EPISCHES FRAGMENT
VON TORSTEN SCHWANKE
PROLOG
Siehe, das Leben des
Menschen dauert einhundert Jahre,
Wenn es hoch kommt,
oder auch nur die Hälfte des Lebens,
Immer aber steht uns
entgegen das furchtbare Schicksal,
Und der entsetzliche
Krieg ist der grausame Vater der Dinge.
Wir erfahren
Verwandlungen, ewige Metamorphosen,
Aber immer erfüllt
sind unsere Herzen von Schmerzen.
Ist es ein Wunder,
dass der Himmel das Liebste genommen?
Auf das schöne
Geschlecht war eifersüchtig der Himmel.
ERSTER GESANG
Lasst mich nun
öffnen das duftende Buch im Schimmer der Lampe,
Eine
Liebesgeschichte, die spielt in dem Vaterland Deutschland.
Das war zur Zeit der
Herrschaft der demokratischen Kanzler
Nach dem Weltkrieg
und der tyrannischen Herrschaft des Dämons.
Deutschland lebte im
Frieden. Das rheinische Bonn war die Hauptstadt.
Damals lebte ein
Mann namens Conrad im herrlichen Hamburg,
Der war ein
Kleinbürger, nützliches Mitglied der deutschen Gesellschaft.
Michael Paulus war
sein einziger Sohn und sein Erbe,
Der war eingetreten
in den Stand des Studenten.
Neben dem Sohne zwei
Töchter hatte der herrliche Conrad,
Anna die ältere war
und Eva die jüngere Schwester.
Ihre Körper waren
so süß wie reife Orangen
Und ihr Geist war so
rein wie der Schnee in der heiligen Weihnacht.
Jede war einzigartig
und von vollkommener Schönheit.
Eva war elegant und
hübsch und voll Tugend und Anstand,
Ihr Gesicht wie ein
Vollmond, ihre Brauen zwei Bögen,
Ihre charmantes
Lächeln wie eine blühende Blume,
Ihre Stimme klang
wie die feine Flöte des Hirten,
Ihre Haare wie
schwarze Wolken flossen hinunter,
Ihre Haut war so
weiß wie Schnee und makellos leuchtend.
Anna war schöner
noch, eine Schönheit! Und lieber, charmanter,
Sie übertraf die
Schwester in Talenten und Reizen.
Ihre blauen Augen so
rein wie die See in dem Herbste,
Ihre Brauen wie die
Waage der Göttin der Wahrheit,
Blumen beneideten
sie um ihre blühende Schönheit,
Weidenbäume sehnten
sich nach der schmeichelnden Sanften.
Unübertroffen ihre
Talente wie ihre Schönheit,
Ausgestattet mit
Intelligenz und Kenntnis der Sprachen,
War sie brillant in
russischer und französischer Dichtkunst,
Sang die
Weihnachtslieder so rein wie ein himmlischer Seraph,
Malte Ikonen von der
Gottesgebärerin heilig,
Kannte die Rhythmen
Afrikas und das Orgelspiel Deutschlands,
Spielte die Zimbel
sehr schön und spielte schön die Gitarre,
Selber komponierte
sie Lieder zum Spiel der Gitarre,
Herzzerreißende
Lyrik über die Leiden der Frauen!
Aber so raffiniert
und adelig beide die Schwestern,
Ob sie auch schon im
Alter der Heiratsmündigkeit waren,
Blieben sie doch zu
Hause hinter den Schleiern der Keuschheit,
Ob auch Bienen und
Schmetterlinge flirteten heftig.
ZWEITER GESANG
Wie die Schwalbe ist
Jungfrau Primavera so eilig.
Schon kam der
Frühling ins Land, die Melodie eines Gottes,
Da das junge grüne
Gras zum Horizont strebte.
Weiße Blüten
zeigten schon die Magnolienbäume.
Jetzt kam Mariä
Verkündigung, die Empfängnis des Wortes,
An dem
fünfundzwanzigsten März in der heiligen Kirche.
Gräber wurden
gereinigt und Partys gefeiert im Grünen.
Alle Menschen der
Christenheit waren begierig zu feiern,
Auch die Schwestern
bereiteten sich auf das Fest vor.
Da waren starke und
geistige Männer und reizende Frauen,
Da kamen an die
Wagen, man zeigte den Schmuck und die Kleider.
Die der Toten
gedachten, gingen zum Grab auf den Kirchhof,
Pflanzten
Himmelsschlüssel neben den üppigen Efeu.
Langsam sank die
purpurne Sonne am westlichen Himmel,
Still die Schwestern
und etwas traurig gingen nach Hause.
In der Ferne
rauschte die Herrin von Hamburg, die Elbe,
Anna und Eva
schauten an des Heidekrauts Purpur,
Langsam sahen sie
fließen in die Nordsee die Elbe,
Standen an einer
Brücke über die Wasser des Stromes.
In der Nähe der
Kirchhof war mit den heiligen Kreuzen
Und den Schutzengeln
und den Gottesmüttern mit Kindern.
Ach, die
bescheidenen Grashalme waren halb grünlich, halb gelblich.
Warum stieg an dem
Fest Mariä Verkündigung Weihrauch
Auf von den Gräbern
des Friedhofs im nordischen Hamburg?
Da war das Grab von
Friedrich Gottlieb Klopstock, dem Dichter,
Dem Poeten, dem
Propheten, seraphischem Sänger,
Einst berühmt für
seines unsterblichen Genius Oden,
Viele
Dichterjünglinge huldigten ihm als dem Meister,
Aber ach, wie eitel
ist doch der Ruhm und der Nachruhm!
Diese himmlisch
duftende Blume brach in der Blüte,
Da sein Herz
gebrochen hatte die englische Fanny,
Die er schon gesehen
als Braut, von Gott ihm gegeben,
Doch das Boot seiner
Liebe war zerschellt an dem Ufer,
Seine Lyra
zerbrochen und seine Harfe zerschlagen,
Schon war sein
Zimmer leer und kalt, die Seele entflohen,
Seines Rosses Iduna
Spuren verwischt von dem Efeu.
Aber die treuere
Cidli, ach, sie beweinte den Dichter!
Ach! Wie elend und
voller Unglück ist doch die Liebe!
Da es dem Dichter
nicht verstattet war, hier schon auf Erden
Mit der Geliebten
selig zu sein wie im Himmel der Liebe,
Möge sein Gott ihm
die Geliebte schenken im Himmel,
Dort, wo Petrarka
wird geliebt von der göttlichen Laura!
Hier nun ist das
würdige Grab des Dichter-Propheten,
Legen wir eine weiße
Rose aufs heilige Grab ihm!
Ob Hyperion sinkt
und ob auch Phöbe heraufkommt,
Keiner der
Weltmenschen denkt an den Dichter-Propheten,
Keiner der
Verseschmiede besucht sein heiliges Grab mehr.
Ach, mit ihrem
empfindsamen Herzen, voll von dem Mitleid,
Anna vergoss ihre
Tränen über das Schicksal des Dichters:
„Ach! Wie traurig
das Schicksal ist der liebenden Seelen!
Ist die Verdammung
unser aller gemeinsames Schicksal?
Ist denn grausam und
unbarmherzig der ewige Vater?
Gott verjubelt die
Jugend und lässt welken die Schönheit!
Denn im Leben
spielte die Harfe der Freier der Muse,
Wenn er tot ist,
bleibt er ein Engel ohne Geliebte.
Wo sind jetzt, die
teilten einst die Freuden der Liebe?
Wo sind jetzt die
Bewunderer höchster weiblicher Schönheit?
Keiner der
Weltmenschen denkt mehr an die Meister der Minne.
Ach, ich möchte für
Klopstock ein Räucherstäbchen entzünden,
Als Beweis für das
mystische Treffen hier auf dem Kirchhof.
Möge sein Geist
mich segnen aus dem elysischen Garten!“
Leise murmelte Anna
Beschwörungen, Tote beschwörend,
Sie verbeugte sich
vor dem Grabstein, ging dann von dannen.
In der blassen
Dämmerung sah sie Felder voll Unkraut,
Eine sanfte Brise
rührte die Fahnen des Schilfrohrs.
Anna nahm ihre
Haarspange aus den schwärzlichen Locken,
Ritzte einen Vers in
die Rinde der schneeweißen Birke.
Dann fiel sie in
einen verzauberten Zustand des Geistes,
Sie stand
unbeweglich und benommen am Orte,
Ach, ihr blühendes
Antlitz wurde gramvoll verdunkelt,
Eintauchend in
gebrochene Trauer und endlose Tränen.
Eva sprach:
„Schwester, das ist komisch, Tränen zu weinen
Um die Toten
vergangener Zeitalter, sind sie doch selig!“
Anna sprach: „Seit
Sapphos Zeiten das Schicksal der Liebe
Und der Liebenden
immer war grausam, voll blutiger Tränen!
Diese Idee zu
denken, macht mir krank meine Psyche!
Hier liegt
Klopstock. Was wird von mir in Ewigkeit bleiben?“
Eva sagte: „Was du
gesagt hast, ha, das ist lustig!
Das soll ich hören,
dass du dich vergleichst mit dem Seher?
Hier ist die
Atmosphäre morbide und schaurig und düster,
Schon sinkt purpurn
Hyperion, und noch lang ist der Heimweg.“
Anna sprach: „Für
die Elite von begabten Talenten
Bleibt das einzige
menschliche Schicksal: Der Leib wird zerfallen,
Asche zu Asche,
Staub zu Staub, der Genius aber
Lebt unsterblich in
der Ewigkeit englischer Schönheit!
Ich bin glückselig,
meine Busenfreundin und Schwester,
Siehe, mir
offenbaren wird sich der Genius Klopstocks!“
Auf die Worte gab es
noch keine menschliche Antwort,
Als aus dem Nichts
ein Wirbelsturm und ein Wettersturm Gottes
Blies in die Blüten
und erschütterte mächtig die Bäume,
Da blieb ein Duft
und ein Parfüm der Weltseele lieblich.
Fassungslos sahen
Anna und Eva die Wege des Windes,
Fußstapfen eines
Menschen warten geprägt in die Erde.
Anna und Eva waren
erschrocken vor diesem Seraph.
Anna sprach: „Das
ist der wahre katholische Glaube,
Dass wir als
himmlische Freunde uns treffen im ewigen Leben.
Ohne Angst vor Leben
und Sterben sind wir Geschwister.“
Dankbar für die
Erscheinung des seraphischen Sängers,
Anna fügte hinzu
noch weitere Worte des Lobes.
Voller Inspiration
vom Anhauch des Heiligen Geistes
Schrieb sie ein
Epitaph in die Rinde der schneeweißen Birke.
DRITTER GESANG
Unentschlossen die
beiden, ob zu bleiben oder zu gehen,
Beide Schwestern
vernahmen schöne harmonische Lieder.
Siehe, sie sahn
einen jugendlichen schönen Gelehrten,
Der hielt lässig
den Zügel und ritt langsam des Weges,
Mit sich führend
ein Täschchen voll poetischer Bücher,
Neben ihm liefen
Straßenknaben mit Jauchzen,
Weiß war sein
Tinker-Pony, doch mit bräunlichen Flecken,
Grün war sein
Mantel wie Gras und blau wie der heitere Himmel.
Als er die
Schwestern erkennen konnte mit blinzelnden Augen,
Stieg er vom
Tinker-Pony und trat zu den lieblichen Schönen.
Schön seine
eleganten Schuhe schritten im Grünen,
Und die Umwelt
funkelte wie ein smaragdener Garten.
Da kam Michael
Paulus, den Gelehrten zu grüßen,
Während Eva und
Anna sich versteckten im Flieder.
Dieser Jüngling war
in der Tat kein Fremder dem Bruder,
Josef war ein Sohn
einer gut erzognen Familie,
Ein brillanter Kopf,
der Sohn eines Vaters, der reich war,
Ausgestattet mit
Wissenschaften und göttlicher Weisheit.
Gut war sein
Benehmen und auch sein Antlitz war edel,
Raffiniert genoss er
das Leben, großmütig gebend.
Er hatte nahe bei
Hamburg gelebt, im herrlichen Harburg,
War mit Michael
Paulus in des Gymnasiums Hallen
Fleißig gewesen im
Studium aller Dichtkunst der Völker,
Hatte gehört vom
Ruhm der Nachbar-Familie, nämlich
Von den zwei
Schönheiten, eingeschlossen im Elfenbeinturme.
Aber die Elbe und
die Nordsee bewachten die Mädchen,
Heimlich nur durfte
er sich sehnen und lieben die beiden.
Es war ein Glück,
dass sie sich zufällig trafen in Hamburg,
Einen Chance für
ihn, der Frauen Vertraun zu gewinnen.
Schon von weitem
Josef sah die Figuren der beiden,
Eine Iris die eine,
und eine Nelke die andre.
Anna war eine
nationale Schönheit von Deutschland,
Josef war ein Genius
in der Weisheit der Völker.
Wie im Zustand
langsamen Aufwachens morgens vom Traume,
Wussten die
Schwestern nicht, sollten bleiben sie, sollten sie gehen,
Wehmut flößte
ihnen ein die Dämmrung des Abends,
Schon war Josef
fort, ihm folgten die Augen der Schönen.
Unter der Brücke
lief das klare Wasser der Elbe,
Nahe, mit
abendlichen Schatten, tanzten die Weiden.
Anna kehrte zurück
in ihr jungfräuliches Zimmer,
Schon war Hyperion
untergegangen, es läuteten Glocken,
Lunas Sichel lugte
heimlich durchs Fenster der Schönen,
Golden kräuselte
sich das Wasser der spielenden Elbe,
Bäume beschatteten
schwarz den Hof des Hauses des Vaters.
Lila Lavendel
duftete neben den östlichen Nachbarn,
Tautropfen sammelten
sich in dem Kelch der Magnolienblüte.
Einsam das heilige
Antlitz von Jungfrau Luna betrachtend,
Anna war verwirrt
und fühlte Angst in der Seele:
Und sie dachte an
Sappho und ihr bitteres Ende.
Was für eine
Verschwendung ist ein schillerndes städtisches Leben!
Ach und der
Jüngling! Was haben wir uns heute getroffen?
Wird dieses
Rendezvous wohl enden in heiliger Ehe?
Aus den gemischten
Gefühlen ihres Herzens ergoss sich
Eine Ode, die
Stimmung widerspiegelnd der Seele.
In dem schimmernden
Mondlicht durch den Vorhang des Fensters
Anna lehnte sich an
die Fensterbank, schlummerte träumend.
Aus dem Nichts sah
sie eine lichte Jungfrau erscheinen,
Fast noch ein
Mädchen, eine Makellose voll Anmut.
Das Gesicht und der
Leib so weiß wie der Schnee in der Weihnacht,
Ihre Lilienfüße
standen nackt auf der Wolke.
Freudig bewegt erhob
sich Anna und fragte die Jungfrau:
Bist du die
Feenkönigin oder die Jungfrau Maria?
Aber die Jungfrau
sagte: Ich bin Sappho von Lesbos.
Anna, du hast ein
empfindsames Herz, du dachtest an Sappho,
Dachtest an Phaon,
wie Sappho sprang vom leukadischen Felsen.
Ich sang all deine
Oden, die du gedichtet, vor Jesus,
Jesus sprach deinen
Namen, der steht im Buche des Lebens.
Was wir sehen, ist
das Gesetz vor Ursprung und Wirkung.
Wir sind
Freundinnen, wir sind Pilger zur himmlischen Zion!
Hier ist ein neues
Thema, das dir Jesus gestellt hat,
Bitte schreib eine
Oder davon mit der Feder des Schwanes.
So sprach Sappho.
Und Anna sagte Ja zu der Jungfrau,
Schrieb mit der
Nymphenhand eine sapphische Ode an Venus.
Sappho las die Ode
und lobte die Dichterin Anna:
Was für eine
außergewöhnliche Poesie diese Ode!
Wird man die Ode
singen einst vorm Heiligen Vater
In der Ewigen Roma,
erntest du Kränze von Lorbeer!
Dann verschwand die
schneeweiße Jungfrau Richtung Kallisto.
Anna wollte immer
noch sprechen mit Sappho von Lesbos,
Aber ein plötzlicher
Windstoß ließ klappern die Flügel des Fensters,
Anna erwachte und
wusste von dem prophetischen Traum noch.
Nun sah sich Anna
nach der Jungfrau um, sah aber niemand,
Doch sie spürte
noch immer das Parfüm der Erscheinung.
In der später Nacht
sich allein herum werfend ruhlos,
Dachte sie voller
Angst an die Jahre des kommenden Lebens.
Eine Blume im Wasser
oder ein Unkraut im Sturme,
Das wird ihr
Schicksal sein, wie sie im Voraus es vorher sah!
Endlose Wellen
tiefer Gefühle bedrängten sie heftig,
Und je mehr sie
nachdachte, desto mehr flossen Tränen.
Hörend das
Schluchzen ihrer Tochter allein in dem Zimmer,
Mutter Maria
Theresia wachte auf, und sie fragte:
„Was ist los?
Warum spät in der Nacht sich rühren und sorgen?
Siehe, dein
Birnenblüten-Antlitz, es schimmert von Tränen!“
Anna sprach: „Dein
Kind, o Mammutschka, hat noch getan nichts,
All deine Liebe und
Fürsorge dir gerecht zu vergelten.
Als wir heute
spazierten, war ich am Grabe von Klopstock,
Und in der Nacht sah
ich im Traum die lesbische Sappho.
Was ist das
Schicksal einer Frau auf Erden, o Mama?
Sappho gab mir das
Thema, ich schrieb die Ode an Venus.
Was ich im Traum
gesehen, das hat mir mein Schicksal verkündigt,
Denn mein irdisches
Leben wird qualvoll sein wie die Hölle!“
Mutter Maria
Theresia sagte: „Träume sind Schäume,
Stammen sie nicht
von Gott, so achte nicht auf die Träume.
Wer auf Träume
vertraut, erfährt nur Kummer und Schmerzen.“
Anna gehorchte der
Mutter und ließ ab von dem Kummer.
Kaum war der Kummer
vergangen, ergriff sie die Krankheit der Liebe!
Draußen vorm
Fenster schon sangen Lerchen den Lobpreis,
Auf die Mauer flogen
die sanften Kätzchen der Weide.
Luna warf ihr
schimmerndes Licht auf die weiße Veranda.
Einsamer war als je
zuvor die grübelnde Anna.
VIERTER GESANG
Es ist ein
gewöhnlicher Weg für Sentimentale,
Wenn sie gefangen in
Liebe, kann sie niemand erlösen.
Seit der Rückkehr,
nachdem er die beiden Schwestern getroffen,
Josef konnte nicht
aufhören, an die Geliebte zu denken.
Da schien die Zeit
viel langsamer zu vergehen als jemals,
Ein Tag Liebeskummer
entsprach drei ewigen Monden.
Dichte Vorhänge
aber verschlossen ihr Fenster wie Wolken.
Josef träumte sich
einen Weg zum Haus der Geliebten.
Unter den bleichen
Monden, im Licht erlöschender Lampen,
Sehnte er sich, ihr
Antlitz zu sehn, ihr am Herzen zu ruhen.
Da war sein
Arbeitszimmer eisig kalt wie der Kupfer.
Seine Gitarre lag
da, auf dem Steg die lockeren Saiten.
Winde schüttelten
sich mit musikalischem Rauschen.
Das Parfüm
erinnerte an den Atem der Liebsten,
Ihre Stimme war süß
wie im Tee der versüßende Honig.
War nicht vom
Schicksal vorherbestimmt die Vereinigung beider?
Warum neckte sie ihn
mit ihrer liebreizenden Schönheit?
Wie besessen von
Erinnerung an die Geliebte,
Eilte er zu ihrem
Treffpunkt, sie wieder zu sehen.
Aber in der Region,
die voll war von üppigem Grasgrün,
An der Elbe war die
Geliebte nirgends zu sehen.
Seine Traurigkeit
wurde erweckt von der Brise des Abends,
Schilfrohr
schüttelte leicht sich voll von spöttischer Schwingung.
Ihn bedrängte die
Phantasie, die ausufernd freie,
Er beschloss, zum
Jungfernstege nach Hamburg zu rasen.
Aber er ging
stattdessen zum Vaterhaus der Geliebten.
Doch die Residenz
war verschlossen von ragenden Mauern.
Da verlor er die
Hoffnung, mit ihr zu kommunizieren.
Schlanke Weiden
hängten die Blätter nieder wie Seide,
Eine Amsel flötete
spöttisch hoch im Gezweige.
Hinter diesen
verschlossenen Toren, verschlossenen Türen,
Jenseits dieses mit
Blumen gefüllten Hofes, wo war sie?
Fassungslos stand er
lange vorm Vaterhaus der Geliebten,
Aber dann wandt er
sich um und sah eine andere Wohnung,
Die gehörte einem
Geschäftsmann, der war auf Reisen,
Der war in Amerika,
und die Wohnung stand leer nun.
Josef stellte sich
vor als Student, um die Wohnung zu mieten.
Gleich zog er ein
mit seiner Gitarre und all seinen Büchern.
Um die Mietwohnung
standen schöne zärtliche Eschen,
Vor dem Hause war
eine Terrasse mit herrlicher Aussicht.
Da war Josef
glücklich im Namen der Göttin Fortuna,
Das war ein
Ereignis, vorherbestimmt von dem Schicksal!
Halb nur schloss er
das Fenster seiner gemieteten Wohnung,
Guckte aber Tag für
Tag zu der Mauer im Osten.
Ach, so nahe zu
sein, doch ausgeschlossen vom Herzen,
Er sah mit
spionierendem Blick den Schatten der Liebsten.
Seit er eingezogen
war, schien zweimal der Vollmond,
Er saß da in der
seltsamen Wohnung und suchte die Liebe.
Aber an einem
heiteren Tage jenseits der Mauer
Eine Grazie huschte
unter der Pflaume vorüber.
Josef legte nieder
seine Gitarre und eilte,
Da war noch ihr
Parfüm, doch war das Mädchen verschwunden,
Er ging entlang der
Mauer, die umkreiste das Grundstück,
Da sah er im
Pflaumenbaume eine goldene Spange,
Josef griff nach der
Spange und nahm sie mit sich nach Hause.
Josef dachte: Was
liegt sie hier, die Frauenhaar-Spange?
Diese goldene Spange
des Mädchens wär nicht gefallen
Mir in die Hände
ohne Vorherbestimmung des Schicksals!
Er saß die ganze
Nacht in Betrachtung über die Spange,
Die verströmte noch
ein Parfüm von betörendem Moschus.
Eben als Morgens der
Tau aufklarte, ward eine Seele
An der Mauer
gesehen, wie irre suchend nach etwas.
Josef hatte gewartet
auf diesen Moment seines Schicksals,
Er sprach über die
Mauer, um in ihr Herz sich zu schmeicheln:
„Ich hab
versehentlich jemandes Spange im Garten gefunden.
Wo ist der Bote, um
zurückzugeben das Schmuckstück?“
Von der anderen
Seite der Mauer klang klar eine Stimme:
„Vielen herzlichen
Dank für dein Herz, du herrlicher Bursche,
Zwar nichts wert ist
die Spange und bedeutet dir wenig,
Aber dein Gewissen
ist rein, du folgst seiner Stimme!“
Josef sagte: „Wir
sind seit einige Monaten Nachbarn,
Ich bin ein
Bekannter von dir, o Mädchen, kein Fremder.
Freude hatte ich oft
an deiner duftenden Spange,
Die vertrieb mir die
Leiden meiner psychischen Schmerzen!
Meine Wartezeit hat
sich heute ausgezahlt, endlich,
Lass mich dir meine
Gefühle erzählen, bitte bleib bei mir!“
Und nun eilte er in
die Wohnung und holte hervor zwei
Silberne Ohrringe,
beide mit Mondstein, ein Halstuch von Seide.
Mit Geschick dann
kletterte über die Mauer er, fiebrig,
Aber von
schüchternem und zurückhaltend-ängstlichem Wesen.
Als er genau sie
betrachtet, da senkte sie schüchtern die Stirne.
Josef begann den
Dialog: „Du, seit wir uns trafen,
War ich krank von
geheimem Dürsten und Sehnsüchten, Liebe.
Da ist mein
schlanker Körper verwelkt, vergeudet die Kräfte,
Das hat bis heute
keiner gedacht, ich könnte verscheiden!
In den letzten
Monden war ich ein Tagträumer, müßig,
Nährte meine Liebe
auf Kosten der Kraft meines Lebens!
Nun, ich wünschte,
ich könnte mir ein wenig erbitten,
Würdest du dich
neigen, mir in die Augen zu schauen?“
Voller Staunen und
voller Verlegenheit Anna sprach höflich:
„Mein ist eine
strenge, patriarchalische Sippe.
Was die ernste Ehe
betrifft, das Heiligtum Gottes,
Diese Entscheidung
liegt bei meinen heiligen Eltern.
Aber ich danke für
dein liebendes, sorgendes Herz, Herr,
Doch ich bin noch zu
jung, deiner Bitte Antwort zu geben.“
Josef sprach: „Der
Wind bläst heute, der Regen bald schüttet,
Frühlingstage sind
nicht immer in Reichweite, Mädchen.
Wenn du mit meiner
Liebe nicht einverstanden, dann weh mir,
Wehe, das wird mir
weh tun! Aber wird es dir nützen?
Lass uns zuerst doch
heute unsre Verlobung versprechen,
Dann auch findest
sich wohl ein Fürsprecher bei deinen Eltern.
Wenn aber Gott meine
leidenschaftlichen Wünsche missbilligt -
Meine Jugend für
deine Liebe will ich riskieren!
Aber wenn du dein
Herz verschließt vor meinem Verlangen,
All meine Suche und
Arbeit ist nichtig und sinnlos, Geliebte!“
Diese schmeichelnden
Worte des Jünglings beruhigten das Ohr ihr,
Auch der Abend des
Frühlings ihr rührte die Saiten des Herzens.
Anna sprach: „In
der ersten Phase unsrer Bekanntschaft
War es schon schwer,
mein Herz zurückzuhalten, mein Lieber.
Ja, ich schätze
deine Freundlichkeit, Fürsorge, Sanftmut,
Ich erwidere das,
indem ich den Treue-Eid schwöre.“
Ihre Akzeptanz
schien rasch zu befreien das Herz ihm,
Er überreichte den
Shawl ihr und der Ohrringe Mondstein.
Und er sprach:
„Unser eheliches Leben beginnt nun,
Bitte, als Zeichen
meines Vertrauens nimm diese Geschenke.“
Sie aber hatte mit
sich einen blumigen Fächer,
Den gab sie ihm
zusammen mit der goldenen Spange.
Während sie Worte
der Treue tauschten, zärtliche Worte,
Gab es einen Tumult
von menschlichen Stimmen von ferne.
Schnell wie der Fall
von fallenden Blättern und Blüten ging Josef
In sein Haus und
Anna zurück in ihr eigenes Zimmer.
FÜNFTER GESANG
Ach die Zeit, da das
Gold wird im Feuer der Trübsal geläutert!
Ach, je heißer
verliebt, ach, desto tiefer die Trauer!
Diese Elbe,
schimmernd wie die Milchstraße droben,
Er an dem einen Ufer
und sie an dem anderen Ufer.
Eine Mauer aus Nebel
und Schnee verwehrte die Ansicht,
Es war schwer für
sie, auszutauschen die Botschaften schriftlich.
Langsam verstrichen
windige Tage und mondhelle Nächte.
Ach, die Rose
verblasste, als der Frühling vorbei war.
Am Geburtstag der
Großmutter Paula, dem neunzigsten Jahre,
Annas Eltern und
Bruder und Schwester waren versammelt,
Alle in schicken
Kostümen und mit teuren Geschenken
Waren bei Großmutter
Paula, um das Glück ihr zu wünschen.
In dem verlassenen
Haus allein gelassen war Anna,
Dachte, heute wär
eine Chance, den Liebling zu treffen.
Auf dem Tische lagen
die Äpfel des Herbstes, ein Kürbis,
Sie aber eilte mit
Lilienfüßen zur Mauer des Grundstücks.
Durch die Büsche
machte sie hörbar leicht ihre Stimme,
Aber da stand er
schon da und war bereit bei den Blumen.
Er sprach: „Du
bist kühl zu meiner Begeisterung Weißglut!
Deine Liebe zu mir
ist, ach, erfroren im Winter!
Weh mir, das taucht
mich ein in heiße Sehnsucht und Kummer,
Weh mir, vor Kummer
wird schon grau wie den Alten mein Barthaar.“
Anna sprach: „Der
böse Regen trieb mich nach Hause,
Wie auch der
blasende Sturm, ich brach das Vertrauen der Eltern,
Aber das ist mein
Glück, dass alle sind abwesend heute,
Nun ich komme mit
meinem Herzen, um deines zu schätzen.“
Nun sie gingen um
einen künstlichen Hügel herum und
Da befand sich am
Ende der Mauer im Zaune der Eingang.
Ärmel
hochkrempelnd, Josef entriegelt den Garten der Liebe,
Wolken spalteten
sich, sie kamen ins Märchenland selig,
Blickten sich
gegenseitig die leuchtenden Antlitze an und
Tauschten Worte der
Gesundheit und Worte des Glückes.
Schulter an Schulter
betraten sie sein Zimmer der Arbeit,
Während sie ihre
Gelübde der Liebe tauschten und Treue.
Auf dem
Schreibtische lagen Pinsel, Tusche, Gedichte,
An der Wand hing ein
Aquarell von knorrigen Kiefern,
Dieses Bild verriet
den wirklichen Ausdruck der Schöpfung.
Anna lobte
bewundernd die lebhafte Zeichnung von Josef.
Der sprach: „Diese
Skizze ist eben erst fertig geworden.
Bitte vermehr ihren
Wert, indem du Verse hinzufügst.“
Annas Nymphenhand
schrieb so schnell wie Sturmwind und Regen,
Kritzelte hin vier
Strophen eines gereimten Gedichtes.
Josef lobte sie:
„Anna, deine poetische Gabe
Übertrifft sogar
die Dichterinnen Marina und Else.
Hätte nicht mein
Leben dem Herrn im Himmel gefallen,
Hätte ich nicht so
eine Verlobte wie du bist bekommen.“
Anna sprach: „Mit
Einem Blick auf dein klares Gesicht, Schatz,
Konnt ich erkennen,
dass du ein Mann von Tugend und Wert bist.
Ich bin ein armes
Ding mit einem verdorbenen Schicksal.
Wird der Herr im
Himmel zustimmen unserer Liebe?
Ich erinnere mich,
als ich noch war in der Kindheit,
Kam ein Physiognom
und sah mich an und erklärte:
Dieses Mädchens
Quintessenz offenbart sich mir deutlich,
Da ich sehe ein
Leben voller genialer Begabung
Leider grausam
gefangen in einem tragischen Schicksal.
Josef, wäge dein
gutes Los und mein tragisches Schicksal,
Ich bezweifle, dass
unsere Liebe endet in Einheit.“
Josef sprach: „Unser
Treffen ist vorherbestimmt von dem Schicksal,
Oft der Wille des
Menschen besiegt den göttlichen Willen.
Selbst wenn das
Schlimmste geschieht mit unserer heiligen Ehe,
Wir riskieren viel,
um unser Versprechen zu halten.“
All ihre innersten
Herzensgefühle wurden nun deutlich,
Ihre Herzen voll
Liebe, voll Gin ihre trunkenen Köpfe.
Kürzer als eine
Handbreit ihre glücklichen Tage,
Schon versteckte die
Sonne den Spiegel hinter dem Westen.
Ruhelos dachte sie
an das Haus ohne Vater und Mutter,
Sie nahm Abschied
und ging zu ihrem eigenen Zimmer.
Als sie nach Haus
kam, waren die Eltern noch nicht zurück, sie
Waren noch bei dem
Geburtstag der heiteren Großmutter Paula.
Hastig senkte Anna
den Seidenvorhang der Türe
Und beschleunigte
ihre Schritte in Richtung des Gartens.
Phöbe schimmerte
silbern auf den gespenstischen Bäumen,
Eine Lampe brannte
im Arbeitszimmer von Josef.
Dieser schlief ein
und lehnte sich auf die Platte des Tisches,
Dunkles Wachen und
helles Schlafen, dies war sein Zustand.
Ihre Schritte
unterbrachen den träumenden Schlaf ihm,
In dem Schimmer des
Mondes nahte die Blüte des Birnbaums.
So betäubt wie auf
dem Höhepunkt einer Ekstase
Dachte Josef an eine
Hochzeitsreise gen Süden.
„Trotz der
einsamen Nacht (so sagte Anna zu Josef)
Drängte mein Herz
mich, voll Verlangen zu dir zu kommen.
Nun, wir sind ganz
deutlich erleuchtet von Antlitz zu Antlitz,
Und wer weiß, der
morgige Tag wird nichts als ein Traum sein.“
Froh er stürzte
hinaus, sie einzuladen ins Zimmer,
Zündete Kerzen an
und Räucherstäbchen von Weihrauch.
Schriftlich
verfertigten sie einen Bund der ewigen Treue,
Schnitten die Haare
sich ab mit einer stählernen Schere,
Dann beim Mond, dem
treuen Zeugen der Liebe am Himmel,
Feierlich
wiederholten sie den Eid ihrer Treue,
Und sie empfahlen
ihre Herzen der himmlischen Mutter,
Einmütig wollten
sie sein nun für den Rest ihres Lebens.
SECHSTER GESANG
Nun sie tranken aus
gläsernen Kelchen den Wein der Vermischung,
Ihre Düfte
vermischten sich, ihre Schatten verschmolzen.
Josef sagte: „Der
Wind ist kalt, und durchsichtig Luna,
Jedenfalls fühl ich
noch immer ruhlos mein Herz in dem Busen,
Da ich den
Jungfernstieg noch nicht betreten als Freier,
Ach, mein
Ausharrenmüssen könnte werden zur Frechheit.“
Anna sprach: „Wir
sind durch Schicksalsfäden verbunden,
Nur ein Wort
gewechselt und schon wir wurden Vertraute.
Ausgenommen
unanständige Dinge, mein Lieber,
Alles andere dir zu
gewähren ich nimmer bereue.“
„Du kannst gut die
Gitarre spielen (redete Josef),
Meine Ohren sehnen
sich, deine Musik zu genießen.“
Anna sagte: „Meine
bescheidnen Talente sind wertlos,
Aber du hast mich
gebeten und darum will ichs gewähren.“
An der Wand hing
eine Gitarre, wie eine Geliebte
Weiblicher
Rundungen, diese gab nun Josef der Liebsten.
Anna sagte: „Meine
unbedeutenden Künste -
Warum bist du so
begierig auf diese Begabung?“
Und sie begann, die
Saiten der schönen Gitarre zu stimmen,
Stimmte sie in der
richtigen Tonhöhe nach dem Gehöre.
Ihre Musik hat die
Klagelieder der Neger erneuert,
Wie sie auf
Baumwollplantagen sangen für Gott, den Befreier.
Eine andere Melodie
war der Blues von der Liebe,
Da erklang, wie
Medschnun kniete anbetend vor Layla,
Wie ein Mann war
voll Liebe, dass er gebebt hat vor Schmerzen.
Dann sang sie die
Trauerballade vom Tode des Knaben,
Ach, und vom
Wiedersehen dereinst im seligen Himmel.
Ihre Musik klang wie
der Schrei des einsamen Reihers,
Der an dem Teiche
gequält wird von den grausamen Möwen.
Langsam klangen die
Lieder, wie sanfte Brisen im Frühling,
Oder schnell, wie
der Sturm im Herbste donnert vom Himmel.
Und die Lampe wurde
dunkel und hell von den Tönen,
Josef saß da und
tauchte in taumelnder Traurigkeit Meere,
Manchmal neigte er
sein Gesicht in schonende Hände,
Manchmal saß er
finster vor Schmerzen, gerunzelter Stirne.
Josef sprach: „Deine
Musik ist wirklich wunderschön, Liebe,
Aber wenn ich sie
höre, fühl ich mich bodenlos traurig!
Warum wählst du
diese Musik voll trauriger Töne,
Die dein Herz
deprimieren und betrüben die andern?“
Anna sagte: „Es
ist nun einmal mein inneres Wesen,
Traurig oder froh,
es ist begnadete Stimmung!
Weiser Josef, ich
schätze deine goldenen Worte,
Und ich hoff, meine
Schwächen werden sich langsam verringern.“
O wie ihr
parfümierter Leib nach Charisma duftet,
Ihre Augen, ihr
Lächeln funkelten Feuer der Liebe,
Josef war ein
schwankendes Boot auf dem Meer der Begierde,
In sein Kuddelmuddel
mischten sich Bitten der Wollust!
Ernst aber sagte
Anna: „Spiele nie mit der Liebe,
Lass mich wenigstens
sagen, was ich sagen will, Lieber.
So ein Mädchen wie
ich ist gar nicht wert deiner Sorge,
Dürfen doch Vögel
nicht den Pflaumengarten besuchen!
Aber ich fühl mich
geehrt, deine künftige Gattin zu werden,
Also muss ich die
Ethik der Keuschheit aufrecht erhalten.
Gutes Benehmen! Ich
mag kein Mädchen mit mangelnder Reinheit,
Niemand würde solch
ein Mädchen heiraten wollen.
Wir sind nicht
temporäre Sexualpartner, Josef,
So wird die
Keuschheit meines Leibes nicht gehen verloren.
Lass uns die
berühmte Liebesgeschichte nicht wiederholen,
Denn es gab den
Dichter Torsten, das Mädchen Karina,
Sexuelle Freuden vor
dem goldnen Versprechen,
Übermäßiger
Liebesgenuss ermüdete Torsten.
Selbst wenn sie
Brust an Busen zusammen lagen im Bette,
Hielt er sie im
Herzen für eine törichte Hure.
Ach, da kühlte sich
ab die Verbindung eiliger Liebe,
Ihre süße Idylle
entpuppt sich als bitteres Elend.
Weil sie seine
Begierden nicht zurückwies am Anfang,
Musste sie später
in ihrer Schande leben, verachtet.
Bitte dränge mich
nicht zu körperlichen Genüssen,
Ich will zur rechten
Zeit dir geben, was du benötigst.“
Diese sanfte, aber
ernsthafte Rede vernehmend,
Schätzte mehr als
je zuvor der Josef die Anna.
Eben war der
silberne Mondstrahl verblasst auf den Dächern,
Da kam ein Bote mit
einem schwarzumränderten Briefe.
Anna eilte zurück
in ihre Kammer des Mädchens,
Josef trat in den
Pflaumengarten draußen vorm Hause.
Als er die Tür
seiner Wohnung eben öffnete leise,
Brachte der Bote den
Trauerbrief von Josefs Familie.
Das war die traurige
Nachricht vom Tod seiner Tante Petheda,
Die beerdigt werden
sollt auf dem Friedhof von Baltrum,
Einem romantischen
Eiland in der südlichen Nordsee,
Auch genannt
Dornröschen vom friesischen Archipelagus.
Josefs Mutter rief
ihn an die Küste der Nordsee,
Dass er der Tante
Petheda die letzte Ehre erweise.
Was für ein Kummer
war ihm der Tod der treuen Petheda!
Schnell ging Josef
zu Anna in die Kammer des Mädchens
Und erzählte ihr
die ganze Trauergeschichte,
Von der Trauer der
Mutter und seinem eigenen Kummer.
„Unsere Sache
wurde noch nicht ausführlich besprochen,
Unsere Liebe wurde
noch nicht der Gesellschaft verkündigt.
Aber unser Eidschwur
ist unverändert und wahrhaft,
Niemals wird sich
mein Herz durch lange Entfernung verändern!
Jenseits von hundert
Kilometern, Momente wie Jahre,
Es ist lange Zeit,
bis enden unsere Sorgen.
Bitte, Geliebte,
sorge dich um deine Gesundheit,
So nur werde ich
mich wohlfühlen dort an der Nordsee.“
Diese Worte zu
hören, brachte sie in Verwirrung,
In der unsichern
Stimmung sprach sie von ihren Gedanken:
„Hymen Hymenäus!
Warum hast du uns beide,
Die die
Verschmelzung noch nicht genossen, heute geschieden?
Haben wir beide doch
schon den ernsten Eidschwur geschworen,
Unsere Haare
verändern sich, aber nie unsre Herzen.
Lange Monde und
Jahre will ich warten auf Josef,
Immer weinend allein
beim Gedanken an all deinen Kummer.
Ich habe dir die
Treue meines Herzens versprochen,
Über den Tod hinaus
dir geschworen ewige Treue!
Ja, solange die Elbe
existiert und die Nordsee,
Denke daran, zu mir
zurück zu kommen, mein Liebling!“
Wie sie verbunden
waren, vermochten sich gar nicht zu trennen!
Während die Sonne
direkt erschien an der Ecke des Hauses,
Jeder Schritt des
Abschieds verlieh unsägliche Schmerzen,
Jedes Wort des
Abschieds erstickte in strömenden Tränen!
Josef trug seiner
Tasche zu dem Eisenbahn-Bahnhof,
Aus dem Zuge sah er
zurück auf die fliehende Landschaft.
Elstern krächzten
auf Tannen, Möwen schrieen am Himmel.
Sie hatte sich
zurückgezogen aus der Gesellschaft,
Er war belastet von
schweren Lasten des Kummers der Liebe.
SIEBENTER GESANG
Anna stand gelehnt
an die Tür, die schaute gen Osten,
Aber ihre Seele war
umschlungen von Ketten des Kummers.
Durch das Fenster
sah sie die schwarzen wirbelnden Wolken,
Blass war sie wie
kranke Lilien, traurig wie Weiden,
Seelenlos ging sie
wieder ins Innre des Hauses.
Während die Familie
kam vom Geburtstag der heiligen Oma,
Hatten sie sich kaum
gegrüßt mit dem Gruße des Frriedens,
Sahen sie überall
Polizisten rings um die Wohnung.
Manche hatten
Pistolen, andere Schlagstöcke, grimmig
Sahen sie aus wie
eine Schar von finstern okkulten Dämonen,
Handschellen legten
sie an dem Konrad, dem Michael Paul auch,
Deren Wutgebrüll
erfüllte das Haus wie mit Donner,
Dass Maria Theresia,
Eva und Anna erschraken.
Da ward mitgenommen
die Büchersammlung des Vaters
Und die Aktenordner,
die waren gesammelt im Keller,
Einzelne Polizisten
ergriffen die Sammlung von Eulen.
Da ward die Anklage
aufgesetzt, der Vater beschuldigt,
Konspiriert zu haben
mit kommunistischen Russen.
Wer aber war der
Fallensteller, wer der Verleumder?
Dieses fragten sie
alle und sie bekamen die Antwort:
Der Verkläger war
ein Schurke, ein Lehrer der Schule.
Die Familie war
entsetzt und war wie bezaubert,
Ihre strömenden
Tränen verwischten die Wolken am Himmel,
Ihre Schreie ließen
donnernd erbeben die Erde.
Aber sie flehten den
ganzen Tag um Gnade des Richters,
Aber vor tauben
Ohren, sie hörten gespaltene Zungen.
Konrad und Michael
Paul waren eingesperrt im Gefängnis,
Diese Isolation
zerbricht auch die härtesten Felsen.
Anna besah das alles
und spürte herzliche Schmerzen.
Alles Lüge! Sie
konnte sich nur beim Himmel beklagen,
Da es eine
Gewohnheit war von Amt und Behörde,
Sich mit des Mammon
Seligmacher bestechen zu lassen.
„Was kann ich aber
tun, um Vater und Bruder zu retten?
In dem äußersten
Notfall muss ich sie heimlich befreien.
Ach meine Liebe zum
jungen Josef, die Ehre des Vaters,
Leidenschaft oder
Pietät, was ist hier geboten?
Ich muss ablassen
von dem Gelübde meiner Verlobung,
Ich bin ja meinem
Erzeuger ewig zum Danke verpflichtet.“
Also traf sie
entschlossen ihre feste Entscheidung:
„Ich verkaufe mich
für die Kaution, die befreit meinen Vater.“
Da war Herr Krug,
ein alter Funktionär der Behörde,
Der war ein
Polizist, war aber ein freundlicher Alter.
Angesichts ihrer
kindlichen Dankbarkeit, kindlichen Liebe
Er empfand für die
schöne Anna ein heimliches Mitleid.
Nun, die Zahlung der
Kaution und von Geld zur Bestechung,
Zehntausend deutsche
Mark, und alle wären befriedigt.
Er erzählte es ihr,
dieweil der Rest ihrer Sippe
War vorübergehend
in Untersuchungshaft-Zellen,
Bis die erforderte
Summe kommt in den kommenden Tagen.
Ach wie schade für
sie, ein junges Mädchen voll Einfalt,
Sancta Simplicita,
plötzlich in das Unglück verwickelt!
Ihres Herzens
Schmerz war ein Leben fern der Familie,
Aber sie bereute
nicht ihr Leben, nicht ihre Liebe.
Regentropfen, ohne
Rücksicht aufs zornige Schicksal,
Opferte selbst sie
ihr Leben, um den Vater zu retten.
Sie gab eine Annonce
auf in den Nachrichten Hamburgs,
Dass sie sich selbst
verkaufe gegen Geld in die Ehe,
Diese Annonce löste
Klatsch aus nahe und ferne.
Da war in Bremen
eine alte Mutter, Luise,
Eine
Millionen-Erbin, die glaubt an die Göttin der Katzen,
Diese schickte ihren
missratenen Sohn, um zu freien.
Detlef hieß er, ein
Terrorist, Student der Geschichte,
Der war aus Bremen,
Mitglied maoistischer Zelle,
Vierzig Jahre alt
und immer noch Schüler der Uni,
Glatt rasiert sein
blasses Gesicht, rasiert seine Glatze,
Der, gefolgt von
Rüpeln, Anarchisten und Gammlern,
Kam mit den
zwanzigtausend deutschen Mark seiner Mutter,
Setzte sich
breitbeinig auf den Stuhl hin, ohne Manieren,
Während das
asoziale Pack ward vom Bullen vertrieben.
Mürrisch gestresst
von der Trauer von Vater und Bruder,
Jeder Schritt auf
dem Boden strahlte Ströme von Tränen,
Da die Rauheit des
Lebens ward erschüttert von Ängsten,
Anna stand da mit
Blumen, sich im Spiegel betrachtend.
Alle lobten ihr
Angesicht, lobten die zärtlichen Finger,
Wie eine violette
Aster ihre traurige Aura
Und die schlanke
Gestalt dem Aprikosenzweig ähnlich.
Ihre Schönheit,
ihre Talente wurden erwogen,
Dass sie gut die
Gitarre spielte, das Trommeln beherrschte.
Jeder ihrer Züge
verströmte Anmut und Zauber,
Gut gefallend.
Detlef hat den Handel beschlossen,
Sprach: „Ich steh
auf dem Jungfraunstege, begehre die Perle.
Sagt mir, wie hoch
der Preis ist für die Gabe der Hochzeit.“
Und man sagte ihm:
Unbezahlbar ist die Geliebte,
Aber wegen dem
Missgeschick ihrer Familie bezahlbar.
Detlef feilschte wie
ein Türke auf dem Basare,
Bis er zehntausend
deutsche Mark für Anna bezahlte.
Er gab das restliche
Geld der maoistischen Zelle.
Detlef und Anna
wurden Braut und Bräutigam also,
Schon ward das Datum
festgelegt für die staatliche Hochzeit,
Denn mit Geld ist
alles zu kaufen, auch eine Geliebte.
Worte wurden zum
Polizisten Krug nun gesendet,
Für die Freilassung
Konrads vorübergehend zu bürgen.
Krug hatte Mitleid
mit dem alten Vater im Kerker,
Krug hatte Mitleid
mit der naiven Tochter des Vaters.
Konrad aber sah Anna
an mit gebrochenem Herzen:
„Ich erlasse es
dir. Ich hab eine andre Erwartung.
Du sollst einst
einen würdigen Gatten haben zur Ehe.
O du launisches
Schicksal! Warum bringst du nur Unglück,
Ungerechtigkeit,
unsre Familie so zu zerbrechen!
Muss ich sterben, so
fürchte ich keine Strafe der Hölle,
Aber leiden muss
ich, wenn man weh tut der Tochter.
Früher oder später
sicherlich jeder muss sterben,
Lieber bring ich
mich um, als solche Qual zu ertragen!“
Tränen flossen über
und über nach seiner Beschwerde,
Er riskierte sein
Leben und schlug den Kopf an die Mauer.
Alle beeilten sich,
ihn zu beobachten, ihn zu bewachen,
Und versuchten, ihn
zu beruhigen, gütig zu trösten.
„Vater, ein
Taugenichts und ein Luftikus ist deine Tochter,
Ich bin so gar nicht
von deinen Vatergaben begnadigt.
Ich bin so sündig
wie Margot, zu Haus im Bordelle,
Ich bin Magdalena
gleich, der Sünderin Gottes.
Du in deinem Alter
bist ein Lebensbaum, Vater,
Du musst viele
Zweige tragen und Blätter und Blüten.
Wenn du in deiner
Liebe nicht zulässt, dass ich nun scheide,
Wird der Wettersturm
unsre Familie gewaltsam zerschmettern.
Es ist doch besser,
dass mein Leben werde geopfert,
Grün bleibt der
Lebensbaum, ist auch die Blüte gefallen.
Was auch immer mein
Schicksal sein soll, lass es geschehen,
So als wäre ich
schon als Kind eine Tote gewesen.
Tauche nicht deinen
Geist in sinnlosen Kummer und Jammer,
Das führt nur zu
psychischer Krankheit, zum Elend des Lebens.“
Diese vernünftigen
Worte beruhigten ihm seine Ohren,
Vater und Tochter
sahen sich an durch den Schleier von Tränen.
Zu der Zeit war
Detlef, der Student, grad gekommen,
Unterschrieb den
Vertrag und überreichte die Gelder.
Ach wie böse ist
Hymen doch, der Götze der Ehe,
Eine solche
satanische Ehe im Pakt zu vereinen!
Wenn man nur Geld in
der Hand hat und im Überfluss Mammon,
Kann man Schwarz aus
Weiß machen und aus Bitterem Süßes!
Durch die
Hilfsbereitschaft des alten Krug in dem Amte
Ward die Bestechung
angenommen, die Akte geschlossen.
ACHTER GESANG
Nun der
Familienkummer war für Momente verschwunden,
Aber die Hochzeit
eilte herbei mit erneuertem Kummer.
Einsam in der Nacht
im Schein der Lampe des Zimmers,
War ihr Kleid von
Tränen nass und die Haare verworren.
„Schicksal! Ich
resigniere, was auch immer geschehe!
Es ist schade für
Josef, der so beharrlich und treu ist!
Seine Mühe, mein
Herz zu gewinnen, war so gewaltig,
Weil ich nun Ja
gesagt, ist er in großem Dilemma.
Unsere Becher
Ehe-Wein sind noch nicht getrunken,
Doch ich breche den
Eid und widersprech dem Versprechen!
Jetzt am fernen
Horizont, dort an der Mordsee, der Nordsee,
Hält er vielleicht
die Trennung von mir für Irrtum und Fehltritt.
Viele Gelübde
legten wir ab für die himmlische Hochzeit,
Diese Liebe ist
jetzt beendet, und nichts ist geblieben.
Ach, wenn es gibt
die Wiedergeburt im kommenden Leben,
Werde ich Josefs
Hündin und werde ihm treu sein als Schoßhund.
Wenn ich die
Schulden der Liebe nicht dem Gläubiger zahle,
Nehme ich meine
Schulden mit in das Fegfeuer droben.“
Anna war vertieft in
ihren tragischen Kummer,
Als die Lampe
erlöschte, ist sie weinend entschlummert.
Ihre Schwester Eva
erwachte am Morgen vom Schlumnmer,
Machte das Licht
wieder an und fragte voll Liebe die Schwester:
„Schatz, die Pläne
des Himmels ändern sich und sind verwickelt,
Du allein musst die
Ungerechtigkeit tragen als Opfer.
Ist das der Grund,
warum du so lange wach bist geblieben?
Oder lebt da ein
andres Geheimnis tief dir im Herzen?“
Anna gab Antwort:
„Das mein Herze schluchzt, das ist die Wahrheit,
Ich bin in
unvollendeter Liebe noch immer verworren.
Schändlich ist es,
preiszugeben intime Vertrautheit,
Heimliche Liebe im
Herzen ist Untreue an dem Gemahle.
Eva, ich flehe dich
an um Hilfe! Hör meine Rede!
Bitte setz dich. Ich
knie vor dir, bevor ich beginne.
Meine Liebesbande
mit Josef sind halb schon zerrissen.
Jetzt bist du an der
Reihe, diese Fetzen zu flicken.
Seit ich ihn
getroffen, den schönen Gelehrten, den Josef,
Haben wir täglich
Begierden vertauscht und Verheißungen nächtlich.
Dann sind aber
geschehen plötzlich die häuslichen Stürme
Und ich vermochte
weder Liebe noch Pflicht zu erfüllen.
Eva, du bist noch
jung, noch dauern dir Reize des Frühlings,
Hab doch Mitleid mit
deiner Busenfreundin und Schwester,
Hilf mir, meine
Gelübde der Liebe treu zu erfüllen!
Ich muss sterben!
Meine Gebeine werden zerstrümmert,
Meine Seele, die
parfümierte, wird lächeln im Hades!
Hier ist die goldene
Haarspange, hier das Papier der Verlobung,
Bitte bewahr sie als
Andenken an verliebte Personen.
Eines Tages, wenn er
und du verheiratet seid, dann
Wirst du deine
geschiedene Schwester gewiss nicht vergessen.
Wenn ich auch fort
bin, bleibt mein Besitz zurück doch auf Erden,
Meine Gitarre und
der Eid-Duft unserer Tage.
Dann in der Zukunft,
wenn du willst, verbrenne den Weihrauch,
Dann nimm meine
Gitarre und fang an, Lieder zu spielen.
Schaust du hinaus,
dann siehst du das Gras, die Blätter und Blüten,
Du wirst fühlen,
dass ich zurück bin im zärtlichen Windhauch.
Meine Seele ist
immer noch durch das Gelübde gebunden,
Ich riskiere alles
für meine ewige Liebe.
Bin ich aber stumm
und abwesend, Schatte im Hades,
Opfere Brot und Wein
für meine verurteilte Seele!
Jetzt ist die Spange
gebrochen und die Vase zerschmettert,
Dennoch bleibt meine
Liebe zu Josef immer lebendig!
Bitte übermittle
ihm meine Worte der Reue,
Dass nun unsere
Liebe unterbrochen vom Schicksal.
Warum ist nun so
bleich wie Kalk mein unglückliches Schicksal?
Unter eisigem Wasser
ich eine gestorbene Blume.
Josef, mein Schatz!
O Josef, mein ewig innig Geliebter!
Heute muss ich dich
verraten, mein treuer Geliebter!“
Als sie schwieg, da
fiel sie bewusstlos nieder in Ohnmacht,
Atemlos ihre Nase,
ihre Arme wie Kupfer.
Konrad und Maria
Theresia wachten vom Schlaf auf
Und so gleich war
das Haus beschäftigt mit weltlichem Treiben,
Alle kümmerten sich
um Anna, die da lag in Schwachheit.
Kaum erholte sie
sich von der Ohnmacht, da weinte sie wieder.
Konrad sagte: „Wie
kommt mir vor diese seltsame Sache?“
Anna schluchzte
wieder und konnte kein Wörtchen mehr sagen.
Eva flüsterte da in
die Ohren des ratlosen Vaters:
„Das Problem ist
die Haarspange und das Papier der Verlobung.“
„Ich verstehe
(sagte er), ich ruiniere die Liebe,
Aber Eva wird gut
machen diese gescheiterte Sache.
Was denn machte
plötzlich kaputt das Liebesglück Annas?
Wer treibt sie in
ein elendes Leben von Disteln und Nesseln?
Was sie empfuhlen,
wird ausgeführt, der Stein ist zerbrochen,
Aber ich werde nicht
widersprechen den Worten der Tochter.“
Anna verneigte sich
vor dem Vater und sagte dann höflich:
„So wirst du mir
helfen, meinen Plan zu erfüllen.
Jetzt ist mir das
Schicksal egal meines liebenden Sklaven,
Selbst der Tod in
der Fremde kann mich nicht mehr erschrecken.“
Während sie waren
in grenzenlosen Kummer versunken,
Klang die
Angelus-Glocke der Sankt-Josefs-Kapelle.
Schon war der Wagen
draußen angekommen und hupte.
Da erklangen
Gitarren und drängten zur schmerzlichen Trennung.
Herzschmerz hatten
die Toten und die, die blieben auf Erden,
Tränen der Trennung
höhlten aus die härtesten Steine.
Finstere Wolken
überschatteten drohend den Himmel,
Traurige Gräser
waren beschmutzt und das Laub war befeuchtet.
Zu der Herberge in
Sankt Pauli ward sie gefahren,
Wo sie ganz allein
blieb hinter verschlossenen Türen.
Schmerz und Scham
übewrwältigte sie und quälte das Mädchen,
Voller Bitterkeit,
voller Selbstmitleid dachte die Arme:
„Ach, der Elfen
Edelstein fällt in die Hände des Bastards!
Ganz vergeblich ward
sein Glanz bewahrt vor dem Regen.
Hätt ich gewusst,
dass mein Schicksal in diesem Herbst mir begegnet,
Lieber gäb ich dem
Josef meine jungfräuliche Keuschheit!
Hab ich meine
Jungfräulichkeit denn bewahrt für den Bösen?
Soll ich Josef
verletzen und ihm zufügen Schmerzen?
Wenn wir uns
zufällig wieder treffen irgendwo morgen,
Soll ich ihm
begegnen in diesem besudelten Körper?
So hinaus getrieben
in diese Menge der Sünder,
Warum muss ich
weiter leben dies elende Leben?“
Dort auf dem kleinen
Tisch von Eichenholz sah sie ein Messer,
Stahl aus Solingen,
dass sie nahm und tat in die Tasche,
Nur für den Fall,
dass sie in eine Sackgasse komme,
Dann benutzte sie
es, ein Ende zu machen dem Leiden.
Ach, die Herbstnacht
ward von Sekunde zu Sekunde gemeiner,
Anna schwebte im
Zustand des Traumes, bis sie erwachte.
NEUNTER GESANG
Nichts, was sie von
ihrem künftigen Ehemann wusste,
Dieser Detlef war
ein erfahrner erotischer Playboy.
In der Ausschweifung
war er gestürzt, hatte Unglück erfahren,
Als ein
Mädchen-Experte lebte er mit einer Hure.
Und dort regierte im
Puff die alte Puffmutter Aphra,
Die war selbst eine
alte und schrecklich faulige Hure.
Zufällig, ohne
Absprache, hatten sich beide getroffen,
Trug mit Trug, sie
bildeten eine Verbrechergemeinschaft.
Und sie
kooperierten, die Hurenhöhle zu leiten,
Reibungslos liefen
die Jahre ihre Sündengeschäfte.
Überall in der Welt
sie suchten nach reizenden Mädchen,
Menschenhändler
brachten sie von Afrika, Thailand,
Diese wurden mit
Gewalt unterrichtet in Künsten des Sexus.
Böses oder Gutes
bestimmt das launische Schicksal.
Und ein Los des
Schicksals war nun auf Anna gefallen,
Ach, wie erbärmlich
war das keusche liebliche Mädchen!
Eine Lilie, verkauft
in ein Boot von Händlern von Menschen,
Armes Opfer,
gefangen in seines Fleisches Gefängnis,
Billige
Heiratsgeschenke bekommend, das Datum der Hochzeit.
Heimlicher Freude
dachte Detlef: „Sie ist mein eigen,
Diese rote Fahne ist
in meine Hände gefallen,
Und je mehr ich
bewundre, je mehr ich begehre.
Sie ist in der Tat
die herrlichste Dame von Deutschland,
Deren Lächeln
bringt mir Tausende Mark von dem Mammon!
Um die
Jungfräulichkeit dieser süßen Blume zu schmücken,
Banker und Advokaten
werden wetteifern um sie.
Eine Nacht mit ihr
wohl koste dreihundert Taler.
Das wird es
wettmachen, dass ich nicht mehr in Berlin bin zuhause,
Denn nun kommt der
Profit, der kapitalistische Segen.
Aber der
Leckerbissen ist nah meinem hungrigen Munde.
Ja, nach ihrem
Liebreizzauber sehn ich mich dürstend.
Jetzt ist der Apfel
von Eden in meine Hände gefallen
Und ich möchte dies
Lebensgefühl der Wollust genießen.
Unter der Sonne in
dieser Welt der Fleischesgenüsse
Kaum ein Mann hat
mehr wissen von den Mädchen der Freude.
Saft von
Granatäpfeln und das Blut von geschlachteten Hähnen
Stellt das
Jungfernhäutchen wieder her wie am Anfang,
Und durch diesen
Trick betrüg ich die Nüsse der Säcke,
Und ihr Preis bleibt
unverändert, bleibt teuer ihr Hymen.
Wenn die alte Hexe,
die faulige Aphra mich fragt, dann
Höchstens riskiere
ich es, von ihr gegeißelt zu werden.
Außerdem hier in
Hamburg an der Reeperbahn bleib ich
Still und verborgen,
keiner wird meine Pläne bezweifeln.“
Was für ein
Bedauern der weißen Kamelienblume:
Einer Biene Stachel
durchbohrte den Stempel der Blüte!
Ein verheerender
Sturm war erbarmungslos nieder gegangen,
Unbesorgt um ihre
Perle voll süßesten Duftes.
Ach, sie trieb durch
den vagen Traum der Hochzeitsnacht, schmerzlich,
Ganz alleine unter
der Hochzeitskerze gelegen.
Tränen der Schande
fielen nieder wie Fülle des Regens,
Da sie hasste den
Kerl und ihren besudelten Körper.
„Scheint es doch,
er ist eine Art von schmutzigem Wesen,
Ach mein wertvoller
Leib und mein reiner Name verdarben!
Bleibt jetzt noch
etwas übrig für mich zur seligen Hoffnung?
Das ist das grausame
Ende meines Lebens auf Erden!“
Mürrisch wegen der
Liebe und bitter über ihr Schicksal,
Nahm sie das Messer,
versuchte, sich selbst den Puls zu zerschneiden…
Aber der Gedanke
siegte über den Selbstmord:
„Mag ich doch
sterben, aber was bringt das für Schmerzen der Mutter!
Was auch immer wär
das Ergebnis meiner Ermordung,
Sicher fällt es
zurück auf meine Eltern als Schande.
Sicherlich mit der
Zeit wird mein Leiden gelindert doch werden,
Bald doch, oder
vielleicht erst, wenn der Tod mich befrein wird.“
So war sie
beschäftigt, Vor- und Nachteil zu wägen,
Als an dem Zaun der
Mann der Hennen kraftvoll gekräht hat.
Als die Glocke zur
Matutin bei Sankt Josef geläutet,
Detlef kam, der
Teufelsstudent, und drängte zur Abfahrt.
Ach, was war das für
eine herzzerreißende Trennung!
Pferdestärken
dröhnten und schon rollten die Räder.
In einem Gasthaus
Konrad lud ein zum Feste des Abschieds,
Gastgeber großzügig
und die Gäste grüßten einander,
Anna und Maria
Theresia teilten den Kummer,
Sahen sich an, die
Augen strömten über von Tränen,
Anna begann, in
Maria Theresias Ohren zu flüstern:
„Ach, ich schäm
mich, ich bin als schwaches Mädchen geboren,
Aber wie könnt ich
je deine Wehenschmerzen belohnen?
Nun ist mein Körper
im Kot gefangen, alles vorbei nun,
Nur mein Herz
bleibt, was ich dir weihend bieten kann, Mama!
Beispiele gibt es,
was ich in diesen Tagen gesehen,
Dass ich glaub, ich
fiel in die Hand eines grausamen Schlägers.
Ist er zuhause,
lässt er mich immer allein, ohne Achtung,
Geht dann eilig
hinweg und kommt in Heimlichkeit wieder.
Wenn er frisst oder
schwatzt, dann immer auf dreckige Weise,
Auch die Putzfrau
hat keinen Respekt vor dem Geber der Arbeit.
Aristokratische
Menschen sind edel von oben bis unten,
Aber er gleicht
einem verlausten Händler des Flohmarkts.
Was kann ich
erwarten von dieser Verdammnis des Lebens?
Lebend oder tot, ich
bin im Exil der Verbannung!“
Als die Mutter die
Worte hörte der herzlieben Tochter,
Wollte sie mit
Klagerufen spalten den Himmel.
In dem Gasthaus
hatte jeder geleert seinen Bierkrug,
Detlef drängte zur
Abfahrt, es sehnte ihn sehr nach Sankt Pauli.
Konrads Herz war
gepresst von der Liebe zur elenden Tochter,
Stehend an Detlefs
Wagen, bat den Studenten der Vater:
„Diese meine junge
und schwache und hilflose Tochter
Wurde aufgrund von
Missgeschicken zuhaus deine Gattin.
Fortan könnte sie
überall sein, in Deutschland und Frankreich,
Sie ist allein nun
ausgesetzt dem Hagel und Regen.
Sie steht im
Schatten deiner hohen Pinie, Detlef,
Dass du sie
schützest vor Nebel und Schnee und Regen und Hagel.“
Grinsend sprach
Detlef zu dem Schwiegervater: „Ja, Alter,
Ich ward von Hymen,
dem Gott der Ehe, an Anna gefesselt,
Was auch immer
geschehn wird im irdischen Tale der Tränen,
Sonne und Mond und
Satan und Antichrist sind meine Zeugen!“
Und das Auto
donnerte, dröhnte wie Wettersturm zornig,
Wie es fuhr durch
den grauen Staub gepflasterter Strtaße.
Alle wischten die
Tränen sich ab und fixierten die Augen
Auf den Horizont im
Gedenken an ihre Geliebte.
Jetzt in ein
fremdes, fremdes Leben ward Anna geblasen,
Brücken weiß von
Raureif und Wipfel von Wolken verdunkelt.
Schilfrohr drängte
sich eng und weinte im frostigen Winde,
Herbstlich der
Himmel war ihr, war Anna allein vorbehalten,
Auf der leeren
nächtlichen Straße im dämmernden Nebel
Starrte sie den Mond
an und schämte sich über die Hochzeit.
Golden und purpurrot
waren die Blätter von Eichen und Buchen,
Anna hörte die
Amseln zwitschern, gedachte der Eltern.
Nun durch völlig
seltsames Wetter, verschlungene Straßen
Kamen sie an auf der
Reeperbahn in dem Viertel Sankt Pauli.
Eben hatte das Auto
am Haupteingang schnaubend gehalten,
Da ward ein Schatten
aus der Türe hervortretend sichtbar.
Auf den ersten Blick
eine Frau mit bleichem Gesichte,
Eines wohlgenährten
Wesens riesiger Körper.
Diese grüßte nun
den Studenten Detlef, den bösen,
Anna trat bescheiden
zurück und ging in die Wohnung.
Da war der Vorraum
gesäumt von einigen reizenden Huren,
Auf der anderen
Seite saßen lüsterne Gäste.
Zwischen ihnen war
ein Altar mit Venus-Ikone,
Das war das
herrliche Bild der eben geborenen Venus.
Das war Tradition
bei den Huren, den Mägden der Venus,
Dass sie diese
Göttin als Schutzfrau der Huren verehrten
Und verehrten die
Venus alltäglich mit Rosen und Äpfeln.
Wenn eine Hure hatte
Pech mit einem geizigen Kunden,
Zog sie sich nackend
aus und lag vor der nackigen Göttin,
Brannte
Räucherstäbchen ab und lallte Gebete,
Lag auf der
Bettdecke, opferte Venus Rosen und Äpfel,
Venus erhörte sie
und brachte ihr zahlende Kundschaft.
Anna war ziemlich
verblüfft von dieser seltsamen Szene,
Wie empfohlen,
kniete sie nieder. Die Venusmagd sagte:
„Möge unser
Geschäft im Laden wohlhabend sein und
Unsere Tage und
Nächte sein wie fröhliche Feste.
Mögen Männer
kommen, die werden unsre Verehrer,
Die da schwärmen
wie Sperlinge und verschlucken viel Wodka.
Möge man viele
Briefe stecken in unseren Briefschlitz,
Dass wir heißen
unaufhörlich die Gäste willkommen.“
Diese Worte klangen
so komisch in Annas Gehörgang,
Und sie dachte, es
ist nicht anständig, so was zu hören.
Als die Verehrung
der nackigen Göttin Venus beendet,
Setzte sich Herrin
Aphra auf dem Bett auf und sagte:
„Komm, und huldige
mir, ich bin deine Mutter, gehorch mir,
Und verbeuge dich
auch vor deinem dich liebenden Onkel.“
Anna sprach: „In
ein vagabundierendes Leben geschleudert,
Ich hab mein
Schicksal akzeptiert als Männer-Geliebte.
Warum verwandeln die
Menschen die Taube denn in die Elster?
Ich bin Sancta
Simplicitas, ich versteh nicht die Rolle.
Detlef hat mir das
Hochzeitsgeschenk für die Hochzeit gegeben,
Und wir haben gelebt
zusammen wie Gatte und Gattin.
Jetzt aber stellt
sich heraus, dass meine Rolle geändert.
Darf ich dies sagen,
um die Sache deutlich zu machen?“
Bei der Anhörung
das Problem Frau Aphra erkannte
Und sofort geriet
Frau Aphra in heftiges Zürnen,
Und sie sagte:
„Jetzt ist offensichtlich die Schande,
Detlef sagte, er
wolle nur junge Mädchen besorgen,
Neue Hostessen zu
rekrutieren und dann zu trainieren.
Was für ein freches
Gesicht! Und wie erbarmungslos ist er!
Denn zu seinem
eignen Vergnügen er testete vorher,
Jetzt ist dein
Jungfernhäutchen verloren, die Freude der Männer,
Und verdammt ist
mein Geld, das solltest du mir verdienen.
Du als Jungfrau bist
an mich verkauft worden, Mädchen,
Nun in meinem Hause
musst du dich beugen den Regeln.
Hat dieser dumme
Teufel dich sexuell etwa belästigt?
Gib ihm eine
Ohrfeige! Lausch nicht mehr seinem Reden.
Warum unterwirfst du
dich seiner fordernden Wollust?
Ach, zu früh als
junges Mädchen warst du in Stimmung!
Du wirst erfahren
die Macht und Stärke meiner Befehle.“
Sie griff die
Peitsche und sprang auf, um Anna zu peitschen.
„Unter dem ernsten
Himmel über der Erde (sprach Anna),
Seit ich weg von
zuhause, leb ich wie eine Tote.
Soll dies nun mein
Ende sein, hab ich nichts zu bereuen.“
Anna holte sofort
aus der Tasche ihr Solinger Messer,
Da stand die Hure
entsetzt auf, als sich Anna durchbohrte.
Wie erbärmlich!
Solch ein Talent und solch eine Schönheit
Sollte durchs Messer
abgeschnitten werden vom Leben!
Dieses Missgeschick
wurde enthüllt und weithin verbreitet,
Neugierig strömten
Männer herein und rannten das Haus ein.
Während Anna in
ihrer Ohnmacht nah war dem Tode,
Aphra, die
Puffmutter, war voll seelenlosem Entsetzen.
Eilig trugen sie
Anna in den Westflügel, schickten
Nach dem Hausmeister
dann und riefen heimlich die Ärztin.
ZEHNTER GESANG
Aber ihre Verbindung
mit dem Staube ist da noch,
Sie sah in ihrer
Ohnmacht am Bett erscheinen ein Mädchen.
Und die Jungfrau
sprach: „Noch ist dein Leben nicht an dem Ende,
Du musst noch büßen
und Sühne leisten für all deine Sünden.
Darum musst du das
bittere Schicksal der Frauen ertragen,
Wenn du auch sterben
möchtest, das erlaubt nicht dein Schöpfer.
Tu dein Bestes, dein
elendes Leben zu Ende zu leben,
Danach sehn wir uns
wieder an einem heiligen Flusse.“
Nach dem ganzen Tag
der Medikamente und Sorgen,
Anna erholte
allmählich sich von der Schwäche des Nahtods.
Aphra wählte die
freundlichsten Worte, um Anna zu trösten:
„Siehe, wir werden
alle mit einem Körper geboren,
Du bist nun wie die
frische Blüte des himmlischen Frühlings.
Du hast sicher
begangen eine lässliche Sünde,
Aber tugendhafte
Mädchen soll man nicht zwingen,
Sich zu
prostituieren in dem Geschäft mit dem Sexus.
Schließ dich ein in
dein Zimmer und warte auf einen Gemahl dort.
Lebe nur, ich will
deinen Körper nicht mehr verkaufen.
Du wirst finden
einen Gemahl mit würdigem Stammbaum.
Aber dein
Selbstmordversuch, der schadet dir selber nur, Mädchen,
Und ist auch
schädlich für den Ruf meines Handels mit Frauen.“
Diese beharrlichen
Worte hauchte sie Anna ins Ohr ein,
Das schien logisch,
zu unterscheiden Böses von Gutem.
Außerdem nach der
Vision der heiligen Jungfrau im Traume
War ihr das Unglück
ja bestimmt von der Vorsehung Gottes.
Wenn sie in diesem
Leben ihre Sünden gebüßt hat,
Bleibt ihr das
Fegefeuer erspart und sie kommt in den Himmel.
Endlich drangen die
Worte der Schlampe in Annas Gehörgang.
„Ich will mich
auch nicht mehr selber ermorden (sagte sie höflich),
Mir wird noch Glück
zu teil, wenn dein Orakel ist wahrhaft.
Werde ich wirklich
in den kommenden Tagen noch glücklich?
Wenn ich mit
Liebkosungen sollte die Gäste ergötzen,
Lieber sterb ich in
Tugend, als in Sünde zu leben!“
Aphra sprach: „Nimm
dir Zeit, mein Mädchen, du wirst noch sehen,
Nicht ein Spiel oder
Lüge sind meine freundlichen Worte.
Wenn ich später auf
meine Worte nicht sollte bestehen,
Möge der Richter
der Lebenden und der Toten mich richten.“
Das Versprechen der
Puffmutter Aphra war ernst zu bedenken,
Anna fühlte sich
langsam und allmählich erleichtert.
Vor dem Eros-Center,
wo Anna lebte gefangen,
Die Laternen und der
Vollmond mischten die Lichter.
Ihre Augen richtend
auf des Horizonts Grenze,
Sah sie nur spitze
Schiffsmasten in dem Hamburger Hafen.
Voller Scham
erblickte sie morgens den Venus-Planeten,
Ihre Seele war
voller Lust und nostalgischer Wehmut.
Anna dachte an Josef
in den mondhellen Nächten,
Dieser wartete
schmachtend jetzt auf Nachricht von Anna.
Während sie allein
gefangen im Puff von Sankt Pauli,
Wann wird ihr Herz
gereinigt von seiner heiligen Liebe?
Anna dachte an ihre
Eltern, wartend am Tore.
Wer nun fächelt im
Sommer ihnen, wärmt sie im Winter?
In dem heimischen
Hause, nach so viel Sonne und Stürmen,
Waren sie noch
gesund? War schon das Schlimmste geschehen?
Träumend sah sie
nahe den Hamburger Hafen im Zwielicht.
Wessen irrendes Boot
dort segelte fern in die Zukunft?
Müde starrte sie
auf die Wogen kommender Wellen.
Wohin flossen die
armen Blumen der schäumenden Kronen?
Und sie starrte auf
die Straßen von trostlosem Asphalt,
Diese verschmolzen
mit dem Schimmer des nachtblauen Himmels.
Voll Verdruss sah
sie die Stürme, die tanzten im Hafen,
Die die Wellen
versetzten in brüllende Donnergeräusche.
Und umgeben von
Wolken und von dunklen Gewässern,
Traurig im Exil sang
sie eine Ode von Pindar.
Während sie den
Vorhang fallen ließ schwer vor dem Fenster,
Tönte eine
Antwort-Ode hinter der Mauer.
Das kam von einem
jungen Manne von blühender Jugend,
Einer gepflegten
Erscheinung in der modischsten Kleidung.
Anna hielt ihn für
einen Studenten aus guter Familie.
Er hieß Bernd, so
sagte er auf die Frage von Anna.
Sie sah ihre Gestalt
nun huschen über den Vorhang,
Er war sofort mit
ihr untrennbar verbunden in Liebe.
„Wehe, (grummelte
er) o große duftende Schönheit!
Das tut mir leid,
dass du gefallen in diese Verbannung.
Du bist kostbar,
dein Preis ist hoch wie der Mond in den Wolken.
Warum bekümmerst du
dich selbst, du blühende Blume?
In mir selbst bin
ich wütend auf den ehernen Himmel!
Und du neigst dich,
meines Herzens Gefühlen zu lauschen?
Wenn überhaupt,
dann hat die Dame den Helden gefunden,
Er wird ihr helfen,
aus ihrem Käfig rasch zu entkommen.“
Zwar die äußeren
Fenster waren schon lange geschlossen,
Aber sie hörte noch
immer seine Rede im Ohre.
Anna dachte an Bernd
und dann an Coco, die Katze,
Bernds Erbarmen
verminderte ihre hilflose Bangnis.
Wenn sie weiterhin
führte ein Leben wie dieses auf Erden,
Wann denn würde
ihre elende Notlage enden?
Anna wollt es
riskieren, ihm ein paar Worte zu schicken,
Also bittend im
Briefchen seine gütigen Hände,
Ihren ertrunkenen
Körper von dem Tode zu retten.
Sie schrieb eine
Notiz, erzählte die ganze Geschichte,
Von der
Heimatkatastrophe zur eignen Verbannung.
Als der glitzernde
Tau des Morgens war einfach verschwunden,
Hatte sie die Notiz
dem Manne zukommen lassen.
Aber als im Westen
die bleiche Sonne verschieden,
Kam ein Antwortbrief
mit guter Nachricht zu Anna.
Schnell riss Anna
den Brief auf dieses Gottesgeschenkes,
Innen waren in
Geheimschrift zwei Worte geschrieben,
Doch es gelang der
klugen Anna, die Schrift zu entziffern:
„Späte Nachtvögel
eilen nach Hause im schweigsamen Walde,
Die Kamelienblüte
verbirgt den Halbmond am Himmel.“
Zweige bewegten wie
Schirme sich an der östlichen Mauer,
So kam Bernd herein
und stieg durch das offene Fenster.
Peinlich berührt,
wagte Anna hervor sich, ihn zu begrüßen,
Sie verbeugte sich
vor ihm und sprach mit zärtlichen Worten:
Ich bin nur ein
schaumgeborenes Mädchen (sprach Anna),
Abgeirrt von der
Herde und in Sankt Pauli gestrandet.
Möge deine Rettung
mich wieder zum Leben erwecken,
Diese deine Gnade
werde ich nimmer vergessen.“
Bernd hörte zu, er
nickte und plapperte seinen Bombast dann:
„Ich bins allein,
kein andrer, Mädchen, dein Retter!
Herrin, vielleicht
hast du meinen Ruhm, meinen Lobpreis vernommen?
Ich bin
entschlossen, zu stillen dieses Meer von Beschwerden.“
Anna sprach: „Alles
hängt von deiner Gnade ab, Retter,
Bitte sag mir, was
ich tun soll, ich werde dir folgen.“
Bernd sprach: „Ich
habe einen Freund, der hascht nach dem Winde,
Und einen Freund,
der sorgt für meines Körpers Gesundheit.
Fliehen werden wir,
wenn die Leute nicht auf dich achten,
Das ist die beste
List des listenreichen Odysseus.
Auch bei heftigem
Sturm und sintflutartigem Regen
Bist du vollkommen
geschützt in meinen schützenden Händen.“
Anna wurde
misstrauisch bei den Worten des Stolzen,
Aber zu spät wars
für sie, den Kurs noch etwa zu ändern.
Anna schloss die
Augen und tat einen Schritt nun nach vorne,
Alles zu tun, was
sich herausstellen würde als Schicksal.
Mit verstohlenen
Schritten sie huschten die Treppe hinunter,
Beide bestiegen sein
Motorrad, brausten donnernd von dannen.
Und die irdische
Zeit verging, wie die Herbstnacht verblasste,
Sturm zerriss die
Bäume, den Mond verbargen die Wolken.
Die besudelte Straße
wurde verwischt von dem Nebel,
Annas nostalgisches
Herz schmerzte bei der Fahrt auf der Straße.
Schon vermischte
sich mit dem hastigen Hahnenschrei morgens
Auch das Gekrächze
der Krähen und Raben und diebischen Elstern,
Während Anna immer
noch pochte das Herz voller Bangnis.
Bernd nun sein
Motorrad lenkte außer Sichtweite, fliehend.
Anna war wieder
allein. Sie wusste nicht, was sie nun tun soll,
Zwischen den Häusern
Hamburgs irrte Anna alleine.
ELFTER GESANG
Gott im Himmel, bist
du so grausam und gnadenlos, Jahwe,
Solch ein makelloses
und frommes Mädchen zu quälen?
Wieder umgeben von
einer Gruppe brutaler Geschöpfe,
Anna war am Ende
ihres Fluchtweges hilflos.
Aphra, die
Puffmutter, war gar selbst an die Stelle gekommen,
Anna ward wieder
gebracht ins Bordell zu den Mädchen der Freude.
Ohne verhört zu
werden, der Diener folterte Anna.
Als normale Tochter
des Menschen aus Fleisch, Blut und Knochen,
Ach, wie konnte sie
ertragen die quälenden Qualen?
Anna kniete nieder,
zu beichten, um Gnade zu flehen,
Beugte ihren
blutverschmierten lockigen Schädel,
Sprach: „Ich bin
nur ein Mädchen von einem erbärmlichen Schicksal,
Bin allein und weg
vom Zuhause und meiner Familie.
Jetzt ist die
Entscheidung dein, mein Tod oder Leben,
Was es auch ist, ich
akzeptier es mit tiefer Ergebung.
Meine Leiden stören
mich nicht mehr, ich leide geduldig,
Denn mein Schicksal
ist bestimmt. Wie sieht es mit Geld aus?
Wie eine
Straußenmutter, sich nicht um die Eier bekümmernd
Fortan will ich mein
Jungfernhäutchen nicht mehr bewahren!“,
Annas Zugeständnis
ward ausgenutzt von Frau Aphra,
Sie erzwang eine
Garantie und eine Verpflichtung.
In dem Bordell war
ein Gast, den nannte man Enno den Friesen,
Der es aus Mitgefühl
riskierte, Anna zu trösten.
Aber die Puffmutter
Aphra strengte sich weitere an, strenger,
Sie begnadigte Anna,
wenn sie gehorsam nun wäre.
Anna in einem
inneren Raum zur Ruhe verhelfend,
Enno der Friese
gewann diskret des Mädchens Vertrauen.
Enno sprach: „Du
kamst in eine missliche Lage.
Warum erkennst du
nicht die wahre Natur deines Retters?
Bernd ist ein
notorisch untreuer Liebhaber, Freier,
Er hat schon viele
parfümierte Blüten begraben.
Falscher Retter, das
ist der Name seines Manövers,
Neu ist nicht dieses
Paar von Hexe und Medium, wahrlich.
Aphra hätte ihm
fünftausend Mark geben sollen dafür,
Dass er die Szene
betrete und spiele die Rolle des Retters.
Du wirst sehen, bald
kommt er wieder, da solltest du schweigen,
Argumentiere nicht
mit ihm, es nützt dir zu garnichts.“
Anna sagte: „Bei
seinen Worten und Schwüren der Liebe
Hätte ich nie
gedacht, dass er ein Teufel gewesen.“
Während sie darüber
noch nachdachte, wie und warum nur,
Ward das freche
Gesicht von Bernd im Bordelle gesehen,
Bernd erhob seine
Stimme, als ob er sie anklagen wolle:
„Mir ward gesagt,
dass eine gewisse Hure im Haus ist,
Die Gerüchte
verbreitet, ich hätte verführt eine Jungfrau.
Schau dir mein
Gesicht an, und erkenne die Wahrheit.“
Anna sprach: „Es
ist in Ordnung, es ist alles in Ordnung.
Wenn nicht geschehen
ist, stimme ich zu, dass nichts ist geschehen.“
Aber der schamlose
Teufel donnerte Worte der Schelte,
Brach über sie
herein und wollte Gewalt noch gebrauchen.
Anna sagte: „Gott
im Himmel weiß, was geschehen!
Wer hat mich
verführt und wer war der schuldige Sünder?
Stecke mich ohne
Gnade nun in den Pfuhl des Verderbens,
Alle rebellischen
Worte werde ich eilig verschlucken.
Aber noch hab ich
deinen handgeschriebenen Fluchtplan,
Das ist nichts
anderes, das ist dein ehernes Antlitz in Wahrheit.“
Annas Wort ward
gehört von der Menge drinnen und draußen,
Sie beschuldigten
seine Perfidie und Verkehrtheit.
Als Verräter
gefangen genommen vom Zorne der Menge,
Bernd beschämt
wählte lieber den Weg des Rückzugs ins Freie.
Anna, wieder in
ihrem Zimmer, weinte voll Kummer,
Dachte an sich
selbst und bedauerte zutiefst ihre Seele:
„So nun mein
kristallklarer, ah, mein schneeweißer Körper
Ist wie alle anderen
Mädchen zerfetzt und zerschlagen!
Traurig oder
glücklich ist das menschliche Dasein,
Aber warum trifft
das Unglück immer die Frauen?
Da ich nicht führte
tugendhaft mein früheres Leben,
Muss ich die
Missetaten heut korrigieren und büßen.
Ach, es ist alles
vorbei, die weiße Vase zerscheppert,
Meine Sünde muss
ich ein für allemal sühnen!“
Einmal in einer
klaren Nacht der schimmernden Luna
Aphra war in Annas
Zimmer und sagte zu Anna:
Siehe, die Kunst der
Liebe erfordert mancherlei Übung,
Kurtisanen müssen
alle Techniken kennen.“
Anna sagte: „Wenn
Blitze kommen von reibender Hitze,
Wenn es sein soll,
werde ich lernen die Künste der Liebe.“
Aphra sagte: „Das
ist nicht eine Kunst wie sonst andre,
Warum kommen die
Männer sonst hierher, für Liebe zu zahlen?
Es gibt viele
erregende Künste in dieser Karriere,
Männer umarmen am
Tag und fesseln zur Nacht die Geliebten.
Lerne Ovid und das
Kamasutra auswendig, Tochter,
Lerne die
Mundkommunion, die man nennt die französische Zunge,
Und die Geißelung,
die man nennt die germanische Liebe,
Lerne das Buttern,
denke da an Meißel und Möser,
Lerne das
Wind-und-Regen-Spiel, erzeuge Gewitter,
Lerne das Spiel von
Phönix und Zaubervogel im Baume,
Lerne kennen die
Hochzeiten Aphrodites im Mythos,
Alle diese sind
exklusive Methoden des Hauses,
Lerne sie kennen und
du wirst überall Herrschende werden!“-
Anna gehorchte
schüchtern der klugen Sexstunde Aphras,
Aber sie runzelte
ihre Stirn und blass ward die Wange.
Aphras Worte spülten
allein schon durchs Hören mit Ohren
Solche bizarren,
gnadenlosen und schrecklichen Dinge.
Ach, wie schade doch
für ein junges würdiges Mädchen,
Solche Obszönitäten
als Anfängerin zu erlernen.
Was für ein
beschämendes, dreistes Gesicht wird sie haben,
Ja, die niedrigste
Stufe, die ein Mensch haben könnte.
Wehe, wehe, wie
grausam war ihr zorniges Schicksal,
Hilflos in den
Händen von Menschenhändlern und Huren!
ZWÖLFTER GESANG
Nun das Freudenhaus
zeigte seine rosigen Tücher,
Und je teurer die
Hure, desto größer die Würde.
Bienen und
Schmetterlinge kamen als schwärmende Kunden,
Sie in die Nacht zu
tauchen durch Schwelgen, Lust und Vergnügen.
Sie war beschäftigt
wie ein vom Wind geblasenes Blättchen,
Morgens sagte sie
Karl ab, suchte am Abend den Gerhard.
Wenn sie von
Trunkenheit oder traumreichem Nachtschlaf erwacht war,
Sie erschrak und
beklagte sich bitter über ihr Leben.
Sie war einst wie
aus transparenter Seide ein Mädchen,
Jetzt aber war sie
ein Gänseblümchen am Rande der Straße.
Ihr Gesicht war vom
Sturm zerschlagen, vom Nebel verschleiert,
Und ihr Körper ganz
ausgebeutet von hungrigen Männern.
Trotz ihres
fleischlichen Streichelns und Liebkosens der Freier,
Kannte sie kein
bisschen Glück in ihrer verwundeten Seele!
Noch wenn sie
sanften Zephyr um die Flora genossen,
Wenn sie Luna
beschaute durch das gefrorene Fenster,
Jede Szene war von
Natur aus voll Melancholie nur,
Und sie war nicht
fröhlich in ihrem irrsinnigen Kummer!
Manchmal malte ein
Bild sie oder schrieb eine Ode,
Spielte Gitarre im
Mondschein oder Schach in dem Frühling.
Aber in ihrer Seele
war nur erzwungener Jubel,
Da war kein wahrer
Freund da, um ihr Vergnügen zu teilen.
Unbewegt von dem
Sturm in den Bäumen, dem Regen aus Wolken,
Sie war von
hunderttausend Kümmernissen belastet,
War besessen von
frischen und alten Erinnerungsbildern,
Diese Erinnerung
schmerzte, ohne den Körper zu peitschen!
Nun dachte sie an
die Eltern, die immer großzügig waren,
Diese wurden mit der
vergehenden Zeit immer älter.
An dem Jungfernsteg
und auf dem Gefilde der Heide,
Hatte damals sie je
diesen Stand ihres Schicksals geahnt nur?
Eva und Michael
Paul, noch waren sie Jungfrau und Jüngling,
Waren zu jung noch,
um die alten Eltern zu pflegen.
Jetzt vermisste sie
Josef, diesen Mann ihres Lebens,
Doch er war weit
entfernt von ihrer misslichen Lage.
Wenn er heim käm
und suchte seine Geliebte, Verlobte,
Ach ihre Blüte war
zur Lust von Männern gepflückt schon.
Möge Eva dem Josef
seine Liebe erwidern,
Waren vielleicht sie
schon Mann und Frau in heiliger Ehe?
Ihre erste Liebe hat
ihre Seele gefesselt,
Träume von den
Eltern verfolgten sie nachts in dem Schlafe.
Ach, allein und
hoffnungslos saß sie trauernd am Fenster,
Sah in die
Dämmerung, sah an dem dämmernden Horizont Venus.
Fenriswolf und
Midgardschlange jagten die Sonne,
Anna hatte Mitleid
mit den gefallenen Mädchen,
Diese Frauen, mit
angebornen Talenten und Schönheit,
Wurden zum Spaß nur
ruiniert von den gierigen Männern!
Nun verbannt zu
einem Schicksal von Staubwolken, alle
Wurden defloriert,
bevor man sie schließlich verkaufte!
Da war unter den
Freiern ein Berliner Beamter,
Der ward Junker Jörg
genannt, ein fauler Beamter,
Der war von seinem
Vater misshandelt worden als Knabe,
Ging nun täglich
zur Arbeit in das Amt, um zu schlafen.
Lange Jahre
Enthusiast der Liebreize Annas,
Fand er den Weg
dahin, die Visitenkarte ihr gebend.
Bei dem ersten
Anblick ihres Blütengesichtes
Er verliebte sich in
den Stil, die Eigenschaft Annas,
Sie war ihm wie eine
weiße Kameliendame,
Diese wurde im
Frühlingswetter prächtiger immer.
Mond und Blüte, von
einander magisch gefesselt,
Wer kann sich
enthalten im Frühling der Liebesnacht Wonnen?
Das was zusammen
gehört, das findet auch immer zusammen.
Beide waren so
anhänglich, keiner konnte sie trennen.
Morgens und abends
waren sie zwei verliebte Genossen.
Wer hat ihr Sexspiel
zu einer wahren Liebe verwandelt?
Dann kam eine gute
Gelegenheit, glücklicher Kairos,
Da sein Vater
heimkehrte in die irdische Heimat.
Hypnotisiert durch
seine leidenschaftliche Liebe,
Junker Jörg
verbrachte die Stunden mit der Geliebten.
Jetzt auf der
Terrasse und jetzt im Hof unterm Mondschein,
Trösteten beide mit
Wein sich und tauschten Liebesgedichte.
Während die
Morgenluft beide oder den Mittagstee schmeckten,
Spielten sie Schach
dem König und stimmten die schöne Gitarre.
Sich dem Streben der
Freuden hingebend, Künsten der Liebe,
Sie verliebten sich
tiefer durch gegenseitiges Kennen.
Was für ein Wunder
war es, da die Pfeile der Augen
Annas konnten
zusammen brechen lassen ganz Deutschland!
Junker Jörg, von
Anna bis in den Himmel gepriesen,
Er verschwendete all
sein Geld für das Lächeln der Liebsten.
Angelockt dahin
durch die alten Gerüche des Geldes,
Puffmutter Aphra
sucht die Dirne Anna zu schminken.
Unter dem Schimmer
der Luna weinte der Kuckuck im Sommer,
In dem Hofe blühten
schön die Kastanienbäume.
In der Freizeit in
ihrer privaten Kammer ließ Anna
In die Badewanne
Badeschaum ein von Lavendel.
Was für eine Statue
Anna aus parischem Marmor!
Oh ein Meisterwerk
des Schöpfers ihr nackiger Körper!
Junker Jörg dachte
über Anna nach und er pries sie,
Und er schrieb ihr
ein Liebesgedicht von Arthur Rimbaud ab.
Anna sagte: „Ich
verstehe deine Gefühle,
Ich verstehe diese
schönen Perlen der Dichtkunst.
Ob ich nun gut oder
böse, ich sollte etwas dir schenken.
Aber mein Denken
eilt zurück in das Haus meines Vaters,
Immer mein Herz
verfolgt die weißen Wolken des Himmels,
Eine Antwort auf das
Gedicht, die bleib ich dir schuldig.“
Junker Jörg sprach:
„Komisch und absurd scheint dein Wort mir.
Bist du denn nicht
die Tochter dieser Puffmutter Aphra?“
Ihre Augen wurden da
traurig, trauriger immer,
Und sie schüttelte
aus die düstern Gedanken des Elends:
„Nur eine Blüte,
die vom Zweig gefallen ist, bin ich,
Und zu Spaß und
Spiel bist du ein Falter gekommen.
Du bist mit Lady
Lilith verheiratet, du bist ihr Gatte,
Darum verschwende
nicht deine Zeit und frag mich nicht länger.“
Junker Jörg sprach:
„Vom ersten Tag an, als ich dich gesehen,
Ist mein Herz
erfüllt von einer authentischen Liebe!
Weil ich
entschlossen bin, mir meinen Wunsch zu erfüllen,
Darum fragt ich
dich, Liebste, wessen Tochter du seiest.“
Anna sagte: „Danke
für deine hilfreiche Seele,
Aber es ist nicht
einfach in diesem unseren Zustand.
Du bleibst eine
Weile in diesem Hause der Freuden,
Du liebst die Blume
für den Farbton ihres Gesichtes,
Aber die Blume
verwelkt und ihr Duft wird verblassen,
Lässt du dann
unverändert die frühere liebende Seele?
Außerdem gibt es
bereits auf deines Haushaltes Schwelle
Lady Lilith, deine
Frau, die regiert deinen Haushalt.
Ihr seid aneinander
gebunden mit Ketten der Ehe,
Noch eine Frau kann
nicht eintreten in die heilige Ehe.
Lass kein Unglück
und kein treibendes Mädchen wie Anna
Die Glückseligkeit
eurer Ehe beeinflussen, Liebster.
Hundert Probleme
werden wegen mir sich ereignen.
Wer aber wird mir
beistehen, Gottes Zorn zu bestehen?
Selbst wenn du der
Herr bist in deinem eigenen Hause,
Du kannst mich doch
nicht vor deiner Gemahlin beschützen.
Wenn die Frau mehr
Autorität als der Ehegemahl hat,
Werde ich arme
Gazelle gefressen vom Rachen der Löwin,
Und ich werde
entehrt von der Ungnade deiner Gemahlin,
Deren Eifersucht
heißer brennt als das Feuer der Hölle!
Und dein würdiger
Vater, dieser Küster der Kirche,
Wird er barmherzig
schauen auf mich, die streunende Dirne?
Oder sieht mich an
der Küster als Wildrose, zwingt mich,
Dass ich heimkehre
ins Bordell zu den Künsten der Liebe?
Dann sind wir beide
beschmutzt, ich Dirne, du Freier der Dirne.
Das ist mein
Schicksal, doch muss ich um deinen Namen besorgt sein.
Aber wenn du mich
liebst, so findest du wohl einen Ausweg,
Und ich werde
zufrieden sein, was immer du vorschlägst.“
Junker Jörg sprach:
„Das sind nichts als Spekulationen!
Hast du denn nie in
meiner wahren Seele gelesen?
Fürchte weiter
keine phantastischen Eheprobleme,
Du vertraue mir nur
in Sachen unserer Ehe.
Wenn wir nur erst
zusammen leben, wer kann uns dann trennen?
Ich bin entschlossen
und werde riskieren die Stürme des Lebens.“
Also tauschten sie
aus mit feuchten Lippen die Küsse,
Sie zitierten die
Alpen und die Nordsee zu Zeugen.
Ach, die Nacht war
zu kurz für alle intimen Gespräche,
Da im Schimmer der
Luna ruhte der Hamburger Hafen.
DREIZEHNTER GESANG
Sagend, dass er
spazieren gehen wolle mit Anna,
Junker Jörg verbarg
sie in einem gemieteten Zimmer.
Krieg und Frieden,
Junker Jörg war für beides gewappnet,
Ihm half ein Advokat
und er hatte freche Spione.
Er schrieb einen
langen Brief an die Puffmutter Aphra,
Sie ergab sich in
seinen Willen wegen des Geldes.
Er bezahlte das Geld
und so bekam er sein Mädchen,
Alles wurde
aufgezeichnet von Sittenbeamten.
Nun gelöst die
öffentlich-privater Probleme,
Anna zog aus dem
Sumpf die kleinen Füßchen der Nymphe.
Und dem gemieteten
Zimmer leben wie Mann sie und Frau nun,
Ihre gegenseitige
Liebe war Strombett und Meerflut.
Annas
allgegenwärtiger Duft erweckte sein Feuer,
Und seine Hitze ließ
ihre perlende Schönheit erstrahlen.
Nun war ein halbes
Jahr vergangen des bräutlichen Lebens,
Da auf den Wegen
lagen schon die goldenen Blätter,
Da die violetten
Astern wuchsen in Beeten,
Da kam der Vater von
Junker Jörg, den Sohn zu besuchen.
Wütend war er über
die wilde Ehe des Sohnes.
Ohne Mitleid
versuchte er anzuspucken das Mädchen.
Nüchtern
analysierte er die Lage der Dinge,
Sagte, Anna solle
wieder ins Freudenhaus gehen.
Angesichts der
harten und kalten Worte des Vaters
Junker Jörg
riskierte es, ihm um Gnade zu bitten:
„Ach, ich kenne
all meine Sünden, heiliger Vater,
Meine Sünde
verdient die strengsten Strafen auf Erden.
Meine Hände sind
irrtümlich eingetaucht in den Schlammpfuhl,
Alles ist verloren,
ich kenne den richtigen Weg nicht.
Da wir leben seit
einiger Zeit wie Gatte und Gattin,
Hab ich das Herz
nicht, die eheliche Bindung zu lösen.
Wenn du in deiner
Entscheidung unnachgiebig und streng bist,
Lieber als sie zu
verraten, riskiere ich lieber mein Leben.“
Überkochend vor
Ingrimm über das Wort seines Sohnes,
Kniete Eberhad in
dem Amt, den Fall zu berichten.
Damals donnerte ein
Tsunami im indischen Meere.
Das Familiengericht
lud ein die beiden Verklagten.
Beide sollten der
Familienrichterin folgen,
Knieten vor der
Familienrichterin vor dem Gerichte.
Und sie schauten zum
eisernen Antlitz, zum harten Gesichte
Dieser
Familienrichterin auf. Frau Wiener erklärte:
„Dieser Mann führt
wie ein Narr ein verkommenes Leben,
Diese Hure begeht
des Ehebruchs Todsünde. Sie ist
Eine verschwendete,
eine weggeworfene Blume,
Welche pflegte, mit
Duft und Puder den Mann zu betrügen.
Auf der Grundlage
unsrer deutschen Sittengesetze
Nichts ist
zufriedenstellend geregelt im Falle der Ehe.
Übereinstimmend mit
dem Gesetz verkünd ich das Urteil,
Eins von beiden soll
sich die Hure Anna erwählen,
Entweder bleibt sie
bei Junker Jörg und erleidet die Strafe
Oder sie kehrt
zurück als Hure ins Freudenhaus Aphras.“
Anna sagte: „Mein
Entschluss ist fertig beschlossen,
Nicht wieder will
ich an der Sünde Spinnennetz kleben.
Dreckig oder sauber,
es ist mein fleischlicher Körper,
Schwach, naiv, ich
resigniere vor dem Gerichtsspruch.“
Und die Richterin
ordnete an: „Es gilt das Gesetz nun!“
Und sie fesselten
ihre Hände und banden die Füße,
Aber Anna bestand
die Qual ohne Schreie der Unschuld.
Ihre Wangen
verblassten, die Brauen verzogen sich schmerzlich.
Auf dem Boden von
Schlamm und Staub lag Anna sich windend,
Da ihr Antlitz
verblasste, ihr Körper ward dünner.
Junker Jörg war
auch ein Objekt des barmherzigen Mitleids,
Er beschaute alles
mit einem Herzen voll Trauer.
Und er rief: „Das
ganze Elend nur wegen mir, ach!
Hätt ich gehorcht
dem Gesetz, wäre sie jetzt nicht schuldig.
Ach, mein flaches
Herz, es wollte nicht nachdenken weise,
Und jetzt muss Anna
die ganze Strafe tragen der Unzucht.“
Junker Jörg
vernehmend, seine beschwerliche Klage,
Wurde Frau Wiener
berührt und fragte nach seiner Geschichte.
Unter Tränen
äußerte Junker Jörg sich dann höflich,
Alles erzählend vom
ersten Tage ihrer Bekanntschaft:
„Sie berechnete
vorher die Konsequenzen der Sünde,
Sie hat geweissagt,
sie wird eines Tages werden ein Opfer.
Ich bin
verpflichtet, sie zu befreien, nach Hause zu bringen,
Die sie wegen mir
nur die Katastrophe erlitten.“
Junker Jörgs
Geschichte weckte Frau Wieners Erbarmen,
Ihre Strenge ward
weicher, und sie zeigte den Ausweg:
„Sei es wahr
(sprach Frau Wiener), alles, was du berichtet,
Anna, obwohl eine
Hure, kennt das Gute und Böse.“
Eberhard sagte:
„Dieses Weibes treibendes Sicksal!
Aber sie kennt die
Literatur des heiligen Russland.“
Da sprach Frau
Wiener: „Ist sie eine Dichterin selber?
Möge sie zeigen ihr
Talent in einem Sonette!“
Anna gehorchte und
schrieb mit dem Stift ein Sonett an Cupido,
Die vollendeten
Verse zeigend der Richterin Wiener.
Diese lobte: „Dies
Sonett ist besser als Shakespeare!
Solche Kunst und
Weisheit ist tausendmal mehr wert als Goldschmuck!
O, ein Mädchen voll
Schönheit und ein kraftvolles Mannsbild,
Welches Paar von
Mann und Frau ist besser auf Erden?
Nun hört auf, ihr
beiden, Zorn und Ärger zu hegen,
Denn das stört nur
den Rhythmus der harmonischen Liebe!
Anna, du stehst hier
an der Tür des Sittengerichtes,
Äußerlich ist der
Verstand, doch zentral ist die innige Liebe!
Sohn und
Schwiegervater sind die Familie des Mädchens,
Also gib den Groll
auf und beende das Chaos!“
Junker Jörg
bestellte nun die Feier der Hochzeit,
Sitzend im Wagen und
bekränzt mit dem Kranze der Rosen,
Auch gefolgt von
einer fröhlichen Musiker-Truppe,
Anna ward gebracht
in die selige Kammer der Hochzeit.
Voller Wertschätzung
wegen Annas Talent, ihrer Tugend,
Vater Eberhard legte
auch seine Strafe beiseite.
Duft von Lilien und
Orchideen erfüllte die Wohnung,
Alle Bitterkeit
machte Platz für lustige Freuden.
VIERZEHNTER GESANG
Und sie spielten das
Schachspiel am Morgen und Abend,
Bis die Pflaume am
Pflaumenbaum verlor ihre Frische.
Anna in ihrem
privaten Zimmer in ruhiger Nachtzeit
Drückte ihre
Besorgnis aus und verzagt ihren Schrecken:
„Da ich das Glück
hab, deine Konkubine zu heißen,
Seit der Zeit die
Wildgänse flogen, ein Jahr ist vergangen.
Junker Jörg, mein
Wort ward gehört von deiner Familie,
Du bist warm zu
deiner Frau und kühl zur Geliebten.
Nun, ich finde Lady
Liliths Schweigen bedenklich,
Kümmert es
niemanden, unsere Liebe geheim zu vertuschen?
Deine Frau, die
herrscht in deinem Haushalt als Herrin,
Sie ist eine Person
von Regeln und strengen Gesetzen.
Aber deine Leute
sind furchterregend und schrecklich,
Wie die stürmische
Nordsee, die Herzen schwer zu ergründen!
Unsre Affäre hat
fast ein Jahr gedauert, Geliebter,
Diese Affäre kann
ihr keineswegs bleiben verborgen.
Du hast bis heute
nichts gehört von der Herrin zuhause,
Oder ist etwas
Ungewisses mit Lilith geschehen?
Bitte beeile dich,
reise in kürzester Zeit zu der Hausfrau,
Sie zu erfreuen und
über sie nachzudenken besinnlich.
Du verstehst ja
unsere heimliche Liebesgeschichte,
Sie zu verbergen auf
Dauer, das wird sicherlich scheitern.“
Einverstanden mit
Annas sehr vernünftigem Ratschlag,
Junker Jörg
beschloss, nach Hause wieder zu kehren.
In der Morgenröte
er es dem Vater erzählte,
Eberhard drängte
ihn, seine Reise schnell zu beginnen.
Junker Jörg und
Anna, die Abschiedsbecher zu trinken,
Sie spazierten vom
Haus zum Ort des schmerzlichen Abschieds.
Blau die Elbe
erstreckte sich als schimmernde Schlange,
Trauerweiden senkten
die Zweige voll Wehmut und Sehnsucht.
Beide hielten sich
an den Händen und seufzten und stöhnten.
Aber der bittere
Abschied trübte das Bier in den Bechern
Und das Scheiden
ließ ihre liebenden Worte ersticken.
Anna sprach: „Wir
werden von Straßen und Städten geschieden,
Was ist das Äußere
wert denn ohne inneren Frieden?
Kann doch ein Sack
voll Lumpen keine Nadel verstecken,
Lass uns aufhören,
nur zu träumen, sein wir vernünftig.
Über unsere
Liebesbeziehung und heimliche Ehe,
Einmal zu Hause,
erzähle Lady Lilith nur alles.
Sie ist vielleicht
nicht zufrieden und in zornigem Wüten
Übt sie ihre Macht.
Ich stelle mich aber dem Schicksal.
Das ist besser, als
zu lügen und sich zu verstecken,
Denn das würde nur
Katastrophen über uns bringen.
Wenn du mich
wirklich lieb hast, denke an all meine Worte,
Und ein Jahr der
Trennung wird auch schließlich vergehen,
Heute im nächsten
Jahr wird aufs Wiedersehen getrunken!“
Er ging fort, und
sie ließ los seinen Mantel aus Leder,
Herbstlich waren die
Eichen schon gefärbt mit dem Goldrot,
Staub bedeckte den
scheidenden Mann, der Staub dieser Erde,
Der verschwunden
zwischen den leuchtenden Straßenlaternen.
Anna blieb zurück,
ein nächtlicher Schatten, allein nun,
Während er sich
allein gewagt in den Dschungel der Großstadt.
Hoch am Himmel erhob
sich Luna mit doppelten Hörnern,
Stempelte Licht auf
Annas Kopfkissen, da sie entschlafen.
Aber all die
Strapazen seiner Fahrt waren nichtig
Im Vergleich zu der
Sehnsucht nach der Gattin zuhause.
Sie gehörte der
Familie von Rippena an und
Ward von allen die
schöne Lady Lilith gerufen,
Tochter war sie
eines bekannten Berliner Ministers.
Eine Hochzeit,
finanzielle Vernunftehe hatte
Lady Lilith und
Junker Jörg schon lange verbunden.
Wie sie sich im
Alltag benahm, das war nicht so schrecklich,
Aber schrecklich
ward sie, als sie von Anna gehört hat,
Von der Konkubine
hatte sie Stadtklatsch vernommen.
Wie sie das Feuer
des Herzens löschtE, entflammte es wieder,
Sie beschuldigte ihn
des Verrats und des Ehebruchs Sünde:
„Hätte er mir von
seiner neuen Geliebten gebeichtet,
Würde ich die
Geliebte tolerieren mit Nachsicht.
Ich bin nicht dumm,
ich möchte meinen Ehebund retten,
War es nicht wahre
Liebe, wenn mich die Eifersucht plagte?
Aber er wählte die
Verschleierung und das Verstecken,
Sich zu bereiten die
Affenhitze der kindischen Lüste!
Nun, ich denke an
alles, was er verbirgt vor der Gattin,
Und ich werde so
tun, als würde ich nichts davon wissen.
Eine andere Frau, da
habe ich nichts zu befürchten,
Eine Ameise kann
nicht heraus aus der irdenen Schüssel.
Nein, ich werde
erreichen, dass sie einander verleugnen,
Und ich beschäme
das Weib, dass sie die Augen muss senken.
Vor den beiden werde
ich rein und sauber erscheinen,
Das sind die
Konsequenzen, die der Verräter muss tragen.“
Sie behielt die
Gedanken tief in dem inneren Herzen
Und sie blieb taub
dem Klatsch und Tratsch auf den Straßen und Märkten.
Eine Woche später
kamen zwei Klatschweiber, Tanten,
Brachten neue
Nachrichten von der heimlichen Liebe.
Aber die Tochter des
Ministers täuschte nur Zorn vor:
„Ihr Abscheulichen
sollt mir keine Geschichten erfinden,
Denn mein Mann ist
nicht so abgedroschen wie andre,
Ich vertraue nicht
der sprudelnden Klatschweiber-Quelle!“
Und sie zeigte ihre
Macht und befahl die Befehle,
Schlug dem einen
Weib auf den Mund, der andern die Ohren.
Folglich haben alle
Weiber den Mund nun gehalten,
Niemand wagte es
mehr, Gerüchte vor ihr zu verbreiten.
Lady Lilith blieb
nun allein im Wohnzimmer sitzen,
Lachend und mit sich
redend, als wäre gar nichts geschehen,
An dem Tag und in
den Nächten hat sie sich getröstet.
Junker Jörg
erreichte sein Haus und stieg aus dem Wagen,
Grußworte mischten
sie mit den Küsschen leicht auf die Wangen,
Aber die Liebe ward
wärmer und die Leidenschaft heißer,
Fröhlich tranken
sie Champagner zum frohen Willkommen,
Aber behielten die
geheimen Probleme im Herzen.
Als nun Junker Jörg
zuhause war, hörte der Frau zu,
Wollte er eigentlich
die ganze Geschichte erzählen,
Aber Lady Lilith war
halb betrunken und lachte,
Gab nicht den
geringsten Hinweis auf seine Affäre.
Deshalb dachte er:
„Die Sache ist herrlich verborgen,
Warum sollte ich
ohne ihre Anfrage beichten?“
Und so schwankte er
und wollte den Drachen nicht wecken
Und den schlafenden
Hund nicht reizen, die bissige Hündin.
Manchmal tauschten
sie Nachrichten aus und lustige Witze,
Lady Lilith sprach
mehrdeutig und mit gespaltener Zunge,
Sagend: „In dieser
elenden Welt von Reichtum und Armut
Haben wir beide doch
zueinander totales Vertrauen,
Lobenswert für
diese langen Zungen von Schlangen,
Die verbreiten
Gerüchte von Untreue, die nicht begründet.
Denn obwohl mir
langweilig war, doch dachte ich nimmer
Daran, die Ehe zu
brechen mit einem Hausfreunde heimlich,
Meines Hausfreundes
schmutziges Wünschen ließ mich nur scherzen.“
Und sie dachte, die
Worte seien leichtsinnig, lässig,
Junker Jörg auch
äußerte seine Zustimmung freundlich.
Und das Ehepaar
genoss die ehlichen Freuden,
Einmal im
Lampenlicht und einmal auch in dem Mondschein.
Aber Junker Jörg
vermisste die Wollust mit Anna,
Als die gelben
Blätter fielen am Spandauer Teiche,
Er erinnerte sich,
was er in Hamburg gesehen
Und an das Haus, das
er nach Freuden der Liebe verlassen.
Aber er hatte nicht
den Mut, es Lilith zu beichten,
Aber Lilith hatte
seine Gedanken gelesen:
„Ein Jahr warst du
weg von Berlin, der preußischen Hauptstadt,
Wieder nun in
Berlin, musst du auf Eberhard achten.“
Junger Jörg fuhr
mit der Straßenbahn schnell zu der Wohnung
Eberhards. In der
Spree der Himmel sich spiegelte glitzernd,
Qualm von Autos und
Fabriken qualmte gen Himmel.
FÜNFZEHNTER GESANG
Kurz nachdem der
Junker Jörg auf Reise gegangen,
Lady Lilith fuhr mit
dem Wagen zu Mutter und Vater.
Sie erzählte der
Mutter Elfriede ihre Probleme,
Sie erzählte von
Junker Jörgs Verrat, ihrem Unglück,
Und sie erzählte
von ihrem Gedanken: „Die Eifersucht würde
Ihn beschämen und
würde mich zur Schuldigen machen.
Deshalb verschließ
ich die Augen und versiegle die Lippen,
Wahrlich, ich hatte
einen Plan vom ersten Tage an, Mutter.
Allzu weit ist die
Reise nach Sylt ja nicht in der Nordsee,
Und man kann mit dem
Auto fahren über das Wasser.
Dahin wollen wir
fahren mit auserkorenen Dienern,
Bringen Ketten zum
Fesseln mit und bringen nach Sylt sie.
Ja, wir werden sie
körperlich ausziehen, geistig entblößen,
Auf dass alle sie
nackig sehen, und werden sie foltern!
Ersten, diesen
hasserfüllten Menschen zu strafen,
Zweitens, um einen
Witz zu hinterlassen der Nachwelt.“
Für den klugen Plan
die Mutter lobte die Tochter,
Ließ ihr freie Hand
aus mütterlich-gütiger Nachsicht.
Und sie hatten den
Wagen und die Ketten gerüstet,
Nahmen die Hunde
mit, die Bernhardiner, die großen.
Als nun alle Befehle
waren klüglich gesprochen,
Fuhren sie über die
Nordsee nach Sylt, der friesischen Insel.
Anna stand nun
allein am Fenster, ihr Herz voller Sorgen:
Jetzt sind meine
alten Eltern wie Schatten des Todes,
Wie es wohl geht mit
ihrer Gesundheit und ihrem Befinden?
Meine Haare haben
schon erreicht meine Schultern
Und mein
Glaubensbekenntnis ist hin, mein Verlobungsgelübde.
Ich bin so schlank
wie das Schicksal einer kletternden Pflanze.
Wird die Union mit
Junker Jörg von Hymen begünstigt?
Warum ist in so viel
Auf und Ab mein Leben gefangen?
Und was denkt über
mich jetzt seine einsame Gattin?“
Durch das Fenster
hereingekommen der herbstliche Nachtwind,
Eine Mondsichel und
Orion prägten den Himmel.
Eine Kerze in Händen
vor dem Altar des Messias,
Stand sie da und
betete all ihr Herz aus zu Jesus,
Als aus den Blumen
die grausamen Männer auftauchten, grimmig,
Aus dem Nichts
erschienen Phantome und finstre Dämonen.
Nackte Messer und
Macheten blitzen im Hofe,
Anna hatte Angst,
wie wusst nicht, was soll sie machen?
Und sie spritzten
ein Betäubungsmittel auf Anna,
Dass sie gefallen
ist in nachttraumähnlichen Zustand.
Und sie hoben sie
auf und warfen sie in den Wagen.
Und sie brannten ihr
Schlafzimmer, ihren Lesesaal nieder.
Eine unbekannte
Leiche warf in die Spree man,
Um die Zuschauer
irrezuführen mit listiger Täuschung.
Annas Dienerin,
deren Seele aus Angst fast vergangen,
Wurde gejagt in
Büschen und Bäumen von grausamen Männern.
Eberhard, Vater von
Junker Jörg, im Haus in der Nähe,
Bebte vor Angst und
Furcht, als er sah die steigenden Flammen.
Und der Meister und
die Diener rannten zum Feuer,
Kämpften gegen das
Feuer, um das Mädchen zu suchen.
Heftig war der Wind
und hoch war das lodernde Feuer,
Überall stöberten
sie, doch konnten sie Anna nicht finden.
Tief schockiert und
betäubt sie sahen sich tief in die Augen,
In der Verzweiflung
fummelten sie an Büschen und Teichen.
Bei der Ankunft der
Asche in dem Zimmer von Anna
Sie enthüllten
eines verkohlten Skelettes Gebeine.
Aber sie waren zu
ehrlich, um den Trick zu erkennen,
Nahmen die Tote an,
sie wäre Anna in Wahrheit.
Eberhard weinte und
schluchzte bitter ununterbrochen
Jammernd um seinen
Sohn und seiner Nebenfrau Schicksal.
Alle hüllten sich
ein und kehrten wieder nach Hause,
Hüllten sich in die
Decken und legten sich friedlich zur Ruhe.
Die
Beerdigungszeremonie war gerade beendet,
Mit dem Wagen kam
Junker Jörg von der längeren Reise,
Und er trat an die
Stelle der alten Kammer von Anna,
Sah die Haufen von
Asche und die nackigen Wände.
In dem Haus seines
Vaters Eberhard stand in der Mitte
Wie auf einem Altar
ein schönes Photo von Anna.
Was für eine triste
Geschichte ward Jörg da berichtet,
Herzzerreißende
Trauer, Galle brennender Trauer!
Junker Jörg fiel
schluchzend und klagend zur Erde:
„Was für ein
ungerechter Tod einer heiligen Seele!
Wir waren sicher
uns, dass wir bald uns wieder erblicken,
Niemals hätt ich
gedacht, dass wir uns nimmermehr sehen!“
Er vermisste sie,
immer trauerte er um die Liebste,
Das war eine Not,
die konnte kein Doktor ihm lindern.
Da ward ihm erzählt
von einem Totenbeschwörer,
Welcher Geister
konnte beschwören und Tote zitieren.
Ob sie nun sind in
der Hölle, im Fegefeuer, im Himmel,
Jede verlorene Seele
konnte er rufen und hören.
Junker Jörg bot ihm
Geld an, wenn er die Tote beschwöre
Und den Geist von
Anna erscheinen lasse und reden.
Kniend vor seinem
Altar mit Buddha und Krishna und Kali,
Dieser Mystiker ist
geraten in Trance und Verzückung.
Als er wieder zu
sich gekommen, sprach der Schamane:
„Nicht hab ich ihr
Gesicht gesehn, doch gehört die Geschichte,
Dieses Mädchen ist
schwer durch ihre Sünden belastet,
Immer noch viele
Sünden hat sie im Feuer zu büßen!
Sterne sagten mir,
dass sie einen Unfall gehabt hat,
Keine Nachricht wird
von ihr gehört in den nächsten zwölf Monden.
Dieses Paar wird
sich wieder von Antlitz zu Antlitz begegnen,
Aber sie wagen es
nicht, einander ganz zu erkennen.“
Des Schamanen Worte
klangen komisch den Ohren,
So dass keiner von
ihnen ihre Gültigkeit glaubte,
Das war nur Hexerei
und Zauberei, törichter Unsinn,
Anna war tot, man
kann sie auf Erden nie wieder sehen!
Weiter trauerte
Junker Jörg und weinte um Anna,
Nie wieder würde er
sehen solch eine irdische Göttin!
SECHZEHNTER GESANG
Junker Jörg war
überzeugt, dass Anna schon tot war,
Und so wusste er
nichts von ihrer irdischen Hölle.
Lady Liliths
grausamen Männern war es gelungen,
Anna gefangen im
Wagen über die Nordsee zu fahren,
Und so kam sie nach
Sylt im Norden, der friesischen Insel,
Und der Wagen fuhr
direkt an ein Gästehaus, vornehm,
Wo die grausamen
Männer ihre Belohnung empfingen.
Anna ward in die
Mägdekammer gebracht in der Villa.
Alle Stunden der
Nacht hindurch war ohnmächtig Anna,
Aber am Morgen
erwachte sie von wildesten Träumen,
Und sie fand sich
gelegt in die Mägdekammer der Villa.
Sie war immer noch
verwirrt von des Morgentraums Filmen,
Als eine Stimme
erscholl, die rief, sie solle sich melden,
Eine der Mägde kam
herauf und drängte zur Eile,
Und erschrocken
folgte Anna den Schritten des Mädchens.
Blickend auf das
Wappen, sah sie die Dreizehenmöwe.
Kandelaber erhellten
den Salon in der Villa,
Würdig in einem
Sessel saß eine Großmutter-Greisin.
Diese
Großmutter-Greisin Traute fragte: „Wer bist du?“
Ehrlich und höflich
erzählte Anna ihre Geschichte.
Traute ward wütend,
sie überfiel ein stürmischer Ingrimm,
Vorwurfsvoll rief
die Alte: „Diese schamlosen Weiber!
Und der Mann ist
nicht ein guter und ehrlicher Bürger,
Sondern ein Spieler
und ein Ehemann und ein Betrüger.
Du siehst aus wie
eine nachtschwarze Katze vom Friedhof
Oder wie ein banges
Rebhuhn tief in den Dünen,
Der es zu peinlich
ist, sich selbst zu verteidigen, Anna,
Du bist verkauft, um
eine meiner Mägde zu werden,
Aber du bewahrst
noch immer Distanziertheit und Hochmut.
Aber häusliche
Disziplin will ich heute dich lehren!
Magd, gib dreißig
Schläge mit der Rute dem Mädchen!“
Alle die Mägde
schrien einstimmig: „Lasst uns sie schlagen!“
Anna war hilflos,
ihre Unschuld erneut zu beteuern.
Ohne Gnade schlugen
die Mägde mit Ruten und Gerten.
Wie erbärmlich für
sie, des Pflaumenbaums zärtliche Blüte,
Die ward nun im
peitschenden Regen grausam gebrochen!
Und nun nannte man
Anna Freudenmädchen des Meeres,
Sie ward zugeteilt
einer Gruppe von kichernden Mägden.
Fortan schmachtete
sie dort unter dem meerblauen Mantel,
Kümmerte sich nicht
mehr um die Haare, die Haut ihres Körpers.
Eine Frau namens
Kordula hatte Mitleid mit Anna,
Sie bedauerte sie
und ehrte sie, weil sie so reizend,
Diese Kordula bot
ihr Haschisch-Kekse und Tee an,
Und mit freundlichen
Worten sprach sie vom Weg der Befreiung:
„Alles ist Zufall.
Aber sei wachsam, schütze dich selber,
Sicher in einer
früheren Inkarnation auf der Erde
Hast du angehäuft
durch Sünden ein schreckliches Karma.
Aber hier haben
Wände Augen und Hausdächer Ohren,
Ignoriere sie alle,
ob sie auch nett sich verstellen.
Was kann im Falle
eines brutalen Wirbelsturms plötzlich
Tun die Biene, die
Ameise, dass sie Gerechtigkeit finde?“
Anna konnte nicht
verhindern, Tränen zu weinen
Aus der Angst ihres
Herzens für ihre elenden Nöte:
„Haufen Leiden
haben sich gehäuft auf mein elendes Schicksal,
Keiner war je im
Elend wie die elende Anna,
Ach, wie grausam
wird noch sein mein schreckliches Unglück,
Das mich bindet an
alle Katastrophen der Erde?
Um die Schulden
meines vergangenen Lebens zu büßen,
Wie eine wuchernde
Schlingpflanze, muss ich riskieren mein Leben.“
Anna wünschte sich,
sie könnte schöpfen einigen Atem,
Da kam die junge
Christine zu Besuch bei der Oma.
Und nach einem
langen Gespräch mit der Enkelin sagte
Traute, dass Anna
kommen solle, und befahl ihr mit Strenge:
„Meine junge
Christine braucht eine Dienerin, Anna,
Du darfst jetzt
gehen und dienen meiner schönen Christine.“
Unterwürfig folgte
Anna der Herrin, der jungen,
Wissend, dass Himmel
oder Hölle unübertragbar.
So verbrachte Anna
Tag und Nacht mit Christine,
Immer fleißig, die
Pflichten der Magd getreu zu erfüllen.
Eines Abends fragte
Christine nach Annas Gitarre,
Und gehorsam begann
die Magd, Gitarre zu spielen,
Und verzauberte ihre
Herrin durch Lieder der Liebe.
Ja, die schöne
Christine mochte Annas Talente,
Und so verringerte
sich die herbe Strenge Christines.
So verbrachte Anna
im Haus Christines die Tage
Ihrer Verbannung,
betend Tag und Nacht mit dem Herzen.
Sie betrauerte ihre
verlorene Liebe zu Josef,
Und sie wünschte,
ihn einmal im Himmel wiederzusehen.
Ach, in allen vier
Himmelsrichtungen unter den Wolken
Wusste sie nicht zu
finden das Haus der Eltern, die Heimat.