DIE ENGEL
1
Die jüdische Mythologie erzählt von zwei Engeln, die an Harut und Marut aus dem Koran erinnern. Es ist eine Midrasch-Erzählung aus dem 11. Jahrhundert nach Christus, ist aber ein Auszug aus dem Buch der Riesen, einer jüdischen Schrift aus dem dritten oder ersten Jahrhundert vor Christus. Es ist eine Meditation über die merkwürdige Erzählung im Buch Genesis, da die Gottessöhne mit den Töchtern der Menschen sexuell verkehrten und Riesen zeugten. Das geschah kurz vor der Sintflut. Lord Byron geht in seinem Drama Himmel und Erde darauf ein. Der Midrasch berichtet von zwei Gottessöhnen oder Engeln aus der Klasse der himmlischen Wächter, namens Shemhazay und Azrael. Sie erbaten sich von Jahwe die Erlaubnis, unter den Menschen auf der Erde zu leben. Als sie auf die Erde kamen, fühlten sie sich bald vom Sex-Appeal der Frauen angezogen. Shemhazay verliebte sich unsterblich in eine wunderschöne Frau namens Estera. Estera oder Esther oder Aster oder Ishtar bezeichnet den Morgen- und Abendstern oder Planeten Venus. Der Gottessohn versuchte Estera zu verführen, er wollte unbedingt mit ihr sexuell verkehren. Estera fühlte sich bedrängt und belästigt. Sie fragte den Engel nach dem unaussprechlichen Namen Gottes, durch dessen Kraft es dem Engel erlaubt sei, in seine himmlische Heimat zurückzukehren. Als Shemhazay den Namen Jahwe ausgesprochen hatte, sprach auch Estera den Namen Jahwe aus. So versuchte sie sich von dem bedrängenden Engel zu befreien. Der Herr Jahwe belohnte die schöne und reine Estera und entrückte sie zu einem Stern in den Pleaden. Aber Shemhazay hatte von einer anderen Frau, die ihm willig ergeben war, zwei Söhne. Eines Nachts hatten die beiden Söhne von Shemhazay und seiner Geliebten, die beiden Riesen Heyya und Aheyya, die Riesen waren, einen besonderen Traum. Sie baten ihren himmlischen Vater, den Engel, um die Deutung des prophetischen Traumes. Shemhazay studierte die Prophezeiungen des Patriarchen Henoch und erklärte seinen beiden Söhnen, sie würden in der bald kommenden Sintflut sterben. Dafür aber werde den beiden Söhnen die Ehre zuteil, dass in der Zukunft immer, wenn ein Mensch vor Mühe und Not und Gram stöhne und ächze, er die Namen Heyya und Aheyya anrufen werde. Shemhazay bereute seine Sünde, dass er außerehelichen Verkehr mit einer irdischen Frau gehabt und als Bastarde zwei Riesen gezeugt und dass er die keusche Estera so penetrant bedrängt hatte mit seiner verzehrenden Begierde. Er beichtete seine Sünden dem Herrn Jahwe. Zur Buße seiner Sünden wurde er für tausend Jahre kopfüber zwischen Himmel und Erde aufgehängt. Sein Freund und Bruder, der Gottessohn Azrael, sündigte tapfer und verkehrte sexuell mit Mädchen, verheirateten Frauen und schönen Knaben. Manche sagen aber auch, dass die schöne Eszera nicht auf einen Stern in den Plejaden entrückt wurde, sondern dass sie zum Morgenstern oder Planeten Venus entrückt und zum femininen Genius des Morgensterns gekrönt wurde. Der Allerhöchste gab der in den Himmel Entrückten einen neuen Namen und nannte sie Nahid, auf arabisch, aber eigentlich Anahita, das heißt: die Frau mit den schwellenden Brüsten.
2
Die beiden Engel Harut und Marut lebten als Männer in Babylon, bei der großen Hure Babel. Sie lehrten die Frauen Magie und Aberglaube, die ganze chaldäische Esoterik. Daneben versuchten sie auch, Ehepaare auseinander zu bringen, in dem sie den Egoismus, die Unversöhnlichkeit und die Hartherzigkeit förderten. Zwar mussten Harut und Marut den Menschen immer deutlich bekennen, dass sie Versucher seien und dass die Menschen doch an Gottes Einfachheit glauben sollten, aber die Menschen tappten trotz besseren Wissens freiwillig in die Falle der Versuchung. Im buchgewordenen Wort Gottes steht geschrieben: Und die Leute folgten dem, was Satans Engel zur Zeit Salomos vortrugen. Salomo war nicht töricht und gottlos, aber die Dämonen Luzifers, die die Weiber in Aberglauben. Götzendienst und Magie unterwiesen. Und die babylonischen Weiber folgten dem, was die beiden vom Himmel gefallenen Engel Harut und Marut lehrten. Aber Harut und Marut lehrten niemand die Magie, wenn sie nicht deutlich bekannten: Wir sind eine Versuchung! Handelt doch nicht als Sünder! Und dennoch lernten die babylonischen Weiber von den Dämonen, wie sie ihre Ehe ruinieren könnten. Die gefallenen Engel wirkten nicht auf Gottes Befehl, aber Gott ließ ihr Wirken zu. Und die babylonischen Weiber und ihre Männer taten, was ihrer Seele schadet und kein Heil wirkt. Sie müssen wissen, dass Götzendiener, die auf tote Steine vertrauen und Dämonen befragen, nicht ins Paradies eingelassen werden. Für was für einen schlechten Weg sie sich entschieden haben! Wenn sie doch wüssten, dass der Satan mit ihnen spielt! Wenn sie sich doch zu Gott bekehren würden! - Dieses Schriftwort kommentieren die Theologen also: Harut und Marut waren ursprünglich heilige Engel, Lobpreis-Engel oder Cherubim, das heißt, Engel der Weisheit. Sie wurden aber stolz auf ihre Weisheit und erhoben sich über die Menschen und verklagten vor Gott die Menschen als gottlose Sünder. Da forderte Gott die Engel der Weisheit heraus, es besser zu machen als die Sünder. So kamen die Engel zu ihrer Prüfung auf die Erde. Sie widerstanden allen Versuchungen, sie beteten nicht tote Steine an, sie waren nicht abergläubisch, sie konnten sich sogar des Weines enthalten. Aber als sie ein vollkommen schönes Weib, nur mit einem durchsichtigen Schleier bekleidet, sahen, trieben die Engel Unzucht mit der Frau. Einen Mann, der Zeuge ihres außerehelichen Sexualverkehrs war, den töteten sie, wie David mit dem Hethiter Uria tat. Gott stellte die gefallenen Engel vor die Wahl, ihre Sündenstrafe in der ewigen Hölle oder auf Erden zu erleiden. Sie baten: Lass uns auf Erden Sühne tun für unsere Sünde der Unzucht! So lebten sie tausend Jahre in den Toren der Hure Babel und litten große körperliche Schmerzen und noch größere seelische Qualen. Die Legende der gefallenen Engel entnahm Mohammed dem Neuen Testament, nämlich dem zweiten Petrusbrief und dem Judasbrief, und dem apokryphen Buch Henoch und dem Midrasch. Namenspatron für Harud war der zarathustrische Genius der Reinheit, Haurvaat, und für Marut der Genius der Unsterblichkeit, Ameretat. Diese Mischung aus jüdisch-christlicher Offenbarung und zarathustrischer Religion wurde dann in Arabien in den Koran Mohammeds aufgenommen. Suhre aber war ein sterbliches Weib in Babel, die die Engel der Weisheit, Harut und Marut, verführen wollten. Aber sie blieb keusch und jungfräulich. So ward Suhre von Gott dem Allerhöchsten auf den Morgenstern entrückt. Sie trägt dort um ihre elfenbeinernen Glieder ein Kleid von Goldbrokat, ihre schwarzen Haare duften nach Moschus. Gott der Herr gab Suhre einen neuen Namen und nannte sie Anahita. Als Anahita war sie der weibliche Genius des Morgensterns. Sie ist die himmlische Harfenspielerin, die mit ihrer Musik die Sphärenmusik des Kosmos leitet, die Engel lauschen ihr verzückt. Der Messias tanzt zu ihrer Musik. Der Messias nennt sie einfach: Unbefleckte Jungfrau!
GERD DER MUTIGE
Gerd der Mutige war siebzig Jahre alt, als er das Ziel seiner Wallfahrt erreichte: Santiago de Compostela, das Grab des Apostels Jakobus, des Bruders des Evangelisten Johannes. Gerd trat in die heilige Kirche Gottes ein und begab sich zum Beichtstuhl. Der Pater grüßte ihn: Ave Maria, mein Sohn! Gerd begann: Vater, meine letzte Beichte war vor 58 Jahren zu Zeiten meiner Erstkommunion und Firmung. Vater, ich habe gesündigt. In Demut und Reue bekenne ich meine Sünden. Der Pater sprach: Sprich, mein Sohn! Und Gerd begann:
Meine Mutter hat mich im Jahr 1430 in Sünden geboren. Von Mutterleib an war ich mit der Erbsünde belastet. Im Alter von drei Monaten wurde ich im Bad der Wiedergeburt im Schoß der heiligen Kirche getauft. Die Erbsünde wurde abgewaschen, aber der Zunder der Sünde blieb. Der alte Adam wurde ersoffen, aber siehe, das Vieh kann schwimmen. So war ich dermaßen begierig nach den Brüsten meiner Mutter, dass ich ihr vor Appetit in den Busen biss. Mein Vater, Dietrich von Oldenburg, war ein strenger und ungläubiger Mann. Ich war der dritte Sohn, und war ungewollt. Ich war sechs Jahre alt, als meine Mutter Heilwig starb. Ich war zwar sehr traurig, aber ich betete nicht für sie, und bald hatte ich sie vergessen. Mein Vater gab mich und meine beiden Brüder zur Pflege in die Hände von Onkel Adolf. Der wollte nicht König von Dänemark werden, denn es war etwas faul im Staate Dänemark. Dafür sollte mein ältester Bruder Christian König von Dänemark werden. Mit meinem Bruder hab ich mich oft geprügelt, und wir liebten uns nicht. Er war immer Papas Liebling gewesen. Mein anderer Bruder Moritz war ein sanfter und menschenliebender Mann. Zu ihren Lebzeiten hatte meine Mutter immer gesagt: Der wird noch ein Priester! So bestimmte Onkel Adolf, dass Moritz ins Priesterseminar kommen sollte, wenn die Zeit reif sei. Ich aber sollte die Grafschaft Oldenburg erben. Ich war sehr machthungrig, und vor allem wollte ichs den Ostfriesen zeigen! Ich war sehr stolz, weil ich etwas Latein konnte, und wie allgemein bekannt, sind die Ostfriesen dumm wie Stroh!
Bevor ich es vergesse: Ich habe seit meiner Jugend viel zu viel Bier aus Bremen und Jever gesoffen und immer auch in der Fastenzeit täglich einen fetten Braten gefressen. Nun im Alter hab ich nachts Bauchgrimmen. Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort.
Mein Bruder Christian ward tatsächlich König von Dänemark. In seinen Träumen begegnete ihm oft die tote Mutter. Als er seinen Thron bestiegen, verzichtete er auf Oldenburg und Delmenhorst. In Delmenhorst übrigens verführte mich eine Zeit lang eine sinnliche Sängerin. Gott hat doch die Weiber nackt geschaffen, warum soll ich mich also nicht an seinen Meisterwerken mit Augenlust und Augentrost ergötzen und verlustigen? Wenn das auch eine Sünde ist, dann eben mea maxima culpa! Ich bekam mit dreißig Jahren Oldenburg. Als erstes ließ ich die Burg in Jade am wundervollen Jadebusen wieder aufbauen. Die Friesen hatten sie zerstört. Ein feste Burg ist unser Gott, mein Wehr und Waffen. Die Riesen in der Hölle sind so groß wie drei Friesen übereinander. Ich errichtete einen Stützpunkt für meine Schiffe. Was der Klaus Störtebecker konnte, das konnte ich schon lange! Gottes Freund und aller Welt Feind! Im Mai begann ich, mit meinen Kaperschiffen auszulaufen. Zwölf Handelsschiffe hab ich gekapert. Ich gestehe, ich hasste die reichen Hamburger Pfeffersäcke! Aber Gott sagt: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut und Weib! Mea culpa!
Aber wie begierig ist der Mann! Moritz konnte sich der Weiber nicht enthalten, wurde nicht Priester, sondern nahm sich Katharina ins Ehebett. Von Katharina aufgehetzt, machte er mir mein Erbe Oldenburg streitig und erhob die Waffen gegen mich. Der Möchtegerngeistliche verbündete sich mit dem Erzbischof von Bremen gegen mich. Dieser Erzbischof war aber, abgesehen von seinem Weihesakrament, ein rechter Narr! Bei seinen Predigten bin ich immer eingeschlafen. Ich habs aber dem Bruder und dem Bischof tüchtig gegeben. Mein Oldenburg war ganz mein. Mein Oldenburg war meine Braut, die ich mit keinem Nebenbuhler teilen wollte. Gott strafte Moritz dafür, dass er dem Priesterstande Katharinas Bett vorgezogen. Er starb an der Pest, die mit den Pestflöhen der Ratten aus Asien gekommen war. Zu der Zeit wurde ich Vormund und Pate meines Neffen. Aber ich bekenne, ich habe ihn nicht zum Christen erzogen. Er liebte mehr die körperliche Bewegung und war ein ausgemachter Dummkopf.
Ich war 27 Jahre alt, als die frechen Ostfriesen Krieg mit mir begannen. Westerstede ging in Flammen auf. Es war nicht schade um die Westersteder Torftrottel! Aber ich schlug die Ostfriesen, die den Schwanz einzogen und zu den vollen Eutern ihrer fetten Milchkühe zurückkrochen. Bei den Eutern der Kühe muss ich bekennen, dass mir die Weiber der Ostfriesen so recht vorkamen wie Einfallspforten des Teufels! Wem Gott zornig ist, den lässt er in die Umstrickung einer Ostfriesin geraten. Ich aber baute Neuenburg, zur alten Burg von Oldenburg die neue Burg von Neuenburg, um mich gegen die wilde Horde der barbarischen Friesen zur Wehr zu setzen. Die Hanseaten aber, diese fetten reichen Pfeffersäcke, verbrannten mir mein schönes katholisches Varel. In Varel stand an jeder Straße ein Muttergottesbild, aber Hamburg hasste die Mutter Gottes und verschonte ihre Bilder nicht. Entweder liebt man das Geld oder die Mutter Gottes, und die Hanseaten liebten das Geld.
Als Onkel Adolf starb, wurde Christian sein Erbe als Graf von Schleswig-Holstein. Mich und Moritz sollte er auszahlen, fünfzigtausend rheinische oder schweinische Gulden standen mir zu. Aber der ältere Bruder war geldgierig und rückte mit meinem Erbe nicht raus. Hab ich etwa wie ein Heiliger auf mein Erbe verzichtet? Nein, meine Seele, die große Sünderin, begann einen hässlichen Erbkrieg mit ihrem Bruder. Ich wollte mit Christian auch Graf von Schleswig-Holstein werden. Ich liebe nämlich fast so sehr wie die Nordsee auch die Ostsee, ihre Schwester. Sie beide sind meine Bräute. Aber der Adel von Schleswig-Holstein wollte mich nicht, ich war ihnen nicht frisiert genug. Darum, als sich die Nordfriesen von Husum gegen meinen älteren Bruder erhoben, verbündete ich mich mit ihnen. Ich war auch auf Sylt und wälzte mich am Strande mit einem Oldenburger Weib! Felix culpa! Aber die Dänen, der Herzog von Mecklenburg, der Erzbischof von Bremen und die Pfeffersäcke von Hamburg schafften mir eine Niederlage. Ich gestehe, Vater, dass ich meine Feinde nicht lieben kann, dass ich nicht für sie betete, nicht für meinen Bruder betete, und die Pfeffersäcke von Hamburg kräftig verfluchte!
Weil ich den reichen Hanseaten ihr Geld wegnahm, um es Oldenburger Weibern zu schenken, machte ich mir Hamburg und Bremen zu Feinden. Als ich meinen Neffen zum Teufel jagte, rüstete der Erzbischof von Bremen gegen mich zum Krieg. Fetter und dummer Pfaffe! Wollte ein Hohepriester Gottes sein und griff zum Schwert? Dem Bischof von Bremen den Hirtenstab und dem Grafen von Oldenburg das Schwert! So will es Gott. Aber, Pater, wenn bald die große Reform der Kirche in Deutschland kommt, dann geht sie sicher nicht vom hohen Klerus aus, der verweltlicht ist, sondern von den eifrigen Laien, die das Evangelium in die Tat umsetzen! Ein Freund war diplomatisch und überredete den Pfaffen zum Abzug.
Ich musste mir mein schönes weißes Oldenburg von meinen Feinden zurückerobern. Ersteinmal hab ich Strackholt geplündert. Übrigens, in Strackholt lebte eine wunderschöne Dirne, so schön sie war, so frigide war sie auch, eine wahre Venus Frigida, und so trieb sie ihren Mann in den Selbstmord! Sechsmal versuchte er, sich umzubringen, beim siebten Mal gelang es ihm. Er erhängte sich. Sankt Judas sei seiner Seele gnädig. Dann ließ ich Westerstede niederbrennen, das übrigens ganz in den Händen war von des Teufels Advokaten! Nun verbündete ich mich mit Theda, der Großen Dame des freien Friesland. Sie trug das silbrige Haar, die Krone der Weisheit. Nun mischte sich noch der Bischof von Münster ein, der dumme Pfaffe. Er predigte, Maria sei nicht die Miterlöserin und die Kirche müsse weltlich sein. Der Mordbrenner! Er brannte Edewecht und Bad Zwischenahn nieder. Übrigens, in Bad Zwischenahn lebten Greise, die ihr Leben lang in der gotischen Bibel gelesen. Die hanseatischen Räuber aus Bremen kamen bis nach Donnerschwee und Ohmstede. In Donnerschwee gedachte man noch des Donar oder Gottes Thor. In Ohmstede wurde gerade ein fünfzehnjähriger Knabe getauft, als die Feinde die Kirche überfielen. Aber die Feinde wurden im Dorfe Paradies von Oldenburger Bürgerinnen und ammerländischen Bäuerinnen geschlagen. Ja, das Paradies ist ein schöner Ort. Die katholischen Bäuerinnen erzählen dort den Kindern vom heiligen Martin. Auf der Flucht ersoffen fünfhundert Hanseaten aus Bremen in der Hunte. Das war die berühmte Bremer Taufe! Sie waren alle schon als Säuglinge getauft, aber ich erteilte ihnen in der Hunte die neue Taufe, die Taufe im Heiligen Geist! Denn der Heilige Geist ist Feuer und Schwert! Ach, Pater, es bricht mir das Herz, wenn ich an meinen dreizehnjährigen Knaben Alf denke! Ich hab ihn unehelich gezeugt mit einer Eva aus dem Dorfe Paradies, dieser Einfallspforte des Teufels, aber ich hatte diesen kleinen Bastard von Herzen lieb! Die Feinde nahmen ihn gefangen und brachten ihn in die Burg von Berum. Er saß dort im Kerkerturm der Burg von Berum. Wie war seine Mutter eine Löwin und er ein brüllendes Löwenjunges, aber die Feinde brachten ihn in die babylonische Gefangenschaft.
Ich war nun umzingelt von Feinden, Ostfriesen, Bremern, Hamburgern und Butjadingern. Nur der König von Dänemark und der Achilles von Brandenburg standen mir bei. Gerd der Mutige und Karl der Kühne von Burgund! Das waren rechte Waffenbrüder in den heiligen Kriegen des Herrn! Ich half Karl dem Kühnen von Burgund, Neuss zu erobern. Dafür wollte Karl mir helfen, Ostfriesland zu erobern. Aber Seine Allerdurchlauchtigste Majestät der Kaiser zwang uns zum Friedensvertrag von Osnabrück. Als Kinder sagten wir immer: Geht doch nach Osnabrück, ihr Narren! Denn ganz Osnabrück ist ein Tollhaus! Meinen Neffen hab ich zu jener Zeit ganz aufgegeben, ein Schönling und Taugenichts! Aber, das rechne mir mein Gott als Verdienst an, ich ließ das Kloster Rastede ausbauen und weihte es Unserer Lieben Frau von Rastede! Ist doch keine so schön und keusch wie Unsere Liebe Frau von Rastede!
Meinen Sohn Alf konnte ich freikaufen. Er kam aus der Burg Berum. Der Gräfin Theda zahlte ich dreitausend Gulden für ihn. Jesus segne meinen Buben!
Ach, Vater, meine Feinde haben mich endlich besiegt, mich und alle meine Buben! Sie wollten mich ins Kloster Unserer Lieben Frau von Rastede einsperren. Ich zog es aber vor, nach Frankreich auszuwandern. Man verzeihe dies Wort einem Patrioten, aber die Weiber an der Seine und am Gave sind süßer als die Weiber an der Hunte! Und so bin ich vom Gave in die Pyrenäen gekommen, Jahwe anzubeten auf dem Pic du Midi. Ich bereue! Gott sei mir armen Sünder gnädig! Ich bin ein Bettler vor Gottes Barmgerzigkeit, das ist wahr.
So beendete Gerd der Mutige seine Lebensbeichte. Der Priester wachte aus seinem Schlummer auf und sagte: Zur Buße bete fünfzig Ave Maria. Ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti. Amen.
Gerd trat aus dem Beichtstuhl, trat aus der Kirche, sah hinüber zur Kirche der heiligen Susanna, und betete unter offenem Himmel fünfzigmal das Ave Maria. Als er das fünfzigste Mal gebetet hatte: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns arme Sünder jetzt und in der Stunde unseres Hinscheidens – starb er. Selig sind von nun an, die sterben im Herrn!
WER WAR MARIA MAGDALENA?
Liebe Brüder und Schwestern, wer war Maria Magdalena?
War sie eine Jesus-Jüngerin oder eine Prostituierte oder die Ehefrau Jesu?
DAN BROWN
Woher kommt diese Idee, Jesus und Maria Magdalena wären verheiratet gewesen. Dan Brown beruft sich hier auf das apokryphe (außerbiblische) „Evangelium nach Philippus“. Dort sei Maria Magdalena „die Gefährtin“ Jesu gewesen. Er habe sie mehr als alle anderen geliebt und auf den Mund geküsst. Jesus wollte, dass die Kirche nach seinem Tod in ihre Hände übergehe. Doch als Jesus sie ins Apostelkollegium einführen wollte, hätte Petrus protestiert – so das Thomasevangelium - und gesagt: „Maria muss uns verlassen, denn die Frauen sind des Lebens nicht würdig.“ Daher hätten die Apostel nach Jesu Tod Maria vertrieben und sich der Kirche bemächtigt. Maria Magdalena sei nach dessen Kreuzestod gemeinsam mit Josef von Arimathäa ins heutige Frankreich geflohen. Dabei sei sie von Jesus schwanger gewesen. So hätte sich eine königliche Nachkommenschaft entwickelt, deren Mitglieder, in denen Jesu Blut fließe, heute noch lebten, sich aber vor der Kirche verstecken müssten.
Das ist natürlich bloße Phantasie.
DAS GNOSTISCHE PHILIPPUS-EVANGELIUM
Es waren drei, die allezeit mit dem Herrn wandelten: Maria, seine Mutter, und ihre Schwester und Magdalene, die man seine Gefährtin nennt. (10) Denn (eine) Maria ist seine Schwester und seine Mutter und seine Gefährtin.
Und er war es gewohnt, sie öfter auf den „Mund“ zu küssen, mehr als seine anderen Jünger.
Dieses Evangelium kommt von einer gnostischen Sekte. Die Gnosis wird schon im NT von Paulus und Johannes eine antichristliche Irrlehre genannt.
DAS GNOSTISCHE EVANGELIUM NACH MARIA
Das Evangelium der Maria gehört zu den Apokryphen des Neuen Testaments. Es handelt sich um eine gnostische Schrift, die auf etwa 160 n. Chr. datiert wird.
Maria besitzt danach ein besonderes Vertrauen zum Erlöser und kennt besondere Offenbarungen, die die Jünger nicht kennen, und sie teilt diese mit als Mittlerin und Verkündigerin der gnostischen Offenbarung und nimmt so eine Stellung oberhalb der Apostel ein.
Die Gnostiker hassten die christliche Kirche, die auf Petrus und die Apostel gegründet ist. Darum versuchten sie, Magdalena als Super-Apostelin einzuführen, Lieblingsjüngerin Jesu und Empfängerin der „wahren gnostischen Visionen“.
Die heutigen New Age Esoteriker lesen nicht die Bibel, sondern die gnostischen Pseudo-Evangelien und konstruieren sich einen „kosmischen Christus“ und eine „höhere Meisterin Magdalena“. Dan Brown verbreitet diese Irrlehren unterm Massenpublikum, das die Bibel nicht kennt.
DAS NEUE TESTAMENT
Lukas Kapitel 8
1 In der folgenden Zeit wanderte er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und verkündete das Evangelium vom Reich Gottes. Die Zwölf begleiteten ihn,
2 außerdem einige Frauen, die er von bösen Geistern und von Krankheiten geheilt hatte: Maria Magdalena, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren,
3 Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie alle unterstützten Jesus und die Jünger mit dem, was sie besaßen.
Jesus hatte 12 männliche Apostel, 72 Jünger, viele Jüngerinnen. Jüdische Rabbis hatten keine Jüngerinnen. Hier werden Magdalena, Susanna und Johanna erwähnt, und viele Frauen aus Galilläa, die ihm folgten.
Magdalena unterm Kreuz: Johannes Kapitel 19
25 Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.
26 Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn!
Während alle Apostel außer Johannes den Herrn verraten, verleugnet oder verlassen hatten, standen die Mutter Jesu und Maria Kleophä und Maria Magdalena unter dem Kreuz. Tapfere Frauen! Es heißt auch, dass die Frauen, die Jesus aus Galiläa gefolgt waren, von ferne zuschauten, unter ihnen wahrscheinlich Susanna und Johanna.
Magdalena und der Auferstandene
Matthäus 27
57 Am Abend kam ein reicher Mann aus Arimathäa; er hieß Josef und war gleichfalls ein Jünger von Jesus geworden.
58 Er ging zu Pilatus und bat ihn, den Leichnam von Jesus freizugeben. Da befahl Pilatus, ihn auszuliefern.
59 Josef nahm den Toten, wickelte ihn in ein neues Leinentuch
60 und legte ihn in sein eigenes Grab, das in einen Felsen gehauen und noch unbenutzt war. Dann rollte er einen schweren Stein vor den Grabeingang und ging fort.
61 Maria aus Magdala und die andere Maria blieben dort und setzten sich dem Grab gegenüber nieder.
Maria Magdalena betrauerte ihren geliebten Meister im Grab. Die andere Maria war vielleicht Maria Kleophä, die auch unterm Kreuz stand. Die orthodoxe Ostkirche sagt auch von Susanna, dass sie mit Magdalena und Maria Kleophä gekommen war, Jesus mit kostbaren Salben einzubalsamieren.
Johannes Kapitel 20
11 Maria stand noch draußen vor dem Grab und weinte. Dabei beugte sie sich vor und schaute hinein.
12 Da sah sie zwei weiß gekleidete Engel. Sie saßen an der Stelle, wo Jesus gelegen hatte, einer am Kopfende und einer am Fußende.
13 »Frau, warum weinst du?«, fragten die Engel. Maria antwortete: »Sie haben meinen Herrn fortgetragen und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben!«
14 Als sie sich umdrehte, sah sie Jesus dastehen. Aber sie wusste nicht, dass es Jesus war.
15 Er fragte sie: »Frau, warum weinst du? Wen suchst du?« Sie dachte, er sei der Gärtner, und sagte zu ihm: »Herr, wenn du ihn fortgenommen hast, dann sag mir, wo du ihn hingelegt hast. Ich will hingehen und ihn holen.«
16 »Maria!«, sagte Jesus zu ihr. Sie wandte sich ihm zu und sagte: »Rabbuni!« Das ist Hebräisch und heißt: Mein Lehrer!
17 Jesus sagte zu ihr: »Halte mich nicht fest!2 Ich bin noch nicht zum Vater zurückgekehrt.3 Aber geh zu meinen Brüdern4 und sag ihnen von mir: ›Ich kehre zurück zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.‹«
18 Maria aus Magdala ging zu den Jüngern und verkündete: »Ich habe den Herrn gesehen!« Und sie richtete ihnen aus, was er ihr aufgetragen hatte.
Was wissen wir also sicher aus dem NT über Magdalena? Wenn ihr alles vergesst, was ich heute sage, doch diese vier Sätze vergesst nicht:
a. Jesus trieb Dämonen aus Magdalena aus, sie wurde seine Jüngerin und diente ihm.
b. Magdalena stand unterm Kreuz.
c. Magdalena beweinte den toten Jesus und wollte seinen Leichnam salben.
d. Der Auferstandene ist als Erster Maria Magdalena begegnet, er sandte sie zu Petrus und den Aposteln, die Freudenbotschaft zu verkünden, dass Jesus auferstanden ist.
Also nichts von Hure oder Ehefrau Jesu!
DER KIRCHENVATER GREGOR DER GROSZE
In den ersten drei Jahrhunderten galt Magdalena als die Apostelin der Apostel, vom Auferstandenen gesandt, den Aposteln die Auferstehung Jesu zu verkünden.
Das vierte Jahrhundert war das Jahrhundert der Kirchenväter. In der lateinischen Kirche gibt es vier große Kirchenväter: Hieronymus, der die Bibel ins Lateinische übersetzte, der berühmte Augustinus, und Ambrosius, Bischof von Mailand und Dichter vieler Hymnen, und Gregor den Großen, der Bischof von Rom, also Papst war.
Gregor der Große predigte über Magdalena. Zu den schon erwähnten Bibelstellen fügte er noch einige Szenen mit Jesus und Frauen hinzu. Als erstes die öffentliche Sünderin, die vor Jesus weinte und mit ihren Tränen seine Füße wusch und mit ihren langen Haaren trocknete. Daher kommt die Vorstellung, Magdalena sei eine Prostituierte gewesen.
Dann gibt es im NT die Familie von Lazarus und seinen Schwestern Maria und Martha, die in Bethanien wohnten. Jesus war mit dieser Familie gut befreundet. Gregor sagte nun, diese Maria von Bethanien sei dieselbe wie Maria Magdalena.
Dann gibt es noch die Maria, die Jesus ein Glas voll kostbarem Nardenöl über das Haupt ausgießt, im Wert eines Jahreslohnes. Gregor sagt, das war Maria Magdalena.
Gregor sagt also:
a. Magdalena war die Sünderin, die cden Herrn mit ihren Tränen gesalbt hatte, eine Prostituierte, die Buße tat.
b. Magdalena war die Schwester von Lazarus und Martha.
Darauf baute die weitere Legendenbildung im christlichen Abendland auf.
DIE GOLDENE LEGENDE DES MITTELALTERS
Im 13. Jahrhundert erschien ein Buch mit vielen christlichen Legenden, es heißt Die Goldene Legende und ist von einem französischen Mönch geschrieben. Er greift auf das Magdalenenbild Gregors zurück und erzählt weiter: Magdalena und Martha und Maria Kleophä wurden von den Juden in einem Boot auf dem Mittelmeer ausagesetzt. Das Boot landete an der Küste von Südfrankreich. Der Ort heißt heute noch Les saintes Maries de la mer, die heiligen Marien des Meeres. Der Ort ist noch heute ein großer Wallfahrtsort der Sinti und Roma oder Zigeuner aus aller Welt. Magdalena hat dort gepredigt. Dann hat sie sich auf einen Berg in der Provence zurückgezogen und als Einsiedlerin in einer Hohle allein der Buße und dem Gebet gelebt. In Frankreich heuißt sie einfach La Madelaine und gilt als Apostelin Frankreichs. Soweit die Legende.
SCHLUSS
Die orthodoxen Kirchen kennen alle diese Legenden nicht. Sie verehren Maria Magdalena vor allem als Erste Zeugin der Auferstehung Jesu. Papst Franziskus hat Magdalena liturgisch in den Rang eines Apostels erhoben. Wenn im katholischen Volk vor allem die Magdalena der Legende bekannt ist, so wird doch in der katholischen Liturgie und von den Päpsten unserer Zeit allein auf die biblischen Zeugnisse Bezug genommen. Noch einmal zusammen gefasst, was die Bibel über Magdalena sagt:
Sie hat sich bekehrt und ist eine Jüngerin und Dienerin Jesu geworden. Sie stand unter dem Kreuz. Sie hat ihren toten Meister beweint. Sie war die erste Zeugin der Auferstehung und wurde von Jesus als Apostelin der Apostel gesandt, die Freudenbotschaft zu verkünden. Das wollen wir uns merken und alles andere getrost vergessen.