VON JOSEF MARIA VON DER EWIGEN WEISHEIT
1
Musen! Oft seid ihr bei mir gewesen,
Dass mich wird noch wohl die Nachwelt lesen.
Manche schmücktet ihr mit reinen Reimen,
Dass für sie die Lorbeerkränze keimen,
Dass sowohl die Glaubenshelden, Riesen,
Als die Armen werden auch gepriesen:
Heil in Paradiesen!
Wenn ich wieder Klagelieder höre,
Tragisch-dunkle jammervolle Chöre,
Hör ich euch nach frühem Tode sehnen,
Singt ihr seufzend unter süßen Tränen
Und dem Blut der Venen!
Aber jetzt beiseite legt den Kummer,
Wacht nun auf von eurem Todesschlummer,
Helft mir, Musen, nun, im Deutschen Reiche
Schön zu singen meine Ohnegleiche.
So auch Orpheus‘ Braut vor allen Dingen
Tat im Tode singen:
Rausche, Wald, und Echo möge klingen!
2
Vor dem Morgen schon des Lichtes Leuchte
Golden-klar beglänzt das Gras, das feuchte,
Schon zerstreuen sich die dunkle Nächte,
Schon entfliehen alle Unheilsmächte,
Liebchen steht vom Bett auf, schaut zur Laube,
Meine Turteltaube.
Sie erwacht! Der Gott der Ehe, Hymen,
Wird sie als die reinste Jungfrau rühmen,
Sonnenflammen segeln schön wie Flocken,
An dem Turm der Kirche läuten Glocken,
Oh die goldnen Locken!
Morgen ist und nicht mehr blauer Abend,
Wie die Morgenröte ist erlabend,
Nun vergangen ist der trübe Kummer,
Freudig wacht sie auf aus ihrem Schlummer,
Fröhlich sind die Leute,
Süßer Trost und Freude herrschen heute:
Rausche, grüner Wald, und Echo läute!
3
Musen, bringt mir mit die schönsten Nymphen,
Keiner soll darob die Nase rümpfen,
Von der See, wo sich die Nymphen balgen,
Bringt mir einen grünen Kranz von Algen,
Bringt mir auch aus allen deutschen Landen
Blühende Girlanden,
Bringt auch meinem Liebling Gladiolen,
Sollt sie meinem Schatz vom Gärtner holen,
Gladiolen, Schätzchen zu entzücken,
Blumenkränze sollen sie beglücken,
Ihre Kammer schmücken.
Unter ihrem Fuß lasst Rosen schmelzen,
Unter ihren Füßen weinen Felsen,
Unter ihrem Fuß soll blühen Hopfen,
Und auf ihren Fuß soll Honig tropfen.
Soll in ihrer Kammer treten keiner,
Keiner dieser Streuner.
Auf, ihr dieses schöne Lied zu singen!
Rausche, Wald, und Echo möge klingen!
4
Auf, ihr Nymphen von dem Hunte-Flusse,
Kommt zu meinem Schatz mit einem Kusse,
Auf, ihr Nymphen von dem Tilly-Teiche,
Fische angelt für die Ohnegleiche,
Auf, ihr Nymphen aus der kalten Nordsee,
Bringt ihr Hering, Flunder aus der Mordsee,
Bringt ihr Aale fett zu ihrem Tische,
Bringt ihr Meeresfrüchte aus der Frische,
Nichts als keusche Fische!
Musen, bringt die Wolken mit den Flügeln,
Bringt die Teiche mit den Silberspiegeln!
Ihr Gesicht ist klarer als Kristalle,
Wahrheit sagt mein Herz mit schönem Schalle:
Schöner sie als alle!
Und die Frühlingsgöttin mit den Rehen
Will ich auch mit ihrem Lächeln sehen,
Reh und Einhorn weiden auf den Feldern,
Weiße Wölfe heulen in den Wäldern,
Jäger sie umzingeln.
Singt mit kleinen Knaben, heitern Schlingeln!
Rausche, Wald, und Echo möge klingeln!
5
Wache auf, Geliebte, hör die Flöte,
Von dem Bett steht auf die Morgenröte,
Klingt die Matutin mit ihren Glocken,
Kommt der Sonnengott mit goldnen Locken,
Horche, wie die Vögel singen oben,
Süße Liebe loben!
Im Kastanienbaum das Turteltäubchen
Ruft und in dem Gras das Amselweibchen,
Schwarz und weiße Elstern sind zu sehen,
Auf dem Tannenwipfel krächzen Krähen,
Oben scheint die Sonne schön, die runde,
Auf die Feierstunde.
O Geliebte, schlaf doch nicht so lange,
Eingehüllt in deine Lockenschlange,
Wache auf und ziehe an dein Mieder,
Vogelbusen singen Vogellieder
In betauten Büschen,
Goldne Schlangen Lust und Wollust zischen.
Wälder rauschen, Echo schallt im Frischen.
6
Die Geliebte ist erwacht vom Träumen,
Gischtne Wogen um die Venus schäumen,
Sie war in der dunklen Nacht geborgen,
Nun der Morgenstern erstrahlt am Morgen,
Kommt vom Himmel, Mädchen ihr der Freude,
Helft dem Liebchen heute,
Komm nun aus dem Paradies, o Huri,
Komm nun aus dem Weinhaus, o Siduri,
Kommt nun mit Gebeten, fromme Horen,
Diese Welt aus Schönheit ist geboren,
Liebchen auserkoren!
Und du Priesterin der schönsten Venus,
Komm herab von Jesus Nazarenus,
Hilf mir, meine schönste Braut zu baden,
Herrlich von den Zöpfen zu den Waden,
Jungfrau voll der Gnaden!
Oh ich höre Aphrodite singen!
Rausche, Wald, und Echo möge klingen!
7
Jetzt kann ich mein schönstes Liebchen finden,
Jedes andre Mädchen soll verschwinden,
Knaben mir vertreiben meine Klage,
Wenn ich nach dem jungen Rehlein jage
Diesen Tag der Tage!
Diesen Tag die Sonne wird bemalen
Mit dem Pinsel und den Farbenstrahlen,
Hoch die goldne Sonne brennt, die heiße,
Bräunt der Liebsten Angesicht, das weiße,
Schönheit, die ich preise!
Sonnengott, der frommen Musen Vater,
Komm, erleuchte dieses Welttheater,
Sing das junge Ding, das deine Wonne,
Heller strahlen lasse Gott die Sonne,
Dieser Hochzeitstag sei ganz der meine,
Alle andern deine.
Dann lobsing ich dich im Garten Eden.
Rausche, Wald, und Echo möge reden!
8
Höre den Gesang der Minnesänger,
Lied von Taugenichts und Grillenfänger,
Zimbeln klingen, Trommeln, Tamburine,
Mit Musik ich der Geliebten diene,
Die vor allen Mädchen meine Wonne,
Ich, der Philosoph in leerer Tonne,
Preise die Geliebte meine Sonne
Und ich will nun, Liebchen, nicht mehr tot sein!
Hoch das Glas voll Rotwein!
Knaben rennen durch den Wald zu dreien,
Aufgeregte Zwerge lustig schreien,
Heute will ich freien!
Hymen! Hymenäus! Gott der Ehe!
Die Geliebte ich im Himmel sehe!
Ich erreiche sie in höchster Ferne,
Königin des Weltalls und der Sterne,
Jeder mag sie gerne.
Sänger singen sie, die ungestümen,
Zu ihr kommt der Gott der Ehe, Hymen!
Rausche, Wald, und Echo soll sie rühmen!
9
Siehe mit geschwindem Tempo kommen
Nun den Sonnengott zu seinen Frommen,
Gott erleuchtet unser weißes Städtchen,
Gott erkor zur Braut sich dieses Mädchen,
Diese Jungfrau, diese Augenweide,
Dass sie sich in nichts als Reinheit kleide
Wie in weiße Seide!
O ich lieb dies Mädchen ohne Mängel,
Diesen Himmelsengel!
Herrlich ihre langen goldnen Locken,
Schön, dass mir die Atemstöße stocken,
Wie ätherisch wandelt sie im Freien,
Heute will ich die Geliebte freien,
Königin des Maien!
Wie die blauen Augen sind voll Demut!
Ihre Heiterkeit vertreibt die Wehmut!
Fern vom Hochmut lächelt sie bescheiden,
Dass sich meine Augen an ihr weiden,
Mädchen, sonnig, seiden!
O ich muss vor heißer Wollust stöhnen!
Rausche, Wald, und Echo möge tönen!
10
Sag mir, Kaufmann, hast du sie gesehen?
Sahst du sie vorm Bäckerladen stehen?
Einem Maler muss Modell sie sitzen
In der Seide mit brokatnen Spitzen!
Saphir-Augen hat die reine Dirne,
Diamantne Stirne!
Ihre Pfirsichwangen gleichen Sonnen,
Ihre Kirschenlippen spenden Wonnen!
Ihre Brüste, die mein Auge küsste,
Sind Magnolienbrüste!
Und ihr Hals gleicht einem Mamorturme,
Ihre Haut dem Werk vom Seidenwurme,
Und ihr Leib ist eine Siegessäule
Und die Augen Augen einer Eule,
Ihre Hände weich wie Entendaunen!
Was soll ich von andern Mädchen raunen?
O ich kann nur staunen!
Ich vergess der Reime Radebrechen.
Rede, Wald, und Echo möge sprechen!
11
Schaut, was Augen nimmer sehen können,
Seht doch ihres Herzens reines Brennen,
Die geführt von himmlischer Begleitung,
Sie steht unter ihres Engels Leitung,
Was wollt ihr dann noch mit den Gewächsen
Hässlich alter Hexen?
Süße Liebe und konstante Treue
Ists, was mich an ihrem Herz erfreue,
Ehrfurcht Gottes und der Demut Milde,
Königin der seligen Gefilde,
Ganz nach Gottes Bilde!
Nichts von den gemeinen Leidenschaften
Bleibt an ihrer keuschen Seele haften,
Nichts von dem, was hohle Narren üben,
Naht sich ihr die Seele zu betrüben.
Hättest du gesehen diese Sonne
Voll geheimer Wonne,
Sprächest du Gebete zu der Schönen!
Wald, gib Antwort, Echo möge tönen!
12
Öffnet nun den Tempel meiner Liebe,
Öffnet nun das Herz dem Seelendiebe,
Öffnet nun die Bühne Lobpreis-Tänzen,
Schmückt die Säulen schön mit Rosenkränzen,
Segnet meine Heilige mit Honig,
Meine Jungfrau wonnig!
Voller Gottesehrfurcht, leise schreitend
Kommt mein Mädchen, Engel sie begleitend,
Gottgehorsam lernen alle Frauen,
Wenn sie meine reine Jungfrau schauen,
Stolze Angesichter lernen Demut,
Dichter gleich verlieren ihre Wehmut.
Bringt sie zu dem heiligen Altare,
Dort versammeln sich die Liebespaare,
Stehen dort vorm Priester in der Nähe,
Schließen dort das Sakrament der Ehe,
Darauf soll die hohe Orgel rauschen,
Wenn sie ihre goldnen Ringe tauschen,
Lobpreis tönt des Herrn in hohen Tönen,
Jesus singen Lobpreis alle Schönen,
Chöre singen schön mit Mädchenkehlen
Für den Gast der Seelen,
Mädchen tanzen, junge Frauen singen.
Rausche, Wald, und Echo möge klingen!
13
Siehe, wie sie da steht vorm Altare,
Spricht der Priester zu dem Liebespaare,
Segnet sie mit benedeiten Händen:
Liebt euch! Fruchtbar seien eure Lenden!
Siehe, wie auf ihren weißen Wangen,
Schön umrahmt von goldnen Lockenschlangen,
Purpur aufgegangen!
Sie ist schön, dass selbst die Engel staunen,
Trägt ein Kleid von weißen Schwanendaunen,
Alle Engel auf ihr Ja-Wort harren,
Auf die Engels-Schönheit alle Narren
In Verzückung starren!
Ihre heitern Augen ohne Wehmut,
Mit gesenkten Wimpern voller Demut,
Nieder auf den Marmorgrund sich senken,
Innig selig scheint sie nachzudenken:
Willst du deine Hand zum Bund mir geben,
Mir allein und für das ganze Leben?
Engel laute Halleluja stöhnen.
Wald, gib Antwort, Echo möge tönen!
14
Bringe nun die Braut in meine Klause,
Bringe den Triumph in mein Zuhause,
Dass ich sie zuhause darf umfassen,
Wir uns lieben freudig und gelassen.
O dies war der schönste Tag voll Wonne
Wie des Himmels Sonne!
Mach zum Fest das ganze lange Leben,
Dieser Tag ist heilig, da wir schweben,
Rotwein trinken wir wie große Zecher,
Leeren Fässer, nicht nur kleine Becher,
Werden immer schwächer!
Wir benetzen jeden Freund mit Rotwein,
Keiner will mehr vor der Stunde tot sein,
Gott des Weines, kröne unser Leben,
Gott der Ehe, kränze dich mit Reben,
In den Gärten unter den Akazien
Sollen tanzen jugendliche Grazien,
Während Mädchen Freudenschreie schreien!
Rausche, Wald, und Echo darf sich freuen!
15
Ruft die jungen Männer von den Straßen,
Dass sie müßig ruhen auf dem Rasen.
Dieser Tag ist heilig! Schreib es nieder!
Widme diesem Tage Hochzeitslieder!
Dieser Tag der schönste ist des Mannes,
Tag des Sankt Johannes!
Von dem Gipfel nun die Sonne sinkend,
Süße Wärme gebend, lichtvoll blinkend,
Nun die Sonne wendet sich gen Norden.
Bleibt im Ehe-Orden!
O das war der längste Tag des Jahres,
Kurz die Nacht des jungen Liebespaares,
Niemals war der Tag so lang der Sonne,
Nun ist Nacht, nun trinkt den Wein der Tonne,
Zündet an im Garten Freudenfeuer,
Lebt das Abenteuer!
Steigt hinan der Himmelstreppe Stufen!
Rausche, Wald, und Echo möge rufen!
16
Wann wird dieser Tag in Ruhe enden?
Wird der Tag mich zur Geliebten senden?
Ach, wie langsam schleichen doch die Stunden,
Zeit, du heilst doch alle Herzenswunden,
Nun die Sonne sinkt zu Freudenfesten
In das Bett im Westen!
Sonnengott, die Pferde brauchen Ruhe!
Heilig ist der Ort, zieh aus die Schuhe!
Der Planet der Venus schon entbrannte
In dem Morgenlande.
Schönstes Kind der Schönheit, Liebesflamme,
Wie du kommst vom Schoße deiner Amme,
Liebende in trauter Nacht zu proben,
Deine fromme Liebe kommt von oben,
Alle Freuden toben,
Alle freuen sich an diesem Trubel.
Rausche, Wald, und Echo singt voll Jubel!
17
Nun befreie, Liebe, deine Wonnen,
Jetzt hat unsrer Liebe Nacht begonnen,
Süße Nacht kommt mit der Liebe Sprache,
Bringt die Braut zu ihrem Brautgemache,
Und der Trost der Nacht erfreut die Nette
Nun in ihrem Bette!
Wie sie liegt in Lilien und in Veilchen,
In dem Seidenhemd sie träumt ein Weilchen,
Liebchen ist voll träumerischer Wehmut
Und voll stolzer Demut.
Wie die Frühlingsgöttin, sanft sich schmiegend,
Auf des Paradieses Teppich liegend,
Zwischen Schlaf und Wachen träumt sie müde,
Ist ihr träumerisches Herz voll Friede,
Mädchen, zieh nun aus die kleinen Schuhe,
Komm zur Liebes-Ruhe!
Lass mich singen dir die schönsten Lieder!
Rausche, Wald, und Echo stöhne wieder!
18
Nun willkommen, Nacht, du lang ersehnte,
Meine Seele stöhnte,
All mein Kummer, alle Liebeswunden
Sind nun an der Liebe Brust verschwunden.
Amor segne heilig unsre Ehe,
Dass kein Mensch uns sehe!
Dass wir uns in Gottes Mantel hüllen,
Dass der Terror flieht die frommen Stillen,
Da die Sünde hockt in Babels Tonne,
Dass der Mond uns bringt, der Nächte Sonne,
Die gewisse Wonne!
Diese Nacht sei ruhig, still und friedlich,
Da in meinem Arm das Mädchen niedlich,
Wie der Geist die Jungfrau überschattet,
Da der Gott Madonna hat begattet,
Evas Schuld erstattet!
Mädchen, Männer, hört nun auf zu singen!
Rausche, Wald, und Echo möge klingen!
*
Dieses Lied hab ich gemacht für Dina,
Schönste sie von Mexiko bis China,
Damit wollte ich mein Glück bezeugen.
Ah, nun will ich schweigen.
So beschau dies herrliche Geschenk mal,
Deiner Liebeshochzeit Dichter-Denkmal!