VON TORSTEN SCHWANKE
CANTUS I
Bad Pyrmont, du
schöne Quelle,
Die ich sah mit
Arbeitsleuten,
Da wir neue Arbeit
suchten
Nach der langen Zeit
des Wahns.
Was ist eures Lebens
Zentrum,
Eures Lebens
Höhepunkt? -
Das ist Jesus
Christus, sprach ich,
Dafür wurde ich
verspottet.
Aber stets in meinem
Zimmer
Lag das Neue
Testament,
Ganz wie Luther es
geschrieben
In dem schönsten
Bibeldeutsch.
Und wir gingen auch
spazieren,
Sahen eine
Felsengrotte,
Gingen in den grünen
Wäldern,
Hügelan sie
schmalen Pfade.
Und wir waren auf
dem Marktplatz,
Der umrahmt war von
Alleen,
Und wir tranken
Wein, nicht Wasser,
Und wir predigten
den Wein!
Und da war ein
junges Mädchen,
Dem ich schön den
Hof gemacht,
Mit dem schönen
Namen Sonja,
Kosenamen von
Sophia.
Mit den langen
schwarzen Haaren
Um das weiße
Angesicht
Und den großen
braunen Augen
Und der schlanken
langen Nase
Und den vollen
Lippen kusslich
Und dem Lächeln
voller Charme
Und den sechzehn
Jahren glich sie
Meiner inneren
Madonna.
Und wir Brüder
Arbeitsmänner
Gingen in die Kneipe
zechen,
Unter uns Madonna
Sonja,
Und wir tranken Wein
in Menge,
Und wir tranken über
Maßen,
Und Madonna Sonja
sagte,
Dass sie eine Bibel
suche,
Nur zum Schutz vor
Poltergeistern.
Und ich sagte
weinbetrunken:
Herz, ich schenk dir
eine Bibel.
Und ich tank und
zechte weiter,
Brüder trugen mich
nach Hause.
Und im Antiquariate
Kaufte ich am
nächsten Tage
Eine Bibel für die
Schöne,
Schenkte Gottes Wort
dem Mädchen.
Sie bedankte sich
von Herzen.
Sprach ich: Engel,
schlag das Buch auf,
Lies mit mir das
Hohelied,
Denn so lieb ich
deine Schönheit.
Aber in der
Jugendbibel
Fehlte, ach, das
Lied der Lieder,
Salomo war allzu
unkeusch
Für die Herren
Theologen.
Und ich hörte
Radio,
Und es war gestorben
damals
Sankt Teresa von
Kalkutta,
Sie, die wahre
Mutter Kali.
Und ich hörte Radio
Und es war gestorben
damals
Die Prinzessin Lady
Di,
Die Diana
Großbritanniens.
Und ich sah in
meinem Geiste
Sankt Teresa von
Kalkutta
Ihre Retterhände
reichen
Der Diana
Großbritanniens.
Und da küsste m ich
die Muse,
Denn ich las, wie
Vater Goethe
War in Bad Pyrmont
gewesen,
In zwei Frauen war
verliebt.
Und ich schrieb von
Vater Goethe,
Der in Bad Pyrmont
gewesen,
Wie er liebte Marion
Als die Traumfrau
seiner Seele
Und wie er zugleich
geliebt
Als die Freundin
seines Lebens
Die liebreizende
Karina,
Die er immer Anna
nannte.
CANTUS II
Mit den Brüdern
Arbeitsmännern
War ich in der
Kneipe zechen,
Wie bei einer Orgie
Tranken wir bis zum
Erbrechen.
Lieber Gott im
Himmel, Gnade!
Ich erbrach mich auf
die Bibel,
Und vom Neuen
Testament
Blieb nur noch die
Hälfte rein.
Was vom Neuen
Testament
Rein geblieben vom
Erbrochnen,
Brachte ich zum
Druckerlehrling,
Der die Blätter neu
gebunden.
Also von der Orgie
Noch am nächsten
Morgen war
Ich betrunken und
ich roch
Nach des roten
Weines Fahne.
Mit dem Wagen fuhr
ein Mann
Von der
Arbeitsstelle mich
In das wunderschöne
Hameln:
Bist du morgens
schon betrunken?
Und ich sah den
Rattenfänger,
Sah sein Denkmal an
der Weser.
Ich, ich bin der
Rattenfänger,
Mädchenfänger,
Knabenfänger!
Und im wunderschönen
Hameln
Kam ich in die
Bücherei,
Ob ich werde
Antiquar,
Um den Mammon zu
verdienen.
Was denn suchen Sie
bei uns
In der schönen
Bücherei? -
Nun, ich liebe sehr
die Bücher
Mit erotischer
Verliebtheit! -
Haben Sie denn viel
gelesen? -
Alles, was es Gutes
gibt!
Weiß nicht, was ich
weiter soll
Lesen, da ich alles
kenne?
Fangen Sie von vorne
an
Bei den allerbesten
Büchern.
Wahre Dichter kann
man immer
Doch von vorne
wieder lesen.
Aber in der
Bücherei,
Um den Mammon zu
verdienen,
Muss man nicht die
Bücher lieben
Mit erotischer
Verliebtheit.
Alles ist wie im
Büro,
Da gibts Zahlen,
Lettern, Stempel,
Kürzel gibts von A
bis O,
Die Beträge sind zu
zahlen.
Und auch das
Geschäft mit Büchern
Ist doch nichts für
einen Dichter.
Denn im Bücherladen
muss man
Lieben, was die
Kunden lieben,
Und das ist nun
einmal Dreck,
Triviale
Schundromane
Von verliebten
Medizinern
Für die kleine
Sekretärin,
Ellenlange Fantasy
Für das Mädchen
aus der Schule,
Schwedens
Kriminalromane
Für die Hausfrau,
den Büromann,
Für den Mann an dem
Computer
Science-fiction,
alles aber
Unter der Bedingung,
das
Es nicht Goethe und
Homer ist!
Also lernte ich in
Hameln
In des Volkes
Bücherei.
Doch ich fand auch
einen Schatz:
Liliencron und
seinen Poggfred.
CANTUS III
Und mein
Doppelgänger Peter
Konnte lesen in den
Wolken,
Er verstand die
Schrift des Himmels,
Hatte mystische
Visionen.
Und er sah am
Sommerhimmel
Eine weiße
Wolkenlandschaft,
Das war Asia, die
großen,
Das war Indien und
China,
Zwischen Indien und
China
Das Gebirge
Himalaya,
China war von
reinster Tugend,
Ganz erfüllt von
Mutter Tao,
Aber Indien
versunken
War im schlimmsten
Götzendienste
An dem
Elefantengotte,
An dem Hindugott
Ganesha,
Und da waren
Götzenbilder
Oben an den
Götzentempeln,
Da dem
Elefantengottes
Seine Shakti sog am
Phallus,
Und die Götzendiener
brachten
Opfer dem
Ganesha-Götzen,
Stellten Speise in
die Gassen,
Ob der Gott das
Opfer esse,
Doch ein Götze kann
nicht essen,
Fressen können aber
Ratten,
So in Indien die
Ratten
Fraßen auf die
Götzenopfer.
Und mein
Doppelgänger Peter
Schaute in der
Wolkenlandschaft
Eine weiße
Riesenratte
Auf von Indien
erklimmen
Das Gebirge
Himalaya,
Und die weiße
Riesenratte
Überwältigte
Tibeter
Und eroberte dann
China.
Und mein
Doppelgänger Peter
Sah den blauen
Sommerhimmel
Und zwei Wolken an
dem Himmel,
Eine Wolke in den
Blauen
War die weiße
Riesenratte,
Und die andre weiße
Wolke
War Sankt Michael,
der Engel,
Welcher unter weißen
Flügeln
Trug ein Schwert von
Gold der Sonne,
Und ein Kampf war an
dem Himmel,
Und Sankt Michael,
der Engel,
Tötete die
Riesenratte,
Warf sie in das
Höllenfeuer!
CANTUS IV
Und mein
Doppelgänger Peter
Ward verfolgt vom
Satan Johann,
Welcher Jesus
Christus nannte
Peters Abgott,
diesen Schwächling.
Aber der Apostel
Petrus
Und der Heilige
Johannes
Liefen eilig um die
Wette
Zu dem Grab des
großen Gottes.
Und mein
Doppelgänger Peter
Sah in allen Büschen
huschen
Wie die Amseln
braune Ratten,
Und da floh er in
die Kirche.
Und im Zentrum
dieser Kirche
Stand der Tabernakel
Gottes
Und in einer
Seitennische
Der Altar war der
Madonna.
Peter in der
Seitennische
Sah zur heiligen
Madonna,
Die da stand im
blauen Mantel
Und im rosenroten
Kleide,
Unter ihren bloßen
Füßen
Aber wand sich eine
Schlange,
Nämlich Luzifer,
der Satan,
Wird zertreten von
der Jungfrau.
Und mein
Doppelgänger Peter
Still entflammte
eine Kerze,
Betete zu der
Madonna,
Bat um Schutz vor
Satans Ratten.
Aber hoch auf der
Empore
Unterm Dach der
Kirche Gottes
Plötzlich laut
erklang die Orgel
Und der Lärm von
Rattenfüßen,
Wie sie trippelten
und huschten,
Wie sie wimmelten in
Menge,
Peter packte
Paranoia
Und er betete zu
Petrus:
O mein Vater, o mein
Petrus,
Steht im Neuen
Testamente,
Dass allein dein
Schatten heilte,
Wenn er fiel auf die
Besessnen,
Siehe, heilger Vater
Petrus,
Ich bin leider auch
besessen,
Mich verfolgen die
Dämonen,
Lege auf mich deinen
Schatten!
Angsterfüllt, voll
Paranoia,
Floh mein
Doppelgänger Peter
Aus der Kirche Sankt
Ludgeri,
Stets verfolgt von
Satans Ratten.
CANTUS V
Und mein
Doppelgänger Peter
Eilte heim an den
Geburtsort,
Heim in seiner
Kindheit Garten:
Hier, o Jesus will
ich sterben!
Besser in dem
Fegefeuer
Hunderttausend Jahre
büßen,
Als zu leben in der
Hölle
Mitten unter Satans
Ratten!
Und mein
Doppelgänger
Die katholische
Kapelle
Fromm betrat und
kniete nieder
Vor dem Tabernakel
Gottes,
Trat zum Throne der
Madonna,
Die war jung und
schlank und herrlich,
War ein Mädchen zum
Verliebten,
War die Frau der
Offenbarung.
Und mein
Doppelgänger Peter
Setzte auf die
Kirchenbank sich,
Sah zu Christus an
dem Kreuze,
Betete zum nackten
Gotte.
Aber wie erschrak
die Seele
Meines Doppelgängers
Peter,
Als am Lendenschurze
Christi
Eine Ratte er
erblickte!
Gott, was hast du
mich verlassen!
Selbst bei Christus
an dem Kreuze
Plagen mich die
Ratten Satans!
Bin ich denn
bestimmt zur Hölle?
Freue dich, o
Tochter Zion,
O Jerusalem,
frohlocke!
Und mein
Doppelgänger Peter
Stach sein Schwert
in seinen Busen...
CANTUS VI
Und ich sah in
meiner Jugend
Einen Spielmann,
einen Jüngling,
Seine langen blonden
Haare
Flossen ums Gesicht,
das schlanke,
Seines schlanken
Körpers Anmut
Von der Schönheit
eines Mädchens
Wie ein blonder
Strahl der Sonne
War mir eine
Augenweide.
Nichts vom
Homosexuellen!
Aber Schönheit,
Spiegel Gottes,
Gibts nicht nur bei
jungen Mädchen,
Schön ist Knabe
auch und Jüngling.
Und mein Freund mit
rotem Barte,
O mein Kaiser
Barbarossa,
Wollt mit mir als
Musikanten
Tingel-Tangel durch
Europa.
Ich Pierrot voll
Liebeskummer,
Er der Harlekin voll
Lachen,
Aber meine
Minnefreundin
War die Zofe
Colombine.
Erstes Täubchen
aller Täubchen,
Erste aller
Colombinen!
Ganz wie sie gemalt
Picasso:
Harlekin und seine
Freundin.
Aber wer war denn
der Jüngling?
Eine Adagio
Venedigs?
So ein
Karneval-Bajazzo?
Spielmann aus der
Zeit der Minne?
Und der Kaiser
Barbarossa
Kam mit dem
Bajazzo-Jüngling
In mein
Eremiten-Zimmer,
Und er machte seine
lazzi.
Ihm auf seiner
Schulter aber
Saß die weiße
zahme Ratte
Margarethe, die er
liebte,
Die spazierte durch
mein Zimmer.
Und ich sagte:
Barbarossa!
Gern mit dir, o
Barbarossa,
Und mit meiner
Colombine
Führe ich zum
Tingel-Tangel,
Mit Adagio, dem
Schönen,
Gerne auch im bunten
Kleide,
Aber nimmer, o mein
Kaiser,
Mit der Ratte
Margarethe!
CANTUS VII
Ist nichts Neues
unterm Monde!
Ist nichts Neues in
dem Westen!
In des Weltkriegs
Schützengräben
Fraßen Ratten auf
die Männer!
Erster Weltkrieg,
ach Gemetzel,
Sündenfall der
Weltmonarchen,
Bruderkrieg der
Christusvölker,
Urtragödie des
Jahrhunderts!
Dies der Plan der
Freien Maurer:
Einen Weltkrieg in
Europa,
Um den Russen-Zar zu
stürzen,
Bolschewismus
einzuführen.
Dies der Plan der
Freien Maurer:
Eines zweiten
Weltkriegs Schrecken,
Um des Bolschewismus
Terror
In Europa
auszubreiten.
Dies der Plan der
Freien Maurer:
Atomarer Dritter
Weltkrieg!
Eine Internationale
Republik der Freien
Maurer!
Als der
Bolschewismus herrschte
Neunzehnhundertvierundachtig,
Gab es einen
Dissidenten,
Den der Große
Bruder quälte:
Die Geheimen
Polizisten
Wussten, was die
größte Angst war
Des gefangnen
Dissidenten,
Dessen Ekel waren
Ratten.
Also in der
Kerkerzelle
Saß der Dissident
gefangen,
Und sein Kopf war
angebunden,
Einzig eine Röhre
führte
Zu des Dissidenten
Auge,
Und am Ende dieser
Röhre
Eine Ratte saß im
Kerker,
Ausgehungert diese
Ratte.
Aber auch im roten
China
Gabs den Großen
Sprung des Terrors,
Da verhungerten die
Bauern
Durch der Roten
Garden Terror,
Und die Bäuerinnen
fraßen
Alle Ratten, die
sich mehrten,
Aber nach dem
Rattenfressen
Fraßen sie die
toten Babys.
Rosa Revolutionäre!
Homosexuellen-Ehe!
Spritzt man Ratten
die Hormone,
Werden sie zu
schwulen Ratten.
CANTUS VIII
Und ich liebte meine
Evi,
Die allein war, ohne
Gatten,
Die sich eine
Wohnung baute,
Eine echte
Zimmermännin,
Eine wahre Josephine
Und ein femininer
Jesus,
Und ich half ihr bei
der Arbeit
Als geringster
Minnesklave.
Und da stand sie in
der Höhe,
Stand in ihrem
Schlafgemache
Vor dem heiß
ersehnten Bette
Und sah huldvoll zu
mir nieder,
Ich erhob zu ihr die
Latte,
Schob sie durch die
enge Luke,
Und ich hörte, was
sie dachte,
Konnte lesen die
Gedanken.
Und wie Diotima
lehrte
Einst den Schüler
von der Liebe,
Wird der Geist des
Philosophen
In dem Schoß der
Schönheit zeugen.
So war Evi Sankt
Maria,
Jungfrau in dem
Schlafgemache,
Ich der Geist des
Herrn, der eindrang
Und das Jesusbaby
zeugte.
Und so wurde Evi
schwanger,
Sie war sicher, dass
es werde
Eine Tochter,
Seraphina
Oder Tiffany mit
Namen.
In dem Uterus das
Baby
War so groß wie
eine Beere
Von der Traube an
dem Weinstock,
Später ähnlich
einem Brotlaib.
Als hochschwanger
die Geliebte
Mit dem imposanten
Bauche,
Sie erschien mir
majestätisch,
Eine große
Muttergottheit.
Und sie wollt in
ihrer Kammer
Ihre Leibesfrucht
gebären,
Aber in dem Hause
huschte
Eine Ratte durch die
Küche,
Fraß den Käse in
der Küche,
Nagte an das Brot
des Tisches.
Doch es kam kein
Kammerjäger,
Evi tötet keine
Tiere.
Und sie fing die
wilde Ratte
Lebend in dem
Rattenkäfig,
Fuhr sie dann im
Rattenkäfig
Mit dem Auto in ein
Wäldchen,
Setzte sie in diesem
Wald aus,
Fuhr zurück, gebar
das Kindlein,
Siehe da, es war ein
Knabe,
Tom des
Jesuszwillings Name.
CANTUS IX
Und wir gingen in
dem Winter
Zu dem Flötenteich
spazieren,
Evelin und ihre
Kinder
Und der Frauenknecht
und Dichter.
Und es war im Dunkel
frostig
Und der Flötenteich
gefroren,
Und es wimmelte von
Ratten
In der Finsternis
des Frostes.
Und ich rief: Nun
schnell nach Hause!
Evi und die Kinder
gingen
Neben mir den Weg
nach Hause,
Und sie sprachen von
den Ratten.
Frau und Kinder,
Themenwechsel!
Ich will nichts von
Ratten hören.
Sonst um Mitternacht
im Bette
Wird ein Alptraum
bös mich plagen.
Aber Frau und Kinder
schwatzten
Weiter munter von
den Ratten.
Einer sagte mir
ironisch:
Achtung, da ist eine
Ratte!
Und ich trennte mich
von allen,
Ich ging eine andre
Straße,
Heim in meine eigne
Wohnung,
Wo man nicht von
Ratten redet.
Und ich ging allein
im Dunkel,
Und ich ging allein
im Froste,
Und mir schien die
dunkle Gegend
Wie das dunkle
Lethe-Ufer.
Und ich hörte mir
im Rücken
Einen Greis am
Stocke gehen
Oder an dem
Hirtenstabe
Oder an dem
Bischofsstabe,
Und ich sah nach
jenem Greisen,
Und er war ein Hauch
von Schatten,
Kommend von dem
Lethe-Ufer:
Sankt Johannes Paul
der Große.
O wie war getrost
mein Herz da,
Solchen Heiligen im
Rücken,
Ihn, den Papa meines
Geistes,
Den mir Gott zum
Schutz gesendet!
CANTUS X
Der Prophet ging zu
dem Weibe,
Das im schönen
Schunem lebte,
Und er fragte, was
sie möchte,
Und sie wollte einen
Knaben.
Und der Gottesmann
bat Jahwe,
Jahwe schenkte einen
Knaben.
Als er sieben Jahre
zählte,
Ward todkrank der
kleine Knabe.
Der Prophet mit
ganzem Herzen
Warf sich auf den
toten Knaben,
Der da siebenmal
geniest hat,
Und lebendig ward
der Knabe.
Und ich war im Haus
von Evi,
Die mir wandte zu
den Rücken
Mit dem bittersten
Gesichte,
Doch mich liebte
sehr ihr Knabe.
Wenn wir auf dem
Hochbett lagen,
Las ich vor sein
Katzen-Epos,
Kraulte er mir in
dem Barte
Und liebkoste meine
Arme.
Und er sprach: Einst
will ich werden
So wie du ein guter
Onkel,
Nehm mir keine Frau
zum Weibe,
Werde so wie du ein
Dichter.
Er diktierte mir
Geschichten,
Heiter komische
Geschichten,
Ich schrieb sie mit
der Maschine,
Band sie ihm zu
kleinen Büchern.
Und er liebte
Schokolade,
Von der Mutter
streng verboten,
Und ich gab ihm
Schokolade,
Die ihm schmolz im
Leckermäulchen.
Eines Tages aber
saßen
Wir in seinem
Kinderzimmer,
In dem großen
Spielzeug-Chaos,
Als es im Papier
geraschelt.
Was ist das, was
leise raschelt
In den epischen
Papieren?
Das ist eine unsrer
Ratten,
Kommen draußen aus
den Sümpfen,
Große, fette, wilde
Ratten,
Fressen weg die
Schokolade,
Sterben von dem Gift
in Ritzen,
Schrecklich ihre
Leichen stinken!
CANTUS XI
Spiel nicht mit den
Schmuddelkindern,
Sing nicht ihre
wilden Lieder,
Sang ein Kommunist
und Sänger
In den Tagen meiner
Jugend.
Also blieb ich fern
dem Hause,
Wo die Freundin war
verbittert,
Wo die wilden Ratten
tobten,
Wo die Rattenleichen
stanken.
Aber eine
Christusfreundin
Einlud meinen lieben
Knaben,
In dem Wald den Pfad
zu finden
Mit der Christen
Jugendgruppe.
Einmal ging mein
lieber Knabe
Mit, im Wald den
Pfad zu finden,
Wie einst ich in
meiner Kindheit
Suchte auch, den
Pfad zu finden.
Doch er fühlte sich
ein bisschen
Einsam unter andern
Kindern,
War verschlossen,
etwas schüchtern,
Fand nicht Anschluss
bei den Christen.
Und da sprach die
Christus-Freundin:
Gestern war ich bei
dem Knaben,
Wollt ihn in die
Kirche bringen,
In dem Wald den Pfad
zu finden.
Aber er stand an der
Türe,
Sprach, er wollt zu
Hause bleiben,
Denn nun müsse er
sich kümmern
Um sein
allerliebstes Haustier.
Aber was denn für
ein Haustier?
Keine
Bernardinerhunde,
Auch nicht Katze,
auch nicht Meerschwein,
Nicht ein Käfig
voll Kaninchen,
Sondern eine zahme
Ratte!
Ach, es brach mein
Herz im Herzen!
Wie vermisste ich
den süßen Knaben!
Und ich sang ihm
eine Ode:
Wollte gern, du
wärest bei mir,
Ach wir zwei
verlornen Seelen,
Sind doch wie ein
Paar von Fischen
Im Aquarium
gemeinsam!
CANTUS XII
Und ich ging zur
Frau Karine,
Die im Bauernhause
wohnte
Mitten in dem großen
Garten
An dem stillen Weg
der Hasen.
Und da saß ich vor
dem Hause,
Rauchte still die
Zigarette,
Trank mein Glas voll
roten Weines,
Nicht ein Glas nur,
eine Flasche,
Und ich betete
alleine
Zu der Hagia Sophia,
Und da tat sich auf
der Himmel,
Aufwärts in den
Himmel führte
Eine Straße goldnen
Lichtes,
Führte bis zum
weißen Throne,
Wo die Caritas
Divina
Saß in Herrlichkeit
und Schönheit.
Und ich sah zur Erde
wieder.
O Natur, du gute
Mutter,
Innig lieb ich deine
Lüfte
Wie der
Vielgeliebten Atem.
Denn das lehrten sie
Chinesen,
Ihren Atem zu
vermischen
Mit dem Atem in der
Schöpfung,
Mit dem Atemhauch
des Schöpfers.
Und ich sah die
Tannenbäume
In der Herrlichkeit
der Sonne
Und des Geistes
weiße Taube
Thronen auf dem
Tannenwipfel.
Und ich sah zur
Mutter Erde:
O du Mutter
schwarzes Deutschland,
O du Mutter feuchte
Erde,
O du Mutter
Gottesmutter!
Und ich sah den
Hahn, den Manne,
Mitten in der Hennen
Harem,
Und er krähte, und
es eilten
Eilig zu ihm seine
Hennen.
Und der stolze Hahn,
der Manne,
Stieg auf seiner
Hennen Rücken,
Seine Frauen zu
begatten,
Die es fromm
gehorsam liebten.
Und ich sah die
Große Mutter,
Sah die Gottheit
Große Glucke,
Jesus, der wie eine
Henne
Alle Küken Zions
sammelt.
Da spazierte stolz
die Henne
Mit dem ganzen
Kindergarten
Ihrer allerliebsten
Küken
In den Hühnerstall
zum Futter.
Aber rings um diesen
Garten,
Wo man Schafe sah am
Deiche,
Pferde, Kühe auf
den Weiden,
Reh und Hase auf den
Wiesen,
Waren ringsum
feuchte Sümpfe,
Wo die fetten wilden
Ratten
Tobten, die am Abend
kamen,
Süße Küken
aufzufressen.
Und Treuliebchen
mein, Karine,
Mir versprach mit
treuen Augen,
Dass der Kammerjäger
da war:
Sei nur ohne Angst
und Sorgen.
Doch ich ahnte in
dem Geiste,
Dass das Weib wie
stets gelogen,
Denn sie log wie das
Gedruckte,
Ohne des Gewissens
Bisse.
Darum saß ich an
dem Abend
Schaurig traurig vor
dem Hause,
Da mein Liebchen mir
gestorben.
(………………………………….)