DER RATTENFÄNGER VON HAMELN


VON TORSTEN SCHWANKE




CANTUS I

Bad Pyrmont, du schöne Quelle,
Die ich sah mit Arbeitsleuten,
Da wir neue Arbeit suchten
Nach der langen Zeit des Wahns.

Was ist eures Lebens Zentrum,
Eures Lebens Höhepunkt? -
Das ist Jesus Christus, sprach ich,
Dafür wurde ich verspottet.

Aber stets in meinem Zimmer
Lag das Neue Testament,
Ganz wie Luther es geschrieben
In dem schönsten Bibeldeutsch.

Und wir gingen auch spazieren,
Sahen eine Felsengrotte,
Gingen in den grünen Wäldern,
Hügelan sie schmalen Pfade.

Und wir waren auf dem Marktplatz,
Der umrahmt war von Alleen,
Und wir tranken Wein, nicht Wasser,
Und wir predigten den Wein!

Und da war ein junges Mädchen,
Dem ich schön den Hof gemacht,
Mit dem schönen Namen Sonja,
Kosenamen von Sophia.

Mit den langen schwarzen Haaren
Um das weiße Angesicht
Und den großen braunen Augen
Und der schlanken langen Nase

Und den vollen Lippen kusslich
Und dem Lächeln voller Charme
Und den sechzehn Jahren glich sie
Meiner inneren Madonna.

Und wir Brüder Arbeitsmänner
Gingen in die Kneipe zechen,
Unter uns Madonna Sonja,
Und wir tranken Wein in Menge,

Und wir tranken über Maßen,
Und Madonna Sonja sagte,
Dass sie eine Bibel suche,
Nur zum Schutz vor Poltergeistern.

Und ich sagte weinbetrunken:
Herz, ich schenk dir eine Bibel.
Und ich tank und zechte weiter,
Brüder trugen mich nach Hause.

Und im Antiquariate
Kaufte ich am nächsten Tage
Eine Bibel für die Schöne,
Schenkte Gottes Wort dem Mädchen.

Sie bedankte sich von Herzen.
Sprach ich: Engel, schlag das Buch auf,
Lies mit mir das Hohelied,
Denn so lieb ich deine Schönheit.

Aber in der Jugendbibel
Fehlte, ach, das Lied der Lieder,
Salomo war allzu unkeusch
Für die Herren Theologen.

Und ich hörte Radio,
Und es war gestorben damals
Sankt Teresa von Kalkutta,
Sie, die wahre Mutter Kali.

Und ich hörte Radio
Und es war gestorben damals
Die Prinzessin Lady Di,
Die Diana Großbritanniens.

Und ich sah in meinem Geiste
Sankt Teresa von Kalkutta
Ihre Retterhände reichen
Der Diana Großbritanniens.

Und da küsste m ich die Muse,
Denn ich las, wie Vater Goethe
War in Bad Pyrmont gewesen,
In zwei Frauen war verliebt.

Und ich schrieb von Vater Goethe,
Der in Bad Pyrmont gewesen,
Wie er liebte Marion
Als die Traumfrau seiner Seele

Und wie er zugleich geliebt
Als die Freundin seines Lebens
Die liebreizende Karina,
Die er immer Anna nannte.


CANTUS II

Mit den Brüdern Arbeitsmännern
War ich in der Kneipe zechen,
Wie bei einer Orgie
Tranken wir bis zum Erbrechen.

Lieber Gott im Himmel, Gnade!
Ich erbrach mich auf die Bibel,
Und vom Neuen Testament
Blieb nur noch die Hälfte rein.

Was vom Neuen Testament
Rein geblieben vom Erbrochnen,
Brachte ich zum Druckerlehrling,
Der die Blätter neu gebunden.

Also von der Orgie
Noch am nächsten Morgen war
Ich betrunken und ich roch
Nach des roten Weines Fahne.

Mit dem Wagen fuhr ein Mann
Von der Arbeitsstelle mich
In das wunderschöne Hameln:
Bist du morgens schon betrunken?

Und ich sah den Rattenfänger,
Sah sein Denkmal an der Weser.
Ich, ich bin der Rattenfänger,
Mädchenfänger, Knabenfänger!

Und im wunderschönen Hameln
Kam ich in die Bücherei,
Ob ich werde Antiquar,
Um den Mammon zu verdienen.

Was denn suchen Sie bei uns
In der schönen Bücherei? -
Nun, ich liebe sehr die Bücher
Mit erotischer Verliebtheit! -

Haben Sie denn viel gelesen? -
Alles, was es Gutes gibt!
Weiß nicht, was ich weiter soll
Lesen, da ich alles kenne?

Fangen Sie von vorne an
Bei den allerbesten Büchern.
Wahre Dichter kann man immer
Doch von vorne wieder lesen.

Aber in der Bücherei,
Um den Mammon zu verdienen,
Muss man nicht die Bücher lieben
Mit erotischer Verliebtheit.

Alles ist wie im Büro,
Da gibts Zahlen, Lettern, Stempel,
Kürzel gibts von A bis O,
Die Beträge sind zu zahlen.

Und auch das Geschäft mit Büchern
Ist doch nichts für einen Dichter.
Denn im Bücherladen muss man
Lieben, was die Kunden lieben,

Und das ist nun einmal Dreck,
Triviale Schundromane
Von verliebten Medizinern
Für die kleine Sekretärin,

Ellenlange Fantasy
Für das Mädchen aus der Schule,
Schwedens Kriminalromane
Für die Hausfrau, den Büromann,

Für den Mann an dem Computer
Science-fiction, alles aber
Unter der Bedingung, das
Es nicht Goethe und Homer ist!

Also lernte ich in Hameln
In des Volkes Bücherei.
Doch ich fand auch einen Schatz:
Liliencron und seinen Poggfred.


CANTUS III

Und mein Doppelgänger Peter
Konnte lesen in den Wolken,
Er verstand die Schrift des Himmels,
Hatte mystische Visionen.

Und er sah am Sommerhimmel
Eine weiße Wolkenlandschaft,
Das war Asia, die großen,
Das war Indien und China,

Zwischen Indien und China
Das Gebirge Himalaya,
China war von reinster Tugend,
Ganz erfüllt von Mutter Tao,

Aber Indien versunken
War im schlimmsten Götzendienste
An dem Elefantengotte,
An dem Hindugott Ganesha,

Und da waren Götzenbilder
Oben an den Götzentempeln,
Da dem Elefantengottes
Seine Shakti sog am Phallus,

Und die Götzendiener brachten
Opfer dem Ganesha-Götzen,
Stellten Speise in die Gassen,
Ob der Gott das Opfer esse,

Doch ein Götze kann nicht essen,
Fressen können aber Ratten,
So in Indien die Ratten
Fraßen auf die Götzenopfer.

Und mein Doppelgänger Peter
Schaute in der Wolkenlandschaft
Eine weiße Riesenratte
Auf von Indien erklimmen

Das Gebirge Himalaya,
Und die weiße Riesenratte
Überwältigte Tibeter
Und eroberte dann China.

Und mein Doppelgänger Peter
Sah den blauen Sommerhimmel
Und zwei Wolken an dem Himmel,
Eine Wolke in den Blauen
War die weiße Riesenratte,

Und die andre weiße Wolke
War Sankt Michael, der Engel,
Welcher unter weißen Flügeln
Trug ein Schwert von Gold der Sonne,

Und ein Kampf war an dem Himmel,
Und Sankt Michael, der Engel,
Tötete die Riesenratte,
Warf sie in das Höllenfeuer!


CANTUS IV

Und mein Doppelgänger Peter
Ward verfolgt vom Satan Johann,
Welcher Jesus Christus nannte
Peters Abgott, diesen Schwächling.

Aber der Apostel Petrus
Und der Heilige Johannes
Liefen eilig um die Wette
Zu dem Grab des großen Gottes.

Und mein Doppelgänger Peter
Sah in allen Büschen huschen
Wie die Amseln braune Ratten,
Und da floh er in die Kirche.

Und im Zentrum dieser Kirche
Stand der Tabernakel Gottes
Und in einer Seitennische
Der Altar war der Madonna.

Peter in der Seitennische
Sah zur heiligen Madonna,
Die da stand im blauen Mantel
Und im rosenroten Kleide,

Unter ihren bloßen Füßen
Aber wand sich eine Schlange,
Nämlich Luzifer, der Satan,
Wird zertreten von der Jungfrau.

Und mein Doppelgänger Peter
Still entflammte eine Kerze,
Betete zu der Madonna,
Bat um Schutz vor Satans Ratten.

Aber hoch auf der Empore
Unterm Dach der Kirche Gottes
Plötzlich laut erklang die Orgel
Und der Lärm von Rattenfüßen,

Wie sie trippelten und huschten,
Wie sie wimmelten in Menge,
Peter packte Paranoia
Und er betete zu Petrus:

O mein Vater, o mein Petrus,
Steht im Neuen Testamente,
Dass allein dein Schatten heilte,
Wenn er fiel auf die Besessnen,

Siehe, heilger Vater Petrus,
Ich bin leider auch besessen,
Mich verfolgen die Dämonen,
Lege auf mich deinen Schatten!

Angsterfüllt, voll Paranoia,
Floh mein Doppelgänger Peter
Aus der Kirche Sankt Ludgeri,
Stets verfolgt von Satans Ratten.


CANTUS V

Und mein Doppelgänger Peter
Eilte heim an den Geburtsort,
Heim in seiner Kindheit Garten:
Hier, o Jesus will ich sterben!

Besser in dem Fegefeuer
Hunderttausend Jahre büßen,
Als zu leben in der Hölle
Mitten unter Satans Ratten!

Und mein Doppelgänger
Die katholische Kapelle
Fromm betrat und kniete nieder
Vor dem Tabernakel Gottes,

Trat zum Throne der Madonna,
Die war jung und schlank und herrlich,
War ein Mädchen zum Verliebten,
War die Frau der Offenbarung.

Und mein Doppelgänger Peter
Setzte auf die Kirchenbank sich,
Sah zu Christus an dem Kreuze,
Betete zum nackten Gotte.

Aber wie erschrak die Seele
Meines Doppelgängers Peter,
Als am Lendenschurze Christi
Eine Ratte er erblickte!

Gott, was hast du mich verlassen!
Selbst bei Christus an dem Kreuze
Plagen mich die Ratten Satans!
Bin ich denn bestimmt zur Hölle?

Freue dich, o Tochter Zion,
O Jerusalem, frohlocke!
Und mein Doppelgänger Peter
Stach sein Schwert in seinen Busen...


CANTUS VI

Und ich sah in meiner Jugend
Einen Spielmann, einen Jüngling,
Seine langen blonden Haare
Flossen ums Gesicht, das schlanke,

Seines schlanken Körpers Anmut
Von der Schönheit eines Mädchens
Wie ein blonder Strahl der Sonne
War mir eine Augenweide.

Nichts vom Homosexuellen!
Aber Schönheit, Spiegel Gottes,
Gibts nicht nur bei jungen Mädchen,
Schön ist Knabe auch und Jüngling.

Und mein Freund mit rotem Barte,
O mein Kaiser Barbarossa,
Wollt mit mir als Musikanten
Tingel-Tangel durch Europa.

Ich Pierrot voll Liebeskummer,
Er der Harlekin voll Lachen,
Aber meine Minnefreundin
War die Zofe Colombine.

Erstes Täubchen aller Täubchen,
Erste aller Colombinen!
Ganz wie sie gemalt Picasso:
Harlekin und seine Freundin.

Aber wer war denn der Jüngling?
Eine Adagio Venedigs?
So ein Karneval-Bajazzo?
Spielmann aus der Zeit der Minne?

Und der Kaiser Barbarossa
Kam mit dem Bajazzo-Jüngling
In mein Eremiten-Zimmer,
Und er machte seine lazzi.

Ihm auf seiner Schulter aber
Saß die weiße zahme Ratte
Margarethe, die er liebte,
Die spazierte durch mein Zimmer.

Und ich sagte: Barbarossa!
Gern mit dir, o Barbarossa,
Und mit meiner Colombine
Führe ich zum Tingel-Tangel,

Mit Adagio, dem Schönen,
Gerne auch im bunten Kleide,
Aber nimmer, o mein Kaiser,
Mit der Ratte Margarethe!


CANTUS VII

Ist nichts Neues unterm Monde!
Ist nichts Neues in dem Westen!
In des Weltkriegs Schützengräben
Fraßen Ratten auf die Männer!

Erster Weltkrieg, ach Gemetzel,
Sündenfall der Weltmonarchen,
Bruderkrieg der Christusvölker,
Urtragödie des Jahrhunderts!

Dies der Plan der Freien Maurer:
Einen Weltkrieg in Europa,
Um den Russen-Zar zu stürzen,
Bolschewismus einzuführen.

Dies der Plan der Freien Maurer:
Eines zweiten Weltkriegs Schrecken,
Um des Bolschewismus Terror
In Europa auszubreiten.

Dies der Plan der Freien Maurer:
Atomarer Dritter Weltkrieg!
Eine Internationale
Republik der Freien Maurer!

Als der Bolschewismus herrschte
Neunzehnhundertvierundachtig,
Gab es einen Dissidenten,
Den der Große Bruder quälte:

Die Geheimen Polizisten
Wussten, was die größte Angst war
Des gefangnen Dissidenten,
Dessen Ekel waren Ratten.

Also in der Kerkerzelle
Saß der Dissident gefangen,
Und sein Kopf war angebunden,
Einzig eine Röhre führte

Zu des Dissidenten Auge,
Und am Ende dieser Röhre
Eine Ratte saß im Kerker,
Ausgehungert diese Ratte.

Aber auch im roten China
Gabs den Großen Sprung des Terrors,
Da verhungerten die Bauern
Durch der Roten Garden Terror,

Und die Bäuerinnen fraßen
Alle Ratten, die sich mehrten,
Aber nach dem Rattenfressen
Fraßen sie die toten Babys.

Rosa Revolutionäre!
Homosexuellen-Ehe!
Spritzt man Ratten die Hormone,
Werden sie zu schwulen Ratten.


CANTUS VIII

Und ich liebte meine Evi,
Die allein war, ohne Gatten,
Die sich eine Wohnung baute,
Eine echte Zimmermännin,

Eine wahre Josephine
Und ein femininer Jesus,
Und ich half ihr bei der Arbeit
Als geringster Minnesklave.

Und da stand sie in der Höhe,
Stand in ihrem Schlafgemache
Vor dem heiß ersehnten Bette
Und sah huldvoll zu mir nieder,

Ich erhob zu ihr die Latte,
Schob sie durch die enge Luke,
Und ich hörte, was sie dachte,
Konnte lesen die Gedanken.

Und wie Diotima lehrte
Einst den Schüler von der Liebe,
Wird der Geist des Philosophen
In dem Schoß der Schönheit zeugen.

So war Evi Sankt Maria,
Jungfrau in dem Schlafgemache,
Ich der Geist des Herrn, der eindrang
Und das Jesusbaby zeugte.

Und so wurde Evi schwanger,
Sie war sicher, dass es werde
Eine Tochter, Seraphina
Oder Tiffany mit Namen.

In dem Uterus das Baby
War so groß wie eine Beere
Von der Traube an dem Weinstock,
Später ähnlich einem Brotlaib.

Als hochschwanger die Geliebte
Mit dem imposanten Bauche,
Sie erschien mir majestätisch,
Eine große Muttergottheit.

Und sie wollt in ihrer Kammer
Ihre Leibesfrucht gebären,
Aber in dem Hause huschte
Eine Ratte durch die Küche,

Fraß den Käse in der Küche,
Nagte an das Brot des Tisches.
Doch es kam kein Kammerjäger,
Evi tötet keine Tiere.

Und sie fing die wilde Ratte
Lebend in dem Rattenkäfig,
Fuhr sie dann im Rattenkäfig
Mit dem Auto in ein Wäldchen,

Setzte sie in diesem Wald aus,
Fuhr zurück, gebar das Kindlein,
Siehe da, es war ein Knabe,
Tom des Jesuszwillings Name.


CANTUS IX

Und wir gingen in dem Winter
Zu dem Flötenteich spazieren,
Evelin und ihre Kinder
Und der Frauenknecht und Dichter.

Und es war im Dunkel frostig
Und der Flötenteich gefroren,
Und es wimmelte von Ratten
In der Finsternis des Frostes.

Und ich rief: Nun schnell nach Hause!
Evi und die Kinder gingen
Neben mir den Weg nach Hause,
Und sie sprachen von den Ratten.

Frau und Kinder, Themenwechsel!
Ich will nichts von Ratten hören.
Sonst um Mitternacht im Bette
Wird ein Alptraum bös mich plagen.

Aber Frau und Kinder schwatzten
Weiter munter von den Ratten.
Einer sagte mir ironisch:
Achtung, da ist eine Ratte!

Und ich trennte mich von allen,
Ich ging eine andre Straße,
Heim in meine eigne Wohnung,
Wo man nicht von Ratten redet.

Und ich ging allein im Dunkel,
Und ich ging allein im Froste,
Und mir schien die dunkle Gegend
Wie das dunkle Lethe-Ufer.

Und ich hörte mir im Rücken
Einen Greis am Stocke gehen
Oder an dem Hirtenstabe
Oder an dem Bischofsstabe,

Und ich sah nach jenem Greisen,
Und er war ein Hauch von Schatten,
Kommend von dem Lethe-Ufer:
Sankt Johannes Paul der Große.

O wie war getrost mein Herz da,
Solchen Heiligen im Rücken,
Ihn, den Papa meines Geistes,
Den mir Gott zum Schutz gesendet!

CANTUS X

Der Prophet ging zu dem Weibe,
Das im schönen Schunem lebte,
Und er fragte, was sie möchte,
Und sie wollte einen Knaben.

Und der Gottesmann bat Jahwe,
Jahwe schenkte einen Knaben.
Als er sieben Jahre zählte,
Ward todkrank der kleine Knabe.

Der Prophet mit ganzem Herzen
Warf sich auf den toten Knaben,
Der da siebenmal geniest hat,
Und lebendig ward der Knabe.

Und ich war im Haus von Evi,
Die mir wandte zu den Rücken
Mit dem bittersten Gesichte,
Doch mich liebte sehr ihr Knabe.

Wenn wir auf dem Hochbett lagen,
Las ich vor sein Katzen-Epos,
Kraulte er mir in dem Barte
Und liebkoste meine Arme.

Und er sprach: Einst will ich werden
So wie du ein guter Onkel,
Nehm mir keine Frau zum Weibe,
Werde so wie du ein Dichter.

Er diktierte mir Geschichten,
Heiter komische Geschichten,
Ich schrieb sie mit der Maschine,
Band sie ihm zu kleinen Büchern.

Und er liebte Schokolade,
Von der Mutter streng verboten,
Und ich gab ihm Schokolade,
Die ihm schmolz im Leckermäulchen.

Eines Tages aber saßen
Wir in seinem Kinderzimmer,
In dem großen Spielzeug-Chaos,
Als es im Papier geraschelt.

Was ist das, was leise raschelt
In den epischen Papieren?
Das ist eine unsrer Ratten,
Kommen draußen aus den Sümpfen,

Große, fette, wilde Ratten,
Fressen weg die Schokolade,
Sterben von dem Gift in Ritzen,
Schrecklich ihre Leichen stinken!


CANTUS XI

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern,
Sing nicht ihre wilden Lieder,
Sang ein Kommunist und Sänger
In den Tagen meiner Jugend.

Also blieb ich fern dem Hause,
Wo die Freundin war verbittert,
Wo die wilden Ratten tobten,
Wo die Rattenleichen stanken.

Aber eine Christusfreundin
Einlud meinen lieben Knaben,
In dem Wald den Pfad zu finden
Mit der Christen Jugendgruppe.

Einmal ging mein lieber Knabe
Mit, im Wald den Pfad zu finden,
Wie einst ich in meiner Kindheit
Suchte auch, den Pfad zu finden.

Doch er fühlte sich ein bisschen
Einsam unter andern Kindern,
War verschlossen, etwas schüchtern,
Fand nicht Anschluss bei den Christen.

Und da sprach die Christus-Freundin:
Gestern war ich bei dem Knaben,
Wollt ihn in die Kirche bringen,
In dem Wald den Pfad zu finden.

Aber er stand an der Türe,
Sprach, er wollt zu Hause bleiben,
Denn nun müsse er sich kümmern
Um sein allerliebstes Haustier.

Aber was denn für ein Haustier?
Keine Bernardinerhunde,
Auch nicht Katze, auch nicht Meerschwein,
Nicht ein Käfig voll Kaninchen,

Sondern eine zahme Ratte!
Ach, es brach mein Herz im Herzen!
Wie vermisste ich den süßen Knaben!
Und ich sang ihm eine Ode:

Wollte gern, du wärest bei mir,
Ach wir zwei verlornen Seelen,
Sind doch wie ein Paar von Fischen
Im Aquarium gemeinsam!


CANTUS XII

Und ich ging zur Frau Karine,
Die im Bauernhause wohnte
Mitten in dem großen Garten
An dem stillen Weg der Hasen.

Und da saß ich vor dem Hause,
Rauchte still die Zigarette,
Trank mein Glas voll roten Weines,
Nicht ein Glas nur, eine Flasche,

Und ich betete alleine
Zu der Hagia Sophia,
Und da tat sich auf der Himmel,
Aufwärts in den Himmel führte

Eine Straße goldnen Lichtes,
Führte bis zum weißen Throne,
Wo die Caritas Divina
Saß in Herrlichkeit und Schönheit.

Und ich sah zur Erde wieder.
O Natur, du gute Mutter,
Innig lieb ich deine Lüfte
Wie der Vielgeliebten Atem.

Denn das lehrten sie Chinesen,
Ihren Atem zu vermischen
Mit dem Atem in der Schöpfung,
Mit dem Atemhauch des Schöpfers.

Und ich sah die Tannenbäume
In der Herrlichkeit der Sonne
Und des Geistes weiße Taube
Thronen auf dem Tannenwipfel.

Und ich sah zur Mutter Erde:
O du Mutter schwarzes Deutschland,
O du Mutter feuchte Erde,
O du Mutter Gottesmutter!

Und ich sah den Hahn, den Manne,
Mitten in der Hennen Harem,
Und er krähte, und es eilten
Eilig zu ihm seine Hennen.

Und der stolze Hahn, der Manne,
Stieg auf seiner Hennen Rücken,
Seine Frauen zu begatten,
Die es fromm gehorsam liebten.

Und ich sah die Große Mutter,
Sah die Gottheit Große Glucke,
Jesus, der wie eine Henne
Alle Küken Zions sammelt.

Da spazierte stolz die Henne
Mit dem ganzen Kindergarten
Ihrer allerliebsten Küken
In den Hühnerstall zum Futter.

Aber rings um diesen Garten,
Wo man Schafe sah am Deiche,
Pferde, Kühe auf den Weiden,
Reh und Hase auf den Wiesen,

Waren ringsum feuchte Sümpfe,
Wo die fetten wilden Ratten
Tobten, die am Abend kamen,
Süße Küken aufzufressen.

Und Treuliebchen mein, Karine,
Mir versprach mit treuen Augen,
Dass der Kammerjäger da war:
Sei nur ohne Angst und Sorgen.

Doch ich ahnte in dem Geiste,
Dass das Weib wie stets gelogen,
Denn sie log wie das Gedruckte,
Ohne des Gewissens Bisse.

Darum saß ich an dem Abend
Schaurig traurig vor dem Hause,
Da mein Liebchen mir gestorben.
(………………………………….)