DER SCHWANENRITTER


von Torsten Schwanke



ERSTER AKT

(Ein Garten am Ufer eines Flusses, im Vordergrund sitzt der Kaiser unter einer alten Eiche, ihm zunächst stehen Grafen, Adlige und Ritter, welche des Kaisers Heer bilden. Gegenüber stehen andere Grafen und Adligen, Ritter und Volk, an ihrer Spitze Graf Gerhard, zu dessen Seite Gräfin Hedda, seine Frau. Der Herold des Kaisers und vier Posaunenbläser schreiten in die Mitte. Die Bläser blasen das Kaiserlied.)

HEROLD
So hört, ihr Grafen, Adligen und Freien,
Der deutsche Kaiser kommt an diesen Ort,
Mit euch zu reden nach Gesetz und Recht.
Gebt ihr nun Frieden! Folgt des Herrn Geboten!

DAS VOLK
Wir schließen Frieden, folgen den Geboten.
Willkommen, Kaiser, hier in unsrer Heimat!

DER KAISER
Gott segne euch, ihr Männer und ihr Frauen!
Nicht sinnlos unternahm ich diese Reise.
Die Not des Vaterlandes ist sehr groß.
Soll ich euch von der großen Trübsal sagen?
Die Heiden dringen aus dem Osten ein.
Im Lande sollen alle Christen beten:
O Jesus, schütz uns vor dem Heidentum!
Doch mir, dem Kaiser von der Gnade Gottes,
Gebührt es, dem ein Ende zu bereiten.
Gewonnen habe Frieden ich in Deutschland
Neun Jahre lang, ich hab die Zeit genutzt,
Ich stärkte zur Verteidigung das Heer.
Die Frist ist nun vorbei und der Tribut
Wird uns verweigert und es rüsten sich
Die Feinde und bedrohen uns mit Krieg.
Nun ist es Zeit, für Christus einzutreten,
Fürs Vaterland und die geliebte Erde.
Im Westen und im Osten, wir sind eins!
Wer deutsch spricht, der verteidige die Heimat,
Dann niemand überwindet Christi Deutschland!

DAS VOLK
Mit Jesus für des deutschen Volkes Ruhm!

DER KAISER
Doch komme ich zu euch, seh ich zerstritten
Das Volk, da eure Fürsten sich befeinden.
Verwirrung in den Geistern, Streit und Zank
Ward mir berichtet von den deutschen Fürsten.
Drum ruf ich dich, o Gerhard, lieber Graf,
Ich kenne dich als Inbegriff der Tugend,
Sprich, dass ich kenne der Entzweiung Grund.

GRAF GERHARD
Ich danke dir, mein Kaiser, dass du kommst!
Die Wahrheit sag ich. Treue ist mir lieb.
Gestorben ist die Herzogin und mir
Empfahl sie ihren lieben beiden Kinder,
Die Tochter Swantje, eine Schwanen-Jungfrau,
Und Gottlieb, einen Singschwan vor dem Herrn.
Ich habe sie mit Liebe großgezogen,
Sie waren mir das Erbe ihrer Mutter.
Ermesse nun, o Kaiser, meine Schmerzen,
Als man mir meinen liebsten Knaben nahm!
Spazieren ging die Schwanen-Jungfrau Swantje
Mit ihrem Bruder, mit dem Singschwan Gottlieb.
Doch da verirrten sie sich in dem Walde,
O Schicksal, und der Knabe ging verloren.
Sie suchte ganz umsonst nach dem Geliebten.
Ich war sehr streng zu ihr, der Schwanin Swantje,
Sie war bereit zur Buße, weinte reuig.
Da ward ich so entsetzt vor jenem Mädchen,
Das mir zur Braut war auserkoren früher,
Wie ihre Mutter gnädig es bestimmt,
Dass ich auf sie verzichtete und nahm
Ein Weib, das meiner Augenlust gefiel.

(Auftritt Hedda.)

Und dies ist Hedda, meine Ehefrau,
Die ist des Friesenhäuptlings Radbod Tochter.
Nun aber klag ich Jungfrau Swantje an:
Sie hat ermordet meinen liebsten Knaben,
Ich schimpf sie eine Kindermörderin!
Ich bin der Graf und spreche Recht im Land,
Und meine Gattin Hedda ist die Gräfin,
Die führt die Friesen ein ins Kaiserreich,
Wir beide bitten dich, o deutscher Kaiser,
Gerechter, richte über Jungfrau Swantje!

ALLE MÄNNER
Mit schwerer Schuld beladen ist die Jungfrau!
Verflucht ist jede Kindermörderin!
Mit Grauen hören wir vom Kindermord!

DER KAISER
Graf Gerhard, das ist eine schwere Klage!
Kann eine Jungfrau solche Schuld belasten?

GRAF GERHARD
Mein Kaiser, dieses Mädchen ist verträumt,
Die ich voll Hochmut und voll Stolz verschmäht.
Sie liebt wohl heimlich einen Minneritter.
Sie dachte wohl, wenn erst der Knabe fort,
Ist sie allein die Erbin ihrer Mutter,
Dann könnte sie des Landes Herrin sein,
Dann dürfte auch zu ihr der Minneritter,
Der nun mit ihr verbotnes Taglied singt.

DER KAISER
Man rufe Jungfrau Swantje vors Gericht!
Gerichtet werde nach der reinen Wahrheit.
Jehova gieße mir die Weisheit ein!

HEROLD
Gilt hier Gerechtigkeit? Gilt hier Erbarmen?

DER KAISER
Ich häng den Schild mit meinem Adler auf
An dieser alten Eiche des Gerichts.
Nicht eher nehme ich herab den Schild,
Bis ich gerichtet hab nach Recht und Gnade.

ALLE MÄNNER
Nicht eher in die Scheide dringt das Schwert,
Bis die Gerechtigkeit gesprochen ist.

DER HEROLD
Wo ihr des Kaisers Adler Schild erkennt,
Dort hört das Urteil des Gerichts gerecht.
Ich rufe nun mit lauter Klage Ton:
O Jungfrau Swantje, komm, erscheine hier!

(Auftritt Swantje in einem weißen, goldgestickten Kleid; Frauen folgen ihr.)

DIE MÄNNER
O schaut! Es kommt die angeklagte Jungfrau!
Wie sie erscheint so strahlend und so lieblich!
Wer wagt es, diese Jungfrau anzuklagen?
Der wagt sehr viel und muss sich sicher sein.

DER KAISER
Bist du es, Schwanen-Jungfrau Swantje selbst?

(Swantje nnickt.)

Erkennst du mich als deinen Richter an?

(Swantje nickt.)

Ich frage dich, o Maid, ist dir bekannt,
Für welche Sünde du bist angeklagt?

(Swantje nickt.)

Was sagst du zu der Schuldzuweisung, Mädchen?

(Swantje, durch eine Gebärde: Nichts!)

So also gibst du deine Sünde zu?

SWANTJE
Ah weh, mein Liebling, mein geliebter Gottlieb!

ALLE MÄNNER
Wie wunderbar! Wie innig ist ihr Gram!

DER KAISER
Sprich, Swantje! Was hast du dem Herrn zu beichten?

SWANTJE
In Einsamkeit hab ich zu Gott geschrien,
Des Herzens Qual ergossen im Gebet.
Da drang aus meinem Stöhnen eine Klage,
Die Töne strömten aufwärts in die Nacht.
Die Augenlider sind gesunken mir,
Ich bin versunken wie in eine Trance.

ALLE MÄNNER
Die Träumerin! Ward sie zu Gott entrückt?

DER KAISER
Wach auf und wehre dich der Schuldzuweisung.

SWANTJE
Ich sah auf einem Wagen, der gezogen
Von schwarzen Schwänen ward, den Minneritter,
Erfüllt von allen Rittertugenden,
Ein goldnes Jagdhorn trug er an dem Gürtel,
Er lehnte sich aufs Schwert mit goldnem Knauf,
So kam er aus dem Himmelreich zu mir,
Mit keuschem Lächeln brachte er mir Trost.
Auf diesen Minneritter will ich warten,
Er soll mein Anwalt vorm Gerichte sein.

ALLE MÄNNER
Erleuchte uns von oben Gottes Gnade,
Dass wir erkennen, wo die Sünde liegt.

DER KAISER
Graf Gerhard, mir bekannt ist deine Ehre,
Weißt du in Wahrheit, wen du angeklagt?

GRAF GERHARD
Nein, mich verwirren ihre Träume nicht!
Ihr hört, sie schwärmt von einem Minneritter!
Ich weiß genau, warum ich sie verklage,
Ich habe Zeugen und gewisse Kunde.
Doch will ich mit den Zweiflern mich nicht zanken,
Denn das ist unter meiner hohen Würde.
Hier stehe ich, die Hand am scharfen Schwert,
Wer wagt es, gegen meinen Ruhm zu kämpfen?

GRAF GERHARDS LEUTE
Wir kämpfen gerne, Herr, für deinen Ruhm!

GRAF GERHARD
Mein Kaiser, denkst du noch an meinen Dienst,
Wie ich des Nordens Heiden ausgetrieben?

DER KAISER
Wie könnt ich deine Dienste je vergessen?
Gern setze ich dir auf des Ruhmes Kranz!
Du sollst regieren deiner Grafschaft Volk.
Der HERR entscheide jetzt in dieser Frage!

ALLE MÄNNER
Wohlan denn, auf zu dem Gericht des HERRN!

DER KAISER
Ich frage dich, Graf Gerhard, edler Ritter,
Bist du bereit zu einem Ritter-Tjost,
Zu einem Ritterkampf auf Tod und Leben,
Um den Gerichtsspruch Gottes zu bewirken?

GRAF GERHARD
Ich bin bereit, auf Tod und Leben, Herr!

DER KAISER
Ich frage dich, o Schwanen-Jungfrau Swantje,
Willst du, dass hier auf Tod und Leben kämpfe
Ein ritterlicher Mann für deine Unschuld?

SWANTJE
Ich wills. Die Minne Gottes steh mir bei!

DER KAISER
Wen wählst du dir zum ritterlichen Anwalt?

GRAF GERHARD
So hört jetzt ihres Vielgeliebten Namen!

DAS VOLK
Wer Ohren hat, der höre! Seid nur achtsam.

SWANTJE
(mit schwärmerischem Ausdruck)
Den Ritter will ich wählen, der mir hilft.
Hört, was ich dem von Gott geschickten Ritter
Für seine Hilfe geb als Minnesold:
In meines königlichen Vaters Land
Soll auf dem Haupte er die Krone tragen.
Ich preise selig mich und benedeit,
Nimmt er mein Hab und Gut zum Danke an.
Und will er Braut und Liebe Frau mich nennen,
So geb ich ganz mich hin und meine Perle!

ALLE MÄNNER
Ein schöner Lohn! Das mag der Herr uns geben!
Wer für den Heiland streitet, wird gekränzt!

DER KAISER
Schon im Zenit steht Sol, der Bräutigam,
So ist es höchste Zeit für die Posaune!

(Die Posaunen werden in alle vier Himmelsrichtungen geblasen)

DER HEROLD
Wer in dem Gottesurteil kämpfen will
Für Jungfrau Swantje, reite in die Schranken!

(Stille. Swantje voll Erwartung.)

ALLE MÄNNER
Auf der Posaune Schall kein Retter kam.

GRAF GERHARD
(auf die Jungfrau deutend)
Hab ich die Jungfrau nicht zu Recht verklagt?

ALLE MÄNNER
Wie schlecht es um der Jungfrau Sache steht!

GRAF GERHARD
Ich habe recht, und recht hat nicht die Jungfrau.

SWANTJE
(zum Kaiser tretend)
O allerhöchste Majestät und Kaiser,
Ich fleh dich an: Du rufe meinen Retter!

DER KAISER
(zum Herold)
Noch einmal blase zu dem Gottesurteil!

(Posaunen werden zum zweitenmal geblasen.)

DER HEROLD
Wer in dem Gottesurteil kämpfen will
Für Jungfrau Swantje, reite in die Schranken!

(Stillschweigen.)

ALLE MÄNNER
Gott, der das Wort ist, schweigt in seinem Zorn.

(Swantje betet. Die Frauen treten zu ihrer Herrin.)

SWANTJE
O Herr, trag meine klagenden Gebete
Zum Ritter, dass er kommt auf dein Gebot,
Und sage meinem Ritter, dass ich brauche
Den Trost von ihm und in der Not den Beistand!

DIE FRAUEN
Herr Gott, erhöre uns und schick den Beistand!

SWANTJE
(In Entzückung)
Lass mich ihn sehen, wie ich ihn geschaut,
Und wie ich ihn geschaut, so soll er kommen!

(Der Schwanenritter naht in einer schwarzen Gondel, von einem schwarzen Trauerschwan gezogen.)

DIE MÄNNER
Ein Schwan! Was ist das für ein Himmelszeichen?
Ein schwarzer Schwan zieht eine schwarze Gondel!
Der Schwanenritter steht erhaben aufrecht!
Wie glüht sein Schwert! Die Augen sind geblendet
Von solcher Schönheit! Schaut, er kommt heran,
Vom Rosenband gezogen wird die Gondel!

(Die Männer und das Volk ab, nur der Kaiser, Swantje, Graf Gerhard, Gräfin Hedda und die Frauen bleiben. Von seinem erhöhten Platz aus überblickt der Kaiser alles; Graf Gerhard und Gräfin Hedda sind erschrocken; Swantje wagt nicht, den Schwanenritter anzublicken. Die Männer kommen wieder.)

DIE MÄNNER
Ein Wunder ist geschehn, die Sonne tanzt!

DIE FRAUEN
Gelobt sei Gott der Herr, der schützt die Jungfraun!

SWANTJE
O Liebe Gottes, sei gebenedeit!

MÄNNER UND FRAUEN
Gegrüßet seist du, gottgesandter Retter!

(Der Schwanenritter, gekleidet in schwarzen Samt, steigt aus der Gondel.)

DER SCHWANENRITTER
(zum Schwan)
Ich sage Danke dir, mein schwarzer Schwan,
Du treuer Trauerschwan Arminion!
Begib dich wieder in die Flut des Wassers,
Kehr wieder nach Venedig zu den Gondeln,
Und wenn du wiederkommst, dann uns zum Heil!
Du treuer Diener, wohlgetan, mein Freund,
Adieu, ich liebe dich, Arminion!

(Der Schwan schwimmt fort. Der Schwanenritter schaut ihm wehmütig nach.)

MÄNNER UND FRAUEN
Wie uns ergreift Entzücken und Entsetzen!
Wie sind wird doch gebannt von solcher Schönheit!
O Adel der Figur im Glanze Gottes!
Ein Wunder hat den Retter uns gebracht!

DER SCHWANENRITTER
(verneigt sich vor dem Kaiser)
Gesegnet bist, o Kaiser du von Deutschland!
Mag Gottes Gnade immer auf dir ruhn!
Unsterblich sei dein Ruhm bei allen Völkern,
Dein Name geh nicht unter hier auf Erden!

DER KAISER
Ich danke dir, du edler Schwanenritter!
Erkenne ich die Macht, die dich gesandt,
So wurdest du gesandt von Gottes Liebe!

DER SCHWANENRITTER
Zu kämpfen zur Verteidigung der Jungfrau,
Die von den Spötterzungen ward verletzt,
Bin ich gekommen auf Geheiß des Herrn.
(zu Swantje)
So rede, Swantje, makelloses Mädchen,
Wenn ich von Gott ernannt zu deinem Ritter,
Willst du dich meinem Beistand anvertrauen?

SWANTJE
Mein Held, mein Ritter, mehr geliebt als Bruder,
Dir geb ich ganz mich hin von ganzem Herzen!

DER SCHWANENRITTER
Und wenn ich sieg im Kampf um deine Ehre,
Wirst du mir werden Braut und Liebe Frau?

SWANTJE
Wie ich bezaubert bin von deiner Liebe,
Geb ich mich ganz dir hin, mit Leib und Seele!

DER SCHWANENRITTER
O Swantje, soll ich sein dein Bräutigam
Und Schutzgeist werden deinem eignen Volk,
Soll nichts uns scheiden, weder Tod noch Leben,
So sollst du mir geloben deine Treue.
Und nie nach meinem Namen sollst du fragen,
Wie Eros einst gebot der Jungfrau Psyche,
Auch sollst du nicht nach meinem Ursprung forschen.

SWANTJE
Ich werde dir gehorsam sein, mein Herr.

DER SCHWANENRITTER
Hast du in Wahrheit auch gehört die Botschaft?
So sollst du mir geloben deine Treue!
Und nie nach meinem Namen sollst du fragen,
Wie Eros einst gebot der Jungfrau Psyche,
Auch sollst du nicht nach meinem Ursprung forschen.

SWANTJE
Mein Schutzgeist und mein Engel und mein Ritter!
Du glaubst allein, dass ich bin ohne Makel!
Wie könnt ich jemals zweifeln da an dir
Und deiner Weisung nicht gehorchen, Herr?
Wie du mich rettest, Herr, aus Todesnot,
Gelob ich dir die Treue meiner Liebe!

DER SCHWANENRITTER
Du meine Minne, meine Makellose!

(Beide verweilen eine Zeitlang in der angenommenen Stellung.)

MÄNNER UND FRAUEN
O welches Wunder dürfen wir erblicken!
Ist das Magie? Ist das ein Liebezauber?
O Wonne dieses wunderschönen Paares!

DER SCHWANENRITTER
(führt Swantje zum Kaiser und vertraut sie ihm an)
Nun höre, deutsches Volk und deutscher Adel:
Die Jungfrau ist von allen Makeln frei!
Graf Gerhard, lass du deine Lästerungen,
Ich fordre dich zum Zweikampf um die Wahrheit!

GRAF GERHARDS ADLIGE
Graf Gerhard, lass nur ab von diesem Kampf,
Denn du vermagst nichts gegen Gottes Helden!
Was nützt dir deine Zunge und dein Schwert,
Wenn Gott selbst segnet deinen Gegenstreiter?
Graf, wir ermahnen dich in aller Treue,
Dir werden Reuetränen nur zuteil.

GRAF GERHARD
(schaut auf den Schwanenritter)
Ich wäre lieber tot doch als ein Feigling!
Dich führt dämonische Magie hierher,
Du Fremder, der du aus dem Ausland kommst,
Doch hab ich keine Angst vor deinem Zorn,
Weil ich die Wahrheit sag: Die Frau ist sündig!
Und darum nehm ich gern den Wettkampf auf
Und hoff mit Gottes Gnade auf den Sieg.

DER SCHWANENRITTER
O Kaiser, segne unsern Minnekrieg!

DER KAISER
Nun reitet in die Schranken, edle Ritter,
Die Wahrheit Gottes siegt in jedem Streit!

DER HEROLD
Nun hört! Der Ehre Kampf soll keiner stören!
Bleibt fern von dem geweihten Rosenhag!
Wer stören wird des Friedens stillen Segen,
Baron und Bauer, der kommt in den Kerker.

ALLE MÄNNER
Wer stören wird des Friedens stillen Segen,
Baron und Bauer, der kommt in den Kerker.

HEROLD
(an Graf Gerhard und den Schwanenritter)
Hört ihr auch zu, ihr Streiter um die Wahrheit!
Seid treu der edlen ritterlichen Tugend!
Stört nicht mit einer magischen Beschwörung
Das Gottesurteil, das vom Himmel kommt!
Es richtet Gott die Lebenden und Toten,
So traut euch ganz der Herrschaft Gottes an!

DER SCHWANENRITTER UND GRAF GERHARD
Es richtet Gott die Lebenden und Toten,
Wir trauen uns der Herrschaft Gottes an!

DER KAISER
(betet, alle knien und falten die Hände)
Mein Herr und Gott, dich ruf ich heute an,
Dass du im Wahrheitsstreit zugegen bist!
Sprich durch den Sieg des Ritters deiner Wahrheit
Das rechte Urteil über Schuld und Unschuld
Der Gottesmagd, die in der Mitte steht!
Dem Arme des Gerechten gib du Kraft,
Des Lügners Stärke lasse du erschlaffen!
So hilf uns, Gott, mit deiner Gottesweisheit,
Weil Menschenweisheit Torheit ist vor dir!

SWANTJE UND DER SCHWANENRITTER
O Gott, komm zum Gericht und sprich dein Uurteil!
Wir lieben dich und wollen nicht verzagen.

GRÄFIN HEDDA
Ich traue nur auf meines Mannes Kraft,
Der Mann wird sich mit eignen Händen helfen.

GRAF GERHARD
Ich fürchte mich vor dem Gericht des Vaters!
Allein die Gnade Jesu steh mir bei!

DER KAISER
Mein Herr und Gott, dich ruf ich heute an,
Dass du im Wahrheitsstreit zugegen bist!
Sprich durch den Sieg des Ritters deiner Wahrheit
Das rechte Urteil über Schuld und Unschuld
Der Gottesmagd, die in der Mitte steht!
So künde nun dein Urteil des Gerichts,
Mein Herr und Gott, komm eilends uns zu Hilfe!

DER HEROLD UND DIE MÄNNER
Dem Arme des Gerechten gib du Kraft,
Des Lügners Stärke lasse du erschlaffen!
So künde nun dein Urteil des Gerichts,
Mein Herr und Gott, komm eilends uns zu Hilfe!

DIE FRAUEN
O Herr der Herren, segne unsern Kaiser!

DER SCHWANENRITTER
(sein Schwert an Gerhards Kehle)
Durch Gottes Urteil ist dein Leben mein!
Ich schenk es dir! Du weihe es der Buße!

DER KAISER
(steckt sein Schwert in die Scheide)
Triumph, Triumph dem unbefleckten Herzen!

MÄNNER UND FRAUEN
Heil, makellose Wahrheit, die du siegtest!

SWANTJE
O könnte singen ich mit Jubelschall
Ein Lied, das deines Ruhmes würdig wäre!
Ich wollte dich nach deiner Würde preisen,
Den höchsten Lobpreis Gottes Helden weihen!
Ach, ich vergehe in Verzückung, Liebster,
Ich schwinde hin in Seligkeit, mein Schatz!
Das sei mir die Glückseligkeit der Seele:
Ich gebe ganz mich hin dem Bräutigam!

(Der Kaiser führt Swantje zum Schwanenritter, sie umarmen sich.)

DIE MÄNNER
Ertöne, Hymne des Triumphs der Wahrheit,
Dem Gotteshelden schalle laut der Lobpreis!
Heil deiner Ankunft zu der rechten Stunde!
Heil deiner Kraft, Beschützer reiner Jungfraun!
Dir singen wir die hochgestimmten Lieder!
Du bist der Ritter Gottes! Ohnegleichen!

GRÄFIN HEDDA
Wer ist der Mann, der meinen Mann geschlagen?
Wer ist der Mann, durch den ich machtlos bin?

DER SCHWANENRITTER
(zu Swantje)
Der Sieg ist deiner Reinheit ganz allein!
Was du gelitten an Beleidigungen,
Das soll dir nun mit Huld vergolten sein.

DIE FRAUEN
O könnte singen ich mit Jubelschall
Ein Lied, das deines Ruhmes würdig wäre!
Ich wollte dich nach deiner Würde preisen,
Den höchsten Lobpreis Gottes Helden weihen!

GRAF GERHARD
(im Staube)
Mich hat der Herr geschlagen und gestraft!
Ich bin mir meines Heiles nicht mehr sicher
Und all mein Ruhm ist hin in Welt und Nachwelt.



ZWEITER AKT

(Fürstenburg. Im Hintergrund die Wohnungen der Ritter, im Vordergrund die Wohnungen der Damen, in der Mitte die Pforte. Nacht. Aus dem Inneren der Burg kommt frohe Musik. Vor dem Tor sitzen Graf Gerhard und Gräfin Hedda in Lumpen und mit verbittertem Gesicht.)

GRAF GERHARD
Erhebe dich, Genossin meiner Leiden!
Der junge Tag soll uns hier nicht mehr sehen.

GRÄFIN HEDDA
Ich kann nicht. Ich bin hier wie festgebannt.
Denn höre ich ihr Fest die Feinde feiern,
Dann sauge ich daraus ein Schlangengift,
Dass unser Leid und ihre Freude ende!

GRAF GERHARD
Du Schreckensgöttin, bannst du mich hier fest?
Was lass ich dich nicht sitzen hier allein
Und flieh, dass mein Gewissen Frieden findet!
Muss ich verlieren allen meinen Ruhm?
Nie soll mich mehr ein Wort der Ehrung kränzen!
Ich bin ein Heros nur der tiefsten Leiden!
Ich bin ein Vogelfreier nun im Reich,
Verflucht ist nun der Stammbaum meines Vaters!
Selbst Räuber in den Wäldern meiden mich.
O wär ich tot, da ich so elend bin!
Doch selbst der Tod vermeidet meine Seele!

GRÄFIN HEDDA
Was ist der Grund für solchen wilden Jammer?

GRAF GERHARD
Dass mir das Messer fehlt, dich zu ermorden!

GRÄFIN HEDDA
Warum vertraust du denn nicht deiner Frau?

GRAF GERHARD
Dein Zeugnis war es, das mich so verzaubert,
Dass ich die Jungfrau Swantje angeklagt,
Du hast gesagt, du hättest sie gesehen,
Wie Swantje ihren Bruder umgebracht!
Dann sagtest du, der Friesen Häuptling Radbod
Will mir vermachen Reich und Häuptlingstochter,
So dass ich losgesagt mich von der Jungfrau,
Zur Ehe nahm die friesische Prinzessin.

GRÄFIN HEDDA
Wie tödlich schmerzt mich diese böse Kränkung!
Doch ja, dies alles waren meine Worte.

GRAF GERHARD
So machtest du den edlen Grafen Gerhard
Zum Mitgenossen deines Truggespinstes!

GRÄFIN HEDDA
Wer hat gelogen von der Jungfrau Schuld?

GRAF GERHARD
Du hast gelogen! Und in dem Gericht
Bestrafte Gott mich, dass ich dir geglaubt!

GRÄFIN HEDDA
Ja, meinst du, Gott der Herr hat dich geschlagen?

GRAF GERHARD
Wie furchtbar klingt in deinem Munde Gott!

GRÄFIN HEDDA
Und du nennst deine eigne Schwäche Gott!

GRAF GERHARD
Beherrsche, Hedda, deiner Zunge Zank!

GRÄFIN HEDDA
Willst du, ein Schwächling, deiner Herrin drohen?
O hättest du mit solchem Zorn und Grimm
Den Mann bekämpft, der dich ins Elend schickt,
Statt Leiden hättest du Triumph errungen!
Denn wer dem Schwanenritter tritt entgegen,
Der findet ihn noch schwächer als ein Kind.

GRAF GERHARD
Je schwächer aber ist der Schwanenritter,
Um desto stärker ist die Rache Gottes!

GRÄFIN HEDDA
Die Rache Gottes? Nein, das ist es nicht.
Gib mir die Vollmacht, und ich will dir zeigen,
Was für ein Schwächlingsgott den Ritter schützt.

GRAF GERHARD
Du wilde Seherin der alten Göttin!
Du willst mir meine Seele wohl bezaubern?

GRÄFIN HEDDA
In dem Palast die üppigen Genießer
Zur Ruhe gehen, und das Licht ist aus.
Die Stunde ist gekommen, es ist Zeit,
Dir leuchtet nun der Blick der Seherin!
Doch weißt du, wer der Ritter ist, dem heute
Der Trauerschwan die Gondel zog an Land?

GRAF GERHARD
Das weiß ich nicht. Wer ist der Unbekannte?

GRÄFIN HEDDA
Was, wenn ich seinen Namen dir nun nenne?
Denn wenn er seinen Namen offenbart,
Dann ist auch seine Manneskraft zu Ende,
Denn seine Kraft hat er von der Magie,
Hat er vom Zauber der Verschwiegenheit.

GRAF GERHARD
Nun, ich verstehe, warum er geboten,
Man dürfe nicht nach seinem Namen fragen.

GRÄFIN HEDDA
Hier hat doch keiner die Gewalt und Macht,
Ihm den geheimen Namen zu entlocken,
Als nur das Mädchen, der er es verbot.

GRAF GERHARD
So gilt es also, Swantje zu verführen,
Dass sie ihn fragt nach dem geheimen Namen.

GRÄFIN HEDDA
Mann, du begreifst sehr schnell, du bist sehr klug.

GRAF GERHARD
Wie aber könnte Swantje man verführen?

GRÄFIN HEDDA
Vor allem gilt es, hier im Reich zu bleiben
Und nicht zu fliehen aus dem Vaterland.
Bemühe deinen Geist und deine Weisheit!
Verklag den Schwanenritter vor der Jungfrau
Und sag, er habe die Magie benutzt
Und so getäuscht das Urteil des Gerichts.

GRAF GERHARD
Ja, teuflische Magie der alten Hexen.

GRÄFIN HEDDA
Und will das nicht gelingen, bleibt Gewalt.

GRAF GERHARD
Gewalt, was meinst du für Gewalt, o Frau?

GRÄFIN HEDDA
Nun, nicht umsonst hab ich Magie studiert.
Denn wenn durch Zauber ist ein Mann gewaltig,
So reiße man ihm ab den kleinsten Finger,
Er zeigt sich dann in seiner ganzen Ohnmacht.

GRAF GERHARD
Es möge Wahrheit sein, was du so redest!

GRÄFIN HEDDA
Ja, hättest du im Kampf nur Einen Finger,
Den kleinen Finger nur der linken Hand,
Ja, einen Fingernagel abgerissen,
Der Ritter wäre ganz in deiner Macht.

GRAF GERHARD
Wie grauenhaft! Was lässt du da mich hören?
Ich dachte doch, mich hätte Gott geschlagen,
Nun aber hat Magie getäuscht das Urteil,
Und durch Magie verlor ich meinen Ruhm!
Doch kann ich rächen mich an meinem Feind,
Dem deutschen Kaiser meine Gunst beweisen?
Kann ich den Zauber brechen, die Magie
Des Nebenbuhlers um die Huld von Swantje?
O Hedda, du mein Beistand in der Nacht,
Betrügst du wieder mich, dann wehe dir!

GRÄFIN HEDDA
Wahnsinniger! Sei ruhig und besonnen!
Ich lehre dich die hohe Lust der Rache!

HEDDA UND GERHARD
Lass uns beschwören nun der Rache Werk
Aus tiefen Mitternächten unsrer Seelen!
Ihr Feinde, die ihr süß schlaft in den Betten,
Es wacht an eurem Bett des Unheils Rache!

(Swantje, im weißem Seidenkleid, wie eine Schwanenjungfrau, erscheint auf dem Balkon.)

SWANTJE
Dir Mond, der oft mein Herz mit Trost erfüllt,
Dir will ich danken für die süße Lust!

GRÄFIN HEDDA
Sie ists, die himmlische Walkyre dort.

GRAF GERHARD
O Swantje, junges Mädchen meiner Minne!

SWANTJE
Vom Himmel kam der schöne Held herab,
Ihm zog der Trauerschwan die schwarze Gondel,
Und auf des Meeres abgrundtiefem Chaos
Hat ihn die Dame auf dem Mond behütet.

GRÄFIN HEDDA
Die Stunde soll das Mädchen noch verfluchen,
Da sie gesehen meinen Bösen Blick!

SWANTJE
O Mond, ich bat dich oft schon, meine Tränen
Der Trauer von den Wangen abzutrocknen,
Nun bitt ich dich, die Feuersglut zu kühlen,
Die heißer Liebe Lust in mir entfacht!

GRÄFIN HEDDA
Geh, Gerhard, geh ein wenig weg von hier.

GRAF GERHARD
Warum dies, Hedda, meine strenge Herrin?

GRÄFIN HEDDA
Das junge Mädchen, mir ists ausgeliefert,
Der Heros stehe dann in deiner Macht.

(Gerhard entfernt sich.)

SWANTJE
Nun bitt ich dich, die Feuersglut zu kühlen,
Die heißer Liebe Lust in mir entfacht!
O Mond, ich brenne in der Liebe Feuer!

GRÄFIN HEDDA
O Swantje, Swantje, hör, ich rufe dich!

SWANTJE
Wer ruft mich da? Wie schauerlich erklingt
Mein Name grausig in der Mitternacht!

GRÄFIN HEDDA
Ist meine Stimme dir so fremd denn, Swantje?
Ich bin das arme Weib, das du verbannt hast
Und hast mich ausgeliefert meinem Elend!

SWANTJE
O Hedda, du? Die friesische Prinzessin!
Was machst du hier, du unglückvolle Frau?

GRÄFIN HEDDA
Ja, Hedda, ich, die unglückvolle Frau,
Du hast den rechten Namen mir gegeben.
In tiefster Einsamkeit des dunklen Waldes
Ich lebte mit dem Mond und meinem Schatten,
Was hab ich dir getan, du jüngstes Mädchen?
Nun bin ich ohne Freude all mein Leben
Und kann betrauern nur mein tiefstes Unglück!
Was hab ich dir getan, du jüngstes Mädchen?

SWANTJE
O lieber Gott! Was klagst du an das Mädchen?
War sie es denn, die Unglück dir gebracht?

GRÄFIN HEDDA
Warum hast du mich angeschaut mit Neid,
Mich, die verschmäht wird von dem besten Grafen,
Den du verschmäht hast, allerjüngstes Mädchen!

SWANTJE
O Jesu mein, Barmherzigkeit und Gnade!

GRÄFIN HEDDA
Den Grafen hat der Wahnsinn so verzaubert,
Dass er die reine Jungfrau angeklagt!
Von Reue ist das Herz ihm nun durchbohrt,
Er ist verurteilt zu der strengsten Buße.

SWANTJE
Jehova, göttliche Gerechtigkeit!

GRÄFIN HEDDA
Dir ward das Glück zuteil vom guten Schicksal,
Nach einem kurzen Leiden voller Unschuld
Siehst lächeln du jetzt nur die Lust des Lebens,
Du scheidest dich von mir und meinem Schicksal
Und sendest mich ins Totenreich hinab,
Dass meines Jammers trister Klagelaut
Nie dringe ein in deine Kemenate!

SWANTJE
O Allmacht! Schlecht ich dankte deiner Liebe,
Die mich so selig macht durch ihre Gnade,
Wenn ich die Unglückvollen von mir stieße,
Die vor mir winden sich im Staub wie Würmer!
O Schwester oder Mutter, edle Hedda,
Ich selber lass dich ein in meine Wohnung!

(Swantje tritt in die Burg zurück.)

GRÄFIN HEDDA
O Göttin, durch den Vatergott geschändet!
O Freyja, hilf mir jetzt zu meiner Rache!
Bestrafe du die Schmach, die man dir antat!
Bestärke mich im Dienste deines Zornes!
Vernichte du den Wahnsinn schlimmster Sünder!
Erhöre mich, o Freyja, Liebe Fraue,
Und segne meine weisheitsvolle List,
Dass ich die Rache voller Kraft vollende!

SWANTJE
(ruft von innen)
O Hedda, Frieslands Herrscherin, wo bist du?

(Swantje tritt mit einer Fackel aus dem Tor der Burg.)

GRÄFIN HEDDA
Hier lieg ich, Jungfrau, hier zu deinen Füßen!

SWANTJE
Maria, hilf! So muss ich dich erblicken,
Die ich dich immer nur in Stolz und Pracht sah?
Mir bohren sieben Schwerter sich ins Herz,
Seh ich im Staub wie einen Wurm dich winden!
Steh auf! Ich habe alles dir vergeben,
Und was du je gelitten hast durch mich,
Vergib mir auch in Jesu Christi Namen!

GRÄFIN HEDDA
Ich danke dir für deine Liebe, Mädchen!

SWANTJE
Der Ritter morgen ist mein Ehemann,
Ich will auf Knien den Gotteshelden bitten,
Dass Gerhard seine Gnade er erweise.

GRÄFIN HEDDA
Ich bleib dir ewig meine Liebe schuldig.

SWANTJE
Im Licht der Morgenröte sei bereit,
Ich will dich sehn im seidenen Gewand,
So sollst du mit mir in die Kirche kommen,
Dort wird von Gottes Liebe angetraut
Als Braut des Gottesmannes Jungfrau Swantje.

GRÄFIN HEDDA
Wie kann ich solche Gnade je verdienen?
Ich bin doch ohne Kraft und tief im Elend!
Soll ich jedoch in Freundschaft mit dir gehen,
Stets bleibe ich die Bettlerin um Gnade!
Nur eine Kraft ist mir geblieben noch,
Die Kraft des Geistes raubte mir kein Leid,
Durch meine Weisheit schütze ich dein Leben,
Sonst fürchte ich, du wirst es noch bereuen.

SWANTJE
Wie meinst du das, du Seherin voll Weisheit?

GRÄFIN HEDDA
Ich bin berufen, Kind, dass ich dich warne,
Du sollst nicht blindlings deiner Wonne trauen,
Denn sonst umgarnt dich noch ein böses Unheil,
Ich kann es deutlich in der Zukunft sehen.

SWANTJE
Vor welchem bösen Unheil warnst du mich?

GRÄFIN HEDDA
O möchtest du erfassen doch im Geist,
Wie furchtbar das Geheimnis ist des Ritters!
Oh dass er nie verlasse deinen Schoß,
Der durch die Künste der Magie gekommen!

SWANTJE
Du arme Frau, kennst du die Liebe nicht?
Ist Gottes Treue denn dir unbekannt?
Wie Gottes Liebe treu ist meiner Seele,
So bin ich ewig treu dem Bräutigam.
Kehr ein in meine Wohnung treuer Liebe,
Bekehre dich zu Glauben und Vertrauen!
Wer treu der Gottheit ist und dem Gemahl,
Genießt die Liebesfreuden ohne Reue.

GRÄFIN HEDDA
(für sich)
Ha! Diese Stolze will mich noch belehren?
Ich werde ihre Treue ihr verleiden!
Ich werde voller Zorn den Mann vernichten,
Dann wird ihr Hochmut noch zu Reue werden!

SWANTJE
Lass dich von mir belehren, liebe Hedda,
Wie rein der Treue süße Liebesfreuden!

(Swantje und Hedda in die Burg ab. Erstes Morgengrauen. Gerhard kehrt zurück.)

GRAF GERHARD
So zieht das Unheil ein in diese Burg!
Vollende, Frau, was deine Kunst erdacht,
Kein Mann kann hindern deiner Macht Magie!
Das Unheil hat mit meinem Sturz begonnen,
Nun stürzt mir nach, die mich so weit gebracht!
Nur Eines seh ich deutlich mir erscheinen:
Der Ruhm des Ritters soll zu Grunde gehen!

(Graf Gerhard verbirgt sich. Morgengrauen. Hörner blasen. Männer und Adlige sammeln sich vorm Tor der Burg.)

ADLIGE UND MÄNNER
Im Morgenrot versammelt uns das Horn,
Erfüllt ist von Verheißungen der Tag.
Und Gott, der viele große Wunder tat,
Vollbringe heute auch sein großes Werk.

(Auftritt des Herold, das Horn wird geblasen.)

HEROLD
Ich künde Wort und Willen euch des Kaisers,
Drum hört auf mich, ich bin des Kaisers Mund!
Graf Gerhard ist geworfen in den Bann,
Weil er als Lügner Gott beschworen hat.
Wer sich von euch gesellt dem Grafen Gerhard,
Der wird aus Deutschlands Kirche ausgeschlossen.

DIE MÄNNER
Wir fluchen dem, der Gott betrogen hat,
Der mit der Lüge sich genaht der Wahrheit!
Wer reinen Herzens ist, der meidet ihn.
Den Grafen fliehe Ruh und süßer Schlaf!

HEROLD
Der Kaiser kündet weiter seinem Volk,
Dass er den gottgesanden Schwanenritter,
Den Swantje sich zum Bräutigam ersehnt,
Beschenken wird mit Frieslands freier Krone.
Will aber dieser Held kein König sein,
So nennt den Gottgesandten Deutschlands Engel!

DIE MÄNNER
Gebenedeit sei der ersehnte Mann!
Gebenedeit sei uns der Gottgesandte!
Wir sind die Schutzbefohlnen Deutschlands Engel!

HEROLD
Hört nun, was euch der Schwanenritter sagt:
Heut feiert er mit euch sein Hochzeitsfest!
Doch morgen seid bereit und steht gerüstet,
Als Heer dem deutschen Kaiser untertan!
Er selbst verschmäht der Ruh Bequemlichkeit
Und führt das Heer zum Ruhm des Vaterlandes!

(Herold zurück in die Burg.)

DIE MÄNNER
Auf, auf zum Kampf, uns führt der Schwanenritter!
Wer kämpft als Mann, dem lacht des Ruhmes Kranz!
Gott sandte uns des deutschen Volkes Engel!

(Vier Adlige stehen zusammen, einst des Grafen Gerhard Freunde.)

ERSTER ADLIGER
Er will uns aus dem Vaterlande führen.

ZWEITER ADLIGER
Ein Land erobern, das uns nie bedroht.

DRITTER ADLIGER
Eroberung bringt keinen Eichenkranz.

VIERTER ADLIGER
Wer aber wehrt den Plan des Ritters ab?

(Graf Gerhard tritt zu ihnen.)

GRAF GERHARD
Ich, der Verbannte, will es ihm verwehren.

DIE VIER ADLIGEN
Ah, Gerhard, unser Freund und Weggenosse!

DER ERSTE ADLIGER
Ja, seh ich gut? Bezeugt mein Sinn die Wahrheit?

DIE ANDERN DREI ADLIGEN
Du Vogelfreier kommst in unsre Mitte?

DER ERSTE ADLIGE
Das wagt dein hoher Mut, zu uns zu treten?

GRAF GERHARD
Ich werde mehr noch wagen, meine Freunde,
Vor euren Augen geht die Sonne auf,
Den Ritter, der euch führen will zum Krieg,
Ich klag ihn an, er habe Gott betrogen.

DIE VIER ADLIGEN
Im Wahnsinn redest du, was ist dein Plan?
Hört dich das deutsche Volk, bist du verloren.

(Graf Gerhard verbirgt sich wieder. Schöne Knaben treten auf, mit Pfeil und Bogen bewaffnet.)

KNABEN
Macht Raum für Swantje, unsre liebe Frau!
Sie will zu Jesus in die Kirche kommen!

(Eine Prozession von vornehm-schön gekleideten Frauen zieht von der Burg zur Kirche.)

DIE ADLIGEN UND DIE MÄNNER
Gebenedeit sei unsre liebe Frau,
Die viel in tiefster Demut hat gelitten!
Sei Gottes Wort ihr Licht auf ihrem Weg!

(Auftritt Swantje im langen weißen Seidenkleid, weißem Schleier, goldenem Gürtel und goldenen Sandalen.)

Sie kommt, sie kommt, die engelgleiche Jungfrau!
In keuscher Weißglut ist ihr Herz entbrannt!
Im Himmel schreitet schön bekränzt die Tugend!
Heil Frau! Jehova segne deine Stirn!

DIE FRAUEN
Heil Frau! Jehova segne deine Stirn!

(Die Prozession der Frauen kommt mit Swantje am Tor der Kirche an. Hedda, im schönen roten Kleid, tritt mit finsterer Miene zu Swantje.)

GRÄFIN HEDDA
Nun weg mit dir, du Mädchen, ich bin nicht
Die Magd! Ich werde dir nicht länger dienen!
Nicht Magd bin ich, ich bin die Herrscherin,
Und du sollst dienen mir als meine Magd!

DIE MÄNNER
Was will das alte Weib vom schönsten Mädchen?

SWANTJE
Bei Gottes Majestät! Was muss ich sehen?
Erst warst du lieblich, jetzt bist du so grimmig?

GRÄFIN HEDDA
Ich hab für einen Augenblick vergessen,
Dass ich der freien Göttin Tochter bin
Und nicht die Dienerin von einer Christin!
Nun will ich alle meine Leiden rächen,
Und was mir zusteht, das will ich mir nehmen!

SWANTJE
Mit Heuchelei hast du dich eingeschmeichelt,
Kamst in der Nacht zu mir mit solcher Demut,
Nun schwillst du aber an in deinem Hochmut,
Du, eines Gottgestraften Ehefrau?

GRÄFIN HEDDA
Es sprach die Ungerechtigkeit das Urteil,
Und Eifersucht verfluchte meinen Mann,
Den Ehrenmann, ich will ihn immer ehren,
Den guten Landesvater rief man ihn.
Wer aber kennt den Ritter, der dir dient?
Du weißt ja selber seinen Namen nicht!

DIE MÄNNER
Was zankt die Zunge da, was redet sie?

FRAUEN UND KNABEN
Die wilde Heidin lästert Deutschlands Engel!

DIE MÄNNER
Wehrt ihrem Munde! Wehrt des Bösen Anfang!

GRÄFIN HEDDA
Kannst du des Ritters Namen uns denn nennen?
Und weißt du auch, von welchem Stamm er stammt?
Woher ist er gekommen übers Wasser?
Und weißt du, wann er wieder von dir scheidet?
Auf ihm wohl lastet ein Familienfluch -
Und so verbot er, weiter ihn zu fragen.

MÄNNER, FRAUEN UND KNABEN
Spricht sie die Wahrheit? Wie sie ihn verklagt!
Sie wagts und schmäht des deutschen Volkes Engel?

SWANTJE
Du Lästerzunge, du verfluchtes Weib!
Ich traue mich, die Antwort dir zu geben:
Der Schwanenritter ist ein Edelmann,
Von Adel ist sein Stamm und rein sein Herz,
Nach den Geboten Gottes lebt der Held,
Dass der, der an des Ritters Sendung zweifelt,
Auf ewig wird verflucht von Gottes Zorn!

DIE MÄNNER
Ja, Ja und Amen, also soll es sein.

SWANTJE
Hat nicht mit Gottes Kraft im Kampf geschlagen
Mein Liebster deinen bösen Ehemann?
(zum Volk)
Nun sage mir, du frommes deutsches Volk,
Bei Sankt Maria, welcher Mann ist heilig?

DIE MÄNNER
Der Schwanenritter nur, der Engel Deutschlands!

DIE FRAUEN UND KNABEN
Der Schwanenritter nur, der Engel Deutschlands!

GRÄFIN HEDDA
Ha, mit der Heiligkeit ist es nicht weit,
Muss er bekennen, woher die Magie,
Durch die er solche Macht und Zauber ausübt!
Wenn du ihn nicht nach der Magie befragst,
Dann glauben wir, du zweifelst selbst an ihm,
Ob er im Bunde stehe mit Dämonen!

DIE FRAUEN
Gott helfe Swantje vor des Weibes Hass!

(Die Burgpforte öffnet sich. Hörner werden geblasen.)

DIE MÄNNER
Erhebt euch stolz! Der Kaiser Deutschlands kommt!

(Der Kaiser, der Schwanenritter und Adlige treten auf.)

DIE ADLIGEN
Heil Jesus Christus, Kaiser, Vaterland!
Heil sei dem Retter unsres deutschen Volkes!

DER KAISER
Was für ein Streit ist in dem Vaterland?

SWANTJE
(wirft sich an des Schwanenritters Brust)
Mein Herr und König, vielgeliebter Mann!

DER SCHWANENRITTER
Was ist mit dir, mein vielgeliebtes Mädchen?

DER KAISER
Wer stört den Frieden bei dem Gang zur Kirche?

DIE ADLIGEN
Was für ein Streit ists auf dem Weg zur Kirche?

DER SCHWANENRITTER
Was muss ich sehen? Hedda ist bei dir?

SWANTJE
Mein Retter! Schütze mich vor diesem Weib!
Ich will dir ewiglich gehorsam sein.
Im Jammer sah ich Hedda vor dem Tor,
Aus purer Not nahm ich sie bei mir auf.
Und das ist nun ihr Lohn für meine Güte:
Sie spottet, dass ich dir zu tief vertraue!

DER SCHWANENRITTER
(zu Hedda)
Du schönes Weib mit einem Stein im Busen,
Du fürchterliche Zunge voll des Zankes,
Lass ab vom deutschen Mädchen, von der Jungfrau!

(zu Swantje)

So sag mir, meine liebevolle Swantje,
Was für ein Schlangengift goss sie ins Herz dir?

(Swantje weint. Der Schwanenritter zeigt auf die Kirche)

Komm in die Kirche! Vor dem Sakrament
Die Trauertränen werden Freudentränen!

(Der Kaiser voran, dann der Schwanenritter und Swantje und dann die Adligen gehen zur Kirche. Graf Gerhard tritt auf.)

GRAF GERHARD
O Kaiser! Deutsche Fürsten! Stoppt den Wahnsinn!

DER KAISER
Was will der Sünder hier vorm Tor der Kirche?

DIE ADLIGEN
Was will denn der Rebell vom guten Kaiser?

GRAF GERHARD
Hört meine Rede an! Ich sag die Wahrheit!

DER KAISER UND DIE ADLIGEN
Nein, weg mit dir, du stehst im Kirchenbann!

GRAF GERHARD
Hör, Kaiser, mir ward Unrecht angetan.

DER KAISER UND DIE ADLIGEN
Nein, weg mit dir, du falsche Lästerzunge!

GRAF GERHARD
Das Gottesurteil wurde hintergangen.
Ein Magier hat euren Geist betrogen.

DER KAISER
Ergreift ihn, den Rebellen, den Verdammten!

MÄNNER, FRAUEN UND KINDER
O höre, Gott! Er lästert deine Weisheit!

GRAF GERHARD
Den Schwanenritter dort im schwarzen Samt,
Den klag ich der Magie des Teufels an!
Wie Erdenstaub vor Gottes Sturm verwehe
Die Macht, die er sich durch Magie gewann!
Wie ward betrogen doch das Gottesurteil,
Wie wurde meine Ehre mir genommen,
Das alles, weil ihr nicht den Mann befragt habt,
Als er zum Kampf des Gottesurteils kam,
Die Frage aber will ich ihm jetzt stellen,
Und ihr sollt mir nicht dieses Recht verweigern.
Ich frage öffentlich den Schwanenritter
Nach seinem Namen und nach seiner Herkunft!
Wer ist der Mann, der hier ans Land geschwommen
In seiner Gondel, von dem Schwan gezogen?
Wem Tiere dienen, ist ein Magier,
Und seine Reinheit ist ein bloßer Wahnsinn!
Er soll mir Rede stehn, ich klag ihn an!
Kann er uns sagen, wer er ist, woher,
Nun, so geschah mir recht im Gottesurteil,
Kann Namen er und Herkunft nicht bekennen,
So seht ihr: Seine Reinheit ist nur Wahnsinn!

MÄNNER, FRAUEN UND KINDER
Wie wird der gottgeliebte Mann verklagt!
Was wird der Gute sagen dem Verkläger?

DER SCHWANENRITTER
Nicht dir, Graf Gerhard, muss ich Rede stehen!
Du Bösewicht, du wirkst nur Zank und Zweifel.
Bei Gott! Ich bin mir keiner Schuld bewusst.

GRAF GERHARD
Und will er mir nicht Rede stehn, der Ritter,
So ruf ich an des deutschen Volkes Kaiser!
O Kaiser, wird er dir nicht Rede stehen?

DER SCHWANENRITTER
Selbst vor dem deutschen Kaiser muss ich schweigen!
Nur Einem Herz kann ich mich offenbaren:
Dem makellosen Herzen meiner Swantje! -
O Swantje, schönstes Mädchen! Zitterst du?

DER KAISER UND DAS VOLK
Welch ein Geheimnis trägt der Mann im Busen?

GERHARD UND HEDDA
Wie grübelt Swantje! Zweifel plagen sie!

DER SCHWANENRITTER
Was denkst du, Mädchen? Zweifel plagen dich?

DER KAISER UND DAS VOLK
Gebietet Gott ihm Schweigen, schweige er!

GERHARD UND HEDDA
Der Zweifel nagt an ihr wie eine Ratte.

DER SCHWANENRITTER
Hat dich verwirrt das Lästermaul des Hasses?

SWANTJE
Gebietet Gott ihm Schweigen, schweige er.
Der Schwanenritter half ja meiner Unschuld.
So weh mir, wenn ich ihn verraten könnte!

DER KAISER UND DAS VOLK
Gebietet Gott ihm Schweigen, schweige er!

DER SCHWANENRITTER
Ich seh mein Mädchen doch schon an mir zweifeln.

GERHARD UND HEDDA
Wir sehn sein Mädchen doch schon an ihm zweifeln.

DER SCHWANENRITTER
Maria! Schütze du des Mädchens Herz!
Nie soll der Zweifel ihren Geist beflecken!

DER KAISER UND DIE ADLIGEN
Wir glauben an des Schwanenritters Güte.
In guten Werken tat sein Herz er kund.

SWANTJE
Ach, würde ich im Innersten ihn kennen,
Ich würde sein Geheimnis treu bewahren!
Doch nagt des Zweifels Ratte mir am Herzen.

GERHARD UND HEDDA
Wir triumphieren über unsern Feind,
Der uns zum Hohn ist in das Land gekommen,
Er ist besiegt, stellt man die Frage ihm.

DIE FRAUEN
Wenn sein Geheimnis ihr nur Schmerzen bringt,
So spare er es mit verschlossnen Lippen.

DER KAISER
Mein Held, entgegne kühn dem Lästermaul!
Du Reiner scheue den Verkläger nicht!

DIE ADLIGEN
Dir, Schwanenritter, schwören wir die Treue!
Wir glauben, dass dein Name heilig ist,
Und wird uns auch dein Name nicht bekannt.

DER SCHWANENRITTER
Ihr treuen deutschen Fürsten, seid getrost,
Und wird euch auch mein Name nicht bekannt,
Vertraut doch auf die Güte meines Namens!

GRAF GERHARD
(zu Swantje)
Vertraue mir, ich kenn die Wahrheit gut,
Ein Mittel zeig ich dir, das gibt Gewissheit
Des Heiles dir, wenn du nur mir vertraust.

SWANTJE
Weg, weg von mir, du böses Lästermaul!

GRAF GERHARD
Ich will den kleinen Finger ihm entreißen,
Ich schwöre dir, dann muss er dir bekennen,
Was er nun birgt im schweigenden Geheimnis.

SWANJE
Nein, reiß ihm nicht den kleinsten Finger ab!

GRAF GERHARD
Ich bin dir nah in tiefster Mitternacht.
Und rufst du mich, so ist es schnell vollbracht.

DER SCHWANENRITTER
Mein Mädchen, ach, was redest du mit dem?

(zu Graf Gerhard)

Geh weg von meiner makellosen Blume!
Dass ich dich nicht bei meiner Reinen sehe,
Der du die Lästerung des Teufels sprichst!

(zu Swantje)

Nur Mut, mein Mädchen! Ich bin dir ergeben,
In deinen Händen liegt mein ganzes Schicksal.
Lässt dich des Zweifels Ratte nicht mehr schlafen?
Willst du mich nun nach meinem Namen fragen?

SWANTJE
Mein Retter und mein heiliger Verlobter!
Der du hast meiner Unschuld Heil gebracht,
Ach, mein Geliebter, ich bin krank vor Liebe!
Und über aller Zweifel Schlangengift
Soll leben mir zu dir die heiße Liebe!

(Swantje sinkt dem Schwanenritter an die Brust. In der Kirche ertönt die heilige Orgel.)

DER SCHWANENRITTER
Gegrüßet seist du, makelloses Mädchen!
Nun lass uns knieen vor des Herrn Altar!

DIE MÄNNER
Der Schwanenritter ist von Gott gesandt!

DIE FRAUEN UND KINDER
Wir Fraun und Kinder lieben dich von Herzen!

DAS GANZE VOLK
Heil Schwanenjungfrau, Königin von Deutschland!

(Der Kaiser, Schwanenritter und Schwanenjungfrau, Adlige und Volk strömen in die heilige Kirche.)



DRITTER AKT

ERSTE SZENE

(Das Brautgemach, in der Mitte ein breites Brautbett. Musik.)

DIE BRAUTMÄDCHEN
Geführt von Gottes Treue kommt herein,
Wo ihr einander Gottes Liebe spendet.
Des Mannes Kraft, des schönen Weibes Minne,
Vereint die Tugenden zu Einem Paar!
Du Streiter für die Wahrheit, zieh voran!
Du aller Frauen Blume, zieh voran!
Dem Rausch des Hochzeitsfestes froh entkommen,
Gebt euch nun hin den Wonnen eurer Liebe!

(Der Schwanenritter, Swantje und die Brautmädchen mit Rosenkränzen treten auf.)

Der Weihrauch qualmt im Brautgemach der Liebe,
Kommt in das Innere, der Welt entrückt!
Geführt von Gottes Treue kommt herein,
Wo ihr einander Gottes Liebe spendet.
Des Mannes Kraft, des schönen Weibes Minne,
Vereint die Tugenden zu Einem Paar!

(Der Schwanenritter legt seinen schwarzen Mantel und sein goldenes Schwert ab, Swantje legt ihren weißen Mantel und ihren weißen Schleier ab.)

Wie Christus euch geweiht zur treue Ehe,
Auch wir, die Mädchen, segnen eure Liebe.
In eines langen Lebens Abenteuern
Gedenkt der ersten Stunde eurer Liebe!

(Die Brautmädchen verlassen singend das Brautgemach.)

Der Schutzgeist eurer Liebe hüte euch,
Bewahrt den Kuss der treuen Liebe Gottes!
Des Mannes Kraft, des schönen Weibes Minne,
Vereint die Tugenden zu Einem Paar!
Du Streiter für die Wahrheit, bleib zuhause!
Du aller Frauen Blume, bleib zuhause!
Dem Rausch des Hochzeitsfestes froh entkommen,
Gebt euch nun hin den Wonnen eurer Liebe!
Der Weihrauch qualmt im Brautgemach der Liebe,
Kommt in das Innere, der Welt entrückt!

(Die Tür wird verschlossen.)

Der Schutzgeist eurer Liebe hüte euch,
Bewahrt den Kuss der treuen Liebe Gottes!
Des Mannes Kraft, des schönen Weibes Minne,
Vereint die Tugenden zu Einem Paar!

(Der Schwanenritter und Swantje sitzen Arm in Arm auf dem Bett.)

DER SCHWANENRITTER
Das schöne Lied verhallt. Wir sind allein,
Zum ersten Mal allein, seit wir uns sahen.
Nun wollen wir entrückt der Erde sein,
Soll kein Spion belauschen unsre Liebe.
O Swantje, meine schöne Schwanenbraut!
Sag, ob du selig bist, o Vielgeliebte!

SWANTJE
Nicht glücklich bin ich nach dem Geist der Welt,
Doch selig meine Seele, wie im Himmel!
Mein Herz ist voller Feuer doch für dich,
Mein Atem, meine Wonne und mein Gott!
Mein Herz ist voller Feuer doch für dich,
Mein Atem, meine Wonne und mein Gott!

DER SCHWANENRITTER
Bist du glückselig, meine Vielgeliebte,
Gib Anteil mir an deiner Seligkeit!
Mein Herz ist voller Feuer doch für dich,
Mein Atem, meine Wonne, meine Göttin!
Mein Herz ist voller Feuer doch für dich,
Mein Atem, meine Wonne, meine Göttin!

SWANTJE
Mein Herz ist voller Feuer doch für dich,
Mein Atem, meine Wonne und mein Gott!

DER SCHWANENRITTER
Wie tief erkenn ich unsrer Liebe Einheit!
Ich liebte dich, bevor ich dich gesehen,
Da war ich schon dein auserwählter Ritter!
Zu dir hat Eros mir den Weg gebahnt!
Ich glaube, dass du frei von Sünde bist!
Ich bin der Diener deiner Huld und Gnade!

SWANTJE
Bevor ich dich gesehen, wie ich träumte,
Dich kannt ich Myriaden Jahre schon!
Als ich dich sah mit meinen beiden Augen,
Warst übergossen du von Gottes Glanz!
Da wollte ich vor deinem Blicke schmelzen,
Da wollt ich wie die Meerflut dich umrauschen,
Da wollt ich deine Lieblingsblume sein,
Ich wollte neigen mich vor deiner Güte!
Ist das die Liebe? Wie sonst soll ichs nennen?
Anbetung und Begeisterung und Rausch?
Soll ich es nennen Paradieses Wonnen?
Ach! Dass ich nicht darf deinen Namen wissen!

SCHWANENRITTER
O Swantje! Stets sag ich den Namen Swantje!

SWANTJE
Wie süß mein Name ist in deinem Mund!
Doch möchte ich auch deinen Namen kennen.
Wenn wir in süßer Liebe Bett verschmelzen,
Dann will ich deinen lieben Namen stöhnen!

SCHWANENRITTER
Mein süßes Liebchen! Schwester mir und Engel!

SWANTJE
In Einsamkeit, wenn keine Seele wacht,
Dann will ich leise deinen Namen flüstern.

SCHWANENRITTER
(zeigt durch das offene Fenster auf den Blumengarten)
Wie hauchen dort der Blumen süße Düfte!
Wie mich der Blumen Duft berauscht so trunken!
Die Düfte nahen heimlich durch die Lüfte,
Ich gebe ihrem Zauber ganz mich hin.
So ist der Zauber auch, der uns verbunden,
Als ich am ersten Tage dich gesehen.
Ich brauchte da nicht lange zu studieren,
Ich sah dich, und ich liebte dich sofort!
Und wie der Blumen Duft mich süß berauscht,
Wenn Düfte kommen heimlich in der Nacht,
So deine Schönheit musste mich verzaubern,
Auch wenn die Welt nichts Gutes von dir sprach.

SWANTJE
Ich wollt, ich wär so rein, wie du mich denkst,
Dann wollte ich in deinen Armen ruhen.
Ich wär bereit, mein Schatz, für dich zu leiden!
Die kalte Welt der Leute klagt mich an.
O wenn ich dich in Not und Schmerzen sehe,
Dann will ich alles für dich tun, Geliebter!
Und wüsste ich von Sorgen, die dich quälen,
Von Kummer, der dich drückt, so helf ich dir.
Was ist das denn für ein Geheimnis, Lieber,
Dass deinen Namen du der Welt verschweigst?
Mein Liebling, dürft ich deinen Namen kennen,
Ich würde ihn vor aller Welt verschweigen
Und lieber sterben, als dich zu verraten!

SCHWANENRITTER
Mein Schatz, durch dich weiß ich, was Liebe ist!

SWANTJE
O schenke mir von Herzen dein Vertrauen,
Sonst schäm ich mich vor dir als Sünderin,
Nein, lass mich dein Geheimnis tief erkennen
Und offenbare deutlich, wer du bist!

SCHWANENRITTER
Auf Schweigen ist der Tempel aufgebaut.

SWANTJE
Sei du dir sicher meiner Liebe Treue!
So offenbare deines Adels Namen!
Woher du stammst, das sage du mir offen,
Dann will ich schweigend es in mir versiegeln.

SCHWANENRITTER
Ich habe dir vertraut wie keiner andern,
Als ich der Lästerung der Welt nicht glaubte.
Denk nicht, du seist mir eine Sünderin,
Nein, mir erscheinst du wie die Gottesmutter!
An meinen Busen komm, du Allereinste!
Sei du dem Feuer meines Herzens nah!
Lass deine Augen leuchten über mir!
In deinen Augen schaue ich die Gottheit!
Belohne mich mit deiner Liebe, Schatz,
Weil ich für dich mein Vaterhaus verlassen!
Kein Schicksal ist in Gottes weiser Vorsicht
Glückseliger als meins an deinem Busen!
Und böte mir der Kaiser seine Krone,
Verschmähen würde ich die Kaiserkrone,
Mein Kranz allein sei deiner Liebe Treue,
Für die ich gerne tausend Opfer bringe!
Und darum lass du nur vom Zweifel ab
Und schenke deinen Glauben meiner Liebe,
Ich bin kein Dämon aus der Finsternis,
Apostel ich der Liebe der Madonna!

SWANTJE
Maria helfe mir! Was muss ich hören!
Du bist gekommen aus dem Lichtreich droben,
Du bist hierher gekommen, mich zu retten,
Die ich im tiefsten Jammer war ertrunken,
Das Lichtreich war dir deiner Heimat Himmel,
Nun sehnst du dich zur Heimat wieder heim,
Du bist gekommen aus des Himmels Wonnen
Und möchtest wieder heim ins Paradies!
Wie soll ich arme Sünderin denn glauben,
Dass meine treue Liebe dir genüge?
Es kommt ein Tag, mein Herr, der dich mir raubt,
Dann muss ich weinen bittre Reuetränen.

SCHWANENRITTER
Geliebte, du sollst dich nicht selber quälen!

SWANTJE
Was quälst du deine arme Freundin so?
Soll ich die Tage zählen, da du bleibst?
Ich sorge mich, ob du noch bei mir bleibst,
Und so verblüht die Blüte meines Leibes,
Dann gehst du fort, im Elend bleib ich einsam!

SCHWANENRITTER
Nie werden deine Reize je verblühen,
Wenn du nur immer treu vertrauend bleibst.

SWANTJE
Wie kann ich dich für immer an mich binden?
Du Zauberer, du kamest durch ein Wunder!
(Sie lauscht)
Und hörst du nichts? Und hörst du niemand kommen?

SCHWANENRITTER
Geliebte Swantje! Schöne Dame Swantje!

SWANTJE
Doch nein, da kommt ja nichts, ist alles still.
Und doch! Es kommt der schwarze Trauerschwan!
Geschwommen kommt er durch des Wassers Spiegel,
Er zieht die Gondel. Hast du ihn gerufen?

SCHWANENRITTER
Nur ruhig, Swantje! Stille deinen Wahnsinn!

SWANTJE
Ich finde keine Ruhe vor dem Wahnsinn,
Und wenn ich auch mein Leben opfern müsste,
Ich will nur wissen, Liebster, wer du bist!

SCHWANENRITTER
Geliebte Swantje, Schatz, du wagst zu viel.

SWANTJE
Geliebter Mann, mein Liebling und mein Schatz,
Vernimm nur eins, was ich dich fragen muss,
O gib mir den geheimen Namen kund!

SCHWANENRITTER
Nicht weiter dringe ein in mein Geheimnis!

SWANTJE
Woher bist du mit deinem Schwan gekommen?

SCHWANENRITTER
Ah wehe dir, Geliebte, wehe, wehe!

SWANTJE
Mir offenbare deiner Seele Wesen!

SCHWANENRITTER
Was hast du nur getan, du Sünderin!

(Graf Gerhard und vier Genossen dringen mit Schwertern in das Brautgemach)

SWANTJE
Geliebter, rette dich und greif zum Schwert!

(Der Schwanenritter tötet den Grafen Gerhard mit dem Schwert, dessen Genossen fliehen, Swantje fällt in Ohnmacht.)

SCHWANENRITTER
Ah weh, dahin ist alle unsre Lust!

SWANTJE
(erwachend)
O Jesu Christi Leib, erbarm dich meiner!

(Drei Frauen treten ein)

SCHWANENRITTER
Ihr Frauen, führt nun Swantje vor den Kaiser,
Dort will ich Antwort ihrer Frage geben,
Dass sie des Bräutigams Natur erkenne.

(Frauen mit Swantje ab, der Schwanenritter allein ab.)


ZWEITE SZENE

(Morgenröte. Am Ufer des Flusses. Adlige Ritter und Knaben, Trompeter, der Kaiser von Deutschland.)

ALLE
Heil, kaiserlicher Herr des deutschen Volkes!

KAISER
Ich danke euch, ihr Ritter! Wie mein Herz brennt,
Find ich im deutschen Lande solche Ritter!
Nun sollen nur der Heimat Feinde nahen,
Die Heiden treiben wir zurück gen Osten!

ALLE
Für Deutschland kämpft das Schwert des Wortes Gottes!

KAISER
Wo ist der Schwanenritter, unser Heros?

(Die Leiche von Graf Gerhard wird von vier Grafen herbeigetragen)

DIE RITTER
Was bringen die, die Grafen, auf der Bahre?

KAISER
Was bringt ihr mir? Ein Anblick ists zum Ekel!

DIE VIER GRAFEN
Der Schwanenritter will es so, der Heros,
Er sagt uns heute, wer sein Vater ist.

(Swantje, mit großem Gefolge von Frauen, tritt auf)

DIE RITTER
Oh Swantje! Oh wie ist sie blass und bleich!

KAISER
Was muss ich dich so traurig sehen, Swantje?
Geht dir die Trennung so zu Herzen, Frau?

MÄNNER
Macht Platz dem Heros, Platz dem Schwanenritter!

(Der Schwanenritter in schwarzem Kleid tritt auf)

KAISER
Heil deinem Kommen, unser lieber Heros!
Du führe die Armee nun in den Krieg!

SCHWANENRITTER
Mein Kaiser, nein, ich führe keinen Krieg.

KAISER
Dann helfe Gott der Herr dem deutschen Volk!

SCHWANENRITTER
Als Krieger bin ich nicht zu euch gekommen.
Jetzt aber müsst ihr hören meine Klage.
Graf Gerhard hat mich in der Nacht bekriegt.
Tat ich nicht recht, dass ich den Mann erschlagen?

KAISER
Wie deine Hand ihn strafte auf der Erde,
Soll Gott der Herr ihn strafen im Gericht!

SCHWANENRITTER
Vor allem aber muss ich eins beklagen:
Das Mädchen, das mir Gott zur Braut gegeben,
Ließ sich verführen zum Verrat an mir!

KAISER
O Swantje, welche Schuld belastet dich!

SCHWANENRITTER
Sie hatte mir versprochen, nie zu fragen
Nach meinem Namen, doch sie brach den Schwur.
Nun muss ich doch belohnen ihren Zweifel
Und sagen, wer ich bin, woher ich komme.
Sagt, ob ich muss das Licht des Tages scheuen,
Vorm Kaiser und vorm ganzen deutschen Volk
Will ich nun meine Herkunft offenbaren.
Ihr Fürsten! Ich bin euch an Adel gleich!
In einem fernen Land, unnahbar hoch,
Im Baskenlande in den Pyrenäen
Liegt eine Burg, die Mont Salvator heißt,
Das ist das Heiligtum der Tempelritter,
Und in dem Heiligtum befindet sich
Im Allerheiligsten der Kelch des Blutes
Von Jesus, dem Erlöser auf dem Blut.
Er wird von reinen Priestern nur gehütet.
Alljährlich naht zum schönen Fest von Pfingsten
Des Gottesgeistes Taube, lässt sich nieder
Auf jenem Kelch und schenkt den Tempelrittern
Den wahren Glauben an den wahren Gott.
Wer nun berufen ist, dem Kelch zu dienen,
Ist sicher vor der List des Luzifer
Und ist unsterblich in der Todesstunde.
Wird einer von dem Kelch geschickt ins Land
Der Heiden und der Ketzer, wird er siegen,
Kein Laie kann des Kelches Weihe sehen.
Und wird ein Templer von der Welt erkannt,
So muss er wieder heim ins Heiligtum.
So hört, vom Kelch bin ich zu euch gesandt,
Mein Vater Parzival ist Höchster Meister
Im Tempelritterorden in der Gralsburg,
Und ich, ich bin sein Sohn, Mariens Ritter!

KAISER
Die Augen brennen mir von Freudentränen!

SWANTJE
Die Erde bebt! O welche Nacht der Seele!

SCHWANENRITTER
Mein liebes Weib, was hast du mir getan?
Als meine Augen dich zuerst gesehen,
Entbrannte ich zugleich in heißer Liebe!
So schnell hab ich des Lebens Lust gefunden!
Die Weihe, die mir meinen Geist versiegelt,
Die wollte wenden ich an Frauenliebe.
Was hast du mein Geheimnis mir entrissen?
Jetzt muss ich scheiden, darum red ich trunken.

SWANTJE
Mein Mann! Du sollst nicht von mir scheiden, nein!
Zum Zeichen meiner Buße knie ich nieder!

SCHWANENRITTER
Ich muss! Der Kelch des Bluts gebietet es!
Mein süßes Weib! Nie werd ich dich vergessen!

KAISER
Ah wehe mir und meinem lieben Volk!
Du gottgesandter Mann, wer soll uns trösten?
O bleib! Soll uns des Heilands Segen fliehen?

SWANTJE
Verstoß mich nicht, wie groß auch meine Sünde!
Ach, lass mich arme Seele nicht allein!

SCHWANENRITTER
Das Blut des Sohnes Gottes mir gebietet!
Doch deine sind die Leiden nicht allein,
Und meine Leiden werden Sühne sein!

DER KAISER
Bleib! Führe unsre Heerschar in den Kreuzzug!

SCHWANENRITTER
Mein Kaiser, nein, ich darf das Heer nicht führen.
Doch lass mich prophezeien, o mein Kaiser,
Das deutsche Volk wird ihren Herrn verraten!

(Der Schwan naht mit der Gondel)

ALLE
Der schwarze Trauerschwan! Die schwarze Gondel!

SCHWANENRITTER
Adieu, Adieu, Adieu mein süßes Weib!

DER KAISER UND ALLE
Ah wehe uns, ah wehe, wehe, wehe!

SWANTJE
Mein Mann, mein Mann, ach was verlässt du mich?

(Swantje fällt in Ohnmacht, während der Schwanenritter abfährt.)