von
Josef Maria von der Ewigen Weisheit
Vorwort:
Die
alten Griechen gaben Tragödien als Trilogien heraus mit einem
Satyrspiel als Abschluss. So gebe ich hier die Trilogie: Die wahre
Helena – Phädra – der angenagelte Prometheus - mit dem
Satyrspiel Aphrodite in Flammen. In den Tragödien habe ich in der
Form versucht, Euripides bzw. Äschylus mit Racine zu vermählen, und
im Inhalt den hellenischen Geist mit der christlichen Religion. Die
Tragödien sind unter großen seelischen Schmerzen, teilweise in der
Psychiatrie, nach dem frühen Tod einer geliebten Freundin
geschrieben. Das Satyrspiel ist die Nachahmung eines modernen
englischen Dramas und versucht, die Qualen der Leidenschaften
ironisch zu brechen.
ERSTE
TRAGÖDIE
DIE
WAHRE HELENA
Ort:
Ägypten. Zeit: Nach dem Fall Trojas.
ERSTER
AKT
ERSTE
SZENE
HELENA
Nun
steh ich hier allein, fern meinem Griechenland,
Wohl
waltet über mir des Vatergottes Hand.
So
denke ich zurück an jene Unheilsstunde,
Da
Alexander stand am Ida in dem Grunde
Bei
Troja, ihm erschien dreifaltig Gott-Natur,
So
Alexander stand, erschrockne Kreatur,
Und
sah Athene an, die Alexander fragte,
Ob
sie die Schönste sei? Der arme Mann verzagte,
Es
fragte ihn ja auch die Himmelskönigin
Mit
weißem Lilienarm: Ob ich die Schönste bin?
Und
Alexander sah des Meeresschaumes Blüte,
Die
nackend ihm erschien, die Göttin Aphrodite,
Die
fragte lächelnd ihn, charmanten Lächelns leis:
Nennst
du die Schönste mich, gibst mir des Apfels Preis,
Schenk
Alexander ich, ich Anadyomene,
Die
schönste Frau der Welt, erotische Helene.
Und
so begann der Krieg. Die Himmelskönigin,
Der
Ehe-Göttin sie, in heilig-keuschem Sinn,
Dem
Alexander gab ein Scheinbild, eine Schöne,
Die
nichts als Traumfrau war. Um dies Idol Helene
Das
weise Griechenland mit Troja führte Krieg,
Ich
weiß nicht, ob bereits errungen ist der Sieg.
Die
Himmelskönigin mich nahm in ihre Arme
Und
führte mich hinweg aus all dem herben Harme
Und
nach Ägypten hin die Himmelskönigin
Mich
brachte, Helena, die ich die Keusche bin,
Nicht
frevelnd mich begab in Alexanders Nähe,
Nein,
Menelaos treu, nicht brach die fromme Ehe.
So
wahrte Helena die Himmelskönigin,
So
dass ich unbefleckt vom Ehebruche bin.
Jedoch
der Griechen Heer in Asia im Kriege
In
wilder Kriegerwut sie kämpften bis zum Siege.
Um
wen denn kämpften sie? Um nichts als ein Idol,
Chimäre,
Phantasie, ein Traumbild, innen hohl,
Ein
flüchtiges Idol, gleich Imaginationen,
Um
eine Illusion, gleich Halluzinationen.
Dies
reizende Idol der Traumfrau Helena
Ist
weiße Leinwand nur, auf der ein jeder sah,
Was
ihm im Innern war. Die Männer projizieren
Und
malen farbig schön die schönste Frau, die ihren
Gemütern
ganz entspricht, ist Psyche offenbar.
Doch
ich bin Helena, die wahre Frau, und wahr
Bin
ich ein wahrer Mensch von gottgezeugtem Wesen.
Von
Gott ist meine Art, von Gott ich auserlesen,
Vom
Vatergott geliebt, ich Gottes Tochter bin,
Geschützt
vom Lilienarm der Himmelskönigin.
ZWEITE
SZENE
(Helena
am Granit-Grabmal des alten Pharao.)
HELENA
So
kam ich also einst hierher ins Land Ägypten,
Wo
Götter von Basalt regieren in den Krypten.
Der
alte Pharao nahm mich als Tochter an,
Er
war ein Vater mir, ein tiefgelehrter Mann.
Nie
die Spartanerin war jemals königlicher,
Beim
alten Pharao, dem Vater, war ich sicher.
Nicht
eitel schmückt ich mich mit Flechten und mit Putz,
Der
alte Pharao gewährte seinen Schutz
Der
schlichten frommen Frau, die einfach war und edel.
Ägyptens
Weisheit war in seinem breiten Schädel,
Ägyptens
Weisheit und Mysterienreligion,
Geheime
Wissenschaft vom ewigen Äon,
Vertraut
war diesem Mann, der Pharao war weise,
Die
Göttin Isis in der Tierkreisbilder Kreise
Verehrte
er und mit der Mutter auch den Sohn
Und
nahm stets teil an der Mysterienreligion.
Doch
schließlich starb auch er. Ich hüllte mich in Trauer.
Es
stirbt der Pharao, es stirbt auch jeder Bauer,
Sie
kommen ins Gericht. Wer aber auferstand,
Als
Bauer ewig lebt und pflügt sein Ackerland
In
alle Ewigkeit und ausstreut seine Saaten.
Die
Totengötter sind Ägyptens Demokraten,
Der
Bauer aufersteht im Jenseits ebenso
Wie
aus dem Mumienschrein der große Pharao.
Dem
alten Pharao gefolgt ist auf dem Throne
Der
junge Pharao. Ich werde von dem Sohne
In
Liebesgier bedrängt. Der Pharao begehrt
Die
Europäerin, er sagt, dass er verehrt
Der
Gottesschönheit Bild in meiner Zierrat Zierde,
Allein
ich weiß als Frau, es ist nur die Begierde,
Er
schielt nach meinem Hals, er schielt nach meiner Brust,
Ich
bin ihm Augenlust, ich bin ihm Fleischeslust.
Er
ist betört, verwirrt von meinen Körperreizen,
Er
träumt in seinem Geist, ich tät die Schenkel spreizen.
Jedoch
mein Herz ist keusch, jungfräulich ist mein Herz,
Ich
liebe nicht den Spaß, den töricht-eitlen Scherz,
Die
lose Buhlerei in fremden Mannes Nähe.
In
meinem Herzen bin ich treu dem Mann der Ehe,
In
meinem Herzen und im Fleische bin ich treu,
An
keinem Manne als an Menelas mich freu.
Zudringlich
aber ist der Pharao, der junge,
Bedrängt
mein Muschelohr mit seiner Schlangenzunge,
So
fliehe ich vor ihm zu diesem Grab-Granit.
Der
alte Pharao vom Himmel niedersieht
Und
schützt mich vor dem Sohn, die ich sonst keinen habe
Als
eines Toten Geist hier am granitnen Grabe.
DRITTE
SZENE
(Ein
griechischer Bote tritt zu Helena.)
GRIECHISCHER
BOTE
Wer
bist du, schöne Frau, granitnem Grabe nah?
HELENA
Ich
bin Spartanerin und heiße Helena.
GRIECHISCHER
BOTE
O,
wenn du Griechin bist, so willst du sicher hören,
Ob
Troja heut noch steht? So kann ich dir beschwören,
Gefallen
Troja ist, geschlagen von dem Heer
Der
griechischen Armee, die ankam übers Meer.
HELENA
Nun
sage mir auch, nach dem Krieg und seinem Chaos,
Was
kannst du sagen mir vom Griechen Menelaos?
GRIECHISCHER
BOTE
Des
Menelaos Frau Zankapfel war des Kriegs,
Die
Alexander nahm, nach dem Triumph des Siegs
Aus
der zerschlagnen Burg und ihrer Trümmer Chaos
Die
Frau nahm sich zurück der Grieche Menelaos.
HELENA
Wie,
Menelaos hält Helene an der Hand?
Ist
heimgekommen er bereits nach Griechenland?
GRIECHISCHER
BOTE
Legenden
hört man viel. Odysseus, geht die Sage,
Zehn
Jahre irrt umher, dreitausend lange Tage,
Es
hielt die göttliche Kalypso ihn im Schoß,
Bis
von der Göttin er riß sich gewaltsam los,
Er
irrte übers Meer, als ihm sein Floß zerschmettert,
Er
Leukothea sah, die Frau, von Zeus vergöttert,
Die
ihren Schleier ihm ließ huldvoll sinken, dass
Er
retten ließe sich aus Meerestiefen naß,
Da
lag er plötzlich nackt bei Klippen an dem Strande,
Und
so nahm man ihn auf in dem Phäakenlande,
Odysseus
nämlich an dem Strande spielen sah
Mit
ihren Freundinnen die Maid Nausikaa,
Als
er vor ihr erschien, fast wie ein Todesschatte,
Nackt,
nur verhüllt das Glied von einem Eichenblatte.
HELENA
Odysseus
kehrt wohl heim. Doch sag mir lieber, was
Geworden
ist aus dem geehrten Menelas?
GRIECHISCHER
BOTE
Ach,
Fama bläst das Horn, lässt das Gerücht erschallen,
Daß
Menelaos sei, seit Trojas Burg gefallen,
Auf
Irrfahrt, irrend auf dem alten Archipel.
HELENA
So
lebt er also noch? O weiter doch erzähl!
GRIECHISCHER
BOTE
Die
Fama bläst das Horn, der Grieche sei verdorben,
Der
edle Menelas, bläst Fama, sei gestorben.
VIERTE
SZENE
HELENA
O
Bote, kommst du doch zu mir aus Griechenland,
Wie
geht es Helenas Familie? Gottes Hand
Ist
über Helena und all den Ihren gütig.
Die
Hand des Vaters, sag, ist Gott im Zorne wütig?
BOTE
Von
ihrer Mutter hör! Die Nymphe Leda sahn
Die
Himmlischen dereinst, wie Gott als weißer Schwan
Sie
gnädig heimgesucht und liebend sie begattet
Und
sie als Gotteskraft hat fruchtbar überschattet.
Die
Mutter jetzt ist tot, die Nymphe Leda tot!
HELENA
Die
Nymphe Leda ist von Gottes Zorn verdorben,
Als
Folge ihrer Schuld als Sünderin gestorben?
Ist
keine Hoffnung mehr, dass Leda weiterlebt?
Wie
Wehen der Geburt mein weißer Busen bebt!
Wir
werden alle doch des grimmen Hades Futter!
Ah
weh dir, Helena, ah wehe deiner Mutter!
BOTE
Doch
hatte Helena ein Töchterchen, ein Kind,
Ein
Mädchen, jung und schön, wie junge Mädchen sind,
Die
Maid Harmonia in ihrem jungen Grame
Verwehrte
sich dem Bund mit einem Bräutigame.
O
großer Schade ist es einem Mädchen doch,
Wenn
sie die Ehe scheut, des Ehegatten Joch.
Wodurch
geheiligt wird das Mädchen in der Jugend?
Wenn
Söhne sie gebiert in ehelicher Tugend!
Ein
Mädchen unfruchtbar, ein Mädchen unbemannt,
Von
keines Gatten Akt im Ehebund erkannt,
Wenn
ihre Jungfernhaut nicht leidet sanfte Häutung,
Ein
solches Mädchen ist doch ohne die Bedeutung,
Die
eine haben kann, in Ehren haben kann,
Die
gänzlich sich ergibt in Liebe einem Mann.
HELENA
Sind
keine Freier denn in ihrem Heimatstädtchen?
Wählt
keinen sich zum Mann das wunderschöne Mädchen?
Glückselig
ist der Mann, ich sags mit keuschem Mund,
Glückselig,
den sie wählt zum ehelichen Bund.
BOTE
Doch
aber Helena, beim Liebeslied der Lieder,
Sie
hatte Brüder auch, die beiden Zwillingsbrüder.
HELENA
Was
ist geworden denn, o sage weis und wahr,
Was
ist geworden denn aus diesem Zwillingspaar?
BOTE
Was
immer lästern auch die gottvergessnen Spötter,
Die
Zwillinge sind doch geworden eilansgöttHeilanHeilandsgötter!
HELENA
Ach
weh dir, Helena, ach dulde, leide still!
Ich
selber nur in Gott, in Gott verlöschen will!
Wenn
ich die Erde seh, die Übermacht des Bösen,
Begehr
ich nur, in Gott mich gänzlich aufzulösen!
FÜNFTE
SZENE
HELENA
In
meinem Busen welch ein Chaos!
Ich
weiß nicht: Lebt noch Menelaos?
Ist
Menelaos, weh mir, tot?
Dann
wein ich Tränen blutig rot!
CHOR
DER GRIECHISCHEN SKLAVINNEN IN ÄGYPTEN
Die
Tochter Pharao befrage,
Daß
sie dir deine Zukunft sage!
Die
Tochter Pharao ist klug,
Die
oft in stiller Wüste frug
Nach
ihres Gottes leiser Stimme,
Ob
Gott sei gnädig oder grimme.
Die
Tochter in Ägyptenland
Geschrieben
las in Gottes Hand
Das
Schicksal aller Menschenseelen,
Ob
sie voll Glück, ob sie sich quälen.
Des
Schicksals Vater ist doch Gott,
Wir
aber, Odem im Schamott,
Wir
wollen ganz uns unterwerfen
Und
unsre innern Sinne schärfen,
Ob
wir auch in der Wüste dort
Vernehmen
Gottes leises Wort.
Nicht
für dich selber sollst du fragend
Und
flehend bitten, beten klagend,
Die
Tochter Pharao am Ort
Befragen
nach des Vaters Wort,
Doch
ob in dieses Daseins Chaos
Lebendig
sei dein Menelaos,
Ob
er nach des Geschicks Gebot
Sei
schon im Hades, sei schon tot.
Die
Tochter Pharao, die stille,
Sie
weiß, wie Gottes Vaterwille,
Sie
hört die Stimme Gottes still,
Und
weiß, was Gott vom Menschen will.
Wir
sind vor Gott ja nichts als Sklaven,
Wir
wollen ja in Gott nur schlafen,
In
Geistesdingen sind wir stumpf,
Von
Venus sehn wir nur den Rumpf,
Nur
Brüste, aber keine Arme.
Doch
dass der Höchste sich erbarme,
Befrage
die Prophetin dort
Nach
Gottes Weisung, Gottes Wort.
Denn
die Prophetin kann bezeugen,
Daß
Gott ist nicht ein Gott im Schweigen,
Im
Innern der Prophetin schlicht
Der
Höchste leise wehend spricht.
Ja,
in der Tochter Pharao
Ertönt
das Wort, das A und O.
So
geh und ende deine Klage,
Die
Tochter Pharao befrage!
ZWEITER
AKT
ERSTE
SZENE
(Menelaos
in zerfetzten Kleidern, verwildert die langen blonden Haare und der
lange volle Bart. Er steht vor dem Palast des Pharao.)
MENELAOS
Ach
Himmel, so zerfetzt, so lumpig und zerfetzt,
So
von dem langen Krieg zerrissen und verletzt!
Die
Irrfahrt währte lang, seit Troja unterlegen,
Wir
Griechen siegten zwar durch guter Götter Segen,
Ich
habe Helena errungen mir zurück,
Sie
ist auf meinem Schiff, mein Engel und mein Glück!
O
schönste Helena, wie Aphrodite Schaumfrau,
O
schönste Helena, du engelgleiche Traumfrau!
In
meinem Innern ist im schwarzen Körper hohl
Ein
dunkles schwarzes Loch, du lebst darin, Idol!
Wo
aber bin ich jetzt? Fern von dem Land der Griechen,
Muß
durch Ägypten ich wie Wüstenschlangen kriechen?
Hier
steht nun der Palast, Palast des Pharao,
Der
sicher weise ist wie König Salomo.
Ob
man mich aufnimmt hier, der Schiffbruch ich erlitten?
Schiffbrüchiger,
will ich um eine Zuflucht bitten!
O
habt doch Mitleid, all ihr Himmlischen, mit mir,
Ich
klopf um Gnade an an dieser Gnadentür!
(Menelaos
klopft an die breite, hohe, uralte Pforte. Eine Alte öffnet die
Pforte, es ist die greise Amme des Pharao.)
AMME
Wer
klopft hier Fremdling an, wer will an diesem Orte
Begehren
Einlass und will durch die Gnadenpforte?
MENELAOS
Schiffbrüchiger
bin ich, verlor fast den Verstand,
Ich
möchte endlich heim ins schöne Griechenland.
Schiffbrüchiger,
der ich den Schiffbruch jüngst erlitten,
Ich
möchte um Asyl im Land Ägypten bitten.
AMME
Der
junge Pharao nimmt keinen Fremdling an,
Der
junge Pharao will bald als Ehemann
Sich
nehmen eine Braut, die Allerschönste freien,
Hat
keinen Sinn im Glück für Leiden. Mußt verzeihen.
MENELAOS
Wer
ist die Glückliche, der er gibt seine Hand,
Wer
wird hier Königin sein in Ägyptenland?
AMME
Wie
Hathor ist sie schön, die schöne Frau Helene,
Ein
wahrer Wunderwerk an Schönheit ist die Schöne!
MENELAOS
Helene?
O wie schön der Name Helena!
Sie?
Sie ist ja bei mir! Sie spricht: Ich bin ja da!
ZWEITE
SZENE
MENELAOS
Auf
meinem Schiffe ist die seligste Helene,
Ein
wahres Traumbild sie, ein Geist in höchster Schöne!
Die
Amme aber sprach, es sei im Lande da
Ein
wunderschönes Weib, das heiße Helena,
Und
das verwirrt mich doch. Ob mich Dämonen necken?
Da
nahen junge Fraun. Ich werde mich verstecken.
(Menelaos
versteckt sich in einem Gebüsch. Der Chor der griechischen
Sklavinnen kommt mit Helena.)
CHOR
O
edle Griechenfrau, sag, hast du auch befragt
Die
Tochter Pharao? Und was hat sie gesagt?
Hat
die Prophetin dir in deine Seele offen
Gegossen
neuen Mut dir ein und neues Hoffen?
HELENA
Der
Erde Nabelstein ist Delphis Heiligtum.
Dort
sitzt die Pythia, schaut das Mysterium
Und
hört den Sehergott, den Segen und die Flüche.
Dann
lallt die Pythia von Gott Orakelsprüche
Und
trunken visionär in göttlicher Gewalt
Ekstatisch
Pythia von Gott Orakel lallt
Und
keiner kann verstehn, was spricht der Seelenrichter,
Bis
schön es übersetzt der priesterliche Dichter.
So
ist Prophetentum im schönen Griechenland.
Hier
in Ägypten ist auch Prophetie bekannt
Und
die Prophetin ists, die Gott vernimmt im Wetter,
Hört
Gott im Wettersturm, den höchsten Gott der Götter.
CHOR
Was
lallte trunken nun dir der Prophetin Mund?
Was
tat des Gottes Wort, o Helena, dir kund?
Vor
Sehnsucht nach dem Wort uns unsre Brüste beben:
Sag,
ist dein Menelas, dein Gatte, noch am Leben?
HELENA
Des
Chaos Strudel ihn ergriff, des Chaos Trubel,
Des
Meeres Abgrund ihn verschlang! Und doch o Jubel,
Mein
Menelaos lebt! O meine Rede stockt,
Im
Busen mir mein Herz so sprachlos mir frohlockt!
CHOR
Ja,
wenn uns Jammer trifft und uns die Götter nehmen
Das
Liebste von uns weg, dann wilde Worte strömen
Und
alles Weh und Leid wird trunken ausgesagt
Und
wohlberedet reich der Mensch in Qualen klagt,
Doch
will uns süßes Glück umflattern und umsummen,
Dann
muß vor Lust das Herz in Seligkeit verstummen!
HELENA
Mein
Menelaos lebt! Das dank ich Gott, ich weiß,
Der
Himmelskönigin sei ewig Lob und Preis!
DRITTE
SZENE
(Nachdem
der Chor gegangen ist, tritt Menelaos aus dem Gebüsch und spricht
Helena an.)
MENELAOS
Wie
hängt mein Leben doch am dünnsten Schicksalsfädchen,
Du
aber bist sehr schön, ja, wohl ein Himmelsmädchen?
HELENA
Ich
heiße Helena, bin die Spartanerin,
Der
Griechen Heiligtum, der Schönheit Königin.
MENELAOS
Das
kannst du sagen wohl, doch kann ich es auch glauben?
Ach
Helena, mein Traum, bei Aphrodites Tauben!
Auf
dem zerstörten Schiff, auf meinem Wrack ist ja
Gerettet
aus dem Brand von Troja Helena.
HELENA
Was
kann ich tun, als dir den Namen mein zu nennen?
Kannst
du nicht deine Frau, dein Weib in mir erkennen?
MENELAOS
Ja,
wahrlich, du bist schön! Ich sehe Cypria
In
deinem Ebenbild, die Göttin Paphia
In
deinem Ebenbild, wie Aphrodites Schäume
Dein
Leib ist schwanenweiß, jedoch im Innern träume
Ich
noch von meiner Frau, im schwarzen Körper hohl
Lebt
jetzt noch meine Frau, mein Helena-Idol.
HELENA
Ja,
die erfandest du, phantastisch sind die Künste
Der
Männerphantasie, die haschen eitle Dünste.
MENELAOS
Du
Schwanenkönigin, dein Busen weißer Schaum,
Du
reine Lichtgestalt, scheinst selbst mir nur ein Traum.
HELENA
Umleuchtet
meinen Leib der Gottesschönheit Klarheit?
Doch
bin ich wirklich Weib von Fleisch und Blut in Wahrheit!
MENELAOS
So
ich dich heute schau, voll Staunen ich dich schau,
Ich
mein, die Göttin selbst erscheint mir in dir Frau!
Jedoch,
ich bin gewiß, dass meiner Seele Gattin
Zurückblieb
auf dem Wrack, Helene, meine Göttin!
HELENA
Ist
sie so schön wie ich? Schau meinen runden Leib!
Wann
sahest jemals du ein so vollkommnes Weib?
MENELAOS
Doch
Spartas Helena vom Reiche der Ideen,
Die
solltest einmal du mit meinen Augen sehen.
Die
Gottesschönheit seh ich visionärer Schau
In
dieser Traumgestalt, der idealen Frau.
HELENA
Dein
Geist ist außer sich, ist tief im Wahn verloren!
Was
willst du mit der Frau, die dir dein Traum geboren?
Ist
sie dein Ideal, im Geiste Gottes keusch,
Ich
bin das wahre Weib, bin Frau von Blut und Fleisch.
MENELAOS
Ob
Venus’ Tauben so im Liebesfrühling girren,
Wie
weißt du mich, o Weib, wahnsinnig zu verwirren!
VIERTE
SZENE
MENELAOS
O
Liebesenergie im schwarzen Körper hohl,
Ich
eile jetzt zurück zum Helena-Idol,
Die
Wirklichkeit ist wahr, im Traum erscheint die Traumfrau,
Als
Wahrheit schöner ist die makellose Schaumfrau!
HELENA
Ein
leeres Traumbild nur, von lauter Nichts verkeuscht,
Das
sag ich dir voraus, dass dich die Frau enttäuscht.
(Ein
griechischer Bote kommt eilend und grüßt Menelaos.)
BOTE
O
Menelaos, Fürst, ich komme zu berichten.
MENELAOS
Was
Schicksalsgöttinnen für neues Schicksal dichten?
BOTE
Die
schönste Helena, befreit aus Trojas Brand,
Die
du hierher gebracht in der Ägypter Land,
Für
die du Krieg geführt zehn lange Kriegesjahre,
Die
Troja angesteckt mit Einem ihrer Haare,
Die
Siegstrophäe, die bei der Trompeten Schall
Verkündet
Griechenland den Sieg und Trojas Fall,
Die
schöne Helena, die von der Liebesgöttin
Zum
Ehebruch verführt, die Hündin und die Gattin,
Du
ließest sie zurück auf dem zerstörten Wrack,
Matrosen
um sie her, ein liederliches Pack,
Ja,
heute morgen wars, ich roch die schönsten Düfte,
Die
schöne Helena entfloh in Ätherlüfte!
MENELAOS
Die
schöne Helena floh in die Himmelsluft,
Ließ
mich allein zurück in dieser Erdengruft?
Wie
kann das sein? O Mann, o sagst du auch die Wahrheit?
BOTE
Die
allerschönster Frau von kristalliner Klarheit,
Die
Angebetete, das göttergleiche Weib,
Sie
löste auf in Duft und Luft den lieben Leib
Und
so zerfloss ihr Leib im lichterfüllten Äther,
Das
haben nie gesehn der Griechen weise Väter,
Ich
aber habs gesehn! Ihr schönstes Angesicht
Zerfloss
im Himmelsblau, ging auf im Sonnenlicht!
Ob
Aphrodite selbst tat Helena entrücken?
Dahin
ist das Idol, phantastisches Entzücken,
Die
Göttin hat entrückt zum Himmel dein Idol!
MENELAOS
O
Liebesenergie im schwarzen Körper hohl,
Was
macht auch die Idee im Erdenreich der Schatten?
Kann
sich ein Schatte der Idee der Schönheit gatten?
FÜNFTE
SZENE
CHOR
Ach
armer, armer Menelas,
Helene
ohne Unterlaß
Du
suchtest in des Krieges Chaos,
Ein
Traumbild nur, o Menelaos!
Dein
Traumbild war zwar wunderschön,
Ein
Ideal aus den Ideen,
Erotisch,
reizend, wenig züchtig,
Jedoch
wie Schaum des Meeres flüchtig!
Aus
Meeresschaum kam Cypria,
Aus
Meeresgischt stieg Paphia,
Die
Göttin stieg aus Meeresschäumen,
Um
zu entzücken unser Träumen,
Die
Schönheit vom Ideensaal
Erschien
in Träumen ideal
Und
ließ sich sehen in dem Lichte
Allein
dem inneren Gesichte,
Der
sechste Sinn allein erblickt
Das
Ideal, das so entzückt,
Mit
Wirklichkeit nicht zu vertauschen,
Vermag
ein Traum uns zu berauschen,
Erotisch,
reizend, wenig keusch,
Ein
Geist in transparentem Fleisch,
In
allen Liebeskünsten tüchtig,
Gleich
einer Hündin wenig züchtig.
Allein,
zerflattert ist der Traum,
Die
Traumfrau sank zurück in Schaum.
Allein,
in göttergleicher Klarheit,
Die
Schönheit dir erscheint in Wahrheit,
Die
Güte selbst im schönsten Leib,
Gottähnlich,
aber doch ein Weib,
Nicht
Illusion allein romantisch
Und
nicht Vision allein phantastisch,
Nein,
züchtig sie erscheint und keusch,
Doch
voller Liebreiz ist ihr Fleisch,
Ihr
Körper schön ist ohne Fehle,
Noch
schöner aber ihre Seele,
Noch
schöner aber, dass du’s weißt,
Der
liebt die Wahrheit, ist ihr Geist,
Triumph
der Königin! Victorie!
Schau
Helena in ihrer Glorie!
Schau,
ihre langen schwarzen Haare
Verschleiern
bräutlich dir die wahre
Helene,
sei ihr Brautgemahl,
Die
wirklich ist und ideal!
DRITTER
AKT
ERSTE
SZENE
MENELAOS
Du
bist die Helena, die Königin von Sparta,
Regentin
meines Staats nach frommer Liebe Charta.
HELENA
Ich
bin die Königin von Sparta, Helena,
Die
lange nach dir sah, voll Sehnsucht nach dir sah.
MENELAOS
Du
konntest ganz allein mein Herz im Busen rühren,
Ich
will voll Zärtlichkeit den Körper dir berühren.
HELENA
Ich
weiß, dass deine Lust mich gern umarmen will,
Ich
lieg in deinem Arm und beb und bin doch still.
(Sie
umarmen sich und ruhen eine Zeitlang in der Umarmung.)
MENELAOS
Ach
dass die Götter mich nicht aus der Wonne wecken,
Ich
rühre zärtlich dir dein wundervolles Becken.
HELENA
Das
darfst nur du allein, mich so berühren, so
Voll
liebevoller Lust zu tasten an den Po.
MENELAOS
Zehn
Jahre kämpfte ich in einem schlimmen Kriege
Und
dachte: Mein Triumph und alle meine Siege
Sind
weniger als nichts, doch dass jetzt bei mir da
Die
liebe Ehefrau, die schöne Helena,
Jetzt
weiß ich auch, warum ich all die Kämpfe führte?
Jetzt
aber merke ich, dass ich nur phantasierte!
Es
war ein Nachtgespenst im schwarzen Körper hohl,
Dem
Blitz gleich, Illusion, Phantom nur und Idol.
HELENA
Die
Himmelskönigin mich brachte nach Ägypten,
Der
Göttin weiht ich mich in heiligen Gelübden.
Hier
in Ägyptenland der alte Pharao
Gab
mir Asyl, er war so klug wie Salomo.
Der
alte Pharao ist aber jüngst gestorben,
Vom
jungen Pharao ich werde jetzt umworben,
Er
ist charmant und gut und hilfsbereit und nett
Und
will doch eines nur: Er will mich in sein Bett
Zur
Liebe haben und zu ordinären Lüsten
Und
sich ergötzen an dem Schoß und an den Brüsten.
Vorm
jungen Pharao, den ich nicht gerne hab,
Bin
ich geflohen an des alten Herrschers Grab.
MENELAOS
So
segnen Tote uns, die ruhen in den Grüften,
Wenn
ich dich zart berühr am Becken und den Hüften,
Der
Tote wohl im Grab geheime Wollust spürt,
Als
ich dein Becken dir so flüchtig zart berührt?
ZWEITE
SZENE
MENELAOS
Ach
komm mit mir, mein Weib, nach dieser Schicksalspause
Und
diesem kurzen Tod komm du mit mir nach Hause.
HELENA
Die
Heimat, ja, wie schön! Ist Sparta doch ein Staat,
Und
ein Spartaner ist ein Mann der guten Tat,
Und
die Spartanerin ein starkes Weib und tüchtig
Und
tugendsam und fromm und rein und keusch und züchtig.
MENELAOS
Wie
hat der lange Krieg doch meinen Sinn verderbt
Und
all der Männermord! Was ist es, was man erbt?
Ich
möchte lieber doch mit meinem Weib zu Hause
Einsiedlerisch
zu zweit sein in der stillen Klause.
HELENA
Der
junge Pharao lässt mich gewiss nicht gehn,
Er
findet meinen Leib zu reizend und zu schön.
MENELAOS
Den
junge Pharao, in geiler Wollust Orden,
Soll
ich ihn mit dem Schwert im edlen Zorn ermorden?
HELENA
Nein,
lass ihn leben nur! Er machte mir viel Not,
Die
Götter strafen ihn dereinst bei seinem Tod!
MENELAOS
Soll
ich dem Schicksal mich so wie ein Schlachtschaf fügen?
Den
jungen Pharao will lieber ich betrügen.
HELENA
Ich
bleibe an der Gruft, des alten Herrschers Grab,
Bis
ich die zündende Idee der Rettung hab.
MENELAOS
In
süßer Sehnsucht, ach, wir wollen uns doch sehnen
Nach
unsrem Vaterland nach diesem Tal der Tränen,
Ob
auch Ägyptenland gewährte dir Asyl,
Es
ist kein Heimatland spartanischem Gefühl,
Ich
sehne mich zurück nach unsres Reiches Charta,
Nach
unserm starken Staat, dem Königreich von Sparta.
HELENA
Der
junge Pharao steht uns im Wege noch,
Ein
Wollustjünger er des Ehebruches doch,
Nur
immer tiefer will er dringen, immer fester
Mich
lieben. Aber ich will bitten seine Schwester,
Die
Tochter Pharao, Prophetin ist sie ja,
Prophetin,
rate sie der schönen Helena,
Der
Götter Neunheit ruf sie an, der Götter Dreiheit,
Und
führe Menelas und Helena zur Freiheit!
DRITTE
SZENE
(Helena
und die Tochter Pharao.)
HELENA
O
Tochter Pharao, Prophetin du von Gott,
Als
ich gelitten jüngst an deines Bruders Spott,
Da
fragte ich dich aus: Trotz all der vielen Spötter,
Prophetin,
du befrag für mich die guten Götter,
Ob
Menelaos noch, mein Mann, auf Erden weilt,
Daß
neue Hoffnung mir die dunkle Seele heilt.
TOCHTER
PHARAO
Ich
schaute ein Gesicht, dass meine Geister beben,
Ich
schaute deinen Mann, sah Menelaos leben!
HELENA
Und
Wahrheit sprachest du, so wahr mein Busen bebt,
Mein
vielgeliebter Mann, mein Menelaos lebt!
TOCHTER
PHARAO
Wo
ist dein lieber Mann, der Gatte deiner Ehe?
Ach,
ist er fern von dir? Ist er in deiner Nähe?
HELENA
Ja,
heute eben erst, da hielt ich seine Hand,
Mein
lieber Ehemann ist in Ägyptenland.
Wir
suchen aber jetzt uns doch zurückzuziehen
Und
aus Ägyptenland vorm Pharao zu fliehen.
TOCHTER
PHARAO
Ich
ruf die Götter an, bet ohne Unterlass,
Doch
warum sagst du mir ganz herzlich offen das?
HELENA
Ob
Todeshunde auch, ob Höllenhunde belfen,
Ob
auch Anubis bellt, du möchtest uns doch helfen.
TOCHTER
PHARAO
Dir
helfen, dass du fliehst mit deinem Ehemann?
Sag,
wie ich helfen kann, was ich da machen kann?
HELENA
Wir
wollen uns nicht mehr dem strengen Schicksal fügen,
Den
jungen Pharao, wir wollen ihn betrügen.
TOCHTER
PHARAO
Die
Götter hassen das, all diesen bösen Lug
Und
all die böse List, den listigen Betrug.
HELENA
Der
junge Pharao wird mich doch lieber töten,
Mit
meines Mannes Blut gern seinen Säbel röten.
TOCHTER
PHARAO
Zu
Lüge und Betrug kann ich euch helfen nicht,
Doch
Schweigen ist seit je mir höchste Götterpflicht.
In
Lüge und Betrug kann ich nicht Falsches zeugen,
Doch
dass dein Gatte lebt, ja, das kann ich verschweigen.
Ich
lüge nicht und sag nichts Falsches, doch ich will
Vorm
jungen Pharao ganz einfach schweigen still.
HELENA
Die
Götter wollen so, das ist der Götter Wille.
Es
schweigt die Seherin, die Seherin ist stille.
VIERTE
SZENE
MENELAOS
Wie
kommen wir zurück ins schöne Griechenland?
Die
Weisheit übersteigt den männlichen Verstand!
HELENA
Der
Tod gibt Leben doch. Das wollen wir gebrauchen.
Die
Himmlischen zu mir den Plan der Rettung hauchen.
MENELAOS
Sind
wir vergessen nicht von allen Göttern hier?
Der
junge Pharao als wie ein goldner Stier
Beherrscht
Ägyptenland. Es herrschen in Ägypten
Die
Todesgötter doch, die Toten in den Krypten.
HELENA
Sie
lieben so den Tod, als einen Gott den Tod,
Wir
durch des Todes Nacht uns nahn dem Morgenrot.
MENELAOS
Wie
meinst du das, o Frau, um die ich lang geworben,
Zehn
Jahre bin im Krieg ich Tag für Tag gestorben.
HELENA
So
höre meinen Plan: Dem jungen Pharao
Ich
werde sagen, dass du starbest irgendwo,
Daß
deinen Leichnam wir nicht in Ägypten haben,
Symbolisch
aber doch wir möchten dich begraben.
Weil
Menelaos nun gestorben auf dem Meer,
Weil
Schiffbruch er erlitt mit seinem ganzen Heer,
Drum
fordert das Gebot der religiösen Griechen,
Daß
nicht die Lebenden in Todestrauer siechen,
Daß
ich den Leichnam, den ich leider zwar nicht hab,
Begrabe
in der See, begrab im Meeresgrab.
So
will ich bitten dann, dass ich vom Küstenkliffe
Darf
fahren auf das Meer, ich frag nach einem Schiffe,
Dem
toten Ehemann ein Totenopfer will
Ich
bringen auf der See, den Toten ehren still,
Und
wenn ich dann begrub den toten Ehegatten,
Dem
jungen Pharao will ich mich bräutlich gatten.
MENELAOS
Das
wird dem jungen Mann doch rauben den Verstand,
Wenn
er das von dir hört, dass in Ägyptenland
Du
sein willst Königin und seine Ehegattin.
HELENA
Heil
Himmelskönigin, o Retterin und Göttin,
Gelingen
laß den Plan, o Himmelskönigin,
O
Mutter, weil ich Kind doch deiner Liebe bin!
MENELAOS
Heil
Himmelskönigin, trotz all der Spötter Spott,
Ich
trau auf Helena, die Tochter ist von Gott.
FÜNFTE
SZENE
CHOR
Wir
sind ja nicht wie freche Spötter,
Wir
ehren unsre alten Götter,
Wir
geben alle ganz uns hin
Der
hohen Himmelskönigin,
Wir
sind die guten, milden Schwestern,
Die
nicht die hohe Herrin lästern.
Doch,
o bei aller Götter Gott,
Wir
müssen hören bösen Spott
Von
dreisten Spöttern, die sich irren,
Die
sich im Labyrinth verwirren.
Was
soll da sagen unser Chor?
Es
ist kein Gott, so denkt der Tor!
Sie
haben sich vereint verschworen,
Die
blinden Blindenführer, Toren,
Gesetzlos,
gottvergessen, blind,
Die
blinde Blindenführer sind.
Sind
wir die Schwestern, welche sehen?
Sehn
wir die Tänze der Ideen?
Wie
herrlich die Ideen sind
Hoch
überm Erdenlabyrinth
Auf
Universums Sphärenbahnen,
Ach,
können das die Schwestern ahnen?
Was
hat die Weisheit uns gebracht
Als
eine tiefe Mitternacht,
Als
Einsamkeit im Tal der Tränen?
Und
wenn sich, ach, die Schwestern sehnen
Ins
lieblichste Elysium,
Sind
wir nicht wie die Dummen dumm?
Was
wissen wir vom Anbeginne,
Bevor
begonnen unsre Sinne?
Was
steht denn in des Schicksals Buch?
Ach,
hören müssen wir den Fluch,
Verflucht
von Gott sind jene Toren,
Die
von der Seele dies beschworen,
Vor
der Empfängnis lebten sie
Schon
im Ideenhimmel, wie
Ein
Himmelswesen, eine Göttin,
Als
schöne Psyche, Gottes Gattin!
Doch
was erwartet nach dem Tod
Die
Seele in dem Morgenrot?
Was
sollen hoffend wir erwarten?
Die
Weisen sagen: Keinen Garten
Und
keine Liebesgötter nackt
Und
Nymphen für den Liebesakt,
Das
denken nur die Toren schwächlich.
Die
Gottheit ist doch unaussprechlich,
Wir
sind auf Erden bloß und blind,
Verwirrt
im Erdenlabyrinth,
Wir
uns im Labyrinth verirren,
Wie
Bären brummen, Tauben girren.
VIERTER
AKT
ERSTE
SZENE
HELENA
O
junger Pharao, mein Herr, ich bitte dich,
Gewähr
mir einen Wunsch, o Herr, erhöre mich.
PHARAO
Du
findest meine Huld, denn du bist wohlgelitten,
Ich
stets der schönen Frau gewähre alle Bitten.
Was
auf dem Herzen liegt dir schwer, o Frau? So sprich!
HELENA
Mein
Ehemann ist tot, unglaublich leide ich!
Zwar
stirbt der Pharao, wie gleichfalls stirbt der Bauer,
Doch
stirbt der Ehemann, wie groß ist dann die Trauer!
Für
diese Trauer, ach, ich keine Worte hab.
O
Herr, gewähre mir, zu sorgen für sein Grab!
PHARAO
Die
Totengötter ihn im Totenreich erlaben,
Was
willst du seinen Leib denn weiter noch begraben?
HELENA
Der
Geisterschatte freut sich am geschmückten Grab,
Wenn
ich auch seinen Leib geehrt in Ehrfurcht hab.
PHARAO
Es
steigt hinan das Ka, wie Falke oder Taube,
Doch
sind wir alle ja im Leib nur Staub vom Staube.
HELENA
Mein
vielgeliebter Mann, den ich jetzt nicht mehr seh,
Er
starb ja nicht zu Land, er starb auf wilder See,
Im
aufgewühlten Meer mein Gatte ist ertrunken
Und
unter Wasser mir erlosch sein Seelenfunken.
PHARAO
Auch
in der Trauer bist du noch ein schönes Weib.
Wo
ist vom Gatten jetzt der seelenlose Leib?
Es
wird der Knochenstaub doch täglich grau und grauer,
Doch
deine Seele, Weib, ist schön auch in der Trauer.
HELENA
Bei
Griechen ist es Kult, wenn starb ein Mann zur See,
Verschlungen
ihn der Gischt, der Meeresschaum wie Schnee,
Ein
Opfer bringt man dar, ein Opfer auf dem Meere,
Das
Totenopfer riecht im Hades dann der Hehre,
Drum
will ich auf das Meer, ein Opfer bringen dar,
Gib
bitte mir ein Schiff, zur Seefahrt mach es klar.
PHARAO
Das
Schiff sei dir gewährt und auch die Seebestattung.
Ist
aber wirklich tot dein Liebling der Begattung,
Ist
hier ein Grieche auch, der seinen Tod bezeugt?
HELENA
Den
Griechen kenn ich, der von Menelas nicht schweigt.
ZWEITE
SZENE
HELENA
Mein
junger Pharao, hier habe ich den Zeugen,
Der
von dem Tode wird des Menelas nicht schweigen.
PHARAO
Zerrissen
und zerfetzt, in allergrößter Not,
Wer
bist du, armer Mann? Ist Menelaos tot?
MENELAOS
Ja,
tot ist Menelas, ja, tot ist Menelaos!
Der
Elemente Streit im Weltgetrieb des Chaos
Hat
ihn verschlungen und zunichte ganz gemacht
Und
so sank er hinab ins Schattenreich der Nacht.
PHARAO
Lebt
Menelaos nicht mehr in des Lichtes Klarheit?
Ist
er im Schattenreich? Und sagst du auch die Wahrheit?
MENELAOS
So
wahr die Königin des Totenreiches lebt!
Denk
ich an seinen Tod, mein Herz mir jetzt noch bebt!
Doch
starb er ohne Angst, in tiefem Gottvertrauen,
Was
ihn erwartete auch immer, tiefes Grauen
Im
Schattenreich der Nacht, ob Seligkeit des Glücks,
In
Gottvertrauen er hinab ging an den Styx!
PHARAO
Zum
Hades ging sein Ka? Was ward aus seinem Leibe?
Was
ward aus seinem Leib, der Wonne war dem Weibe?
MENELAOS
Wir
Griechen denken so, mein junger Pharao,
Der
Leib ein Kerker ist, wir Griechen denken so,
Die
Seele ist ein Geist, das Geistige ist stärker
Als
die Materia, der Körper ist ein Kerker,
Jedoch
wenn unser Geist mit schrillem Adlerschrei
Aus
dem Gefängnis flieht, so ist die Seele frei!
PHARAO
Ja,
bangt denn nicht das Ka vor den Dämonenratten,
Den
Schöffen des Gerichts, dem Richter aller Schatten?
MENELAOS
Was
ihr Osiris nennt, das nennen Minos wir,
Von
dem Gericht im Tod auch redet weise ihr,
Wir
Griechen aber auch, die Redner und die Dichter,
Bekennen,
dass der Geist muß vor den Totenrichter.
Wer
gottlos lebte, der muß an dem Lethefluß
Die
Lebensfrüchte sehn und doch wie Tantalus
Kann
er die Lebensfrucht nicht greifen, all die prallen
Begierlichschönen
ihm dort in den Schoß nicht fallen,
Nein,
ewig hungrig wird in ewigem Geschmacht
Vergeblich
er die Frucht begehren in der Nacht.
Die
aber fromm gelebt, die werden auf den Wiesen
Des
Jenseits wandeln mit den Nymphen von Elysen!
PHARAO
Was
ist denn das Geschick des toten Menelas?
Liebt
in Elysium er ohne Unterlass?
MENELAOS
Wie
blind die Menschen in des Weltgetriebes Chaos!
Ich
wüsste gerne das Geschick des Menelaos!
DRITTE
SZENE
PHARAO
O
schöne Helena, o schönste Helena,
Die
Schönheitsgöttin steht vor mir im Bilde da,
O
Schönheitsgöttin du, o Königin der Schwäne,
Tief
bete ich dich an, du göttliche Helene!
HELENA
Du
redest nicht gemein, nicht stofflich, sinnlich, grob,
Ich
danke für den Ruhm, ich danke für dein Lob,
So
freut sich stets die Frau an eines Mannes Schmeicheln,
Des
Mannes Schmeichelwort weiß ihr das Herz zu streicheln.
PHARAO
Da
tot ist Menelas, da Menelaos tot,
Jetzt
geht mir auf dein Licht, ich seh das Morgenrot!
Wie
tief war doch die Nacht, wie stand ich doch im Dunkeln,
Da
in der tiefsten Nacht mir keine Sterne funkeln,
Mir
selbst der Venus Stern als Aster nicht erblüht,
Jetzt
aber hoffnungsvoll mir neues Leben glüht!
HELENA
So
sprich nur alles aus, lass aus dem Busen offen
Mir
strömen alle Glut. Was lässt dich wieder hoffen?
PHARAO
Wie
herzlich die Vision, die ich vor Augen hab!
Da
Menelaos’ Leib gelegt wird in sein Grab,
Nach
ihres Gatten Tod ist wieder frei die Gattin,
Jetzt
wirst du mein, o Weib, du wahre Schönheitsgöttin!
HELENA
Bist
du dir sicher des, dass alles will dein Geist,
Was
dir dein Morgentraum so hoffnungsschön verheißt?
PHARAO
Sei
Aphrodite Ruhm! Ägypten preise Hathor!
Die
schöne Liebe ist zuletzt doch Triumphator!
HELENA
Wenn
ich gesenkt ins Grab des toten Körpers Rumpf,
Dann
hoffst du auf das Heil der Liebe, den Triumph
Der
Aphrodite dann? O Göttin Aphrodite,
Aus
Meeresschaum geborn, du weiße Lotosblüte,
Was
will der Mann von mir? Sind Männer denn nur geil
Auf
meinen schönen Leib? Wer will mein Seelenheil?
Wer
für mein Seelenheil hinab geht zu den Schatten,
Den
wähle ich allein zu meinem Seelengatten!
PHARAO
Lass
mir die Hoffnung, lass der Aphrodite Ruhm,
Dass
Helena mir schenkt der Ehe Heiligtum,
Wenn
Menelaos erst ist feierlich begraben,
Dass
Helena mich dann wird voller Lust erlaben!
Oh
lass mich ruhen nur an deiner vollen Brust!
Heil,
Aphrodite, Heil! Heil, Liebe voller Lust!
VIERTE
SZENE
MENELAOS
Ich
Grieche, ich ein Knecht, des Götterkönigs Sklave,
Ich
bitte Gott: O Herr, abwende du die Strafe!
Ein
Opfer bring ich dar für alle Sterbenden
Zum
Höchsten Gut hinan, für alle Lebenden
Und
für die Toten auch, ja, auch für unsre Toten!
Die
Götter senden sie zu uns als Götterboten,
Als
Schatten stehen sie unsichtbar um den Tisch,
Es
dürstet sie nach Wein, es hungert sie nach Fisch,
Ja,
dass die Toten sich an unsern Opfergaben
Mit
ihrem Seelenmund im Jenseits noch erlaben,
Drum
bringen heute wir, der ganze Griechenstamm,
Das
Opfer unserm Herrn, Zeus opfern wir das Lamm!
CHOR
Wir
Sklavinnen dazu aufopfern unsre Schmerzen
Und
statten Toten ab die Dankesschuld von Herzen!
MENELAOS
Den
Leichnam tragen wir im Meere jetzt zu Grab,
Zeus
nahm die Seele fort, Zeus einst die Seele gab,
Wir
opfern Zeus ein Lamm, dass fromm der Geist entweiche
Und
Frieden findet auch die seelenlose Leiche.
Ist
das Gefängnis leer, so wie der Körper heißt
Den
Griechen Kerker nur, so frei ist jetzt der Geist.
CHOR
Die
Seele steigt hinan die sieben Sphärenstufen,
Wir
Sklavinnen dem Geist noch nach ein Selig rufen,
Sei
selig bald, o Geist, nach aller Peinigung
Und
aller Feuersglut der wehen Reinigung
Nehm
Vater Zeus dich auf ins selige Elysen,
Dort
tanze jung und nackt in Gartenparadiesen!
MENELAOS
Auf
dass die Seele im Elysium zum Gott
Mit
andern Göttern wird, von Lehm frei und Schamott,
Unsterblich
ist der Geist, trotz Philosophen-Spöttern,
Die
Seele wird ein Gott, lebt selig bei den Göttern
Und
Göttinnen bei Zeus. Der Mann, ich sag es kurz,
Schön
ist er wie Apoll, trägt einen Lendenschurz,
Die
Frau als Göttin ist die schönste Augenweide,
Zeus’
Nymphe trägt ein Kleid von hingehauchter Seide.
Doch
dass es so auch wird, so schön und süß und klar,
Als
Priester bringe ich das Lamm dem Vater dar!
CHOR
Ob
die Ägypter auch die Adlernasen rümpfen,
Zeus
feiert Hochzeit doch mit allen nackten Nymphen!
FÜNFTE
SZENE
CHOR
Gefahren
ist hinaus das Schiff,
Das
Totenschiff vom Felsenkliff,
Zwar
keinen Leichnam aufzubahren,
Doch
zum Begräbnis auszufahren.
Das
Opfer ist gebracht, das Lamm
Als
Sühne für den Griechenstamm.
Im
Meeresgrund die Leichen modern,
Auf
Totenschiffen Feuer lodern.
Die
hohen Flammen züngeln auf
Zum
Sonnengott in seinem Lauf.
Ja,
Helena, die Heilig-Hehre,
Ich
seh sie fahren überm Meere,
Die
schöner noch als jeder Traum.
Die
Göttin aus dem Meeresschaum
An
Schönheit gleicht nur der Helene,
Der
weißen Königin der Schwäne,
Der
weißen Göttin unsrer Lust
Mit
Schwanenhals und Taubenbrust,
Sie,
unser Reimwort auf die Sonne,
Die
freie Göttin wilder Wonne,
Der
freien Liebe Göttin sie,
Die
wie ein Schwan im Sterben schrie,
Wenn
Menelas auf ihrem Rücken
In
Wonnen wollte sie verzücken,
Die
Scharlachrose feuerrot!
Ah,
nun ist der Geliebte tot!
Kann
nicht in ihrem Schoß mehr zeugen!
O
wehe, wenn die Götter schweigen,
Der
Gott der Götter schweigt voll Spott,
Abwesend
scheint der Götter Gott,
Die
Feinde dir das Leben rauben,
Du
kaum noch mehr vermagst zu glauben,
Du
zweifelst an dem Schicksalsplan,
Am
Vatergott, am Gott im Schwan,
Du
zweifelst an des Vaters Güte,
Nur
Mitternacht in dem Gemüte,
Kein
Gott scheint im Ideensaal,
Da
deine Seele kennt nur Qual,
Die
Lenden deiner Seele zittern,
Du
nimmst den vollen Kelch, den bittern,
Den
Gott dir selbst entgegenträgt,
Die
Vaterhand, die hart dich schlägt,
Fast
deine Seele will ermorden,
Die
ehrst du noch im frommen Orden
Und
mit dem Schwert in deiner Brust
Nur
Sterben ist noch deine Lust,
Nachts
träumst du dann mit wildem Triebe
Von
Aphrodites freier Liebe!
FÜNFTER
AKT
ERSTE
SZENE
ÄGYPTISCHER
BOTE
Mein
Herr und Pharao, entkommen großer Not
Bin
ich zuletzt allein. Barbarisch ist der Tod.
PHARAO
Sag
und gestehe nur dem göttlichen Tyrannen,
Was
ist geworden denn aus deinen Brüder-Mannen?
BOTE
Die
schöne Helena, die milde Helena,
Die
angenehmste Frau, die ich im Leben sah,
Sie
ging aufs Totenschiff, den Gatten zu begraben
Und
seinen Schattengeist mit Opfern zu erlaben.
Der
Griechenbote war bei ihr, zerlumpt, zerfetzt,
Der
sich auf einen Stuhl an ihrer Seite setzt.
Ägypter
waren da, ägyptische Matrosen,
Zu
dienen ihr, der Frau, der Königin der Rosen.
Der
Griechenbote rief auch eine Griechenschar,
Vom
Schiffswrack kamen sie, sie folgten offenbar
Dem
Griechenboten, der verehrte sehr die Hehre.
Und
schließlich waren wir auf offnem Mittelmeere,
Da
betete zu Gott die schöne Helena,
Der
Griechenbote an der Herrin Seite da
Rief
zu der Griechenschar: Bei unsrer Mutter Erde,
Greift,
Griechen, kräftig zu, greift mit der Hand zum Schwerte!
Mit
kriegerischem Lärm den Boden mit Gestampf
Des
Schiffes tretet auf, es geht zum wilden Kampf,
Wir
kämpfen für die Frau, die Rose aller Rosen!
Rasch,
die Ägypter fällt, ja, schlachtet die Matrosen!
Zwar
die Ägypter all, die Stöcke in der Hand,
Sie
kämpften für den Herrn und für Ägyptenland,
Doch
fielen alle sie, o Herrscher, mein Verehrter,
All
die Ägypter sind dahin durch Griechenschwerter!
Nur
ich allein entkam, dass ich es melde dir,
O
göttlicher Tyrann, so steh ich zitternd hier.
PHARAO
Verrat
am Pharao! Ja, sind es Demokraten,
Die
an dem Gottesstaat verüben Freveltaten?
Ist
es der König und die hohe Königin
Von
Spartas starkem Staat, den Genius im Sinn?
BOTE
Das
habe ich erkannt in dieser Kämpfe Chaos:
Zur
Seite Helenas, ja, das war Menelaos!
PHARAO
Ah
weh mir, so entgeht mir dieses süße Weib!
Wie
wollte ich voll Lust genießen ihren Leib!
Die
Schwanenbrüste wollt ich saugen, Mondmilch trinken
Und
in der Himmelslust auf Erden schon versinken!
So
falsch ist stets das Weib! Die Liebe stets ein Wahn!
Die
schönste Frau der Welt ist wie ein Schlangenzahn!
Das
Übel dieser Welt ward doch vom Weib gestiftet,
Und
ich auch, ach, auch ich vom Schlangenweib vergiftet!
ZWEITE
SZENE
PHARAO
Ägypterin,
o Weib, du Schlangenzunge, du
Mistkäfer,
Basilisk, du raubst mir meine Ruh!
TOCHTER
PHARAO
Was
ist mir dir, o Herr, was schimpfst du so, mein Bruder?
PHARAO
Im
Spinnenwebenkleid bist du ein faules Luder!
TOCHTER
PHARAO
Ach,
zwar Visionen schau von Göttern ich, es geht
Mein
Geist im Jenseits, doch was werde ich geschmäht?
PHARAO
Du
zauberst mit Magie, du zeichnest dein Pentakel,
Du
Hexe finstrer Nacht, so murmelst du Orakel!
Du
Schlangenzunge, du, die dient dem Schlangenkult,
Dass
Helena mir fehlt, ach, das ist deine Schuld!
TOCHTER
PHARAO
Ich
hab, dass Menelas am Leben ist, gesehen,
Ich
konnte Helena im Flehn nicht widerstehen,
Doch
dass jetzt Helena errungen ihren Sieg,
Das
ist nicht meine Schuld. O Pharao, ich schwieg,
Und
das ist meine Schuld, sonst nichts, allein mein Schweigen,
Doch
sah ich im Gesicht zwei gute reife Feigen,
Zwei
gute Feigen sah ich in der Götter Huld.
Ist
Helena dir fern, das ist nicht meine Schuld.
Den
andern geben stets die Schuld die dreisten Spötter.
Dein
Schicksal dulde du, so wirken es die Götter.
PHARAO
Der
Götter Schicksalsspruch ist mir ein böser Spott,
Dein
Gott, Prophetin, ist gewiss ein böser Gott!
TOCHTER
PHARAO
O
Mutter Isis du und alle deine Schwestern,
Hör
du den Pharao, hör meinen Bruder lästern!
O
Mutter Isis du, so mild wie Mondenschein,
Du
sollst dem Pharao, dem Bruder mein verzeihn!
PHARAO
Jetzt
prüf ich deinen Gott, jetzt prüf ich deine Göttin,
Die
schöne Helena, sie ward nicht meine Gattin,
Jetzt
bring ich dich, o Weib, in allergrößte Not,
Prophetin,
Schwester, ha, jetzt schlage ich dich tot,
Von
meinem scharfen Schwert sollst schrecklich du verderben,
So
rufe du zum Gott, zur Göttin fleh im Sterben,
Wenn
Mutter Isis hilft, hält sie das Schwert zurück,
Wenn
Mutter Isis hilft, dann findest du das Glück,
Ist
Isis aber nur ein Luftgespinst von Spöttern,
So
wird mein Schwert dich jetzt ganz gnadenlos zerschmettern!
TOCHTER
PHARAO
O
Jungfrau auf dem Mond, hilf, deiner Sklavin hilf,
Das
Leviathan-Tier bedrohe du im Schilf!
DRITTE
SZENE
(Die
Zwillingsgötter erscheinen in den Lüften.)
ZWILLINGSGÖTTER
Fluch
dir, o Pharao, du bist ein dreister Spötter,
Laut
fluchen dir die Zwillingsgötter!
In
deiner Seele ist Betrug und List und Mord,
Nichts
ist als Lüge all dein Wort!
Du
willst durch eitle List dein Schicksal selbst dir fügen
Und
alle Redlichen betrügen!
In
deiner Seele herrscht die Finsternis der Nacht,
Begierig
bist du nur nach Macht!
Ein
Räuber bist du und Erzdieb der falschen Diebe
Und
Missbrauch übst du an der Liebe!
Du
böser Pharao, der Herr der Erde ist,
Nicht
Wahrheit liebst du, sondern List!
Zutiefst
verachtest du die Redlichen und Keuschen,
Betrügerisch
suchst du zu täuschen,
Doch
alle deine List uns Zwillingen ein Spott,
Der
Menschensohn, der Sohn von Gott,
Sie
lachen über dich mit bitterlicher Lache,
Du
spürst der Dioskuren Rache!
PHARAO
Ihr
Zwillingsgötter, ach, ich bin der Sonne Sohn,
Ich
sprech euch Zwillingen als Herr der Erde Hohn!
ZWILLINGSGÖTTER
Zur
Hölle fahr hinab, dort fressen dich die Würmer,
Du
geltungsgeiler Gipfelstürmer,
Das
Feuer brennt dich dort, dort nagt an dir der Wurm,
Zerbrechen
wird dein stolzer Turm,
Das
Blut der Opfer wird beflecken dich und röten,
Die
Schwester darfst du doch nicht töten!
PHARAO
Die
falsche Seherin, die meiner Weisung murrt?
Sie
hat mit Menelas im Ehebruch gehurt!
ZWILLINGSGÖTTER
Die
reine Seherin darf sich im Himmel betten,
Es
werden Zwillinge sie retten!
Dir
aber, Sonnensohn, dir hilft auch kein Apoll,
Du
musst hinunter in Scheol!
Die
reine Seherin in schwarzer Haare Henna
Elysen
schaut! Doch du Gehenna!
Fluch
dir in Ewigkeit, du böser Pharao,
Verurteilt
bist vom A und O!
VIERTE
SZENE
(Die
Zwillingsgötter schweben in immer größerer Herrlichkeit über dem
Mittelmeer und rufen mit dem Schall des göttlichen Wortes den Segen
Helena nach.)
ZWILLINGSGÖTTER
Heil,
Heil dir, Menelas, du treuer Ehegatte,
Weissagung
dies: Du wirst als Schatte
Eintreten
durch das Tor des Tods ins Heiligtum
Der
Felder von Elysium
Und
tanzend schweben durch die Pforte des Triumphes,
Nach
Niederlegung deines Rumpfes
Vergessen
trinken aus der Lethe alles Leids
Und
mit der Nymphe voller Reiz
In
lustvoll-seligem Getümmel und Gewimmel
Glückselig
im Ideenhimmel
Vereint
mit Helena als ihr vermählter Mann
Die
Schönheit Gottes schauen an,
Die
nicht zu malen ist mit eines Engels Pinsel,
Glückselig
wirst du auf der Insel
Der
Seligen vereint mit Helena dort sein
In
trunken liebendem Verein
Und
beide werdet ihr aufstrahlen wie die Sonne
In
Lust vereint und Götterwonne!
Du
aber, Helena, du schönste Helena,
Von
allen, die die Erde sah,
Die
Allerschönste du, von allerschönsten Frauen
Die
Allerschönste anzuschauen,
Des
Hellenismus Reich als Göttin betet an
Dich,
Helena, und jeder Mann
Und
jede Frau wird zu der Göttin beten,
Elysisches
Gefilde Eden
Wird
dir dein Garten sein, wo deine Wohnung steht,
Dort
oben du erhörst Gebet,
Wenn
Dichter beten an beim Weine des Silenus,
Dann
hörst du oben auf der Venus!
Die
Aphrodite wird zuletzt vergessen sein,
Man
ruft allein den Namen dein,
Dich
ruft man an als Frau von idealer Schöne,
Dich
preisen alle Sphärentöne,
Die
Frauen preisen dich zu lauter Trommeln Schall,
Der
Flötenbläserinnen Hall,
Die
Männer brünstiglich nach deiner Schönheit stöhnen,
Du
Göttin, Königin der Schönen,
Die
Liebenden erlöst du aus der Qual des Leids!
Heil,
Göttin Helena voll Reiz!
FÜNFTE
SZENE
CHOR
Wir
knieen nieder vor der Göttin,
Des
Menelaos treuer Gattin,
Wir
preisen Göttin Helena,
Das
Abbild der Urania,
Wir
preisen ihre Götterschöne,
Die
schönste göttlichste Helene
Im
Schleier ihres Ätherkleids,
Gehüllt
in nichts als Duft und Reiz,
Und
ihre schöngewölbten Wangen
Nur
hüllen schwarze Lockenschlangen.
Im
Hauchgewand des Leibes Glanz,
So
tanzt sie mit den Sphären Tanz.
Wir
sie im Schleiertanze sehen
Im
Himmelstanze der Ideen.
Der
Sterne lodernd heiße Flammen
Ihr
Liebreizgürtel hält zusammen.
Ich
glaub, ein Krater auf dem Mars
Pries
ihre Schönheit, ja, so wars.
Und
wie vom Weine des Silenus
Betrunken
feierte sie Venus
Und
selig in dem Himmelsfrieden
Am
Gürtel alle Asteroiden
Lobpriesen
Göttin Helena,
Die
schönste Sapientia!
Die
heiße Muschi auch, die zarte,
Die
liebestrunkene Astarte
Am
Asteroidengürtel all
Mit
Flötenbläsereien Schall
Lobpriesen
ihre Götterschöne.
Es
schrien zur göttlichen Helene
Im
höchsten Himmelsheiligtum
Des
Sokrates Daimonium,
In
sich vermählenden Äonen
Die
guten heiligen Dämonen
Lobpriesen
Göttin Helena,
Die
Helena-Urania.
Und
mit den heiligen Dämonen
Die
Götter all auf ihren Thronen
Verneigten
sich vor ihrem Reiz
Des
Lichtleibs in dem Hauch des Kleids,
Bei
Bacchus’ Wein und Ceres’ Weizen,
Anbetend
knien vor ihren Reizen
Die
Götter all auf ihrem Thron
Und
Gottessohn und Menschensohn
Verliebt
sind in die Ewigschöne,
Die
übergöttliche Helene,
Anbetend
kniet vor ihrem Reiz
Der
Gott der Götter, Vater Zeus!
ZWEITE TRAGÖDIE
PHÄDRA
ERSTER
AKT
ERSTE
SZENE
(Aphrodite
allein.)
APHRODITE
Ich
bin die Leidenschaft und Feuerskraft der Liebe,
Die
Welt entflamme ich im Innersten der Triebe,
Die
heiße Feuersglut der Liebe leuchtet licht
Der
Sonne im Gesicht, dem Monde im Gesicht,
Die
Liebe reguliert die Bahnen der Planeten,
Die
Liebe inspiriert die Lyra der Poeten,
Der
Liebe Allgewalt wird feiern den Triumph
Und
aller Feinde Speer und Pfeile werden stumpf,
Der
Poetaster Volk, die allzu lieblos klimpern,
Die
straft der Zornesblitz des Dolches meiner Wimpern,
Ich
hetze Frau auf Frau, die Knaben auf den Mann,
Der
Hirte schaut mit Lust die schwarze Zicke an,
Es
sehnt der Philosoph sich nach den süßen Kindern,
Die
Männer voller Kraft es treiben mit den Rindern,
Es
schaut ein alter Mann nach jedem kurzen Rock,
Der
Zicke hinten springt hinauf der Ziegenbock,
Die
Hirsche röhren laut nach Rehen an den Quellen,
Wie
brünstig seufzen heiß die hüpfenden Gazellen,
Die
Nymphen baden nackt voll heißer Lust im Strom,
Es
kopulieren heiß die Teile im Atom,
Das
Universum selbst treibt Aphrodites Werke,
Die
Schöpfung neigt sich tief vor Aphrodites Stärke!
Jedoch,
ich klage laut, was da mein Schauen sieht,
Ich
seh im Zölibat den keuschen Hippolit!
Er
weigert sich der Lust, der Wollust wilden Wonne,
Will
Liebe spielen nicht im Land der heißen Sonne,
Er
betet nicht und stöhnt vor einer nackten Brust
Und
keuschen Geistes er verschmäht des Weibes Lust,
Der
Mann im Zölibat verwehrt sich den Gesetzen
Der
Liebesleidenschaft. Ich werde Phädra hetzen,
Wie
eine Jägerin die arme Hindin jagt,
Bis
sie, die wird verschmäht, nur nach dem Tod noch klagt,
Weil
ganz vergeblich ist ihr glühendheißes Werben,
Bis
Phädra nichts mehr will als durch sich selbst zu sterben!
Mein
Auge dann noch nicht befriedigt nieder sieht,
Befriedigt
bin ich erst, wenn tot ist Hippolit,
Wenn
ich bezwungen ihn mit meiner Rache Zwange
Und
Hippolit ist tot, gemordet von der Schlange!
Er
schaue dann – oh bei der Glut in meinem Schoß! –
Ob
Artemis dann hilft, die Maid von Ephesos,
Ob
sie allmächtig wie die Göttin heißer Lüste,
Ob
sie ihn nimmt hinauf an ihre neunzehn Brüste?
Ah,
meiner Wollust ist der Zölibat abscheulich,
Er,
der für Artemis lebt heilig, keusch, jungfräulich!
ZWEITE
SZENE
(Hippolit
und der Chor der Jungfrauen)
HIPPOLIT
O
Magna Mater, o du Gottheit voll der Macht,
Dein
Bild von schwarzem Stein ist wie die dunkle Nacht!
Was
hilft mir anders denn in meiner Seele Dunkel
Als
deine Augen, Mond, du himmlisches Gefunkel,
Dein
Licht in dunkler Nacht, du Mutter schwarzer Nacht?
Fast
hat die Dunkelheit mein Ich schon umgebracht,
Fast
schnitt den Faden ab schon Athropos, die Parze,
Da
ruf ich flehend an die Magna Mater: Schwarze,
Du
Nacht von meiner Nacht, ich selbst mir unbewusst
Die
neunzehn Brüste küss ich, Göttin, deiner Brust!
CHOR
DER JUNGFRAUEN
Ihr
Männer betet an die Göttin thronend oben,
Hochthronend
seht ihr sie, um sklavisch sie zu loben!
Wir
Mädchen aber sind der schönen Jungfrau freund,
Weil
Schwestergöttin sie den lieben Schwestern scheint.
Der
Fuchs schlüpft in das Loch, es rucket in den Nestern,
Die
Jungfrau lächelt sanft als Schwester zu den Schwestern,
Sie
geht den Weg voran, sie weist den schmalen Pfad.
HIPPOLIT
Ich
aber weihe mich im keuschen Zölibat
Der
Himmelskönigin, der hohen Jungfraungöttin,
Die
Allerkeuscheste ist meine Seelengattin!
CHOR
DER JUNGFRAUEN
Wir
Jungfraun auch sind schön, und Herzen in der Brust
Sind
voll der Heiligkeit und stiller Himmelslust,
Und
noch sind Mädchen wir, doch einst sind wir die Alten,
Dann
sind wir Gottes Braut mit Runzeln und mit Falten.
HIPPOLIT
Und
wenn mich eine von den Frauen reizen könnt,
Mein
Geist im Herzen doch mit der Vernunft erkennt,
Ich
könnte lieben sie, wenn sie mit neunzig Jahren
Mit
silbergrauem Haar erneut mit schwarzen Haaren
Als
Jungfrau stünd vor mir, sie, die geboren schon,
Natürlich
schon gebar dem Gatten Sohn um Sohn,
Wenn
wieder Jungfrau sie mit unverletztem Hymen,
Dann
wollte ich sie als mein Ideal wohl rühmen.
CHOR
DER JUNGFRAUEN
Du
liebst die Ewige Jungfräulichkeit allein?
HIPPOLIT
Die
Jungfrau Artemis von Ephesos ist mein!
DRITTE
SZENE
(Alter
Diener und Hippolit)
ALTER
DIENER
Ein
alter Diener ich, nichts als ein alter Diener!
Die
Jugend voller Mut ist fröhlicher und kühner,
Doch
töricht ist sie auch, die wilde Jugendzeit.
Geläutert
bin ich, ach, von langen Lebens Leid
Und
hoffe auf Vertraun, wenn ich zu einem Spruche
Das
Herz dir öffne weit und meiner Weisheit Buche.
HIPPOLIT
Ein
Jüngling bin ich noch, die Göttin-Jungfrau jung
Hab
ich im Geist gesehn in der Begeisterung,
Das
Göttin-Mädchen schön, ganz ohne Fleck und Falte,
Doch
hör ich gerne zu, wenn predigt mir der Alte.
ALTER
DIENER
Ich
höre, dass du willst bezähmen streng das Fleisch
Mit
Fasten und Gebet, durch Opfer werden keusch,
Doch
bist du allzu streng, von solchem hartem Holze
Geschnitzt
wird nur ein Mann, der mächtig ist im Stolze.
Vergiss
nicht in der Welt der Götter Überfluss
Und
labe dich am Wein und speise mit Genuss,
Die
Liebe ehre du im himmlischen Gebiete,
Verschmäh
die Göttin nicht, die schönste Aphrodite!
HIPPOLIT
Wer
Aphrodite sich ergab und wer sein Herz
Der
Liebe weihte, der zugrunde ging im Schmerz,
So
alt der Reim auch ist: Aus Aphrodites Herzen,
Wie
Rosen dornenreich, nur fließen Todesschmerzen!
ALTER
DIENER
Was
ist die Keuschheit denn und die Jungfräulichkeit,
Wenn
sie nicht Liebe ist für alle Ewigkeit?
Will
Jungfrau Artemis von Ephesos den Keuschen
Im
Feuer braten gar und wie ein Hund zerfleischen?
Will
sie nicht lieben auch, die Jungfraungöttin schön,
Freut
sich die Jungfrau nicht am seufzenden Gestöhn?
Was
ist das Fasten denn, was sind denn die Gebete,
Wenn
sie der Jungfrau nicht erzeugen Wangenröte?
HIPPOLIT
Ach,
was ihr Liebe nennt, ist nichts als geile Lust!
Ein
leichtes Mädchen zeigt euch ihre nackte Brust,
So
nennt ihr göttlich gar den nackten Mädchenbusen
Und
preist die nackte Brust mit Hilfe aller Musen
Und
ist doch Wollust nur und sexueller Trieb!
Die
Jungfraungöttin ist im reinen Geiste lieb
Und
will nichts wissen von der Tierheit in dem Fleische.
Allein
der reine Geist verehrt die Heilig-Keusche.
ALTER
DIENER
Doch
trau dem alten Greis wie einem Pontifex:
In
Wahrheit heilig ist der gottgeschenkte Sex!
So
sehr du dich bemühst, du wirst nicht los den Sexus!
Der
Falter flattert stets im süßen Solarplexus!
HIPPOLIT
Ach,
Sexualität, ach, Aphrodite nackt!
Der
reine Geist allein ist ewiglicher Fakt!
VIERTE
SZENE
DER
CHOR
Der
König Theseus es nicht sieht,
Sein
süßer Sprössling Hippolit
Von
Theseus’ Gattin wird voll Kraft
Begehrt
mit aller Leidenschaft!
Ach
Phädra, Phädra! Armes Weib!
Wie
plagst du dich in deinem Leib!
Wie
ward die Liebe dir zur Qual!
Durchbohrt
dein Herz von Schwertes Stahl!
Ach,
des Geliebten Wangenrot
Ist
schrecklich! Süßer ist der Tod!
Wenn
seiner Augen keuscher Zorn
Und
Wimperndolche wie ein Dorn
Durchbohren
dich im tiefsten Fleisch,
Dann
schreist du: Wär er nur nicht keusch!
Kein
Atem mehr in deiner Brust,
In
deiner Seele keine Lust,
Zerfressen
ward dein Busen dir
Von
deiner brennenden Begier!
Die
Aphrodite wütet so
Und
Knabe Eros, A und O,
Daß
du verloren den Verstand
Und
betest an den bunten Tand,
Den
du gestohlen Hippolit,
Weil
deine Seele gläubig sieht
In
Hippolith, trotz allem Spott,
In
Hippolit den Schönen Gott!
Er
ist ja mehr als süßer Reiz,
Dein
Theos ist er und dein Zeus!
Er
ist das Alles, das du willst,
Ob
Blut du aus der Seele quillst,
Ob
Seufzer fliehn von deinem Mund,
Ob
deine arme Seele wund,
Ob
Schlangen glühn in deinem Blut,
Ob
wild du in des Wahnsinns Wut,
Ob
schrecklich dir die Furien nahn,
Ob
Thanatos dir schenkt den Wahn,
Du
die Vernunft wirfst über Bord,
Du
planst der eignen Seele Mord,
Ob
Hippolit den Tod dir schickt!
Daß
er nur Einmal Gnade nickt
Und
küsst den schwesterlichen Mund,
Die
Seele würde dir gesund!
ZWEITER
AKT
ERSTE
SZENE
(Phädra
im Krankenbett, krank vor Liebe. Phädras Amme steht ihr mütterlich
bei.)
PHÄDRA
Unglaublich,
Amme mein, und einfach unaussprechlich!
Wie
ist die Kreatur fragil doch und zerbrechlich!
Von
Schwermut bin ich voll und an der Seele krank,
Von
schwarzen Blumen mich umrankendes Gerank,
Ein
Trauerflor um mich, wie Muschelseiden-Byssus,
Ein
Abgrund unter mir, ein finsterer Abyssus!
AMME
Die
Welt geht leicht dahin in ihrem Alltagstrott,
Doch
du bist in der Nacht! Und rettet dich kein Gott?
PHÄDRA
Ich
habe laut geschrien zu allen Himmelsgöttern,
Zu
unbekannten auch! Doch jetzt glaub ich den Spöttern,
Es
ist kein Gott, der hilft, der rettet in der Not!
Ich
kenne Einen Gott allein, das ist der Tod,
Der
gute Heiland Tod, der rettet aus der Trauer!
Nein,
zwischen Gott und mir ist eine hohe Mauer,
Ob
auch der höchste Gott ein reines Dasein sei,
Kein
Gott erhörte je den abgrundtiefen Schrei!
AMME
Mein
Kind, der Sonnenschein folgt immer auf den Regen
Und
nach den Qualen kommt erneut ein froher Segen.
PHÄDRA
Ach,
keiner das versteht, die Hoffnungslosigkeit
Und
der Verzweiflung Nacht! Wie unaussprechlich ist das Leid!
Im
schreienden Gebet ich finde keine Worte,
Ich
poche nur noch an des Bruders Todes Pforte
Und
bitte nur allein in bodenloser Not:
O
Himmelsgötter, gebt mir Elenden den Tod!
AMME
Die
Todespforte steht uns allen einmal offen,
Doch
du verzage nicht, wir sollen alle hoffen.
PHÄDRA
So
krank war nie ein Mensch, ich leide solche Pein,
Als
wär in Hades Reich ich ewiglich allein!
Ich
sehe in dem Geist die bösesten Dämonen
In
allen Menschen und in allen Völkern thronen
Und
ich alleine steh dagegen in dem Kampf
Und
schwitze Blut und Schweiß in heißer Tränen Dampf
Und
unterliege doch in jämmerlicher Schwäche,
Verzweiflung,
Ohnmacht! Ach, ihr Himmlischen, ich breche!
AMME
Ich
bring ein Opfer dar zu deinem Seelenheil,
Auch
dir wird Liebe noch von Himmlischen zuteil.
ZWEITE
SZENE
(Chorführerin
und Amme.)
CHORFÜHRERIN
Was
hat denn Phädra nur und woran krankt die Herrin?
AMME
Ach,
ist sie denn verrückt wie eine arme Närrin?
Soll
ich die Ärztezunft ihr rufen an das Bett?
CHORFÜHRERIN
Wenn
sie bei andern ist, dann ist sie lieb und nett,
Doch
ist allein sie dann, sie scheint wie die Verrückten,
Die
Doppelt-Elenden, im Übermaß Verzückten!
AMME
Hippokrates
erklär mir das, ich weiß nicht mehr,
Asklepios,
der Gott, er helfe als ein Herr.
Mal
schreit sie schrecklich auf, vor Totengeistern panisch,
Dann
lacht sie voller Lust, der Wahnsinn ist ja manisch.
CHORFÜHRERIN
Prophetin
ist vielleicht und Seherin die Frau,
Zutiefst
erschrocken von der Schreckensgötter Schau?
AMME
Vielleicht
ist Künstlerin die launenhafte Dame
Und
trägt in sich ein Werk, es drängt des Wortes Same?
CHORFÜHRERIN
Doch
ich versteh sie nicht, die ganze Welt hat Spaß
Und
alle Jugend ist so voll Serenitas,
Sie
schweben alle auf, hinan die Himmelsleiter,
Die
Götter Griechenlands sind lustvoll doch und heiter!
AMME
Ob
sie vielleicht der Macht der Dämonie erlag,
Sich
wandte an die Nacht, abwandte sich dem Tag,
Ob
sie in der Magie bewandert, Riesenechsen
Lädt
in ihr altes Haus wie alte Zauberhexen?
CHORFÜHRERIN
Ergründe
nur den Grund von solcher Krankheit Qual,
Dann
folgt die Therapie auch in der Ärzte Saal.
AMME
Doch
ich verstehe nicht den Abgrund solcher Schrecken,
Und
frage ich danach, so möchte sie mich necken
Und
sagt nichts andres als: Ulyß ins Totenreich
Stieg
auch dereinst hinab, Odysseus bin ich gleich
Und
steige auch hinab zur Unterwelt der Schatten,
Daß
Kore ich verehr, dem Hades mich zu gatten!
CHORFÜHRERIN
Bringt
sie sich selber um? O steh der Armen bei,
Daß
sie nicht selber sich macht von den Schmerzen frei!
AMME
Der
Selbstmord bringt ja nur in ewigliche Schulden!
Ich
sage Phädra nur: Hier gilt nur dulden, dulden!
DRITTE
SZENE
(Phädra,
Amme.)
PHÄDRA
Geliebte
Amme mein, dein süßes Mutterherz
Heilt
alle meine Qual und allen Seelenschmerz,
Ob
auch die Schmerzen noch die Schwerter feindlich schärfen
Und
wie in Fiebersglut entbrannt sind meine Nerven
Und
Schrecken in der Nacht durch meine Seele fährt,
Ein
Feuer ist in mir, das gänzlich mich verzehrt!
AMME
Sei
ausgeglichner nur und sondre dich nicht ab,
Die
Einsamkeit zuletzt erwartet dich im Grab,
Sei
menschenfreundlich zu den Kleinsten und den Größten
Und
manches sanfte Herz wird deine Seele trösten.
PHÄDRA
Doch
kaum ertrag ich noch die Menschen dieser Welt,
Die
Welt scheint mir ein Wolf, der in die Lämmer fällt.
Was
kann ein Lamm allein, wer kann dem Armen helfen,
Verblutet
ihm das Herz, zerfleischt von hundert Wölfen?
AMME
Du
Lamm bist nicht allein, auch andre Lämmer sieht
Mein
mütterliches Aug. Denk nur an Hippolit!
PHÄDRA
Der
Name ist so süß, des Gotteswortes Same
Gesät
in meinen Schoß der Seele ist der Name,
Der
Name ist voll Macht, erweckt den Lebenstrieb,
Der
Name ist so sanft, so gütig und so lieb,
Der
Name mitleidvoll erbarmt sich aller Armen,
Der
Name ist so gut, voll herzlichem Erbarmen,
Der
Name ist voll Pracht und macht mir Lebensmut,
Der
Name ist so schön, so mild, so süß, so gut,
Der
Name rettet mich, wenn ich verzweifelt stöhne,
Der
Name ist so schön, von göttergleicher Schöne,
Der
Name ist so tief, so hoch, so lang, so breit,
Der
Name ewig ist in alle Ewigkeit,
Der
Name ist mein Geist, die Seele meiner Seele,
Daß
ich dem Namen mich in Ewigkeit vermähle
Und
selbst den Namen trag voll Liebe je und je!
AMME
Du
redest trunken, Kind, als lallst du Evoe!
PHÄDRA
Die
Musen über mich mit Feuerzungen kamen!
AMME
Doch
welchen Namen meinst du mit dem schönen Namen?
PHÄDRA
Mein
Seelchen immer seufzt: Ach süßer Hippolit!
Ach
Hippolith, mein Herz! Mein Herz, ach Hippolit!
AMME
Jetzt
ist mir alles klar, als ob ein Gott es schriebe:
Die
Krankheit, die du trägst, die Krankheit ist die Liebe!
VIERTE
SZENE
(Phädra,
Amme, Chor.)
CHOR
Ja,
Aphrodite lebt! Ja, Aphrodite lebt!
In
Aphrodite lebt die ganze Welt und bebt!
Doch
Aphrodite ist nicht nur die Menschengöttin,
Nicht
Ares’ Bettgenoss, nicht Vulkans Ehegattin,
Nein,
Aphrodite ist die allerhöchste Macht,
Macht
über alle Macht, die sie hervorgebracht
Das
ganze große All mit schöpferischem Triebe
Allein
aus Überfluß des Herzens ihrer Liebe!
PHÄDRA
Ach,
Liebe ist nur Schmerz! Die Liebe, Rose rot,
Die
Liebe ist vereint dem bitterlichsten Tod.
Die
Liebe weiß allein nur Leiden zu vererben,
Willst
du vor Liebe fliehn, so eile du zu sterben!
Der
Tod allein erlöst aus ihrem Schlangenarm!
Ich
schrei in Höllenglut: O Heiland Tod, erbarm!
Die
Liebe sehe ich mit feuerroten Wangen,
Die
Liebe sehe ich mit schwarzen Lockenschlangen,
Die
Liebe sehe ich mit einem Leib wie Schnee,
Die
Liebe fühle ich, und alles tut mir weh,
Und
tief in Geist und Fleisch, in Seele und im Herzen
Ist
alles nichts als Qual und untragbare Schmerzen,
Besessen
bin ich von der Liebe! Will ich fort,
Bleibt
zur Befreiung nur des eignen Lebens Mord!
AMME
Der
Aphrodite in demütigster Ergebung
Ergib
dich, liebes Kind, dann schenkt sie dir Belebung,
Was
Aphrodite ja am allermeisten liebt,
Ist,
wenn voll Demut sich ein Menschenherz ergibt
Und
gibt der Liebe Raum, das Leben zu gestalten,
Lässt
Aphrodite nur im eignen Leben walten.
CHOR
Ergebung
ja gebührt der höchsten Allgewalt
Der
Liebe! Gottheit in unsichtbarer Gestalt,
O
Aphrodite, du allein der Seele Labe,
Wir
geben uns dir hin in voller Ganzhingabe!
Du
Gottheit, du hast Lust an uns, wenn nach der Nacht
Dein
Morgenstern erscheint, du aller Mächte Macht,
Wenn
deiner Liebe sich Gewalten all und Mächte
Ergeben
sich, dann freut dein Innres die Gerechte,
Die
ganz sich gibt dir hin mit Seele und mit Sinn,
Dir,
Aphrodite, gibt sich die Gerechte hin,
Du
wirst ihr das Begehr mit heißer Liebe stillen
Und
sie mit Götterlust im Innersten erfüllen!
FÜNFTE
SZENE
(Phädra,
Amme.)
AMME
Wie
wird dir Hilfe und wie wird dir guter Rat?
PHÄDRA
Nie
wird zum runden Kreis das eckige Quadrat,
Nie
Weisheit einig ist mit der verliebten Jugend.
AMME
Die
Meister helfen doch, die lehren fromme Tugend.
Der
Mensch ist wie ein Vieh und hungert nach dem Fleisch,
Ist
voller wilder Wut, begierig, doch nicht keusch,
Der
Mensch ist ähnlich auch den tödlichen Dämonen,
Ein
Mörder ist der Mensch, den Menschen nicht zu schonen,
Der
Mensch ist Genius, ist nahezu ein Gott,
Die
Schönheit anzuschaun, die Göttin ohne Spott.
Wenn
du dies Ziel verfolgst mit deinem innern Herzen,
Zu
schaun die Schönheit an, dann weichen deine Schmerzen.
Was
macht denn solche Not, was solche Qualen dir?
Es
ist der Appetit der fleischlichen Begier!
Weil
Fleischeslüste dir dich selbst verzehrend glühten
Und
in dir lodert Zorn und leidenschaftlich Wüten!
Doch
zähme diese Brunst und zähme diese Brunft
Und
folge ganz allein der leuchtenden Vernunft
Und
ordne die Begier und alles Wüten unter
Der
heiligen Vernunft, dann wirst du wieder munter
Und
von dir flieht die Qual, der unglücksatte Schmerz,
Denn
Götter schauen wird das makellose Herz.
PHÄDRA
Obwohl
mein Leiden auch betitelt wird moralisch
Und
meine Leidenschaft getauft wird infernalisch,
So
hilft mir Weisheit nicht aus dem Ideensaal
Und
nicht die Tugenden, nicht Ethik und Moral.
AMME
Unheilbar
willst du sein? O hoffnungslose Jugend!
Hilft
dir die Weisheit nicht, die Lehre nicht der Tugend,
Hilft
dir vielleicht der Arzt mit seiner Medizin?
Frag
nur den weisen Arzt, um Hilfe bitte ihn,
Denn
was verwirrt dich sonst als schlecht gemischte Säfte?
Doch
er kennt der Natur Physik, Selbstheilungskräfte
Der
Organisation der Seele und des Leibs,
Er
kennt die Mischung der Natura eines Weibs
Und
kennt auch das Gehirn und seine Elemente
Und
kennt die Galle auch und alle Temperamente,
Die
Niere und die Milz, und seine Medizin
Stellt
die Gesundheit her, so wende dich an ihn.
PHÄDRA
Unheilbar
aber ist der Liebeskrankheit Wunde
Und
heil wird erst das Kind in seiner Todesstunde!
Nur
Eine Medizin die schwarze Galle heilt:
Wenn
Hippolit am Hals - am Busen Phädras weilt!
SECHSTE
SZENE
CHOR
Der
Erste aller Götter ist
Gott
Eros, wie ihr alle wisst.
Gott
Eros trieb die Mutter Nacht,
Die
Liebe mit dem Wind gemacht
Und
hat das Ei der Welt gelegt,
Gott
Eros sich im Ur-Ei regt
Und
so entfaltet diese Welt
Und
innerlich zusammen hält.
Gott
Eros ist der Götter Herr,
Die
Göttinnen führt einzig Er,
Von
Gott und Göttin ist ein Paar,
Weil
Eros Ehestifter war.
Und
Gott und Menschenseele sind
Vereint
durch Eros, dieses Kind.
Gott
Eros lebt auch in dem Kraut,
Wenn
es verliebt zum Busche schaut.
Gott
Eros antreibt jedes Tier,
So
hetzt er auf die Kuh den Stier,
Die
Zicke treibt er mit dem Stock,
Die
Zicke zu dem Ziegenbock,
Dem
Rehbock sagt er: Rehbock, geh
Zur
Quelle und zum schönen Reh!
Das
Mädchen mit der Jungfernhaut,
Gott
Eros macht sie bald zur Braut
Und
stiftet Hymens Ehebund
Und
öffnet ihren Muttermund
Zur
segensreichen Fruchtbarkeit.
Gott
Eros macht den Mann bereit,
Daß
er vereinigt sich der Frau
Und
schenkt ihr seinen Samen-Tau.
Gott
Eros führt dem Weibe ein
Den
Mann und zeugt die Kinderlein.
Gott
Eros kleinen Kindern schon
Die
Liebe schenkt, dem kleinen Sohn,
Der
zärtlichsüßen Tochter auch,
Sie
leben schon von seinem Hauch.
Gott
Eros in sublimer Brunst
Die
Lyrik stiftet und die Kunst,
In
Malerei und Marmorblock
Steht
Kypris da im kurzen Rock.
Mysteriöstester
Magie
Gott
Eros in der Philosophie
Den
Weisen führt den Weg genau
Zur
Gotterkenntnis, Gottesschau!
DRITTER
AKT
ERSTE
SZENE
(Phädra
und Chorführerin vor dem Haus, im Hause Hippolit und die Amme.)
PHÄDRA
Die
liebe Amme mein, um für mich fürzusprechen
Beim
schönen Hippolit, sie wird das Herz mir brechen!
CHORFÜHRERIN
Wie
willst du Hippolit gewinnen, wenn du nicht
Ihm
offenbarst dein Herz, dein inneres Gesicht?
PHÄDRA
Nun
sagte sie ihm gar von meinen Liebesflammen!
Wie
zuckte er entsetzt vor der Gewalt zusammen!
CHORFÜHRERIN
Die
Liebe hat doch Macht! So musst du ihn für dich
Erobern,
wenn du ihm vermachst dein ganzes Ich!
PHÄDRA
Ach,
alle Leidenschaft wird nicht sein Herz gewinnen,
Er
schaudert ja zurück vor Wollust in den Sinnen.
CHORFÜHRERIN
Die
Amme kennt dein Herz, und spricht sie für dich für,
So
wird sie, Peitho, ihm erwecken die Begier.
PHÄDRA
Der
Liebste ahnt nichts von der Seelenliebe Zierde,
Er
hält das alles nur für fleischliche Begierde.
CHORFÜHRERIN
Er
ist doch auch ein Mann! Du öffne ihm die Brust,
Entflamme
mit der Brust im Herzen ihm die Lust!
PHÄDRA
Ach
nein, ich bin verdammt! Aus himmelweiten Fernen
Bin
ich verflucht, verdammt, von unheilvollen Sternen!
HIPPOLIT
(Aus
dem Inneren des Hauses)
Du
alte Kupplerin der Dirnen-Buhlerin!
Du
denkst, dass ich ein Mann der geilen Unzucht bin?
AMME
Nein,
nein, mein lieber Herr! Mit ganzem Lebenstriebe
Gibt
Phädra alles hin, dir ihre ganze Liebe!
HIPPOLIT
Sie,
meines Vaters Braut, die sie die Ehe bricht,
Wo
Ehetreue doch der wahren Liebe Pflicht?
AMME
Der
Liebe Macht kennt kein Gesetz! Und Leidenschaften,
Die
kann kein armes Weib am eignen Leib verkraften!
HIPPOLIT
Wie
tierisch ist die Brunst, die Geilheit in dem Fleisch!
Ich
dien der Jungfrau nur, der reinen Göttin keusch!
AMME
Die
Jungfraungöttin selbst hat keine süßen Triebe?
Dient
sie denn selber nicht der Gottheit schöner Liebe?
HIPPOLIT
Die
reinste Liebe wohnt in ihrer hohen Brust!
Doch
was ihr Liebe nennt, das ist der Affen Lust!
ZWEITE
SZENE
(Amme,
Hippolit)
AMME
Bist
du ein Weiberfeind? Und liebst du nicht die Liebe?
HIPPOLIT
Ich
liebe nicht das Fleisch und nicht die geilen Triebe.
AMME
Hast
du nicht Liebe für das Feuer in der Brust?
HIPPOLIT
Wie
flüchtig ist der Rausch der eitlen Fleischeslust!
AMME
Und
betest du nicht an des Weibes Leibesschöne?
HIPPOLIT
Einst
ist der Maden Kot, wonach ich brünstig stöhne.
AMME
Ist
dir nicht Götterlust der sexuelle Akt?
HIPPOLIT
Die
Göttin selber schenkt der Liebe Katarakt!
AMME
Hab
Mitleid mit dem Weib, das dich um Liebe bittet!
HIPPOLIT
Sie
liebt sich selber nur in Ich-Sucht ungesittet.
AMME
So
ist denn jedes Wort umsonst und alles Flehn?
HIPPOLIT
Ich
habe manches Weib auf Erden schon gesehn,
Ich
sah die Eitelkeit in ihrem bunten Putze,
Ich
sah die Hurerei in ihrem eklen Schmutze,
Ich
sah die Lüsternheit in ihrem geilen Fleisch,
Die
alles hasste, was gottselig war und keusch,
Ich
sah die heiße Gier, die mit des Geiers Schwingen
Sich
alle Stoffe nahm von allen toten Dingen,
Ich
sah die Ehefrau, die einen guten Mann
Bezaubert
hat und dann sprach über ihn den Bann
Und
holte ihn herab von seinen Geistesflügen,
Daß
er sich sollte an die toten Dinge schmiegen,
Ich
sah den Heiligen, wie er verließ den Leib
Und
schaute Götter an, bis ihn verführt das Weib
Und
er verließ den Geist der weisheitsvollen Griechen,
Um
in dem Alltagsstaub als dummer Wurm zu kriechen,
Ich
sah den Dichter auch, anbetend eine Frau
Und
sie verehren als der Gottesschönheit Schau,
Wie
sie ihn dann gelockt hat in das Lotterbette,
Daß
sie ihn an den Staub des eitlen Alltags kette,
Ich
sah den weisen Mann, der lebte nur dem Geist,
Der
die Hetäre selbst als Gottesschönheit preist,
Zur
Strafe seiner Lust Gott gab ihm seine Buße
Und
er verlor das Glück der weisheitsvollen Muße,
So
dass ich ganz geheilt von Erdenwollust bin!
Dein
geiles Weib ist mir nichts als Verführerin,
Ich
aber lass mich nicht von Fleischeslust verführen,
Ich
will die Göttin selbst zu meiner Gattin küren!
DRITTE
SZENE
(Phädra,
Amme, Chor.)
PHÄDRA
Ach
Amme, sag, warum sprachst du zu Hippolit
Von
meiner Liebe, wie mein Busen für ihn glüht?
Nun
wird mich Hippolit im heißen Zorn verachten!
Ich
fühle meinen Geist im Unglück sich umnachten!
AMME
Wenn
du ihm nicht gestehst, du seist in ihn verliebt,
Dann
bleibst du doch allein und jämmerlich betrübt.
Wenn
du ihm offenbarst den Andrang deiner Triebe
Und
wie in Leidenschaft verzehrt dich deine Liebe
Und
wie sein Angesicht verzaubernd dich betört,
Dann
wirst du glücklich erst, wenn er dich doch erhört.
PHÄDRA
Das
weiß ich aber wohl, das kann mein Geist noch fassen,
Will
einer lieben nicht, so wird er schließlich hassen,
Wenn
er geliebt wird von dem Herz, das er nicht liebt,
Wenn
die, die er nicht liebt, ihm ihre Liebe gibt,
Dann
ekelt ihn das an, dann ist ihm das zuwider.
Ah
wehe, Amme mein, ich stürz zu Tode nieder!
CHOR
Wir
fanden in der Not die Rettung dennoch oft,
Verzweifeln
muss nur der, der in der Not nicht hofft,
Wer
aber in der Nacht hält seinen Busen offen
Dem
Rettenden, der darf auch auf den Retter hoffen.
PHÄDRA
Den
Retter seh ich auch, der Rettung Morgenrot,
Der
Rettung Abendrot, das ist der Heiland Tod!
O
Heiland Tod, erbarm dich meiner, lass mich sterben,
Laß
in Elysium mich Seelenruhe erben
Und
in der Nymphenschar Elysiums voll Lust
Ich
tanze mit als Geist, ein Schwert in meiner Brust!
Nur
Schmerz, nur Schmerz, nur Schmerz mir Liebe war hienieden
Und
erst im Schattenreich die Schatten haben Frieden.
Die
Seele im Verließ, im Körper voller Qual,
Entfliehen
möchte sie in den Ideensaal
Und
möchte nymphengleich die himmlischen Ideen,
Wie
sie im Tanze sich bewegen, selig sehen.
Auf
Erden ist kein Licht, nur dichte Finsternis,
Zu
Seiten mir der Tod und vor mir der Abyss,
Von
Thanatos’ Kultur, der Übermacht des Bösen,
Das
Schwert nur in der Brust kann einzig mich erlösen,
Mein
eignes Salamis, mein eignes Schwert der Parther,
Eudämonie
in Gott mein Ziel, der Weg die Marter!
Die
Liebe gleiche ich der Schärfe eines Schwerts,
Altar
des Eros, Herr, ich schlachte dir mein Herz!
VIERTE
SZENE
CHOR
Wer
stirbt, der wird nach seinem Tod,
Entkommen
letzter Erdennot,
Geführt
ins geisterhafte Licht
Zu
Minos, kommt dort ins Gericht,
Empfängt
dort seinen Urteilsspruch,
Den
Bösen Minos spricht den Fluch,
Die
treten in den Hades ein,
Wie
Tantalos voll Durst zu sein,
Wo
über ihm hängt prall die Frucht,
So
köstlich, doch in steter Flucht!
Stets
unerreichbar, süß und prall!
So
quälen sich Verdammte all!
Wer
weder gut noch böse war,
Wer
mittelmäßig in der Schar
Gewöhnlich
war, ob Mann ob Frau,
Nicht
kalt, nicht heiß zu Gott, nur lau,
Die
kommen in den Zwischenort
Und
brennen in den Feuern dort,
Die
brennen in dem Phlegeton,
Die
brennen in dem Acheron
Und
weinen Tränen ihrer Reu
Und
machen ihre Seelen neu,
Sie
waschen sich die Kleider weiß
Mit
Reuetränen feucht und heiß,
Und
wenn gereinigt sie dann sind
Und
voller Unschuld wie ein Kind,
Sie
kommen nach Elysium.
O
Wonne, Wonne, um und um!
Die
Heiligen, die da gerecht
Gewesen,
ihre Liebe echt,
Hier,
wo die Herzen offenbar,
Ist
klar, dass ihre Liebe wahr,
Hier
selig ist der Philosoph,
Der
diente an der Weisheit Hof,
Ideen
sieht er hier im Glanz
Wie
Nymphen drehen sich im Tanz,
Wie
Jungfraun keusch und rein und süß
In
diesem Himmelsparadies.
Die
Göttin Weisheit selbst erscheint,
Der
Philosoph vor Freude weint,
Jetzt
Philo schaut glückselig Sie,
Die
übergöttliche Sophie! –
Oh
welcher Liebe Überfluss
Im
delikatesten Genuss!
Genießend
ewig – ewig Sie,
Die
Seligmacherin Sophie!
VIERTER
AKT
ERSTE
SZENE
(Chor
und Amme.)
CHOR
Ah
weh, ah weh, ah weh! Ach, Phädra ist gestorben,
Dahin
die liebe Frau, von Todes Hand verdorben!
AMME
Ah
weh, mein Kindchen mein, du warst mein liebstes Kind,
Unschuldig
warest du wie kleine Kinder sind,
Einfältig
warest du, naiv, von treuem Herzen.
Ach
ich begreife nicht die grimmen Todesschmerzen,
Daß
Gott mir nahm mein Kind, dass sie jetzt nicht mehr ist,
Daß
meine Seele, ach, sie ewig jetzt vermisst,
Daß
sie, die all mein Ruhm, die meiner Tugend Ehre,
Ging
in das Schattenreich, in wesenlose Leere.
CHOR
Wir
jammern alle laut! Aus Quellen des Gesichts
Die
Tränen strömen uns! Weh, bodenloses Nichts!
Die
Gute starb dahin, lebendig blieben Schlechte,
Die
Erde sich verbirgt in tiefe Mitternächte,
Die
Erde ist erstarrt in schrecklich-starrem Frost.
O
welcher Gott hat jetzt für uns noch einen Trost?
Denn
Phädra ging hinab in Hades’ düstre Kammer,
Auf
Erden bleibt uns nichts als namenloser Jammer!
AMME
Doch
ein Gedanke, ach, mit Schrecken mich befällt,
Freiwillig
Phädra, ach, verließ die Erdenwelt,
Sie,
die durch den Beschluss der Götter ist geworden,
Sie
wagte, ach, zuviel, sich selber zu ermorden.
CHOR
Zu
schelten weiß ich nicht des Menschen Suizid,
Zu
weinen weiß ich nur mit Tränen im Gemüt,
Wenn
Menschen wollen selbst von dieser Erde scheiden,
Dann
weiß ich nur voll Leid mit ihnen mitzuleiden,
Denn
schrecklich ist die Nacht der Angst in Einsamkeit,
Die
Götter fleh ich an, ach, um Barmherzigkeit!
AMME
Und
irrt sie immer noch voll Angst im Schattenreich der Toten?
Und
kommt sie nie zurück zu uns wie Götterboten?
CHOR
Wir
bringen Opfer dar, wir opfern Brot und Wein.
AMME
Ich
mische mit dem Wein, die Tränen, die ich wein,
Mein
Tränenopfer ists, die Götter zu versöhnen,
Mein
Tränenopfer gilt der heimgegangnen Schönen.
ZWEITE
SZENE
(König
Theseus mit Gefolge. Chor.)
CHOR
O
König Theseus, Herr, dein Eheweib ist tot!
Da
liegt das Täubchen, tot, in ihrem Blute rot!
THESEUS
Wie,
tot ist meine Frau? Die Liebe ohne Fehle
Ist
tot? Gestorben ist mir meine eigne Seele!
Ich
liebte meine Frau mehr als mein eignes Kind,
Ich
liebte meine Frau, wie Eheleute sind
Geworden
eins, Ein Mensch, zwei-einig Menschenwesen,
Zwei
Apfelhälften wir sind Einer Frucht gewesen,
Die
bessre Hälfte mein ist nun dahin und tot,
Die
andre Hälfte bleibt allein in höchster Not,
Der
Seele Innerstes, mein Weib, ist mir gestorben,
Mein
unbeseelter Leib ist jetzt im Staub verdorben,
Weil
Phädra fehlt mir jetzt, das Ebenbild des Lichts,
Bleibt
nichts als dunkle Nacht, als Totenreich und Nichts!
CHOR
Ah
weh, der arme Mann, im unbeseelten Leibe,
Die
Seele schwand ihm mit dem seelenvollen Weibe!
THESEUS
Wenn
ihre Seele schwand dahin ins Schattenreich
Und
wandelt dorten sie den hohlen Schatten gleich,
Ich
hör der Seele Ruf, hör Rufen von dem Weibe:
Der
Seele folge mit dem unbeseelten Leibe,
Daß
Leib und Seele sich vereinen ehegleich
Im
Jenseitshochzeitsglück im süßen Totenreich!
CHOR
O
Theseus, sei ein Mann, und gürte deine Lenden!
THESEUS
Doch
warum tat mein Weib ihr Leben denn beenden?
CHOR
Die
arme Phädra ließ dir einen letzten Brief,
Die
letzten Worte sind gewiss voll Liebe tief.
Hier
ist der Brief, o Herr, vom seelenvollen Wesen,
Du
sollst das Testament der Vielgeliebten lesen.
THESEUS
Was
schreibt die liebe Frau? – O König Theseus, du
Verzeihe
deiner Frau, die nun in Totenruh
Gebettet
liegt allein, sich vor der Schande rette,
Weil
Hippolit versucht, in deinem Ehebette
Zu
lieben deine Frau, doch wollte ich das nicht,
Die
Götter hassen den, der Ehen treulos bricht,
Doch
Hippolit voll Gier und Feuer in den Lenden,
Des
Königs Ehebett versuchte er zu schänden.
Ich
scheide jetzt von dir! Von Herzen lieb ich dich,
Doch
bitt ich dich bei Gott, mein König, räche mich!
CHOR
Die
Rache ist des Herrn! Die Rache sollst du erben?
THESEUS
Weh,
Hippolit, mein Sohn! Ja, Hippolit muss sterben!
DRITTE
SZENE
(König
Theseus, Hippolit.)
HIPPOLIT
O
Herzensvater gut, ich hörte deinen Schrei.
Was
weinst du, Väterchen? Sag, was es immer sei.
Die
Vaterschmerzen sind dem Sohn auch die größten.
O
Vater, liebes Herz, sprich, denn ich will dich trösten.
THESEUS
O
Torheit, deine Macht ist übermächtig groß!
Es
wütet mir der Zorn im Busen und im Schoß,
Schon
habe ich mein Weib, die Liebe selbst verloren,
Jetzt
höre ich den Spott von diesem jungen Toren!
O
Jugend, du bist ganz der Torheit doch vereint,
Dein
alter Vater hier in Seelenkummer weint,
Es
schämt sich doch der Mann der kleinen Tränentropfen,
Da
willst du mir mein Maul mit Frömmelei verstopfen?
Du
redest, du seist keusch, der Jungfrau dienst du keusch?
Wenn
läufig ist ein Hund, so geil ist auch dein Fleisch,
Ich
kenne dieses Fleisch, ich weiß von deinen Schwächen,
Du
sprichst vom Zölibat und willst die Ehe brechen?
Der
Jungfrau dienst du nicht, dein Zölibat ein Spott,
Die
Unzucht liebst du nur, und Eros ist dein Gott!
HIPPOLIT
Die
Jungfrau ist ganz rein, sie hat mich auserkoren,
Was
kümmert mich der Spott von götterlosen Toren?
Der
reinen Jungfrau nur der reine Diener naht,
Ich
habe nicht befleckt den keuschen Zölibat,
Ich
lebe rein und keusch, trotz meines Fleisches Schwächen,
Die
Jungfrau sah mich nie den Bund der Ehe brechen,
Ob
auch versucht wird oft mein frevelhaftes Fleisch,
Die
Jungfrau mich bewahrt, ich lebe rein und keusch,
Ich
halte streng mich frei von allen Unzuchtssünden.
THESEUS
Die
Leidenschaften doch die Triebe dir entzünden,
Entzündeten
dein Fleisch mit freier Liebe Glut,
Drum
wird dir Vaterzorn, des Vaters Grimm und Wut,
Ja,
sterben sollst du, Sohn, den Todesbecher zechen,
Den
Tod hast du verdient durch deines Fleisches Schwächen.
Doch
sterben ist zu schön! In Einem Augenblick
Der
Lebensleiden frei, genießt du Hades’ Glück?
Nein,
sterben sollst du nicht, ich werde dich verbannen!
Zu
ewgen Leiden soll sich Hippolit ermannen!
Ich
weiß, der süße Tod ist dein ersehntes Ziel,
Ich
aber fluche dir, verbann dich ins Exil!
VIERTE
SZENE
(Hippolit
allein vor der Statue der göttlichen Jungfrau.)
HIPPOLIT
O
Jungfrau, dir allein ich klage meine Leiden,
Die
Menschen nennen mich hochmütig, unbescheiden,
Weil
ich dich kenne und auf dich allein vertrau,
Du
meine Retterin, du reine Götterfrau!
Man
fordert jetzt von mir heroische Ermannung,
Denn
tragen soll allein ich Elend und Verbannung.
Wer
steht mir denn noch bei in diesem Jammertal,
Dem
Tränental, da sind die Tränen ohne Zahl.
Mein
Herz wär gern sozial, im Liebesglück gemeinsam
Mit
lieben Menschen, doch ich leider bin sehr einsam.
Die
Welt ist eine Nacht, ist keine Heimat mehr,
Die
Welt ist kahl und kalt, erschreckend liebeleer.
Wann
wird mich Bruder Tod vom Todesleib erlösen?
Wie
lange muss ich noch ertragen all die Bösen?
Du
forderst Demut und Gehorsam und Geduld
Und
tragen soll ich all das Leid allein, der Huld
Der
Königin allein, der Jungfrau ganz vertrauen.
Die
Männer dieser Welt, sie haben ihre Frauen,
Die
ihnen Hilfe sind und guter Beistand auch,
Ich
habe nichts als dich, nur deiner Gnade Hauch.
Wie
ist es oft so schwer, dem unsichtbaren Wesen
Alleine
zu vertraun, das mich doch auserlesen.
Mein
Vater schickt mich fort aus meinem Vaterland,
Der
Vater schlägt mich hart, mich züchtigt seine Hand
Für
Sünden, die ich nicht in Schuld begangen habe.
Mir
reicht kein Menschenherz die liebevolle Gabe
Der
warmen Herzlichkeit. Ich aber bin Gebet,
Ein
junger Mann allein, ach, dem entgegensteht
Die
ganze kalte Welt. Wir wollen sie erlösen,
O
Jungfrau, aber sie stehn in der Macht des Bösen.
O
Jungfrau, deine Huld schuf mich zum Menschenfreund,
Der
alle retten will, doch jeder ist mein Feind,
Die
Liebsten in der Welt, die eigene Familie,
Die
ich gesegnet oft in betender Vigilie,
Sie
hasst mich bis zum Tod, verschlossnen Angesichts
Und
harten Herzens sie verdammen mich ins Nichts,
Ich
blutete für sie aus tausend Herzenswunden,
Doch
wie sie mir tun, tun sie nicht mal ihren Hunden,
Ja,
besser geht’s dem Hund dort unter ihrem Tisch,
Die
Kinder hungern, doch der Hund bekommt den Fisch,
So
jagen sie mich fort aus meinem Vaterlande!
O
Jungfrau, du verzeih der wilden Räuberbande,
Sie
wissen gar nicht, was sie alles Böses tun,
Mich
aber lasse du an deinen Brüsten ruhn!
FÜNFTE
SZENE
CHOR
Alle
suchen die Fortuna,
Die
doch launisch wie die Luna,
Der
Fortuna nur zu willen,
Ihren
launenhaften Grillen,
Jeder
wäre gerne glücklich.
Doch
das Rad dreht augenblicklich
Die
Fortuna unbescheiden
Und
der Freude folgen Leiden.
Heute
tanzt man auf den Festen,
Morgen
wird sie Tod verpesten,
Heute
seid ihr reich an Golde,
Scheint
Fortuna euch die Holde,
Nach
dem Drehen ihres Rades
Morgen
jammert ihr im Hades.
Manche
Dichter aber sagen
Und
zu singen nicht verzagen,
Daß
der höchste Gott geboten,
Er,
der Richter aller Toten,
Der
Fortuna, zu regieren
Und
des Zepters Stab zu führen
Und
den Menschen zuzuteilen,
Was
das Leiden mag zu heilen,
Tags
die Arbeit, nachts den Schlummer,
Morgens
Wollust, abends Kummer,
Alles
deckt sie mit dem Mantel,
Allen
wechselvollen Wandel
Stolz
verwaltet die Fortuna,
Göttin,
thronend auf der Luna.
Doch
es singen wahrhaft Weise
Eine
andre Weisheit leise,
Denn
in wechselnden Geschicken
Sie
den Flickenteppich blicken,
Providentia
gewoben
Hat
den Teppich, schaut von oben
Dieses
Teppichs buntes Eden,
Unten
sehn wir wirre Fäden,
Sehn
in törichter Verwirrung
Nichts
als des Geschicks Verirrung,
Wild
verschlungne Labyrinthe,
Spreu,
geworfelt von dem Winde,
Providentia
von oben
Sieht
den Teppich, der gewoben
Ist
aus Hochzeit, Totenfeier,
Providentia
im Schleier
Alles
plant unendlich weise.
Also
fleht der Weise leise
Providentia
zur Leier,
Daß
sie schließlich sich entschleier!
FÜNFTER
AKT
ERSTE
SZENE
(König
Theseus, ein Bote.)
BOTE
Mein
König und mein Herr! Ich bringe Trauerkunde,
Nur
Trauervolles hörst du, ach, aus meinem Munde.
Da
du den Sohn verdammt, verbannt hast zum Exil,
Du
weißt, o weiser Fürst, das Fluchen ist kein Spiel,
Geritten
Hippolit ist aus dem Vaterlande,
Und
da er eben ritt voll Schmerz am Meeresstrande,
Empörte
sich das Meer mit aufgeschäumter Flut,
Poseidon
wütete mit wilder Götterwut,
Und
aus des Meeres Schoß kam eine große, lange
Gefleckte
Schlange, und die große Meeresschlange
Umschlang
mit Todeslust den jungen Hippolit!
THESEUS
Bringt
seinen Leichnam her, auf dass mein Auge sieht
Des
Todes wilde Wut in der Gestalt der Leiche.
O
Todesschlange du, mit deinem Giftzahn weiche!
BOTE
So
grausig war es, ach, zu sehen diesen Kampf,
Da
Hippolit gezuckt, geschüttelt ward vom Krampf,
Die
Schlange glatt und feucht mit listenreichem Flüstern
Umschmeichelte
den Leib des Todgeweihten lüstern,
Der
Giftzahn wie ein Schwert das Herz des Sohnes ritscht,
Der
Schlange nackter Leib um seinen Körper glitscht,
Elektrisch
schlägt durch ihn ein Schütteln und ein Zucken,
Kaum
kann er noch hinan zum hohen Himmel gucken,
Die
Schlange windet sich mit wilder Todeslust
Wie
kopulierend um des Todgeweihten Brust,
Als
wollte sich der Tod mit seinem Opfer gatten
Und
Hochzeit feiern, ach, im Totenreich der Schatten!
THESEUS
O
wehe meinem Fluch! Wie Gottes Zorn mir flammt,
Weil
ich als Vater bös den eignen Sohn verdammt!
Ist
Gott ein Vater nicht mit liebevollem Herzen?
Ich
böser Vater tat dem Sohne an nur Schmerzen,
Dem
Sohne Hippolit, der Liebe nur gesucht,
Ich
böser Vater hab den eignen Sohn verflucht!
Nun
traf mein Fluch auch ein! O Schamrot meiner Wange!
Aus
meinem Fluche kam hervor die wilde Schlange!
Gerecht
ist, dass der Zorn des Höchsten mich nun trifft,
Denn
Schlangenzunge war mein Mund voll Fluches Gift!
ZWEITE
SZENE
(Der
Chor steht im Kreis um das Standbild der Göttin Aphrodite.)
CHOR
O
grause Liebe du, voll Allgewalt des Schreckens,
Ich
spür nichts mehr von Lust des Scherzens und des Neckens,
Sonst
reiztest du den Trieb zur Stillung süßer Lust,
Sonst
quoll wie süße Milch der Mutter deine Brust,
Du
Urmacht aller Welt, in jedem Lebenstriebe
Erschien
in höchstem Reiz die Süßigkeit der Liebe,
Sonst
war voll Heiterkeit wie Abendstern dein Blick,
O
Lachenliebende, du schönstes Seelenglück,
Frau
Aphrodite du, noch heißer als die Sonne
Im
Süden sommerlich, voll wollustvoller Wonne!
Jetzt
aber schrecklich, ach, in deiner Dämonie,
Dem
Tod verbunden in geheimer Sympathie,
Die
Beter schrein zu dir von Helikon und Athos,
Die
Liebenden voll Leid, sie reden voller Pathos,
Du
aber ehern schweigst in starker Grausamkeit
Und
bist wie Hades stumm in Götterschweigsamkeit!
Wir
suchen alle nur den frohen Augenblick,
Da
Liebe uns beglückt, die Wollust schenkt uns Glück,
Da
Genien der Welt mit Gnadengunst nicht geizen
Und
unsres Daseins Zeit sich füllt mit süßen Reizen!
Du
aber, Herrscherin, verjagst uns von dem Ort
Der
süßen Heiterkeit, jetzt wütet es wie Mord
In
unserem Gebein, von Aphrodites Orden
Die
Liebenden voll Leid sich selber jetzt ermorden,
Und
wer sich tötet nicht, wer aushält in der Welt,
Wird
von der Schlange Zahn verwundet und gefällt,
Und
alles stirbt dahin, verwelkend und vermodernd.
Einst
in der Jugendlust voll süßer Torheit lodernd,
Die
alte Weisheit jetzt macht uns den Schädel kahl,
Der
Totenschädel bleich und blass, wie Geister fahl,
Grinst
frech uns an, der Tod! Ach, all die jungen Schwestern
Aus
Aphrodites Reich jetzt Aphrodite lästern,
Und
keiner in der Welt ist voller Liebe mehr.
Wann
tauchst du wieder auf aus deinem Mittelmeer?
Bis
wir dich wieder sehn, nackt tauchend aus den Schäumen,
Ach
Aphrodite, wir nur Schreckensträume träumen.
Gewaltige,
wir flehn, wir betteln flehend fromm:
O
Schreckensherrscherin, ach Aphrodite, komm!
DRITTE
SZENE
(Vor
König Theseus erscheint die göttliche Jungfrau in strahlender
Reinheit, mit Tränen in den Augen.)
DIE
JUNGFRAU
Dich,
Vater, klag ich an, der seinen Sohn getötet,
Ja,
jetzt ist dir vor Scham die Wange heiß gerötet,
Jetzt
jammerst du und weinst, doch steht im Lebensbuch
Für
alle Ewigkeit dein todesvoller Fluch.
Den
Leib getötet hast du deinem frommen Sohne,
Die
Seele hättest du ermordet auch noch ohne
Furcht
vor der Schöpfermacht, vor aller Götter Gott,
Denn
Götterehrfurcht war dir wert nur einen Spott!
Ich
komme zum Gericht und alles Morsche falle
Und
alle Bosheit, die für Gott nur hatte Galle
Und
Gottes Diener und der Jungfrau Lieblingsknecht
Verspottet
und verhöhnt! Wie machtet ihr ihn schlecht,
Der
doch mein Liebling war, erkorener Erwählter.
Ihr
waret seelenlos, er aber war beseelter
Und
liebevoller als die tote Mörderwelt,
Die
ihn zuletzt gestürzt, mit kaltem Haß gefällt.
Ihr
glaubt, dass auf mein Recht zu richten ich verzichte,
Ihr
glaubt nicht, dass ich euch gerecht und heilig richte?
Ihr
aber irrt euch sehr! Wo ist jetzt euer Spott,
Den
ihr gespendet habt der Jungfrau und dem Gott?
Wie
hieltet ihr euch fest an eitlen toten Sachen,
Jetzt
ist die Stunde da, euch höhnisch auszulachen!
Ihr
wolltet ja den Rat, der Jungfrau Weisung nicht,
Jetzt
zittre, Kreatur, vorm heiligen Gericht,
Jetzt
erntest du die Frucht aus deinen bösen Taten,
Jetzt
hilft dir keine List von Winkeladvokaten,
Denn
unbestechlich ist die Jungfrau im Gericht,
Ja,
schaue mich nur an, die Königin im Licht,
Was
meinem Liebling du getan, ihn zu zerbrechen,
Das
wird die Jungfrau jetzt an seinem Vater rächen!
THESEUS
O
Herrscherin voll Macht, ich bebe zag und bang,
Wie
böse war mein Trieb, wie übel all mein Drang,
Ich
falle nieder hier, ein Wurm zu deinem Fuße,
O
gib wie Feuer mir ein Leid zu meiner Buße
Und
Schmerzen sende mir, der sich zu frech erkühnt,
Ja,
leiden will ich Qual, bis alle Schuld gesühnt!
DIE
JUNGFRAU
Gerechtigkeit
ist groß, doch größer das Erbarmen,
Ihr
Reichen seid ja doch die Ärmsten aller Armen,
Es
bat für dich dein Sohn, drum gnädig ist mein Herz!
Ja,
sühne deine Schuld, aus Huld schenk ich dir Schmerz!
VIERTE
SZENE
(Der
sterbende Hippolit und die Jungfrau.)
HIPPOLIT
Jetzt
muß ich sterben, ach, da seh ich einen Schimmer,
Den
sieht kein andrer Mensch, ich seh ein Lächeln immer,
Geliebte
Jungfrau, ach, wie ich mich selig freu,
Daß
du zu mir jetzt kommst! Aufrichtig ich bereu,
Was
ich gefehlt im Geist, in heimlich-heißen Träumen,
Hab
manchmal auch geseufzt nach Kypris weißen Schäumen
Und
manchmal auch entfloß ein Seufzer meinem Fleisch
Und
immer war ich nicht und allezeit nicht keusch.
Ersetze,
was mir fehlt, vorm allerhöchsten Richter,
Bewahre,
Göttin, mich vor Hades, dem Vernichter.
DIE
JUNGFRAU
Die
Jungfrau bin ich doch der Allbarmherzigkeit,
Die
ihrem Lieblingsknecht verzeiht, wenn er verzeiht!
HIPPOLIT
Und
so verzeihe ich dem Vater seine Strenge
Und
seines Herzens Frost und seines Herzens Enge,
Und
meiner Mutter auch, dass sie mich einst gebar,
Der
ich so selig doch im Schoß der Vorwelt war.
DIE
JUNGFRAU
Zeus-Vater
bittet dich, dem Vater zu verzeihen
Von
ganzem Herzen und den Vater mir zu weihen.
HIPPOLIT
O
Theseus, Vater mein, du wie ein Eber hart,
Ich
weihe deinen Geist der reinen Jungfrau zart,
Der
makellosen Frau, der Göttin ohne Fehle
Für
alle Ewigkeit vertrau ich deine Seele!
DIE
JUNGFRAU
Der
du auf Erden schon mir ganz ergeben warst,
Die
Ganzhingabe du an dir selbst offenbarst,
Auf
Erden lebtest schon in Geistesparadiesen,
Auf
Erden gingest schon wie Geister in Elysen,
Der
Jungfrau Liebesgunst, der Huld Mysterium
Führt
heute deinen Geist in das Elysium!
HIPPOLIT
O
reinste Jungfrau du in höchster Keuschheit Reiz,
Ich
fürchte mich vorm Gott, dem Gott der Götter Zeus!
DIE
JUNGFRAU
In
deinem Sterbebett liegst du auf weißem Kissen,
Ich
raube deinen Geist mit liebevollen Küssen!
Sei
fröhlich, Hippolit, denn die Jungfräulichkeit
Belohnt
der Vater Zeus dir mit Glückseligkeit!
HIPPOLIT
In
deine Hände, Frau und Göttin, ich befehle
Für
alle Ewigkeit dir meine fromme Seele!
(Er
stirbt.)
FÜNFTE
SZENE
CHOR
Hippolit
wird nun begraben,
Gerne
geben wir die Gaben,
Ehren
gern sein Angedenken,
Wollen
unsre Liebe schenken
Ihm
auch noch nach seinem Tode.
Körper,
eines Rasens Sode
Deckt
nun deiner Ruhe Schlummer,
Mitbegraben
aller Kummer.
Oft
noch schleichen uns die Tränen
Aus
den Augen und wir sehnen
Oft
uns noch nach seiner Liebe,
Seinem
süßen Liebestriebe,
Seiner
Freundschaft, seiner Güte.
Auf
dem Grabe manche Blüte
Lässt
sich in dem Frühling sehen,
Die
Natur wird auferstehen,
Nach
des Winters strenger Grenze
Tanzen
wieder wir im Lenze,
Tanzen
auf den Gräbern heiter,
Tanzen
unsre Liebe weiter.
Hippolit
in Paradiesen
Tanzt
die Tänze von Elysen
Mit
den Horen und den Musen,
Horen
mit den schönsten Busen,
Musen
mit den schönsten Haaren,
Liebe
uns zu offenbaren,
Kommt
er von der Welt der Geister,
Von
der Welt der weisen Meister,
Philosophen
und Sophisten,
Von
der Jungfrau neunzehn Brüsten
Singt
er ewig seine Oden.
Wir
beweinen unsern Toten,
Wir
beweinen ihn voll Trauer,
Oft
noch strömt ein Tränenschauer
Uns
aus unsern dunklen Augen,
Wir
am Kummerbecher saugen,
Vor
dem Tode trunkne Zecher
Saugen
an dem Kummerbecher,
Heißes
Blut aus unsern Venen
Mischen
wir mit unsern Tränen,
Allzeit
traurig zu beweinen
Hippolit,
bis uns wird scheinen
Liebe,
wie sie spielt die Flöte
Köstlich
in der Morgenröte!
DRITTE
TRAGÖDIE
DER
ANGENAGELTE PROMETHEUS
ERSTER
AKT
(Am
Kaukasos. Der hinkende Gott Vulkan und der Titane Kraft schleifen in
Ketten den armen Prometheus zu dem Felsen, an dem er angenagelt
werden soll.)
KRAFT
Ich,
der Titane Kraft, ich bin der Sohn des Styx,
Ich
freue mich im Hass, ich hasse voll des Glücks,
Daß
der Prometheus jetzt, der Mann der Menschenliebe,
Wird
angenagelt an dem Berg. Die Lebenstriebe
Sind
dem Titanen Kraft erfüllt von hartem Hass.
Mich
ekelt an der Mann! Wie aber Wein im Fass,
Ist
lange schon gegärt mein Zürnen und mein Grimmen!
Prometheus
soll im Leid, in Ozeanen schwimmen,
Im
Tränen-Ozean, im schwarzen Kummer-Meer!
Den
Becher saufe er, der voller Leiden, leer!
Ich,
der Titane Kraft, aus Hass bin ich so mutig,
Und
du, Prometheus, du, du weine Tränen blutig!
VULKAN
Was
dich erwartet hier für alle Lebenszeit,
Prometheus,
das ist nichts als nackte Einsamkeit!
Die
Götter im Olymp in Scherzen sind gemeinsam,
Doch
du, nichts als ein Mann, auf Erden bist du einsam.
Tags
schreist du laut vor Schmerz und nachts flieht dich der Schlummer,
Ertrinken
wirst du in dem Ozean aus Kummer,
Dich
schlägt des Himmels Zorn, der Zorn der höchsten Macht,
Die
Sinne sind dir tief getaucht in dunkle Nacht,
Die
Seele ist getaucht in abgrundtiefes Dunkel,
In
deiner dunklen Nacht kein einzig Sterngefunkel,
Dein
Menschengeist getaucht ins Meer der Bitternis,
Der
Gottheit Blitz ist dir wie dichte Finsternis,
Die
Menschenliebe, die geblutet dir im Herzen,
Die
Liebe dir besteht aus nichts als Todesschmerzen!
Nur
noch um deinen Tod du bei dem Himmel wirbst
Und
musst doch leben, ach! Gott will, dass du nicht stirbst!
KRAFT
Die
Götter allesamt, im Zorn dir heimzuzahlen
Die
Menschenliebe, sie verschwören sich, dir Qualen
Zu
schenken, ihre Gunst in diesem Jammertal,
Der
Götter Gunst für dich ist tausendfache Qual!
Ich
will mehr Qualen noch dir Heißgehasstem machen,
Und
stirbst du fast vor Schmerz, so werd ich höhnisch lachen!
PROMETHEUS
Die
Menschenliebe ist aus Schmerzen, wie ich seh,
Aus
Liebe leide ich! Ah weh mir, weh mir, weh!
KRAFT
Sonst
redetest du stolz, Prometheus, unbescheiden,
Der
Gott das Feuer stahl, jetzt strafen dich die Leiden,
Mein,
des Titanen Kraft, mein heißer Hass bezeugt,
Daß
dich, den Liebenden, der Götter Zorn gebeugt,
Jetzt
wär dir schon ein Trost nur eine milde Wehmut
In
abgrundtiefer Qual. So Gott lehrt dich die Demut.
Vulkanos,
der du hinkst, der Venus Ehemann,
Prometheus
schlage du an diesen Gipfel an!
VULKAN
Gerecht
ist Gottes Zorn. Der Mensch erduld bescheiden,
Was
zumisst ihm der Herr, die ganze Zahl der Leiden.
So
leide denn der Mensch! Doch seh ich seine Not,
So
groß, dass er sich wünscht nichts andres als den Tod,
Seh
ich in Seelenqual zerrissen diesen Armen,
Mein
Götterherz erfüllt ein herzliches Erbarmen.
Könnt
lindern ich die Not, tät ich ein gutes Werk.
Doch
muß ich schlagen ihn an diesen harten Berg,
Weil
Jove es so will. Gehorsam muß ich üben,
Ob
mich der Zorn des Herrn auch herzlich muß betrüben.
Geduldig
leide du, Prometheus, mit Geduld
Abbüße
du vor Gott durch Leiden alle Schuld.
Was
hilft die Sehnsucht dir? Vergeblich alles Sehnen,
Gott
hat bereits gezählt die große Zahl der Tränen,
Die
du noch weinen musst. Und ist dein Herz wie Glas,
Die
Trauer ordnet Gott nach Ordnung, Zahl und Maß.
Und
wähnest du dich ganz von Himmlischen vergessen,
Die
Schicksalsgöttinnen das Maß der Tränen messen,
Und
bis die Zahl vollbracht, die Gott dir vorbestimmt,
Wein
heiße Tränen du, bis Jove nicht mehr grimmt.
KRAFT
So
weichen Herzens, Gott Vulkanos, bei dem Jammer?
Vulkanos,
Hinkender, erhebe deinen Hammer
Und
schlag Prometheus an an seiner Leiden Berg,
Vollführe
Gottes Zorn und tu des Himmels Werk.
Was
kümmert dich es, Herr, ob seine Seele heile?
Gott
zürnt dem Menschen ja! Vulkanos, eile, eile,
Nur
rascher schlage zu, beeile dich, o Gott,
Es
muß der Liebende rasch werden jetzt zu Spott,
Er,
der die Menschenwelt durch Liebe wollt vergotten,
Die
Götter allesamt den Narren jetzt verspotten!
Verspritze
er sein Blut und allen Lebenssaft,
Ich
hass den Menschen heiß, ich, der Titane Kraft!
VULKAN
Freiwillig
tu ich’s nicht, doch hat es Gott geboten!
Als
Lebenden es geht doch besser noch den Toten,
Als
Toten besser noch, wer nie geboren ward!
KRAFT
Laß
ab vom weichen Herz! Mach hart dein Herz, steinhart!
VULKAN
So
schlagen wir den Mann jetzt an der Leiden Gipfel!
KRAFT
Hinab
den Lendenschurz, der letzten Keuschheit Zipfel!
VULKAN
Soll
leiden so der Mann, wie Gott ihn schuf, ganz nackt!
KRAFT
Ja,
ja, den ganzen Mann des Leidens Kralle packt!
VULKAN
Soll
schlagen ich den Pfahl durch seine nackten Füße?
KRAFT
Für
alle Schritte er der Menschenkinder büße!
VULKAN
Soll
schlagen ich den Pfahl durch seine zarte Hand?
KRAFT
Schwer
lastet Gottes Hand auf diesem Menschenland!
VULKAN
Soll
krönen ich sein Haupt mit spitzen Rosendornen?
KRAFT
Die
Rose Dornen nur schenkt diesem Auserkornen!
VULKAN
Soll
ich durchbohren ihm mit spitzem Pfeil das Herz?
KRAFT
Durchbohren
wird sein Herz der tiefste Liebesschmerz!
VULKAN
Und
wird er vor der Zeit sein Leben schon verbluten?
KRAFT
Ein
langes Leben, ha, schenk Jove diesem Guten!
VULKAN
Soll
auf sein Schulterpaar ich legen ihm dies Holz?
KRAFT
Des
Daseins schwere Last zerquetsche seinen Stolz!
VULKAN
Soll
reißen ich entzwei ihm seine beiden Arme?
KRAFT
Ja,
reiße ihn entzwei, ob er auch schreit: Erbarme!
VULKAN
Soll
ich ihm speien auch mit Speichel ins Gesicht?
KRAFT
Ihn
anzuspucken ist der Menschenkinder Pflicht!
VULKAN
Ohrfeigen
soll ich ihn? Zerkratzen ihm die Wange?
KRAFT
Ja,
beiße ihn der Zahn voll Gift der kalten Schlange!
VULKAN
Soll
schlagen ich aus ihm die Blutestropfen rot?
KRAFT
Ja,
quäle ihn zu Tod, doch gönn ihm nicht den Tod!
VULKAN
Und
wenn ich all das tu, davon nichts unterlasse?
KRAFT
Ich
freu mich wie ein Gott in meinem Todeshasse!
PROMETHEUS
O
Pater Uranos! Erbarme dich, erbarm,
Erbarm
dich meiner, Gott! Ich bin ein Würmlein arm,
Nicht
gleich dem goldnen Haus, von Elfenbein dem Turme,
Es
zuckt in mir mein Trieb, der Trieb von einem Wurme!
Der
Dieb hat mich geraubt, ich ward des Diebes Raub!
Ach,
läge ich schon tot in Mutter Erde Staub!
Ach,
nimm von mir, o Gott, den Geist mir und die Seele!
Ach,
wäre Mutter Grab mir letzter Zuflucht Höhle!
Gebrochen
ist mein Herz, mir brach des Lebens Stab!
Komm,
Schwester Made, komm, geliebte Mutter Grab!
Ein
Seufzerschatten ich, vom Staub bin ich, vom Staube!
Ich
brumme wie ein Bär, ich gurr wie eine Taube!
Der
Bärenmutter gleich, der man die Jungen raubt,
Ist
Pater Uranos, wie meine Seele glaubt,
Dem
Pantherweibchen gleich, mich gierig zu zerfleischen
Ist
Pater Uranos! Heil, dreimal Heil dem keuschen
Und
unberührten Gott, den ich nicht mehr begreif!
O
Gott, mein letztes Kleid mir von dem Leibe streif
Und
stell mich so vor dich! Ich heiße nackte Seele
In
heißer Liebesgier, so sehr ich mich auch quäle,
Ich
schrei zu dir, mein Gott! Trotz aller Feinde Spott,
Ich
schrei zu dir, mein Gott! O Gott, o Gott, o Gott!
Ich
schmelze in der Glut, der Liebesglut wie Butter!
Erbarme
dich, erbarm, o hohe Göttermutter!
In
meiner tiefen Not, in meiner letzten Not
Ich
halt an deinem Rock mich fest, und kommt der Tod,
Denn
schließlich kommt der Tod nach eitlem Erdenwandel,
Ich
klammre, Mutter, mich an deinen blauen Mantel!
Erbarme
dich, erbarm dich in Barmherzigkeit,
Denn
unaussprechlich schwer drückt nieder mich das Leid,
Es
blutet mir mein Herz, das Blut in meinen Venen
Strömt
blutig aus der Stirn, ich weine heiße Tränen,
In
diesem Tränental, in diesem Jammertal,
In
diesem Elende, o Mutter, voller Qual,
Kann
ich mir wünschen nur im elenden Verderben,
Daß
Gott mir schenkt den Tod und lässt mich endlich sterben!
Ich
hab am Leben, ach, nicht mehr die Lebenslust,
Nimm,
Mutter, mir den Geist! O birg an deiner Brust
Barmherzig
mich, gib Trost von deinem Mutterbusen!
Ah,
Schwanenjungfraun nahn, die Grazien und Musen.
CHOR
DER DORIDEN
Erbarmen,
Uranos, erbarm,
Gib
Zuflucht, Gott, in deinem Arm!
Des
Mitleids Schwestern wir, die Schwäne,
Wir
trocknen dir die Trauerträne.
Ja,
wir verstehen deinen Schmerz,
Wir
schauen tief dir in dein Herz.
Die
Qualen alle und die Peinen
Bewegen
uns, wir müssen weinen.
Die
Träne tropft uns blutig rot,
Wir
leiden mit in deiner Not.
Gott
schlug dich zwar mit hartem Hammer,
Dein
Herz zerfließt in lauter Jammer,
Doch
unser Mitleid steht dir bei.
Ach,
werde von dem Kummer frei,
Doch
wage nicht, den Herrn zu lästern,
Denn
fromm sind deine schönen Schwestern,
Voll
herzlicher Barmherzigkeit.
Geduldig
trage du dein Leid,
Geschlagen
an an diesem Felsen,
Selbst
harte Herzen würden schmelzen,
Sähn
sie dein Leiden, deine Not.
O
weine Tränen blutig rot,
Ich
will mit meinen langen Locken
Von
Tränentau dich reiben trocken.
In
tiefer Trauer dein Genuß
Sei
meiner Gnade sanfter Kuss!
So
schenken dir den Seelenfrieden
Die
frommen Schwestern, die Doriden.
Du
bist doch weise und du weißt,
Daß
unsichtbar bei dir der Geist,
Wie
schönste Nymphen ohne Mängel
Sind
mit dir Gottes gute Engel.
Wenn
du in allertiefster Not
Nur
flehen kannst noch um den Tod
Und
in der irdischen Gemeinde
Der
Freund geworden ist zum Feinde
Und
du in namenloser Pein
Auf
Erden findest dich allein,
Nimm
Zuflucht zu den frommen Toten!
Die
Geister kommen dann als Boten
Und
schenken dir in Qual und Pein
Uralt-geläutert
Feuerwein
Zum
Trost dem wilden Todestriebe
Und
trösten dich mit Engelsliebe!
Doriden,
Schwestern, näher nun,
Du
sollst am Schwanenbusen ruhn,
Und
solltest du gar Jove lästern,
Fürbittend
beten für dich Schwestern,
Der
Schwesterliebe Überfluss
Empfange
du, der Gnade Kuss!
ZWEITER
AKT
DER
OZEAN
Nun
schütte mir dein Herz in Ruhe aus, Geliebter!
PROMETHEUS
Geliebten
nenn mich nicht, sag lieber: Mein Betrübter!
Ach,
dass geboren mich der dunkle Mutterschoß,
Der
ich nur Jammer seh, nur Seelenschmerzen groß!
Ach
wäre ich im Schoß der Mutter doch gestorben
Und
wie die Fehlgeburt im Mutterschoß verdorben!
Ach
warum nur gebar die Mutter mich der Nacht,
Die
all mein Leben mir verhüllt mit finstrer Macht?
Was
kam ich aus dem Schoß, der Mutter innern Kammer,
Der
ich nichts andres seh als Gram und Grimm und Jammer?
Verflucht
sei jener Tag, da ich geboren ward,
Es
soll ein Zauberer mit langem weißem Bart
Die
Stunde der Geburt und Tag und Jahr verfluchen,
Da
ich verlassen hab den dunklen Mutterkuchen
Und
eingetreten bin ins grelle Licht der Welt,
Da
stand ein böser Stern am finstern Himmelszelt,
Mars
stand im Skorpion und grimmig schaute Eros
Und
bannte von mir weg den herrlichen Anteros!
Stets
einsam war ich, ach, Komet am Himmelszelt,
Ich
war im Streite mit dem ganzen Rest der Welt,
Und
einsam weinend saß ich in der dunklen Kammer,
War
angefüllt mit Gram und Schwermut voller Jammer,
Mit
Schwermut, die mich nie, als treue Frau, verlässt,
War
mit den Frohen nie gesellig auf dem Fest,
Trank
meinen Wein allein, der Tränen bittern Becher,
War
nie betrunken froh im Kreis der wilden Zecher,
Trank
keinen süßen Wein, ich trank die Bitterkeit
Wie
Tränenflut, wie Blut, in tiefster Einsamkeit.
So
wurde ich zum Spott der weltverliebten Spötter,
Als
hielte ich mich selbst, ein Gott im Kreis der Götter,
Für
einen Heros gar! Ein Heros war ich ja,
Bei
Pater Uranos und bei Urania,
Der
Schönheit Königin, ich mehr als Philosophe,
Ich
feierte den Thron des Götterkönigs Jove,
Ich
sprach mit Jove: Herr, erbarme dich der Welt!
Und
Jove sprach zu mir: Die Welt mir nicht gefällt,
Wie
diese Menschen all viel Sünden schlimm verrichten,
Ich
werde diese Welt in einer Flut vernichten!
Ich
sprach zu Jove für die arme Menschenwelt:
O
Jove, König, Herr und Gott im Himmelszelt,
Vernichte
nicht die Welt, vernichte nicht die Leute!
Und
was tat Jove da? Wie findest du mich heute?
Der
über alle Welt ergrimmt, der hat den Grimm
Mir
auferlegt allein, drum geht es mir so schlimm,
Jetzt
Jove mich allein aus Ingrimm will verderben!
O
großer Ozean, Gott, dürfte ich nur sterben!
OZEAN
Man
nannte dich doch klug, man nannte dich doch weise,
Der
Weisheit Himmelsbrot war täglich deine Speise,
Wo
ist die Weisheit jetzt mit ihrem Trost und Rat?
Viel
Weise in der Welt, die weise für den Staat,
Die
raten, wie die Welt in Frieden lebt gemeinsam,
Unweise
sind sie doch, sind sie allein und einsam.
Und
andre Weise sind, die wissen keinen Rat
Den
lieben Frauen und den Männern in dem Staat,
Für
sich alleine nur die innerlichen Weisen
Die
Wege wissen, die die guten Geister weisen.
Und
mancher Weise auch ist in dem großen Land,
Von
aller Welt verkannt, den Menschen unbekannt.
Die
Feinde nahn der Stadt und alle Wächter weichen,
Die
Torheit findet man bei Mächtigen und Reichen,
Da
ist ein armer Mann, der aber weise ist,
Doch
ach, die ganze Welt den armen Mann vergisst,
Wenn
ihr ihn nur gefragt um gute Weisung hättet,
Vielleicht
der arme Mann, er hätte euch gerettet.
PROMETHEUS
Die
Weisheit wich von mir und leer sind Hirn und Herz,
Gedanken
flohen mich, es herrscht allein der Schmerz!
O
Liebesschmerzen, die im Herzen ihr mir glühtet,
Wie
habt ihr mit Gewalt in meinem Geist gewütet!
Jetzt
kein Gedanke mir kommt von der Weisheit mehr,
Von
Todesschmerzen ist mein Hirn gedankenleer!
OZEAN
Du
hast getröstet doch mit Tröstungen so viele,
Die
Kindermenschen, die verletzten sich im Spiele,
Die
armen Einsamen, die Leidenden, die krank,
Die
Sterbenden zuletzt, sie waren voller Dank,
Weil
du und dein Genie die Sterbenden erlösten,
Es
war dein Amt, die Welt im Todeskampf zu trösten.
Jetzt
leidest selber du und findest keinen Trost?
PROMETHEUS
O
Leidensbecher voll blutroter Tränen, Prost!
OZEAN
Du
weißt nichts anderes der abgrundtiefen Schwermut
Als
diesen Becher voll von Blut, das Sternbild Wermut?
PROMETHEUS
Den
Kindermenschen hab versöhnt ich allen Zank,
Jetzt
aber bin ich, ach, jetzt bin ich liebeskrank!
OZEAN
O
guter Seelenarzt, jetzt helfe dir doch selber!
Ward
Galle dir und Milz nur schwärzer noch und gelber?
Arzt,
hilf dir selber doch und tu ein gutes Werk
Auch
an dir selber doch! So steig herab vom Berg!
PROMETHEUS
So
tröste mich, Musik! Ich hab getröstet alle!
O
Himmelsharmonie mit unhörbarem Schalle,
Nun
tröste du doch mich, nimm dir ein Vorbild an
Prometheus.
Trostlos, ach, und nichts als Schmerzensmann!
OZEAN
Ich
will zu Joves Thron, für deine Seele bitten!
Du
hast doch nun genug dein Lebensleid gelitten.
Ich
bet für dich zu Gott, dass Gott erbarme sich
Und
von dem Leid befrei und von den Schmerzen dich.
Die
schöne Liebe herrscht im ganzen Weltgebäude,
So
freue du dich auch mit grenzenloser Freude,
So
bitte ich für dich, dass Gott dir nimmt das Leid,
Daß
Gott dir wieder schenkt des Herzens Heiterkeit.
Ist
Gott nicht groß und gut, nicht gut und schön in Wahrheit?
Was
trauerst du denn noch? Erhebe dich zur Klarheit
Der
lichten Heiterkeit. Ich schwöre dir bei Styx,
Ich
bitte für dich Gott, den Ursprung allen Glücks.
PROMETHEUS
Ach
Vater Ozean, du redest treu und schicklich,
Ich
auch, ich wäre gern in meiner Seele glücklich,
Doch
darf es ja nicht sein. Des Gottes Herrlichkeit
Erfüllt
mit Schrecken mich und füllt mich an mit Leid,
Denn
Gott ist schrecklich, der Allmächtige ist schrecklich!
Ja,
bete nur Gebet, als wäre es erwecklich,
Gott
bleibt doch stumm und schweigt, Gott schweigt und bleibt mir stumm.
Ich
zittere vor Gott in dem Mysterium
Der
Gottesfinsternis! Der Gottesschönheit Schrecken
Will
mich zerreißen fast, ich muß die Arme recken,
Die
Arme ausgestreckt, das Herz im Busen schreit,
So
schrecklich es auch ist, die Seele will das Leid!
OZEAN
Ach,
das versteh ich nicht, ich frage dich bescheiden:
Der
Himmelsgötter Glück bedeutet dir nur Leiden?
PROMETHEUS
Ach,
frage mich nur nicht, denn, ach, ich bin entsetzt,
Im
tiefsten Seelengrund von Gottes Zorn verletzt,
Ein
Geist ergreift mich jäh als Windstoß bei den Locken,
Ich
schaute Gottes Blitz und, ach, ich war erschrocken,
Des
Lichtes Finsternis hat mich zutiefst erschreckt,
Nun
dichte dunkle Nacht den Geist im Busen deckt!
Ja,
Gott ist schrecklich, Gott, den meine Seele liebt,
Ich
liebe meinen Gott, der mich zu Tod betrübt,
Der
Gott, der Schönheit ist, die Gottesschönheit furchtbar,
Mein
Gottesleiden ist im Menschenbusen fruchtbar!
OZEAN
Du
redest irre, Mensch, es hört sich an wie Spott,
Soll
ich nicht sprechen für dein Herz beim großen Gott?
PROMETHEUS
Ja,
rede nur mit Gott! Doch was wirst du bezwecken?
Gott
wird dich kreuzigen, dich mit der Hölle schrecken!
OZEAN
Ergib
dich drein, mein Freund, und leide in Geduld,
Du
büßest sicher ab die eigne Menschenschuld,
Und
büßest du nicht selbst die eignen Sündenschulden,
So
büßt du für die Welt. So lerne dich gedulden.
PROMETHEUS
Und
doch empör ich mich! Ich schwöre dir bei Styx:
Geschaffen
bin ich für die Seligkeit des Glücks!
OZEAN
Die
Demut lerne du, gehorsam sei, bescheiden,
Denn
über alle Welt ergeht das bittre Leiden.
Wer
bist du denn, o Mensch, was blähst du dich voll Stolz?
Will
Gott dein Leiden, nun, so leide du! Was solls?
PROMETHEUS
Was
predigst du mir so das Leid des Gottesstaates?
Das
Leid, ich bin gewiß, das Leid stammt aus dem Hades!
OZEAN
Ja,
aus dem Hades stammt das bitterliche Leid,
Doch
manchen brachte es bereits zur Herrlichkeit.
Das
Leben ist dein Leid? Ein Leiden ist dein Leben?
So
unterwirf dich Gott und leide gottergeben!
PROMETHEUS
Ach
wär es nur ein Tag und dann die süße Nacht,
Da
Schlummer mir und Traum die Seele glücklich macht!
Am
Abend, sagt man wohl, am Abend musst du weinen,
Doch
lachen wirst du froh, wenn Morgensterne scheinen.
Mit
Tränen säst du aus der Tränen reiche Saat,
Als
Ernte wird dir Glück. Mir aber ist genaht
Die
Hoffnungslosigkeit, da musste ich verzweifeln
Und
Nacht und Morgen, ach, ich wünscht zu allen Teufeln,
Und
endlos schien mir und unendlich alle Not,
Allein
mein Retter scheint zu sein der Heiland Tod!
OZEAN
Doch
bist du einer ja vom Menschensöhne-Orden,
So
ich beschwöre dich, dich selbst nicht zu ermorden!
Der
Selbstmord ist gewiß die allergrößte Schuld,
Nein,
gottergeben du, ach, leide in Geduld.
PROMETHEUS
Ach,
wär der Selbstmord nur Erlösung von den Leiden,
Doch
leider ist er’s nicht, ich sage es bescheiden,
Ich
weiß, wer Selbstmord übt, er wird im Acheron
Das
Leiden immer neu erleben, Schmerzenssohn,
Und
nicht Erlösung kommt mit eines Kusses Gruße,
Bis
er den Selbstmord hat gebüßt in weher Buße,
Und
so Erlösung ist nicht aus den Lebensleiden,
Bis
Gott den Geist uns küsst und ruft uns abzuscheiden.
Ich
bete jeden Tag, wie all ihr Geister wisst,
Daß
Gottes Gnade mich mit Todeslippen küsst!
OZEAN
Jetzt
scheide ich, mein Freund. Ein Dürsten ruft den Zecher,
Ich
will in meinem Bett aussaugen meinen Becher!
CHOR
DER DORIDEN
Ach
weh, ach, fromme Schwestern, weh,
Prometheus
naht, in seiner Näh,
Ihr
Schwäne aus den Schwanennestern,
Schenkt
Tröstung ihm, ihr milden Schwestern!
Zum
Mitleid rufe ich die Welt,
Im
Leiden ist er ja ein Held.
Ob
wir sein Leid auch nicht erlösten,
Doch
möchten wir ihn gerne trösten.
O
tröste ihn, du große Rom,
O
tröste ihn, du Tiber-Strom,
O
tröstet ihn im Schmerzensbrande,
Ihr
Grazien vom Griechenlande,
O
tröstet ihn in Reu und Buß,
Ihr
Beter in der alten Rusj,
Mit
Märchen tröstet ihn und Mythen,
Mit
Haschisch tröstet ihn, ihr Skythen.
Gib,
Gottheit, deiner Gnade Kuss,
Den
Weinstock gib vom Kaukasus.
Ihr
Jungfraun gleich der Madonnina,
Ihn
tröstet, Frauen ihr von China.
Ich
ruf den ganzen Weltenplan,
Euch,
Göttinnen von Hindostan,
In
Medien und Susa alle,
O
tröstet ihn mit schönen Schalle,
O
tröste, Königin von Ur,
Du
Muttergöttin der Natur,
Du
tröste auch, du Tochter Babel,
Und
Jungfrau du, der Erde Nabel,
Jungfräuliche
Jerusalem,
O
Mädchen du von Bethlehem,
O
tröstet, Ahnen in den Krypten,
Und
du, o Isis von Ägypten,
Ihr
Ahnen all von Afrika,
Seid,
Ahnen, ihr noch alle da?
Der
Vater Nil mit gelben Fluten
Mir
tröste diesen Edel-Guten,
Ihr
in Rosette an dem Riff
Und
du, vollbusig Tarsis-Schiff,
Und
Herakles bei seinen Säulen,
O
höret meines Helden Heulen,
Und
du, Atlantis-Inselreich,
Mit
Küssen komme zärtlich weich,
O
tröstet meinen Gottesseher,
Im
weißen Eis ihr Hyperboräer,
Ihr
alle unterm Himmelsdom,
Und
Magna Mater du von Rom,
Prometheus
tröstet in den Schmerzen,
Weil
Liebe herrscht in seinem Herzen!
DRITTER
AKT
DORIS
(Chorführerin
der Doriden)
Prometheus,
lieber Mensch, wenn ich dein Schicksal seh,
An
Atlas denk ich dann und wie er trägt sein Weh.
PROMETHEUS
Nach
Tarschisch reise du im Geiste der Gedanken,
Die
Säulen schaue du von Herkules, die blanken,
Schau
nach Atlantis aus. Wo einst die Insel war,
Schau
den Atlantik an, das Meer bei Gibraltar.
Fahr
dann nach Afrika und denke an Rosette,
Wo
sich der Vater Nil ergießt ins Meeresbette,
Der
siebenmündige, der Gelbe Vater Nil.
Karthago
schau dir an, wo Fürstin Dido fiel
Von
ihrer eignen Hand, das schaute Schwester Anna,
Aus
Liebe dieser Tod zu einem schönen Mann, ah.
Zur
Wüste gehe dann, die man Sahara nennt,
Wo
Helios so heiß wie sieben Sonnen brennt.
Schau
die Gebirge dort, schau an die Atlas-Berge.
Die
Eseltreiber dort erscheinen dir wie Zwerge.
Den
Anti-Atlas-Berg schau in der Wüste an,
Dann
denk den Helden dir, titanisch dieser Mann,
Der
auf den Schultern trägt des ganzen Weltalls Lasten
Und
hebt das All empor. Die Arme stark umfassten
Den
großen Atlas-Berg, auf seinem Schulternpaar
Das
Universum ruht, da heimlich-offenbar
Weltseele
geistig weht, doch all den dichten Stoffen
Ist
Schwere eigen. Er nun über alles Hoffen
Auf
die Erlösung hofft. Unglücklich ist er doch,
Ja,
unglückselig er, es drückt ihn hart das Joch,
Er
sehnt verzweifelt sich nach jenen Augenblicken,
Da
kommt der Jovis-Sohn, um Atlas zu erquicken.
Der
nimmt die Last ihm ab, die auf den Schultern drückt,
Dann
Herkules voll Kraft an Atlas’ Stelle rückt,
Und
Herkules das All wird auf die Schultern laden
Und
tragen diese Welt, der Held von Gottes Gnaden,
Und
Atlas wird befreit, der sich zur Erde bückt
Und
an der Mutter sich erneuert und erquickt!
DORIS
Doch
Herkules muß noch zum Hesperiden-Garten,
Die
Hesperiden dort mit Liebesäpfeln warten.
PROMETHEUS
Der
Drache vor dem Baum, die Schlange in dem Baum,
Erlaubt
es Herkules vor gelbem Neide kaum,
Zu
pflücken sich die Frucht vom Baum der Hesperiden,
Doch
findet Herkules allein im Garten Frieden,
Wenn
er die Äpfel pflückt der Hesperiden schön.
DORIS
Ich
höre seufzen dich sehnsüchtiges Gestöhn.
PROMETHEUS
Ach,
ließe mich auch Gott in diesen Seelenfrieden,
Dürft
in den Garten ich der schönen Hesperiden!
DORIS
Du
brachtest allen Trost, Ur-Becher voller Trost,
Und
findest selbst nicht Trost? Trink blutigroten Most!
PROMETHEUS
Was
habe ich gebracht den lieben Menschenkindern?
Ich
brachte ein Geschenk und machte sie zu Findern,
Der
Weisheit Gaben ich den Menschen brachte, denk
Dir,
Doris, Schwanin, wie ich brachte das Geschenk
Der
Zimmermännerkunst, das wissen weise Kenner,
Urweisheit
ist Geschick der guten Zimmermänner.
Ich
zeigte ihnen, wie man Tempel baut perfekt,
Die
Weisheit ist ja selbst des Kosmos Architekt.
Ich
malte ihnen vor in heiligen Exempeln
Die
Gottesschönheit, die da wohnt in schönen Tempeln.
Ich
lehrte sie die Kunst, wie Kinder man erzieht
Mit
Zeit und Zärtlichkeit, Zuwendung, und man sieht,
Daß
ich als Meister sie gelehrt die Pädagogik,
Da
Autorität vereint mit Liebe ist die Logik,
Die
innre Logik der Erziehung. Frauen auch
Die
Weisheit brachte ich, dass großen Geistes Hauch
Auf
frommen Frauen ruht, und ob die Männer führend
Und
tätig in dem Werk, die Frauen inspirierend
Des
Mannes Seele sind. Ich lehrte auch die Kunst
In
jeder Hinsicht, die sublime Liebesbrunst
Das
schöne Kunstwerk schafft, da zeigte ich die Richtung
Der
Poesie für Gott, der heilig-schönen Dichtung.
Skulpturen
zeigte ich, da Schönheit feiert Sieg,
Und
Schönheitsmalerei und liebliche Musik,
Wie
man das Schicksal ehrt und Gott, den Himmelsvater,
Wie
man die Vorsicht ehrt in dem Sakraltheater.
Ich
lehrte sie, wie man sich einen Weinberg baut,
Wie
man den Weinberg liebt als vielgeliebte Braut,
Wie
von dem Weinstock man empfängt das innre Leben,
Wie
aus dem Weinstock saugt den Saft der Mund der Reben.
Ihr
lehrte Liebe sie im Geiste und im Leib,
Wie
sich vereinige der Mann mit seinem Weib,
Wie
die Vereinigung soll geistig, seelisch, leiblich
Ein
Wesen bilden, das zweieinig, männlich-weiblich,
Und
lehrte, wie der Mann massiert der Frau die Brust
Und
wie des Weibes Mund dem Mann bereitet Lust
Und
wie die liebe Frau zu seligsten Genüssen
Den
Mann, den Liebenden, soll sanft und zärtlich küssen.
Ich
lehre sie den Kuss und wie man küsst den Hals,
Wo
flutet schwarzes Haar wie Flut des Wasserfalls.
Ich
lehrte sie den Geist, die Weisheit der Ideen,
Daß
sie in der Natur die Schönheit Gottes sehen,
Urschönheit
Gottes hab ich ihnen offenbart,
Urschönheit
Gottes, Quell der Frauenschönheit zart.
Die
ganze Weisheit gab ich Heiligen und Dirnen.
Und
will mir darum Gott mit heißer Rage zürnen?
Weil
ich den Menschen gab der Weisheit Höchstes Gut,
Drum
Jove zürnt mit Grimm, mit väterlicher Wut?
DORIS
Die
andern Männer doch, vor Neid sie werden gelber
Und
gelber stets vor Neid. Du hilf dir doch auch selber!
Du
spendest allen Trost und deiner Weisheit Gunst,
Machst
ihnen zum Geschenk die Weisheit und die Kunst.
Denk
an dich selber auch, an dich auch selbst zu denken,
Gebiet
ich dir, und dir auch selber Gunst zu schenken.
Ein
Vater warest du für alle Kinderlein,
Der
Witwen Ehemann, der Waisen Väterlein,
Du
gabest ihnen Geist und mütterlich das Futter.
Prometheus,
lieber Mann, sei selbst dir eine Mutter!
Behaglich
schaffe du dir einen Innenraum
Und
bette dort dich weich und warm auf Schwanenflaum
Und
tröste mütterlich, wenn will dein Herz verzagen,
Dann
tröste mütterlich mit heiligem Behagen
Dich
selber innerlich und nimm dich in die Hut,
Wie
eine Mutter sei du zu dir selber gut!
PROMETHEUS
Selbstliebe
lehren stets die kalten Egoisten,
Ich
aber sehne mich nach liebevollen Brüsten!
DORIS
Was
du nicht in dir hast, gibt dir kein andres Herz,
Wenn
du dich selbst nicht liebst, wird Liebe dir zum Schmerz,
Wenn
Liebe du allein suchst in den andern Herzen,
Dann
wirst du finden nichts als bittre Liebesschmerzen.
Die
Schönheit suchst du, suchst die Schönheit in der Welt,
In
schönen Frauen suchst du Schönheit, o du Held,
Du
Schönheit sucht man nicht mit äußerlichen Sinnen,
Denn
in dir ist der Glanz der Schönheit, in dir innen!
Die
Werke des Gesichts hast du nun lang geübt,
Jedoch
die Innre Frau, sie will auch sein geliebt!
PROMETHEUS
O
weise Einsamkeit! Der Weise liebe einsam
Sich
selbst, sein eignes Ich? Ich aber will gemeinsam
Mit
Menschen leben und im Liebesglück sozial
In
der Gemeinsamkeit anschaun mein Ideal.
Es
sollen Suchende doch werden auch zu Findern,
Ich
suche Liebe, ach, bei lieben Menschenkindern,
Ich
suche Liebe, ach, ein Herz in jeder Frau,
Ich
suche einen Freund, vertraut der Gottesschau.
Die
Schönheit suche ich in Rose und in Lilie,
Die
Menschheit suche ich als heilige Familie!
DORIS
Du
aber bist allein! So sei zufrieden auch!
In
tiefster Einsamkeit küsst dich des Geistes Hauch!
Willst
du vereinigen dich denn mit eitlen Spöttern?
In
deinem Inneren sind Himmel voll von Göttern!
PROMETHEUS
Des
Todes Einsamkeit mich zu den Göttern reißt!
Prophetisch
greift am Schopf und küsst mich Gottes Geist!
DORIS
Was
in dem Spiegel denn des Himmels darfst du sehen?
Was
offenbarte dir der Tanz der Ur-Ideen?
PROMETHEUS
Von
Gottes Einsamkeit ward manches Wort gesagt,
Als
ob der höchste Herr wie wir so einsam klagt.
Doch
über dieser Eins, die absolut ist einsam,
Seh
ich geheimnisvoll in Liebe Drei gemeinsam!
DORIS
In
Liebe diese Drei, in liebendem Verein?
Gott
ist nicht absolut ein einsam Einig-Ein?
PROMETHEUS
Die
Moira schaute ich, das Schicksal in der Dreiheit,
Mich
riß zur Drei hinan der Gottesgeist der Freiheit.
Die
Götter allesamt und selbst der Götter Gott
Stehn
unterm Schicksal auch, ich Odem im Schamott,
Das
Schicksal schaute ich, vernahm des Schicksals Stimme:
Daß
Jove ist ein Gott von großem Zorn und Grimme,
Das
nimmt ein Ende einst. So hör des Schicksals Rat,
Es
raten dir die Drei: Es wird im Gottesstaat
Ein
Neuer Gott geborn, es ist der Unbekannte!
Den
Unbekannten mir des Schicksals Dreiheit nannte.
Des
Schicksals Ratschlag selbst hat dieses mir bezeugt,
Ein
Ur-Mysterium. Mein Mund nun mystisch schweigt.
DORIS
Doch
welcher Gott im Schoß wird welchen Weibes zeugen?
PROMETHEUS
Oh
Göttermutter, oh! Doch ich muß mystisch schweigen.
DORIS
Sprich
von dem Neuen Gott, du bitte bleib nicht stumm,
Sprich,
was du schautest, Mensch, von dem Mysterium.
PROMETHEUS
Es
wird der Neue Gott, ich sage es bescheiden,
Erlösen
mich dereinst von allen meinen Leiden!
DORIS
Die
Hoffnung kam zu dir, ah, die geschäftige,
Die
holde Trösterin, die zärtlich-kräftige?
PROMETHEUS
Die
immerjugendlich den Durst der Lebenstriebe
In
Ewigkeit mir stillt mit göttingleicher Liebe!
CHOR
DER DORIDEN
Jetzt
musst du büßen, Menschensohn,
Dein
Leichnam dient in strenger Fron.
Jetzt
musst du beten, büßen, fasten,
Jetzt
musst du schultern deine Lasten.
Die
Schwermut jetzt als Ehefrau
Presst
aus dir aus den Tränentau.
Jetzt
leidest du noch selbst im Schlummer
An
Schwermut, Jammer, Trauer, Kummer.
Jetzt
bohrt das Schwert sich durch dein Herz,
Die
Seele spaltet dir der Schmerz,
Der
Tränen ewiges Gewässer
Geht
durch das Herz dir wie ein Messer,
Jetzt
opferst du der Tränen Blut,
Jetzt
wütet Gott in wilder Wut
Ungnädig
in den Eingeweiden
Des
Menschensohnes voller Leiden,
Jetzt
bohrt sich dir durchs Fleisch der Pfahl,
Jetzt
bohrt sich ein des Schwertes Stahl,
Verzweifeln
musst du, darfst nicht hoffen,
Vom
Wein der Traurigkeit besoffen,
Ach
wehe dir, ach wehe, weh,
Ich
doch in meinem Geiste seh,
Wie
du in Leidenschaft und Jugend
Geliebt
ein Weib voll frommer Tugend,
Die
reizende Hermione!
Ach
wehe dir, ach wehe, weh!
Wie
Hochzeitslieder du gesungen
Mit
Menschen- und mit Engelszungen
Der
reizenden Hermione!
Ach
wehe dir, ach wehe, weh!
Wie
du in hochzeitlichen Tänzen
Die
Liebste liebtest in den Lenzen,
Die
reizende Hermione!
Ach
wehe dir, ach wehe, weh!
Wie
ließ sie ihre Wimpern fächeln,
Entzückend
ihr charmantes Lächeln,
O
reizende Hermione!
Ach
wehe dir, ach wehe, weh!
Wie
bebten ihre weißen Brüste,
Ihr
Leib wie Liebe voller Lüste,
O
reizende Hermione!
Ach
wehe dir, ach wehe, weh!
Wie
unterm Baume mit den Feigen
Euch
plötzlich überfiel das Schweigen,
O
reizende Hermione!
Ach
wehe dir, ach wehe, weh!
Wie
ich dich jetzt am Kreuze sehe,
So
einsam, Herr! Ach weh dir, wehe!
VIERTER
AKT
ISIS
Ach
wehe mir, ach weh, ach wehe mir, ach weh,
Ich
irre durch die Welt und keinen Lichtglanz seh,
Kein
Stern am Himmel steht, mich tröstend mit Gefunkel,
So
schwarz die Wolken sind, so dicht das tiefe Dunkel,
Fast
hat mich schon der Schmerz gewaltsam umgebracht,
Die
Sinne spüren nichts, der Geist geht in der Nacht,
Verzehrend
sehnt sich fort zu meinem Glück die Seele,
Sie
weiß nicht, was sie hat, sie weiß nicht, was ihr fehle.
Wie
soll ich diesem Leid und dieser Trauer wehren,
Denn
ich verzehre mich in brennendem Begehren!
Die
Seele ist so leer, das Herz so unerfüllt,
Wo
ist die Gotteshuld, die liebend mich erfüllt?
Einst
träumte ich des Nachts, ich Jungfrau lag im Bette,
Daß
eine Gottheit käm und liebend mich errette.
Ich
hatte einen Traum, sah schauend die Vision,
Daß
aus der Götter Schar zu mir ein Gottessohn
Gekommen
ist, mich nahm zum Bund geheimer Ehe,
Ich
Jungfrau ruhte da in eines Gottes Nähe.
In
heißer Liebesglut ich eine Seele nackt,
Die
Gottheit voll Potenz, voll schöpferischem Akt!
Doch
welche Kleine sich vermählt dem Übergroßen,
Die
wird in tiefe Nacht, ins Schmerzensreich gestoßen!
Jetzt
irre ich umher, der schönen Heimat fern,
In
meiner dunklen Nacht am Himmel strahlt kein Stern,
Jetzt
nach der Seligkeit von Gottes Liebesküssen
Bin
ich im Inneren verwundet und zerrissen,
Ich,
die ich selig lag an eines Gottes Herz,
Ich
tauchte in das Meer aus Bitterkeit und Schmerz.
Ob
meine Küsse auch dem Gottessohn gemundet,
Ich
bin jetzt fast schon tot, ich bin zu Tod verwundet,
Und
über einen Schlund geh ich auf schmalem Steg
Und
durch die Dornen führt mein steiler Tugendweg
Und
ob ich einst gehofft, dass mich der Gottherr rette,
Ich
mich in Rosen nicht, ich mich in Dornen bette!
Ich
Götterlieblingin, ich Gottes Braut und Magd,
Ich
wandle voller Angst durch Finsternis verzagt
Und
sehne mich hinab in meine Grabeskammer,
Dort
wird verstummen erst der armen Seele Jammer!
Bis
dahin weine ich viel Tränen blutigrot,
Da
mich mein Gott verstieß, ruf ich den Heiland Tod!
PROMETHEUS
O
schöne Göttin du, von Schwermut so umnachtet,
Ihr
Genien des Lichts nur Dunkelheiten brachtet,
Ich
fühle mit dir die Zerrissenheit, dein Weh,
Schmerz
öffnet mir den Blick, hellsichtig ich nun seh
Die
Zukunftskirche, ah, Gott schüttelt ab die Bösen
Und
schöne Liebe wird uns all vom Leid erlösen!
ISIS
Die
Zukunftskirche siehst hellsichtig du im Licht,
So
gib von der Vision getreulich mir Bericht.
PROMETHEUS
Geh,
schöne Göttin du, ins wilde Reich der Skythen,
Dort
opfert man im Zelt den Duft von Haschischblüten,
Die
Skythen reiten dort, die Rosse sind begehrt,
Die
Vielgeliebte man vergleicht mit einem Pferd.
Dann
über den Ural und in den fernen Osten
Geh
du zum Kaukasus, dort stehe deinen Posten,
Und
schau am Kaukasus, am gipfelhohen Kliff,
Nach
einem Rettungsboot, nach eines Retters Schiff.
Vom
Kaukasus hinab, hinab die Weinterrassen
Gen
Westen wende dich und wandere gelassen,
Ja,
in Gelassenheit vom hohen Kaukasos
Hinab
ans Schwarze Meer und an den Bosporos.
Die
Aphrodite von dem Bosporos, die Hehre,
Mit
langem schwarzem Haar taucht aus dem Schwarzen Meere.
Europa
liegt dir still zur rechten Seite da,
Zur
linken Seite liegt die Mutter Asia.
Besuche
Asia, die Mutter, die Uralte,
Wo
mancher Pilger schon auf Götterspuren wallte,
Und
wandere hinab von Mutter Asia
Zur
schwarzen Königin im schwarzen Afrika
Und
suche dort in Kusch die tiefgeheimen Quellen
Des
Gelben Vaters Nil. Woher sind seine Wellen?
Und
von dem schwarzen Kusch und durch den Wüstensand
Du
pilgere hinan, komm in Ägyptenland,
Und
wo der Vater Nil sich eint dem Meeresbette,
Der
siebenzüngige, dir schaue an Rosette
Und
komm nach Syrien und in der Hirten Land,
Dort
ehrt man einen Gott, dem Götter unbekannt.
ISIS
O,
dieser Götter Gott, wird er mich nicht verschmähen?
Mich
nicht als ein Idol und Götzenbild ansehen?
Als
Heidin, Abgott und der Götter heilge Magd?
Ich
fürcht mich vor dem Gott! Ich frage dich verzagt!
PROMETHEUS
Ach,
all der Götter Schar, die Götter mir verzeihen,
Dich
wird ein Göttersohn zur Auserwählten freien,
Der
Göttersohn herab kommt von dem Götterthron
Und,
Göttin Isis, zeugt in dir den schönsten Sohn!
ISIS
Wenn
ich empfange einst von eines Gottes Samen,
So
nenne mir den Sohn und sag des Sohnes Namen!
PROMETHEUS
Epaphroditus
wird der Göttin Sohn genannt,
In
Tyrus lebt er und in Sidon, in dem Land
Am
Berge Libanon. Er wird ein Priester werden
Geheimen
Ordens und mit klagenden Gebärden
Adon
bejammern, der im Herbst gestorben war,
Doch
auferstand im Lenz als Rose offenbar.
Epaphroditus
wird von Tyrus mit dem Schiffe
Nach
Zypern reisen und vorbei dem Römer-Riffe
Bei
Paphos landen an und wird in Marion
Und
in Kouklia dann beweinen den Adon.
Doch
Aphrodite wird Epaphroditus lieben
Und
trösten wird sie ihn im Trauern und Betrüben
Und
küssen wird sie ihn mit zärtlich-keuschem Kuss
Und
jauchzen wird er oft in trunkenem Genuss
Und
trinkt den Wein allein und nicht im Kreis der Zecher
Und
opfert Paphia die vielen vollen Becher.
Romantisch
leben sie am Strand von Salamis
Und
schaun nach Susa aus, doch ohne Bitternis,
Beim
Oleanderbusch und trauernden Zypressen
Zusammen
trinken sie der Traurigkeit Vergessen.
Romanzen
träumt man so, wie schön die Götterfrau
Den
Sohn der Göttin liebt! Der heitre Himmel blau
Und
auf dem Mittelmeer ein schwanenweißes Schäumen,
Läßt
sie Glückseligkeit empfinden wie in Träumen.
Doch
später, wie ich seh, wird Göttin Paphia
Dem
Liebling einen Sohn aus Liebe schenken, da
Beginnt
die Dynastie. Die heiligen Dynasten
Von
Aphrodites Schoß viel büßen, beten, fasten.
Und
von Geschlechtern zu Geschlechtern folgen sich
Dynasten,
welche fromm und mystisch, innerlich,
Ein
priesterlich Geschlecht, die fromm wie Eremiten,
Und
alle Frauen sind wie Nonnen-Aphroditen,
Sie
leben heilig, keusch, in Tugend und in Zucht
Und
keiner je begehrt von der verbotnen Frucht.
Sie
leben alle keusch, jungfräulich, in der Ehe,
Sie
leben schwesterlich als wie in Gottes Nähe,
Von
diesem glücklichen und heiligen Geschlecht
Kommt
nach des Schicksals Rat und höchsten Gottes Recht
Ein
Mädchen dann hervor von eben vierzehn Jahren,
Ein
Schönheitswunder sie mit langen schwarzen Haaren
Und
grünen Augen in der schönsten Mandelform
Und
ihre Heiligkeit ist herrlich und enorm.
Und
dieses Mädchen in der keuschen Mädchenblüte
Die
Erbin ist allein der Göttin Aphrodite.
ISIS
Erzähl
mir mehr, o Freund, von dieser jungen Frau!
Wie
siehst du im Gesicht das Mädchen deiner Schau?
PROMETHEUS
So
vierzehn Jahre zählt die Frau, so sechzehn Jahre,
Ich
sehe lang und glatt die schwarzen Seidenhaare,
Ich
seh die Augen grün in schöner Mandelform,
Das
Antlitz ist oval, harmonisch nach der Norm
Der
Schönheitsharmonie, die Haut des Antlitz bräunlich,
Wie
von der Sonnenglut gefärbet augenscheinlich,
Ich
sehe ihren Mund, seh ihren Lächelmund,
Die
Zähne perlenweiß, die Reihen ganz gesund,
Wie
kusslich mir und süß erscheinen ihre Lippen,
Der
rosenrote Mund, an rotem Wein zu nippen,
Und
unter ihrem Haar, der Flut des Wasserfalls,
Ein
Turm von Elfenbein, ein langer Schwanenhals,
Ich
sehe ihren Leib von Anmut und von Reizen,
Die
Finger ihrer Hand sich falten und sich spreizen,
Ich
sehe diese Maid in schönster Lenznatur,
In
ihren Fingern zart die weiße Perlenschnur.
Da
sehe ich den Geist der Götter, ja, ich glaube,
Der
Götter guter Geist kam wie die Liebestaube
Und
zeugte einen Sohn. Die Taube hat geruckt,
Das
schöne Mädchen hat mit offnem Aug geguckt,
Die
Liebestaube kam mit Schnäbeln und mit Picken,
Das
schöne Mädchen tat voll Huld und Gnade nicken,
Und
so das schöne Kind, die Mädchenfrau gebar
Den
Unbekannten, der der Neue Gottherr war!
ISIS
Du
Seher des Gesichts, verschlossner Augen offen,
Ist
dieser Neue Gott dein hoffnungsloses Hoffen?
PROMETHEUS
Sein
Name ist der Schmerz! Daß er mein Leiden tröst
Und
mich zum guten Schluß von allem Leid erlöst!
ISIS
Wie
wird der Neue Gott den Schmerzensmann denn trösten?
Wie
ist die Seligkeit denn der von ihm Erlösten?
Schaun
sie erlöst auch aus, erlöst von allem Weh?
Ob
ich Erlöste je auf schwarzer Erde seh?
PROMETHEUS
Auf
Erden Schmerz, Schmerz, Schmerz! Doch dann in Paradiesen
Die
Nymphen tanzen wie Ideen in Elysen!
ISIS
Und
meine Tochter, sprich, die junge Mädchenfrau,
Was
wird aus ihr dereinst nach deiner Geistesschau?
PROMETHEUS
Ach,
in Elysium die Frau wird sich entschleiern
Und
ich, der Schmerzensmann, mit ihr die Hochzeit feiern!
CHOR
DER DORIDEN
Wie
schön ist eine Ehe doch,
Da
geht der Mann im sanften Joch
Der
wundervollen Frauenliebe,
Ergänzung
finden da die Triebe
Und
in den Seelen keusch und rein
Ereignet
schön sich der Verein
Und
starke Männer, schöne Weiber
Vereinen
zärtlich ihre Leiber
Und
wie die beiden liebend sind,
Sie
werden fruchtbar in dem Kind.
Ob
Indianer oder Inder,
Die
Frauen schenken uns die Kinder.
Und
die Familie liebevoll,
Bei
allen Musen und Apoll,
In
Scherz und Ernst und Leid und Lachen
Das
Lebensspiel gemeinsam machen
Und
heiter wie das kleine Kind
Der
Vater und die Mutter sind
Und
tanzen wie im Lenz die Falter
Und
lieben sich auch noch im Alter
Und
wenn dann kommt der bittre Tod
In
ihres Lebens Abendrot
In
Götterdämmrungen, purpurnen,
Die
Aschen ruhen in den Urnen,
Wie
sich das Paar die Liebe gab,
Vereinigt
noch in Mutter Grab.
Doch
wehe, wehe, wehe, wehe,
Wenn
einer wählt die Gottes-Ehe!
Dahin
ist der Erotik Reiz,
Wie
Sklaven hängt er an dem Kreuz!
Gott
will ihn schon auf Erden richten
Und
fordert radikal Verzichten
Und
Opfer fordert ohne Spott
Und
schmerzliche Entsagung Gott!
Dann
dulden muß man Frevler, Spötter,
Die
preisen ihre goldnen Götter,
Dann
tausend Tode stirbt man, bis
In
allertiefster Finsternis
Sich
deine gottverlassne Seele
Dem
gottverlassnen Gott vermähle!
Dann
erst nach dem Martyrium –
Heil,
Heil! – folgt das Elysium!
FÜNFTER
AKT
PSYCHOPOMPUS
(Der
Götterbote und Seelenführer der Toten)
Prometheus,
alter Narr! Wer ist denn jenes Mädchen,
Das
Gott gebären wird? Das Schicksal spinnt die Fädchen
Seit
aller Ewigkeit. Von Jove ward geschickt
Ich
heute her zu dir. Gott hat dich angeblickt
Und
will jetzt wissen: Wer wird jenen Gott gebären,
Den
deine Geistvision schon heute tut verehren,
Der
dich vom Leid erlöst, der dich erlösen soll,
Ob
Jove dir auch zürnt, der Vater-Rage voll?
PROMETHEUS
Ich
kenn die Eifersucht der Götter und Göttinnen,
Drum
schweige mystisch ich. Ich muß mich doch besinnen.
PSYCHOPOMPUS
Beschreibe
mir das Weib noch einmal ganz genau,
Das
Wundermädchen, das halb Kind, halb junge Frau.
PROMETHEUS
Die
schwarze Katze der Mondgöttin Isis schleicht
Nicht
so charmant und sanft, wie dieses Kind entweicht,
Naht
ihr ein alter Mann. Ein alter Mann ist dumm
Und
wird vor dieser Frau, vor diesem Kinde stumm.
Es
ist ein alter Mann dem hübschen Kind abscheulich,
Denn
sie ist keusch und rein und immerdar jungfräulich.
PSYCHOPOMPUS
Wie
aber sieht sie aus? Das sollst du mir benennen,
Denn
Jove will sie dann zur rechten Zeit erkennen.
PROMETHEUS
Sie
ist gazellenschlank, anmutig wie ein Reh,
Sie
ist so leis und sanft wie frischgefallner Schnee,
Die
Stimme flötet süß wie Nachtigallenlieder,
Wie
Stäbe Elfenbeins die schlanken Fingerglieder,
Die
Brüste fest und klein, der Bauch ist fest und schlank,
Die
Augen voll von Licht wie grüne Meere blank,
Geschnitten
groß und rund in schönsten Mandelformen,
Sie
schaun wie Orient dich groß an, die enormen,
Du
siehst das Angesicht der Schönsten aller Fraun,
Es
ist des Mädchens Haut von heißer Sonne braun.
PSYCHOPOMPUS
Viel
schöne Frauen sind im Tränental der Erde.
Wie
ich die Eine in der Schar erkennen werde?
PROMETHEUS
Es
gehn die Frauen all auf einem breiten Weg,
Da
ist ein Schnattern wie von lauten Gänsen reg,
Betrachtest
du die Welt im femininen Scheine,
Dann
plötzlich blitzt dir auf: Die Schönste ist die Eine,
Die
Frau der Frauen sie, in dem Ideensaal
Der
Nymphen der Ideen ist Sie das Ideal!
PSYCHOPOMPUS
Und
dieser Frau der Fraun und diesem Himmelsschwane
Bist
du verfallen schon im liebevollsten Wahne?
PROMETHEUS
Ja,
Wahn ist alles, Wahn! Ich bin ein Idiot!
Komm,
küsse mich, o Tod! Du küsst so zärtlich, Tod!
Was
will ich von der Welt noch als von Gaben wissen?
Der
Frauen-Genius kommt tödlich mich zu küssen!
Wie
gut der Tod doch küsst! Was für ein süßer Kuss!
Wie
gut doch küssen kann der Frauen-Genius!
PSYCHOPOMPUS
Was
Tod? Was Genius der Frauen? O du Tor,
Der
liebend den Verstand im Liebeswahn verlor !
PROMETHEUS
Ganz
aufgeweicht das Hirn mir aus der Nase schnäuze
Und
heule jämmerlich vor tödlich-schönem Reize!
PSYCHOPOMPUS
Doriden,
hütet euch vor dieses Manns Manie,
Dem
Jove zwar Genie, doch nicht Vernunft verlieh!
Ihr
Schwanennymphen, ihr liebreizende Doriden,
Der
arme Tor verlor den innern Seelenfrieden,
O
hütet euch vor ihm und seinem irren Wahn,
Sein
Wahnsinn steckt euch noch mit irren Küssen an!
PROMETHEUS
Doriden-Königin,
lass küssen dich, o Doris,
Du
Lebensquelle mein, o Mater Creatoris!
PSYCHOPOMPUS
O
Doris, hüte dich ! Die Leiden der Manie
Verfluchen
sonst auch dich in böser Sympathie,
Denn
diesem bösen Mann die Götter alle fluchen
Und
Flüche sind auf ihm schon seit dem Mutterkuchen!
DORIS
Doriden,
kommt mit mir, ist jede wie ein Schwan,
Er
hauche euch nicht an, der Schmerzenssohn im Wahn!
DORIDEN
O
Mutter Doris du, du Königin voll Frieden,
Wir
schwimmen fort mit dir, jungfräuliche Doriden.
PSYCHOPOMPUS
Ha,
jetzt bist du allein! Du Irrer, du bist krank!
Gott
schickte Wahnsinn dir! Sag Jove schönen Dank!
PROMETHEUS
Ja,
Dank dir, großer Gott, für alle Todesqualen!
So
kann ich meine Schuld mit Schmerzen dir bezahlen!
Du
liebst es ja, o Gott, wenn einer tödlich stöhnt
Und
sich in Todesqual mit deinem Zorn versöhnt!
PSYCHOPOMPUS
Den
Geier rufe ich, ich ruf den Lämmergeier!
Hier,
wo das Aas ist, kommt der Tod zur Leichenfeier!
(Ein
Geier kommt herangeschwebt und bohrt den Schnabel dem Prometheus in
die Leber, ihn langsam zerfleischend.)
Für
tausend Jahre sollst du leiden, Schmerzensmann,
Für
tausend Jahre sei du in der Leiden Bann!
PROMETHEUS
Hochheilige
Mutter mein, Erbarmen, ach, Erbarmen,
Hochheilige
Mutter mein, ich sterb in deinen Armen!
Hochheilige
Mutter mein, ich ärmster Schmerzensmann,
Hochheilige
Mutter mein, in tiefster Qualen Bann,
Hochheilige
Mutter mein mit honigsüßem Herzen,
Hochheilige
Mutter mein, erbarm dich meiner Schmerzen!
Hochheilige
Mutter mein, ich schenk dir meine Qual,
Hochheilige
Mutter mein, in diesem Tränental!
Hochheilige
Mutter mein, von aller Macht des Bösen,
Hochheilige
Mutter mein, wollst gnädig mich erlösen!
(Prometheus
stirbt.)
SATYRSPIEL
APHRODITE
IN FLAMMEN
ERSTE
SZENE
(Homer
allein in seinem Haus.)
HOMER
Nun
bin ich fünfzig Jahre alt,
Der
Tod naht mir mit Machtgewalt,
Doch
wen die jungen Götter lieben,
So
steht es in der Schrift geschrieben,
Den
lassen sie auch jung versterben
Und
das Elysium ererben.
Das
Alter ist ein grauer Mann,
Er
klopft ganz ungelegen an
Und
stört mich in der schönen Muße
Und
ruft zu Reue auf und Buße.
Nun,
den Geburtstag soll ich feiern,
Soll
stimmen meine goldnen Leiern
Und
Hymnen singen für den Tag,
Da
ich geboren ward. Ich mag
Es
meiner Mutter gar nicht sagen,
Doch
muß ich diesen Tag beklagen:
Weh,
Mutter, dass du mich geboren,
Der
in der blinden Welt verloren
Als
Götterseher unter Blinden,
Um
nichts als Jammernot zu finden!
Doch
Aphrodite ist gesellig,
Sie
feiert mich. Doch unterschwellig
Sie
feiert selber sich und will,
Daß
ich nicht einsam bin und still,
Daß
ich bereite in dem Neste
Die
Fröhlichkeit von einem Feste.
Daß
Aphrodite auf der Szene
Nicht
einsam ist, kommt auch Athene,
Der
Aphrodite Busenfreundin
Und
meine schlimmste Minnefeindin.
Der
fromme Dichter soll nicht lästern,
Die
beiden schönen Himmelsschwestern
Schon
zwanzig Jahre mich ergötzen.
Sie
fingen an als junge Metzen,
Nun
sind sie fromme alte Nonnen
Und
keusch wie heilige Madonnen.
Doch
Aphrodite eifersüchtig
Betrachtet,
wenn Athene züchtig
Mich
reißt zu Leidenschaften hin,
Der
klug ich wie Odysseus bin
Und
bet zum Strahlenaug Athene
Und
weine Träne über Träne
Vor
Liebessehnsucht jede Nacht.
Doch
Aphrodite gerne lacht.
Jetzt
aber sag ich ein Geheimnis,
Jetzt
ohne weiteres Versäumnis
Erwart
ich das Geburtstagsfest,
Weil
sich was Neues sehen lässt.
Das
Neue aber ist das Alte.
In
meiner Jugend in dem Walde,
Da
liebte ich das keusche Reh,
Die
Hindin, die so weiß wie Schnee,
Mondgöttin
in der Finsternis,
Die
Jugendliebe Artemis!
Und
Artemis schrieb einen Brief
Mit
Liebesworten schön und tief,
Sie
wolle wieder mich besuchen
Und
mit mir kosten Feigenkuchen
Und
über alte Zeiten plaudern.
Ihr
Musen, mich befällt ein Schaudern!
Wenn
Artemis tritt auf die Szene,
Vergleichen
will ich sie Athene.
In
meiner Kammer stillem Saal
Schau
meiner Jugend Ideal
Beim
Ideale meines Alters
Ich
sitzen. Saiten meines Psalters,
Wen
werdet ihr dann rühmen, loben?
Wem
werden meine Sinne toben?
Ach,
Artemis in ihrer Jugend
War
Jungfraungöttin voller Tugend,
Und
Aphrodite an der Küste
Wild
schüttelte die großen Brüste,
Athene
aber in Hesperien
Mich
unterwies in den Mysterien.
Drei
Göttinnen, o welche Pein,
Sie
sollten alle Eine sein!
Wie
Artemis sie sollte schreiten
Und
keusch wie eine Hindin gleiten,
Wie
Aphrodite sollt sie lachen
Und
lauter liebe Sachen machen
Und
sollte wie Athene reden
Nur
von Elysium und Eden.
Ich
bin ganz aufgeregt, ihr Musen,
Ich
bräuchte Aphrodites Busen,
Den
völlig aufgewühlten Willen
An
Aphrodites Brust zu stillen!
Daß
nach der Todesfinsternis
Ich
wieder sehn soll Artemis!
Jedoch,
es klingelt an dem Tor,
Die
Aphrodite steht davor,
Die
Göttin mit dem schönen Hintern,
Sie
kommt mit ihren lieben Kindern.
ZWEITE
SZENE
(Homer,
die fünfzigjährige Aphrodite, mit ihrem Sohn, dem zehnjährigen
Apoll,
und
den sechsjährigen Zwillingen Eros und Anteros. Eros und Anteros
treten fröhlich lärmend in Homeros Eremitenzelle.)
APHRODITE
Viel
Liebeswonne und viel Segen,
Mein
Schatz, auf allen deinen Wegen!
HOMER
Was
schenkst du mir zum Jammertag?
APHRODITE
Was
du dir wünschst, mein Liebling, sag!
HOMER
O,
einmal möcht ich dich noch küssen!
Wie
schwer, die Küsse zu vermissen!
APHRODITE
Hier
auf die weiche Pfirsichwange
Bei
meiner braunen Lockenschlange?
HOMER
Nein,
Aphrodite, auf die Lippen!
Und
nicht nur so am Mündchen nippen!
Nein,
heiße Küsse sollen taugen,
Den
Saft mir aus dem Mark zu saugen!
(Aphrodite
küsst Homeros.)
APHRODITE
Nun,
meine vielgeliebten Kinder,
Homeros
ist ein Überwinder,
Er
war im weltlichen Theater
Euch
wie ein lieber Herzensvater!
Kommt,
fasst euch an den Patschehändchen,
Bringt
Väterchen Homer ein Ständchen!
DIE
KINDER
(singen)
Wie
schön, dass du geboren bist,
Wir
hätten dich sonst sehr vermisst!
APOLL
Homer,
die vielen Bücher da
Hast
du gelesen, Vater, ja?
HOMER
Hab
viele Bücher schon gehabt
Von
schlechten Dichtern unbegabt
Und
auch von trefflichen Poeten,
Von
Musenpriestern und Propheten!
Wenn
ich sie alle heut noch hätte,
Sie
reichten mir zu meinem Bette,
Ich
fände dann in meinem Stübchen
Doch
keinen Platz mehr für ein Liebchen!
EROS
Wann
darf ich wieder bei dir schlafen?
Mein
Schiff will in den Heimathafen!
Man
nennt mich Schelm und Schalk und Bube,
Wohl
ist mir nur in deiner Stube!
APOLL
Ja,
in der Stube ungelüftet
Es
stets nach Süßigkeiten düftet!
ANTEROS
Was
machst du mit den vielen Flaschen?
Hast
du was Leckeres zu naschen?
HOMER
Für
Aphrodite Feigenkuchen
Und
auch noch zwei Rosinenkuchen.
APHORODITE
Ein
Feigenkuchen, welche Lust!
Wie
hüpft das Herz mir in der Brust!
Und
zwei Rosinenkuchen auch!
Ein
Falter flattert mir im Bauch!
APOLL
Komm,
Eros, zu der Spielzeugkiste!
EROS
Erst,
wenn mich mein Homeros küsste!
APOLL
Anteros,
komm, wir wollen spielen,
Hier
in der Spielzeugkiste wühlen.
EROS
Ich
bin der süße Knabe Eros
Und
du mein Väterchen Homeros,
Ich
will auf deinem Schoße sitzen,
Mit
Blicken dir ins Auge blitzen,
Die
Arme schlingen um den Hals
Und
küssen will ich jedenfalls
Mit
meinen Lippen deine Lippen
Und
dann am Apfelnektar nippen.
APHRODITE
Mein
Kind, so wahr lebt Jesus Christ,
Du
weißt, dass du der Liebling bist
Und
dass das Väterchen Homeros
Verliebt
ist närrisch in den Eros!
Doch
hab Erbarmen mit der Mutter,
Mein
Busen ist so weiß wie Butter,
Ich
wurde wegen meinem Busen
Auch
eine von Homeros Musen,
Als
ich noch war die Lustig-Junge!
HOMER
Ja,
Schatz, und wegen deiner Zunge!
APHRODITE
Wie,
wegen meinem dummen Schwatzen,
Wie,
oder wegen meinem Schmatzen?
HOMER
Wie
deine Zunge mich liebkost!
Erinnerungen
sind mein Trost!
(Es
klingelt an der Tür.)
DRITTE
SZENE
(Homer,
Aphrodite und ihre Kinder, die fünfzigjährige Athene tritt ein.)
ATHENE
Homer,
mein Freund, ich wünsch dir Glück!
HOMER
Zum
Ungeborensein zurück?
ATHENE
Das
Glück steht erst am Ziele, sieh,
Die
Ewige Eudämonie
Erwartet
dich! Doch überleg:
Das
Glück ist dienlich nicht als Weg.
APHRODITE
Suchst
das Geheimnis du des Glücks?
Such
eine Freundin dir am Styx...
ATHENE
Ach
Aphrodite, Busenfreundin,
Du
meine schlimmste Herzensfeindin,
Tyrannin
aller Himmelsgötter,
Heut
hoffentlich ist schönes Wetter,
Ich
will spazieren noch durchs Feldchen
Zum
stillen schönen Eichenwäldchen.
APHRODITE
Was
willst denn du im Walde suchen?
Hier
wartet dein der Feigenkuchen!
ATHENE
O,
Kuchen! Wie im Paradies!
Die
Feige ist doch honigsüß!
APHRODITE
Und
schau, Homer, der alte Knilch,
Hat
einen Krug voll Ziegenmilch.
ATHENE
Er
nennt uns beide: alte Zicken
Und
sehnt sich schon nach jungen Ricken!
APHRODITE
Ob
alte Zicken, junge Ricken,
Die
Männer wollen immer ficken!
HOMER
In
meiner Jugend ein Gedicht
Las
ich dir vor, da reimt ich schlicht
Der
Glocke baumelndes Gebimmel
Auf
Gottes Heiterkeit im Himmel.
APHRODITE
Ich
reimte: Himmel und Gebimmel,
Ich
weiß, Homer, das reimt auf Pimmel.
ATHENE
Er
nennt uns auch schon: alte Huren!
Doch
wir sind Göttliche Naturen!
Wenn
wir uns selber so verachten
Und
uns als Tempelhuren achten,
Sind
selbst wir an der Schande schuld.
Doch
pflegen wir den Ego-Kult
Und
lieben selber uns am meisten,
Dann
wird uns unser Selbst begeisten,
Dann
sind wir Göttinnen im All.
HOMER
Ja,
ich bin deine Nachtigall,
Athene,
du bist Gottes Rose!
APHRODITE
Und
heut kommt auch die Makellose,
Die
Jungfraungöttin voller Tugend,
Die
Vielgeliebte deiner Jugend,
Die
alte Dame Artemis?
HOMER
Sie
stürzte mich in Finsternis,
Mein
Herzblut sprudelte blutrot,
Da
griff nach mir schon Bruder Tod!
ATHENE
O
Aphrodite, Stern der Schwestern,
Laß
über Artemis uns lästern!
Hast
du gesehen je ihr Bild?
Sie
lebt ja scheu im Wald und wild.
APHRODITE
Ich
sah ihr Bildnis von Apelles,
Das
Augenpaar ein mondweiß helles,
Doch,
bei dem Mittler und Versöhner,
Ich
bin doch wirklich vielmals schöner!
Der
Artemis Gesicht ist spitz,
Die
Brust kein hüpfend Zwillingskitz,
Die
krausen Locken dunkelblond,
Das
Antlitz bleich und nicht besonnt.
ATHENE
Homeros,
Aphrodites Ex,
Er
hatte damals keinen Sex
Mit
Artemis in seiner Jugend,
Drum
preist er sie als Stern der Tugend.
HOMER
Athene,
meine Weisheitsgöttin,
Mein
Ideal, ersehnte Gattin!
Schon
zwanzig Jahre lieb ich dich
Und
widme deinem Dienst mein Ich,
Doch
hab ich oftmals mich gesehnt
Und
vor Verlangen heiß gestöhnt,
Daß
ich dich sehe, neben dir
Frau
Artemis in ihrer Zier,
Und
dann euch beiden Gnadenreichen
Wollt
prüfen ich und streng vergleichen.
APHRODITE
Du
betest diese beiden an?
Ich
aber liebe dich, mein Mann!
(Es
klingelt an der Tür.)
VIERTE
SZENE
(Zu
den Vorigen, Artemis tritt ein.)
ARTEMIS
Homer,
so lange nicht gesehn
Seit
unsrer tollen Jugend schön,
Und
doch erkennen wir uns wieder!
Und
singst du heut noch deine Lieder?
HOMER
Vorstellen
will ich dir die Schwestern,
Die
Vögelinnen in den Nestern.
Dort
die, um die ich mich bemühte,
Die
Liebesgöttin Aphrodite,
Und
dort die Quelle mancher Träne,
Die
Weisheitskönigin Athene.
APHRODITE
Du
also bist die Artemis?
O,
bei der Höllenfinsternis,
Weißt
du denn auch, dass mich verließ
Homeros
in dem Paradies,
In
allen Lüsten unsrer Jugend,
Weil
er begehrte deine Tugend?
ARTEMIS
Ja,
ja, wir waren jung und rein,
Ich
aber lud ihn niemals ein,
Er
wählte mich zur Auserkornen,
Doch
war ich stachlig wie die Dornen,
Er
konnte lispeln, lallen, fisteln,
Ich
glich den Nesseln und den Disteln,
Homeros
aber kennt kein Nein,
Da
machte er mir manche Pein,
Da
stand er immer vorm Balkon
Bei
dem Kastanienpavillon
Und
sang dort immer zur Gitarre:
O
Artemis, ich harre, harre,
Ich
harre bis zu meinem Tod
Und
in der letzten Todesnot
Und
selber nach dem Tode doch
Lieb
ich dich trotzdem immer noch!
So
sang der närrische Homeros.
APHRODITE
Worüber
lachst du, lieber Eros?
EROS
Ach,
diese spitze Hakennase
Der
Dame Artemis! Ich rase!
Und
diese schmalen, dünnen Lippen,
Die
immer schwarzen Tee nur nippen!
ARTEMIS
Homer,
woher kommt dieser Bube,
Ja,
all die Kinder in der Stube?
HOMER
Ich
habe selber keine Kinder,
Doch
alle Griechen, alle Inder,
Das
ganze irdische Theater
Lieb
ich als herzensguter Vater.
Und,
Artemis, bist du auch Mutter?
War
je dein Busen voll von Butter?
ARTEMIS
Was
weißt du denn von meinen Brüsten?
HOMER
Im
Bade einst mich tats gelüsten,
Du
warst im Badezimmer nackt,
Ganz
ein Modell für einen Akt.
ARTEMIS
Wer
sollte je mich nackend finden,
Den
reih ich in die Schar der Blinden.
APHRODITE
Was
tust du dich so züchtig zieren,
Willst
du denn keinen Mann verführen?
ARTEMIS
Ach,
diese arroganten Männer,
Die
einen spielen Alleskönner,
Die
andern spielen Müßiggänger
Und
Taugenichts und Grillenfänger!
Nein,
lieber bleibe ich allein,
Ich
bin noch Jungfrau keusch und rein,
Bin
selbstbestimmt, ein freies Weib,
Mir
ganz allein gehört mein Leib,
Mir
ganz allein gehört mein Bauch!
HOMER
Ist
alles nichts als eitler Hauch!
Im
Alter bist du noch ein Mädchen,
Im
Lockenhaar schon Silberfädchen,
Du
alte Jungfer Trockenpflaume!
Dich
sah ich einst in meinem Traume
Und
hielt dich für die Maid Maria
Und
für die Hagia Sophia?
APOLL
Komm,
lass uns lieber Karten spielen!
Hier
die Zentaurenkrieger zielen!
ANTEROS
Ich
geb dir dafür Amazonen,
Auch
Drachentöter und Äonen!
Laß
mich in deine Karten schauen!
EROS
Ich
hab drei Kleine Meerjungfrauen!
FÜNFTE
SZENE
(Wäldchen
vor Homeros Hütte. Artemis und Athene gehen zusammen spazieren.)
ATHENE
Ich
hielt es nicht mehr länger aus
In
diesem muffig-dumpfen Haus,
Den
Besen hat er nie benutzt,
Nie
Staub von Büchern abgeputzt.
ARTEMIS
So
war er schon in seiner Jugend,
Die
Reinheit ist nicht seine Tugend.
ATHENE
Wie
war er in der Jugend denn?
Erzähl
mir von dem Liebenden!
ARTEMIS
Er
betete zu mir, als wäre
Ich
Gott! Das ist zuviel der Ehre!
Ich
sprach in meinem weißen Rock:
Ich
aber habe keinen Bock
Auf
deine Leidenschaft der Triebe
Und
deine religiöse Liebe!
ATHENE
Hat
er dich da in Ruh gelassen?
ARTEMIS
Denk
ich daran, muß ich ihn hassen!
Er
lagerte vor meiner Türe,
Er
streckte tierisch alle Viere
Und
bettelnd wie ein Straßenhund
Er
schrie: Ich bin am Herzen wund!
O
Retterin, du musst mich heilen!
Komm,
Vielgeliebte, lass uns eilen!
Wir
sind doch schon seit Millionen
Von
überhimmlischen Äonen
Zu
einem Liebespaar bestimmt!
ATHENE
O,
wie mir meine Seele grimmt!
Da
werd ich armes Weibchen männlich,
Entzündlich
und im Zorne brennlich,
Weil
seines Mundes übler Hauch
Zu
mir das Gleiche sagte auch!
ARTEMIS
Er
predigte auch dir wie Pfaffen,
Du
seiest nur für ihn erschaffen?
ATHENE
Bevor
die Mutter ihn empfangen,
Wir
wären schon vor Gott gegangen
Als
Eheleute Hand in Hand,
Vereinigt
im Ideenland!
ARTEMIS
Da
siehst du seine ganze Narrheit!
Es
ist doch wahrlich Gottes Wahrheit
Getreuer
als der weise Plato
Und
als der Advocate Cato.
ATHENE
Das
sind nun meine lieben Leute.
Doch
frag ich mich, was das bedeute,
Daß
unser Narr noch nach dem Tod
Will
schenken mir die Rose rot
Und
in Elysium mich freien,
Im
Himmel würde ich mich weihen
Schlussendlich
seinem Durst der Triebe
Und
stillen ihn mit meiner Liebe!
ARTEMIS
Das
sagte er ja auch zu mir:
O
Jungfrau voll der Zierrat Zier,
Ich
lieb dich bis zur Todesstunde
Und
schwöre dir mit heißem Munde,
Ich
lieb dich nach dem Tode noch
Als
Engel in dem Himmel doch!
ATHENE
Wie
er in trunkener Ekstase
Nur
immer lallt die gleiche Phrase!
ARTEMIS
Ich
aber zornig sagte ihm:
Du
Schwärmer! Du liebst zu sublim
Ja
nur die Himmlische Idee!
In
deinem blauen Auge seh
Ich
die Ikone der Maria,
Den
Glanz der Hagia Sophia!
Doch
ich bin aus der Welt der Schatten,
Ich
will mich einem Schatten gatten!
Du
aber liebe immer wilder
Ideen,
Ideale, Bilder!
ATHENE
Er
hat es selber mir gestanden,
Als
er war in der Liebe Banden:
Ich
liebe niemals eine Frau,
Allein
der Ideale Schau,
Wenn
über einem Weib ich seh
Den
Glanz der Himmlischen Idee!
Die
Himmelskönigin Madonne
Allein
ist meine Liebeswonne!
ARTEMIS
Er
liegt gewiss grad jetzt zu Füßen
Der
Aphrodite, um der Süßen
Den
selben Unsinn zu erzählen
Von
ihren parallelen Seelen!
ATHENE
Wie
leid tut mir Urania!
ARTEMIS
Der
arme Dichter! Ha, ha, ha!
SECHSTE
SZENE
(Homer
und Aphrodite allein in der Kammer.)
HOMER
Die
Kinder spielen draußen schön!
Ach
Aphrodite! Hör, ich stöhn:
Wenn
ich doch noch ein Kindlein wäre
Und
mein Großmütterchen voll Ehre
Mich
wieder in die Arme nähme!
APHRODITE
Vor
Aphrodite dich nicht schäme
Der
Trauer schwachen Augenblicke.
Schau,
wie ich lächelnd gnädig nicke!
HOMER
Apoll
sprach gestern ein Gedicht.
APHRODITE
Sag,
wie mein Sohn in Reimen spricht!
HOMER
(zitiert)
Von
Blut zu Blut die Todesleiden
Wild
wühlen in den Eingeweiden!
APHRODITE
Das
spricht dir ganz aus deinem Herzen,
Nicht
wahr, du Mann der Liebesschmerzen?
Wie
schön du mit den Kindern spielst
Und
auch mit ihrem Kummer fühlst,
In
diesem tragischen Theater
Des
Jammertals ein lieber Vater.
Weißt
du, mein Ehemann Vulkan
Sah
dich nur immer neidisch an,
Er
klagte seiner Mutter das,
Der
Göttin Juno. Weißt du, was
Die
Göttin Juno da gesagt?
Ich
höre, wie Vulkanos klagt,
Homeros
sei sein Überwinder,
Homeros
sei der Gott der Kinder!
Apoll,
Anteros und der Eros
Sind
doch gezeugt von dem Homeros,
Und
dem Vulkan, dem Sohn, dem lieben,
Du
tatest sie dann unterschieben!
So
sprach die Göttin Juno. Ha,
Homer,
das sagt Urania:
Ich
liebe dich mit ganzem Triebe
Für
deine treue Kinderliebe!
Und
dafür will ich dich belohnen,
Erlaube
dir, mir beizuwohnen!
HOMER
Was
sagt dazu dein Ehegatte,
Der
Satansbraten, diese Ratte?
APHRODITE
Wir
leben ja in Griechenland,
Hier
schrieb kein Gott mit seiner Hand
Auf
Felsentafeln seinen Fluch,
Ich
Göttin lieb den Ehebruch,
Im
Goldenen Äone wars,
Als
ich Vulkan betrog mit Mars!
HOMER
Ja,
weißt du noch, in unsrer Jugend,
Als
wir noch töricht frei von Tugend,
Wie
wir da in der Sommersonne
Genossen
wilde Liebeswonne?
APHRODITE
Willst
du dich wieder auf mir wälzen
Wie
damals bei dem Klippenfelsen?
HOMER
Auch
das war schön, doch denke ich,
Wie
ich dereinst genossen dich
Süß
unterm Blütenpavillon
Kastanienbaums
auf dem Balkon.
APHRODITE
Ah,
ich erlange die Erhellung,
Du
meinst die wunderschöne Stellung,
Da
Kopf und Füße man vertauscht?
HOMER
Oh,
ich bin ganz von Lust berauscht!
APHRODITE
Nun
zieh mir meine Kleider aus,
Wir
sind ja ganz allein im Haus,
Wir
wollen nach der Liebe Regeln
Wie
Tauben-Eheleute vögeln!
HOMER
O
du Modell für einen Akt,
Wie
göttlichschön bist du doch nackt,
Du
Liebe voller Liebeslüste,
Wie
majestätisch deine Brüste!
APHRODITE
Du
wirst mit deinem Lied mich krönen.
Den
Apfel schenkst du mir, der Schönen?
HOMER
Den
Apfel hast du auch verdient,
Weil
du der Liebe gut gedient
Als
Magd der Götter, Hierodule!
Die
Magd der Götter meine Buhle!
Nun
ich dich fleißig auch bediene,
O
Göttin, meine Konkubine!
(Sie
verschwinden im Schlafzimmer.)
SIEBENTE
SZENE
(In
Homeros Wohnzimmer. Die Kinder spielen. Aphrodite isst Feigenkuchen.
Artemis und Athene diskutieren. Homer beobachtet alles.)
ARTEMIS
Die
Herren Männer halten sich
Fürs
Ebenbild von Gottes Ich,
Als
Erste in der Welt erschienen,
Daß
alle Frauen ihnen dienen.
Wir
sollen still sein und demütig
Und
lieblich, zärtlich und sanftmütig,
Als
ewig sanfte stille Weibchen
Erquicken
sie mit unsern Leibchen,
Empfänglich
stets, nur lauschen stille,
Was
uns verkündet Männerwille
Und
zu des Wortes Mannessamen
Als
Mägde sagen Ja und Amen.
ATHENE
Der
Urmensch war doch androgyn!
In
meiner Weisheit sag ich kühn
Wie
einst Aristophanes sprach,
Daß
Gott das Urgeschöpf zerbrach,
Daß
alles strebend jetzt erfleht
Erneut
die Androgynität,
Daß
Weiber männlich werden müssen
Und
Männer wieder weiblich küssen.
Wenn
männlich wird das Feminine
Und
weiblich wird das Maskuline.
Der
Urmensch, androgyner Zwitter,
Erscheint
erneut. Doch das ist bitter
Für
jene maskulinen Kerle,
Die
suchen nur des Weibes Perle
Und
sagen: Weiber, seid doch weiblich,
Seid
ewigweiblich seelisch-leiblich,
Seid
Töchter, Mädchen, werdet Mütter.
Die
Kerle hassen dann den Zwitter,
Den
Gott der Schöpfer einst zerbrach,
Sie
wollen ihre Weibchen schwach
Und
immer gütig, immer mild
Und
schön wie ein Madonnenbild
Und
starren allezeit hypnotisch
Auf
Weibes Leibchen hoch erotisch.
ARTEMIS
Das
alles ist doch patriarchalisch,
Der
Anfang aber matriarchalisch
War
Frauenherrschaft in der Welt.
Kein
Herrgott sprach vom Himmelszelt,
Auf
Erden war die Große Mutter,
Ein
Paradies von Seim und Butter!
Der
Großen Mutter Priesterinnen,
Das
waren Jungfraunköniginnen.
Dort
herrschten nicht die Hausfraunmütter,
Die
Kindersorgen haben bitter,
Den
Kindern geben Seim zu naschen,
Dann
eilen Wäsche sie zu waschen,
Dann
waschen sie die Kinderköpfe
Und
putzen Pfannen dann und Töpfe,
Die
Mütter voller Alltagssorgen
Regierten
nicht am Weltenmorgen,
Vielmehr
die femininen Nonnen,
Voll
Geist jungfräuliche Madonnen,
Der
Jungfraungöttin Priesterinnen,
Jungfräulich-reine
Königinnen.
ATHENE
Kein
väterlicher Geist vom Himmel
Dort
ordnete das Weltgewimmel,
Kein
Geist erzeugte dort die Formen,
Gott
war nicht Geist und gab nicht Normen
Der
patriarchalischen Ehe-Ethik
Und
patriarchalischer Poetik,
Nein,
an dem Anbeginn kein Vater
Die
Welt erschuf, die Magna Mater
War
Mater, war Materia,
Materia
war immer da,
Materia
im Anbeginn.
Ich
Materialistin bin!
Materia
gebar die Stoffe
Und
wird gebären, wie ich hoffe,
Wenn
diese Welt zugrunde geht,
Dann
eine neue Welt entsteht,
So
fort und fort in Ewigkeit.
Nicht
linear zum Ziel die Zeit
Führt
uns zum Himmel, wo wir strahlen,
Die
Zeit bewegt sich in Spiralen,
Und
nach der Patriarchen Krieg
Erneut
erscheint der Mutter Sieg,
Da
kommt die göttliche Asträa
Als
Magna Mater Bona Dea
Und
Frauenherrschaft bringt den Frieden,
Dann
ist das Paradies hienieden.
ARTEMIS
Wir
Jungfraun aber unbemannt,
Die
Göttin haben wir erkannt.
ATHENE
Die
Weisheit zeigt sich uns erkennlich,
Wenn
wir als Weiber werden männlich,
Nicht
lieblich-feminin, nein, bitter,
Voll
Zank und Zürnen, starke Zwitter!
ARTEMIS
Ja,
Weiber sollen zänkisch werden!
Dann
kommt das Paradies auf Erden!
ACHTE
SZENE
(Homer
und Aphrodite sitzen Arm in Arm auf dem Sopha und flüstern. Die
Kinder werden plötzlich verdächtig still! Artemis und Athene
verabschieden sich.)
ATHENE
Es
war sehr schön bei dir, Homer,
Nun
werde dir dein Herz nicht schwer,
Ergib
dich keinen Liebesleiden,
Athene
muß jetzt von dir scheiden.
ARTEMIS
Wie
schön, dass wir uns wiedersahn,
Jetzt
muß ich nach des Schicksals Plan
Von
dannen gehn. Du sollst nicht fluchen
Und
sollst mich auch nicht weiter suchen!
(Athene
und Artemis ab.)
APHRODITE
Es
ist mit einem Mal so stille!
Mein
Freund, was wäre jetzt dein Wille?
HOMER
Geliebte,
alles was wir müssen,
Das
ist uns küssen, küssen, küssen.
Du
liebes Weib, mit einem Wort:
Komm,
treiben wir der Liebe Sport!
APHRODITE
Bei
meinem hochverehrten Hintern:
Ich
muß erst schauen nach den Kindern.
HOMER
Ich
aber frag mich langsam auch:
Was
machen sie? Hier riechts nach Rauch!
ANTEROS
Ach
liebe Mutter, nicht mehr schwätzen!
Ich,
Mama, will dir jetzt was petzen!
Der
Eros machte Feuer an!
Das
darf nur ein erwachsner Mann.
Er
spielte mit dem Feuerzeug!
EROS
Anteros,
halt den Schnabel, schweig!
HOMER
Ich
glaube, meine Wohnung brennt!
Rasch,
vielgeliebte Kinder, rennt!
APHRODITE
Homer,
mit Macht von Überwindern
Sei
du der Retter meinen Kindern!
Das
Feuer, des Geprassels Prasser,
Ich
will es löschen mit dem Wasser!
(Homer
nimmt Eros auf den Arm, Anteros an die Hand und ruft Apoll zu, so
eilen sie hinaus. Das ganze Haus steht in Flammen.)
EROS
Homer,
Homer, es ist zu spät!
Die
Aphrodite untergeht!
APOLL
Wie
hart schlägt Gottes Vaterhand!
Weh,
Aphrodite ist verbrannt!
HOMER
Herr
Jesus hat sie doch gerettet
Und
sie im Paradies gebettet!
Da
feiert Jesus Nazarenus
Die
Hochzeit mit der Göttin Venus!
EROS
Ach,
Aphrodite ohne Mängel,
Ist
jetzt geworden unser Engel!
ANTEROS
Was
soll jetzt aus uns Kindern werden
In
diesem Jammertal der Erden?
HOMER
Ich
bringe euch zu dem Zentauren!
Ihr
Kinder sollt nicht länger trauren!
Seht,
Chiron ist ein Pädagog,
Der
Kinder nie gewaltsam bog,
Er
macht den einen und den andern
Als
Pädagog zu Alexandern,
So
klug wie Aristoteles
Und
so verliebt wie Sokrates
In
Alkibiades gewesen,
Das
können wir bei Platon lesen.
Ihr
werdet auf Atlantis leben
Und
über euch wird segnend schweben
Sankt
Aphrodite ohne Mängel,
Fürsprecherin
und Hüte-Engel,
Für
immer sei euch Advocata
Sankt
Aphrodite Immaculata!
EROS
(umschlingt
den Hals von Homer und weint)
Ach
Herzensväterchen Homeros,
Du
liebstes Papachen von Eros,
Wie
war die Zeit mit dir so schön!
HOMER
Wir
werden uns nie wieder sehn!
Wie
grausam, Gott, ist der Verlust!
Ich
heul an Aphrodites Brust,
Mich
tröste Aphrodites Busen!
Vor
Kummer schweigen meine Musen!
Fort
ist am Dasein alle Lust
Durch
diesen grässlichen Verlust!
Wie
soll es mit mir weitergehen?
APOLL
Wird
Aphrodite auferstehen?
HOMER
Gott
wird sie auferwecken, ja,
Die
Selige Urania!
NEUNTE
SZENE
(Gebirgsgegend,
Hain von Ölbäumen, Eichen. Über einer Steineiche eine seltsame
Lichterscheinung. Homer staunt die Lichterscheinung an.)
HOMER
Die
weißen Laken eines Bettes
Trägt
dieses Weib, es ist ein nettes,
Ich
sehe kein Gesicht voll Charme
Und
seh am Leibe keinen Arm...
(Plötzlicher
Windstoß rauscht in den Eichen.)
O
Gott, du rauschst in diesem Wind!
Was
bin ich armes Menschenkind,
Daß
du dich meiner annimmst, Gott?
Ich
bin nur Odem im Schamott!
(Plötzlich
kommt ein junges Mädchen, sie ist wunderschön, wie das Modell eines
Venusmalers.)
Wer
bist du, wunderschönes Mädchen?
Du
kommst woher, aus welchem Städtchen?
HELENA
Ich
bin die Helena von Sparta,
Bin
nicht Maria und nicht Martha,
Ich
bin die junge Helena,
Die
Nichte der Urania!
HOMER
Wie
alt? Wie lang sind deine Haare?
HELENA
Ich
zähl im Maien sechzehn Jahre.
Die
braunen Haare reichen so
Mir
beinah bis zu meinem Po.
HOMER
Bildhauer
möchte ich sein, bei Amor,
Und
hauen deinen Leib aus Marmor.
Ich
wäre ein Praxiteles,
Dem
zugeschaut einst Sokrates,
Wie
er gemeißelt schön die Phryne
So
aphrodisisch schön, der Kühne.
Ja,
oder ich wär der Apelles,
Ich
malte dann ein Bild, ein helles,
Wie
Kypris steht auf einer Muschel
In
ihrer Lockenflut Gewuschel.
HELENA
Wer
bist du denn, bist du ein Maler?
Du
bist ein alter Mann, ein kahler,
Ein
alter Mann mit dickem Bauch
Und
stinkend deines Mundes Hauch.
Ich
aber, schön wie Stella Maris,
Ich
lieb den schönen Jüngling Paris!
HOMER
Ob
Matutina oder Maris,
O
Stella, liebe nur den Paris,
Ich
will dich ja auch nur bedichten.
Sonst
gäb es ja auch nur Geschichten,
Wenn
ich dich lieben wollte, Kind.
Du
weißt doch, wie die Leute sind.
Ich
schreib ein episches Gedicht,
Den
Hymnus auf dein Angesicht.
HELENA
Homer,
das ist zuviel der Ehre,
Das
ist ja mehr als ich begehre.
Ich
schon die Iliade seh
Und
lese schon die Odyssee.
Doch
zeig die Bücher, deinen Veda,
Nicht
meiner strengen Mutter Leda!
HOMER
Die
Königin ist fromm und züchtig.
HELENA
Sie
ist auch rasend eifersüchtig,
Besonders,
wenn ein trunkner Dichter
Preist
ihrer Tochter Augenlichter
Und
schwärmt für ihrer Tochter Charme
Und
Reiz und Liebreiz – Gott erbarm! –
Dann
wird die Luft für Leda stickig,
Dann
wird sie zänkisch, wird sie zickig!
HOMER
Was
sagt die Mutter Leda dann?
HELENA
Ja,
ja, so ist der böse Mann,
Verrückt
nach junger Mädchen Reiz,
Die
Alten schlagen sie ans Kreuz,
Nie
lieben sie die armen Alten,
Stets
nur die Mädchen ohne Falten,
Wo
nicht die Brüste welk und schlaff,
Wo
Mädchenbrüste fest und straff!
HOMER
Ich
mich doch ziemlich irren müsste,
Wenn
nicht ganz himmlisch deine Brüste!
HELENA
Doch
will ich nicht den Schleier lüpfen!
HOMER
Ich
seh der Ricke Kitze hüpfen!
HELENA
Nun
gut, du darfst mein Dichter sein,
Das
darf nur wissen Gott allein!
HOMER
Urschönheit
der Urgottheit, Heil!