bäume wuchsen dort,
Ihr Duft war süß und lieblich
Und ihre Wipfel waren schön und ihre Stämme herrlich,
Ich sah den Baum der Weisheit,
Von dessen Feigen die Heiligen essen
Und tiefer Weisheit kundig werden.
Dies ist der Baum der Weisheit,
Von dessen Feige auch dein heiliger Vater speiste,
Von dessen Feige deine heilige Mutter speiste,
Die vor dir gewesen sind,
Da erkannten sie die Weisheit
Und ihre Augen wurden aufgetan,
Da erkannten sie, dass sie nackt waren,
Und der Cherub trieb sie aus dem Garten Eden.

Weisheit, Throngenossin Gottes,
Schöpfungsgehilfin Gottes!

Gott, du hast alles erschaffen
Und regierst alles,
Nichts ist dir zu schwer.
Die Weisheit entgeht dir nicht,
Die Weisheit wendet sich nicht weg von deinem Thron.
Du weißt alles, siehst und hörst alles,
Da ist nichts, was vor dir verborgen wäre,
Denn du weißt und verstehst alles.

Die Schätze der Weisheit
Liegen am Fuß des Thrones Gottes.

Herr, wer versteht dein Gericht?
Wer erforscht deine dunklen Wege?
Wer denkt nach über die schweren Lasten deines Weges?
Wer ergründet dein unergründbares Schicksal?
Wer von den Staubgebornen fand jemals den Anfang
Und das Ende deiner Weisheit?
Denn wir sind alle wie ein Hauch.

Ich, Gott, befahl am sechsten Tage meiner Weisheit,
Den Menschen zu machen.

Durch meine Weisheit hab ich alles ersonnen
Und gut geschaffen
Vom obersten Fundament bis zum untersten Fundament
Und bis zur Mutter Erde.

Da war kein Berater bei mir, als ich die Schöpfung schuf.
Ich bin ewig und nicht von Händen gebildet,
Ich bin immer gleich und verändre mich nicht.
Mein eigner Gedanke allein ist mein Berater,
Meine Weisheit ist allein meine Hilfe
Und mein Wort ist meine Tat.

Nun verbirgt sich die Vernunft,
Die Weisheit flieht in ihre Kammer.
Viele suchen die Weisheit und finden sie nicht.
Groß ist aber die Macht der Ungerechtigkeit
Und groß ist die Macht der Unzucht auf Erden.

Da die Weisheit aber keine Wohnung fand,
Wo sie ruhen könnte im Lager,
Ward ihr im Himmel ein Lager bereitet.

Als die Weisheit auf die Erde kam,
Um bei den Menschen zu wohnen,
Aber als die Menschen ihr kein Lager bereiteten,
Kehrte die Weisheit an ihren geheimen Ort zurück
Und setzte sich inmitten der Engel in ihren Thronsessel.

Als die Ungerechtigkeit trat aus ihrem Faß,
Fand die Weisheit die Auserwählten
Und ließ sich bei ihnen nieder
Und war so willkommen und erquicklich
Wie ein fruchtbarer Regen in der dürren Wüste
Und wie ein Morgentau auf dürstendem Land.

Den Auserwählten wird das Licht zuteil
Und Freude und Frieden,
Sie erben das verheißene Land.
Aber die Gottlosen trifft der Fluch.

Den Auserwählten wird die Weisheit verliehen,
Die Auserwählten werden leben
Und keine Sünde mehr tun.
In den erleuchteten Menschen wird es Licht
Und in den Vernünftigen wird es Vernunft,
Denen, die demütig sind, wird die Weisheit geschenkt.

In den Tages des Weltgerichts
Werden die Gerechten von den Toten auferstehen,
Dann wird sich die Weisheit erheben
Und sich den Gerechten schenken!

Am Ende der siebenten Woche
Werden Auserwählte erwählt
Zu Zeugen der Weisheit
Aus dem ewigen Garten der Wahrheit,
Ihnen wird siebenfache Weisheit
Und siebenfache Erkenntnis geschenkt.

Ich sah den Brunnen der Gerechtigkeit,
Der war unerschöpflich.
Rings um den Brunnen der Gerechtigkeit
Waren unzählige Brunnen der Weisheit.
Alle Durstigen tranken
Aus den Brunnen der Weisheit
Und wurden nüchtern-trunken vom Trank der Weisheit,
Satt und gestillt von der Weisheit.
Und die von der Weisheit getrunken,
Die wohnten bei den Heiligen und Erwählten.

Der Auserwählte wird in den kommenden Zeiten
Auf Gottes Thronstuhl thronen
Und alle Mysterien ewiger Weisheit
Werden aus seinem Munde fließen,
Denn der Herr der Engel
Hat es ihm geschenkt und ihn verherrlicht.

Der Sohn Davids segnet die Menschen
Mit Weisheit und Gerechtigkeit,
Der Sohn Davids segnet das Gottesvolk
Mit Weisheit in aller süßen Freude!

Herr, du erleuchtest zu aller Zeit
Die, die vernünftig leben,
Deine Weisung ist Leben
Und deine Weisheit ist Tugend!
Du weißt, dass sich mein Geist am Tag und in der Nacht
Mit deiner Weisung beschäftigt
Und dass ich mich von deiner Weisheit nicht losgesagt habe!

Wir sind ein Volk, nach dem Namen Gottes genannt,
Die wir die Weisung von Gott empfangen.
Und jene Weisung, die bei uns ist, hilft uns,
Und die allervorzüglichste Weisheit,
Die in uns ist, wird uns immer helfen!

Die schöne Erscheinung derer,
Die nach Gottes Weisung gut gehandelt haben
Und Einsicht hatten
Und die Wurzel der Weisheit
Pflanzten in die Tiefe ihres Herzens,
Deren Glanz wird in verschiedener Schönheit erstrahlen!

O Gott, du hast dem Menschen
Unterricht durch deine Weisung gegeben
Und Bildung durch deine Weisheit.

Geliebte, liebt die Tugend
Und wandelt den Weg der Tugend!
Naht euch der Tugend nicht mit gespaltenem Herzen,
Werdet keine Genossen des Weges mit den Sündern,
Sondern wandelt in Tugend und Gerechtigkeit,
Ihr Söhne meiner Seele,
Und die Tugend wird euch auf gutem Wege leiten
Und die Gerechtigkeit wird eure Genossin sein.

Siehe, ihr Söhne meiner Seele,
Wohin geh ich, wenn ich sterbe?
Was wird mir begegnen?
Ihr Söhne meiner Seele,
Verlaßt nicht den Allmächtigen!
Wandelt im Licht seines Antlitzes!
Lebt nach seinen Geboten
Und betet nicht die Götzen an!
Euer Herz sei treu in der Ehrfurcht vor dem heiligen Gott!
Und wenn ich heimgegangen bin,
Ihr Söhne meiner Seele,
Sucht mich nicht,
Bis mich der Herr als Engel zu euch sendet!

Herr, du lässt die Welten vergehen
Und sie können sich nicht widersetzen,
Du gebietest über Zeitperioden
Und sie gehorchen dir,
Du kennst die Dauer der Geschlechter,
Wenigen offenbarst du deine Geheimnisse nur,
Du gibst die Macht des Feuers an
Und wägst die Leichtigkeit der Lüfte,
Du berührst den Saum der himmlischen Höhe
Und ergründest den Abgrund der Dunkelheit,
Du bestimmst die Zahl der Menschen
Und bereitest eine Wohnung für die Menschen der Zukunft,
Du erinnerst dich des Anbeginns der Schöpfung
Und vergisst nicht den Weltuntergang,
Du gebietest den Flammen
Und gibst dem Wind seine Richtung,
Mit deinem Wort rufst du aus dem Nichts ins Dasein,
Du umfängst, was noch nicht gebildet ist,
Du lehrst durch deine Einsicht deine Menschen
Und machst die gehorsamen Sphären voll Weisheit,
Heerscharen von himmlischen Engeln dienen dir
Und warten getrost auf deine Winke,
Herr, höre deinen Knecht und erlöse mich!

Herr, du setztest mich zum Zeichen
Den Erwählten deiner Gerechtigkeit
Und zum Dolmetsch der Erkenntnis
In wunderbaren Mysterien,
Um zu prüfen die wahrhaftigen Seelen
Und zu erproben die Menschen der Zucht!
Ein Mann der Feindschaft bin ich den Übersetzern der Lüge,
Aber ein Mann des Friedens allen sehenden Seelen!

Eile, der hierin liest!
Das ist der Meister der Gerechtigkeit,
Den Gott alle Geheimnisse seiner Knechte,
Die Geheimnisse seiner Propheten wissen ließ.

In Einsicht hab ich dich erkannt, o Gott,
Durch den Geist, den du mir gegeben hast.
Gewisses hab ich gehört
Über deinen wunderbaren Ratschlag
Durch deinen heiligen Geist.

Du hast mir die Erkenntnis eröffnet
In das Geheimnis deiner Einsicht
Und den Quell deiner Kraft!

Der Unterweisende leite
Die Frommen mit Erkenntnis
Und lehre sie Einsicht
In die Geheimnisse aller Wunder
Und die Mysterien ewiger Wahrheit,
Daß sie als Heilige wandeln,
Ein jeder mit seinem Nächsten,
Wie es ihnen offenbart ward.

Aus der Quelle der Gerechtigkeit Gottes,
Dem Licht meines Herzens,
Aus seiner Geheimnisse Wunder
Schaut das Ewig-Seiende
Mein inneres Auge,
Die Einsicht, verborgen den Menschen,
Die Erkenntnis, verborgen den Menschenkindern,
Die Kraft, verborgen dem Fleisch!
Die Gott erwählt hat,
Denen gab er die Weisheit!

Gott segne dich in allem Guten
Und wahre dich vor dem Bösen,
Gott erleuchte dein Herz
Mit der Vernunft des Lebens
Und begnade dich mit ewiger Weisheit!
Gott wende dir sein Antlitz zu
Und schenke dir Frieden!

Gott wird den Geist der Weisheit
Über dich sprengen wie Wasser der Reinigung
Und dich reinigen von allen Gräueln des Trugs
Und allem Sich-Wälzen in der Sünde!
Gott wird dir Einsicht schenken,
Den Gerechten in der Weisheit des Höchsten
Und die Weisheit der Himmlischen
Zu erkennen, dass du sie lehrst
Alle, die gute Wege gehen.
Denn diese hat Gott erwählt zum ewigen Bund.

Zwar ist ein Mensch heiliger als der andere Mensch
Und ein Fleisch schöner als das andre Fleisch von Lehm
Und ein Geist klüger als der andere Geist,
Doch deiner Macht, o Gott, gleicht nichts an Kraft
Und deiner Ehre ist nichts vergleichbar,
Deine Weisheit ist maßlos und unerschöpflich
Und deine Wahrheit ist liebenswürdiger als alles!

Die Weisheit ist ein Geschenk des Heils,
Sie spendet das Charisma weiser Predigt,
Frommen Gesanges und kluger Lehre.
Sie ist die Eigentümerin eines Hauses
Mit hohen Toren und starken Säulen.
Sie ist Sprecherin frommer Weisheit
Und Sängerin heiliger Psalmen.
Sie ist die Herrlichkeit des Herrn
Und ist die Weisung des einzigen Gottes.

Wer singt mir das goldene ABC
In stark erotischer Sprache
Vom verliebten Weisheitssucher
Und der geliebten Weisheit,
Wie sie sich finden
Und sich lieben!

Wer singt das bittere Lehrstück
Über die Verführungskünste
Der Dirne oder der fremden Frau?
Wer singt von den sexuellen Reizen der fremden Frau,
Der Verführerin, in deren Haus die Totengeister hausen?
Wer singt von dem üblen Geschwätz der Frau Torheit?

Ich habe keine Kraft mehr,
Um vor ihr, der Weisheit, zu stehen!
Wer erträgt es, vor Gottes Engeln zu stehen,
Die mit feurigen Flammen richten,
Die die heiligen Geister Gottes sind?

Ihr Menschen, wehe!
Der Mensch sprosst wie Gras aus der Erde,
Seine Tugend blüht wie eine Blume,
Da setzt sein Atem aus,
Seine Blätter verwelken,
Der Wind trägt seinen Blumenduft weg
Ins Nichts,
Verschwunden ist er und vergangen!
Er wird nicht mehr gefunden,
Denn der Mensch ist ein Hauch.
Man wird ihn suchen, aber nicht finden,
Es gibt keine Hoffnung mehr auf Erden.
Der Mensch, was ist er?
Wie ein Schatten sind seine Tage auf Erden.

Jetzt aber, hört mir zu, meine Freunde!
Gebt acht auf mich, ihr Kinder!
Werdet weise aus der Kraft!
Erinnert euch der Wunder, die Gott gewirkt,
Und zittert vor seinem Schrecken!
Handelt nach seinem Wohlgefallen
Und unterwerft eure Seelen seiner Gnade
Und sucht euch einen guten Weg ins Leben
Und eine Straße in die Freude!
Warum gebt ihr eure Seele einem Nichts hin?

Selig ist der Mensch,
Dem SIE gegeben wurde!
Laß nicht die Bösen sich rühmen und sagen:
Sie wurde mir nicht gegeben
Und deshalb bin ich so töricht!
Mit gerechtem Maß misst Gott
Sie den Gotteskindern zu,
Seine Kinder wird Gott erlösen!
Aber er wird alle Menschen töten!
Wohl den Menschen, die dann sagen können:
Wir haben SIE gefunden!

Suche SIE
Und finde SIE
Und halte dich fest an IHR
Und erwerbe SIE
Und lebe mit IHR die Tage deines Lebens,
Das ist Fett für dein Fleisch
Und Freude für dein Herz wie Wein!
Gottes Wohltaten sind IHRE Jugend
Und Heil für alle schönheitsdurstigen Seelen!

Selig der Mensch, der SIE erlangt!
Selig der Mensch, der sich nicht abgewendet von IHR!
Suche SIE nicht im Irrtum
Und umgarne SIE nicht mit eitler Schmeichelei!
Wie SIE den Patriarchen gegeben wurde,
So wirst du SIE erlangen
Mit aller Kraft des Herrn
Und aller Macht der Liebe Gottes
Und Gott wird seinen Söhnen geben – SIE!


ZWEITER GESANG



Ich ging hinab in den Walnussgarten!
Dies ist die Tiefe des Chariot!

O die Gloria auf dem Chariot!

Ich ging hinab in den Walnussgarten,
Dies ist die Tiefe des Chariot!

Die Nuß hat eine grüne, bittere Schale,
Die Nuß hat eine hölzerne Schale aus zwei Bechern.

Wisse, der Umkreis der vier Gestalten ist rund wie die runde Nuß,
Zwei Schalen hat die Nuß.

Und die Frucht ist im Innern.
Und im Innern sind vier Kammern,
Zwei Kammern in der einen Schale
Und zwei Kammern in der andern Schale.
Und zwischen diesen Kammern ist eine dünne Scheidewand.

In Richtung des breiten Endes der Nuß
Ist eine Art von leerem Raum,
Ein Raum der Leere in der Frucht
Zwischen den vier Kammern.

Unten, auf einer Kante, da ist eine Art
Von Membrum virile,
Von daher saugt es die Bitterkeit der Schale.

So der Umkreis des Feuers umgibt
Den maskulinen Elektrum und den femininen Elektrum,
Zwei Typen von klarem Glanz,
Brillianten, klares Feuer auf der einen Seite
Und die Erscheinung von weißem Hagel auf der andern Seite.

In der Hälfte des Jahres
Ist die Temperatur des Wetters heiß
Und die andere Hälfte des Jahres kalt.
Diese zwei Typen des Lichtkreises
Sind umschrieben von einem grünen Glanz,
Der Glanz geht ein in die dicke Wolke.

Da sind zwei Seraphim,
Einer auf der Seite des klaren Feuers
Und einer auf der Seite des weißen Hagels.
Und keinem Engel ist es gestattet, näher zu treten.

Die äußere Schale der Nuß, die bittere, grüne,
Korrespondiert mit dem grünen Lichtkreis.

Und weil da zwei große Schalen wie Becher sind,
Muß die äußere Schale die bittere sein,
Und man tritt ein durch die Öffnung
Zur Spitze des Kernes.

Darum findet man keine Würmer in der Nuß,
Denn der Kern saugt an der Schale,
Der Kern saugt an der bitteren, grünen, äußeren Schale.

Schält aber einer die äußere bittere Schale vom Kern,
Bevor der Kern gereift ist,
Dann werden Würmer im Kern gefunden werden.

Bricht einer die Schale auf,
Wenn die Nuß noch am Nussbaum hängt,
Dann entwickeln sich Würmer im Kern.

Da sind neun Blätter an jedem Zweig des Nussbaums.

Und ich habe empfangen die Lehre:
Wenn Kinder Würmer im Magen haben,
Wenn man dann die Schale der Walnuß kocht,
Dann werden die Würmer fliehen oder sterben.

Nun hab ich dir eine Tür geöffnet
Zum Verstehen in deinem Herzen.

Ich ging hinab in den Walnussgarten.

Sein großes Feuer
Ist wie eine Nuß,
Weit auf seinem Gipfel,
Die Schale nahe der Erde.

Die Schalen der Nuß haben Ähnlichkeit
Mit einem Membrum virile
Auf der einen Seite und auf der andern Seite
Mit etwas Femininem.

Wie die äußere grüne Schale
Ist ein blitzendes Feuer
Von dem Lichtglanz vor Ihm
Wie die Erscheinung von Feuerpfeilen
Oder leuchtenden Fackeln,
Du siehst eine weiße Flamme!

So sind die Cherubim
Des höchsten Feuers.
So geht die Rede von den vier Gestalten,
Die Häupter und die Hörner der Gestalten
Korrespondieren mit den Cherubim,
Die oben auf dem Gipfel weit sind
Und unten flach.

Die äußere Schale ist gelb wie Wachs,
Das ist die Schale, die abfällt,
Denn, siehe, ein Wirbelsturm kam!
Ein Wirbelsturm kam vom Norden!

Die Nuß, wenn ihre erste Schale abfällt,
Ist die Manifestation des großen und starken Sturmes,
Denn siehe, ich sah, und was ich sah,
War ein starker Sturm aus dem Norden!

Neben der einen grünen Schale
Sind zwei Schalen wie Becher aus Holz,
Das ist die große Wolke
Von Feuer und Hagel,
Denn Feuer und Hagel sind wie zwei Becher.
Siehe, er machte Pavillions der Dunkelheit!

Wenn die Nuß austrocknet,
Ist es wie eine große Wolke,
Gleich wie Hagel und Feuer,
Denn Er macht Pavillions in der Dunkelheit
Gleich einem einzigen Pavillon.

Wenn die Walnuß frisch ist,
Ist es wie die Sammlung von Wassern,
Dicken Wolken am Firmament,
Korrespondierend mit den beiden Schalen,
Wie die beiden Schalen
Ist Sein Pavillon.

Siehe, da sind drei Schalen
Und eine dünne Schale in der Mitte der Nuß.
Da ist die grüne Schale, die mittlere Schale und die dritte,
Und da ist eine andere, dünne Schale in der Mitte der Nuß.

Und die Frucht wird im Innern gefunden.
Denn aus der Mitte heraus
Erscheinen die vier Gestalten.

Die Frucht ist im Innern.
Sammle die Wasser aus den dicken Wolken des Himmels!
Eine Schale für vier Kammern!
So hat die Nuß vier Häupter
Wie die vier Gestalten, wie die vier Räder.

Und wenn die Walnuß frisch ist,
Hat der Kern zwei Schalen aus Feuer.
Aus dem Lichtglanz vor Ihm
Erscheinen Hagel und Feuer
Und durchbohren seine Wolken!

Ist die Walnuß frisch,
So hat der Kern auch seine Schalen,
Jeder Kern aber ist wie inneres Feuer,
Jedes Kernes Feuer ist ein Inneres,
Und jeder Kern und jedes Kernes Urbild
Ist wie ein doppeltes Feuer
Von weißem Hagel und glühender Kohle
Aus der Mitte der Brillanz vor Ihm!

Da sind die drei Schalen,
Die eine bittere Schale
Und die beiden, die sich im Innern berühren,
Die sich berühren im Innern der Nuß.

Da war ein großer und mächtiger Sturm,
Aber der Herr war nicht im Sturm!
Das ist die eine äußere Schale,
Die ist wie eine große dicke Wolke,
Aber der Herr war nicht im Beben der Erde!

Die zwei Schalen, die sich im Innern berühren,
Sich berühren im Innern der Nuß,
Sind wie das blitzende Feuer.
Aber der Herr war nicht im Feuer!
Das ist die dritte Schale, die die zweite Schale berührt.
Das ist das blitzende Feuer.

Aber die allerinnerste Schale,
Die fein ist wie eine Haut
Und einer Scheidewand gleicht,
Ist wie ein sanftes Flüstern,
Ein wehendes Lispeln,
Ein süßes Schweigen.

Ein gelber Glanz
Und eine grüne Farbe
Umgeben den Glanz.
Dies ist die außere Schale der Nuß,
Die gelb ist wie Wachs.

Und von Innen kommt ein blitzendes Feuer,
Die Erscheinung der vier Gestalten,
Das sind die vier Kammern im Innern der Nuß.
Zwei Kammern in einer Schale
Und zwei Kammern in der andern Schale
Und zwei Jahreszeiten in einer Jahreshälfte
Und zwei Jahreszeiten in der anderen Jahreshälfte,
Aber ein einziger Stern!

Die rote Schale und der rote Stern!
Die äußere Schale ist rot
Wie das Rot in der Iris.

Aber die vier Gestalten
Hatten menschliche Figuren.

Als der Mensch geschaffen ward,
Ward er mit zwei Angesichtern geschaffen,
Mit zwei Angesichtern und zwei Armen.

Und die Gestalten hatten die Figuren von Menschen.

Wenn der Mensch sich bewegte,
So bewegten sich der Löwe, der Stier und der Adler.

Aber es bewegten sich nicht die feurigen Rosse
Vor dem brennenden Chariot!

Und der Kern der Nuß hat vier Angesichter,
Und der Kern der Nuß hat vier Häupter,
Und darum sind da auch vier Flügel in der Nuß,
Und darum sind da auch vier Kammern
Entsprechend den vier Flügeln,
Für jede der Kammern ein Flügel.

Alles in allem sind es zwölf,
Zwölf Myriaden zwischen den Flügeln,
Von Flügel zu Flügeln der Abstand
Ist zwölf Myriaden lang!

Und ihre Schenkel waren stark
Und waren wie Schwingen!
So ist es auch im Innern der Nuß.

Und die Hände des Menschen!

Jede Kammer ist geteilt in zwei Hälften,
Entsprechend ihrer zwei Schwingen,
Ihrer zwei Hände und ihrer zwei Schwingen!

Und der Stiel ist in beständiges Stück!
Und der Thron ist im Medium der Mitte der Nuß!
Und die Mitte des Stieles der Schale
Korrespondiert mit dem Thron,
Dem Thron von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit!

Ein starker Stiel,
Das ist der Thron,
Das Zentrum okkupierend.
Und im Einschnitt des starken Stieles der Schale
Ist es wie der Thron,
Der Thron von Gericht und Gnade!

Die Schale ist zwischen den vier Häuptern der Nuß.
Die vier Häupter der Nuß sind die vier Gestalten.
Die vier oberen Häupter der Nuß die vier Gestalten,
Die vier unteren Häupter der Nuß die vier Cherubim.

Und die Nuß ist rund!
Die Erscheinung und die Struktur der Räder des Chariot
Glüht wie Beryll!

Und die sanfte Schale berührt die Frucht!
Rad dreht sich in Rad!

Und die Außenseiten des Kernes
Berühren die äußere Schale,
Rot und Grün und Gelb,
Wie die Iris!

Und die äußere Schale erscheint wie Fackeln,
Wie wenn man von weit eine Fackel erschaut
Mit einer weißen Flamme,
Wie die grüne Schale des Kernes.
Es wandelt zwischen den vier Gestalten.

O die Schale, die das Medium ist,
Das Medium zwischen den vier Häuptern der Nuß!
Vier Häupter der vier Kammern
Über den vier Gestalten
Und vier Häupter der vier Kammern
Unter den vier Cherubim!

Und die Nuß ist rund, und es steht geschrieben:
Die Erscheinung und Struktur der Räder
War wie Glanz von Beryll.

Und die Höhe des Kernes der Nuß
Entspricht der Höhe des Himmels.

Und die Kammern der Nuß
Entsprechen den Gemächern in dem Palast des Himmels,
Den neun Ordnungen in der Glorie!

Vier Kammern sind es,
Vier Flüsse von Feuer,
Vier Cherubim und vier Räder
Und eine schwarze Schale, die den Kern teilt.
Und so wie der Kern hohl ist,
So ist die Unterseite des Thrones hohl.
Und von der Unterseite des Thrones
Ist eine Tür in den leeren Raum,
In die hohle Leere der Sphären,
Das ist wie eine Truhe,
In der gebündelt ruhen die Seelen der Gerechten!

Und die Nuß ist wie Silber, wie Bronze.
Die Nuß hat fünf Segmente alles in allem,
Vier feminine
Und ein Membrum virile.

So ist die Nuß.
Und die Nuß ist in der Iris.
Was erschien wie seine Lenden,
Da war ein Glanz wie Elektron.
Da sind fünf Kammern,
Vier Kammern, maskuline und feminine!

Da sind vier Gestalten
Und eine Gestalt ist über ihnen.
Am zweiten Tag der Schöpfung nach der Schrift
Wird viermal das Firmament besungen
Und einmal wird das Firmament Himmel genannt.
So, vor dem Thron der Glorie
Sind vier Ebenen und eine ist fein und erhaben.

O die Erscheinung des Thrones!
Eins, die Gestalt auf dem Thron!
Zwei, die Erscheinung wie Saphir!
Drei, der Raum des Thrones!
Vier, dies ist der Raum meines Thrones
Und der Schemel meiner Füße!

So sind die vier Sphären des göttlichen Hauptes,
Denn mein Haupt ist feucht von Nachttau!
Sein Haupt ist feines Gold!
Ein Helm von Triumph ist auf seinem Haupt!
Ah, wenn ich nicht die Jungfrau Jerusalem
In meinem Herzen bewahrte
Selbst in meiner glücklichsten Stunde...!
Und das Haar seines Hauptes war wie weiße Lammwolle!

Sie sind ein graziöser Kranz auf deinem Haupt
Und ein liebliches Kettchen um deinen Hals!
Laß Treue und Tugend nicht von dir weichen,
Sie geben das Leben deinem Geist
Und Grazie deiner Kehle!
Binde sie wie ein Kettchen um dein Herz,
Wie ein lichtes Kettchen um deinen Hals!
Trage sie wie einen Ring an deinem Finger!

Wenn du trägst den heiligen Schmuck der Tochter Zion,
So steht auf dir geschrieben der Name
Der makellosen Freundin!



DRITTER GESANG

Das Reich ist gleich einem König und seiner jungen Tochter.
Bis die Tochter aufwuchs und volljährig wurde,
Sprach er immer mit ihr auf der Straße
Und in allen Gassen.
Als sie jedoch groß und volljährig wurde
Und ihre Brüste straff geworden waren
Und ihr Schamhaar gesprossen,
Sprach er: Es schickt sich nicht
Um der Würde meiner Tochter willen,
Mit ihr in aller Öffentlichkeit zu sprechen.
Baut ihr darum eine Gartenlaube,
Ich spreche mit ihr dann in der Gartenlaube.
So steht es geschrieben:
Als sie ein Kind war, liebte ich sie.

Sie spricht: Mich hat der König gemacht
Als Erstlingin seines Schaffens,
Als Erstes seines Gezeugten.

Wo immer der Gottessohn in der Verbannung war,
Der verbannte Sohn Evas,
Da war die Tochter Gottes mit ihm.
Als er in Ägypten war in Gefangenschaft,
War die Tochter Gottes mit ihm,
Als er in Babylon war in Verbannung,
War die Tochter Gottes mit ihm.

Wer demütig ist und anerkennt,
Daß er Fleisch ist und von der Erde,
Der wird erlangen durch seine Demut,
Daß die Tochter Gottes mit ihm ist
Mitten unter den Menschen dieser Erde.
Ein Stolzer aber in seinem Hochmut
Entweiht die Mutter Erde
Und zwingt die Tochter Gottes,
Sich still und heimlich zu entfernen.

Warum hat der Ewige einst
In einem Dornbusch sich offenbart
Als verzehrendes Feuer?
Wir lernen daraus, dass kein Ort der Erde
Ohne die Tochter Gottes ist.

Fragt der Kaiser mich aber:
Du sagst, sind zwei oder drei beisammen,
Si weilt die Tochter Gottes unter ihnen,
Wie viele Töchter Gottes gibt es denn?
Ich sage: Die Sonne erleuchtet die ganze Welt.
Wenn die Sonne allein
Inmitten der vielen astralischen Körper
Die ganze Welt erleuchtet,
Um wie viel mehr dann die Gottheit!

Das Reich ist gleich einem König,
Der eine gute und schöne Tochter hatte,
Anmutig und vollkommen,
Und er vermählte sie einem Prinzen,
Kleidete sie mit feiner Seide
Und gab ihr Diademe und Spangen,
Kettchen und Ringe und Talismane
Und gab sie dem Prinzen zur Frau.
Kann der König aber ohne seine Tochter leben?
Nein, der König kann nicht ohne seine Tochter leben!
Kann er Tag und Nacht mit ihr zusammen sein?
Nein, er kann nicht Tag und Nacht mit ihr zusammen sein!
Was macht er? Er macht ein Fenster,
Ein Fenster zwischen sich und ihr.
So oft nun die Tochter den Vater braucht
Oder der Vater die Tochter braucht,
So kommen sie am Fenster zusammen.

Das Reich gleicht einem König,
Der sich im Innersten der Gemächer befand,
Und die Zahl der Gemächer
War dreiunddreißig,
Zu jedem Gemach gab es einen Weg.
Ziemt es dem König, dass alle
Auf allen Wegen seine Gemächer betreten?
Nein, das geziemt dem König nicht.
Ziemt es sich für den König,
Seine Perlen, Juwelen, Edelsteine und Schätze
Gar nicht öffentlich zu zeigen?
Nein, das geziemt dem König nicht.
Was tut der König? Er nimmt die Tochter
Und fasst in ihr alle Wege zusammen,
In ihr und in ihren Kleidern,
Und wer das innerste Gemach betreten will,
Muß schauen zu der Tochter.

Was heißt aber dies:
Gepriesen sei die Schönheit des Ewigen
An dem Ort ihrer Ruhe?
Das heißt, dass keiner den Ort ihrer Ruhe kennt.
Das ist gleich einer Prinzessin,
Die aus fernen Ländern kam,
Und niemand wusste, woher sie gekommen,
Bis alle sahen, dass sie eine schöne und starke Frau war,
Eine ausgezeichnete Frau in allem, was sie tat.
Da sprachen die Menschensöhne: Wahrlich, wahrlich,
Diese Frau stammt aus dem Licht,
Denn durch ihr Dasein wird die Welt licht!
Da sprachen die Menschensöhne: Wer bist du
Und woher kommst du?
Da sprach sie: Ich bin die Schönheit des Ewigen
Und komme aus meinem Ort der Ruhe.
Da sprachen die Menschensöhne: Die Seligen droben
An dem Ort deiner Ruhe
Sind sicher von großer Seligkeit erfüllt!
Gepriesen sei die Schönheit des Ewigen
Und gepriesen sei der Ort ihrer Ruhe!

Wer ist aber die Schönheit des Ewigen?
Es war ein König, in dessen Gemach war die Königin,
An deren Schönheit sich alle seine Heere entzückten,
Und der König und die Königin
Hatten Söhne, das waren die Gottessöhne.
Die Gottessöhne kamen täglich zum König und sprachen:
O König, wo ist unsre Mutter?
Da sprach der König zu den Gottessöhnen:
Ihr könnt die Mutter jetzt nicht sehen.
Da sprachen die Gottessöhne:
Gepriesen sei unsre Mutter, wo immer sie ist!

Was ist Vereinigung von Mann und Frau?
Wenn der Mann und die Frau
Gemeinsam geheiligt sind
Und Heiligung begehren,
Dann allein werden sie eins genannt,
Ohne Makel vereinigt.
Darum sollen Mann und Frau

In der Stunde ihrer Vereinigung
Nur ein einziges Verlangen haben:
Der Mann und die Frau, sie sollen sich freuen
Und einer am andern ergötzen
Und sich durch Zuneigung fesseln.
So bilden sie gemeinsam
Eine einzige Seele und einen einzigen Körper.
Eine einzige Seele bilden sie
Durch die sympathetische Magie der Liebe
Und einen einzigen Körper bilden sie
Durch den Akt der Vereinigung.
Wenn Mann und Frau in heiliger Liebe vereinigt sind,
So wohnt die Gottheit in der Einigung
Und schenkt dem Augenblick des Einsseins
Die schöne Liebe des heiligen Geistes!

In dieser Stunde,
Da der Gottessohn die Vereinigung
Vollzieht des göttlichen Wortes
Mit vollkommener Ganzhingabe,
Bricht die Erleuchtung hervor
Aus der übersinnlichen Welt.
Diese Erleuchtung aus der göttlichen Sphäre
Trifft auf die Flamme der Dunkelheit
Und teilt sich in eine Vielzahl von Leuchten.
Diese Vielzahl von Leuchten
Werden Kerzen auf dem Baum des Lebens.
In diesem Augenblick verbreitet der Baum des Lebens
Als der Feigenbaum des Paradieses
Düfte in den Garten der Wonne.
Da erfreut sich der Meister an dem Duft.
In demselben Augenblick
Wird die schöne Braut geschmückt,
Um unter den Schleier des Himmelsbettes
Zum herrlichen Bräutigam zu treten.
Die himmlischen Glieder vereinigen sich
In dem einen und einzigen Wunsch,
In einer vollkommenen Ganzhingabe
Zu verschmelzen und ganz eins zu sein,
Ohne jegliche Trennung und Einsamkeit.
Dann wendet der herrliche Bräutigam
Der Braut die ganze Aufmerksamkeit zu,
Um mit ihr unterm Schleier des Himmelsbettes
Die Vereinigung zu vollziehen,
Sich mit der Braut zu vereinigen
Und zu verschmelzen in der Lust der Erkenntnis.
Darum, erwache zur Braut und sprich zu ihr:
Lausche, Geliebte, der Gottessohn kommt,
Bereite dich vor auf die Liebe!
Dein Bräutigam kommt
In Schmuck seiner Liebe und Weisheit,
Er ist bereit zur Liebe mit dir!
Der Ewige, unsere Gottheit,
Der Ewige, unsere Gottheit, ist Einheit!
In einer Liebesvereinigung
Und einer vollkommenen Ganzhingabe
Ohne Trennung und Einsamkeit
Sind alle himmlischen Glieder vereint
Und geben sich in Ganzhingabe hin,
Wenn der Gottessohn spricht:
Der Ewige ist die Einheit!
Der Bräutigam und die Braut
Vereinigen sich
Und werden eine einzige Ganzhingabe.
Da wird die Braut verschönert,
Geschminkt und geschmückt,
Ihre Freundinnen bringt sie auch
Zum herrlichen Bräutigam
Und sagt mit leise flüsternder Stimme:
Gelobt sei der Name der Schönheit des Himmels,
Gelobt sei der Name
Der Königin der Schönheit und Liebe
Von nun an und Ewigkeit um Ewigkeit!
Dies ist geflüstert,
Denn flüsternd kommt die Braut
Dem Bräutigam entgegen.
Selig sind die Menschen, die dies erkennen
Und den erhabenen Dienst an der Liebe
In gläubiger Liebe und Erkenntnis vollenden.

Das Reich ist gleich einem König,
Der zürnte mit seiner Braut
Und sie für einige Monde
Aus seinem Palast verstieß.
Als aber die Monde vergangen waren,
Erschien die schöne Braut
Erneut vorm König.
Und so geschah es wohl dreimal.
Dann wurde sie aber entfernt
Aus dem Palast des Königs
Und verstoßen auf lange Zeit,
Wohl manche Jahre vergingen,
Da sprach der König: Diese Zeit
Ist nicht wie die andern Zeiten,
Sie soll wieder vor mich treten
Mit allen andern Mägden meines Palastes,
Ich will von neuem um sie werben.
Als der König zur schönen Braut kam,
Fand er sie auf der Erde liegen.
Wer sah da nicht die Glorie dieser Braut
Und das Verlangen des Königs,
Sie wieder aufzunehmen?
Er nahm sie bei der schlanken Hand
Und richtete sie auf
Und ließ sie kommen in seinen Palast
Und sprach zu ihr: Geliebte,
Ich werde mich nimmer von dir trennen,
Ich werde dich immer lieben
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Komm, Geliebter, Dodo, komm,
Geh der Braut entgegen, der fleckenlosen Freundin,
Die Königin wollen wir empfangen!
Gedenke der ewigen Ruhe in einem Wort,
Das der Ewige uns vernehmen ließ,
Einheit ist der Ewige
Und sein Name ist der einzige Name
Zur Glorie und zur Schönheit und zum Ruhm.
Der Königin lasst uns entgegengehen,
Sie spendet den Segen,
Vor Anbeginn der Schöpfung ward sie gekrönt,
Die Krone der Schöpfung ist Sie,
Die Erste im Plan der Schöpfung.
Tempel und Stadt des Königs,
Erhebe dich aus deinen Trümmern,
Du warst lange im Tal der Tränen,
Lange im Jammertal warst du,
Nun erbarmt sich der Ewige über dich.
Schüttle den Staub ab, erhebe dich,
Zieh die schönsten Kleider an,
Durch den Sohn Davids aus Bethlehem
Naht deiner Seele der Heiland!
Erhebe dich, erhebe dich,
Denn gekommen ist das Licht,
Steh auf, steh auf,
Die Schönheit des Ewigen wird offenbar.
Du musst nicht in Scham erröten.
Was bist du so traurig, meine Seele,
Was stürmst du in mir, meine Seele?
Die Armen Gottes sind in den ewigen Armen geborgen.
Die Stadt soll wieder aufgebaut werden.
Die dich plünderten, sollen geplündert werden.
Fern von dir sind deine Verderber.
Wie der Bräutigam sich ergötzt an der Braut,
So wird Gott sich an dir ergötzen!
Nach rechts und links wirst du schreiten
Und rühmen die ewige Gottheit Elohim!
Mit der Hilfe des Sohnes Davids
Wollen wir frohlocken und jauchzen!
Eine starke Frau ist eine Krone des Mannes,
Ja, in Jauchzen und Frohlocken
Kehre die Braut ein bei den Treuen!
Ja, komm, geliebte Braut, ja komm, o Braut!

Alle Seelen im Universum,
Gehaucht vom Munde des Ewigen,
Sind eins in einem Mysterium.
Wenn sie herabsteigen auf die Erde,
Trennen sie sich in Mann und Frau,
Nachdem sie zuvor als Mann und Frau vereinigt waren.
Das Erwachen des Mannes für die Frau
Und das Erwachen der Frau zum Mann
Erzeugen die unsterbliche Seele
Und das Erwachen des Mannes für die Frau
Und sein leidenschaftliches Klammern an der Frau
Erzeugen eine unsterbliche Seele.
Der Mann erfasst die Leidenschaft der Frau
Und trägt die Leidenschaft der Frau
In einer Hochzeit von Himmel und Erde
Zu Gott als ein einziges Verlangen!
Die Frau wird vom Geist des Mannes schwanger.
Die Leidenschaft von Mann und Frau ist eins,
Ununterscheidbar eins im Geist der Liebe,
Das ganze All ist in dieser Liebe enthalten.
Wenn die Seele das himmlische Schatzhaus der Seelen verlässt,
Gehen Mann und Frau als Einheit heraus.
Sind sie herabgestiegen auf die Erde,
Trennen sie sich voneinander
Und geht jede an ihren Ort.
Der Ewige, Ruhm sei seinem Namen,
Vereinigt sie später!
Die Weisheit, das Paar zusammenzuführen,
Ist allein des Ewigen, Ruhm seinem Namen,
Denn der Ewige allein in seiner Weisheit weiß,
Welcher Mann und welche Frau zusammengehören
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Selig ist der Mensch, der rein ist in seinem Herzen
Und auf dem Weg der Liebe geht,
So wird seine Seele dereinst vereinigt
Mit der Seele, mit der er in Ewigkeit eins ist,
Wie im Anfang, so auch in Ewigkeit!
Gesegnet ist das Schicksal von Bräutigam und Braut!

Arm ist der Mensch, der denkt,
Die Göttin Byblia singe uns Märchen und Mythen.
Denn wenn wie Göttin Byblia Mythen sänge,
Könnten wir ja selber Mythen und Märchen singen
Und eine eigene Göttin Byblia uns erschaffen.
Da gibt es in den Griechen ja schönere Mythen
Und bei den Großmüttern süßere Märchen.
Dann folgen wir den Großmüttern und den Griechen
Und machen eine zweite Göttin Byblia.
Nein, in Wahrheit ist die Göttin Byblia
Ein heiliges Ur-Wort, ein tiefes Mysterium!
Himmel und Erde sind in Harmonie,
Das Gottesvolk auf der Erde
Und die Chöre der Engel im Himmel.
Der Ewige macht die Engel zu Boten.
Wenn die Engel auf die Erde kommen,
Umkleiden sie sich mit irdischer Hülle,
Sonst vermöchten wir ihre Schönheit nicht zu ertragen!
Ist dies schon bei den Cherubim und Seraphim so,
Um wieviel mehr bei der heiligen Göttin Byblia!
Die Göttin Byblia hat ja die Engel erschaffen
Und alle Sphären des Kosmos erschaffen.
Wenn die Göttin Byblia in die Welt kommt,
Würde sie sich nicht weltlich kleiden,
Wir könnten ihre feurige Schönheit nicht ertragen!
So sind die Märchen und Mythen
Die Kleider der Göttin Byblia.
Wer glaubt, Kleider und Schmuck seien schon die Göttin,
Der ist ein armer Narr!
Öffne meine Augen, o heiliger Geist,
Daß ich schaue, was unter den Kleidern ist!
Denn siehe, die Kleider sind allen sichtbar,
Nur Toren wollen nichts als Kleider schauen.
Aber die Schönheit des Kleides
Liegt in der größeren Schönheit des nackten Körpers!
Laß mich den nackten Körper der Göttin schauen!
Aber die Schönheit des nackten Körpers
Wird übertroffen von der heiligen Schönheit
Der schönen Seele der Göttin Byblia!
Geist, laß mich tiefe Blicke tun in die Seele der Göttin!
Der Körper der Göttin Byblia
Sind die Gesetze und Gebote.
Aber die Weisen, die vor dem brennenden Dornbusch gestanden
Und schauten das verzehrende Feuer Gottes,
Die schauen in die Seele der Göttin Byblia,
Das ist die wahre Göttin Byblia.
Aber in dem kommenden Zeitalter
Werden sie von Ewigkeit zu Ewigkeit schauen
Die Gott-Natur in der Seele der Göttin Byblia!


VIERTER GESANG

Rahel aber sprach zu Lea:
Gib mir die Liebesäpfel deiner Söhne!
Lea aber sprach zu Rahel:
Ist es dir noch nicht genug,
Daß du mir den Mann fortgenommen hast,
Willst du auch noch die Liebesäpfel meiner Söhne?

Der Liebesapfel, das sind die Tugenden aller Heiligen.
Die Pforten, an denen die Liebesäpfel hängen,
Sind die Doktoren der Kirche.
Die Liebesäpfel duften an den Pforten,
Weil die geisterfüllten Menschen
Den Duft ihrer Tugend verbreiten.

Nachdem aber Sulamith
In die Halle des Königs aufgenommen
Und zur Königshochzeit bestellt,
Da ward vom hohen Norden
Dem Bräutigam eine neue Braut zugeführt,
Ein Liebesapfel ohne Kopf.
Ihr setzte der Bräutigam eine goldene Krone auf,
So ward auch sie zur Hochzeit geladen.
Als aber Sulamith die Stadt verließ,
Fand sie die Liebesapfel-Braut
Kopflos auf dem Felde liegen.
Mitleid ergriff die schöne Sulamith
Und sie flehte den König an,
Sich der Elenden zu erbarmen.
Der König ging mit Sulamith aufs Feld
Und fand die Liebesapfel-Braut
In erbarmungswürdiger Nacktheit,
Kleidete sie
Und führte sie in sein Brautgemach.
Nun setzte er der kopflosen Braut
Ein goldenes Haupt auf,
Indem er seine Gottheit
Ihr im Glauben zu erkennen gab.
So wird sie gekrönt mit Glorie,
Er vermählte sich ihr im reinen Licht der Schau.

Wer die Braut hat,
Ist der Bräutigam.

Das Himmelreich gleicht den Jungfraun,
Die mit den Öl-Lampen
Dem Bräutigam entgegengingen.

Jetzt ist die Zeit gekommen
Nach dem Lied der Sibyllen,
Es beginnt von neuem eine Zeit,
Jetzt kehrt wieder die Jungfrau,
Es kommt das goldene Zeitalter wieder,
Jetzt steigen Himmelsmenschen aus den Höhen nieder!
Schau nur an die Geburt des göttlichen Kindes,
Welches den Anfang des goldenen Zeitalters bringt.

Kind, erkenne die Mutter
Und grüß sie mit lieblichem Lächeln,
Knabe, siehe, wem nicht die Mutter gelächelt,
Dem bereitet der Gott keinen Tisch,
Dem bietet die Göttin nicht ihr Bett!

Seele, du wuchsest heran
Und blühtest wie eine Jungfrau.
Deine Brüste wurde jugendlich straff
Und dein Schamhaar sprosste,
Du warst nackt!
Da ging ich vorüber
Und sah dich an
Und da war es die Zeit der Liebe.
Da breitete ich meinen Zipfel über dich
Und bedeckte dich
Und schloß einen Bund der Liebe mit dir
Und du wurdest ganz mein!

Kommt nun auf mich herab,
Ihr Worte der Weisheit,
Begattet mich,
Laßt euren Samen in mich fließen!
Wenn ihr die tiefgründige,
Fruchtbare und jungfräuliche Seele seht,
Geht nicht vorüber,
Ruft sie zu eurem Verkehr,
Erfüllt sie und schwängert sie!

Wir bereiten das Brautgemach,
Und jene, die in die Mysterien eingeweiht sind,
Werden bereitet zur pneumatischen Hochzeit,
Nachzuahmen die himmlische Hochzeit
Von Logos und Sophia!

Das Mädchen ist die Tochter des Lichts,
Der Abglanz des Königs wohnt ihr bei,
Erquickend ist ihr Anblick,
In Schönheit strahlt sie!

Ihr Brautgemach duftet
Von Myrrhe und Narde, Balsam und Aloe,
Rosenöl und Jasmin,
Drinnen sind duftende Rosen ausgebreitet,
Das Brautbett ist mit Schilf gekränzt,
Sieben Brautführer stehen an dem Bett,
Sieben Jungfraun führen sie zum Bräutigam,
Die tanzen vor ihr den Hochzeitstanz.
Zwölf Dienerinnen dienen ihr,
Die sind Sklavinnen der Tochter Gottes.
Sie richtet ihren Blick auf den Bräutigam,
Um durch diesen Anblick erleuchtet zu werden
Und auf ewig sein Freudenmädchen zu sein
Und seine Wonne der himmlischen Wollust!
Und sie werden bei der Hochzeit thronen,
Da werden sich die Heiligen und die Weisen versammeln.

Und sie werden zum Hochzeitsmahl sich versammeln
Und gewürdigt werden des gemeinsamen Kelches.

Sie trinken den mystischen Wein,
Der keinen Durst und keine Begierde erweckt,
Und sie preisen mit dem Heiligen Geist
Den Vater in Wahrheit und die Mutter Weisheit!

Die Weisheit kam nicht nackt zur Welt,
Sie ist gekleidet in Typen, in Ikonen.
Die Welt kann sie nicht anders empfangen.
Es gibt eine Geburt
Und eine Wiedergeburt im Zeichen.
Es ist wahrlich notwendig,
Wiedergeboren zu werden im Zeichen.
Es ist notwendig, dass das Zeichen sich zur Wahrheit erhebt.
Es ist notwendig, dass der Bräutigam und die Ikone
Eingehen in die ewige Weisheit,
Die die Wiederherstellung aller Schöpfung ist.
Der Herr bringt alles in Mysterien:
Eine Taufe, eine Salbung,
Eine Eucharistie, eine Erlösung,
Ein Brautgemach!

Nun kommt der Bräutigam
Nach dem Willen des ewigen Vaters
Zur Braut ins Brautgemach.
Der Bräutigam schmückte das Brautgemach.
Diese Hochzeit ist nicht wie eine fleischliche Hochzeit,
Wobei die, die sexuellen Verkehr mit einander üben,
Ihre sexuellen Wonnen aneinander haben.
Diese lassen die Wollust hinter sich
Und dienen einander in himmlischer Liebe.
Diese Vereinigung ist so, dass, wenn sie einander dienen,
Dann werden sie ein einziges ewiges Leben.

Die Matronita vereinigte sich mit dem König.
Durch die Vereinigung wurde
Ein einziger Körper.
Das ist der Segen dieser Stunde.
Was nur männlich und nur weiblich ist,
Ist nur ein Teil von einem Körper.
Es ist kein Segen an einem unvollkommenen Teil,
Nur an dem vollkommenen Ort ist Segen.
Die geteilten blieben nicht auf Dauer,
Die vereinigten bleiben ewig.

Als die Urgottheit alles schuf,
Schuf sie es in Gestalt von Mann und Weib.
Das war der Anfang alles Daseins,
Das mit Frau Weisheit begann,
Da ward Mann und Frau,
Nämlich die Weisheit als Frau
Und der Verstand als Mann,
Aus deren Vereinigung alles Sein entstand.

Es ward aus Morgen und Abend ein Tag.
Es ist keine Nacht ohne Tag, kein Tag ohne Nacht,
Sondern die Vereinigung zur Einheit bildet die Zeit.
So hat auch der Herr mit seiner Herrlichkeit
Sich in Liebe vereinigt,
So sind sie zusammen eins,
Wenn sie nicht getrennt sind.
Aber weil die Herrlichkeit in der Verbannung ist,
Kann sie nicht eins mit dem Bheherrn genannt werden.
Wann aber werden sie eins genannt?
Wenn die Herrlichkeit aus der Verbannung heimkehrt,
Um sich mit dem Herrn zu vereinigen.
Dann wird Gott eins sein und sein Name wird eins sein.
Eins ohne das andere aber wird nicht eins sein,.

Geh, mein Geliebter, der Braut entgegen,
Das Antlitz der Frau Sabbath empfange!

Bereite das Mahl des vollkommenen Glaubens
Zur Ergötzung des heiligen Königs,
Bereite das Mahl des mystischen Königs,
Dies ist das Mahl des glückseligen Granatsapfels!

Ich singe die Hymne vom Gang zu den Granatäpfeln,
Den Granatäpfeln, die heilig sind,
Wir rüsten dem Granatapfel jetzt einen Tisch,
Einen schönen Leuchter, der strahlt,
Zwischen rechtem Leuchter und linkem Leuchter
Kommt die Braut in kostbarem Schmuck und reizenden Kleidern.
Der Gatte umarmt sie in ihrem Grunde
Und schenkt ihr Erfüllung
Und presst ihr alle Kräfte aus!
Jammer und Elend sind aufgehoben,
Nun erscheint das selige Antlitz und die schöne Gestalt.
Es bringt ihr Wonne in doppeltem Maß,
Licht erstrahlt und Segenströme strömen!
Brautführer, führt die Braut herbei,
Süße Speise, Fisch und Eier,
Seelen zu zeugen und geistige Kinder!
Ich ordne nach Süden die mystische Kerze,
Dem Tisch mit der Speise geb ich im Norden Raum,
Mit dem Wein im Becher,
Umkränzt von Myrtenzweigen,
Dem Bräutigame und dem Verlobten
Zur Stärkung der Schwachen.
Ich flechte euch Kronen aus edlen Worten,
Zur Krönung der Myriaden auf zwölf Pforten!
Die Herrlichkeit sei umringt mit Sabbat-Broten
Und von allen Seiten mit dem Herrn vereinigt!

O der Stunde, wenn Mann und Frau vereinigt
In himmlischer Heiligkeit
Zur Richtung des Sinnes der Heiligung!
Wenn Mann und Frau in Liebesvereinigung
In der Richtung der Heiligung sind,
Dann wird die Menschheit vollkommen
Und eins genannt,
Ohne Makel des Wesens.
Darum soll der Mann in dieser Stunde
Sich immer seinem Wein vereinigen,
In personaler Einheit mit ihr,
Des Willens, des Verstandes, des Gefühls,
So sind sie beide auf ein einziges Ziel gerichtet.
Wenn sie so die Einheit finden,
Ist es Einheit der Seele und des Körpers.
Einheit der Seele
Ist Berührung des Willens der Liebe,
Einheit der Körper
Ist ein unabgespaltenes Menschendassein.
Wenn Mann und Weib sich vereinigen,
Wenn sie eine Seele und ein Körper werden,
Wird der Mensch eins genannt.
Auf solche Weise weilt die Urgottheit im Eins
Und senkt sich der Heilige Geist in die Einheit!

Entzücken fühl ich!
Was das Entzücken sei,
Sagt keine Menschensprache,
Sagt keine Engelszunge!

Komm, nach der meine Seele verlangt,
Begehrte und immer begehrt
Und ewig begehren wird!
Komm, Einsame, komm,
Komm zu dem Einsamen, komm,
Denn ich bin einsam, wie du siehst!
Komm, die du mich abgesondert
Und einsam auf Erden gemacht hast!
Komm, die du mein Verlangen geworden bist,
Die du gemacht hast, dass ich dich begehre,
Der zuzustreben keiner vermag!
Komm, du mein Atem und du mein Leben!
Komm, Trösterin meiner Seele!
Komm, Jubel und Herrlichkeit
Und unaufhörlich mein Ergötzen!
So schlage denn, Herrin Liebe, dein Zelt in mir auf
Und wohne mir bei,
Und scheide nie mehr von mir!

Glücklich die Seele,
Die so heiße Umarmung erfahren darf!
Es ist nichts andres als reine und heilige Liebe,
Zärtliche, süße Liebe,
Heitere, lautere Liebe,
Innige, starke Liebe,
Gegenseitige Liebe!
Die zwei sind in Einem Geiste vereinigt
Und so sind die zwei nicht zwei mehr,
Sondern die zwei sind Eines geworden!
Wer Gott anhangt, wird Eins mit Ihm!

O Jubel der Schau,
O Freude, o süßes Grüßen des Engels
Und glückliches Umschlingen!
Deine Wunder der Liebe, o Herr, haben mich betört,
Deine Gnade wirft mich in den Staub!
Verborgene Gottheit, Taube in der Felsspalte,
Nachtigall, verborgen in der dunklen Nacht,
Adler hoch am lichten Himmel erhaben!

Ich bin aus Liebe dein Gefangner,
Ich komme gern zu dir,
Ich will dich mit meinem Erbarmen krönen!
Überwinder der Sinnlichkeit bin ich!
Du kommst bald an einen Ort,
Wo all dein Elend ein Ende hat.
Der göttliche Strom, der von mir
In die Seelen fließt,
Der strömt auch in dich
Und strömt wieder aus dir hervor zu den anderen Seelen.
Ich komme zu dir, wie einer,
Der aus Liebe gestorben ist,
Ich komme, wie der Gemahl ins Brautbett,
Ich komme mit Begierde zu dir,
Ich komme wie einer, der große Geschenke gibt!

Nach manchen Stürmen ist mein Geist
Durch der Hölle Pforten gewandelt –
Lasse alle Hoffnung fahren –
Und bis in den innersten Schoß
Der gebärenden Gottheit
Und dort mit seliger Liebe umfangen,
Wie der Bräutigam seine Braut umarmt!
O ein Triumphieren des Geistes,
Unbeschreiblich ist es!
Das ist, als ob mitten im Tode das Leben
Geboren wird und ist gleich
Der Auferstehung des Fleisches!

Sophia schenkt sich,
Sie ist unbefleckt und makellos,
Der Mensch wird in Weisheit verwandelt,
Aber die Weisheit nicht in den Menschen verwandelt.
Keine irdische Schönheit einer schönen Frau,
Keine himmlische Schönheit einer Göttin,
Kein Umarmen einer Geliebten,
Keine sexuelle Vereinigung mit einem Wonneweibe
Läßt sich vergleichen mit der Ekstase
Der Vereinigung mit Sophia!
Solche Süßigkeit, solche Schönheit,
Solche Wonne und Wollust!
Wer leidenschaftlich lieben will,
Der liebe Sophia!
Er freie um Sophia,
Daß er zu ihr kommen darf!
Denn wie ein verliebtes Auge
Schmachtend und dürstend
Nach den Reizen des Körpers der Geliebten schaut,
So begehrt Sophia das schöne Herz des Menschen!

Die Seele hat solch ein unaussprechliches Gefühl,
Mit dem sie die Weisheit berührt
Und wie ein brennender Liebhaber
Leidenschaftlich umarmt!
Liebe Sophia,
Damit Sophia dich umarmt!
Die Leiber werden durch die Umarmung
Von Sinnlichkeit besudelt,
Aber die Seele umarmt die Weisheit
Und vereinigt sich mit Sophia
Und verschmilzt mit ihr in der Glut der Liebe!
So wird der Mensch geschwängert
Mit Heiligkeit und Reinheit!

Adam war ein Mann und war ein Weib,
Adam und Eva sind ein einiger Mensch!
Es ist die Liebeswesenheit des inneren Himmels,
Des mystischen Leibes Zelt,
In keiner Weise offenbar
Im eitlen Fleisch der Erde.
Am Jüngsten Tag des Weltgerichts
Soll der einige Mensch geschieden werden
Von dem nichtigen Fleisch der Erde
Und der Versuchung des Teufels.
Dann wird die eine Liebeswesenheit
Ineinander vermählt in Einem Körper sein
Und sind nicht mehr zwei Leiber, sondern einer!

Die Natur sehnt sich nach dem Ewigen
Und möchte gern die Vergänglichkeit los sein!
Daher ist das heiße Begehren
In dem Weib und in dem Mann,
Sich eins sehnt mit dem andern zu verschmelzen!
Das Fleisch versteht das nicht
Und auch der Gedanke erkennt das nicht,
Sondern es sind zwei kosmische Säfte,
Männlicher Saft und weiblicher Saft,
Die wissen im Innern darum.

Will die Seele nun Christi Lorbeerkranz erringen
Von der makellosen Jungfrau Sophia,
So muß er in brennender Liebesbegierde
Buhlen um die Buhlin!
Das ist die Blume von Scharon,
Die Rose im Tal,
Von der Salomo im Liebeslied gesungen
Und die er seine makellose Freundin nennt,
Die auch manch ein Heiliger nach ihm geliebt hat!
Wer die Jungfrau Sophia gewinnt,
Dem verheißt sie ihre Perle,
Dem verheißt sie mit keuscher Erotik,
Ihm im Paradies ihre Perle zu schenken
Und sich selbst ganz hinzugeben,
Um in Ewiger Wollust mit ihm zu verschmelzen!

Liebe Seele, sei freundlichernst
Und suche ohne Unterlaß!
Den Liebeskuss der makellosen Jungfrau Sophia
Empfängst du wohl im benedeiten Namen Jesu,
Sie wartet ja sowieso vor deiner Tür
Und klopft an und wartet darauf,
Eingelassen zu werden in deine einsame Wohnung.
So du nun ihre Liebe begehrst
Und verlangst nach ihrer Ganzhingabe,
So will sie dir zu Willen sein
Und dich küssen mit den lichten Strahlen
Ihrer süßen himmlischen Liebe,
Daß dein Herz vor Freude fast stirbt!
Aber in das Ehebett legt sie sich nicht sogleich,
Sondern prüft dich, ob du ihr treu bleibst,

Dann aber legt sie sich in das Ehebett zu dir
Und erweckt in dir dein eigenes Himmelsbild,
Den Menschen des Paradieses in dir!

Da wird ein kühner Freier erscheinen
Wie ein feuriger Löwe
Und im Bad mit der betauten Lilie vermählt!
Dann werden beide mit offenherzigen Flammen
Von einem Brautbett ins andre gewälzt!
Da erschien mir in bunten Farben
Die jungfräuliche Königin
In dem magischen Spiegel!
Sie ist die himmlische Medizin meiner Seele!

Durch Männlichkeit und Weiblichkeit
Wird das Werk vollzogen
Und erzeugt und gebiert den Ganzen Menschen!

Ich hatte eben mit meinem Herrn gesprochen
Und über die Mysterien nachgedacht,
Die mir Seine Majestät offenbarte.
Da stürmte ein solch gewaltiger Sturm daher,
Daß ich meinte, mein Haus stürze um!
Der Teufel kann mir nichts tun,
Ich blieb in meiner Meditation,
Bis mich jemand ganz sanft am Rücken berührte
Und mich zärtlich streichelte,
Da war ich so aufgewühlt, mein Herz pochte so heftig,
Ich traute mich kaum, zu schauen nach der Gestalt,
Da sah ich eine wunderschöne Frau,
Ihr Kleid war grünblau und geziert mit goldenen Sternen
Wie am Himmel geordnet
Am Tag der Makellosen Konzeption!

Vorüber ist der lange Schmerzenstraum der dunklen Nacht,
Sophia ist die Hohepriesterin meines Herzens!

Soll ich denn ewig getrennt sein?
Die Ahnung
Der Vereinigung in der Ewigkeit
Mit jener Geliebten, die ich hier schon schaute,
Aber noch nicht ganz mit ihr eins sein konnte,
Das ist nicht Rausch und Wahnsinn,
Das ist die Stimme des Genies!
Schauen werd ich, was mich unsterblich macht,
Schauen und erkennen werde ich jene
Geistige Frauenwürde,
Die hier nur einzeln erkannt wird.

Dann wird in Ewigkeit die Menschheit sein,
Was die verklärte Geliebte mir hier schon ist,
Vollkommene Grazie Gottes,
Keusch und erotisch,
Dann wird die höhere Erkenntnis
Nicht mehr verwechselt mit Rausch des Weines!

Das tiefe Mysterium ist nun offenbar
Und bleibt doch ewig unergründlich!
Aus Schmerzen wird das Paradies geboren,
Die Tränen werden in Asche aufgelöst
Und werden zum Becher des Elends,
Den Becher leerte ich ganz!
Ich fühle die süße Geburt in meiner Seele,
Das mystische Kind ist geboren,
Denn in mir wohnt die göttliche Mutter!


FÜNFTER GESANG


O Maria Genetrix!
O Mater Domini!
O Regina Coelorum!
O Stella Maris!
O Stilla Maris!
O Alma Mater!
O Stella Matutina!
O Rosa Mystica!
O Virgo Caelestis!
O Diva Claramontana!

Wie sind deine Schritte so schön
In den Sandalen, Prinzessin!
Der Bug deiner Hüften
Gleicht einem Geschmeide,
Dem Meisterwerk eines Künstlers!
Dein Becken ist ein runder Becher,
Nie mangelt ihm der würzige Wein!
Dein Leib ist ein Weizenbündel,
Umsteckt mit Lilienblüten.
Deine beiden Brüste sind Kitze,
Zwillingskitze einer Ricke!
Dein Hals ist ein Elfenbeinturm!
Wie bist du so schön und lieblich,
Du Liebe voller Wonne!
Deine Gestalt ist gleich der Palme,
Deine Brüste gleichen den Trauben!
Ich will die Palme besteigen
Und pflücken die Dattelfeige!
Deine Brüste sollen mir wie Weintrauben munden!
Der Duft deines Atems ist Minze!
Die Küsse deines Mundes, der scharlachroten Schnur,
Sind mir wie edler Glutwein,
Strömend in meiner Liebkosung,
Meine Lippen benetzend und meine feurige Zunge!

Die Geliebte jubelt:
Ich bin meines Geliebten
Und mein Geliebter ist mein!
Komm, wir wollen in den Garten gehen
Und nächtigen auf dem Lande!
In der Frühe brechen wir auf,
Zu schauen, ob der Granatbaum schon blüht!
Dort, unter Henna wollen wir schlafen,
Dort geb ich dir ganz meine Liebe hin!

Wie eine Blume im Garten laß ich dich wachsen,
Du bist herangewachsen, Geliebte,
Deine Brüste wurden voll
Und dein schwarzes Schamhaar kraus!
Du warst ganz nackt und bloß!
Da kam ich und sah,
Da war die Zeit der Liebe gekommen!
Da breitete ich über dich den Zipfel meines Rockes
Und bedeckte deine Nacktheit!
Ich schwor dir meine Liebe
Und schloß einen Pakt der Liebe mit dir!
Spruch Jehowahs:
Du bist ganz mein, Geliebte!

Maria wurde mit der Frucht des Paradieses gespeist!
Fatima ward aus den Feigen des Gartens Eden erschaffen!

Während der Nachtfahrt in den Himmel
Ward Mohammed – Friede sei mit ihm! –
Von Gabriel an der Hand genommen
Und geführt ins Paradies!
Dort hat der Engel dem Propheten
Dattelfeigen überreicht,
Mohammed hat die Früchte gespeist,
Sie wurden in seinen Lenden zu Samen!
Als der Prophet auf die Erde zurückgekommen,
Hat er seinem Weibe beigewohnt,
Die wurde schwanger mit Fatima!
Mohammed nannte Fatima darum
Menschliche Paradiesjungfrau!
Mohammed sprach: Immer,
Wenn ich mich nach den Düften des Paradieses sehne,
Rieche ich die Düfte Fatimas, der menschlichen Haura!

Das Licht vermählt sich dem Licht.
Vormund ist Gott,
Brautwerber ist der Engel Gabriel,
Verkünder ist der Engel Michael,
Zeugen waren die Engel des Himmels und der Erde.
Da gebot der Herr dem Paradiesbaum:
Streue die Feigen aus, dir an dir schaukeln!
Da streute der Paradiesbaum Perlen aus,
Rote Rubine und grüne Chrysolithe!
Und die Huris mit den schönen Augen
Sammelten ein die Perlen des Paradieses
Und schmückten sich mit den Perlen!

Am Tage des Jüngsten Gerichts
Wird Fatima kommen
Geritten auf einem Kamel des Paradieses,
Dessen Sattel aus weißen Perlen besteht,
Dessen Beine aus grünen Smaragden bestehen,
Dessen Schwanz aus duftendem Moschus besteht,
Dessen Augen zwei roten Hyazinthen gleichen.
Über Fatima erhebt sich eine Kuppel aus Licht,
Ihr Inneres ist die Allvergebung Gottes,
Ihr Äußeres ist die Allbarmherzigkeit Gottes!
Fatima trägt eine Krone aus Licht
Mit siebzig Ecken, in jeder Ecken sind Perlen,
In jeder Ecke sind rote Hyazinthen.
Rechts und links von ihr sind zehntausend Engel.
Gabriel führt das Paradieskamel am Zügel
Und ruft: Schließt eure Augen,
Bis Fatima vorübergezogen ist!


Im Paradies wohnt Fatima in einem Palast,
Der eine mächtige Kuppel aus roten Hyazinthen hat
Und hunderttausend Tore besitzt, die aus Perlen sind,
An denen tausend Engel stehen.
Den seligen Paradiesbewohnern erscheint
Der Palast der Fatima wie der Morgenstern,
Wie der Morgenstern am östlichen Horizont des Himmels!

Fatima ist die Glänzende, Schimmernde, Funkelnde,
Fatima ist die Leuchtende, Glitzernde, Glühende,
Fatima ist die Flammende, ist die Feurige, ist die Lichte,
Fatima ist die Herrin,
Herrin der Frauen im Diesseits und Jenseits,
Fatima ist die Allbarmherzige,
Fatima ist die Jungfrau, zu der Gott gesprochen
Durch den grüßenden Engel Gabriel,
Fatima ist die jungfräuliche Jungfrau,
Fatima ist die Reine,
Fatima ist die Herrin des Paradiesbaums,
Fatima ist die Schwester Marias,
Maria von Fatima ist die größte Maria!

Gott machte Marias Scham unzugänglich,
Da blies Gott ihr seinen Geist ein!
Maria ist die menschliche Paradiesfrau,
Madonna ist die menschliche Haura des Gartens Eden!

Als Fatima geboren ward,
Stand Sarah, Abrahams Herrin, am Wiegenbett,
Miriam, die Schwester des Mose,
Und Maria, die Mutter des Propheten Jesus,
Sie standen um das Wochenbett Chadischas,
Als sie Fatima gebar.

Im Himmel umgeben Chadischa und Fatima,
Sarah und Mirjam Prophetissa
Die allerseligste Jungfrau Maria
Wie verschleierte Paradiesfrauen!

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch,
Die in Minne flammenden Dichter
Preisen Fatima als den Schöpfer!
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch,
Die in Minne flammenden Dichter
Preisen die allerseligste Jungfrau Maria
Als Mutter des Schöpfers!

Die Huris warten in dem Paradiese,
Eine Haura wartet im Paradies auf mich!
Die Huris, das sind die Frauen, in deren Augen
Das Schwarze und Weiße besonders intensiv ist!

Der ins Paradies aufgenommene Mensch
Wird Gott nah sein in dem Garten der Wonne,
Auf golddurchwirktem Ruhebett wird er liegen,
Ewigjunge Knaben spazieren umher
Mit Kelchen und Bechern
Und Gläsern frischen Quellwassers,
Er wird kein Kopfweh haben vom Wein!
Früchte wird er speisen, wie er sie wünscht,
Und Geflügelfleisch nach seinem Wunsche speisen,
Woran er nur Lust hat,
Und wird sich ergötzen an der schönblickenden
Haura mit den Mandelaugen!
Sie ist einer aufgesparten Perle gleich!

In dem paradiesischen Garten
Wartet ein weibliches Wesen,
Das schüchtern die Wimpern senkt,
Von keinem Mann und keinem Engel beschlafen,
Diese Haura ist so schön, als sei sie
Aus reinen Korallen und Hyazinthen gebildet.

Der Gottesfürchtige hat nichts als Glück zu erwarten,
Den Garten Eden und schwangere Weinberge,
Haura, gleichaltrige Freundin,
Haura mit schwellenden Brüsten
Und einem immer wieder gefüllten Becher!

Haura ist aus Safran, Moschus, Ambra und Kampfer,
Hauras Augenbrauen
Sind schwarze Linien, auf Licht gezeichnet,
Hauras Stirn ist eine aufgehende Mondsichel,
Hauras Antlitz reflektiert das Licht Gottes!
Hauras Hände sind geschmückt mit Juwelen und Edelsteinen.
Haura wohnt in einem Paradiesschloß,
Das aus einer einzigen Muschelperle gebaut ist!

Die Wonne, die ich erleben werde mit Haura,
Ist hundertmal süßer als alle irdischen Wonnen!
Nach jedem Liebesakt ist Haura
Wieder makellose Jungfrau!
Keine üble Laune durch die Menstruation befällt Haura!
Haura wird mit mir trinken den Wein des Himmels!

Die Erscheinung Mariens:
Die Haare lang und schwarz!
Die Augen dunkel und glühend!
Die Haut bräunlich getönt!
Der Körper edel und vollkommen schön!

Maria ist auffallend schön
Und wohlgestaltet,
Unerreicht an lieblichem Liebreiz!

O sie ist in Wahrheit die Schönste aller Frauen!

Sie ist die minnigliche Morgenröte,
Sie ist der lichte Morgenstern, die wahre Venus!

Durch ihre Bitten gibt sie
Den Erschlafften Kraft!

Wie in der sammelnden Spitze
Einer Pyramide
Ist in Maria die brennende Sehnsucht
Aller Auserwählten und Seligen
Auf dem Höhepunkt angelangt!

Berauscht an Marienminne bin ich,
Ich kniee vor der Madonna,
Ein Milchstrahl aus ihrer bloßen Brust
Ergießt sich über meinen Mund!

Das ist es, was du suchtest,
Um was du seufztest,
Tag und Nacht in Gebeten ersehntest!
Bist du es, der dies versprochen wurde,
Oder sollen wir auf eine andere warten?
Ja, du bist es und keine sonst!
Du bist die Verheißene,
Die Erwartete, die Ersehnte!
Warum erwartest du von einem andern Menschen,
Was dir doch selbst angeboten wird?
Warum zögerst du?
Glaube, bekenne, nimm entgegen!
Öffne, selige Jungfrau, das Herz dem Glauben,
Die Lippen dem Bekenntnis,
Den Mutterschoß dem Schöpfer!
Siehe, der Ersehnte aller Völker
Pocht an die Pforte!
Was, wenn er vorübergehen müsste
Und du aufs neue schmerzvoll suchen müsstest?
Steh auf, Geliebte, und öffne!
Eile durch Ganzhingabe,
Öffne dich dem Bekenntnis:
Ja, ich will!
Ich bin die Sklavin!
Mir geschehe nach dem Wort!

Maria verhilft selbst einer Äbtissin
Zur schmerzlosen Geburt eines Kindes.
Maria legt sich neben Ehemänner
In das eheliche Bett,
Die Präsenz der Ehefrau vorzutäuschen,
Die beim Hausfreund im Bette liegen!
Maria schützt den Geistlichen segnend,
Wenn er zu seiner Konkubine schleicht!

Die Milch, die aus ihren bloßen Brüsten spritzt,
Heilt alle Wunden, auch Herzenswunden!

Ich bin der Sklave der Madonna,
Der Ritter der Minnedame,
Der Sohn der Gottesmutter!

O Maria, dich erwähle ich
Zu meiner Mutter,
Dich will ich besitzen, dich allein,
Als meine Braut, Vollkommenschöne,
Indem ich alles Irdische verschmähe!
Alle Regungen meines Herzens
Sollen streben zu dir!
Darum erhebe dich in deiner Wohlgestalt,
Schreite selig dahin
Und herrsche über meine Sinne,
Daß sie nicht den chaotischen Leidenschaften verfallen!
Herrsche über meine Phantasie,
Daß sie erfüllt wird mit deiner Schönheit!
Herrsche über mein Herz,
Daß alle Gefühle sich neigen zu dir!
Herrsche über meinen Willen,
Damit ich eifrig deinem Reiche diene!
O Madonna meiner Seele, sei meine Braut!
Als Zeichen deines Jaworts, Maria,
Erwarte ich nicht ein Wunder, allein die Gnade,
Daß ich nicht dem Chaos der Begierde verfalle!
Als Zeichen meines Verlöbnisses werde ich
Das Medaillon der Unbefleckten Empfängnis tragen,
Daß ich allezeit, am Tag und in der Nacht,
An meine süße Braut und Geliebte denke!
Da nun unter Brautleuten alles gemeinsam ist,
Laß mich teilhaftig werden deiner himmlischen Gnaden,
Zu deren Spenderin du bist bestellt,
Ich werde mich allzeit bemühen,
Deinen Ruhm zu mehren
Und die Liebe zu dir zu entfachen!

Wenn ich es wünsche,
Entblößt Maria die schönen Brüste,
Entblößt die Jungfrau die prallen Brüste
Und bespritzt mich mit süßer Milch!

Ihre beiden Brüste
Sind das alte und das neue Testament,
Ihre bloßen Brüste
Sind die Gottesliebe und die Menschenliebe,
Ihre prallen Brüste
Sind das Mitleiden und die Mitfreude!

Die eine Brust
Flößt Kindern Milch ein,
Die andre Brust
Flößt Weisen Wein ein!

Ich darf mich getrost an ihren Busen legen
Und saugen bis zur Sättigung,
Alle reinen Kräfte stehen offen,
Sie im paradiesischen Liebesspiel in sich zu ziehen!
In ihrer ganzen Beiwohnung ist eine selige Lust!
O reine Wollust, komm
Und besuche den deinen noch öfter
Und laß es ferner an Liebesreizungen nicht mangeln!
Würdige mich deiner Geheimen Beiwohnung immerfort...




DIE CHINESISCHE PHILOSOPHIE

1

China ist das Paradies
Der Weisen und der Dichter.

Vor zwei Millionen Jahren
Und dreihunderttausend Jahren
Schmiedete Pan Ku, der erste Mensch, das Universum.
Achtzehntausend Jahre lang hat er gearbeitet.
Sein Atem wurde zum Wind,
Seine Stimme zum Donner,
Seine Adern zu Flüssen,
Sein Fleisch zur Erde,
Sein Haar zu Gras und Bäumen,
Seine Knochen zu Metall,
Sein Schweiß zu Regen,
Die Insekten, die an seinem Körper klebten,
Wurden zum Menschengeschlecht.

Jeder der ersten Kaiser
Regierte achtzehntausend Jahre
Und versuchte, aus Pan Kus Insekten
Kultivierte Menschen zu machen.

Vor der Ankunft der himmlischen Herrscher
Waren die Menschen wie Tiere,
Kleideten sich in Felle,
Nährten sich von rohem Fleisch,
Kannten ihre Mütter, aber nicht ihre Väter
(Und das gibt’s heute noch).

Im Jahre zweitausend
Achthundert und zweiundfünfzig erschien
Der Kaiser Fu-Hsi.
Mit Hilfe seiner erhabenen Kaiserin
Lehrte er sein Volk die Ehe,
Die Musik, das Schreiben, die Malerei,
Das Fischen mit Netzen und das Flicken von Netzen,
Die Zähmung der Tiere,
Die Seidenraupenzucht.

Sterbend ernannte Kaiser Fu-Hsi
Shen-Nung zu seinem Nachfolger auf dem Thron.
Shen-Nung führte den Ackerbau ein,
Erfand den hölzernen Pflug,
Begründete Märkte und Handel
Und die Wissenschaft der Medizin,
Ausgehend von der Heilkraft der Pflanzen.

Der mächtige Kaiser Huang-Di beschenkte
Während seiner hundertjährigen Herrschaft
China mit dem Magneten
Und dem Spinnrad,
Ernannte die Historiker,
Errichtete erste Ziegelbauten,
Baute ein Observatorium zum Studium der Sterne,
Verbesserte den Kalender
Und verteilte neu das Land.

Yao regierte so gut,
Daß das chinesische Volk
Schon vom bloßen Anblick Yaos tugendhaft wurde.
Yao stellte außen an seinen Palast eine Trommel,
Damit die Menschen ihn rufen können,
Um ihre Beschwerden vorzubringen,
Und brachte eine Tafel an,
Daß die Menschen ihre Ratschläge aufschreiben
Für die Vervollkommnung seiner Regierung.

Yao war gütig und wohltätig wie der Himmel,
Weise und gerecht wie die Götter.
Von weitem strahlte er wie eine leuchtende Wolke,
Kam man ihm nah, so glänzte er wie die Sonne.
Er war reich, doch nicht überheblich,
Ein Kaiser, aber nicht verschwenderisch.
Er trug eine gelbe Kappe auf dem Kopf
Und trug ein dunkles Kleid,
Fuhr in einem roten Wagen,
Der von weißen Stuten gezogen wurde.
Sein Haus war schlicht und schmucklos.
Seine Nahrung bestand aus einer einfachen Suppe,
Er trank die Linsensuppe aus einer hölzernen Schüssel.
Er selbst war nicht mit Juwelen geschmückt,
Seine Kleidung war ohne Stickereien.
Er lauschte keinen Liebesliedern
Und keiner sinnlichen Musik des Südens.
Im Sommer trug er ein einfaches Kleid aus Leinen,
Im Winter trug er ein Hirschfell.
Und doch war er der Reichste und der Weiseste,
Der Langlebigste und der Geliebteste
Von allen Kaisern, die je regierten
Im blühenden Reich unterm Himmel.

Ihm folgte Shun,
Das Vorbild eines pietätvollen Sohnes,
Der Held, der geduldig kämpfte
Gegen die Fluten des Huang-He,
Er verbesserte den Kalender,
Brachte Gewichte und Maße in eine Norm,
Machte sich bei der Schuljugend beliebt,
Indem er die Länge der Peitsche kürzte.

Im hohen Alter setzte Shun
Seinen fähigsten Diener neben sich auf den Thron,
Yü, den Ingenieur.
Der regulierte die Fluten der neun Flüsse,
Durchbrach die neun Berge,
Bildete neun Seen.

Wenn es nach Yü gegangen wäre,
Wären alle Chinesen Fische geworden.

Zu Yüs Zeiten wurde der Reiswein entdeckt,
Aber Kaiser Yü warf den Reiswein zu Boden und sprach:
Der Tag wird kommen,
An dem das Reich der Mitte zugrunde geht am Reiswein!
Yü verbannte den Erfinder des Reisweins
Und verbot das Reisweintrinken.
Später erhoben die chinesischen Dichter
Den Reiswein zum nationalen Kultsymbol.

Yü aber gründete eine Dynastie,
Die Dynastie der Xia.
In der Xia-Dynastie galt noch das Mutterrecht.


2

Lao Tse kannte die Weisheit des Schweigens.

Szu-Ma Qian erzählt,
Wie Lao Tse,
Der Intrigen der Politiker satt
Und seiner Arbeit in der kaiserlichen Bibliothek von Chou,
Beschloß, China zu verlassen,
Um eine abgeschiedene Gegend aufzusuchen.
Als er die Grenze erreichte,
Sagte der Wächter Yin-Hsi zu ihm:
So gehst du also in die Einsamkeit!
Ich bitte dich, ein Buch für mich zu schreiben!
Da schrieb Lao Tse ein Buch in zwei Teilen
Vom Tao und vom Te,
Von der Weisheit und der Kraft,
In fünftausend Worten.
Dann ging er fort
Und niemand weiß, wo er gestorben.

Tao ist der Weg, die Weisheit,
Die Weisheit der Natur und des heiligen Lebens.
Es ist eine Art zu denken
Oder besser: Nicht zu denken!
Denn das Denken ist eine Kunst,
Gut zum Streitgespräch,
Dem Leben aber eher schädlich.
Man findet die Mutter Tao,
Die Ewige Weisheit,
Nicht durch den Intellekt,
Sondern durch ein heiliges Leben in der Stille,
Durch die Einfachheit
Und die Beschauung der Weisheit der Natur.
Denn Wissen ist nicht Weisheit.

Die Guten üben sich nicht in Redekünsten,
Die Redekünstler üben sich nicht in der Güte.
Laß ab vom Lernen
Und die Sorgen schwinden von selbst.

Auch das Schreiben ist eine unnatürliche Kunst
Und ein Einfluß des Teufels.
Der spontane Impuls des Volkes,
Des Volkes Lebensdrang
Und Wunsch nach Liebe,
Hält ungehindert von den Gesetzen der Herrschaft
Das Leben in Gang.

Der Alte Meister unterscheidet
Zwischen natürlicher Kultur
Und gelehrter Zivilisation.

Die Natur ist das Leben,
Der schweigende Ablauf der traditionellen Feste,
Die Ordnung der Jahreszeiten.

Die Natur selbst ist die Mutter Tao,
Der Weg und die Weisheit und das Leben.
Die Ewige Weisheit
Ist in jedem Bach, in jedem Stein, in jedem Stern
Als Spur geheimnisvoll offenbar.

Die Mutter Tao
Ist ein unpersönliches Weltgesetz,
Dem sich das Tugendgesetz des heiligen Lebens anschmiegt.

In Wahrheit sind das Weltgesetz der Ewigen Weisheit
Und das Tugendgesetz des heiligen Lebens eins.

Das menschliche Leben in seinem Rhythmus
Ist ein Teil vom großen Rhythmus,
Der die ganze Schöpfung durchpulst.

Die universale Mutter Tao
Vereinigt alle Gesetze der Natur
Und des menschlichen Lebens
Und ist die Ursubstanz des Seins.

Die Mutter Tao ist die Urform aller Formen
Und das Einig-Ein vor aller Zweiheit,
Sie ist das Absolute,
In welchem alle Teile ihre All-Einheit finden.

Im glückseligen Altertum
War das menschliche Leben einfach
Und friedlich
Und alle Welt war glücklich.
Dann aber erlangte der Mensch Erkenntnis,
Verkomplizierte sein Leben
Durch Kunst und Erfindung,
Verlor die geistig-moralische Unschuld,
Zog vom Land in die Städte
Und begann gar, Bücher zu schreiben!
Ach, da begann das Elend der Menschen
Und es flossen die Tränen der Philosophen!

Das Geheimnis der Weisheit
Und der stillen Genügsamkeit,
Die allein ein dauerhaftes Glück beschert,
Ist die Ergebenheit
In den Weg der Ewigen Weisheit,
Frei von allem Künstlichen
Und vom Verstand des Menschen.

Das Zeichen des vollkommenen Menschen
Auf dem Weg der Ewigen Weisheit
Ist die tiefe Stille,
Es ist die Art des philosophischen Nicht-Tuns,
Das Geschehenlassen des höheren Willens.

Wer nicht streitet mit den Menschen,
Mit dem vermögen die Menschen nicht zu streiten!
Vergilt die Feindschaft der Menschen
Mit der Tugend der Ewigen Weisheit,
Der Ursprungskraft der Mutter Tao!
Den Guten behandle gut,
Den Bösen behandle ebenfalls gut!
Den wahrhaftigen Menschen begegne in der Wahrheit,
Den unwahrhaftigen Menschen begegne in der Wahrheit!
So findet der Unwahrhaftige auch zur Wahrheit!
Das Weiche wird das Harte überwinden!
Nichts ist weicher und schwächer als das Wasser,
Doch das weiche Wasser bricht den härtesten Felsen!

Wie ihr vom Heiligen sprecht,
Dem Helden des Glaubens und der Güte,
So spricht Lao Tse vom Weisen,
Vom reifen und abgeklärten Geist,
Der zurückkehrt in die Einfachheit
Und das mystische Schweigen.

Das Schweigen und das Ruhen in der Stille
Ist der Anfang der Weisheit.

Der vollkommene Mensch
Spricht nicht von der Ewigen Weisheit,
Denn sie kann durch Worte nicht mitgeteilt werden,
Der vollkommene Mensch lebt die Weisheit
Und zeigt sie durch das Beispiel seines Lebens.

Wer die Mutter Tao kennt,
Der redet nicht,
Wer aber redet,
Der kennt die Mutter Tao nicht.
Wer die Mutter Tao kennt,
Der schließt den Mund
Und die Pforten der Wahrnehmungssinne.

Der vollkommene Mensch
Ist bescheiden.

Mit fünfzig Jahren
Kennt er die Grenzen seines Wissens.
Er weiß, dass alle Erkenntnis
Nur ein Stückwerk bleibt.
Weiß er mehr als andre,
So versucht er das zu verbergen.
Er mäßigt seinen strahlenden Glanz
Und sucht sich dem Staub der Weltlichkeit gleichzumachen.
Die Einfalt des Kindes steht ihm näher
Als die Klugheit der Belesenen.
Er hat aber auch nicht den Widerspruchsgeist
Des Neulings aus der Schule des Wissens.

Alles, was uns in der Jugend erfüllte,
Alles, wofür wir kämpft,
Alles verliert einst seine Bedeutung.
Wir ziehen uns zurück aus dem Kampf
Und werden den Kindern überreichen,
Was uns an Idealen geblieben!

Dann werden wir uns
Mit Lao Tse
In die Waldeinsamkeit zurückziehn
Nur mit Einem Buch,
In dem wir alle Weisheit finden,
Mit dem Buch von der Weisheit und Kraft Gottes!


3

Konfuzius liebte die Klarheit
Und Ehrlichkeit im Denken
Und im Ausdruck des Gedankens.
Wenn man sich durch seine Worte
Verständlich machen kann,
So ist das Ziel erreicht.

Was du weißt, das gelte als dein Wissen,
Was du nicht weißt, gelte als deine Unwissenheit.
Wenn du beides gelten lässt,
Besitzt du die Weisheit.

Du musst die Begriffe klären,
Einen unväterlichen Vater
Nenne nicht mehr Vater!
Einen nicht kindlichergebenen Sohn
Nenne nicht mehr Sohn!

Der Metaphysik ging er aus dem Weg,
Denn seine beherrschende Leidenschaft war
Die gute Lebensführung
Und die weise Herrschaft.

Er sprach gelegentlich vom Himmel und vom Gebet
Und lobte die Verehrung der Toten
Und das Opfer des Himmels.

Aber als Tse-Kung ihn fragte:
Besitzen die Toten ein Wissen?
Da gab Konfuzius keine Antwort.

Als Tse-Loo ihn fragte, wie man den Geistern dienen kann,
Da sprach Konfuzius:
Wenn ich den Menschen nicht diene,
Was frage ich danach, den Geistern zu dienen?

Als Tse-Loo ihn nach dem Wesen des Todes fragte,
Sprach der Meister: Wenn du das Leben nicht kennst,
Was fragst du nach dem Wesen des Todes?

Fan-Che frug: Was ist Weisheit?
Konfuzius sprach: Weisheit ist,
Die Götter ehren,
Den Dämonen fern bleiben
Und seine Liebe den Menschen erweisen.

Der Meister sprach nie von Magie
Und Dämonen der Natur.

Doch die Metaphysik des Konfuzius war
Die Einheit in allen Erscheinungen,
Die dauerhafte Harmonie
Zwischen dem Gesetz der Natur
Und der tugendhaften Lebensweise.

Seine größte Leidenschaft galt
Der Moral.
Das Chaos seiner Zeit erschien ihm
Als moralisches Chaos,
Herbeigeführt durch Schwächung des alten Glaubens
Und Ausbreitung eines Zweifels
An der Unterscheidung von Gut und Böse.

Konfuzius wünschte
Eine Revolution der Moral,
Ausgehend von der Restauration
Der heiligen Familienbande.

Wer die Natur der Menschheit heiligen will,
Der ordne den Staat.
Wer den Staat begründen will,
Der heilige die Familie.
Wer die Familie gründen will,
Der heilige sein Selbst.
Wer sein Selbst heiligen will,
Der verwirkliche die Ideen,
Der komme mit der Erkenntnis ans Ziel.
Das Ziel der Erkenntnis ist
Das Erfassen der Wirklichkeit.

Der Weisheit Anfang
Liegt im Innern des Menschen.
Grundlage der Gesellschaft ist
Der disziplinierte Mensch
In der Ordnung der heiligen Familie.

Tse-Loo befragte den Meister
Nach dem Wesen des Edlen.
Der Meister sprach: Er bildet sich selbst
Mit heiligem Ernst.

Der Edle ist
Zum einen ein Philosoph,
Zum andern ein heiliger Mensch.

Der Edle besitzt
Einen klaren Verstand,
Einen getrosten Mut
Und einen guten Willen.

Der Edle trauert um der Wahrheit willen,
Er trauert nicht wegen seiner Armut.

Der Edle ist vollkommen
Wie der Himmel vollkommen ist
Und sein Herz ist nicht eng.

Der Edle duldet kein Chaos
In seinen Worten.

Nicht allein Verkörperung ist er der Intelligenz
Und nicht nur ein Schriftgelehrter
Und nicht nur einer, der die Weisheit sucht,
Er besitzt die Vernunft
Und einen guten Charakter.

Die Grundlage seines Charakters
Ist die Wahrhaftigkeit.
Vollkommene Wahrhaftigkeit
Zeichnet den Edlen aus.

Der Vulgäre stellt Anforderungen an die Gemeinschaft,
Der Edle stellt Anforderungen an sich selbst.
Der Vulgäre fordert Gerechtigkeit für sich,
Der Edle ist gerecht zu allen.

Der Edle leidet,
Wenn er nicht genügend Fähigkeiten besitzt,
Er leidet aber nicht darunter,
Daß er nicht berühmt ist in der Welt
Und dass die Menschen ihn nicht verstehen.

Dennoch hasst er den Gedanken,
Die Welt zu verlassen,
Ohne einen bleibenden Namen zurückzulassen.

Der Edle benimmt sich so,
Daß seine Art und Weise
Jederzeit als Vorbild genommen werden kann.
Der Edle redet so,
Daß seine Worte
Jederzeit als Gesetz genommen werden können.

Was ist das Wesen der Tugend,
Fragte Chung-Kung den Meister, der sprach:
Was du selbst nicht wünschst,
Das tu du nicht den andern.

Tse-Kung den Meister fragte:
Nach welchem Wort kann man sein Leben gestalten?
Der Meister sprach: Nach dem Wort
Der allgemeinen Nächstenliebe.

Womit soll man Güte vergelten?
Güte vergelte man durch Güte,
Unrecht vergelte man durch Geradheit.

Der Grundcharakter des Edlen ist
Die überströmende Zuneigung zu allen Menschen.

Wenn der Edle einen Würdigen sieht,
So sucht er ihm gleich zu werden.
Wenn der Edle einen Unwürdigen sieht,
So prüft er sein eignes Inneres,
Ob er den gleichen Fehler auch noch an sich trage.
Wenn die Menschen ihn verleumden,
Achtet er nicht darauf,
Sondern ist höflich
Und leutselig allen Leuten gegenüber.

Aber der Edle ergießt sich
Nicht in uneingeschränktem Lob des Menschen.

Da er ein Werk zu schaffen hat,
Ist er fleißig in seiner Arbeit,
Das begründet seine Würde.

Selbst den Familienangehörigen gegenüber
Bemüht er sich um Höflichkeit.

Aber er wahrt einen gewissen Abstand
Sogar seinem Lieblingssohn gegenüber.


4

Mo Di war Philanthrop.
Sich von Kopf zu Fuß
Den ganzen Körper kahl zu scheuern,
Um der Menschheit zu helfen,
Dazu war er bereit!

Mo Di verurteilte Konfuzius
Und seine Lehre von den Familienbanden
Und wollte die Liebe in der Familie ersetzen
Durch allgemeine Menschenliebe.

Was ist das Fundament?
Man findet das Fundament
Im Studium der alten Weisen.
Wie gelangt man zu einem umfassenden Überblick?
Man prüfe die Erfahrung des Volkes.
Wie wendet man seine Erkenntnisse an?
Man führe sein Denken
In Gesetz und Herrschaft ein.

Mo Di wandte sich gegen Konfuzius
Und seinen unpersönlichen Himmel,
Mo Di betonte die Persönlichkeit
Des Vaters im Himmel.

Mo Di sprach: Die allgemeine Menschenliebe
Ist die einzige Lösung
Für jedes soziale Problem.

Wenn die Menschen sich lieben würden,
Würde der Starke den Schwachen nicht unterdrücken,
Würde der Arme vom Reichen nicht gekränkt,
Würde der Gemeine vom Edlen nicht verachtet
Und würden die Hinterlistigen
Nicht die Einfältigen bedrängen!

Egoismus ist die Wurzel allen Übels.
Das beginnt schon bei der Besitzgier
Des kleinen Knaben
Und führt bis zur Eroberung
Eines kleinen Reiches durch ein großes Reich.

Mo Di lehrte durch sein Vorbild.
Eh der Herrscher den Weisen sah,
Wollte er ein Nachbarreich überfallen,
Aber als er den Weisen gesehen,
Wollte er das Nachbarreich nicht einmal geschenkt,
Wenn Unrecht damit verbunden wäre.
Da sprach Mo Di zum Herrscher:
Bei dieser deiner Gesinnung
Kann ich dir den Nachbarstaat anvertrauen
Und ruhigen Herzens bleiben.
Wenn du weitermachst
Und Gerechtigkeit übst,
Kann ich dir die ganze Erde anvertrauen.

Der Erste Kaiser von China,
Shi Huang-Di, der Tyrann,
Verbrannte die Schriften von Mo Di.


5

Yang Chu, der Egoist, kam.
Er sagte, das Leben sei voller Leiden
Und sein Sinn sei das Vergnügen!
Es ist kein Gott, sprach der Tor,
Es gibt kein Leben nach dem Tod, sprach der Tor.

Was ist der Mensch?
Der Mensch ist eine Puppe,
Gelenkt von natürlichen Kräften,
Von dem Erbe der Ahnen
Und dem unveränderlichen Eigenwesen.

Der weise Mensch, sprach der Tor,
Erträgt das Schicksal, das ihm zugemessen,
Aber wird sich nicht beirren lassen
Durch den Wahnsinn der Philosophen,
Die von der heiligen Liebe reden
Und vom dauernden Namen des Weisen.
Die Moral ist nur ein Betrug,
Den die Weisen an den Narren begehen.
Allumfassende Liebe
Ist ein Kindertraum.
Kinder nur wissen noch nicht,
Daß der Haß die Welt bewegt.
Ein dauernder Name ist ein eitler Tand
Für Toren, die den Tand bezahlen
Mit dem Verlust der Lust!

Im Leben leiden die Guten
Wie die Bösen leiden,
Aber die Bösen können besser genießen!

Die weisesten Menschen
Des goldenen Zeitalters
Waren nicht moralische Herrscher,
Sondern Sensualisten,
Die die Lüste jeden Impulses genossen!

Die Weisen hatten nicht einen Tag der Freude,
Im Tode haben sie ewigen Ruhm.
Was haben sie denn davon?
Die von der Geschichte Bösewichter genannt sind,
Die genossen alle Lüste des Lebens,
Im Tod besitzen sie einen schändlichen Namen.
Was kümmert sie das?
So sprach der Tor, der Egoist, der Sensualist!

Doch an dieser Weisheit der Sinne
Ging China zugrunde!


6

Mencius will ich singen,
Die Weisheit aber lehrt mich,
Die Mutter des Mencius zu besingen.

Sie war die vorbildliche Mutter!

Dreimal, so heißt es,
Wechselte sie den Wohnort
Aus Liebe zu ihrem Sohn.
Zuerst weil sie am Friedhof wohnten
Und der Sohn begann,
Wie ein Toter zu wandeln,
Dann weil sie bei einem Schlachthof lebten
Und der Sohn begann zu brüllen
Wie ein Schlachtvieh,
Dann weil sie in der Nähe einer Bank gelebt
Und der Sohn begann,
Das Geld zu lieben.
Schließlich wohnten sie
In der Nähe einer humanistischen Schule,
Da war die Mutter zufrieden.

Doch als der Sohn das Studium vernachlässigte,
Da zerriß die Mutter ihr Kleid,
Sie sprach: Ich ahme deine Nachlässigkeit nach
Beim Studium der Alten Weisen.
Nun wurde der Sohn
Ein fleißiger Schüler
Und nahm sich eine Frau
Und widerstand der Versuchung,
Die Frau zu entlassen.
Er öffnete eine Schule der Philosophie
Und sammelte eine Schar Studenten um sich
Und diskutierte mit ihnen seine Theorien
Von der Hierarchie der Herrschaft.

Als die Mutter alt geworden,
Wollte der Sohn sie nicht verlassen,
Aber die Mutter sprach: Nur Mut, mein Sohn!

Die Mutter sprach:
Es ziemt sich nicht für eine Frau, zu herrschen,
Denn sie soll sich unterordnen.
Als Mädchen soll sie sich Vater und Mutter unterordnen,
Als Ehefrau soll sie sich ihrem Ehemann unterordnen
Und als Witwe ordne sie sich dem Sohne unter.
Du bist ein Mann in voller Reife,
Ich bin eine alte Witwe.
Handle, wie es dein Glaube gebietet
Und ich will mich verhalten, wie es der Glaube vorschreibt.
Du brauchst um mich also nicht besorgt zu sein.

Mencius gab der Monarchie den Vorzug
Vor der Demokratie,
Da es leichter sei,
Einen Philosophen auf dem Kaiserthron zu sehen
Als ein wohlanständiges Volk.

Als die Mutter heimkehrte
Zu der Versammlung der Ahnen,
Begrub der Sohn sie mit großem Pomp,
Ob ihn die Schüler auch tadelten,
Aber er sprach:
Es ist das Gebot der Pietät, des Glaubens,
Daß der Sohn die liebe Mutter ehrt!

Dann zog sich Mencius zurück
Aus dem öffentlichen Leben
Und widmete seine restlichen Jahre
Dem Studium
Und dem Unterricht der Studenten
Und der Fertigstellung eines Werkes,
Da er die Fürsten seiner Zeit beschrieb
Im Gespräch mit Frau Weisheit.

Daß Mencius aber
Das Recht des Volkes auf Revolution behauptete,
Das erzürnte den Kaiser der Ming,
So dass Mencius vom Sockel gestürzt ward!


7

Mencius sprach: Der Mensch ist gut,
Ist von Natur aus gut.
Hsün-Tse sprach aber: Der Mensch ist böse,
Von Natur aus böse.

Selbst Yao und Shun und Yü,
Sie waren bei ihrer Geburt
Nur Wilde!
Die Natur des Menschen ist böse,
Sein Gutes kommt nur von der Erziehung.
Von Geburt an hat der Mensch die Natur
Des Begehrens.
Folgt man der Begierde,
So entsteht der Streit, der Zank,
Die Freundlichkeit und die Großmut gehen zugrunde.
Von Geburt an hat der Mensch
Begierden,
Begierden nach Augenlust und Ohrenschmaus.
Folgt man der Begierde,
So entsteht die Unzucht,
Die Sitte geht zugrunde.
Nachgiebigkeit gegen die Natur des Menschen
Und das Ausleben seiner Leidenschaften
Bringen nur Zank hervor,
Die Ordnung verfällt
Und der Mensch wird zum wilden Tier.
Darum bedarf es des wohltätigen Einflusses
Einer Erziehung durch die Weisen,
Einer Erziehung in den Tugenden,
Damit die Freundlichkeit entsteht,
Die Ordnung eingehalten wird
Und alles der Regel der Weisheit entspricht.
So gesehen ist die Natur des Menschen böse
Und alle menschliche Güte
Kommt von der Kunst der Weisheit.


8

Tschuang-Tse betrachtete Mutter Natur
Als einzige wahre Geliebte,
Die ihn trotz seiner Sünden und seines Alters
Immer willkommen hieß!

Er schlug zweimal ein Amt am Fürstenhofe ab:
Geht schnell weg,
Beschmutzt mich nicht
Mit eurer sündigen Gegenwart!
Eh ich mich den Gesetzen und Schranken
Des Hofes unterwerfe,
Ziehe ich es vor,
Mich im Schlamm zu wälzen!

Die Herrschaft genoß bei ihm die gleiche Achtung
Wie bei seinem Ahnherrn Lao Tse.
Es bereitete ihm ein Vergnügen,
Darauf hinzuweisen,
Wie viel die hohen Majestäten
Mit Dieben gemeinsam hatten!

Man soll die Welt nur leben lassen,
Lasst sie nur gewähren!

Im goldenen Zeitalter
Lebte vollkommene Tugend,
Die Menschen lebten in Eintracht
Mit Vögeln
Und alle Lebewesen bildeten eine Familie.
Sie kannten nicht die Unterschiede
Zwischen Edlen und vulgären Menschen.

Ich suche den Frieden,
Ich jage dem Frieden nach,
Ja, wahnsinnig begehre ich den Frieden!
Wir wollen in der Stille der Wälder
Glücklich wie Kinder sein!

Frei von aller Künstlichkeit
Und aller Verstandesbeschränkung
Folg ich der göttlichen Mutter Tao!

Worte verwirren ebenso oft,
Wie sie als Wegweiser dienen.

Die göttliche Mutter Tao
Kleidet sich nicht in Worte
Und wird nicht ergriffen vom Denken.

Das ist meine Erkenntnis:
Alles gehört dem Einen Schatz!
Tod und ewiges Leben gehören dem Einen Schatz!

Ich hatte die Vision
Einer überperönlichen Einheit.
Es ist wahr, ich bin ein Pessimist,
Doch das hindert mich nicht,
Vom heißen Wein der göttlichen Mutter Tao berauscht zu sein!

Himmel und Erde sind mein Sarg,
Sonne und Mond sind meine Totenlampen,
Die Sterne sind meine Perlenschnüre
Und die ganze Schöpfung gibt mir Trauergeleit.
So hab ich ein prächtiges Begräbnis,
Da müssen meine Freunde nichts hinzutun.

Die Mutter Natur ist ein glühender Schmelzofen
Und Gott der Schöpfer ist der Große Gießer,
Wohin Er mich sendet,
Will ich gehen!


EPILOG

Der harmonische Leibnitz sprach:
Derart scheinen unsre Verhältnisse heute zu sein,
Da die Sittenverderbnis
Ins Unermessliche anschwillt,
Daß ich es für notwendig halte,
Daß chinesische Missionare zu uns kommen!
Sie sollen uns die Übung
Und das Ziel der Theologie lehren.
Nämlich wenn ein weiser Mann
Zum Schiedsrichter würde bestellt,
So würde er den goldenen Apfel
Sicher der Jadejungfrau China schenken!

Als die Franzosen in Deutschland wüteten
Mit ihren Bomben,
Vergaß der Vater Goethe den Lärm der Heiden
Und beachtete nicht die wüsten Sünder,
Denn er war versunken
In die Betrachtung
Der chinesischen Philosophie.




MUTTER INDIA UND DER HAMMER DER TORHEIT

1

Die Götter der Veden
Sind Kräfte der Natur.
Der Himmel, die Sonne, das Feuer,
Die Erde, das Wasser, die Sexualität.
Dyaus war der Himmel,
Deva das Licht.
Der Himmel wurde zum Vater,
Die Erde eine Mutter, Prithevi,
Die Vegetation war Frucht
Ihrer Vereinigung.
Die Morgenröte war Usha,
Die Sonne war Mithra.
Auch das heilige Soma,
Dessen Saft berauschend und heilsam war,
Berauschend für Götter und Menschen,
Das heilige Soma war ein Gott,
Dessen Genuß zu Freude und Kraft inspirierte
Und ewiges Leben verlieh.

In dem lebenserzeugenden
Licht der Sonne
Sahen sie den großen Gott
Prajapati, den Herrn der lebendigen Wesen.
Er war allein der einzige Gott,
Man nannte ihn später Brahma.

Aber die Bauern liebten
Den Donnerer Indra.
Er war ein kraftvoller Heros,
Der Hunderte Stiere verzehrte
Und Meere voll Wein trank!

Diese Götter waren menschlich,
Allzumenschlich,
Töricht wie Menschen.

Es hörte ein Gott den Beter
Und dachte bei sich, der Gott:
Was geb ich meinem Beter?
Soll ich ihm dieses oder jenes geben?
Soll ich ihm ein Pony geben?
Ja, ich werde ihm ein Pony geben.
Oder nein, ich gebe ihm kein Pony,
Ich gebe ihm lieber eine Mutterkuh!
Hat er mir eigentlich gestern das Soma geopfert?

Varuna war der Himmel,
Sein Atem war der Wind,
Sein Kleid das Firmament.
Er war die geistige, ethische Gottheit der Veden,
Der mit seinem Sonnenauge die Welt betrachtet,
Das Böse bestraft,
Die Güte belohnt,
Den Reuigen ihre Sünden verzeiht.

Wie schuf die Gottheit die Schöpfung?
Der einsame Gott der Inder
Hatte keine Freude,
Er hatte keine Freude, da er allein war.
Da begehrte er nach einer zweiten Gottheit.
Da war die Gottheit
Wie ein Mann und eine Frau,
Wenn sie sich vereinigen.
Aus dem göttlichen Selbst
Sind geworden der Gatte und die Gattin.
So vereinigten sich der Mann und die Frau
Und daraus entstand der Mensch.
Sie aber dachte:
Wie will er sich mit mir vereinigen,
Da er mich doch aus sich selbst erzeugte?
Ich will mich vor ihm verbergen!
Da wurde sie zur Kuh mit vollen Eutern.
Er aber ward zum Stier mit starkem Horn
Und begattete sie,
So wurden die heiligen Kühe.
Da wurde sie zu einer Stute mit bebenden Flanken,
Da wurde er zu einem Hengst mit dampfenden Nüstern,
Er begattete sie,
So wurden die Pferde, von den Mädchen geliebt.
So wurde alles, was lebt auf Erden.
Da erkannte sie: Ich bin die Schöpfung.
So entstand der Name Schöpfung.

Das glaubten die Inder,
Der Schöpfer sei eins mit seiner Schöpfung.

Aber die Inder der Veden
Glaubten nicht an die Metempsychose,
Sie glaubten an persönliche Unsterblichkeit,
Da sie im Jenseits ein Gericht erwartet
Mit ewigen Höllenstrafen
Oder paradiesischen Wonnen im Himmel,
Wo alle irdischen Freuden ewig und vollkommen sind!

Wichtig war das Opfer des Soma,
Da man das göttliche Soma trank.
Das Opfer bestand aus einer magischen Handlung.
Ungeachtet der sittlichen Würde des Priesters,
War das Opfer gültig,
Wenn es nach der kultischen Vorschrift
Richtig der Gottheit geopfert wurde.

Das Sein war nicht, das Nichtsein war nicht.
Nicht war der Himmel, nicht war der Äther.
Was lebte? In wem geborgen?
War das Chaos wie ein Meer?
Damals war kein Tod
Und war noch nicht Unsterblichkeit.
Damals waren Tag und Nacht noch nicht geschieden.
Der Atem wehte ohne Wind,
Es war nur das Eine,
Nichts als das Eine.
Die Dunkelheit war in Dunkelheit gehüllt,
Alles war Meer.
Die Kraft war verhüllt von der Dunkelheit,
Die Kraft zeugte durch die Buße.
Da regte sich das erste Verlangen.
Das war der erste Same des Geistes.
Die Weisen fanden des Seienden
Verwandten im Nichtseienden,
Als sie im Herzen meditierten.
Gab es ein Oben und gab es ein Unten?
Es gab die zeugende Kraft
Und die empfangende Macht.
Der freie Wille war unten,
Die gnädige Gewährung war oben.
Wer weiß mehr?
Wer verkündet, wie die Schöpfung geschaffen?
Alle Geister sind Teil der Schöpfung,
Aber der Schöpfer hat keine Ursache.
Wie die Schöpfung geschaffen wurde,
Das weiß der Schöpfer,
Er, der Vater im Himmel, der uns sieht!

Ich singe der Menschheit Urelternpaar,
Die Zwillingsgeschwister,
Bruder Yama und Schwester Yami.
Schwester Yami will den Brüder Yama verlocken,
Ihr bräutlich beizuwohnen:
Mein Bruder und Bräutigam, ich will
Der Zukunft der Menschheit mit Liebe dienen!
Yama sprach: O Schwester, aber die Tugend!
Die Schwester-Braut lockt
Mit allen Reizen der Verführungskünste:
Mein Bruder und mein Bräutigam,
Sei kein Schwächling,
Sei ein Mann!


2

Gibt es ein Buch so wohltätig
Und des Studierens wert
Wie die Upanishaden?
Upa heißt nahe
Und shad heißt sitzen,
Denn es sitzen die Lieblingsschüler
Nah bei ihrem Meister,
Er weiht sie ein
In die geheime Lehre.

Viele Lehrer sind,
Viele Philosophen und Theologen.
Manche bringen Absurdes,
Manches Weisheit voll tiefen Sinns.

Ich aber preise Yajnavalkya, den Mann,
Und Gargi, die Frau,
Die weise Frau von Indien.

Der weise Mann Yajnavalkya aber
Wollte seine beiden Frauen verlassen,
Um in der Einsamkeit
Gott zu suchen.
Er wollte ein neues Leben beginnen.
Maitreyi, meine Lieblingsfrau, sprach der Weise,
Ich will nun für dich sorgen
Und für Katyayani, meine Nebenfrau,
Denn ich gehe in die Einsamkeit.
Maitreyi aber sprach: O weiser Mann,
Wenn die ganze Erde mein wäre,
Wäre ich dann unsterblich?
Nein, sprach der Weise,
Es gibt keine Unsterblichkeit auf Erden.
Da sprach Maitreyi: Wie werde ich unsterblich?
Ich suche die ewige Jugend!
Lehre mich den Weg, o Meister!

Woher kommen wir
Und wohin gehen wir?
Ihr, die ihr die Gottheit kennt,
Sagt uns, warum müssen wir leben auf Erden?
Hat uns die Natur geschaffen?
Oder der Zufall?
Sind wir nur Atome?
Oder sind wir ewige Engel?
Ist alles nur Stoff?
Oder gibt es einen höchsten Geist?

Ach, meine Freunde!
In diesem Todesleibe
Aus Mark und Gebein,
Aus Muskeln und Haut,
Aus Samen und Schleim,
Aus Blut und Tränen,
Wie kann man da Freude genießen?
In diesem Todesleibe
Voll Leidenschaft und Begierde,
Voll Zorn und Verzagtheit,
Voll Wahnsinn und Angst,
Voll Trennung von der Geliebten,
Voll Gebundensein an die Ungeliebte,
Voll Hunger und Durst,
Voll Kummer und Krankheit,
Wie kann man da Freude genießen?
Das Weltall ist vergänglich wie eine Mücke!
Die Frühlingsblüte ist gleich verblüht!
Meere verdampfen, Berge beben,
Sterne explodieren, die Sonne verglüht,
Wie kann man da Freude genießen?
Ach, und wenn man des Lebens satt ist,
Daß man dann doch noch nicht sterben darf!

Aber mein Sohn,
Wenn du zehn und zehn nicht zusammenrechnen kannst,
Wie willst du Gott begreifen?

Nicht durch vieles Bücherlesen
Erkennst du die göttliche Weisheit,
Sondern du musst werden wie ein Kindlein!

Gott bohrte die Sinnesöffnungen in die Sinne,
So schaut und hört der Mensch das Äußere.
Der Weise aber schließt die Augen
Und verstopft sich die Ohren
Und wäscht sich die Augen des Herzens rein
Durch Tränen der Buße
Und schaut den göttliche Funken
Im wahren Selbst.

Was der Gottsucher suchen soll,
Ist das Wahre Selbst,
Den göttlichen Funken im Selbst,
Das Seelenfünklein in der Seelenburg,
Den göttlichen Geist in der siebenten Kammer des Herzens.
Wenn du den göttlichen Geist gefunden hast,
Dann bade im Meer der göttlichen Liebe!

Was unsterblich ist,
Ist nicht dein Körper,
Ist nicht dein Ich,
Ist nicht deine Seele,
Sondern der göttliche Funken,
Der in deinem inneren Keim lebt.

In dir ist Gott,
Gott ist kein Heiliger Vater mit schneeweißem Haar,
Gott ist keine Große Mutter mit breiten Brüsten,
Gott ist Eins!
Gott ist Alles!
Gott ist die Wirklichkeit der Wirklichkeit
Und das Wesen aller Wesen.
Gott ist das Sein, das Leben, die Ewigkeit,
Die Seele aller Seelen.

Der göttliche Funke in dir
Ist Gott von Gott.
Der Gott von Gott ist eins mit Gott.

Versenke dich in den Gott in dir
Und werde eins mit Gott,
Dann wirst du selbst ein Gott in Gott.

Zeige mir eine Feige, meine Freundin!
Hier ist die Feige, mein Freund!
Spalte die Feige, meine Freundin!
Sie ist gespalten, mein Freund!
Was schaust du im Innern der Feige, meine Freundin?
Im Innern der Feige schau ich Samen, mein Freund!
Spalte einen von diesen Samen, meine Freundin!
Der Same ist gespalten, mein Freund!
Was schaust du im Innern des Samens, meine Freundin?
Nichts, mein Freund!
Aus diesem Nichts, meine Freundin,
Aus dieser unsichtbaren Liebe
Ist die Schöpfung gebildet,
Es ist Gottes Geist!

Du wirst deinen Namen vergessen,
Deine Gestalt vergessen,
Du strömst wie ein Strom ins Meer strömt,
So strömst du in die göttliche Weisheit ein
Und wirst vergöttlicht in ihr,
Wie ein Tropfen im Ozean der Liebe,
Wie ein glühendes Eisen in der Glut der Liebe,
Du wirst Licht im Lichtglanz Gottes sein!


3

Aber dann kam der große Glaubensabfall!

Eine fromme Seele kenn ich,
Die dreiunddreißig Jahre lang
Beim großen Gotte in die Schule ging
Und reiche Belehrung empfing
Über die unsterbliche Seele,
Wie sie erlöst wird vom Tod,
Wie sie zur wahren Wirklichkeit kommt.
Da kehrte die fromme Seele plötzlich
Zur Erde zurück
Und lehrte die Weisheit der Sinne:
Mache dich selber glücklich auf Erden,
Liebkose dich selber,
Denn wer das Leben auf Erden genießt
Und seine eigene Seele liebt,
Der ist glücklich auf Erden
Und wird im Jenseits selig in die Leere eingehn.

So sprechen die Narren:
Warum, o Freund, lässt du dich ermahnen
Von den Geboten Gottes?
Die Gebote sind nur für die Dummen!
Wir bedauern die armen Dummköpfe nur,
Die den Pflichten des Glaubens folgen.
Sie opfern den süßen Genuß der Lust
Und leben unfruchtbar.
Vergeblich bringen sie Opfer dem Gotte dar.
Vergeblich das heilige Mahl!
Kein Gott und Vater nimmt ihr Opfer an.
Wer den Priestern folgt, was hilft das seinen Ahnen?
Verlogene Priester erfanden die Gebote,
Sie sind nur hinter dem Geld der Gläubigen her.
Sie sagen: Gib den Armen,
Tu Buße,
Lebe in der geistlichen Armut!
Nein, es gibt kein Leben nach dem Tod,
Vergeblich ist eure Hoffnung,
Töricht ist der Glaube, ein Gotteswahn!
Genieße das irdische Leben,
Genieße die Lust mit allen Sinnen
Und verachte die Illusion eines Gottes!
Ja, so sprechen die Narren
Im großen Glaubensabfall!

Die Materialisten
Trauen dem Glauben nicht
Und auch nicht der göttlichen Vernunft,
Sie trauen nur den Sinnen.
Was die Sinne nicht erfassen,
Das gibt es nicht, so lehren sie.
Die Seele sei nur eine Illusion.
Die Materie sei die einzige Wirklichkeit.
Der Geist sei denkende Materie.
Es gäbe keine Unsterblichkeit.
Religion sei ein Wahnsinn,
Nur Opium für das Volk.
Die Moral entstamme nicht dem Gesetzen Gottes,
Sondern sei nur von der Gesellschaft definiert.
Die Ethik der Natur
Sei jenseits von Gut und Böse,
Der Zweck des Lebens ist, eine Zeit zu leben,
Der Sinn des Lebens sei die Lust!

Diese Materialisten
Setzten der alten Religion ein Ende.
Indien wartete aber
In seiner religiösen Seele
Auf einen neuen Glauben,
Auf den Stifter der wahren Religion.

Buddha, bist du es, auf den wir warten sollen?

Königin Maya feierte eben das Vollmondfest
Mit Blumen und Parfümen.
Am siebenten Tage
Badete sie in reinem Wasser
Und gab Almosen von dreitausend Münzen.
In schönstem Schmuck saß sie da
Und aß die besten Speisen
Und legte ab das Gelübde der Keuschheit,
Sie ging in ihr königliches Schlafgemach
Und legte sich auf ihr Bett.

Vier große Gestalten von königlicher Würde
Hoben sie mit dem Bett empor.
Da kamen heilige Frauen von königlicher Würde
Und brachten sie zum See der Reinigung.
Makellos und unbefleckt
Tauchte die Königin Maya
Aus dem See der Reinigung auf.
Sie trat zum silbernen Berg des Himmels
Und zum goldenen Palast des Himmels.
Dort war ein himmlisches Bett,
Für sie bereit,
Die Königin Maya legte sich auf ihr Himmelsbett
Und schaute gen Osten.
Da kam der Gott
In Gestalt eines weißen Elefanten,
Sein Rüssel geschmückt mit einer Perlenschnur.
Mit dem Rüssel hielt er eine weiße Lotosblüte.
Er trompetete und posaunte
Und trat ins Schlafgemach
Und zog drei Kreise um das Bett seiner Mutter
Und ging in ihren Schoß ein,
So wurde der Gott geboren.

Hab keine Angst, o Königin,
Du wirst einen Knaben gebären.
Er wird ein König und ein Herr sein.
Er wird erleuchtet werden von der ewigen Weisheit
Und wird von den Menschenkindern, seinen Brüdern,
Den Schleier der Unwissenheit fortziehen.

Die Königin Maya trug den Gott
Neun Monde in ihrem Schoß
Wie Öl in einer Schale.
Dann ging sie zu einer Verwandten.
Die Straße war mit Blumen geschmückt
Und mit blauen Fahnen der Liebe.
Da kam sie in einen Lusthain,
Die Bäume waren mit Blüten übersät.
Die Königin Maya wünschte,
Sich im Lustgartenparadies zu ergehen.
Sie trat zu einer großen Dattelfeigenpalme
Und griff nach den Rispen,
Die Palme neigte sich
Und schenkte ihr die süße Feige.
Da gebar sie,
Die Feige in den Händen gebar sie
Ohne Schütteln und Beben der Wehen.
Andere Kinder sind bei der Geburt
Mit dem materiellen Schleim behaftet,
Nicht so der menschgewordne Gott,
Er trat aus seiner Mutter
Wie ein Heiliger Vater vom Lehrstuhl herabsteigt,
Unbefleckt von jeder Sünde,
Leuchtend wie eine weiße Jade auf einem weißen Seidenkleid!

Da der Gott geboren war,
Erschien ein Stern am Himmel,
Die Tauben konnten hören,
Die Stummen konnten sprechen,
Die Lahmen konnten springen wie die Hirsche
Und Könige kamen aus der Ferne
Und alle Götter verneigten sich
Und baten, seine Jünger werden zu dürfen!

Er zog in die Welt,
Den Weg der Erlösung zu lehren.
Aber der Fürst der Welt trat ihm entgegen,
Der Fürst der Toten sprach:
Wenn du niederfällst und betest mich an,
So schenk ich dir einen Harem
Von lüsternen Huren!
Aber der heilige Mensch überwand.

Da kam er in einen heiligen Hain
Und fastete vierzig Jahre.

Schließlich trat er an den Paradiesbaum,
Den Ficus religiosa!
Hier erkannte er
Die Erlösung von Schuld und Bosheit und Tod
Und ewiger Verdammnis!
Das Licht der ewigen Weisheit strahlte auf,
Als er beim Ficus religiosa litt am Leiden der Welt!


4

Inder, ihr glaubtet nicht mehr
An die Religion der Alten,
Doch ward ihr auch überdrüssig
Der Weltlust der Materialisten
Und der zynischen Weisheit der Atheisten.
Da sehntet ihr euch nach einem neuen Glauben
Und hieltet Buddha für den Heiland.

Wisst ihr, was Buddha lehrt?
Ich zeige euch Buddhas Weisheit.

Buddha lehrte durch Gespräche,
Er erzählte Gleichnisse.
Wie Jesus, mein Gott,
Und wie Sokrates, der wahre Weise,
Hat Buddha nichts geschrieben.
Wie Jesus, mein Herr,
Und Lao Tse, der Sohn der Mutter,
Wollte Buddha Haß mit Liebe vergelten
Und Fluch mit Segen
Und Bosheit mit Güte.

Wenn ein Mensch in seiner Torheit
Mir Unrecht tut,
Will ich ihm den Schutz
Meiner barmherzigen Liebe
Angedeihen lassen.

Je mehr Böses von der feindlichen Seele kommt,
Um so mehr Liebe will ich ihr erweisen!

Als ein Narr mich beschimpfte,
Da sprach ich: Mein Bruder,
Wenn einer ein Geschenk nicht annehmen will,
Darf es doch der behalten,
Der es verschenken wollte?
Nun du mir deine Feindschaft schenken willst,
Nehm ich dein Geschenk nicht an,
Ich bitte dich, behalte deine Feindschaft!

Es gibt ja Weise, die lächeln,
Und Heilige, welche gern Witze erzählen.

Die Metaphysik führt zuletzt
Zum Lachen der Engel!

Er ging von einem Ort zum andern,
Begleitet von seinen Lieblingsschülern,
Sein Johannes war sein Lieblingsjünger!
Er kümmerte sich nicht um die Zukunft
Und aß, was man ihm gab.
Er kehrte bei einer Kurtisane ein,
Ob auch die fromme Jünger sich entsetzten.
Er schlug gern sein Lager in einem Garten auf,
Der Nachmittag galt der Betrachtung,
Die Nacht der Unterweisung.
Er sprach, indem er sokratische Fragen stellte
Und jesuanische Gleichnisse erzählte.
Sprüche sagte er auf wie Salomo.

Das Leben ist Leiden,
Das Leid kommt von der Begierde.
Bring die Begierde zum Schweigen,
Dann findest du Seelenfrieden.

Weh mir, Mutter, dass du mich geboren hast!
Bald kommt das Alter, das keiner gerne trägt!
Mit unlieben Leuten sitzt du zusammen,
Bist getrennt von der Geliebten,
Wehe, das ist ein Leiden!
Der unstillbare Durst nach Lust,
Das ewige Werden und Vergehen,
Das ist Leid!
Vernichte dein Begehren!
Wahrlich, die Last des Leidens überwiegt auf Erden
Die Leichtigkeit der Heiterkeit!
Wer früh stirbt, hat es besser,
Als wer lange leben muß!
Der Tag des Todes ist besser
Als der Tag der Geburt!
Besser wär es, nie geboren zu sein!
Mehr Tränen fließen aus den Menschenaugen
Als Wasser in den sieben Weltmeeren sind!
Ist da eine Lust? Sie ist flüchtig!
Kurz nur währt die Lust,
Unendlich verlängert sich der Kummer!
Ist die flüchtige Lust denn Lust
Und nicht in Wahrheit Leiden?
Die egoistische Gier nach Lust
Ist die Wurzel allen Übels!
Die Eigenliebe verursacht das Leiden!
Die Selbstverkrümmung in sich selbst
Beschert den großen Jammer!
Die Selbstverliebtheit
Ist der wahre Herzschmerz!

Und ihr, die ihr euch gatten wollt,
Die ihr zeugen wollt mit euren Geschlechtern,
Ihr zeugt für den Tod!

Wie soll ich mich aber verhalten,
O Weiser, in der Gegenwart der Weiber?
Mein Liebling, als ob du sie nicht sehen würdest!
Wenn ich sie aber doch sehe,
Mein Weiser, wie soll ich mich dann verhalten?
Mein Liebling, dann sprich nicht!
Aber wenn die Weiber mich ansprechen,
O Weiser, was soll ich dann tun?
Mein Liebling, bleib wachsam!

Buddha gründete eine Religion
Ohne Gott.
Er wusste nicht, ob die Welt einen Anfang
Und ob die Welt ein Ende habe.
Er wusste nicht, ob die Seele
Das gleiche sei wie der Körper
Oder was die Seele sei.
Er wusste nicht, ob der Kosmos endlich ist
Oder ob der Kosmos unendlich ist
Oder ob der Kosmos
Endlich und unendlich zugleich?
Diese Spekulationen
Waren ihm ein Marionettentheater,
Ein Possenspiel, das sich als Sakraltheater gibt!

Weisheit und Frieden
Kommen nicht aus dem Wissen
Über das Universum,
Sondern aus der tätigen Liebe.

Es ist Torheit, zu denken,
Ein andres Wesen könne
Uns glücklich machen.

Dieses Leben, das ein Leiden ist,
Wie kann das gewollt sein von einem Gott?
Die Mißgestalt des kosmischen Körpers ist größer
Als die Schönheit eines weisen Planes!

Wir kennen nur die Sinnesempfindung,
Stoff ist Kraft,
Substanz ist Wandel,
Alles ist Werden und Vergehen.
Die Seele, was ist sie mehr als ein Mythos?
Was ist die Seele mehr als ein Gespenst?
Was ist denn dein kostbares Ich?
Ein Sammelsurium von Zufällen nur!
Was ist die Freiheit deines Willens?
Vererbung, Gewohnheit, Umwelt!
Dein Individuum wird nicht dauern!
Dein Individuum stirbt im Tod!
Das ist die Weisheit Buddhas,
Nach der die Toren so lüstern sind!

Und was beschert uns die Erlösung?
Das Nirwana ist das Verlöschen
Des Individuums
Im namenlosen Großen-Ganzen,
Das Nirwana ist
Ein Nichts in grenzenloser Leere!

O Buddha, du bist mein Welterlöser nicht!


5

Akbar den Großen will ich singen.

Natürlich war der Herrscher
Ein Ausbund aller Tugenden!
Er war der beste Sportler,
Der beste Reiter
Und gewiß der schönste Mann im Reich!

(Seine Arme waren zu lang,
Seine Beine zu krumm,
Seine Augen mongoloide Schlitzaugen,
Sein Kopf zu schief,
Auf der Nase saß eine Warze.)

Ansehnlich durch Sauberkeit,
Durch Würde und Gelassenheit,
Seine Augen strahlten
Wie ein Meer im Sonnenschein,
Seine Augen flammten auf,
Daß sich die Frevler duckten!

Er trug einfache Kleidung,
Bluse und Hose,
Eine Kappe auf dem Kopf,
Barfuß ging er.

Allmählich lernte ich,
Auf meinem eigenen Vulkan zu sitzen!

Seine Milde kannte keine Grenzen,
In dieser Tugend
Übte er keine Vorsicht.

Er war freigiebig
Und gab riesige Summen aus
Als Almosen für die Armen.

Er war krankhaft melancholisch,
Dem Alkohol verfallen,
In seiner Jugend rauchte er Opium.

Er hatte einen Harem,
Der Größe seines Reiches angemessen.
Er hatte tausend Elefanten,
Dreißig Pferde,
Vierzehnhundert Hirsche
Und achthundert Konkubinen.

Er war nicht so nüchtern wie Cäsar
Und nicht so kalt wie Napoleon,
Er liebte die Metaphysik
Und wäre wahrscheinlich ein mystischer Eremit geworden,
Wenn er den Kaiserthron verloren hätte.
Wie Harun ar-Raschid zog er nachts
Verkleidet durch die Straßen.

Er sammelte eine große Bibliothek,
Von kunstreichen Schönschreibern ausgestattet.
Er verachtete den mechanischen Druck
Als eine seelenlose Sache.
Die Jesuiten ließen ihm zukommen
Auserwählte Produkte
Europäischen Geisteslebens.

Er unterstützte die Poeten,
Ohne geizig zu sein.
Einen liebte er besonders
Und machte ihn zu seinem Günstling.
Akbar ließ die Meisterwerke
Indischer Literatur,
Geschichte und Philosophie
In die persische Hofsprache übersetzen
Und überwachte in eigner Person
Die Übertragung des Mahabarata.
Musik und Poesie
Hatten ihre glanzvollste Periode.

Tief war seine Neigung zur Grübelei.
Der fast allmächtige Kaiser
Hatte einen Hang zur Philosophie.

Ich bin der Herrscher eines so gewaltigen Reiches,
Doch ist meine Seele nicht froh
Bei der Uneinigkeit der Sekten
Und Konfessionen und Religionen.
Die wahre Größe besteht
Im Tun des Willens Gottes.
Ich erwarte die Ankunft eines Menschensohnes,
Der mir die Probleme meines Gewissens lösen wird!
Die Gespräche über Philosophie
Haben für mich solch einen Reiz,
Daß sie mich von allen andern Sorgen ablenken.
Ich muß aber mein Begehren gewaltsam unterdrücken,
Das Begehren, den Philosophen zu lauschen,
Um nicht das Gebot der Stunde zu vernachlässigen.

Gelehrte Männer aus allen Nationen,
Prediger der Sekten,
Priester der Konfessionen
Und Oberhäupter der Religionen
Kamen an den Hof des Kaisers.
Er erwartete weise Worte
Über die Vernunft
Und die Offenbarung,
Über das Ziel der Geschichte
Und die Herrlichkeit der Natur.
Die Würde des Menschen, sprach der Kaiser,
Beruht auf dem Juwel der Vernunft!

Als Philosoph studierte er
Die indische Religion
Und die Hindu-Poeten.

Als er von der Neuen Religion
Des Christentums hörte,
Die von Portugal
Nach Goa gekommen war,
Bat er die Katholische Kirche,
Missionare zu schicken.
Die Jesuiten kamen.
Der Kaiser schenkte ihnen volle Freiheit,
Menschen zu bekehren,
Und gestattete einem Jesuitenpater,
Einen seiner Söhne zu erziehen.

Als das verzehrende Feuer der Jugend erkaltete,
War sein schönstes Vergnügen
Die philosophische Diskussion.

Er versammelte wie Freunde
Die Geistlichen der verschiedenen Konfessionen
An seinem Hof, mit ihnen zu diskutieren
Von Donnerstag Abend
Bis Freitag Mittag
Über die wahre Religion.

Als der Kaiser aber
Eine Welteinheitsreligion selbst erfinden wollte,
Stand als einziger protestierend auf
Der Priester der Katholischen Kirche und sprach:
Es gibt nur Einen Gott
Und nur Einen wahren Glauben!

Aber der Kaiser berief ein Konzil ein,
Die Welteinheitsreligion ward beschlossen,
Der Kaiser war selbst
Das unfehlbare Oberhaupt
Der Welteinheitskirche.


6

Nun machte sich das indische Volk
Ein Neues Goldenes Kalb!

Der Hinduismus, der den Buddhismus ablöste,
War ein Gemisch verschiedener Götterkulte.
Sie alle hielten fest am Kastensystem,
An der Führung durch die Brahmanen,
Bekannten sich zur Metempsychose,
Hielten die dumme Kuh für die Verkörperung Gottes
Und erfanden neue Götter.

Sie glaubten an den Gott der Liebe,
Vischnu, der Gestalt annahm in Krishna.
Der war zur Welt gekommen
In einem irdischen Gefängnis,
Hatte Wunder vollbracht
Und war als Bräutigam aufgetreten
Seiner geliebten Hirtin,
Hatte die Tauben hörend gemacht
Und die Blinden sehend,
Hatte die Armen verteidigt
Und Tote auferweckt.
Er hatte einen Lieblingsjünger,
Arjuna, vor dessen Augen
Er verklärt ward.
Er starb, wie manche sagen,
Von einem Pfeil durchbohrt,
Andere glauben, er sei an einem Holz
Gekreuzigt worden!
Er stieg hinab in die Hölle,
Fuhr gen Himmel
Und wird am letzten Tage wiederkommen,
Zu richten die Lebenden und die Toten.
Wir sehen, die Inder
Haben den Herrn Jesus Christus
Umgedeutet zum hinduistischen Krishna.

Die andern glauben an Shiva.
Die Shivaiten tragen als Symbol des Gottes
Den Phallus um den Arm gebunden.
Schon in der Urzeit Indiens
Verehrten die Inder den Phallus als Gottessymbol.

Der Name Shiva bedeutet:
Der Gnädige, aber das ist
Ein Euphemismus,
Denn Shiva ist ein schrecklicher Götze,
Der Gott der Zerstörung!

Shiva ist Personifizierung
Jener kosmischen Kraft,
Die die Wirklichkeit annimmt,
Alle Organismen und Ideen,
Planeten und Arbeiten,
Und eins nach dem andern zerstört!
Dies ist die Natur,
Die gebiert und verschlingt!
Dies ist die gefallene Schöpfung,
Da das Gute neben dem Bösen lebt und webt!
Dies ist die blinde Lebenskraft,
Die Geburt und Tod als Eines sieht.

Shiva im Phallus
Ist schöpferische Zeugungsmacht,
Und doch tanzt Shiva auf den Toten,
Denn Shiva vernichtet alles!

Die schöpferische Zeugungsmacht
Im phallischen Gottessymbol
Rief nach der weiblichen Partnerin,
Der Sexualpartnerin Gottes,
Das war die Schwarze Mutter Kali,
Welche auch Parvati hieß
Und Uma
Und die schwerzugängliche Durga.

Im Shakti-Kulte wird
Die große Muttergöttin angebetet.
Zu ihrer Verehrung
Werden Menschen geopfert!
Neuerdings begnügt sich die Göttin
Mit dem Blut des Bockes!

Schau, die schwarze Göttin!
Sie streckt dir die Zunge heraus!
Mit Schlangen geschmückt
Tanzt sie auf einer Leiche!
Als Ohrringe trägt sie tote Menschen,
An der Halskette trägt sie Totenschädel!
Ihr Antlitz und ihre Brüste
Sind mit Menschenblut beschmiert!
Denn Kali ist die Mutter
Und zugleich die Braut des Todes,
Sie kann zärtlich sein und lächeln
Und grausam sein und morden!

O Frau, bist du ein Engel
Oder ein Dämon der Hölle?

Wen wollt ihr anbeten?
Wir beten den Affen an!
Wir beten die Schlange an!
Wir beten das Krokodil an!
Wir beten den Panther an!
Wir beten die Ratte an!

Welche Gottheit liebt ihr am meisten?
Wir lieben am meisten die Heilige Kuh!

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch,
Die Brahmanen lehren, man darf die Kuh nicht schlachten,
Doch die Witwen darf man verbrennen!

Das ist der Schlangenteufel aus dem Garten Eden!
Das ist das Goldene Kalb am Fuß des Gottesberges!


7

In vierhunderttausend Doppelversen
Verfasst der Inder Glaubensbekenntnis.

Wir wissen nicht,
Wie das Weltall entstand.
Vielleicht legte Gott ein Ei
Und brütete selber aus das Ei,
Indem er darauf hockte.
Vielleicht ist die Welt
Nur ein vorübergehender Irrtum
Oder ein Scherz Gottes!

Das Liebespaar Urvaschi und Pururavas
Verbrachte sechzigtausend Jahre
In Wollust und Wonne!

Wer von uns ist denn du
Und wer ist ich?

Alle Wesen sah sie an
Als unverschieden von sich selbst
Und so schaute sie Gott
Als die Seele aller Seelen,
Als das Wesen aller Wesen.

Durch alle Geschöpfe gleich
Erstreckt sich Gott.

Er ist in mir,
Er ist in dir,
Er ist in allem.
Gott ist Geist.

Schau, mein Sohn,
Reiß nicht die Rose vom Strauch,
Sie war im vorigen Leben
Eine schöne Frau!

Meine Geliebte, du beschwerst dich,
Daß ich so gerne gebratne Hühner esse!
Das ist, ich war im vorigen Leben ein Fuchs!

Mein Freund, du riechst es nicht,
Doch hab ich oft einen strengen Geruch,
Ich war im vorigen Leben ein Fisch.

Mit deinen Leiden
Sühne deine Schuld!

Unausweichlich ist das Leiden auf Erden!
Doch tröste dich,
Indem du deinem Leiden den Sinn der Sühne gibst!

Ach, ich empfinde das Leben
Doch mehr als eine bittere Strafe.

Gut ist der Schlaf,
Besser ist der Tod,
Noch besser wärs,
Nie geboren zu sein!

Was ist das wunderbarste Ding der Welt?
Einen Menschen sterben zu sehen!
Doch tun die Menschen alle so,
Als ob sie unsterblich auf Erden wären.

Die Welt ist vom Tode heimgesucht.
Das Alter setzt uns eine Grenze.
Unfehlbar kommt die Nacht.
Was kann ich mit meinem Lebenswandel
Im Schutze der Weisheit
Angesichts des Todes erreichen?

Nun sitz ich als Philosoph
In meiner Höhle
Und lächle über mein altes Leben,
Da ich getrieben vom Begehren war.

Nur Narren wollen wiedergeboren werden!

Wenn die Erlösung dir nicht aus dem Glauben kommt,
Dann bleibt dir nur der Weg der Inder:
Vernichte dein Ich,
Bis du als Nichts in der Leere vergehst!

Ach, ich fühle das auch,
Wie das einsame Ich wünscht,
Aufgelöst zu werden
Und zu verschmelzen
Mit der ewigen Anima Mundi.


8

Und dies ist das bedeutendste
Philosophem der Inder?
Dies ist das älteste
System der Philosophie überhaupt?

Kapila schriebs, der Scholastiker.
Das vollkommene Ende allen Leidens
Sei das höchste Ziel des Menschen.

Schöpfer nennt er Prakriti, die Substanz,
Den universellen Stoff,
Prima Materia.
Ein Schöpfergott sei aber
Von der Vernunft des Menschen
Nicht beweisbar.
Die Schöpfung selbst sei der Schöpfer.

Zur Stofflichkeit
Gesellen sich der Verstand
Und die Sinne
Und der menschliche Körper
Und die Elemente,
Der Vater Äther,
Das Feuer und die Luft
Und das Wasser und die Erde.

Zuletzt erscheint
Die Seele!
Ihr Name ist
Puruscha,
Sie ist Person!
Sie allein vermag nichts,
Doch beseelt und belebt sie
Den Stoff
Und regt die Evolution an.

Ist das Materialismus?
Im Materialismus erscheint der Geist und die Seele
Wie der Körper und die Natur
Von einer Evolution der Materie
Einzig getragen
Zur Höherentwicklung
Und zum Tod.

In dieser Philosophie des Stoffes
Ist alles eins,
Stein und Blume und Tier und Mensch,
Ist alles blinder Stoff,
Getrieben von Reinheit, Tätigkeit und Torheit,
Ewiges Werden und ewiges Vergehen
Bringen einen endlosen Zyklus hervor.

In dieser Philosophie
Schafft kein Gott die Welt.
Gott ist nicht beweisbar
Von der Vernunft des Menschen.
Ist Gott vollkommen,
Warum sollte er diese Welt erschaffen?
Ist Gott nicht vollkommen,
So ist er nicht Gott.
Ist Gott gut und allmächtig,
Warum schafft er eine Welt,
Die so reich an Leiden ist
Und wo einzig gewiß ist der Tod?

Ist der Philosoph also Materialist?
Mein Philosoph ist ein Spiritist!
Alles ist des Menschen Wahrnehmung nur!
Wie die Welt an sich in Wirklichkeit ist,
Weiß keiner, der Mensch weiß nur,
Wie seiner Wahrnehmung alles erscheint.

Den ganzen Materialismus
Der schöpferischen Prima Materia
Und ihrer blinden Evolution
Stößt der Philosoph nun um
Und führt die Seele ein,
Puruscha, die Person!

Puruscha ist unabhängig vom Stoff,
Sie ist geistig,
Sie allein vermag nichts,
Doch sie allein entwickelt den Stoff.
Die Prima Materia kann sich nicht entwickeln
Und die Evolution treibt nichts an
Ohne sie, Puruscha, die Seele!
Puruscha treibt den Stoff,
Sich zu entwickeln, sich zu entfalten.

Des Menschen individuelle Seele
Und des Menschen geistiges Denken
Sind dem Philosophen nichtig,
Ein Nichts, dem Tod verfallen.
Einzig unsterblich ist sie,
Puruscha, die Person,
Die ewige Anima Mundi!

Wenige Tage der Freude haben wir erfahren,
Kurz ist das leidvolle Leben,
Reichtum ist wie ein Strom, der fortströmt,
Das Leben ist eine stürzende Trauerweide
An einem überschwemmten Ufer.

Was ist die Wurzel des Übels?
Daß das Ich gebunden ist
An den vergänglichen Stoff.
Welche Erlösung bietet der Philosoph?
Die Erlösung kommt von der Erkenntnis,
Daß alle Wirklichkeit Illusion ist,
Das Ich ist Illusion,
Die Welt ist Illusion.

Willst du Erlösung finden,
Erhebe dich über dein vergängliches Ich,
Erhebe dich über die vergängliche Welt
Und versenke dich in die ewige Weltseele!
Sie allein ist unsterblich!

Mache deine Seele frei
Von der Bindung an Vergängliches,
Erkenne die unsterbliche Weltseele
In deiner eigenen Seele
Und in allen menschlichen Seelen
Und in allen lebendigen Wesen
Und in allem Stoff
Und vereine dich
Der Anima Mundi!

Ich bin nichts,
Nichts ist mein,
Meine Existenz ist nichtig.
Alles was ist,
Ist die Anima Mundi.
Sie allein ist
Die göttliche Ewigkeit!


9

Bist du der heilige Thomas Indiens
Oder nur Indiens Kant?
O Genius Schankara!

Glaube wie der heilige Thomas
An die Autorität der Heiligen Schrift,
Das Zeugnis der göttlichen Offenbarung,
Und versuche, mit der Erfahrung
Und der Vernunft des Menschen
Die Wahrheit der Offenbarung zu erkennen.

Aber du kannst nicht wie der heilige Thomas
So tief glauben an die Vernunft des Menschen.
Nicht Logik sei nötig, sagst du,
Sondern intuitive Einsicht,
Der Inspiration des Dichters ähnlich.

Du willst in Einem Augenblick
Das Wesentliche im Unwestlichen erfassen,
Die Ewigkeit in der Zeit,
Das Ganze im Teil.

Forschen und nachdenken müssen wir
Allein um zu erkennen,
Nicht um zu schaffen
Oder zu herrschen.

Liebe die Weisheit
Allein um ihrer selbst willen
Und schau nicht auf die Früchte deines Handelns.

Selbstbeherrschung brauchst du,
Geduldig musst du sein wie ein Esel
Und bleibe frei von der Versuchung
Durch körperliche Begierden
Und frage nicht nach Geld und Besitz.

Ein Wunsch soll deine Seele treiben,
Der Wunsch nach Erlösung,
Die Sehnsucht nach Befreiung,
Die Bereitschaft, erleuchtet zu werden.

Das Ziel deiner Weisheit
Sei die selige Versunkenheit
In dem Ozean Gottes,
Dem Meer der Erkenntnis,
Der unendlichen Vereinigung!

Aber wie kommen wir zum Wissen,
Da wir die Wirklichkeit
Nur mit den Sinnen wahrnehmen
Und alles getrübt ist
Durch unser begrenztes Ich?
Wir sehen die Welt
Mit ihren Ursachen und Wirkungen
Und erkennen die Wirklichkeit nie,
Wie sie wirklich ist,
Sondern sehen sie durch den Schleier
Unserer Befangenheiten.

Die Welt existiert in Wirklichkeit,
Doch ist sie Maya!
Maya ist ein Phänomen!
Wir sehen die Wirklichkeit nur
Durch den Schleier der Maya
Und verblendet von unserer Torheit.
Maya und unsere Torheit
Verblenden uns, dass wir glauben,
Wir erkennen die Welt.
Doch nehmen wir in dem Phänomen nicht wahr
Die göttliche Wirklichkeit in allem.
Die Sinne nicht und nicht der Verstand
Erfassen die göttliche Wirklichkeit,
Nur intuitive Einsicht,
Die nur der wohlerzogenen Seele möglich ist.

Daß wir verblendet sind durch unsere Sinne
Und den begrenzten Verstand des kleinen Ich,
Läßt uns nicht schauen, wie in allen Seelen
Eine ewige Seele lebt,
Ein Hauch durch allen Atem zieht.
Unser individuelles Ich ist begrenzt
Und verschleiert uns die Wahrheit ebenso
Wie die Phänomene der Welt.
Wenn wir aber das Ich töten
Und uns erheben über Raum und Zeit
Und jenseits von Ursache und Wirkung
Mit den Augen der intuitiven Einsicht schauen,
Können wir die wahre Wirklichkeit schauen,
Jenen Atem Gottes,
Jenen Hauch des Geistes, der in aller Schöpfung lebt,
Der eins ist mit dem Schöpfergott.

Wer ist Gott
Oder was ist Gott?
Es gibt die individuelle Seele
Und die Weltseele.
Es gibt die Welt der Phänomene
Und den Ideenhimmel.
Es gibt den persönlichen Schöpfergott
Und jene Gottheit der Philosophen.

Was ist die Gottheit der Philosophen?
Es ist die ewige Gottheit,
Von den Philosophen in Ehrfurcht verehrt,
Die Wirklichkeit über allen Wirklichkeiten,
Das ewige Wesen aller Wesen,
Das Eine, das Alles umfasst
Und in Allem lebt,
Es ist das Sein an sich,
Das ewige Sein als Quelle aller Wirklichkeit!
Dieses ewige Sein dürfen wir als Gott verehren
Und dürfen Gott glückselig preisen,
Bewusst und intelligent
Und gut wie die ewige Güte selbst.

Ziel des Philosophen ist es,
Das Geheimnis Gottes zu ergründen
Und im gefundenen Geheimnis
Selig sich selbst zu verlieren
Und eins zu sein mit der Gottheit,
Es bedeutet, dass die Seele glückselig
Badet in dem Ozean der Gottheit,
Und es sind nicht mehr Zwei,
Sondern in Vereinigung ist Einheit geworden!

Um diesen Seelenfrieden zu finden
Und diese ewige Glückseligkeit,
Muß der Mensch nicht nur die Welt verlassen,
Sondern vor allem sein Selbst ganz hingeben!


10

Die Muse des Mahabarata
Ließ mich diese Vision erschauen:
Inmitten von hundert Millionen Toten
Wehklagt Gandhari,
Die Mutter des Prinzen Duryodhana,
Über den Leichnam ihres Sohnes.

Makellose Frau und Fürstin,
Stets der Güte zugewandt,
Tapfer in ihren Schmerzen stand
Gandhari auf dem Totenacker,
Schwarz vom Strom des Blutes
Lagen die Totenschädel zu ihren Füßen.
Schakale heulten ihr langgezognes Geheule
Und die Geier schwebten überm Aas,
Krähen krächzten überm Acker des Todes
Und ein ohrenbetäubendes Wehgeheule
Halte über dem Totenacker,
Schmerzensschreie,
Jammerklagen
Hallten auf dem Feld des Grauens.
Die andern Frauen zitterten,
Wankten und sanken wie tot zu Boden,
Das Leben wich aus ihnen,
Der Gram überwältigte sie,
Nur eine todesähnliche Ohnmacht
Linderte einen Augenblick ihre Schmerzen.
Voller Gewalt brach die Klage
Aus dem Busen Gandharis:
Siehe meine armen Töchter!
Siehe die Fürstinnen nun als Witwen!
Wie Adlerweibchen klagen sie
Um den gemordeten Bräutigam,
Die kalten Züge ihrer Liebe
Entflammen sie neu in ihren Schmerzen!
Die Mutter wiegt ihren Sohn,
Der so still im Todesschlaf
In ihren Armen ruht,
Die verwitweten Frauen weinen
Um ihren gemordeten Bräutigam.
Also klagte Königin Gandhari
Vor Gott,
Mit den Augen suchte sie ihren Sohn.
Schmerzen pressten ihr den Busen,
Wieder wachte sie auf in Schmerzen,
Wieder eilte ihr Blick
Zum Sohn, der unterm Himmel schlief,
Von schwarzem Blut überströmt.
Um seinen Leib schlang sie die Arme,
Sie presste ihn dicht an ihre Mutterbrust.
Schmerz durchzuckte ihre Glieder,
Da sie den toten Sohn in den Armen hielt,
Wie ein heftiger Sommerregen
Fallen ihre Tränen auf sein Antlitz,
Sein Haupt ist noch gekränzt mit dem Kranz
Der scharfen Dornen der roten Rosen!
Schau auch die Braut des Prinzen,
Königlich in ihrer Jugendschönheit,
Heilig wie ein goldner Altar.
Ihr Bräutigam ist ihr entrissen,
Ihren liebenden Armen entrissen,
Verdammt ist sie zu jammervollen Leiden
In all der Schönheit ihrer Jugend,
Sie ist doch so schön wie eine Frühlingsblüte!
Zerreiße, o Busen,
Zerreiße unter diesem Gewicht der Schmerzen!
Wie soll Gandhari weiterleben,
Wenn der Sohn gestorben ist?
Betrachte nur des Prinzen verlassene Braut,
Wie sie sein blutüberströmtes Haupt liebkost
Und ihn mit zärtlichen Händen pflegt
Auf seinem Totenlager!
Wie jene sich zum vielgeliebten Bräutigam wendet!
Wie jene sich zum vielgeliebten Sohne wendet!
Wie eine goldne Lotosblume
Erscheint die Braut des Prinzen.
Die Mutter spricht: O meine Tochter,
O du wunderschöne Lotosblüte!
Warum sollen wir weinen?
Ist der Sohn und Geliebte nicht im Himmel?
Es ist vollbracht!
Er wartet nun im Himmel auf uns!

Eben küsste mich
Die Muse des Ramayana.

Als der Pflug den Acker gepflügt,
Sprang aus der Ackerfurche
Sita!
Bald war Sita reif für die Ehe,
Aber wer vermag den ehernen Bogen zu spannen?
Da kam Rama mit der Brust des Löwen,
Mit mächtigen Waffen,
Seine Augen Lotosblumen,
Seine Zähne Zähne des Säbelzahntigers,
Seine Locken als Krone gebunden,
Rama allein vermochte den ehernen Bogen zu spannen.

Siehe, diese ist Sita,
Geliebt von Rama wie seine eigene Seele,
Nunmehr teile Sita Ramas Leben,
Sei sie deine treue Frau,
In Freuden und Leiden sei sie deine Gefährtin,
Dein sei sie in jedem Land der Erde,
In Lust und Schmerzen pflege sie dich liebevoll,
Reiche du ihr die Hand zum Bund der Liebe.
Wie der Schatten dem Körper folgt,
Folge dir deine Frau.
O Sita, Perle der Frauen,
Folge mir in den Tod und das ewige Leben!

Sitas Antlitz war wie Elfenbein,
Ihre Lippen wie Korallen,
Ihre Zähne wie schimmernde Perlen.

Aber eine Intrige eines bösen Weibes bewirkte,
Daß Rama in die Verbannung musste.
Er verzieh seinen Feinden
Und zog in die Wäldereinsamkeit,
Sita aber folgte ihm.

Pferde und schöne Häuser,
Das ist nur Eitelkeit für das Herz einer Frau.
Liebend zu sein und geliebt zu sein,
Das ist dem Weibe lieber,
Lieber hat sie den Schatten des Geliebten!
Glücklicher als in Lustschlössern
Lebt Sita mit Rama im Wald.
Nur dem Geliebten gelten ihre Gedanken,
Nur dem Geliebten gelten ihre Gefühle.
Wilde Früchte wird sie pflücken
Von den duftenden Zweigen.
Ramas Speise wird Sitas Speise sein,
Glückselig wird Sita mit Rama!

Rama und Sita machen sich Kleider
Aus Grasgeflecht, aus Feigenblättern,
Sie bahnen sich einen Weg durch den Dschungel
Mit scharfem Schwert
Und leben von Früchten und Nüssen.

Oftmals fragt Sita wissensdurstig Rama
Nach den Namen der Früchte.
Pfauen schreiten neben ihnen einher,
Affen spielen ihre berühmten Spiele.
Rama badet im Wasser
Im Schimmer der Morgenröte,
Sanft sucht Sita Erfrischung des Wassers
Wie eine Lotosblume im See.

Aber eine vornehme Dame
Kommt vorübergewandert
Und verguckt sich in Rama,
Er aber bleibt der geliebten Sita treu.
Da schickt die Dame ihren Bruder,
Sita zu verführen!

Der Bruder der Dame raubte Sita
Und brachte sie auf sein Lustschloß
Und versuchte mit großer Kunst,
Sita zu verführen.

Rama aber siegte in der Schlacht
Und befreite Sita
Und kehrte in die Stadt zurück
Und bestieg den Fürstenthron.

Rama spricht: Ich muß den Skeptikern Recht geben,
Sita war mir gewiß nicht treu!
Kein Frauenherz kennt Treue!
Sobald ein schöner Verführer kommt,
Lassen sie ihn willig ein!

Sita aber spricht: So denkst du von mir?
Ach, das lässt mich vor Scham
In der Erde versinken!

Und Sita versank im Schoß der Mutter Erde.


11

Ramakrischna glaubte bis ans Ende seines Lebens
An die Göttlichkeit Jesu Christi!

Der Brahmane aus Bengalen fühlte
Die Lockung der Liebe Christi!

Eines Tages kam Jesus Christus
Und ging in den Heiligen ein.

Da lehrte der Heilige eines nur noch,
Die Liebe als Weg zu Gott.

Das Wissen über Gott ist wie ein Mann,
Die Liebe zu Gott gleicht einer Frau.

Das Wissen des Mannes über Gott
Sieht Gottes Palast nur von außen,
Die Liebe der Frau zu Gott
Hat Zutritt zum Brautgemach Gottes!

Ein gelehrter Logiker aber fragte:
Was weißt du vom Denker,
Vom Gedachten
Und vom Denken?
Aber der Heilige sprach:
Du guter Mann, ich weiß nichts
Von der Spitzfindigkeit der Scholastik,
Ich weiß nur eines,
Daß Gott meine Mutter ist
Und ich bin Gottes Sohn!

Gottes Liebe ist wie eine Mutter.

O Mutter! O Mutter! O Mutter!


12

Geliebter, sage mir, ob das alles wahr ist,
Wenn meine Augen wie Abendsterne Blitze strahlen,
Daß dann in deiner Brust die schwarzen Wolken
Wie Donnerschläge des Donnerhammers Antwort geben?
Ist es wirklich wahr, dass dir meine Lippen süß sind
Wie die Blüte im Lenz der jungen Liebe?
Die Erinnerungen vergangener Maienmonde
Duften in allen meinen Gliedern?
Erschauert die grüne Mutter Erde
In Hymnen von Harfen,
Wenn meine nackten Füße die Gräser berühren?
Ist es wahr, dass Tautropfen tropfen aus der Nacht,
Wenn ich erscheine,
Und dass die Morgenröte lächelt,
Wenn ich meinen Körper im Lichtglanz bade?
Ist es wahr, dass deine große Liebe
Einsam wandert durch Welten und Äonen
Auf der Suche nach meiner Liebe?
Und da du mich schließlich gefunden,
Ist es wahr, dass du den Frieden findest
Allein in meinen sanften Worten,
In meinen leuchtenden Augen,
In meinen flutenden Haaren
Und in meinen keuschen zärtlichen Küssen?
Ist es wahr, dass du das Geheimnis Gottes
Auf meiner Stirn geschrieben liest?
Sage mir, mein Geliebter, ist das wahr?

Geliebte, ich sang einen großen Gesang für dich!
Aber meine Verse zerbrachen an deinen Fußkettchen,
Meine Poesie kam zu Schaden
Und liegt zerbrochen zu deinen Füßen!
Ein ganzes Heldenepos
Ward in Tränen ertränkt!
O der Verlust, Geliebte, der Verlust!
Vergelte mir ewig meinen großen Verlust!
Schenk mir unsterblichen Ruhm auf Erden
Und mache mich in Ewigkeit durch deine Liebe glückselig!
Dann werde ich meinen großen Verlust nicht mehr beklagen,
Dann brauche ich nicht mehr zu klagen über dich,
Geliebte, wenn du mir ewige, ewige Liebe schenkst!



EPIKUR
ODER
DIE HÖCHSTE LUST


Bei mir hier fühle du dich gut:
Die LUST ist hier das Höchste Gut!

Der Garten reizt den Hunger nicht,
Er stillt ihn! Hier ist kein Verzicht.

Wer um das Morgen trägt nicht Sorgen,
Geht mutig, freudig in das Morgen.

Beneide nicht! Die Gütigkeit
Verdient ja keinen bösen Neid.
Der Böse kehrt ins Nichts zurück,
Je mehr er sich ergötzt am Glück.

Vier Medizinen nimm zur Hand:
Die Gottheit schreckt nicht den Verstand;
Leg ab die Bangnis vor dem Tod;
Das Gute Antwort gibt der Not;
Und sei bereit an allen Tagen,
Das Übel sollst du leicht ertragen.

Den guten Menschen sollst du lieben
Und niemals seinen Geist betrüben,
Leb immer unter seinen Augen
Und müh dich, seinem Geist zu taugen.
In allem irdischen Geschehen
Tu so, als würde er dich sehen.

Bei der Begierde frage dich:
Was folgt daraus denn einst für mich?
Was, wenn Begierde sich und Willen
Und Wünschen einmal gar erfüllen?
Und was, wenn die Begierde nicht
Erfüllt wird? Also denke schlicht.

Such morgen besser noch zu leben
Als heut. Du sollst dein Bestes geben.

Ob uns die andern loben werden?
Entscheiden sollen das auf Erden
Die lieben andern Leute selber.
Du aber werd vor Neid nicht gelber,
Wenn man dich nicht lobt oder weil
Man andre lobt. Du such dein Heil!

Der Weisheit-Liebe-Schönheit Dreiheit,
Die suche nur, dann kommt die Freiheit.

Die schlechte Angewohnheit wollen
Und alle unsre Laster sollen
Wie alte Feinde wir verjagen,
Die plagen uns seit vielen Tagen.

Die eigene Natur nicht quäle,
Berede leise deine Seele,
Berede leise die Begierde,
Begierde still mit Zierrats Zierde,
Sofern sie dir nicht schaden kann,
Die schädliche lehnt ab der Mann.

Mit Weisen sprich von hohen Sachen,
Zu gleicher Zeit du sollst auch lachen,
In Ordnung halte deine Wohnung.
Verhalte dich mit milder Schonung
Und nütze deine Fähigkeiten,
Verkünde in der Welten Weiten
Mit Lachen und mit frommer Leisheit
Die Einsicht, die geschenkt Frau Weisheit.

Ein Staat in Aufruhr ist nicht glücklich,
Unglücklich wird auch augenblicklich
Die Wohnung, wo in Zwistigkeit
Hausmann und Hausfrau sind im Streit,
Unglücklich ist auch stets die Seele
Und immer selbst das Herz sich quäle
Und immer jene Seele leidet,
Die in sich mit sich selbst sich streitet.
Den Streit entferne aus der Brust,
Sonst findest nie du süße Lust.

Schön ist es, Gutes zu bekommen,
Doch Gutes tun ist einem Frommen
Noch schöner, solche Herrlichkeit
Und Lust bereitet Dankbarkeit.

Du kannst leben nicht in Lust
Ohne Weisheit in der Brust,
Ohne Wissen in dem Schädel,
Sei besonnen, sittsam, edel.
Edel aber und besonnen
Und gesittet in den Wonnen
Und vernünftig in der Brust
Bist du nur, genießt du Lust.

Keiner schaut das Schlechte an,
Wählt es dann als schlechter Mann.
Nein, geködert wird der Schlechte,
Schlechtes er als Gut sich dächte.
Wem das Schlechte gut gefallen,
Wird in großes Übel fallen.

Was sie selbst sich vorgenommen,
Das tun selbst nicht die Unfrommen.
Eine Scheinlust lockt die Toren
Und so an den Trug verloren,
Schwach gefesselt von Genuss,
Von dem flüchtigen Erguss
Eitler Scheinlust Toren lenzen,
Sehen nicht die Konsequenzen.
Kleine eitle Lustempfindung
Ohne jede Überwindung,
Ob man auch verzichten könnte,
Ohne dass man sich verbrennte,
Schaden bringen sie im Lande
Und die öffentliche Schande,
Und weil sie sich nicht gedulden,
Bringen sie sich in Verschulden
Und erlangen Spott der Dichter
Und die Strafe strenger Richter.
Doch die Weisen, die die Lust
Mit der Weisheit in der Brust
Nach der Weisen Art genießen,
Keine Schmerzen draus ersprießen,
Die Besonnenheit bewahren
Und sich hüten vor Gefahren,
Nicht der Lust zum Opfer fallen,
Lassen sich die Lust gefallen
Schöner als Poeten dichten,
Weil sie auf die Lust verzichten!

Seelen haben Lust und Schmerzen,
Fühlen Schmerz und Lust im Herzen,
Weil sie Schmerz und Lust am Leibe
Fühlen gleich dem feinen Weibe.
Lust macht fröhlich eine Seele,
Schmerz die Seele aber quäle.
Doch der Ursprung, liebes Weib,
Liegt begründet in dem Leib,
Wirkt auch auf den Leib zurück,
Seelenqual und Seelenglück.
Aber Wonnen oder Schmerzen
Größer sind im Seelenherzen
Als sie jemals sind im Leib,
Glaub mir das, du liebes Weib.
Denn im Leibe spürt man nur
Gegenwärtige Natur,
In der Seele aber auch
Des Vergangnen Schattenhauch
Und der Zukunft Hauch und Schatten.
Lehren doch der Weisheit Gatten,
Daß der Körper Schmerz empfindet,
Doch wer Seelenschmerzen findet,
Leidet mehr als der am Leib,
Glaub mir das, du liebes Weib.
Wenn die Seele nämlich denkt,
Über ihr das Unheil hängt,
Daß die Schmerzen ewig seien,
Welcher Gott kann sie befreien?

Weder Unmaß roten Weines
Und das Weib, und sei’s ein feines,
Sei sie reizend oder keusch,
Und auch nicht Genuss von Fleisch,
Sie erwecken nicht die Lust,
Sondern Weisheit in der Brust,
Die Vernunft, die die Erscheinung
Recht beurteilt, leere Meinung
Abweist und besonnen wählt
Und den Schritt gemessen zählt.
Ursprung allerhöchster Lust
Die Vernunft ist in der Brust,
Die Vernunft als Allgesetz,
Nicht Gelehrter Wortgeschwätz,
Die Vernunft in ewger Jugend
Ist die Mutter jeder Tugend.
Denn Vernunft lehrt diese Kunst:
Ist nicht Lust und ist nicht Brunst
Ohne die Gerechtigkeit,
Edle Selbstbesonnenheit.
Doch das Leben in der Tugend
Ist in Alter oder Jugend
Ganz unmöglich ohne Lust,
Ohne Freude in der Brust.

Wer lebt in holder Freundlichkeit,
Wohlwollen findet er bereit
Und wird im Leben Liebe finden,
So lebt er ruhig, ohne Sünden.
Und so kann seine Seele ruhn
Und Falsches braucht er nicht zu tun.

Die Freundschaft tanzt in dieser Welt,
Den Freund mit ihren Händen hält,
Die Freundschaft fordert auf den Weisen,
Die Göttin Freundschaft hoch zu preisen!

Der immer an sich selber denkt
Und niemals seinem Nächsten schenkt,
Ein wahrer Freund kann der nicht sein.
Wer nur an andre denkt allein
Und dient, was immer jene treiben,
Wird Freund dir nicht auf Dauer bleiben.

Beim Essen so wie auch beim Trinken,
Ja bei des roten Weines Blinken,
Schau du, mit wem du isst und trinkst
Und wem du mit dem Becher winkst.
Denn ohne Freundschaft gleicht das Leben
Mit allem Fleisch und Blut der Reben
Der Fütterung von wilden Wölfen.
Laß dir von Göttin Freundschaft helfen!

Du lebe still und tief verborgen,
Gott gibt dir Hoffnung für das Morgen!

Zieh du dich in dich selbst zurück
Und finde in dir selbst das Glück,
Bist du gezwungen, nicht allein,
Vielmehr bei dummem Volk zu sein.

In deinem Leben tu du nichts,
Was scheut die Helligkeit des Lichts,
Was scheut der weisen Männer Tadel,
So lebst du würdig deinem Adel.

Doch wenn du etwas heimlich tust
Und nicht mehr in der Seele ruhst
Und lebst im Innern voller Sorgen,
Die Untat bleibe nicht verborgen,
So wirst du stets voll Unruh bleiben
Und stets der Stachel wird dich treiben,
Daß man die Untat wird entdecken,
Was würde dich zutiefst erschrecken.

Natur lehrt, was uns das Geschick
Zuteilt an Unglück oder Glück,
Für unbedeutend dies zu halten.
So lehren es die weisen Alten,
Daß stets der Glückliche betrachte,
Was Unglück sei, das Glück nicht achte,
Daß der Unglückliche bedenke,
Was immer auch das Glück ihm schenke,
Sei flüchtig und vergänglich, eitel.
Ruht Weisheit dir auf deinem Scheitel,
Verschwende, Weiser, nicht den Blick
Und schau nicht nach dem eitlen Glück.
Was immer dir das Schicksal schenkt,
Frau Weisheit nur den Weisen lenkt.

Frau Weisheit ist uns Führerin,
Denn sie besitzt den wahren Sinn
Und trägt die Kunst in ihrer Brust
Und kennt den Weg zur wahren Lust,
Frau Weisheit nur vertreibt die Trauer,
Frau Weisheit schenkt dir Lust auf Dauer!

Denk an den Tod, den Flug zu Sternen,
Klug ist es, von dem Tod zu lernen,
Willst du es lernen, fromm zu sterben,
So wirst du wahre Weisheit erben.

O Freundschaft! In der Todesstunde
Bekenne ich mit meinem Munde:
Groß sind die Schmerzen meines Leibes,
Doch denke ich des schönsten Weibes,
Der Göttin Freundschaft, voller Schaudern,
Wie schön wärs doch, mit dir zu plaudern!

Durch die Natur des Menschen bist
Du sterblich zwar, o Mensch, doch ist
Durch die Vernunft und Weisheit dir
Gegeben Leben für und für,
Du schaust, was war und ist und sein wird,
Ein Leben Gottes, welches dein wird!

Der Mensch, damit er nicht verschlimmert,
Der gute Mensch, der Edle kümmert
Um Freundschaft sich in stiller Leisheit
Und um die makellose Weisheit.
Die Freundschaft steht vielleicht ihm näher,
Die wahre Weisheit steht doch höher.

Bei aller Arbeit kommt Profit,
Nachdem man schwer sich abgemüht.
Allein der Weisheitssucher findet
Schon, wenn die Weisheit er ergründet,
Gewinn in allem seinem Mühen,
In seinem für-die-Weisheit-Glühen.
Genuss ist nicht die Folge nur
Der Einsicht in die Gottnatur,
Erkenntnis und Genuss, sie kommen
Im gleichen Augenblick den Frommen!

Ich sage dir: Frau Weisheit liebe,
Ergründe du in Weisheitsliebe
Das Allgeheimnis der Natur,
Den Elementen auf der Spur.
Im Kloster der Chloride du
Alleine findest Seelenruh.

Ich möchte lieber offen schreiben
Und immer bei der Wahrheit bleiben,
Ob auch die Welt nicht applaudiert,
Als wie ein Affe ganz vertiert
Zu feiern nichts als die Erscheinung
Und Oberflächlichkeit der Meinung
Und mitzutanzen in dem Trubel,
Beklatscht von hohler Narren Jubel.

Die Menge hab ich nie begehrt,
Die Pöbelmenschen ungelehrt,
Denn was dem dummen Volk gefällt
Und wozu applaudiert die Welt,
Das habe ich nie gut geheißen.
Die Einsicht eines frommen Weisen
Ward von den Narren nie begriffen,
Die lieber sich den Dummkopf griffen.

Zuschauen mag ich im Theater
Der Welt und preisen auch den Vater
Für das Mysterium des Weines
Und für die Kunst des schönen Scheines.
Doch Dichterkriegen und Kritik
Von Kritikastern weist zurück
Mein Geist, der nicht dran denken mag
Bei meines Freundes Trinkgelag.

Was willst du denn von Philosophen,
Die weise sind wie Kammerzofen
Und Schmerzen nicht zu lindern wissen?
Der Arzt tut Heilkraut in das Kissen,
Des Philosophen Lehre soll
Des Trostes voll sein, übervoll
Der Kraft zur Heilung, wahrlich, weiland
Frau Weisheit war ein großer Heiland.
Frau Weisheit sollst du liebend bleiben,
Sie wird den Schmerz aus dir vertreiben.

Wir sehen doch, dass dieses Leben
Chaotisch ist und mitgegeben
Dem Leben ist Unwissenheit
Und Torheit und Begierlichkeit
Und Angst und Sorgen. Vor dem Sturm
Des Chaos stehe fest der Turm
Der Weisheit! Mit Gelassenheit
Betrachte die Begierlichkeit
Und schau des Schicksals dumme Launen
Gelassen an. Was ist zu staunen?
Der Narr hat Schmerzen in der Brust,
Frau Weisheit nur schenkt wahre Lust.

Wer ist wohl stärker als der Mann,
Der betet Gott als Vater an
Und ohne Angst dem Tod begegnet
Und der von Weisheit ward gesegnet
Und hat erkannt des Lebens Spiel
Und seines Lebens höchstes Ziel
Und der von Kindheit an und Jugend
Gesucht die Frömmigkeit und Tugend
Und der das Gute immer tut
Und Güte nennt das Höchste Gut,
Dem Schicksal aber nicht vertraut,
Den Launen nicht der Schicksalsbraut
Vertraut, die manche nennen Herrin,
Der Aberglaube preist die Närrin.
Sich selber prüft der weise Mann
Und schaut sich seine Fehler an,
Bereut, bekennt und bessert sich
Und so veredelt er sein Ich.
Nicht Zufallsgott, nicht Schicksalsgöttin,
Frau Torheit nimmt er nicht zur Gattin,
Frau Weisheit nur mit Leidenschaft
Liebt er, der voll der wahren Kraft.

Zu Gott zu beten, Gott zu preisen,
Das ist die Weisheit aller Weisen,
Nicht etwa, weil Gott zürnen würde,
Wenn wir mit aller unsrer Bürde
Nicht vor den großen Vater treten,
Den Herrn und Schöpfer anzubeten,
Nein, weil es logisch konsequent ist,
Ob Gott dir auch nicht evident ist,
Dass Gott das Höchste Wesen ist,
Was du der Gottheit zubemisst,
Ist die erhabne Leidenschaft
Und schöpferische Zeugungskraft!

Der ist nicht töricht, der die Götzen
Verwirft der Hexen und der Metzen,
Nein, töricht ist der dumme Tropf,
Der nach des Narren hohlem Kopf
Und seiner irrgegangnen Meinung
Und Kleben an der Welterscheinung
Der Gottheit Wesen definiert
Und sich in Narretei verliert.
Des Pöbels närrisches Geschwätz
Ist doch kein göttliches Gesetz,
Ist nichts als Vorurteil und Meinung
Und Kleben an der Welterscheinung.

Die Gottheit, ja, die Gottheit preise
Mit aller frommen Kunst der Weise
Und preise die Unsterblichkeit
Der Gottheit, die Glückseligkeit
Der Gottheit, geb ihr keine Art,
Die niemals sich harmonisch paart
Mit göttlicher Unsterblichkeit
Und göttlicher Glückseligkeit.
Was sich harmonisch läst vereinen
Mit beiden Arten dieser einen
Allgottheit, schreib der Gottheit zu,
Sie sei allein dir Seelenruh,
Ruh in der Gottheit Ewigkeit
Und Ewigen Glückseligkeit!

Der Weise liebt der Gottheit Wesen,
Der Weise weiß sich auserlesen,
Der Gottheit Wesen nahzukommen,
So ist verheißen es den Frommen.
Den Frommen will die Gottheit führen,
Die Gottheit möchte er berühren,
Er möchte mit der Gottheit rein
Verbunden und zusammen sein.
Der Weise ist der Gottheit Freund –
Die Gottheit ist des Weisen Freundin!

(Fortsetzung in Teil 2)