VON TORSTEN SCHWANKE
Am 12. 11. 2000
feierte ich meinen 35. Geburtstag nach. Karine war hochschwanger bei
mir, und am nächsten Tag hat sie Juri geboren. Sie musste im
Krankenhaus bleiben. Ich schenkte ihr ein Ikone der Gottesmutter.
*
Als Juri klein war
und sich Nuni nannte, sagte Karine zu mir: „Wenn du kommst, schaut
Juri uns nicht mehr mit dem Arsch an.“
*
Im Frühling 2003
sagte Karine mir am Telefon: „Toto, ich bin schwanger! Hilfst du
mir?“
*
In der
Schwangerschaft lag Milan nah am Fruchtkuchen und aß sich satt.
Simon war etwas im Hintergrund und unterernährt. Ich legte meine
Hände auf Karines Bauch und segnete die Kinder in ihrem Bauch und
sagte: Herzlich willkommen auf Erden, Zwillinge!
*
Karine musste dann
mit einem Kaiserschnitt geöffnet werden, so wurden die Zwillinge
geholt. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, wurde Simon zuerst
ans Tageslicht gehoben. Ich besuchte Karine im Krankenhaus. Die
Zwillinge lagen als Frühgeburten in einem Brutkasten. Karine legte
mir Simon in die Arme, er sah mich aus großen Augen an, er war sehr
klein und dünn. Dann legte Karine mir Milan in die Arme, er war
recht gut ausgebildet und lag mit geschlossenen Augen entspannt in
meinen Armen, an meinem Herzen. Ihr Geburtstag war der 20. Oktober
2003.
*
Einen Monat und
einen Tag früher hatte Karines beste Freundin Evi ihren zweiten Sohn
Tom geboren, am 19. 9. 2003. Die Zwillinge und Tom wurden später die
besten Freunde.
*
Ich hatte für
Karine ein Bild auf eine Holzplatte gemalt: Karine mit Juri im Arm,
und unten am Bildrand die Seelen der Zwillinge wie kleine Engel.
Karine sagte: „Das bin ja nicht ich, sondern das ist Maria.“ Ich
sagte: „Aber ich habe es nach einem Foto von dir mit Juri gemalt.“
Karine verehrte ich von nun an als meine kleine Gottesmutter auf
Erden.
*
Karine lebte nun mit
ihrem Freund Detlef und Juri und Milan und Simon und der weißen
Katze im Hasenweg in Oldenburg-Osternburg, am Ende der Stadt, schön
in der Natur, in einem bäuerlichen Haus mit sehr großem Garten,
ringsumher Weiden mit vielen Tieren und einem Spazierweg zum Kanal
mit dem Deich voller Schafe und einem kleinen Wäldchen.
*
Im Winter hatte mich
Karine zum Kinderhüten eingestellt. Da sie ja oft nachts wach sein
musste, brauchte sie ihren Mittagsschlaf. Der Weg zu Karine von mir
dauerte mit dem Fahrrad etwa 40 Minuten, ich betete auf dem Weg immer
das Rosenkranz-Gebet. Mittags teilte ich mir dann mit Detlef die
Betreuung der Zwillinge. Detlef hielt meistens Simon in den Armen und
ich Milan. Ich wiegte ihn hin und her in meinen Armen, murmelte immer
„Ave Maria“ und gab ihm sein Fläschchen mit Milch, wenn er
Hunger und Durst hatte. Da hätte ich so gerne eine Mutterbrust wie
eine Frau gehabt, da hätte ich ihn so gerne gestillt. Aber Gott hat
nur Karine als Frau und Mutter geschaffen und mich als Mann.
*
Nachdem ich das so
drei Monate gemacht, sagte ich zu Karine: Ich helfe dir weiter, aber
ich nehme kein Geld mehr dafür. Ich will nicht dein Angestellter,
sondern dein Freund sein. Ich tue es nicht um Geld, sondern aus
Liebe.
*
Milan war kräftig,
er konnte an Karines Mutterbrust die Muttermilch saugen, die er
brauchte. Aber Simon war schwach, er konnte nicht stark genug saugen.
Karine wollte ihm aber keine künstliche Milch geben. So besorgte sie
sich ein Gerät, eine Art Pumpe, mit der pumpte sie Muttermilch für
Simon in ein kleines Fläschchen und gab ihm so die Milch. Da lag sie
in ihrem Schlafzimmer mit der Pumpe an ihrer nackten Brust, und
Karine und ich unterhielten uns dabei ganz entspannt, als es mich
plötzlich überkam und ich sagte: „Karine, ich möchte auch von
dir gestillt werden!“
*
Im Winter waren
Karine und ich im Wohnzimmer. Da war ein Sofa, das man ausziehen
konnte und es so in ein Bett verwandeln. Da war ein Bücherregal, ein
Fernseher, eine Musikanlage. An der Wand hing das Bild eines antiken
Frauenkopfes aus Marmor, von Efeu überwuchert, vom Friedhof aus
Paris. Dies Bild hatte ich Karine in unserer gemeinsamen Jugend
geschenkt. Die Zwillinge standen auf der Fensterbank,ich hielt sie
fest, wir schauten aus dem Fenster auf eine große Weide. Vom Himmel
fiel Schnee. Die ganze Natur war weiß. Und da sang ich:
Schneeflöckchen,
Weißröckchen,
Wann kommst du
geschneit?
Du kommst aus den
Wolken,
Dein Weg ist so
weit.
*
Wenn Detlef Milan
wickelte, sah er ihn an und sagte: „Du bist Dumpfi.“ Ich war
empört. Nein, Milan ist nicht dumpf! Er sieht aus wie ein Pfirsich,
und seine Lippen sind wie Karines Lippen so schön, dass ich sie
immer küssen möchte: „Du sollst Knutschi heißen!“ („Knutschen“
nannte Karine das Küssen.)
*
Waren an Milan die
Lippen so appetitlich für einen Menschenfresser wie mich, so waren
an Simon besonders seine Ohrläppchen appetitlich: „Du sollst
Öhrchen heißen!“ Und ich versuchte immer, in Simons Ohrläppchen
zu beißen. Aber er hörte sich gar nicht so gerne Öhrchen genannt.
„So sollst du Püppchen heißen!“ Aber nein, Püppchen hörte er
auch nicht gerne.
*
Karine lernte das
afrikanische Trommeln auf ihrer Djembe-Trommel in einer Trommelgruppe
im Jugendzentrum Alhambra von einem Afrikaner. Während sie
trommelte, schob ich die Zwillinge im Doppel-Kinderwagen durch die
Gegend, und während sie schliefen, betete ich den Rosenkranz und
sang Marienlieder. Manchmal kam ich eher zurück ins Jugendzentrum,
und Milan und Simon hörten Karine beim Trommeln zu.
*
Wenn Karine mal
abends feiern gehen wollte mit ihren Freundinnen, nahm Karines Mutter
Maite die Zwillinge, Juri schlief dann bei mir zuhause, das war immer
ungeheuer schön für mich. Ich las Juri vor, wir sahen
Zeichentrickfilme von Bibel-Helden und malten Bilder, Juri malte am
liebsten riesige Drachen mit sehr kleinem Drachentöter, wobei immer
Blut floss. Auch malte ich für Juri Labyrinthe, er musste dann den
Weg finden. Morgens gingen wir mit Apfelsaft und Brötchen auf den
Spielplatz, mittags aß Juri mit mir im Imbiss, er Milchreis mit Zimt
und Zucker, ich ein halbes Hähnchen mit Pommes frites.
*
Maite wollte nicht
Oma genannt werden, sondern Amani. Sie war vom stolzen Volk der
Basken, und in der baskischen Sprache heißt Großmutter: Amani.
Amani las den Zwillingen vor, fütterte sie, ließ sie mit Spielzeug
spielen, sie schliefen dann bei ihr im Bett.
*
Amani nannte Simon
immer in ihrem gebrochenen Deutsch mit starkem französischen Akzent
„Schimòn,“ mit Betonung auf der zweiten Silbe und das -on
französisch durch die Nase gesprochen. Ich nannte die Zwillinge
inzwischen auch „Schimi und Mimi“.
*
Karine benutzte
immer noch die Milchpumpe an ihrem Busen. Aber die war zu kräftig,
so dass sich mit der Muttermilch Blut mischte. Karine war wie eine
Pelikan-Mutter, von der man erzählt, dass sie mit ihrem Schnabel
ihren Busen aufreißt, um ihre Küken mit ihrem eigenen Blut zu
ernähren. Und so ist ja auch Jesus diese Pelikan-Mutter, der sein
Herz aufreißt, um uns mit seinem Blut vom Tod zu erlösen.
*
Wir fuhren alle in
den Urlaub auf die ostfriesische Insel Baltrum. Am Bahnhof in Norden
begrüßten uns meine Eltern. Karine schlief mit den Zwillingen in
einem Bett, Evi schlief mit Tom und Quentin in einem Zimmer, und ich
schlief mit Juri und Detlef in einem Doppelbett. Frühmorgens lagen
dann da drei Säuglinge, Milan und Simon und Tom, und wurden von
Karine und Evi gewickelt. Mittags machten alle Mittagsschlaf, ich
führte dann den dreijährigen Juri im Bollerwagen durch das
Naturschutzgebiet spazieren, er schlief dann im Frieden der Natur
ein. Juri mochte gerne die frischen Fischbrötchen, aber Quentin war
Vegetarier und stritt sich mit uns, es sei böse, Tiere zu essen. Ich
sagte: „Tiere essen auch Tiere.“ Da sagte Quentin: „Dann ist
die Natur auch böse.“ Ich ließ die streitende Gruppe allein und
ging spazieren, da kam ich zur katholischen Kirche von Baltrum, der
Altar hatte die Form einer riesigen Muschel, es begann gerade der
Gottesdienst, der Priester bat mich, aus der Bibel vorzulesen. Nach
dem Gottesdienst ging ich mit himmlischem Frieden im Herzen zu den
Meinen zurück. Abends sprach ich mit Evi und Karine. Ich hatte ein
Buch über die Jungfrau der göttlichen Weisheit gelesen. Die kann
nur von Ehelosen gefunden werden, Mönchen oder Nonnen, nicht aber
von Müttern, die nur an ihre Kinderstube denken. „Oh, dann können
Evi und ich sie ja nicht finden“, sagte Karine.
*
Karine wollte ihr
Studium der Slawistik und Politik beenden und brachte darum
vormittags Milan und Simon in eine Kinderkrippe. Dort lernten „die
Kleinen“ (wie wir sie immer nannten) Mozarts Zauberflöte kennen.
Milan war begeistert von Papageno, dem lustigen Vogelfänger. Ich
schenkte den Kindern einen Film, eine Aufzeichnung der Zauberflöte
für Kinder, von Marionetten gespielt. Auch machte ich selbst ein
kleines buntes Kinderbuch über Papageno. Da malte ich die Königin
der Nacht wie die Himmelskönigin Maria, auf einer Mondsichel
stehend. Die Zwillinge wunderten sich und waren irritiert, denn die
Königin der Nacht in der Zauberflöte ist eine böse Hexe, aber die
Himmelskönigin Maria ist die gütige Mutter aller Kinder. Weil Milan
von dem Vogelfänger so begeistert war, wollte ich ihm einen
Singvogel im Käfig schenken, aber Karine sagte: „Tiere im Käfig,
das gibt es bei mir nicht.“
*
Einmal holten Karine
und ich die Kleinen mit dem Auto von der Kinderkrippe ab. Da zitierte
ich Karine einen Weisheitsspruch aus der Bibel: „Eine ständig
redende Frau ist für einen stillen Weisen wie für einen alten
gebrechlichen Mann ein Sandhügel, den er hinaufsteigen muss.“ Da
sagte Karine: „Oh Toto, das ist frech!“
*
Eines Abends rief
mich Karine mit dem Telefon an: Milan hatte Fieber, ich solle kommen.
Ich fuhr mit dem Bus zu ihnen. Im Wohnzimmer hatte Karine das Sofa in
ein Bett verwandelt. Ich nahm Milan in die Arme und sprach beruhigend
auf ihn ein, während ihm Karine ein Fieberzäpfchen in den Popo
schob. Milans Augen waren vom Fieber ganz groß geworden, glänzend,
fast glühend. Ich sah in seine Augen und sah in seinen Augen den
leidenden Jesus. Ich blieb dann über Nacht und schlief mit Milan auf
dem Schlafsofa. Ich trank noch eine Flasche Wein, sah in die Nacht
hinaus in den Sternenhimmel und bat Maria, mich und Milan mit ihrem
Sternenmantel zuzudecken. Es war Adventszeit, und als ich mich neben
Milan legte und sein Händchen hielt, kam es mir vor, als sei
Weihnachten und ich sei in Bethlehem im Stall und schlief mit dem
göttlichen Jesuskind in einer Krippe.
*
Einmal erklärte mir
Karine, wie man Kinder in Windeln wickelt. Im Kinderzmmer neben den
beiden Gitterbettchen stand eine Wickelkommode. Nun wickelte ich das
erste Mal im Leben ein Kind. Ich sah eine Vision: Die Mutter Maria
wickelte das Jesuskind, dann bat sie den heiligen Josef, das
Jesuskind zu wickeln. Maria wusch die Leinenwindeln selbst. Und als
die Heiligen Drei Könige kamen, das Kind anzubeten, gab Maria ihnen
einee saubere Windel mit als Reliquie.
*
In der
Vorweihnachtszeit saßen Karine und ich mit den drei Kindern im
Wohnzimmer. Karine hatte ein Buch mit Weihnachtsliedern, die sie uns
vorsang. Sie konnte wirklich sehr schön singen.
*
An eine
Weihnachtsfeier bei mir zuhause kann ich mich noch erinnern. Ich
hatte Kerzen anzeündet und das Weihnachtsoratorium von Johann
Sebastian Bach angemacht. Karine wartete mit den Kindern im
Schlafzimmer. Da klingelte es an der Tür, das Christkind brachte die
Bescherung. Die Kinder kamen ins Wohnzimmer und packten die Geschenke
aus. Der Tisch war voll Süßigkeiten und Nüssen und Kuchen. Juri
bekam eine Musikanlage und eine Geschichte von Narnia als Hörbuch.
Simon sagte: „Oh, Juri hat viel zu viel bekommen.“ Und dann
machten wir es uns auf den Sofas gemütlich und hörten das
Narnia-Buch. Und auch die Kleinen waren fasziniert. In der Folge
bekamen sie alle drei alle Narnia-Bücher als Hörbücher. Drei
Narnia-Bücher waren auch verfilmt, die sahen wir uns an. Die Kinder
waren wirklich begeistert von Narnia. C.S. Lewis, das hast du gut
gemacht.
*
Pünktlich zum
Heiligen Abend fuhr Karine mit allen Kindern und mit Amani nach
Hamburg zu Opa Konrad und seiner Frau Christel.
*
Karine hatte eine
junge Frau, eine Studentin angestellt, die die Wohnung saubermachte.
Sie hieß Kathrin und war wirklich wunderschön. Ich sagte zu ihr:
„Wenn ich Maler wäre, würde ich dich malen.“ Sie war auch sehr
lieb zu den Kindern. Ich übernachtete öfters im Wohnzimmer und
betreute dann morgens alle drei Kinder, wenn Karine noch schlief.
Manchmal kam auch Detlef vorbei und war bei den Kindern. Einmal sagte
Kathrin zu mir: „Wenn ich morgens komme, weiß ich immer, wer da
ist, du oder Detlef. Wenn Detlef da ist, schweigen alle oder sitzen
vor dem Fernseher, wenn du da bist, hört man fröhliche
Kinderstimmen mit dir scherzen.“
*
Wenn ich die Kleinen
abends ins Bett brachte, jeden in sein Gitterbettchen, las ich ihnen
vor. Ich musste immer ganz gleichmäßig vorlesen, nicht pathetisch
wie im Theater, auch durfte ich den Text nicht vorsingen wie in der
Kirche. Dann machte ich ein Kreuz an die Bettchen. Ich hatte immer
ein kleines Fläschchen Weihwasser bei mir, damit segnete ich die
Kinder. Ich hielt dann ihre Händchen, bis sie eingeschlafen waren.
Ich betete noch mit ihnen:
Maria, breit den
Mantel aus,
Mach Schirm und
Schild für uns daraus,
Lass uns darunter
sicher stehn,
Bis alle Stürm‘
vorüber gehen.
O Mutter voller
Güte,
Uns allezeit
behüte!
Oder:
Schlaf selig und
süß,
Schau im Traum‘s
Paradies!
Oder:
Zwei Engel stehen
zu deiner Rechten,
Zwei Engel stehen
zu deiner Linken,
Zwei Engel stehen
an deinem Kopf,
Zwei Engel stehen
an deinen Füßen,
Zwei Engel schweben
über dir
Und zeigen dir den
Weg ins Paradies.
*
Im Winter gingen
Karine und ich mit den Kindern in die verschneite Natur. Das war
vielleicht eine Aufregung, bis alle winterfest angezogen waren.
Karine und ich zogen die Kinder mit dem Schlitten über die
verschneiten Wege. Natürlich machten wir auch eine
Schneeballschlacht und bauten einen Schneemann. Ein Weg auf unserm
Spaziergang hieß „zu den sieben Bösen“, das war ordentlich
schaurig! Wer waren wohl diese sieben Bösen? Aber wenn man den Weg
ging, kam man zu gar nichts Bösem, sondern zu einem Pferd. Und
Karine hatte immer einen Apfel dabei, dass die Kinder das Pferd
füttern konnten.
*
In der Natur umher
waren viele Tiere zu sehen. Auf den Wiesen war manchmal ein scheuer
Hase zu sehen oder ein scheues Reh, auf den Weiden standen Pferde,
einmal sah ich ein Rebhuhn, auf den Weiden standen Kühe und auf dem
Deich am Kanal weideten Schafe. Einmal ging ich mit den Kindern
spazieren, da stellte sich uns ein Ziegenbock in den Weg.
*
Über die Vorfahren:
Karine ist in Paris geboren, also eigentlich eine Französin, sie
lebte aber vom vierten Lebensjahr in Deutschland, studierte später
in Berlin und Paris. Karines Mutter Maite (eigentlich Marie-Therese)
ist baskischer Abstammung (aus dem französischen Baskenland).
Karines Vater Konrad stammte aus Ostpreußen, Königsberg, heute
Russland, war aber Weltbürger, lebte in Paris und Brüssel und
Amerika, zuletzt in Hamburg.
*
Im Garten hielt
Karines Nachbarin Steffi einen Han und eine Schar Hennen. Das war
sehr interessant zu beobachten. Der Hahn hieß Manni und war nicht
gerade zärtlich, wenn er eine seiner Hennen bestieg. Die Hennen mit
ihren Küken waren ausgebrochen liebevoll. Ich sagte einmal zu
Karine: „Ich habe nicht das Herz eines Vaters, sondern das Herz
einer Großmutter.“ Da lächelte Karine und sagte: „Du bist keine
Großmutter, sondern eine Glucke.“
*
Einmal kam auch
Luise, die Großmutter väterlicherseits. Sie gab uns allen
Brathähnchen aus. Sie sagte zu Karine: „Da Detlef sich so wenig um
die Kinder kümmert, aber Toto so viel, scheint mir, dass Toto der
Vater ist und du, Karine, hast die Kinder nur Detlef untergeschoben.“
Das erzählte mir Karine amüsiert. Karine und ich wussten ganz
genau, dass ich nicht der leibliche Vater war, da wir nicht
miteinander geschlafen hatten.
*
Öfter, wenn ich bei
Karine im Wohnzimmer geschlafen, mussten wir nachts mit den Kleinen
ins Kinderkrankenhaus, denn sie hatten öfter Bronchialkatarrh oder
Fieber. Das war anstrengend, schweißte uns aber noch mehr zusammen.
Ich ging auch mit Karine und allen drei Kindern zur Kinderärztin.
Karine sagte: „Das ist unser Hausfreund.“ Milan hatte ein kleines
Loch im Herzen. Die Ärztin untersuchte das Herz mit einem
Ultraschallgerät, und auf dem Computerbildschirm konnte ich wie in
einem Film das Innere des Herzens Milans sehen. Was für eine
wunderbare Schöpfung Gottes!
*
Im Sommer fuhren wir
alle in die Ferien nach Rügen: Konrad, Maite, Karine, Detlef, Juri,
Milan und Simon und ich. Alle hatten ihre Zimmer in der
Ferienwohnung, ich aber schlief allein im Wohnwagen. Einmal schlief
Juri bei mir im Wohnwagen, da war nachts ein Sturm und Regen und
Donner und Blitz, das war sehr majestätisch. Ich las in einem alten
philosophischen Epos aus Indien: Dem Weisen ist Gold nicht mehr wert
als ein Kieselstein. Das stimmt, denn auch Karines Kinder waren an
Kieselsteinen mehr interessiert als an Geldmünzen. Die Vermieter der
Ferienwohnung hatten einen Hund, einen Rottweiler. Aber Opa Konrad
ging mit Milan und Simon zu dem Rottweiler. Das fand ich sehr
gefährlich. Einmal erzählte mir Konrad: „Die Zwillinge spielten
vorm Haus Ball, der Ball rollte auf die Straße, die Kinder
hinterher, Detlef sah zu und rührte sich nicht. Da war der Typ für
mich gestorben.“ Ich hatte neue Kosenamen: Simon nannte ich
Chou-Chou (schlaf schön) und Milan nannte ich Mignon (niedlich).
Aber Maite fand das gar nicht lustig. Wir sind jeden Tag an den
Strand gegangen. Abends hab ich immer meinen Rotwein getrunken und in
meinem philosophischen Buch aus Indien gelesen. Eines Tages machten
wir einen Ausflug zum Kap Arkona. Da war ein Leuchtturm und ein Saal,
wo traditionell Hochzeit gefeiert wurde. Karine sagte zu mir: „Toto,
sollen wir hier heiraten?“ Ich: „Aber Karine, ich bin doch ein
eheloser Mönch.“ Abends sagte ich zu Karine: „Oder wollen wir
doch heiraten?“ Ich wollte nämlich gerne Papa für die Kinder
sein. Karine: „Ach, wir sollten das doch lassen. Ich liebe dich wie
einen Bruder und noch mehr.“ Und so blieb ich Mönch. Ich ging zum
Strand und sah den Sonnenuntergang, der Horizont und das Meer war
ganz golden, da verlobte ich mich mit der Weisheit Gottes.
*
Was ich fast
vergessen hätte: Karine war im Meer baden, ich war mit Konrad und
den Kindern in einem Strandcafé, Konrad und ich tranken Bier. Konrad
ließ Milan und Simon den Schaum auf dem Bier probieren, aber es
schmeckte ihnen nicht. Mit zwei Jahren das erste Bier!
*
Karine begann,
chinesische Atem-Meditationen zu machen. Um das zu lernen, fuhr sie
Nach Berlin zu einer Verwandten, die in einer chinesischen
Meditationsgruppe war. Karine nahm Milan und mich mit. Milan war zwei
Jahre alt. Juri blieb bei Detlef, Simon bei Amani. Vormittags war
Karine dann in Berlin im Tiergarten meditieren, ich ging mit Milan im
Kinderwagen spazieren. Wir waren an einem Ententeich, da sang ich ihm
Alle meine Entchen vor. Dann waren wir in einer katholischen Kirche,
ich zeigte ihm die Statue der Mutter Gottes. Über dem Taufbecken war
eine steinerne Taube. Milan sagte: „Piep“. Dann waren wir bei
einem Bauernhof und sahen uns die Pferde und die Schweine an. Auf
einer Wiese ließen Leute Drachen steigen. Da war eine Frau mit einem
kleinen Schoßhund. Milan hatte eigentlich Angst vor Hunden, aber
diesen Schoßhund hat er gestreichelt. Nachmittags spielten wir, er
spielte gerne mit Bauklötzen, da baute er einen Turm und setzte den
letzten Stein drauf und zeigte mir sein Kunstwerk. Er sagte „Mama“
zu mir. Ich dachte: Die Weisheit Gottes ist ein göttliches Kind und
es spielt vor Gott Vaer. Am Anfang der Welt hat das göttliche Kind
mit den Bausteinen von Elementen und Atomen den Kosmos gebaut, und
als es fertig war, hat es den Kosmos dem Vater im Himmel gezeigt, und
der hat den Sohn Gottes für seine Arbeit gelobt. Mit Karine waren
wir auch im Zoo. Da sahen wir Affenmütter mit Kinderaffen auf dem
Rücken, gefährlich aussehende Gorilla-Männchen, ein Elefantenbaby,
einen Tiger, Kamele und Dromedare und Lamas, und im Streichelzoo
streichelte Milan kleinen Ziegen. Das war mein Berlin, die Hauptstadt
Deutschlands.
*
Als Tom drei Jahre
alt war, bat Evi mich, dass ich mich auch um Tom kümmere. So hab ich
noch einen Pflegesohn bekommen. Wenn Evi und ich mit Tom und Quentin
zu Karine und ihren Kindern fuhren, dann schwatzten Karine und Evi
miteinander, Juri spielte mit Quentin, Tom spielte mit Milan und
Simon, und ich saß im Garten und rauchte und langweilte mich. Wenn
Karine mit ihren Kindern zu Evi kam, dann saßen wir in Evis schönem
Garten, die Kleinen spielten im Garten, schaukelten, kletterten in
die Bäume, Juri verschwand in Quentins Zimmer, Karine sprach mit
Evi, ich saß auf der Gartenbank und fühlte mich wie ein alter
Patriarch aus dem Alten Testament, der sah auf seine Frauen und
vielen Kinder, die alle fröhlich waren, und dankte seinem Gott.
*
Nach den Hörbüchern
mit den Narnia-Romanen schleppte ich weitere Hörbücher an: Die
Märchen der Gebrüder Grimm, Die Märchen aus Tausend und Einer
Nacht, Griechische Heldensagen. Die Kinder hörten sehr gerne
Hörbücher.
*
Auch alle meine
Asterix-Comics hatte ich Karines Kindern geschenkt. Sie liebten
Asterix und Obelix. Und Karine las sie auch sehr gerne vor und
amüsierte sich immer sehr über Obelix, das gab dann viel Gelächter
beim Lesen. Es gab auch Zeichentrickfilme über Asterix, die sahen
wir uns auch an.
*
Ich liebte das
Versepos Reinecke Fuchs von Goethe. Und ich schrieb auch ein
mittelalterliches Gedicht Reinecke Fuchs in ein hochdeutsches Gedicht
um, das las ich Juri vor und er sagte: „Dafür, dass das von Toto
ist, ist es nicht schlecht.“ Ich musste Simon und Milan immer
Geschichten von Reinecke Fuchs erzählen. Nur Tom mochte Reinecke
Fuchs nicht, weil er Tiere tot biss, und Tom liebte kleine Tiere.
*
Wenn ich vor Karines
Haus saß und rauchte, dann kamen Milan und Simon und standen um
mich. Milan sagte: „Hör auf zu rauchen!“ Und Simon sagte:
„Erzähl uns eine Geschichte!“ Simon hatte auch sehr viel
Phantasie und erfand lange Geschichten.
*
Ich erzählte Simon
und Milan von Odysseus und Salomo. Odysseus hatte ein großes
Holzpferd gebaut und im Bauch des Pferdes griechische Krieger
versteckt und sann das Pferd den Feinden geschenkt, die es in ihre
Burg Troja holten, da kamen nachts die Krieger aus dem Pferd und
besiegten die Feinde. Das hatte Athene, die Göttin der Weisheit, dem
schlauen Odysseus eingegeben. Und Salomo, der weise König von
Israel, hatte die Königin von Saba aus dem Süden eingeladen. Da
wollte er wissen, ob sie schöne oder behaarte Beine habe. Also
bedeckte er den Boden seines Saales mit blauen Edelsteinen. Die
Königin von Saba hielt es für Wasser und hob ihren Rock, dass er
nicht nass wird. So konnte der weise Salomo ihre Beine sehen. Da
fragte mich Simon: Wer ist klüger, Odysseus oder Salomo? Diese Frage
erzählte ich meinem Prieester, und er war schwer beeindruckt von
dieser intelligenten Frage.
*
Ich hatte auch
zuhause ein Hörbuch mit Gedichten für Kinder. Da hörten Milan und
Simon den „Knaben im Moor“ von Anette von Droste-Hülshoff
besonders gerne, das war so unheimlich schaurig. Aber auch wenn
Goethes „Rattenfänger von Hameln“ vorgesungen wurde, freuten
sich die beiden Knaben.
*
Einmal saßen Karine
und ich mit den Kindern beim Mittagessen. Ich betete: „Komm Herr
Jesus, sei unser Gast, und segne, was du uns gegeben hast.“ Karine
sagte: „Ja, wenn Toto da ist, wird bei uns gebetet. Aber das Gebet
heißt: Komm Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was du uns
bescheret hast.“ Karine hatte ein Ritual, das ihr soviel wie ein
Segnen der Mahlzeit war. Beim Kochen verwendete sie wenig Salz, und
wenn dann der Teller mit Essen vor jedem stand, dann streute sie mit
der rechten Hand jedem eine gute Prise Salz auf die Mahlzeit. Das war
ihre Segensgebärde.
*
Die Kinder mochten
gerne Spinat mit Spiegelei und Kartoffelpüree, Spinatpizzaa,
Milchreis mit Zimt und Zucker, Crepes mit Marmelade, Reibekuchen oder
Kartoffelpuffer, Kräuterbutter-Baguette und Salatgurken mit
Kräutersalz, selbstgemachte Gemüsepizza und Spaghetti mit
Tomattensauce und Zwiebeln und Schafskäse.
*
Es gab natürlich
auch fröhliche Kindergeburtstage. Da war das Haus dann voll
Kinderfreunden aus dem Kindergarten. Es gab eine Schatzsuche, da
Karine eine Kiste mit Süßigkeiten und Spielzeug irgendwo in der
freien Natur versteckt hatte und rote Bänder in die Bäume gehängt,
so mussten die Kinder die Schatzkiste suchen. Es gab genügend
Kuchen. Juri liebte vor allem den Bienenstichkuchen. Abends bereitete
ich für alle Kinder einen Backofen voll Pommes frites und Pfannen
voll Bratwürstchen.
*
Einmal machten wir
in meinem Geburtsort Hage Urlaub. Meine Eltern hatten uns eine
Ferienwohnung in Berumbur gemietet, wir waren jeden Tag am See baden.
Morgens schlief Karine länger, dann ging ich mit den Kindern zum
Spielplatz, wo wir frische Croissants und Apfelschorle frühstückten.
Mittags machten alle Mittagsschlaf, ich ruhte mich im Gebet aus.
Einmal war ich mit Milan allein im See, da dachte ich: Ich will Milan
heimlich taufen. Ich goss ihm also dreimal mit der hohlen Hand etwas
Wasser über sein blondes Köpfchen und sagte: Hiermit taufe ich dich
auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und
in deinem Namen widersage ich dem Bösen und folge Jesus nach. Das
erzählte ich später meinem Beichtvater, er sagte, das sei keine
gültige Taufe. Wir waren auch einen Nachmittag bei meinen Eltern.
Meine Mutter machte Reibekuchen für alle. Sie stellte dazu den
Zuckertopf auf den Tisch. Karine gab mir einen Wink mit den Augen,
ich solle heimlich den Zuckertopf wegstellen. Ich spielte dann mit
den Kindern Fußball im Garten meiner Eltern. Mein Vater sagte zu den
Kindern: „Toto ist eine Flasche, was den Fußball betrifft.“ Das
fand ich sehr verletzend. Zum Abschieed schenkten meine Eltern jedem
Kind eine Stoffpuppe von den Figuren der japanischen Karten, die sie
sammelten.
*
Wir spielten auch in
Karines Garten Fußball. Da gab es sogar ein richtiges Fußballtor.
Nur wenn ich den Ball trat, flog er irgendwohin, ich konnte wirklich
nicht zielen. Aber wir hatten Spaß. Wir spielten auch Verstecken im
Haus und im Freien. Besonders im großen Garten gab es gute
Verstecke. Sonst tobten wir gerne im Wohnzimmer auf dem Schlafsofa,
dann griffen mich alle drei Knaben an und wir rangen und kämpften
unter viel Gelächter. Im Garten gab es auch eine Rutsche, und im
Sommer ein Planschbecken. Besonders gerne rutschten die Kinder die
Rutsche hinunter direkt in das Planschbecken.
*
Ich kaufte allen
drei Kindern Ritterschwerter aus Holz. Es gab Frauen, die meinten,
ich solle doch kein Kriegsspielzeug verschenken. Aber die Knaben
spieltern gerne Ritter. Sie kämpften besonders gerne gegen die
Brennesseln im Garten und hieben den Feinden die Köpfe ab. Juri
hatte von Detlef allerdings kleine Soldaten und Panzer geschenkt
bekommen, und Karine und ich waren uns einig und warfen die Panzer
weg.
*
Ostern kam ich am
Sonntagvormittag. Karine hatte Schokoladenostereier und andere
Süßigkeiten (Juri mochte keine Schokolade) im Garten versteckt. Da
suchten die Kinder, und wer suchet, der findet, wir saßen dann im
Ostergarten, Karine und ich tranken Kaffee, und die Kinder
vernaschten ihre Süßigkeiten.
*
Einmal waren wir
spazieren, wir drangen durch ein Dickicht von Gestrüpp, da fragten
die Kinder nach der Bedeutungen ihrer Namen. „Milan heißt: der
Liebe. Simon heißt: der von Gott Erbetene. Juri heißt: der
Landmann.“ Juri war enttäuscht. Aber Juris Namensheiliger war
Sankt Juri (Sankt Georg), der Schutzpatron der Ritter und
Drachentöter. Simons Namensheiliger war der heilige Simon Stock, dem
die Mutter Gottes Maria erschienen und ihm ein Stück ihres
Schutzmantels geschenkt. Milans Namensheiliger war der heilige
Maximilian Kolbe, der im KZ Auschwitz sich den Nazis angeboten, sie
sollten doch ihn töten anstelle des jüdischen Familienvaters.
„Karine heißt: die Geliebte. Torsten heißt: der Donnerhammer
Gottes.“
*
Zu einem
Kindergeburtstag machte ich eine Einladungskarte mit dem Bild von
Botticelli, Athene, die Göttin der Weisheit, mit einem Zentauren
darstellend, eine Ikone des florentinischen Neuplatonismus. Simon sah
sich Athene an und urteilte mit Kennerblick: „Das muss wohl eine
Hamadryade sein.“ Apropos Botticelli. Sein Gemälde Primavera oder
der Frühling war Juris Lieblingsbild, die Göttin des Frühlings war
sein Schönheits-Ideal.
*
‚Karine machte
eine Kur auf der nordfriesischen Insel Sylt. Für drei Tage besuchte
ich sie mit Juri. Juri und ich schliefen in der Jugendherberge. Wir
lasen Prinz Eisenherz zusammen. Tags waren wir mit Karine am Strand.
Mittags schlief Karine mit Juri in der Jugendherberge, ich saß
draußen und betete: Die Toten sind in Gott, und Gott ist
allgegenwärtig, also sind die Toten auch allgegenwärtig, sie sind
mitten unter uns, nur unsichtbar. - Die Zwillinge waren in der Zeit
bei ihrer Großmutter. Anschließend reiste ich mit Milan und Simon
nach Sylt, Juri blieb bei der Großmutter (sie fand ihn
anbetungswürdig). Ich reiste mit den Zwillingen zuerst zu Konrad,
ihrem Opa, nach Hamburg. Dort ging ich mit Milan und Simon in die
Kirche des heiligen Josef mit dem Pflegekind Jesus und empfahl ihm
unsere Reise. Mit Konrad fuhren wir zu Karine nach Sylt, die Kinder
schliefen bei Karine im Kurheim, ich und Konrad in einer
Ferienwohnung, er erzählte mir abends beim Wein aus seinem Leben.
Eines Mittags saß ich allein am Strand und sah auf das Meer, da
schwebte die Jungfrau Maria über dem Meer, es war ein Meer der
Liebe, ich dachte an die Weisheit Gottes, das Hätschelkind von
Gottvater, die Weisheit Gottes war mir wie ein kleiner blonder
vierjähriger Knabe. Ich sprach zu Karine von der „platonischen
Knabenliebe“. Eines Mittags kam ich vom Meer, ging zu Karine und
den Zwillingen ins Kurheim und machte Karine kniend und mit einem
Blume in der Hand einen Heiratsantrag – den dritten in meinem
Leben, keiner anderen Frau hab ich je einen Heiratsantrag gemacht,
aber Karine sagte: „Aber du liebst doch Evi!“ Es war Ostern,
Karine hatte Schokoladeneier versteckt, mitten im
Brombeerendorngestrüpp, Konrad humpelte hinter uns her, die Kinder
freuten sich. Wir waren auch im Schwimmbad, Die Kinder konnten noch
nicht schwimmen, ich hielt sie, dass sie auf meinen Armen im Wasser
sich bewegen konnten. Konrad sagte: „Bei mir haben sie Angst, aber
bei dir sind sie ganz ruhig.“ Karine war wunder-wunderschön im
Bikini.
*
In Oldenburg waren
wir auch öfters schwimmen, zum einen im Schwimmbad, da machte Juri
seinen Schwimmkurs, Karine schwamm ihre Bahnen, ich spielte mit den
Kleinen im Kleinkinderplanschbecken. Das Wasser war lauwarm. Juri
sagte: „Das Wasser ist so warm, weil die kleinen Kinder immer ins
Wasser pinkeln.“ Wir waren auch am Oldenburger Tilly-See baden,
Karine schwamm, ich spielte mit den drei Kindern halb am Strand, halb
im Wasser. Karine war so schön, wie eine Najade.
*
Milan und Simon
übernachteten oft bei mir. Sie schliefen in meinem Schlafzimmer, ich
schlief im Wohnzimmer auf dem Sofa. Morgens schauten die Kinder
biblische Zeichentrickfilme, ich betete in der Zeit mein Morgengebet
auf dem Balkon. Dann gingen wir zum Bäcker, kauften Croissants und
Apfelsaft und gingen zum Spielplatz, frühstückten dort, die Kinder
spielten, ich sah ihnen zu. Mittags gingen wir in den Imbiss und aßen
Pommes frites. Dann holte Karine sie wieder ab.
*
Einmal übernachteten
Milan und Simon und ihr bester Freund Tom bei mir. Der Bibelfilm
morgens zeigte, wie Abraham dachte, er müsse seinen Sohn opfern.
Milan und Simon hatten etwas Angst, aber Tom sagte: „Das geht aber
gut aus!“ Tatsächlich sagte Gott zu Abraham: Opfere deinen Sohn
nicht. Ich saß auf dem Balkon, die drei Knaben drängelten sich um
meine Knie, ich spielte Menschenfresser und wollte Simon in sein
appetitliches Öhrchen beißen. Tom verstand den Spaß nicht, wollte
seinen Freund Simon verteidigen und biss mir ins Ohr, er biss mein
Ohr blutig. Nachdem wir im Wäldchen auf dem Spielplatz gewesen,
spielten die drei Knaben friedlich in meiner Wohnung mit dem
Spielzeug. Dann kamen Evi und Karine, ihre Söhne abzuholen. Karine
sah den Frieden unter den Kindern und sagte zu Evi: „Toto hats
drauf mit der Kindererziehung.“
*
Ich hatte noch von
meiner Wallfahrt ins Marien-Heiligtum Lourdes in Südfrankreich ein
kleines Fläschchen in Form der Jungfrau Maria, gefüllt mit
Lourdes-Wasser. Ich gab den Kindern immer einen kleinen Schluck, bis
einer der Zwillinge sie eines Tages ganz leer trank. Karine sagte:
„Was ist denn da drin?“ Ich sagte: „Das ist allerreinstes
Quellwasser.“
*
Milan schenkte ich
einen Trinkbecher mit den beiden Engelskindern zu Füßen der
Sixtinischen Madonna. Aus Gerechtigkeit kaufte Karine noch zwei
solcher Trinkbecher für Juri und Simon.
*
Einmal gab es Streit
zuhause, Karine schimpfte mit den Kindern und verteilte Ohrfeigen. Da
rief Milan: „Ich zieh hier aus! Ich zieh zu Toto!“ Einmal sagte
Milan: „Die Welt sollte nur aus Torstens bestehen.“
*
Karine wollte, dass
die Kinder Musikunterricht bekommen. Wir brachten Juri zur
musikalischen Früherziehung. Im Auto fiel mir plötzlich ein Lied
ein von Charlie Chaplin aus dem Film „der große Diktator“, und
ich sang: „Wir Arier, wir Arier, wir kämpfen gegen Volk und
Vegetarier.“ Die Kinder sangen alle drei kräftig mit. Karine
lachte, hoffte aber, dass die Kinder das nicht in der Öffentlichkeit
singen. Als Milan und Simon zur musikalischen Früherziehung kamen,
saß ich mit den Zwillingen vor dem Unterrichtsraum und wartete auf
den Unterrichtsbeginn, und erzählte den Kindern von Frau Weisheit.
Da sagte Milan strahlend: „Ich weiß, wer Frau Weisheit ist –
Maria!“ Da kam eine Musiklehrerin aus einem Raum und sagte zu mir:
„Sie haben ja eine sehr schöne Bass-Stimme, aber bitte reden Sie
etwas leiser, sonst kann meine Schülerin nicht Geige lernen.“
*
Bei mir zuhause
sagte Milan einmal: „Du sollst mal Gott malen! Gott und Jesus und
die Taube und Maria!“ Ich zeichnete also Gottvater mit langem Bart
auf seinem Thron, rechts von ihm Jesus stehen und ein Kreuz in den
Armen, zwischen ihnen die Taube und unter der Taube Maria auf einer
Mondsichel, alles nur in Umrissen mit einem schwarzen Stift. Milan
malte das Bild dann in den lustigsten Farben aus, ich glaube, Gottes
Gesicht sah aus wie ein Regenbogen.
*
Ich hatte zuhause
auch ein kleines Bild von Amor, dem kleinen Liebesgott der alten
Römer. Amor war ein sechsjähriger nackter Knabe mit Flügeln an den
Schultern und Pfeil und Bogen in den Händen. Ich sagte: „Wen Amors
Pfeil trifft, der beginnt zu lieben.“ Da spielte Milan Amor, schoss
mir einen Pfeil ins Herz, ich stöhnte auf und sagte: „Oh ich liebe
dich!“ Da lachte der kleine Amor vor Freude und wiederholte das
Spiel noch mehrmals.
*
Milan und Simon und
vorher Juri auch waren im Naturkindergarten. Eine ihrer
Kindergärtnerinnen war die blonde Bärbel, die mit mir in
Ostfriesland aufs Gymnasium gegangen war und in die ich als Lehrling
einmal etwas verliebt war. Einmal brachte ich mit Karine die
Zwillinge in den Kindergarten, auf dem Rückweg gab ich Karine einen
Kuss auf ihren schönen Mund. „Oh, nun gibst du mir auch noch einen
Kuss auf den Mund“, sagte sie lächelnd. Besonders schön fand ich
immer im November das Laufen mit den Laternen, wenn der ganze
Kindergarten und alle Eltern durch die Natur zogen und die Kinder
sangen: „Dort oben leuchten die Sterne, hier unten leuchten wir“
Da ging ich sehr gerne mit.
*
Karine machte eine
Kur in einem anthroposophischen Kurhaus, Maite und ich blieben bei
den Kindern. Juri ging schon zur Schule. Ich brachte die Zwillinge
mit dem Fahrradanhänger zum Kindergarten und holte sie mittags ab.
Ich kaufte ein, Maite kochte, sie als Französin konnte lecker
kochen. Nachmittags spielten wir. Abends brachte ich Juri in Karines
Schlafzimmer ins Bett, ich las ihm Erich Kästner vor, wir plauderten
noch etwas, bis er einschlief. Maite brachte die Zwillinge ins Bett,
aber die standen wieder auf und kamen zu Juri und mir, und warteten,
bis ich sie auch ins Bett gebracht hatte: „Schlafe selig und süß,
schau im Traum das Paradies“… Dann setzte ich mich in den Garten,
trank eine Flasche Rotwein, las in der Bibel, betete und schrieb
Gedichte. Karine rief dann an und sprach mit Maite, wie es den
Kindern gehe. Am Ende der zwei Wochen fragte ich Milan: “Wie hat es
dir gefallen mit Amani und Toto?“ Und Milan sagte: „Nicht gut,
wir mussten jeden Tag Zähne putzen...“
*
Als ich mit Maite
die Kinder hütete, ging ich eines Vormittags auf dem Hasenweg zum
Deich und zu den Schafen spazieren, da war heiterer klar blauer
Oktoberhimmel, die „liebe Sonne“ (wie Juri sie immer nannte)
schien mild, aber kräftig, da sah ich die Sonnenstrahlen wie eine
goldene Straße des Lichts, die von der Erde zum Himmel führte, und
am Ende der goldenen Straße des Lichts war der Himmel offen, da saß
auf dem weißen Thron Gottes die Schöne Liebe!
*
Karine wollte, dass
Milan und Simon getauft werden und dass ich ihr Pate werde. Ich
sprach auch schon mit einer evangelischen Pastorin darüber. Leider
kam es nicht mehr dazu.
*
Ich nahm Juri einmal
an einem Sonntag morgen mit in die Heilige Messe. Juri fragte mich:
„Glaubst du an Gott?“ Ich sagte: „Ja.“ Er sagte: „Und ich
glaube noch viel mehr an Gott als du!“ In der Heiligen Messe rief
der Priester alle Kinder an den Altar, Juri stand da mit einem Haufen
Kinder, sie beteten: „Vater unser, der du bist im Himmel!“ An
einem Dienstag Nachmittag nahm ich einmal Milan und Simon ins
Gemeindehaus mit, wo Heilige Messe gefeiert wurde. Der Priester gab
den Kindern Kinderbilderbücher, in denen sie während der Messe
blätterten. Als der Priester mir den Leib Christi reichte, machte er
ein Kreuzzeichen auf die Stirn bei Milan und Simon und sagte: „Jesus
ist euer bester Freund!“ Dann sah Simon das kleine Stück Brot, das
der Priester in Jesus verwandelte hatte, und sagte: „Aha, das ist
also Jesus?“ Ich sagte: „Ja.“
*
Es war im Advent des
Jahres 2009. Wir machten am Nachmittag einen Spaziergang. Alle drei
Kinder rannten voraus, wir verloren sie aus dem Blick. Karine
humpelte. Der Hasenweg war gefroren und spiegelglatt. Karine hakte
sich bei mir ein und so gingen wir langsam und vorsichtig Arm in Arm
weiter. Da sagte Karine: „Wir sind wie ein altes Ehepaar, Totolino.
Wenn du bei mir bist, hab ich keine Angst vorm Tod.“ Überall lag
Schnee, auf dem Weg, auf den Wiesen zu beiden Seiten, auf den kahlen
Bäumen, die silberweißen Birken waren noch weißer geworden vom
Schnee, es war ein weißer Nebel in der Luft. So war wirklich alles
um uns ein mildes weißes Licht. Ich sagte: „Mir ist, als ob wir
gerade in den Himmel spazieren.“ Und so war es auch, eine weiße
Wolke nahm uns auf.
*
Dieses schrieb der
arme Torsten Schwanke. Gott verzeih ihm seine Sünden alle.