VON TORSTEN SCHWANKE
für Schwester Sabine,
Missionarin der Nächstenliebe in Brasilien und Deutschland
HILDEGARD VON BINGEN I
Liebe Schwester!
Anlässlich des Marianischen Jahres
Hat der Heilige Johannes Paul der Große
Ein Apostolisches Schreiben verfasst
Mit dem Titel: Die Würde der Frau.
Er behandelt darin die wertvolle Rolle,
Die die Frauen im Leben der Kirche erfüllt haben
Und erfüllen. Dort heißt es: Die Kirche sagt Dank
Für alle Äußerungen des weiblichen Genius,
Die sich im Laufe der Geschichte
Bei allen Völkern und Nationen gezeigt haben;
Sie sagt Dank für alle Gnadengaben,
Mit denen der Heilige Geist die Frauen
In der Geschichte des Gottesvolkes beschenkt,
Für alle Siege, die sie dem Glauben,
Der Hoffnung und der Liebe von Frauen verdankt:
Sie sagt Dank für alle Früchte fraulicher Heiligkeit.
Auch in jenen Jahrhunderten der Geschichte,
Die wir gewöhnlich als Mittelalter bezeichnen,
Gibt es einige weibliche Gestalten,
Die sich durch die Heiligkeit ihres Lebens
Und den Reichtum ihrer Lehre besonders auszeichnen.
Heute möchte ich beginnen, euch eine von ihnen vorzustellen:
Die hl. Hildegard von Bingen,
Die im 12. Jahrhundert in Deutschland lebte.
Sie wurde 1098 in Bermersheim
Bei Alzey in der Pfalz geboren
Und starb 1179 im hohen Alter von 81 Jahren,
Obwohl ihr Gesundheitszustand stets schwach war.
Hildegard kam aus einer vielköpfigen adligen Familie
Und wurde von Geburt an von ihren Eltern
Zum Dienst an Gott geweiht.
Damit sie eine angemessene menschliche
Und christliche Bildung erhielt,
Wurde sie mit acht Jahren der Obhut
Der im Witwenstand lebenden Uda von Göllheim
Und dann der Lehrerin Jutta von Sponheim anvertraut,
Die sich in eine Klause beim Benediktinerkloster
Des heiligen Disibod zurückgezogen hatte.
Es entstand ein kleines Klausurkloster für Frauen,
Die der Regel des heiligen Benedikt folgten.
Hildegard empfing den Schleier
Durch Bischof Otto von Bamberg,
Und als Mutter Jutta,
Die Priorin der Gemeinschaft geworden war,
Im Jahre 1136 starb, beriefen die Mitschwestern
Hildegard als ihre Nachfolgerin.
Bei der Erfüllung dieser Aufgabe
Brachte sie ihre Begabungen ein,
Als gebildete und geistlich hochstehende Frau,
Die auch in der Lage war,
Den organisatorischen Aspekten
Des Lebens in der Klausur
Mit Sachverstand gegenüberzutreten.
Einige Jahre später gründete Hildegard,
Auch weil immer mehr junge Frauen
An die Tore des Klosters klopften,
Eine weitere Gemeinschaft in Bingen,
Die nach dem heiligen Rupert benannt wurde,
Wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte.
Der Stil, mit dem sie den Dienst der Autorität ausübte,
Ist vorbildlich für jede Ordensgemeinschaft:
Er weckte heiliges Nacheifern im Tun des Guten,
So dass Mutter und Töchter einander
In gegenseitiger Achtung übertrafen
Und darin wetteiferten, einander zu dienen.
Bereits in den Jahren, in denen sie Oberin
Im Kloster des heiligen Disibod war,
Hatte Hildegard begonnen, ihrem geistlichen Berater,
Dem Mönch Volmar, sowie ihrer Sekretärin,
Einer Mitschwester, der sie sehr zugetan war,
Richardis von Stade,
Mystische Visionen zu diktieren,
Die sie seit einiger Zeit empfing.
Wie es im Leben wahrer Mystiker immer der Fall ist,
Wollte auch Hildegard sich der Autorität
Weiser Personen unterwerfen,
Um den Ursprung ihrer Visionen zu erkennen,
In der Furcht, dass sie Frucht von Täuschungen seien
Und nicht von Gott kämen.
Sie wandte sich daher an die Person,
Die seinerzeit in der Kirche höchste Wertschätzung besaß:
An den heiligen Bernhard von Clairvaux.
Dieser beruhigte und ermutigte Hildegard.
Aber 1147 erhielt sie noch eine andere
Sehr wichtige Anerkennung.
Papst Eugen III., der den Vorsitz
Auf einer Synode in Trier hatte,
Las einen von Hildegard diktierten Text,
Der ihm von Erzbischof Heinrich von Mainz vorgelegt wurde.
Der Papst gestattete der Mystikerin,
Ihre Visionen niederzuschreiben
Und öffentlich zu sprechen.
Von diesem Augenblick an stieg das geistliche Ansehen
Hildegards immer mehr,
So dass ihre Zeitgenossen sie
Als Deutsche Prophetin bezeichneten.
Dies, liebe Freunde, ist das Siegel
Eeiner echten Erfahrung des Heiligen Geistes,
Der Quelle jeder Geistesgabe:
Die Person, die übernatürliche Gaben empfängt,
Prahlt niemals damit.
Sie stellt sie nicht zur Schau
Und zeigt vor allem vollkommenen Gehorsam
Ggegenüber der kirchlichen Autorität.
Jede vom Heiligen Geist geschenkte Gabe
Ist nämlich zur Erbauung der Kirche bestimmt,
Und die Kirche erkennt durch ihre Hirten
Ihre Echtheit an.
Ich werde noch einmal über diese große Frau
Und Prophetin sprechen,
Die mit großer Aktualität auch zu uns heute spricht,
Mit ihrer mutigen Fähigkeit,
Die Zeichen der Zeiten zu erkennen,
Mit ihrer Liebe zur Schöpfung, ihrer Medizin,
Ihrer Dichtung, ihrer Musik,
Die heute rekonstruiert wird,
Ihrer Liebe zu Christus und zu seiner Kirche,
Die auch damals gelitten hat,
Die auch damals durch die Sünden der Priester
Und der Laien verwundet war
Und als Leib Christi noch viel mehr geliebt wurde.
So spricht die hl. Hildegard zu uns;
Wir werden noch einmal von ihr sprechen.
Danke für deine Aufmerksamkeit.
HILDEGARD VON BINGEN II
Liebe Schwester!
Nun möchte ich die Gedanken
Über die heilige Hildegard von Bingen
Wieder aufnehmen und fortsetzen:
Eine bedeutende Frauengestalt des Mittelalters,
Die sich durch geistliche Weisheit
Und Heiligkeit des Lebens auszeichnete.
Hildegards mystische Visionen
Ähneln denen der Propheten des Alten Testaments:
Sie drückte sich in den kulturellen
Und religiösen Begriffen ihrer Zeit aus
Und interpretierte die Heilige Schrift im Licht Gottes,
Indem sie sie auf die verschiedenen
Lebensumstände anwandte.
Alle, die ihr zuhörten, fühlten sich aufgefordert,
Einen konsequenten und engagierten
Christlichen Lebensstil zu praktizieren.
In einem Brief an den heiligen Bernhard
Bekennt die rheinische Mystikerin:
Mein ganzes Sein ist in die Schau einbezogen:
Ich schaue nicht mit den leiblichen Augen,
Sondern sie erscheint mir im Geist der Mysterien
Ich kenne die tiefe Bedeutung dessen,
Was im Psalter, in den Evangelien
Und in anderen Büchern dargelegt ist,
Die mir in der Schau gezeigt werden.
Sie brennt wie eine Flamme in meiner Brust
Und in meiner Seele und lehrt mich,
Den Text in seiner ganzen Tiefe zu verstehen.
Hildegards mystische Visionen
Sind reich an theologischen Inhalten.
Sie nehmen Bezug auf die wichtigsten Ereignisse
Der Heilsgeschichte und bedienen sich
In erster Linie einer poetischen
Und symbolischen Sprache.
In ihrem bekanntesten Werk,
Das den Titel Scivias trägt,
Das heißt: Wisse die Wege,
Fasst sie in 35 Visionen
Die Ereignisse der Heilsgeschichte zusammen,
Von der Schöpfung der Welt
Bis zum Ende der Zeiten.
Mit den für die weibliche Sensibilität
Charakteristischen Zügen
Entfaltet Hildegard im zentralen Abschnitt
Ihres Werkes das Thema
Der mystischen Vermählung
Zwischen Gott und der Menschheit,
Die in der Menschwerdung Wirklichkeit wurde.
Am Baum des Kreuzes vollzieht sich
Die Vermählung des Sohnes Gottes
Mit der Kirche, seiner Braut,
Die voll der Gnade ist und befähigt wurde,
Gott neue Kinder zu schenken,
In der Liebe des Heiligen Geistes.
Bereits aus diesen kurzen Hinweisen ist ersichtlich,
Dass auch die Theologie einen besonderen Beitrag
Von den Frauen erhalten kann,
Denn sie sind in der Lage, mit der ihnen eigenen
Intelligenz und Sensibilität
Über Gott und die Glaubensgeheimnisse zu sprechen.
Ich ermutige daher alle Frauen,
Die diesen Dienst ausüben,
Ihn mit zutiefst kirchlichem Bewusstsein durchzuführen,
Ihre Reflexion durch das Gebet zu nähren
Und den Blick auf den großen,
Teilweise noch unergründeten Reichtum
Der mystischen Überlieferung
Des Mittelalters zu richten,
Besonders auf den, der durch leuchtende Beispiele
Wie eben Hildegard von Bingen verkörpert wird.
Die rheinische Mystikerin
Hat noch weitere Schriften verfasst.
Zwei von ihnen sind besonders wichtig,
Weil sie, wie Scivias,
Ihre mystischen Visionen wiedergeben:
Das Buch der Lebensverdienste
Und das Buch der göttlichen Werke.
Im ersten wird eine einzige gewaltige
Vision Gottes beschrieben,
Der mit seiner Kraft und mit seinem Licht
Dem Kosmos Leben schenkt.
Hildegard hebt die tiefe Beziehung
Zwischen dem Menschen und Gott hervor
Und erinnert uns daran, dass die ganze Schöpfung,
Deren Krone der Mensch ist,
Von der Dreifaltigkeit Leben empfängt.
Im Mittelpunkt der Schrift steht die Beziehung
Zwischen Tugenden und Lastern:
Der Mensch muss sich tagtäglich
Mit der Herausforderung durch die Laster,
Die ihn vom Weg zu Gott abbringen,
Uund mit den Tugenden,
Die diesen Weg fördern, auseinandersetzen.
Er ist aufgefordert, sich vom Bösen abzuwenden,
Um Gott zu verherrlichen
Und nach einer tugendhaften Existenz
In das ganz mit Freude erfüllte Leben einzutreten.
Im zweiten Werk, das von vielen
Als ihr Meisterwerk betrachtet wird,
Beschreibt sie noch einmal die Schöpfung
In ihrer Beziehung zu Gott
Und die Zentralität des Menschen,
Wobei eine starke Christozentrik biblischer
Und patristischer Prägung zutage tritt.
Die Heilige legt fünf vom Prolog
Des Johannesevangeliums inspirierte Visionen dar
Und gibt die Worte wieder, die der Sohn
An den Vater richtet: Das ganze Werk,
Das du gewollt und mir anvertraut hast,
Habe ich zu einem guten Ende geführt,
Und so bin ich in dir und du in mir,
Und wir sind eins.
In anderen Schriften schließlich offenbart
Hildegard die vielseitigen Interessen
Und die kulturelle Lebendigkeit
Der Frauenklöster des Mittelalters,
Was im Gegensatz steht zu den Vorurteilen,
Die immer noch auf dieser Epoche lasten.
Hildegard befasste sich mit Medizin
Und Naturwissenschaften
Ebenso wie mit Musik,
Da sie künstlerisch begabt war.
Sie komponierte auch Hymnen,
Antiphonen und Gesänge,
Die unter dem Titel:
Symphonie der Harmonie
Der himmlischen Offenbarungen
Gesammelt sind. Sie wurden in ihren Klöstern
Mit Freude gesungen,
Wo sie eine Atmosphäre der Ruhe
Und des Frieden verströmten,
Und sind auch uns überliefert.
Für Hildegard ist die ganze Schöpfung
Eine Symphonie des Heiligen Geistes,
Der in sich selbst Freude und Jubel ist.
Die Popularität, die Hildegard
In ihrem Umfeld genoss,
Brachte viele Menschen dazu, sie um Rat zu fragen;
Daher sind viele ihrer Briefe überliefert.
Gemeinschaften von Männer- und Frauenklöstern,
Bischöfe und Äbte wandten sich an sie.
Viele Antworten sind auch für uns weiterhin gültig.
An eine weibliche Ordensgemeinschaft
Schrieb Hildegard zum Beispiel:
Das geistliche Leben muss
Mit viel Hingabe gepflegt werden.
Am Anfang ist es mühsam und bitter.
Man muss manchen Äußerlichkeiten
Und fleischlichen Gelüsten
Und anderen ähnlichen Dingen entsagen.
Aber wenn man sich von der Heiligkeit faszinieren lässt,
Dann wird eine heilige Seele
Die Abkehr von der Welt als süß
Und erfüllend empfinden.
Man muss nur klug darauf achten,
Dass die Seele nicht verwelkt. -
Und als Kaiser Friedrich Barbarossa
Eeine Kirchenspaltung hervorrief,
Indem er gegen den rechtmäßigen Papst
Alexander III. gleich drei Gegenpäpste aufstellte,
Zögerte Hildegard nicht,
Ihn von ihren Visionen inspiriert
Daran zu erinnern, dass auch er, der Kaiser,
Dem Urteil Gottes unterworfen war.
Mit der Kühnheit, die jeden Propheten auszeichnet,
Schrieb sie dem Kaiser
Von Seiten Gottes folgende Worte:
Wehe, wehe der Niederträchtigkeit dieser Gottlosen,
Die mich beleidigen!
Höre geschwind, o König, wenn du leben willst!
Sonst wird mein Schwert dich durchbohren!
Mit der geistlichen Autorität,
Die ihr zu eigen war,
Machte sich Hildegard in ihren letzten Lebensjahren auf,
Um trotz ihres vorgerückten Alters
Und der Mühsal, die das Reisen bedeutete,
Zu den Menschen von Gott zu sprechen.
Alle hörten ihr gerne zu,
Auch wenn sie einen strengen Ton anschlug:
Sie wurde als eine von Gott gesandte Botin betrachtet.
Sie ermahnte vor allem die Klostergemeinschaften
Und den Klerus zu einer Lebensführung,
Die ihrer Berufung entsprach.
Insbesondere trat Hildegard
Der Bewegung der deutschen Katharer entgegen.
Diese (Katharer heißt wörtlich: die Reinen)
Traten für eine radikale Reform der Kirche ein,
Vor allem, um Missbräuche
Durch den Klerus zu bekämpfen.
Sie warf ihnen mit harten Worten vor,
Das Wesen der Kirche verändern zu wollen,
Und erinnerte sie daran,
Dass eine wahre Erneuerung
Der kirchlichen Gemeinschaft
Nicht so sehr durch die Veränderung
Von Strukturen erlangt wird,
Sondern vielmehr durch einen aufrichtigen
Geist der Buße und einen tätigen Weg der Umkehr.
Dies ist eine Botschaft, die wir nie vergessen sollten.
Wir wollen stets den Heiligen Geist bitten,
Dass er in der Kirche heilige
Und mutige Frauen wie Hildegard von Bingen erwecke,
Die in der Wertschätzung und mit dem Einsatz
Dr von Gott empfangenen Gaben
Iihren eigenen wertvollen Beitrag leisten
Zum geistlichen Wachstum unserer Gemeinden
Und der Kirche in unserer Zeit.
KLARA VON ASSISI
Liebe Schwester!
Eine der beliebtesten Heiligen ist zweifellos
Die heilige Klara von Assisi.
Sie hat im 13. Jahrhundert gelebt
Und war Zeitgenossin des heiligen Franziskus.
Ihr Zeugnis zeigt uns, wie viel die ganze Kirche
Mutigen Frauen verdankt, die wie sie reich waren
An Glauben und die einen entscheidenden Anstoß
Zur Erneuerung der Kirche geben konnten.
Wer also war Klara von Assisi?
Zur Beantwortung dieser Frage besitzen wir
Gesicherte Quellen: nicht nur
Die zeitgenössischen Biographien,
Wie die des Thomas von Celano,
Sondern auch die Akten des Heiligsprechungsprozesses,
Den der Papst nur wenige Monate
Nach Klaras Tod einleitete
Und der die Zeugnisse jener enthält,
Die lange Zeit an ihrer Seite gelebt haben.
Klara, die 1193 geboren wurde,
Eentstammte einer adeligen und reichen Familie.
Sie verzichtete auf Adel und Reichtum,
Um demütig und arm zu leben,
Indem sie die Lebensform annahm,
Die Franz von Assisi vorschlug.
Auch wenn ihre Angehörigen, wie damals üblich,
Eine Ehe mit einer hochgestellten Persönlichkeit
Für sie planten, verließ Klara
Mit 18 Jahren ihr Vaterhaus:
Ein mutiger Schritt,
Der aus dem tiefen Wunsch heraus kam,
Christus nachzufolgen,
Sowie aus der Bewunderung für Franziskus.
In Begleitung einer Freundin,
Bona di Guelfuccio,
Ging sie heimlich zu den Minderbrüdern
Bei der Portiunkula-Kapelle.
Es war der Abend des Palmsonntags 1211.
Unter allgemeiner bewegter Anteilnahme
Wurde eine hoch symbolische Geste vollbracht:
Im Schein brennender Fackeln,
Die seine Gefährten in den Händen hielten,
Schnitt Franziskus ihr Haar ab,
Und Klara legte ein raues Büßergewand an.
Von diesem Augenblick an war sie
Zur jungfräulichen Braut
Des demütigen und armen Christus geworden
Und weihte sich ihm vollkommen.
Wie Klara und ihre Gefährtinnen
Wurden zahllose Frauen
Im Laufe der Geschichte angezogen
Von der Liebe zu Christus,
Der in der Schönheit seiner göttlichen Person
Iihr Herz erfüllt.
Und durch die Berufung der geweihten Jungfrauen
Zur mystischen Ehe
Zeigt sich die ganze Kirche als das,
Was sie für immer sein wird:
Die schöne und reine Braut Christi.
In einem der vier Briefe, die Klara
An die heilige Agnes von Prag sandte,
Die Tochter des Königs von Böhmen,
Die ihren Spuren folgen wollte,
Spricht sie von Christus,
Ihrem geliebten Bräutigam,
Mit bräutlichen Worten,
Die Erstaunen hervorrufen können,
Aber sehr ergreifend sind:
Wenn Ihr ihn liebt, seid Ihr keusch,
Wenn Ihr ihn berührt, werdet Ihr noch reiner,
Wenn Ihr ihn aufnehmt, bleibt Ihr Jungfrau.
Seine Macht ist stärker,
Seine edle Art erhabener,
Sein Aussehen schöner,
Seine Liebe holder
Und alle seine Anmut feiner.
Von seinen Umarmungen seid Ihr schon umfangen,
Eer hat Eure Brust mit kostbaren Steinen geschmückt
Und Euch gekrönt mit einer goldenen Krone,
Dem ausdrücklichen Zeichen seiner Heiligkeit.
Vor allem zu Anfang ihrer religiösen Erfahrung
Fand Klara in Franz von Assisi
Nicht nur einen Meister,
Dessen Lehren sie folgen konnte,
Sondern auch einen brüderlichen Freund.
Die Freundschaft zwischen diesen beiden Heiligen
Ist ein sehr schöner und wichtiger Aspekt.
Wenn nämlich zwei reine
Und von derselben Liebe zu Gott
Entflammte Seelen einander begegnen,
Dann bekommen sie aus der gegenseitigen Freundschaft
Einen sehr starken Ansporn,
Dden Weg der Vollkommenheit zu beschreiten.
Die Freundschaft ist eine der edelsten
Und erhabensten menschlichen Empfindungen,
Die von der göttlichen Gnade gereinigt und verklärt wird.
Wie der heilige Franziskus und die heilige Klara
Haben auch andere Heilige den Weg
Zur christlichen Vollkommenheit
In tiefer Freundschaft zueinander beschritten,
Zum Beispiel der heilige Franz von Sales
Und die heilige Johanna Franziska von Chantal.
Und eben der heilige Franz von Sales schreibt:
O wie gut ist es, auf Erden zu lieben,
Wie man im Himmel liebt;
In dieser Welt so inniglich sich teuer sein zu lernen,
Wie wir in der andern ewiglich uns teuer sein werden!
Nicht von der einfachen christlichen Liebe rede ich hier,
Die man gegen jeden Menschen zu hegen verpflichtet ist;
Von der geistlichen Freundschaft gilt, was ich hier sage,
Durch welche zwei, drei oder mehrere Seelen
Ihre Andacht, ihre frommen Gefühle
Gegenseitig sich mitteilen,
Und zu einem Herzen und zu einer Seele werden.
Nachdem sie einige Monate in anderen
Monastischen Gemeinschaften verbracht hatte,
Ließ Klara sich gegen den Widerstand ihrer Angehörigen,
Die ihre Entscheidung zunächst nicht guthießen,
Mit den ersten Gefährtinnen
In der Kirche San Damiano nieder,
Wo die Minderbrüder
Ihnen einen kleinen Konvent eingerichtet hatten.
In diesem Kloster lebte sie über 40 Jahre lang,
Bis zu ihrem Tod im Jahre 1253.
Uns ist eine Beschreibung aus erster Hand
Über das Leben dieser Frauen in jenen Anfangsjahren
Der franziskanischen Bewegung überliefert.
Es handelt sich um den Bericht
Eines flämischen Bischofs auf Besuch in Italien,
Jakob von Vitry, der Bewunderung zum Ausdruck bringt:
Er habe eine große Anzahl von Männern und Frauen
Aller sozialen Schichten vorgefunden,
Die alles für Christus verlassen hatten
Und der Welt entflohen waren.
Sie nannten sich Minderbrüder
Und Minderschwestern
Und genießen große Achtung beim Papst
Und bei den Kardinälen.
Die Frauen leben gemeinsam an mehreren Stätten
Unweit der Städte. Sie erhalten nichts,
Sondern leben von ihrer Hände Arbeit.
Und es schmerzt und betrübt sie sehr,
Dass sie vom Klerus und von den Laien mehr geehrt werden,
Als ihnen recht ist.
Jakob von Vitry hatte mit Scharfblick
Einen charakteristischen Zug
Der franziskanischen Spiritualität erkannt,
Für den Klara sehr empfänglich war:
Die Radikalität der Armut in Verbindung
Mit dem völligen Vertrauen
Auf die göttliche Vorsehung.
Aus diesem Grund handelte sie
Mt großer Entschlossenheit
Und erlangte von Papst Innozenz III.
Das Privilegium Paupertatis,
Demgemäß Klara und ihre Gefährtinnen
Von San Damiano keinerlei materiellen Besitz haben durften.
Es handelte sich um eine wirklich ungewöhnliche Ausnahme
Gegenüber dem geltenden Kirchenrecht,
Und die kirchlichen Autoritäten jener Zeit gewährten sie
In Anerkennung der Früchte
Evangeliumsgemäßer Heiligkeit,
Die sie in der Lebensweise Klaras
Und ihrer Mitschwestern erkannten.
Das zeigt, dass auch in den Jahrhunderten
Des Mittelalters die Frauen
Keine zweitrangige,
Sondern eine beachtliche Rolle spielten.
In diesem Zusammenhang sollte daran erinnert werden,
Dass Klara die erste Frau in der Kirchengeschichte war,
Die eine schriftliche Ordensregel verfasst hat,
Die dem Papst zur Approbation unterbreitet wurde,
Um das Charisma des Franz von Assisi
In allen Frauengemeinschaften zu bewahren,
Die schon zu ihrer Zeit zahlreich entstanden
Und die sich am Vorbild von Franziskus
Und Klara orientieren wollten.
Im Konvent von San Damiano
Lebte Klara in heroischer Weise die Tugenden,
Die jeden Christen auszeichnen sollten:
Die Demut, den Geist der Frömmigkeit und der Buße,
Die Nächstenliebe.
Obgleich sie die Oberin war,
Wollte sie den kranken Mitschwestern persönlich dienen,
Indem sie auch niederste Aufgaben übernahm:
Die Liebe nämlich überwindet jeden Widerstand,
Und wer liebt, vollbringt jedes Opfer mit Freude.
Ihr Glaube an die Realpräsenz in der Eucharistie
War so groß, dass zweimal wunderbare Dinge geschahen.
Allein durch die Aussetzung des Allerheiligsten Sakraments
Vertrieb sie die sarazenischen Söldnertruppen,
Die im Begriff waren, das Kloster von San Damiano
Anzugreifen und die Stadt Assisi zu verwüsten.
Diese Geschehnisse sowie andere Wunder,
An die die Erinnerung bewahrt wurde,
Veranlassten Papst Alexander IV.,
Sie 1255, nur zwei Jahre nach ihrem Tod,
Heiligzusprechen. Er verkündete ihr Lob
Iin der Heiligsprechungsbulle, in der es heißt:
Welch eine Leuchtkraft besitzt dieses Licht,
Und wie hell ist der Glanz dieser leuchtenden Quelle!
Wahrlich, dieses Licht war in der Verborgenheit
Des klösterlichen Lebens verschlossen
Und strahlte draußen mit hellem Schein;
Es sammelte sich in engen Klostermauern
Uund verbreitete sich draußen in der ganzen Welt.
Es wurde drinnen bewahrt
Und verbreitete sich draußen.
Klara nämlich hielt sich verborgen;
Aber ihr Leben wurde allen offenbar.
Klara schwieg, aber ihr Ruhm wurde laut. -
Und genau so ist es, liebe Freundin:
Die Heiligen sind es, die die Welt
Zum Besseren wandeln,
Sie dauerhaft verändern,
Indem sie ihr Kräfte zuführen,
Die nur die vom Evangelium inspirierte Liebe
Hervorbringen kann. Die Heiligen
Sind die großen Wohltäter der Menschheit!
Die Spiritualität der heiligen Klara,
Ihr Entwurf der Heiligkeit
Ist im vierten Brief an die heilige Agnes
Von Prag zusammengefasst.
Die heilige Klara gebraucht das Bild des Spiegels,
Das im Mittelalter sehr verbreitet war
Und von den Kirchenvätern herkommt.
Sie fordert ihre Freundin in Prag auf,
Sich in jenem Spiegel der Vollkommenheit
Aller Tugenden zu betrachten,
Der der Herr selbst ist. So schreibt sie:
Wahrhaft glücklich, wem es gegeben wird,
Dieses heilige Gastmahl zu genießen,
Um mit allen Fasern des Herzens
Dem anzuhängen, Christus, dessen Schönheit
Alle seligen himmlischen Heerscharen
Unaufhörlich bewundern,
Dessen Liebe reich beschenkt,
Dessen Betrachtung erquickt,
Dessen Güte erfüllt,
Dessen Liebenswürdigkeit wieder herstellt,
Dessen Andenken lieblich leuchtet,
Durch dessen Duft Tote wieder aufleben werden,
Dessen glorreicher Anblick selig machen wird
Alle Bewohner des himmlischen Jerusalem,
Da es ein Abglanz der ewigen Herrlichkeit,
Ein Schein des ewigen Lichtes
Und ein Spiegel ohne Makel ist.
In diesen Spiegel schaue täglich,
O Königin, Braut Jesu Christi,
Und betrachte immer in ihm Dein Antlitz,
Auf dass Du Dich so gänzlich innerlich
Und äußerlich schmückst.
In diesem Spiegel erstrahlen die selige Armut,
Die heilige Demut
Und die unaussprechliche Liebe.
Wir wollen Gott danken,
Der uns die Heiligen schenkt,
Die unser Herz ansprechen
Und uns ein Vorbild christlichen Lebens
Zur Nachahmung geben.
So möchte ich mit dem Segen schließen,
Den die heilige Klara für ihre Mitschwestern
In Worte fasste und den die Klarissen,
Die durch ihr Gebet und ihr Wirken
Eine wertvolle Rolle in der Kirche spielen,
Mit großer Ehrfurcht bewahren.
In diesen Worten kommt die ganze zärtliche Liebe
Ihrer geistlichen Mutterschaft zum Ausdruck:
Ich segne euch in meinem Leben
Und nach meinem Tode,
Soviel ich vermag, und mehr als ich vermag,
Mit all dem Segen, mit dem der Vater
Der Erbarmungen seine Söhne
Und seine Töchter im Himmel
Und auf Erden gesegnet hat
Und noch segnen wird,
Und mit dem ein geistlicher Vater
Und eine geistliche Mutter
Ihre geistlichen Söhne
Und Töchter gesegnet haben
Und noch segnen werden. Amen.
MECHTHILD VON HACKEBORN
Liebe Schwester!
Heute möchte ich zu dir
Über die heilige Mechthild von Hackeborn sprechen,
Eine der großen Gestalten des Klosters von Helfta,
Die im 13. Jahrhundert gelebt hat.
Ihre Mitschwester, die heilige Gertrud die Große,
Ssagt im 6. Kapitel des Buches der geistlichen Gnaden,
In dem von den besonderen Gnaden berichtet wird,
Die Gott der heiligen Mechthild gewährt hat:
Was wir niedergeschrieben haben,
Ist recht wenig im Vergleich zu dem,
Was wir nicht erwähnt haben.
Einzig zur Ehre Gottes
Und zum Wohl des Nächsten
Tun wir diese Dinge kund.
Denn wir meinen, dass es unrecht wäre,
All die Gnaden zu verschweigen,
Die Mechthild von Gott empfangen hat,
Nicht so sehr für sich selbst, sondern, so scheint uns,
Für uns und für jene, die nach uns kommen werden.
Dieses Werk wurde von der heiligen Gertrud
Und einer anderen Mitschwester aus Helfta verfasst
Und hat eine einzigartige Geschichte.
Im Alter von 50 Jahren durchlebte Mechthild
Eine schwere geistliche Krise;
Hinzu kamen physische Leiden.
In diesem Zustand vertraute sie
Zwei befreundeten Mitschwestern
Die außerordentlichen Gnaden an,
Mit denen Gott sie von Kindheit an geführt hatte,
Wusste jedoch nicht, dass diese alles aufschrieben.
Als sie es erfuhr, war sie darüber
Zutiefst betrübt und erschüttert.
Der Herr beruhigte sie jedoch
Und gab ihr zu verstehen,
Dass das Geschriebene zur Ehre Gottes
Und zum Wohl des Nächsten gereiche.
So ist dieses Werk für uns die Hauptquelle
Über das Leben und die Spiritualität unserer Heiligen.
Durch sie werden wir eingeführt in das Geschlecht
Der Freiherrn von Hackeborn,
Eines der edelsten, reichsten und mächtigsten von Thüringen,
Es war mit Kaiser Friedrich II. verschwägert,
Und treten ein in das Kloster von Helfta
In der ruhmreichsten Zeit seiner Geschichte.
Der Freiherr hatte bereits eine Tochter
Ins Kloster gegeben:
Gertrud von Hackeborn.
Sie besaß eine ausgeprägte Persönlichkeit,
War 40 Jahre lang Äbtissin
Und konnte der Spiritualität des Klosters
Eine besondere Prägung verleihen,
Indem sie es zu außerordentlicher Blüte brachte
Als Zentrum der Mystik und der Kultur,
Als Schule für wissenschaftliche
Und theologische Ausbildung.
Gertrud bot den Nonnen hohe geistige Unterweisung,
Die es ihnen erlaubte, eine Spiritualität zu pflegen,
Die auf der Heiligen Schrift,
Auf der Liturgie,
Auf der patristischen Überlieferung,
Auf der Regel und Spiritualität der Zisterzienser gründete,
Mit besonderer Vorliebe für Bernhard von Clairvaux.
Sie war eine wahre Lehrmeisterin,
In allem vorbildlich,
In der Radikalität des Lebens nach dem Evangelium
Und im apostolischen Eifer.
Mechthild nahm von Kindheit an
Die von ihrer Schwester geschaffene
Geistliche und kulturelle Atmosphäre in sich auf
Und genoss sie
Und gab ihr dann ihre persönliche Note.
Mechthild wird 1242 auf Burg Helfta geboren;
Sie ist die dritte Tochter des Freiherrn.
Mit sieben Jahren besucht sie mit der Mutter
Ihre Schwester Gertrud im Kloster Rodersdorf.
Von dieser Umgebung ist sie so fasziniert,
Dass sie innig wünscht, ihr anzugehören.
Sie tritt als Klosterschülerin ein
Und wird 1258 Nonne in dem Konvent,
Der in der Zwischenzeit nach Helfta übergesiedelt ist,
Auf das Anwesen derer von Hackeborn.
Sie zeichnet sich aus durch Demut, Eifer
Und Liebenswürdigkeit,
Durch Reinheit und Unschuld des Lebens,
Durch Vertrautheit und Tiefe,
Mit denen sie die Beziehung zu Gott,
Zur Jungfrau Maria,
Zu den Heiligen lebt.
Sie ist mit hohen natürlichen
Und geistlichen Eigenschaften ausgestattet:
Wissen, Intelligenz, Kenntnis von Sprache und Literatur,
Eine wunderbar liebliche Stimme:
Unter all diesen Voraussetzungen
Konnte sie für das Kloster in jeder Hinsicht
Ein wahrer Schatz sein.
So wird die Nachtigall Gottes
Bereits in sehr jungen Jahren
Leiterin der Klosterschule, Chorleiterin
Und Novizenmeisterin.
Sie führt diese Dienste mit großer Begabung
Und unermüdlichem Eifer aus,
Nicht nur zum Wohl der Nonnen, sondern aller,
Die aus ihrer Weisheit und Güte schöpfen wollen.
Von der göttlichen Gabe
Der mystischen Schau erleuchtet,
Verfasst Mechthild zahlreiche Gebete.
Sie ist eine Lehrerin,
Die der kirchlichen Lehre treu
Und von großer Demut ist.
Sie ist Ratgeberin, Trösterin,
Leitende Hand bei der Entscheidungsfindung.
Über sie kann man lesen:
Sie teilte die Lehre in einer solchen Fülle aus,
Wie man es im Kloster noch nie gesehen hatte
Und wohl leider, so befürchten wir,
Auch nie mehr sehen wird.
Die Schwestern scharten sich um sie,
Um das Wort Gottes zu hören, wie um einen Prediger.
Sie war für alle Zuflucht und Trost
Und besaß durch Gottes Gnade
Die außerordentliche Gabe,
Die Geheimnisse eines jeden Herzens offen darzulegen.
Viele Personen, nicht nur im Kloster,
Sondern auch fremde Ordensleute und Laien,
Die von weither gekommen waren, bezeugten,
Dass diese heilige Jungfrau
Sie von ihren Nöten befreit hatte
Und dass sie niemals soviel Trost empfunden hatten
Wie bei ihr.
Außerdem verfasste und lehrte sie viele Gebete.
Wollte man sie alle zusammenfassen,
So wären sie umfangreicher
Als das Buch der Psalmen.
1261 kommt ein fünfjähriges Mädchen
Namens Gertrud in den Konvent:
Sie wird der Obhut der knapp 20jährigen
Mechthild anvertraut, die sie erzieht
Und im geistlichen Leben anleitet
Und sie schließlich nicht nur zur hervorragenden Schülerin,
Sondern auch zu ihrer Vertrauten macht.
1272 tritt auch Mechthild von Magdeburg
In das Kloster ein.
So nimmt der Ort vier große Frauen auf,
Zwei mit dem Namen Gertrud
Und zwei mit dem Namen Mechthild:
Der Ruhm des deutschen Klosterlebens.
In dem langen Leben, das sie im Kloster verbringt,
Wird Mechthild unablässig von starken Leiden heimgesucht,
Denen sie die harte Buße hinzufügt,
Die sie für die Bekehrung der Sünder auf sich nimmt.
Auf diese Weise hat sie bis zum Lebensende
Anteil am Leiden des Herrn.
Das Gebet und die Betrachtung
Sind der lebenswichtige Nährboden ihrer Existenz:
Die Offenbarungen, ihre Lehren,
Ihr Dienst am Nächsten,
Ihr Weg im Glauben und in der Liebe
Haben hier ihre Wurzel und ihr Umfeld.
Im ersten Kapitel des Buches von der speziellen Gnade
Tragen die Verfasserinnen das zusammen,
Was Mechthild ihnen anvertraut,
Geordnet nach den Festen des Herrn, der Heiligen
Und insbesondere der seligen Jungfrau Maria.
Die Fähigkeit dieser Heiligen, die Liturgie
In ihren verschiedenen Teilen zu leben
Und sie in das tägliche Klosterleben hineinzunehmen,
Ist beeindruckend.
Manche Bilder, Ausdrücke, Anwendungen
Mögen unserem Empfinden fremd sein,
Aber wenn man sich das Klosterleben vor Augen führt
Sowie ihre Aufgabe als Novizenmeisterin und Chorleiterin,
Dann erkennt man ihre einzigartige Begabung
Als Erzieherin und Lehrerin,
Die ihren Mitschwestern hilft,
Jeden Augenblick des Klosterlebens
Von der Liturgie ausgehend intensiv zu leben.
Beim liturgischen Gebet hebt Mechthild
Die kanonischen Horen,
Die Feier der heiligen Messe,
Vor allem die heilige Kommunion, besonders hervor.
Hier kam oft eine Verzückung über sie,
Iin inniger Vertrautheit mit dem Herrn
In seinem brennenden und liebenden Herzen,
In einem wunderbaren Zwiegespräch,
In dem sie um innere Erleuchtung bittet
Und besondere Fürsprache
Für ihre Gemeinschaft und ihre Mitschwestern hält.
Im Mittelpunkt stehen die Geheimnisse Christi,
Auf die die Jungfrau Maria ständig verweist,
Um den Weg der Heiligkeit zu beschreiten:
Wenn du nach der wahren Heiligkeit strebst,
Dann bleib bei meinem Sohn;
Er selbst ist die Heiligkeit, die alles heiligt.
In ihre innige Vertrautheit mit Gott
Ist die ganze Welt einbezogen,
Die Kirche, die Wohltäter, die Sünder.
Für sie vereinen sich Himmel und Erde.
Ihre Visionen, ihre Lehren,
Die Ereignisse ihres Lebens
Werden mit Ausdrücken beschrieben,
De liturgische und biblische Anklänge haben.
So erfasst man ihre tiefe Kenntnis der Heiligen Schrift,
Die ihr tägliches Brot war.
Sie nimmt ständig darauf Bezug,
Indem sie die in der Liturgie gelesenen
Biblischen Texte hervorhebt
Und ihnen Symbole, Begriffe, Landschaften,
Bilder, Personen entnimmt.
Ihre Vorliebe gilt dem Evangelium:
Die Worte des Evangeliums waren für sie
Eine wunderbare Speise
Und weckten in ihrem Herzen so süße Empfindungen,
Dass sie oft aus Begeisterung
Mit dem Lesen nicht aufhören konnte.
Sie las diese Worte so hingebungsvoll,
Dass sie bei allen Andacht hervorrief.
Auch beim Chorgesang war sie völlig in Gott versunken
Und von solcher Hingabe erfasst,
Dass sie manchmal ihre Empfindungen
Durch Gesten zum Ausdruck brachte.
Andere Male kam gleichsam eine Verzückung über sie,
Und sie merkte nicht, wenn man sie rief oder anfasste,
Und erlangte nur schwer das Bewusstsein
Für die Außenwelt zurück.
In einer der Visionen empfiehlt Jesus selbst ihr das Evangelium;
Er öffnet die Wunde seines liebenden Herzens
Und sagt zu ihr: Bedenke, wie groß meine Liebe ist:
Wenn du sie kennenlernen willst,
So findest du sie nirgends besser zum Ausdruck gebracht
Als im Evangelium.
Niemals wurden stärkere und liebevollere Worte vernommen
Als diese: Wie mich der Vater geliebt hat,
So habe auch ich euch geliebt.
Liebe Freundin, das persönliche
Und das liturgische Gebet,
Besonders die Horen
Und die heilige Messe stehen an der Wurzel
Der geistlichen Erfahrung
Der heiligen Mechthild von Hackeborn.
Indem sie sich von der Heiligen Schrift leiten
Und vom eucharistischen Brot nähren ließ,
Ist sie einen Weg inniger Vereinigung
Mit dem Herrn gegangen,
Stets in vollkommener Treue zur Kirche.
Das ist auch für uns eine eindringliche Einladung,
Unsere Freundschaft mit dem Herrn zu vertiefen,
Vor allem durch das tägliche Gebet
Und die aufmerksame, treue und aktive Teilnahme
An der heiligen Messe.
Die Liturgie ist eine große Schule der Spiritualität.
Ihre Schülerin Gertrud beschreibt eindrücklich
Die letzten Augenblicke im Leben
Der heiligen Mechthild von Hackeborn.
Sie waren sehr hart, aber erleuchtet
Von der Gegenwart der Allerheiligsten Dreifaltigkeit,
Des Herrn, der Jungfrau Maria, aller Heiligen,
Auch ihrer leiblichen Schwester Gertrud.
Als die Stunde kam, da der Herr sie zu sich nehmen wollte,
Bat sie ihn, um des Heils der Seelen willen
Noch weiter im Leiden leben zu dürfen,
Und Jesus freute sich
Über dieses letzte Zeichen der Liebe.
Mechthild war 58 Jahre alt.
Der letzte Abschnitt ihres Weges
War von acht Jahren schwerer Krankheit gezeichnet.
Ihr Werk und ihr Ruf der Heiligkeit verbreiteten sich weit.
Als ihre Stunde gekommen war,
Sagte der allmächtige Gott,
Der einzige Trost der Seele, die ihn liebt, zu ihr:
Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid,
Nehmt das Reich in Besitz,
Und nahm sie auf in seine Herrlichkeit.
Die heilige Mechthild von Hackeborn
Vertraut uns dem Heiligsten Herzen Jesu
Und dem Unbefleckten Herzen der Jungfrau Maria an.
Sie lädt uns ein, den Sohn
Durch das Herz der Mutter zu loben
Und Maria durch das Herz des Sohnes:
Ich grüße Euch, o ehrwürdige Jungfrau,
In jenem lieblichen Morgentau,
Der aus dem Herzen
Der Allerheiligsten Dreifaltigkeit
Sich in Euch verbreitet hat;
Ich grüße Euch in der Herrlichkeit
Und in der Freude,
In der Ihr jetzt auf ewig lebt,
Ihr, die Ihr vor allen anderen Geschöpfen
Der Erde und des Himmels erwählt wurdet
Noch vor der Erschaffung der Welt! Amen.
GERTRUD DIE GROSSE
Liebe Schwester!
Die heilige Gertrud die Große,
Über die ich heute sprechen möchte,
Führt uns wieder in das Kloster Helfta,
Wo einige der Meisterwerke
Der von Frauen verfassten
Lateinisch-deutschen religiösen Literatur entstanden sind.
Zu dieser Welt gehört Gertrud,
Eine der berühmtesten Mystikerinnen
Und die einzige Frau in Deutschland,
Die den Beinamen »die Große« trägt,
Aufgrund ihres kulturellen
Und das Evangelium betreffenden Formats:
Mit ihrem Leben und ihrem Denken
Hat sie auf die christliche Spiritualität
In einzigartiger Weise Einfluss genommen.
Sie ist eine außergewöhnliche Frau,
Ausgestattet mit besonderen natürlichen Begabungen
Und außerordentlichen Gnadengaben,
Von tiefster Demut und brennendem Eifer
Für das Heil des Nächsten,
In inniger Gemeinschaft mit Gott
In der Betrachtung und stets bereit,
Den Notleidenden zu helfen.
In Helfta setzt sie sich sozusagen systematisch
Mit ihrer Novizenmeisterin
Mechthild von Hackeborn auseinander,
Über die ich schon gesprochen habe.
Sie tritt dort in Beziehung zu Mechthild von Magdeburg,
Einer weiteren mittelalterlichen Mystikerin,
Und wächst unter der gütigen
Und anspruchsvollen mütterlichen Obhut
Der Äbtissin Gertrud auf.
Von diesen drei Mitschwestern
Gewinnt sie Schätze der Erfahrung und der Weisheit;
Sie erarbeitet daraus eine eigene Synthese
Und beschreitet ihren religiösen Weg
Im grenzenlosen Vertrauen auf den Herrn.
Sie bringt den Reichtum der Spiritualität
Nicht nur ihrer klösterlichen Welt zum Ausdruck,
Sondern auch und besonders in der biblischen,
liturgischen, patristischen und benediktinischen Welt,
In einem sehr persönlichen Ton
Und mit großer kommunikativer Wirkkraft.
Sie wird am 6. Januar 1256 geboren,
Dem Fest der Erscheinung des Herrn,
Aber weder über ihre Eltern
Noch über ihren Geburtsort ist irgend etwas bekannt.
Gertrud schreibt, dass der Herr selbst
Ihr den Sinn dieser frühen Entwurzelung darlegt:
Ich habe sie so zur Wohnung erwählt,
Dass alles, was in ihr geliebt wird, mein Werk ist.
Deshalb habe ich sie von allen Verwandten weit entfernt,
Damit niemand wegen Verwandtschaft sie liebe,
Sondern jeder allein meinetwegen...
Im Alter von fünf Jahren
Kommt sie 1261 ins Kloster,
Wie es damals oft üblich war,
Um Erziehung und Bildung zu erhalten.
Hier verbringt sie ihr ganzes Leben,
Dessen wichtigste Abschnitte sie selbst aufzeigt.
In ihren Erinnerungen sagt sie,
Dass der Herr sie mit langmütiger Geduld
Und endloser Barmherzigkeit umsorgt hat
Und über die Jahre der Kindheit,
Des Heranreifens und der Jugend hinwegsah,
Die sie, wie sie schreibt, verblendet in Torheit verbrachte,
Wo sie in Gedanken, Worten und Werken
Ohne Gewissensbisse alles getan haben würde,
Wozu ich Gelegenheit hatte,
Wenn du es nicht entweder durch den von Natur aus
Mr innewohnenden Abscheu vor dem Bösen
Und die Liebe zum Guten
Oder durch äußeren Verweis von Seiten des Nächsten
Verhütet hättest, gleich als hätte ich wie eine Heidin
Unter Heiden gelebt,
Während du doch von meinem fünften Jahr an
Mich auserwählt hast,
Unter deinen vertrautesten Freundinnen
In der heiligen Klosterzelle
Dir zubereitet zu werden
Gertrud ist eine außerordentlich begabte Schülerin;
Sie lernt alles, was man von den Wissenschaften
Jener Zeit lernen kann.
Sie ist vom Wissen angezogen
Und gibt sich mit Eifer und Beharrlichkeit
Den weltlichen Studien hin;
Ihre schulischen Erfolge übersteigen alle Erwartungen.
Zwar wissen wir nichts über ihre Herkunft,
Aber sie berichtet uns viel
Über die Leidenschaften ihrer Jugend:
Literatur, Musik und Gesang,
Sowie die Kunst der Miniatur vereinnahmen sie.
Sie hat einen starken, energischen, spontanen,
Impulsiven Charakter;
Oft sagt sie, dass sie nachlässig sei;
Sie gibt ihre Fehler zu
Und bittet demütig um Verzeihung für sie.
Mit Demut bittet sie um Rat und Gebet
Für ihre Bekehrung.
Es gibt Wesenszüge und Fehler,
Die sie bis zum Ende begleiten werden,
Und einige Personen fragen sich erstaunt,
Wieso der Herr sie so sehr liebt.
Nach der Schulzeit weiht sie sich Gott
Ganz im Klosterleben,
Und 20 Jahre lang geschieht nichts Außergewöhnliches:
Studium und Gebet sind ihre Haupttätigkeiten.
Durch ihre Begabungen zeichnet sie sich
Unter den Schwestern aus;
Beharrlich vertieft sie ihr Wissen
In verschiedenen Bereichen.
Im Advent des Jahres 1280 beginnt sie jedoch,
Widerwillen gegen all diese Dinge zu verspüren,
Wird sich deren Eitelkeit bewusst,
Und am 27. Januar 1281, wenige Tage
Vor dem Fest Mariä Reinigung
Erleuchtet der Herr
Zur Stunde der Komplet, am Abend,
Ihre dichte Finsternis.
Sanft und zart beschwichtigt er die Unruhe,
De sie befallen hat, eine Unruhe,
Die Gertrud als Geschenk Gottes betrachtet,
Um niederzustürzen den Turm
Meiner Eitelkeit und Neugier,
In den mein Stolz ausgewachsen war,
Obgleich ich, ach, nutzlos
Namen und Kleid des Ordensstandes trug,
Um vielleicht so den Weg zu finden,
Aauf dem du mir dein Heil zeigen könntest. -
Sie hat die Vision von einem Jüngling,
Der sie an der Hand führt,
Um den Zaun aus Dornen zu überwinden,
Der ihre Seele einengt.
In jener Hand erkennt Gertrud
Die erhabenen Denkmale der Wunden,
Wodurch die Anklageschriften
Unserer Feinde zunichte werden,
Sie erkennt ihn, der uns am Kreuz
Durch sein Blut erlöst hat, Jesus.
Von diesem Augenblick lebt sie
In inniger Gemeinschaft mit dem Herrn,
Vor allem in den hohen liturgischen Zeiten,
Advent und Weihnachten,
Fastenzeit und Ostern,
Marienfeste, auch dann,
Wenn sie aufgrund von Krankheit
Nicht am Chorgebet teilnehmen kann.
Sie steht auf demselben liturgischen Nährboden
Wie Mechthild, ihre Meisterin:
Gertrud beschreibt ihn jedoch
Mit einfachen, geraden und realistischen Bildern,
Symbolen und Begriffen,
Die direkte Bezüge zur Bibel,
Zu den Kirchenvätern,
Zur benediktinischen Welt haben.
Ihre Biographin zeigt zwei Richtungen dessen auf,
Was wir als ihre besondere Bekehrung bezeichnen können:
In den Studien der radikale Übergang
Von den weltlichen, humanistischen
Zu den theologischen Studien
Und in der klösterlichen Observanz
Der Übergang von dem Leben,
Das sie als schlampig bezeichnet,
Zu einem Leben im tiefen Gebet,
Einem mystischen Leben
Mit außergewöhnlichem missionarischen Eifer.
Dem Herrn, der sie bereits im Mutterleib auserwählt hatte
Und sie von Kindesbeinen an
Am Festmahl des klösterlichen Lebens teilnehmen ließ,
Gefiel es, sie durch seine Gnade
Von den äußeren Dingen nach innen
Und von körperlichen zu geistigen Übungen zu berufen.
Gertrud versteht, dass sie ihm fern gewesen ist,
Im Reich der Unähnlichkeit,
Wie sie mit Augustinus sagt;
Dass sie sich mit zu großem Wissensdrang
Den freien Künsten,
Der menschlichen Weisheit gewidmet,
Das geistliche Wissen vernachlässigt
Und sich des Genusses
Der wahren Weisheit beraubt hatte;
Jetzt wird sie auf den Berg der Betrachtung geführt,
Wo sie den alten Menschen zurücklässt,
Um den neuen Menschen anzuziehen.
Deshalb wurde sie jetzt eine Jüngerin der Theologie,
Indem sie alle Bücher der Heiligen Schrift,
Die sie haben oder erwerben konnte,
Ohne Ermüden studierte,
So dass ihr zu jeder Zeit ein göttliches
Und erbauliches Wort zu Gebot stand.
Daher vermochte sie alle, die zu ihr kamen,
Vollkommen entsprechend zu befriedigen
Und jedem Irrtum mit passenden Zeugnissen
Der Heiligen Schrift entgegenzutreten.
Gertrud macht all das zum Apostolat:
Sie ist damit befasst, die Glaubenswahrheit
Mit Klarheit und Einfachheit,
Anmut und Überzeugungskraft niederzuschreiben
Und zu verbreiten,
Und dient der Kirche in Liebe und Treue,
So dass sie den Theologen
Und den frommen Menschen
Nützlich und angenehm ist.
Von ihrer unermüdlichen Tätigkeit
Ist uns wenig erhalten,
Auch aufgrund der Ereignisse,
Die zur Zerstörung des Klosters Helfta führten.
Außer dem Gesandten der göttlichen Liebe
Sind uns die Geistlichen Übungen überliefert,
Ein seltenes Juwel der mystischen
Und geistlichen Literatur.
Im Ordensleben ist unsere Heilige
Eine überaus starke Säule
Und die standhafte Vorkämpferin
Der Gerechtigkeit und Wahrheit.
Durch ihre Worte und ihr Vorbild
Weckt sie in den anderen großen Eifer.
Den Gebeten und Bußübungen der Klosterregel
Fügt sie weitere hinzu,
Mit einer solchen Frömmigkeit
Und einer solch vertrauensvollen Hingabe an Gott,
Dass sie allen, die ihr begegnen,
Das Bewusstsein vermittelt,
In Gegenwart des Herrn zu sein.
Und Gott selbst gibt ihr zu verstehen,
Dass er sie berufen hat,
Werkzeug seiner Gnade zu sein.
Gertrud fühlt sich dieses enormen göttlichen Schatzes
Unwürdig und bekennt, ihn nicht bewahrt
Und gewürdigt zu haben. Sie ruft aus:
Hättest du mir Unwürdiger einen Faden von Hanf
Zum Andenken an dich gegeben,
Ich würde ihn mit größerer Sorgfalt
Und Ehrfurcht behandelt haben.
Aber dadurch, dass sie ihre Armut
Und Unwürdigkeit erkennt,
Tut sie den Willen Gottes, weil, so sagt sie,
Die Gewissheit, hierin keinen Fortschritt gemacht zu haben,
Mich nicht glauben lässt, diese Geschenke
Seien nur mir gegeben. Verleihe darum,
O Spender der Gaben,
Der du mir so unverdiente Geschenke erteilt hast,
Dem, der dies liest,
Dass wenigstens das Herz deines Freundes
Deshalb mit dir Mitleid habe,
Weil dein Eifer für die Seelen
Einen königlichen Edelstein
So viele Stunden in der schlammigen Grube
Meines Herzens gehalten hat.
Unter diesen Gaben schätzt sie zwei besonders hoch,
Wie Gertrud selbst schreibt:
Dass du meinem Herzen
Die erhabenen Dankzeichen
Deiner heilsamen Wunden eingedrückt
Und dazu die Wunde der Liebe
So augenscheinlich und wirksam
Ebenfalls meinem Herzen eingeprägt hast...
Denn wenn du mir auch niemals
Einen größeren inneren
Noch äußeren Trost gegeben hättest,
So hast du mir doch in diesen beiden
Eine solche Seligkeit mitgeteilt,
Dass ich, wenn ich auch tausend Jahre leben sollte,
Hieraus zu jeder Stunde Trost,
Unterweisung und Stoff zur Danksagung
Mehr als genug schöpfen könnte.
Auch hast du mir unter diesen Geschenken
Deine unschätzbare vertraute Freundschaft gewährt,
Indem du in verschiedener Weise
Jene hoch erhabene Arche der Gottheit,
Nämlich dein göttliches Herz,
Als Gegenstand aller meiner Freuden
Mir mitgeteilt hast.
Zu dieser Fülle von Wohltaten
Hast du noch die hinzugefügt,
Dass du mir deine süßeste Mutter,
Die allerheiligste Jungfrau Maria,
Zur Herrin gegeben
Und ihrer Liebe mich öfter
So freundschaftlich empfohlen hast,
Wie nur jemals ein treuer Bräutigam
Die geliebte Braut
Seiner eigenen Mutter anempfehlen konnte.
Nach der ewigen Gemeinschaft strebend
Beschließt sie ihr irdisches Dasein
Am 17. November 1301,
Im Alter von etwa 46 Jahren.
In der siebten Übung,
Der Vorbereitung auf den Tod,
Schreibt Gertrud: Ja, Jesus,
Von Herzen geliebt vor allen,
Sei du also immer bei mir,
Auf dass mein Herz bei dir bleibt,
Und deine Liebe ungeteilt bei mir ausharre.
Und so soll mein Übergang von dir gesegnet werden:
Dass mein Geist, befreit von der Fessel des Leibes,
Fortwährend in dir ruhe. Amen.
Mir scheint offensichtlich zu sein,
Dass diese Dinge nicht nur der Vergangenheit,
Der Geschichte angehören.
Vielmehr bleibt das Leben der heiligen Gertrud
Auch weiterhin eine Schule des christlichen Lebens,
Des rechten Weges, und es zeigt uns,
Dass der Mittelpunkt eines glücklichen Lebens,
Eines wahren Lebens
Die Freundschaft mit Jesus, dem Herrn, ist.
Und diese Freundschaft lernt man
In der Liebe zur Heiligen Schrift,
In der Liebe zur Liturgie,
Im tiefen Glauben, in der Liebe zu Maria,
Damit wir Gott und damit das wahre Glück,
Das Ziel unseres Lebens
Immer mehr wirklich kennenlernen. Danke.
ANGELA VON FOLIGNO
Liebe Schwester!
Heute möchte ich über die selige
Angela von Foligno sprechen,
Eine große Mystikerin des Mittelalters,
Die im 13. Jahrhundert gelebt hat.
Man ist gewöhnlich fasziniert
Von den Höhen der Vereinigung mit Gott,
Die sie erreicht hat,
Zieht aber vielleicht zu wenig
Die ersten Schritte in Betracht:
Ihre Bekehrung und den langen Weg,
Der sie von ihrem Ausgangspunkt,
Der großen Furcht vor der Hölle,
Bis ans Ziel, zur völligen Vereinigung
Mit der Dreifaltigkeit, geführt hat.
Im ersten Teil ihres Lebens
War Angela gewiss keine eifrige Jüngerin des Herrn.
Sie wurde um 1248
In einer wohlhabenden Familie geboren
Und nachdem sie den Vater verloren hatte,
Von ihrer Mutter recht oberflächlich erzogen.
Schon bald wurde sie in die höchsten Kreise
Der Stadt Foligno eingeführt,
Wo sie einen Mann kennenlernte,
Den sie mit 20 Jahren heiratete
Und mit dem sie Kinder hatte.
Ihr Leben war so unbeschwert,
Dass sie es sich sogar erlaubte,
Die sogenannten Büßer,
Die in jener Zeit sehr verbreitet waren,
Zu verachten: jene also, die,
Um Christus nachzufolgen,
Ihr Hab und Gut verkauften
Und im Gebet, im Fasten,
Im Dienst an der Kirche
Und in der Nächstenliebe lebten.
Einige Ereignisse, wie das schwere Erdbeben
Von 1279, ein Orkan
Und der langjährige Krieg gegen Perugia
Mit seinen gravierenden Folgen,
Wirken sich auf Angelas Leben aus.
Sie wird sich allmählich ihrer Sünden bewusst
Und unternimmt schließlich einen entscheidenden Schritt:
Sie betet zum heiligen Franziskus,
Der ihr in einer Vision erscheint,
Und bittet ihn um Rat,
Um eine gute Generalbeichte abzulegen.
Wir befinden uns im Jahr 1285;
Angela beichtet bei einem Ordensbruder
In San Feliciano. Drei Jahre später
Erfährt ihr Weg der Bekehrung eine weitere Wende:
De Loslösung von den familiären Bindungen,
Als innerhalb von wenigen Monaten
Erst ihre Mutter und dann ihr Ehemann
Und all ihre Kinder sterben.
Danach verkauft sie ihren Besitz
Und schließt sich 1291 dem Dritten Orden
Des heiligen Franziskus an.
Sie stirbt in Foligno am 4. Januar 1309.
Das Buch der seligen Angela von Foligno,
In dem die Dokumentation
Über unsere Selige zusammengefasst ist,
Berichtet über diese Bekehrung;
Es nennt die dafür notwendigen Mittel:
Buße, Demut und Leiden;
Es legt die verschiedenen Schritte
Und die Abfolge von Angelas Erfahrungen dar,
Die 1285 begonnen haben.
Sie rief sich das Erlebte in Erinnerung
Und wollte es durch den Ordensbruder,
Ihren Beichtvater, wiedergeben.
Dieser schrieb es wahrheitsgetreu auf
Und versuchte, es in Abschnitte zu ordnen,
Die er Schritte oder Verwandlungen nannte,
Wobei es ihm jedoch nicht gelang,
Es ganz zu ordnen.
Denn die selige Angela erfährt
Die Vereinigung unter Einbeziehung
Aller geistlichen und leiblichen Sinne,
Und von dem, was sie in ihren Ekstasen erfasst,
Bleibt sozusagen nur ein Schatten
In ihrem Gedächtnis.
Nach einer mystischen Entrückung bekennt sie:
Ich hörte wahrhaftig diese Worte,
Aber was ich sah und erfasste,
Was Gott mir zeigte,
Weiß ich auf keine Weise und kann es nicht sagen,
Obgleich ich gerne darlegen würde,
Was ich durch die Worte verstand, die ich vernahm.
Es war jedoch ein unsagbarer Abgrund. -
Angela von Foligno spricht
Über ihr mystisches Erleben,
Ohne es durch den Verstand zu überarbeiten,
Denn es sind göttliche Erleuchtungen,
Die ihrer Seele plötzlich und unerwartet
Mitgeteilt werden. Auch der Ordensbruder,
Ihr Beichtvater, hat Schwierigkeiten,
Diese Ereignisse wiederzugeben,
Auch aufgrund ihrer großen
Und bewundernswerten Zurückhaltung
In Bezug auf die göttlichen Gaben.
Zu Angelas Schwierigkeiten,
Ihre mystische Erfahrung zum Ausdruck zu bringen,
Kommt noch hinzu, dass ihre Zuhörer
Schwierigkeiten haben, sie zu verstehen.
Diese Situation zeigt deutlich,
Dass der einzige und wahre Meister, Jesus,
Im Herzen eines jeden Gläubigen wohnt
Und es ganz in Besitz nehmen will.
So ist es auch bei Angela,
Die an einen geistlichen Sohn schrieb:
Mein Sohn, wenn du mein Herz sehen würdest,
So wärst du gezwungen, alles zu tun, was Gott will,
Denn mein Herz ist Gottes Herz
Und Gottes Herz ist mein Herz.
Hier klingen die Worte des heiligen Paulus an:
Nicht mehr ich lebe,
Sondern Christus lebt in mir.
Wir wollen daher nur einige Schritte
Des reichen geistlichen Weges
Unserer Seligen betrachten.
Der erste Schritt ist in Wirklichkeit eine Vorbedingung.
Sie berichtet: Infolge der Erkenntnis der Sünde
Hatte die Seele große Furcht,
In Verdammnis zu geraten;
In diesem Schritt weinte sie bitterlich.
Diese Furcht vor der Hölle entspricht dem Glauben,
Den Angela im Augenblick ihrer Bekehrung hatte:
Einen Glauben, der noch arm war an Liebe zu Gott.
Reue, Furcht vor der Hölle, Buße
Eröffnen Angela die Perspektive
Des schmerzhaften Weges des Kreuzes,
Der sie dann vom achten bis zum fünfzehnten Schritt
Auf den Weg der Liebe bringen wird.
Der Ordensbruder, ihr Beichtvater, berichtet:
Die Gläubige sagte zu mir:
Ich hatte diese göttliche Offenbarung:
Nach den Dingen, die ihr geschrieben habt,
Sollst du schreiben lassen,
Dass jeder, der die Gnade bewahren will,
Die Augen der Seele nicht vom Kreuz abwenden darf,
Weder in der Freude noch in der Trübsal,
Die ich ihm sende oder gewähre.
Aber in dieser Phase fühlt Angela noch keine Liebe;
Sie sagt: Die Seele verspürt Scham und Bitterkeit
Und fühlt noch keine Liebe, sondern Schmerz,
Und ist damit nicht zufrieden.
Angela spürt, dass sie Gott
Als Wiedergutmachung für ihre Sünden
Etwas geben muss, aber langsam versteht sie,
Dass sie nichts hat, was sie ihm geben kann,
Ja, dass sie vor ihm nichts ist.
Sie versteht, dass nicht ihr Wille
Ihr die Liebe Gottes geben wird,
Denn ihr Wille kann ihr nur ihr Nichts,
Die Nicht-Liebe geben. Sie sagt:
Nur die wahre und reine Liebe,
Die von Gott kommt, ist in der Seele
Und führt zur Erkenntnis der eigenen Fehler
Und der göttlichen Güte.
Diese Liebe bringt die Seele zu Christus,
Und sie versteht ganz sicher,
Dass sie sich nicht täuschen kann.
Unter diese Liebe lässt sich
Keine weltliche Liebe mischen.
Um sich einzig und vollkommen
Ffür die Liebe Gottes zu öffnen,
Die ihren größten Ausdruck in Christus hat,
Betet sie: O mein Gott,
Mach mich würdig, das höchste Geheimnis
Zu erkennen, das deine glühende
Und unsagbare Liebe
Zusammen mit der Liebe
Der Dreifaltigkeit gewirkt hat:
Das höchste Geheimnis
Deiner Menschwerdung für uns.
O unergründliche Liebe!
Es gibt keine größere Liebe als die,
Durch die mein Gott Mensch geworden ist,
Um mich zu Gott zu machen. -
Dennoch trägt Angelas Herz
Noch immer die Wunden der Sünde,
Denn nach einer guten Beichte
War sie im Zustand der Vergebung,
Aber noch immer durch die Sünde betrübt;
Frei, aber noch unter dem Einfluss der Vergangenheit;
Von der Sünde losgesprochen,
Aber der Buße bedürftig.
Und auch der Gedanke an die Hölle begleitet sie,
Denn je mehr die Seele auf dem Weg
Christlicher Vollkommenheit voranschreitet,
Desto mehr ist sie davon überzeugt,
Nicht nur unwürdig zu sein,
Sondern die Hölle verdient zu haben.
So versteht Angela auf ihrem mystischen Weg
Zutiefst die zentrale Wirklichkeit:
Was sie von ihrer Unwürdigkeit
Und davon, die Hölle verdient zu haben,
Erretten wird, ist nicht ihre Vereinigung mit Gott
Und ihr Besitz der Wahrheit,
Sondern der gekreuzigte Jesus,
Seine Kreuzigung für mich, seine Liebe.
Im achten Schritt sagt sie: Noch wusste ich nicht,
Ob das größere Gut meine Befreiung
Von den Sünden und von der Hölle
Und die Bekehrung zur Buße war
Oder seine Kreuzigung für mich.
Es ist das labile Gleichgewicht
Zwischen Liebe und Schmerz,
Das sie auf ihrem ganzen schwierigen Weg
Zur Vollkommenheit wahrnimmt.
Gerade deshalb betrachtet sie am liebsten
Den gekreuzigten Christus,
Denn darin erblickt sie
Das vollkommene Gleichgewicht:
Am Kreuz befindet sich der Gottmensch,
In der höchsten Leidenstat,
Die die höchste Liebestat ist.
In der dritten Instruktion spricht die Selige
Noch einmal über diese Betrachtung und sagt:
Je vollkommener und reiner
Unsere Betrachtung ist,
Desto vollkommener und reiner lieben wir.
Je mehr wir also den Gott und Menschen
Jesus Christus betrachten,
Desto mehr werden wir in ihm
Durch die Liebe verwandelt.
Was ich über die Liebe gesagt habe,
Das sage ich auch über den Schmerz:
Je mehr die Seele den unsagbaren Schmerz
Des Gottes und Menschen Jesus Christus betrachtet,
Desto mehr leidet sie
Und wird in Schmerz verwandelt.
Die Liebe und das Leiden
Des gekreuzigten Christus verinnerlichen,
Sich darin verwandeln,
Sich mit ihm identifizieren:
Angelas Bekehrung, die mit der Beichte
Von 1285 begann, kommt erst dann zur Reife,
Als Gottes Vergebung ihrer Seele
Als die unentgeltliche Liebesgabe des Vaters,
Der Quelle der Liebe, erscheint.
Sie sagt: Niemand kann einen Vorwand geltend machen,
Denn jeder kann Gott lieben,
Und er verlangt von der Seele nichts anderes
Als dass sie ihn liebt, denn er liebt sie,
Und sie ist seine Liebe.
Auf Angelas geistlichem Weg
Findet der Übergang von der Bekehrung
Zur mystischen Erfahrung,
Vom Sagbaren zum Unsagbaren
Durch den Gekreuzigten statt.
Er ist der Gottmensch, der gelitten hat
Und zu ihrem Meister der Vollkommenheit wird.
Ihre ganze mystische Erfahrung
Besteht also darin, eine vollkommene
Ähnlichkeit mit ihm anzustreben,
Durch immer tiefere und radikalere
Reinigungen und Verwandlungen.
Diesem wunderbaren Unterfangen
Gibt sich Angela ganz hin,
Mt Leib und Seele,
Ohne sich Buße und Schmerz zu ersparen,
Von Anfang bis zum Ende,
In dem Wunsch, mit allen Schmerzen zu sterben,
Die der gekreuzigte Gottmensch erlitten hat,
Um ganz in ihn verwandelt zu werden.
Sie riet: O Kinder Gottes,
Verwandelt euch ganz in den Gottmenschen,
Der gelitten hat, der euch so sehr geliebt hat,
Dass er für euch einen schändlichen
Und unfassbar schmerzhaften,
Qualvollen und bitteren Tod auf sich genommen hat.
Dies geschah nur aus Liebe zu dir, o Mensch!
Eine solche Identifizierung
Bedeutet auch, das zu leben,
Was Jesus gelebt hat:
Armut, Verachtung, Schmerz,
Denn – wie sie sagt – durch die zeitliche Armut
Wird die Seele ewige Reichtümer finden;
Durch Verachtung und Schande
Wird sie zu höchsten Ehren
Und größter Herrlichkeit gelangen;
Durch geringe Buße,
Die sie mit Mühe und Schmerz auf sich nimmt,
Wird sie mit unendlicher Wonne und Trost
Das höchste Gut besitzen,
Den ewigen Gott.
Von der Bekehrung zur mystischen Vereinigung
Mit dem gekreuzigten Christus,
Zum Unsagbaren: ein erhabener Weg,
Dessen Geheimnis das unablässige Gebet ist.
Sie sagt: Je mehr du betest,
Desto mehr wirst du erleuchtet werden;
Je mehr du erleuchtet wirst,
Desto gründlicher und klarer wirst du
Das höchste Gut erkennen,
Das in höchstem Maße gute Sein;
Je gründlicher und klarer du ihn erkennen wirst,
Desto mehr wirst du ihn lieben;
Je mehr du ihn lieben wirst,
Desto mehr wird er dich erfreuen;
Und je mehr er dich erfreuen wird,
Desto besser wirst du ihn erfassen
Und in der Lage sein, ihn zu verstehen.
Danach wirst du zur Fülle des Lichts gelangen,
Weil du verstehen wirst,
Dass du ihn nicht erfassen kannst.
ELISABETH VON THÜRINGEN
Liebe Schwester!
Heute möchte ich über eine Frau
Des Mittelalters sprechen,
Die höchste Bewunderung hervorgerufen hat:
Elisabeth von Ungarn,
Auch Elisabeth von Thüringen genannt.
Sie wurde 1207 geboren;
Über den Ort sind sich die Historiker uneinig.
Ihr Vater war Andreas II.,
Der reiche und mächtige König von Ungarn.
Um die politischen Verbindungen zu festigen,
Hatte er die deutsche Gräfin
Gertrud von Andechs-Meranien geheiratet,
Die Schwester der heiligen Hedwig,
Gemahlin des Herzogs von Schlesien.
Elisabeth verbrachte nur die ersten vier Jahre
Ihrer Kindheit am ungarischen Hof,
Zusammen mit einer Schwester und drei Brüdern.
Sie liebte Spiel, Musik und Tanz,
Sprach treu ihre Gebete
Und zeigte schon damals besondere Aufmerksamkeit
Gegenüber den Armen,
Denen sie mit einem guten Wort
Oder einer liebevollen Geste half.
Ihre glückliche Kindheit wurde jäh unterbrochen,
Als Ritter aus dem fernen Thüringen kamen,
Um sie auf ihren neuen Sitz
In Mitteldeutschland zu bringen.
Den damaligen Sitten entsprechend
Hatte ihr Vater nämlich bestimmt,
Dass Elisabeth Prinzessin
Von Thüringen werden sollte.
Der Landgraf dieser Region
War einer der reichsten und einflussreichsten
Herrscher Europas zu Beginn des 13. Jahrhunderts,
Seine Burg war ein Zentrum
Der Pracht und der Kultur.
Aber hinter den Festlichkeiten
Und der scheinbaren Herrlichkeit
Vrbargen sich die ehrgeizigen Bestrebungen
Der Feudalfürsten, die oft im Krieg miteinander
Und im Konflikt mit den königlichen
Und kaiserlichen Autoritäten standen.
Vor diesem Hintergrund begrüßte Landgraf Hermann
Die Verlobung zwischen seinem Sohn Ludwig
Und der ungarischen Prinzessin sehr.
Elisabeth verließ ihre Heimat
Mit reicher Mitgift und großem Gefolge,
Zu dem auch ihre Kammerfrauen gehörten.
Zwei von ihnen sollten ihr bis zum Ende
Treue Freundinnen bleiben.
Sie haben uns wertvolle Nachrichten
Über die Kindheit und das Leben
Der Heiligen hinterlassen.
Nach einer langen Reise
Kam sie in Eisenach an,
Um dann zur Wartburg hinaufzugehen,
Zur mächtigen Festung oberhalb der Stadt.
Hier wurde die Verlobung
Von Ludwig und Elisabeth gefeiert.
In den folgenden Jahren lernte Ludwig
Den Beruf des Ritters, während Elisabeth
Und ihre Gefährtinnen in Deutsch,
Französisch, Latein, Musik, Literatur
Und Stickerei unterwiesen wurden.
Obwohl die Verlobung aus politischen Gründen
Entschieden worden war, entstand
Zwischen den beiden jungen Menschen
Eine aufrichtige Liebe, die beseelt war
Vom Glauben und von dem Wunsch,
Den Willen Gottes zu tun.
Im Alter von 18 Jahren
Übernahm Ludwig die Herrschaft über Thüringen.
Elisabeth wurde jedoch Gegenstand verhaltener Kritik,
Weil ihre Lebensweise nicht dem höfischen
Leben entsprach. Auch die Hochzeitsfeier
War nicht prunkvoll,
Und die für das Mahl vorgesehenen Ausgaben
Wurden teilweise den Armen zugewendet.
In ihrer tiefen Sensibilität erkannte Elisabeth
Die Widersprüche zwischen dem Glauben,
Den man bekannte, und der christlichen Praxis.
Sie duldete keine Kompromisse.
Einmal nahm sie, als sie am Fest
Der Aufnahme Mariens in den Himmel
Die Kirche betrat, die Krone ab,
Legte sie vor dem Kreuz nieder
Und warf sich mit verhülltem Gesicht zu Boden.
Als ihre Schwiegermutter sie deswegen tadelte,
Antwortete sie: Ferne sei mir,
Im Angesicht meines Gottes
Und Königs Jesus Christus,
Den ich mit Dornen gekrönt erblicke,
Selbst ein geringes und aus Erde gebildetes Geschöpf,
Mit eitler Überheblichkeit gekrönt zu erscheinen!
So wie sie sich vor Gott verhielt,
Verhielt sie sich auch gegenüber den Untertanen.
Im Büchlein über die Aussagen
Der vier Dienerinnen finden wir folgendes Zeugnis:
Sie griff bei Tisch nur zu, wenn sie wusste,
Dass die Speisen von den rechtmäßigen Gütern
Ihres Gemahls kamen.
Sie verzichtete nicht nur auf unrechtmäßige Einkünfte,
Sondern sorgte auch nach Möglichkeit dafür,
Dass den ungerecht Behandelten
Ersatz geleistet wurde.
Ein wahres Vorbild für alle,
Die Führungsrollen bekleiden:
Die Autorität muss auf jeder Ebene
Als Dienst an der Gerechtigkeit
Und an der Liebe ausgeübt werden,
Im unablässigen Streben nach dem Gemeinwohl.
Elisabeth übte unermüdlich
Werke der Barmherzigkeit:
Sie gab allen, die an ihr Tor klopften,
Zu trinken und zu essen,
Sie beschaffte Kleidung,
Beglich Schulden,
Sorgte für die Kranken
Und begrub die Toten.
Oft stieg sie von ihrer Burg herab
Und ging mit ihren Dienerinnen
In die Häuser der Armen,
Brachte ihnen Brot, Fleisch, Mehl
Und andere Nahrungsmittel.
Sie übergab die Speisen persönlich
Und überprüfte aufmerksam die Kleidung
Und Bettstatt der Armen.
Als dieses Verhalten ihrem Gemahl
Hinterbracht wurde, missfiel es diesem
Jedoch ganz und gar nicht,
Sondern er antwortete den Anklägern sogar:
Lasst sie Gutes tun und für Gott geben, was sie mag!
Erhaltet meiner Herrschaft
Nur die Wartburg und Neuenburg!
In diesem Zusammenhang ist das Wunder
Vom Brot, das zu Rosen wird, anzusiedeln:
Als Elisabeth mit der Schürze
Voll Brot für die Armen die Straße hinunterging,
Begegnete sie ihrem Gemahl, und er fragte sie,
Was sie bei sich trug.
Sie öffnete die Schürze,
Und anstelle des Brotes
Kamen wunderschöne Rosen zum Vorschein.
Dieses Symbol der Nächstenliebe
Findet sich oft in den Darstellungen
Der heiligen Elisabeth.
Ihre Ehe war zutiefst glücklich:
Elisabeth half ihrem Gemahl,
Seine menschlichen Eigenschaften
Auf eine übernatürliche Ebene zu erheben,
Und er schützte im Gegenzug
Seine Gemahlin in ihrer Freigebigkeit
Gegenüber den Armen
Und in ihren Frömmigkeitsübungen.
Ludwig bewunderte den großen Glauben
Seiner Ehefrau immer mehr
Und sagte in Bezug auf ihre Fürsorge
Für die Armen zu ihr: Liebe Elisabeth,
Es ist Christus, den du gewaschen
Und gespeist und für den du Sorge getragen hast.
Dies ist ein klares Zeugnis dafür,
Dass der Glaube und die Liebe zu Gott
Und zum Nächsten das Familienleben stärken
Und den Ehebund noch tiefer machen.
Das junge Paar fand geistlichen Beistand
Durch die Minderbrüder,
Die sich ab 1222 in Thüringen verbreiteten.
Unter ihnen wählte Elisabeth
Bruder Rüdiger als geistlichen Leiter.
Als er ihr von der Bekehrung
Des jungen und reichen Händlers
Franz von Assisi berichtete,
Erwachte in Elisabeth noch größere Begeisterung
Für ihren christlichen Lebensweg.
Von jenem Augenblick an folgte sie
Mit noch größerer Entschlossenheit
Dem armen und gekreuzigten Christus nach,
Der in den Armen gegenwärtig ist.
Auch als ihr erstes Kind geboren wurde,
Auf das später noch zwei weitere folgten,
Vernachlässigte unsere Heilige nie
Ihre Liebeswerke.
Außerdem half sie den Minderbrüdern,
In Halberstadt ein Kloster zu gründen,
Dessen Oberer Bruder Rüdiger wurde.
So übernahm Konrad von Marburg
Elisabeths geistliche Leitung.
Eine harte Prüfung war der Abschied
Von ihrem Gemahl Ende Juni 1227,
Als Ludwig IV. sich dem Kreuzzug
Kaiser Friedrichs II. anschloss.
Er erinnerte seine Gemahlin daran,
Dass dies eine Tradition
Der Herrscher von Thüringen war.
Elisabeth antwortete: Ich halte dich nicht zurück.
Ich habe mich ganz Gott hingeschenkt,
Und jetzt muss ich auch dich hergeben.
Das Fieber raffte jedoch die Truppen hinweg,
Und auch Ludwig wurde krank und starb,
Bevor er an Bord gehen konnte,
Im September 1227 in Otranto
Im Alter von 27 Jahren.
Als Elisabeth die Nachricht überbracht wurde,
War sie davon so schmerzlich getroffen,
Dass sie sich in die Einsamkeit zurückzog.
Dann aber, gestärkt vom Gebet
Und getröstet durch die Hoffnung,
Ihn im Himmel wiederzusehen,
Begann sie wieder, sich um die Herrschaftsbelange
Zu kümmern. Aber es erwartete sie
Eine weitere Prüfung: Ihr Schwager
Riss die Herrschaft über Thüringen an sich,
Indem er sich zum wahren Erben Ludwigs erklärte
Und Elisabeth anklagte, eine fromme Frau zu sein,
Die nicht fähig sei, die Herrschaft zu führen.
Die junge Witwe wurde zusammen
Mit den drei Kindern
Von der Wartburg vertrieben
Und machte sich auf die Suche
Nach einer Unterkunft.
Nur zwei ihrer Dienerinnen blieben bei ihr,
Begleiteten sie und vertrauten
Die drei Kinder der Obhut von Ludwigs Freunden an.
Elisabeth zog von einem Dorf zum anderen.
Sie arbeitete, wo immer sie Aufnahme fand,
Pflegte die Kranken, spann und nähte.
Während dieses Leidensweges,
Den sie mit großem Glauben,
Geduld und Gottvertrauen auf sich nahm,
Wurde sie durch einige Verwandte,
Die ihr treu geblieben waren
Und die Herrschaft des Schwagers
Als unrechtmäßig betrachteten, rehabilitiert.
So bekam Elisabeth Anfang 1228
Angemessenen Unterhalt
Und konnte sich auf den Sitz der Familie
In Marburg zurückzuziehen,
Wo auch ihr geistlicher Leiter Konrad lebte.
Er teilte Papst Gregor IX. folgendes mit:
Am Karfreitag legte sie ihre Hände
Auf den Altar einer Kapelle ihrer Stadt,
Die sie den Minderbrüdern übergeben hatte,
Und verzichtete in Gegenwart einiger Brüder
Auf Eltern und Kinder
Und auf den eigenen Willen,
Auf allen Glanz der Welt.
Als sie nun auch auf ihren Besitz verzichten wollte,
Hielt ich sie zurück
Wegen der Armen, denen sie
Almosen spenden sollte.
Dort erbaute sie in der Stadt Marburg ein Hospital
Und gewährte darin Kranken
Und Schwachen Aufnahme.
Die Elenden und Verachteten
Setzte sie an ihren eigenen Tisch,
Und als ich sie deshalb tadelte, erwiderte sie mir,
Sie empfange von ihnen
Sonderliche Gnade und Demut.
Wir können in diesen Worten
Eine gewisse mystische Erfahrung erkennen,
Die der des Franz von Assisi ähnlich ist:
Der Poverello von Assisi sagte nämlich
In seinem Testament, dass durch den Dienst
An den Aussätzigen das,
Was ihm vorher bitter vorkam,
In Süßigkeit der Seele
Und des Leibes verwandelt wurde.
Elisabeth verbrachte die letzten drei Jahre
In dem von ihr gegründeten Hospital,
Wo sie den Kranken diente
Und bei den Sterbenden wachte.
Sie versuchte stets, die niedrigsten Dienste
Und abstoßende Arbeiten zu verrichten.
Sie wurde das, was wir als geweihte Frau
In der Welt bezeichnen könnten,
Und bildete zusammen mit einigen Freundinnen,
Die grau gekleidet waren,
Eine Schwesterngemeinschaft.
Im November 1231
Bekam sie hohes Fieber.
Als sich die Nachricht von ihrer Krankheit verbreitete,
Kamen sehr viele Menschen, um sie zu sehen.
Nach etwa zehn Tagen bat sie darum,
Die Tore zu schließen,
Um allein zu bleiben mit Gott.
In der Nacht auf den 17. November
Entschlief sie sanft im Herrn.
Aufgrund der zahlreichen Zeugnisse
Von ihrer Heiligkeit
Sprach Papst Gregor IX.
Sie nur vier Jahre später heilig,
Und im selben Jahr wurde
Die schöne Kirche geweiht,
Die ihr zu Ehren in Marburg erbaut wurde.
BRIGITTA VON SCHWEDEN
Liebe Schwester!
Wir sind über die Ereignisse des Lebens
Birgittas gut unterrichtet,
Da ihre geistlichen Leiter
Ihren Lebenslauf niedergeschrieben haben,
Um sofort nach ihrem Tod im Jahre 1373
Ihren Heiligsprechungsprozeß einzuleiten.
Birgitta wurde 70 Jahre zuvor geboren,
Im Jahre 1303, in Finsta, in Schweden,
Einer Nation im Norden Europas,
Die seit drei Jahrhunderten den christlichen Glauben
Mit derselben Begeisterung angenommen hatte,
Mit der die Heilige ihn von ihren Eltern empfing.
Sie waren sehr fromme Menschen
Und gehörten adligen Familien an,
Die dem Herrscherhaus nahestanden.
Wir können im Leben dieser Heiligen
Zwei Phasen unterscheiden.
Die erste ist gekennzeichnet durch ihren Lebensstand
Als glücklich verheiratete Frau.
Ihr Gatte hieß Ulf
Und war Landvogt einer bedeutenden Region
Des Königreichs Schweden.
Die Ehe dauerte 28 Jahre, bis zu Ulfs Tod.
Acht Kinder gingen daraus hervor,
Von denen die Zweitgeborene,
Karina, als Heilige verehrt wird.
Das ist ein beredtes Zeichen
Für Birgittas Bemühungen
Um die Erziehung ihrer Kinder.
Ihre pädagogische Weisheit
Wurde übrigens so sehr geschätzt,
Dass der König von Schweden, Magnus,
Sie für eine gewisse Zeit an den Hof bestellte,
Um seine junge Gemahlin,
Blanche von Namur,
In die schwedische Kultur einzuführen.
Unter der geistlichen Leitung
Eines gebildeten Ordensmannes,
Der sie in das Studium der Heiligen Schrift einführte,
Übte Birgitta einen sehr positiven Einfluss
Auf ihre Familie aus, die dank ihrer Gegenwart
Zu einer wahren Hauskirche wurde.
Zusammen mit ihrem Ehemann
Nahm sie die Regel des Dritten Ordens
Der Franziskaner an.
Sie verrichtete großherzige Werke
Der Nächstenliebe gegenüber den Bedürftigen
Und gründete auch ein Hospital.
An der Seite seiner Gemahlin lernte Ulf,
Seinen Charakter zu verbessern
Und im christlichen Leben voranzuschreiten.
Bei der Rückkehr von einer langen Pilgerreise
Nach Santiago de Compostela,
Die sie 1341 zusammen
Mit anderen Familienangehörigen unternahmen,
Reifte in den Eheleuten das Vorhaben heran,
In Enthaltsamkeit zu leben;
Aber kurz darauf beschloss Ulf
Im Frieden eines Klosters,
In das er sich zurückgezogen hatte,
Sein irdisches Leben.
Dieser erste Abschnitt von Birgittas Leben hilft uns,
Das besser schätzen zu lernen, was wir heute
Als wahre Ehespiritualität bezeichnen könnten:
Gemeinsam können die christlichen Eheleute
Einen Weg der Heiligkeit beschreiten,
Gestützt von der Gnade des Ehesakraments.
Nicht selten ist es – wie im Leben
Birgittas und Ulfs – die Frau, der es gelingt,
Mit ihrer religiösen Sensibilität,
Mit Einfühlsamkeit und Sanftheit
Den Ehemann einen Glaubensweg
Beschreiten zu lassen. Ich denke
Mit Anerkennung an die vielen Frauen,
Die Tag für Tag auch heute noch
Ihre Familien mit ihrem Zeugnis
Des christlichen Lebens erleuchten.
Möge der Geist des Herrn auch heute
Die Heiligkeit der christlichen Eheleute erwecken,
Um der Welt die Schönheit der Ehe zu zeigen,
Die nach den Werten des Evangeliums gelebt wird:
Liebe, Zärtlichkeit, gegenseitige Hilfe,
Fruchtbarkeit in der Zeugung
Und Erziehung der Kinder,
Öffnung und Solidarität gegenüber der Welt,
Teilnahme am Leben der Kirche.
Als Birgitta Witwe wurde,
Begann der zweite Abschnitt ihres Lebens.
Sie verzichtete auf eine Wiederverheiratung,
Um tiefer mit dem Herrn vereint zu sein
Durch Gebet, Buße
Und Werke der Nächstenliebe.
Auch die christlichen Witwen können also
In dieser Heiligen ein Vorbild finden,
Dem sie folgen können.
Nach dem Tod ihres Ehemannes
Ließ sich Birgitta, nachdem sie ihren Besitz
An die Armen verteilt hatte,
Beim Zisterzienserkloster von Alvastra nieder,
Ohne jemals die Ordensweihe zu empfangen.
Hier begannen die göttlichen Offenbarungen,
Die sie ihr ganzes weiteres Leben hindurch begleiteten.
Birgitta diktierte sie ihren Sekretären –
Ihren Beichtvätern –
De sie aus dem Schwedischen
Is Lateinische übersetzten
Und in einer achtbändigen Ausgabe zusammenfassten,
Die den Titel Offenbarungen trägt.
Zu diesen Büchern kommt ein Ergänzungsband hinzu,
Mit dem Titel Zusätzliche Offenbarungen.
Die Offenbarungen der heiligen Birgitta
Sind vom Inhalt und Stil her sehr unterschiedlich.
Manchmal zeigt sich die Offenbarung
In Form von Gesprächen
Zwischen den göttlichen Personen,
Der Jungfrau Maria, den Heiligen
Und auch den Dämonen;
Auch Birgitta nimmt an diesen Gesprächen teil.
Andere Male dagegen wird von einer
Besonderen Schau berichtet;
Weder andere Male wird das wiedergegeben,
Was die Jungfrau Maria ihr
Über das Leben und die Geheimnisse
Ihres Sohnes offenbart.
Den Wert der Offenbarungen Birgittas,
Der manchmal angezweifelt wird,
Erläutert Johannes Paul II.
Im Apostolischen Schreiben Spes aedificandi,
Wo er sagt, dass die Kirche,
As sie die Heiligkeit Birgittas anerkannte,
Die Authentizität ihrer inneren Erfahrung
Insgesamt billigte, auch ohne sich
Zu den einzelnen Offenbarungen zu äußern
Beim Lesen dieser Offenbarungen
Werden wir in der Tat vor Fragen gestellt,
Die viele wichtige Themen betreffen.
Zum Beispiel wird immer wieder,
Mit sehr realistischen Einzelheiten,
Das Leiden Christi beschrieben,
Dem Birgitta stets eine besondere Verehrung entgegenbrachte,
Da sie in ihm die unendliche Liebe Gottes
Zu den Menschen erblickte.
Kühn legt sie dem Herrn, der zu ihr spricht,
Diese bewegenden Worte in den Mund:
O meine Freunde,
So zärtlich liebe ich die Schafe,
Dass ich, wenn es möglich wäre, noch einmal
Für jedes einzelne Schaf,
Um es nicht entbehren zu müssen,
Sondern wieder einzulösen,
Einen besonderen Tod sterben möchte,
Wie ich denselben schon einmal
Am Kreuz für alle erlitten habe. -
Auch die schmerzensreiche Mutterschaft Marias,
Die sie zur Mittlerin
Und Mutter der Barmherzigkeit machte,
Ist ein Thema,
Das in den Offenbarungen oft wiederkehrt.
Birgitta war sich bewusst,
Dass sie durch den Empfang dieser Geistesgaben
Die Empfängerin eines Geschenks
Besonders großer Liebe von Seiten des Herrn war.
Im ersten Buch der Offenbarungen lesen wir:
Du aber, meine Tochter,
Die ich mir erwählt,
Sollst mich von ganzem Herzen lieben
Mehr als irgend etwas in der Welt.
Im Übrigen wusste Birgitta wohl
Und war fest davon überzeugt,
Dass jede Geistesgabe dazu bestimmt ist,
Die Kirche zu erbauen.
Eben aus diesem Grund waren nicht wenige
Ihrer Offenbarungen an die Gläubigen
Ihrer Zeit gerichtet, einschließlich
Der religiösen und politischen Obrigkeiten,
In Form manchmal strenger Ermahnungen,
Ihr christliches Leben konsequent zu leben;
Sie tat dies jedoch immer mit Respekt
Und in voller Treue zum Lehramt der Kirche,
Insbesondere zum Nachfolger des Apostels Petrus.
1349 verließ Birgitta Schweden für immer
Ud unternahm eine Pilgerreise nach Rom.
Sie wollte nicht nur am Heiligen Jahr 1350 teilnehmen,
Sondern hatte auch den Wunsch, vom Papst
Die Approbation der Regel eines Ordens zu erlangen,
Den sie gründen wollte,
Benannt nach dem Allerheiligsten Erlöser
Ud zusammengesetzt aus Mönchen und Nonnen
Unter der Autorität der Äbtissin.
Dieses Element darf uns nicht verwundern:
Im Mittelalter gab es Klostergründungen
Mit einem männlichen und einem weiblichen Zweig,
Die derselben Ordensregel folgten,
In der die Leitung durch eine Äbtissin vorgesehen war.
In der großen christlichen Überlieferung
Wird der Frau in der Tat eine eigene Würde
Und – stets nach dem Vorbild Marias,
Königin der Apostel – ein eigener Platz
In der Kirche zuerkannt.
Dieser entspricht nicht dem Weihepriestertum,
Ist aber für das geistliche Wachstum
Der Gemeinschaft ebenso wichtig.
Außerdem ist die Zusammenarbeit
Von geweihten Männern und Frauen,
Stets unter Achtung ihrer besonderen Berufung,
In der heutigen Welt von großer Bedeutung.
In Rom widmete sich Birgitta
Zusammen mit ihrer Tochter Karina
Einem Leben des intensiven Apostolats
Und des Gebets.
Und von Rom aus pilgerte sie
Zu verschiedenen italienischen Heiligtümern,
Insbesondere nach Assisi,
Der Heimat des heiligen Franziskus,
Dem Birgitta stets große Verehrung entgegenbrachte.
1371 ging schließlich ihr größter Wunsch in Erfüllung:
Die Reise ins Heilige Land.
Sie begab sich dorthin in Begleitung
Ihrer geistlichen Kinder, einer Gruppe,
Die Birgitta die Freunde Gottes nannte.
In jenen Jahren waren die Päpste
In Avignon, fern von Rom:
Birgitta bat sie inständig, zum Sitz Petri,
In die Ewige Stadt, zurückzukehren.
Sie starb 1373, bevor Papst Gregor XI.
Endgültig nach Rom zurückkehrte.
Sie wurde vorübergehend
In der römischen Kirche
San Lorenzo in Panisperna bestattet,
Aber 1374 brachten ihre Kinder
Birger und Karina sie in die Heimat zurück,
In das Kloster Vadstena,
Sitz des von Birgitta gegründeten Ordens,
Der sofort eine beachtliche Verbreitung erfuhr.
1391 erfolgte die feierliche Heiligsprechung
Durch Papst Bonifatius IX.
JULIANA VON LÜTTICH
Liebe Schwester!
Auch heute möchte ich dir
Eine Frauengestalt vorstellen,
Die kaum bekannt ist,
Der aber die Kirche zu großem Dank verpflichtet ist,
Nicht nur aufgrund der Heiligkeit ihres Lebens,
Sondern auch, weil sie durch ihren großen Seeleneifer
Zur Einführung eines der wichtigsten
Liturgischen Hochfeste
Des Jahres beigetragen hat:
Des Festes Corpus Christi.
Es handelt sich um Juliana von Cornillon,
Die auch als Juliana von Lüttich bekannt ist.
Wir besitzen einige Angaben über ihr Leben
Vor allem durch eine Biographie,
Ddie wahrscheinlich von einem zeitgenössischen
Kleriker geschrieben wurde
Und in der verschiedene Zeugnisse
Von Personen, die die Heilige
Unmittelbar kannten, zusammengetragen wurden.
Juliana wurde zwischen 1191 und 1192
In der Nähe von Lüttich, in Belgien, geboren.
Es ist wichtig, diesen Ort hervorzuheben,
Denn in jener Zeit war die Diözese Lüttich
Ein wahrer eucharistischer Abendmahlssaal.
Vor Juliana hatten namhafte Theologen
Dort den herausragenden Wert
Des Sakraments der Eucharistie erläutert,
Und in Lüttich gab es auch Gruppen
Von Frauen, die sich großherzig
Der Verehrung der Eucharistie
Und dem eifrigen Kommunion-Empfang widmeten.
Unter der Führung von vorbildlichen Priestern
Lebten sie in Gemeinschaft
Und widmeten sich dem Gebet
Und den Werken der Nächstenliebe.
Als Juliana im Alter von fünf Jahren verwaiste,
Wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Agnes
Der Obhut der Augustinerinnen
Des Klosters und Hospitals Mont-Cornillon anvertraut.
Sie wurde vor allem von einer Schwester
Namens Sapientia erzogen,
Die ihr geistliches Heranreifen förderte,
Bis Juliana selbst das Ordensgewand empfing
Und Augustinerin wurde.
Sie erwarb eine beachtliche Bildung
Und las sogar die Werke der Kirchenväter
In lateinischer Sprache,
Insbesondere Augustinus und Bernhard.
Außer einer wachen Intelligenz
Zeigte Juliana von Anfang an
Einen besonderen Hang zur Kontemplation;
Sie hatte einen tiefen Sinn
Für die Gegenwart Christi, die sie erfuhr,
Indem sie das Sakrament der Eucharistie
In besonderer Tiefe lebte
Und oft über die Worte Jesu nachdachte:
Seid gewiss: Ich bin bei euch
Alle Tage bis zum Ende der Welt.
Mit 16 Jahren hatte sie zum ersten Mal
Eine Vision, die sich ihr später
In der eucharistischen Anbetung mehrmals wiederholte.
In der Vision zeigte sich der Mond
Iin seinem vollen Glanz,
Von einem dunklen Streifen durchquert.
Der Herr gab ihr die Bedeutung
Dieser Erscheinung zu verstehen.
Der Mond symbolisierte das Leben
Der Kirche auf der Erde,
Die trübe Linie dagegen das Fehlen
Eines liturgischen Festes, für dessen Einführung
Juliana sich tatkräftig einsetzen sollte:
Ein Fest, bei dem die Gläubigen
Die Eucharistie anbeten konnten,
Um den Glauben zu mehren,
Die Übung der Tugenden zu fördern
Und die Schmähungen des Allerheiligsten
Sakraments zu sühnen.
Etwa 20 Jahre lang hielt Juliana,
Die in der Zwischenzeit Priorin
Des Klosters geworden war,
Diese Offenbarung, die ihr Herz
Mit Freude erfüllt hatte, geheim.
Dann vertraute sie sich zwei weiteren
Leidenschaftlichen Anbeterinnen der Eucharistie an:
Der seligen Evelin, die als Einsiedlerin lebte,
Und Isabella, die zu ihr ins Kloster
Mont-Corillon gekommen war.
Die drei Frauen schlossen eine Art
Geistlichen Bund, mit dem Anliegen,
Das Allerheiligste Sakrament zu verherrlichen.
Sie wollten auch einen sehr angesehenen Priester,
Johannes von Lausanne, Kanoniker
Der Kirche Saint-Martin in Lüttich,
Mit einbeziehen und baten ihn,
Theologen und Kleriker über das zu befragen,
Was ihnen am Herzen lag.
Die Antworten waren positiv und ermutigend.
Was Juliana von Lüttich geschah,
Kommt im Leben der Heiligen häufig vor:
Um die Bestätigung zu erhalten,
Dass eine Eingebung von Gott kommt,
Ist es immer nötig, sich ins Gebet zu versenken,
Geduldig warten zu können,
Die Freundschaft und die Gegenüberstellung
Mit anderen guten Seelen zu suchen
Und alles dem Urteil der Hirten
Der Kirche zu unterwerfen.
Nach anfänglichem Zögern
Nahm der Bischof von Lüttich
Den Vorschlag Julianas und ihrer Gefährtinnen an
Und führte erstmalig das Fest Corpus Christi
In seiner Diözese ein.
Später folgten andere Bischöfe seinem Beispiel
Und setzten dieses Fest in den
Ihrer Hirtensorge anvertrauten Gebieten ein.
Von den Heiligen verlangt der Herr jedoch oft,
Prüfungen zu überwinden,
Damit ihr Glaube zunimmt.
So war es auch bei Juliana,
Die starken Widerstand
Von Seiten einiger Angehöriger des Klerus
Sowie des Oberen, dem ihr Kloster unterstand,
Erdulden musste.
So verließ Juliana aus freiem Willen
Das Kloster Mont-Corillon mit einigen Gefährtinnen
Und war zehn Jahre lang, von 1248 bis 1258,
In verschiedenen Zisterzienserinnen-Klöstern zu Gast.
Sie erbaute alle durch ihre Demut,
Übte nie Kritik oder Tadel an ihren Gegnern,
Sondern verbreitete weiterhin eifrig
Die Verehrung der Eucharistie.
Sie starb 1258 in Fossela-Ville in Belgien.
In ihrer Zelle war das Allerheiligste
Sakrament ausgesetzt,
Und ihrem Biographen zufolge
Betrachtete Juliana im Sterben
Mit letzter liebender Hinwendung
Den eucharistischen Jesus,
Den sie stets geliebt, verehrt und angebetet hatte.
KATHARINA VON SIENA
Liebe Schwester!
Heute möchte ich über eine Frau sprechen,
Die eine herausragende Rolle
In der Kirchengeschichte hatte.
Es handelt sich um Katharina von Siena.
Das Jahrhundert, in dem sie lebte –
Das 14. Jahrhundert –, war eine schwierige Zeit
Für das Leben der Kirche
Und der ganzen Gesellschaftsstruktur
In Italien und in Europa.
Doch der Herr läßt auch in Augenblicken
Großer Schwierigkeiten nicht ab,
Sein Volk zu segnen, indem er heilige
Männer und Frauen erweckt,
Die den Verstand und das Herz aufrütteln
Und Bekehrung und Erneuerung bewirken.
Katharina ist eine von ihnen,
Und auch heute noch spricht sie zu uns
Und spornt uns an, mutig den Weg
Zur Heiligkeit zu beschreiten,
Um in immer vollkommenener Weise
Jünger des Herrn zu sein.
Sie wurde 1347 in Siena
In einer sehr kinderreichen Familie geboren
Und starb 1380 in Rom.
Im Alter von 16 Jahren trat sie,
Von einer Vision des hl. Dominikus veranlasst,
In den weiblichen Zweig
Des Dritten Ordens der Dominikaner ein.
Sie blieb in der Familie,
Bekräftigte das Gelübde der Jungfräulichkeit,
Das sie bereits als Heranwachsende
In privater Form abgelegt hatte,
Und widmete sich dem Gebet,
Der Buße und den Werken der Nächstenliebe,
Vor allem zum Wohl der Kranken.
Als der Ruf ihrer Heiligkeit sich verbreitete,
Führte dies zu einer intensiven Tätigkeit
Geistlicher Beratung für Menschen aller Stände:
Adlige und Staatsmänner, Künstler
Und Menschen aus dem Volk,
Geweihte Personen, Kleriker,
Einschließlich Papst, der zu jener Zeit
Seinen Sitz in Avignon hatte
Und den Katharina nachdrücklich ermahnte,
Nach Rom zurückzukehren.
Sie reiste viel,
Um die innere Reform der Kirche anzuregen
Und den Frieden zwischen den Staaten zu fördern:
Auch aus diesem Grund erklärte
Der heilige Johannes Paul II.
Sie zur Mitpatronin Europas.
Der alte Kontinent sollte niemals
Die christlichen Wurzeln vergessen,
Die seinem Weg zugrunde liegen,
Und auch weiterhin aus dem Evangelium
Die Grundwerte schöpfen,
Die Gerechtigkeit und Eintracht gewährleisten.
Katharina hatte viel zu leiden,
Wie viele Heilige.
Einige misstrauten ihr so sehr,
Dass das Generalkapitel der Dominikaner
Sie 1374, sechs Jahre vor ihrem Tod,
Sogar nach Florenz beorderte, um sie zu prüfen.
Ihr wurde ein gelehrter und demütiger
Ordensmann zur Seite gestellt,
Später Generalmagister des Ordens.
Er wurde ihr Beichtvater
Und auch ihr geistlicher Sohn
Und schrieb eine erste vollständige
Biographie der Heiligen.
Sie wurde 1461 heiliggesprochen.
Die Lehre Katharinas,
Die nur mit Mühe lesen lernte
Und erst als Erwachsene schreiben konnte,
Ist im Dialog der göttlichen Vorsehung
Oder Buch der göttlichen Lehre,
Einem Meisterwerk der geistlichen Literatur,
In ihren Briefen
Und in der Sammlung ihrer Gebete enthalten.
Ihre Lehre ist mit einem solchen Reichtum ausgestattet,
Dass Papst Paul VI. sie 1970
Zur Kirchenlehrerin erklärte.
Diesen Titel erhielt sie zusätzlich
Zu dem der Mitpatronin der Stadt Rom,
Der dem Wunsch des Papstes Pius IX. entsprach,
Und dem der Patronin Italiens,
Den der heilige Pius XII. ihr zuerkannte.
In einer Vision,
Die aus Katharinas Herz und Verstand
Nie mehr ausgelöscht wurde,
Brachte die Gottesmutter sie zu Jesus,
Der ihr einen wunderschönen Ring schenkte
Und zu ihr sagte: Ich, dein Schöpfer und Erlöser,
Vermähle dich mit mir im Glauben,
Den du stets rein bewahren sollst
Bis du im Himmel mit mir
Deine ewige Hochzeit feierst.
Jener Ring blieb nur für sie selbst sichtbar.
In diesem außergewöhnlichen Ereignis
Wird der lebendige Mittelpunkt
Von Katharinas Religiosität
Und jeder echten Spiritualität deutlich:
Die Christozentrik. Christus ist
Für sie gleichsam der Bräutigam,
Z dem eine Beziehung der Innerlichkeit,
Der Gemeinschaft und der Treue besteht;
Er ist das über alles geliebte Gut.
Diese tiefe Vereinigung mit dem Herrn
Wird durch ein anderes Ereignis
Aus dem Leben dieser bedeutenden
Mystikerin erläutert: den Herzenstausch.
Es erschien ihr der Herr
Mit einem leuchtend roten menschlichen
Herzen in der Hand, öffnete ihre Brust,
Legte es dort hinein und sagte:
Liebste Tochter, so wie ich jüngst
Das Herz genommen habe,
Das du mir schenken wolltest,
So schenke ich dir jetzt das Meinige;
Von jetzt an wird es den Platz einnehmen,
An dem das Deinige war.
Katharina hat wirklich die Worte des Paulus gelebt:
Nicht mehr ich lebe,
Sondern Christus lebt in mir.
Ein weiterer Zug von Katharinas Spiritualität
Ist mit der Gabe der Tränen verbunden.
Sie sind Ausdruck einer feinfühligen
Und tiefen Sensibilität,
Einer Fähigkeit zur inneren Ergriffenheit
Und zur liebevollen Zuneigung.
Nicht wenige Heilige hatten die Gabe der Tränen
Uund äußerten damit erneut
Die innere Bewegtheit Jesu,
Der vor dem Grab des Freundes Lazarus
Und dem Schmerz Marias und Marthas
Sowie beim Anblick von Jerusalem
In seinen letzten irdischen Tagen
Seine Tränen nicht zurückgehalten
Und versteckt hat.
Katharina zufolge vermischen sich
Die Tränen der Heiligen mit dem Blut Christi,
Von dem sie in leidenschaftlichem Ton
Und mit sehr ausdrucksstarken
Symbolischen Bildern gesprochen hat:
Denkt an den gekreuzigten Christus,
Gott und Mensch.
Setzt euch den gekreuzigten Christus zum Ziel,
Verbergt euch in den Wunden
Des gekreuzigten Christus,
Versenkt euch in das Blut
Des gekreuzigten Christus.
Im Dialog der göttlichen Vorsehung
Beschreibt sie mit einem einzigartigen Bild
Christus als Brücke,
Die zwischen Himmel und Erde gespannt ist.
Sie besteht aus drei Stufen:
Den Füßen, der Seite und dem Mund Jesu.
Indem sie diese Stufen emporsteigt,
Durchschreitet die Seele
Die drei Abschnitte eines jeden Weges
Der Heiligung: die Loslösung von der Sünde,
Die Übung der Tugend und der Liebe,
Die süße und liebevolle Vereinigung mit Gott.
Aus Barmherzigkeit hast du uns
Im Blut gewaschen,
Aus Barmherzigkeit wolltest du
Umgang haben mit den Geschöpfen.
Du bist außer dir vor Liebe!
Es genügte dir nicht, Mensch zu werden,
Sondern du wolltest auch sterben!
O Barmherzigkeit!
Mein Herz versinkt im Gedanken an dich:
Wohin ich meine Gedanken auch wende,
Finde ich nichts als Barmherzigkeit.
JULIANA VON NORWICH
Liebe Schwester!
Die Nachrichten, die wir über ihr Leben besitzen –
Nicht viele – stammen in erster Linie aus dem Buch,
In dem diese sanftmütige und fromme Frau
Den Inhalt ihrer Visionen zusammengetragen hat
Und das den Titel trägt:
Offenbarungen der göttlichen Liebe.
Man weiß, dass sie etwa von 1342 bis 1430 lebte,
In schwierigen Jahren sowohl für die Kirche,
Die gespalten war durch das Schisma,
Das auf die Rückkehr des Papstes
Von Avignon nach Rom folgte,
Als auch für das Leben der Menschen,
Das unter den Auswirkungen eines langen Krieges
Zwischen dem englischen
Und dem französischen Königreich litt.
Auch in schweren Zeiten erweckt Gott
Jedoch stets Gestalten
Wie Juliana von Norwich,
Um die Menschen zum Frieden, zur Liebe
Und zur Freude aufzufordern.
Wie sie uns selbst berichtet,
Wurde sie im Mai 1373, am 13. jenes Monats,
Plötzlich von einer sehr schweren Krankheit befallen,
Die sie innerhalb von drei Tagen
Zum Tod zu führen schien.
Als der an ihr Krankenbett geeilte Priester
Ihr das Kreuz zeigte, wurde Juliana
Nicht nur sofort wieder gesund,
Sondern empfing auch die Offenbarungen,
Die sie später in ihrem Buch,
Den Offenbarungen der göttlichen Liebe,
Niederschrieb und kommentierte.
Und 15 Jahre nach diesen außerordentlichen Ereignissen
Enthüllte der Herr selbst ihr den Sinn jener Visionen.
Möchtest du wissen, was dein Herr meinte
Und den Sinn dieser Offenbarung kennenlernen?
Du sollst wissen: Er meinte die Liebe.
Wer offenbart es dir? Die Liebe.
Warum offenbart sie es dir? Aus Liebe.
So lernte ich, dass unser Herr die Liebe bedeutet.
Durch die Eingebung der göttlichen Liebe
Traf Juliana eine radikale Entscheidung.
Sie entschloss sich, wie eine antike
Einsiedlerin in einer Zelle
Bei der dem heiligen Julian geweihten Kirche zu leben,
In der Stadt Norwich, seinerzeit
Ein bedeutender Ort in der Nähe von London.
Vielleicht übernahm sie den Namen Juliana
Von eben dem Heiligen, dem die Kirche geweiht war,
Bei der sie viele Jahre lang bis zu ihrem Tod lebte.
Der Entschluss, in einer Klause zu leben,
Wie man seinerzeit sagte, könnte bei uns Erstaunen,
Ja sogar Skepsis hervorrufen.
Sie war jedoch nicht die einzige,
Die einen solchen Entschluss in die Tat umsetzte:
In jenen Jahrhunderten entschied sich
Eine beachtliche Zahl von Frauen
Für diese Lebensform.
Sie nahmen Regeln an,
Die eigens für sie erarbeitet wurden.
Die Einsiedlerinnen oder Klausnerinnen
Widmeten sich in ihrer Zelle dem Gebet,
Der Betrachtung und dem Studium.
Auf diese Weise erlangten sie
Ein sehr feines menschliches und religiöses Gespür,
Aufgrund dessen sie von den Menschen verehrt wurden.
Männer und Frauen jeden Alters und jeden Standes,
Die Rat und Trost brauchten,
Suchten sie ehrfürchtig auf.
Es war also keine individualistische Entscheidung;
Eben in dieser Nähe zum Herrn
Reifte in ihr auch die Fähigkeit heran,
Für viele Menschen Ratgeberin zu sein
Und denen zu helfen, die sich in diesem Leben
In Schwierigkeiten befanden.
In der von Gott bewohnten Einsamkeit
Verfasste Juliana von Norwich
Die Offenbarungen der göttlichen Liebe.
Dieses Buch enthält eine optimistische Botschaft,
Die auf der Gewissheit gründet, von Gott geliebt
Und von seiner Vorsehung geschützt zu sein.
Ich sah mit absoluter Gewissheit,
Dass Gott, noch bevor er uns erschaffen hat,
Uns geliebt hat, mit einer Liebe,
Die niemals nachgelassen hat
Und nie vergehen wird.
In dieser Liebe hat er all seine Werke vollbracht,
Und in dieser Liebe hat er dafür gesorgt,
Dass alle Dinge uns nützlich sind,
Und in dieser Liebe währt unser Leben für immer.
In dieser Liebe haben wir unseren Anfang,
Und all das werden wir ohne Ende in Gott schauen.
Das Thema der göttlichen Liebe
Kehrt oft wieder in den Visionen
Von Juliana von Norwich, die nicht zögert,
Sie auch mit der mütterlichen Liebe zu vergleichen.
Das ist eine der Botschaften,
Die für ihre mystische Theologie
Sehr bezeichnend sind.
Die Zärtlichkeit, die Fürsorge
Und die sanfte Güte Gottes uns gegenüber sind so groß,
Dass sie uns Erdenpilger an die Liebe
Einer Mutter zu ihren Kindern erinnern.
Tatsächlich haben auch die biblischen Propheten
Zuweilen diese Sprache gebraucht,
Die auf die Zärtlichkeit, die Intensität
Und die Vollkommenheit der Liebe Gottes verweist,
Die sich in der Schöpfung
Und in der ganzen Heilsgeschichte offenbart
Und den Höhepunkt in der Menschwerdung
Des Sohnes hat. Gott geht jedoch stets
Über jede menschliche Liebe hinaus,
Wie der Prophet Jesaja sagt:
Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen,
Eine Mutter ihren leiblichen Sohn?
Und selbst wenn sie ihn vergessen würde:
Ich vergesse dich nicht.
Juliana von Norwich hat die zentrale Botschaft
Für das geistliche Leben verstanden:
Gott ist Liebe,
Und nur wenn man sich vollkommen
Und mit völligem Vertrauen
Dieser Liebe gegenüber öffnet
Und das Leben nur von ihr leiten lässt,
Dann wird alles verklärt,
Findet man wahren Frieden und wahre Freude
Und kann sie um sich herum ausstrahlen.
KATHARINA VON GENUA
Liebe Schwester!
Heute möchte ich dir
Von einer weiteren Heiligen berichten,
Die den Namen Katharina trägt,
Nach Katharina von Siena
Und Katharina von Bologna.
Ich spreche von Katharina von Genua,
Die vor allem durch ihre Gedanken
Über das Purgatorium bekannt ist.
Der Text, der ihr Leben und Denken beschreibt,
Wurde 1551 in der ligurischen Stadt veröffentlicht.
Er ist in drei Teile unterteilt:
Die Vita im eigentlichen Sinne,
Den Traktat vom Purgatorium
Und den Dialog zwischen der Seele und dem Leib.
Katharina wurde 1447 in Genua geboren,
Als jüngstes von fünf Kindern.
Bereits im zarten Alter verlor sie ihren Vater.
Ihre Mutter, Francesca di Negro,
Gab den Kindern eine gute christliche Erziehung,
Ud die ältere der beiden Töchter wurde Ordensfrau.
Katharina wurde mit 16 Jahren
Giuliano Adorno zur Ehefrau gegeben,
Einem Mann, der verschiedene Erfahrungen
I Handel und im Militär
Im Nahen Osten gemacht hatte
Ud dann nach Genua zurückgekehrt war,
Um zu heiraten.
Das Eheleben war nicht einfach,
Ach wegen des Charakters des Ehemannes,
Der dem Glücksspiel verfallen war.
Katharina selbst sah sich zunächst veranlasst,
Ein mondänes Leben zu führen,
Konnte darin jedoch keinen inneren Frieden finden.
Nach zehn Jahren spürte sie in ihrem Herzen
Tiefe Leere und Bitterkeit.
Die Bekehrung begann am 20. März 1473,
Dank einer einzigartigen Erfahrung.
Sie hatte sich in die Kirche San Benedetto
Und das Kloster Nostra ora delle Grazie
Begeben, um zu beichten.
Als sie vor dem Priester niedergekniet war,
Empfing sie eine Wunde im Herzen,
Von einer überwältigenden Liebe Gottes.
Sie erkannte so deutlich ihre Armseligkeit
Und ihre Fehler
Und gleichzeitig die Güte Gottes,
Dass sie fast ohnmächtig wurde.
Sie wurde im Herzen berührt
Von dieser Erkenntnis ihrer selbst,
Des leeren Lebens, das sie führte,
Und der Güte Gottes.
Aus dieser Erfahrung heraus
Kam die Entscheidung,
Die ihrem ganzen Leben Orientierung gab
Und die sie mit folgenden Worten ausdrückte:
Keine Mondänität mehr und keine Sünde mehr.
Daraufhin floh Katharina
Und verschob die Beichte.
Nach Hause zurückgekehrt,
Ging sie in die hinterste Kammer und weinte lange.
In diesem Augenblick wurde sie
Über das Gebet belehrt,
Und die unendliche Liebe Gottes zu ihr,
Einer Sünderin, kam ihr zu Bewusstsein:
Eine geistliche Erfahrung,
Die sie nicht in Worte fassen konnte.
Bei dieser Gelegenheit erschien ihr
Der leidende Jesus mit dem Kreuz auf den Schultern,
Wie er oft auf Abbildungen
Ddieser Heiligen dargestellt ist.
Wenige Tage später kehrte sie zu dem Priester zurück,
Um endlich eine gute Beichte abzulegen.
Hier begann jenes Leben der Läuterung,
Das sie lange Zeit einen ständigen Schmerz empfinden ließ
Um der begangenen Sünden willen
Und das sie drängte, sich Bußen und Opfer
Aufzuerlegen, um Gott ihre Liebe zu zeigen.
Auf diesem Weg näherte sich Katharina
Dem Herrn immer mehr an, bis
Bie schließlich eintrat in die vita unitiva,
Eine Beziehung tiefen Einsseins mit Gott.
In der Vita steht geschrieben,
Dass ihre Seele einzig und allein
Von der zärtlichen Liebe Gottes innerlich
Geführt und unterwiesen wurde,
Er gab ihr alles, was sie brauchte.
Katharina überließ sich so vollkommen
Den Händen des Herrn, dass sie
Etwa 25 Jahre lang ohne die Mittlerschaft
Irgendeines Geschöpfes lebte,
Von Gott allein unterwiesen und geführt,
Genährt vor allem vom unablässigen Gebet
Und von der heiligen Kommunion,
Die sie jeden Tag empfing,
Was damals ungewöhnlich war.
Erst viele Jahre später gab ihr der Herr
Einen Priester, der für ihre Seele Sorge trug.
Katharina widerstrebte es stets,
Ihre Erfahrung der mystischen Vereinigung mit Gott
Anderen anzuvertrauen und zu offenbaren,
Vor allem aufgrund der tiefen Demut,
Die sie angesichts der Gnaden des Herrn empfand.
Nur die Aussicht, ihn zu verherrlichen
Und dem geistlichen Weg anderer zu nützen,
Bewegte sie dazu, das wiederzugeben,
Was in ihr geschah, angefangen beim Augenblick
Ihrer Bekehrung, ihrer ursprünglichen
Und grundlegenden Erfahrung.
Der Ort ihres Aufstiegs in mystische Höhen
War das Spital Pammatone,
Der größte Krankenhauskomplex von Genua,
Den sie leitete und beseelte.
Katharina lebte also eine ganz aktive Existenz,
Trotz der Tiefe ihres inneren Lebens.
In Pammatone scharte sich eine Gruppe
Von Nachfolgern, Schülern und Mitarbeitern um sie,
Angezogen von ihrem Glaubensleben
Und von ihrer Nächstenliebe.
Auch ihr Ehemann, Giuliano Adorno,
War davon so eingenommen,
Dass er seine Leichtlebigkeit aufgab,
Franziskaner wurde und in das Spital ging,
Um seiner Frau zur Seite zu stehen.
Katharina setzte ihre Arbeit
In der Krankenpflege fort bis ans Ende
Ihres irdischen Weges am 15. September 1510.
Von der Bekehrung bis zum Tod
Gab es keine außerordentlichen Ereignisse,
Aber zwei Elemente kennzeichneten
Ihr ganzes Leben: auf der einen Seite
Die mystische Erfahrung,
Also die tiefe Gemeinschaft mit Gott,
Die sie wie eine bräutliche Vereinigung empfand,
Und auf der anderen Seite die Krankenpflege,
Die Organisation des Spitals,
Der Dienst am Nächsten,
Bsonders an den Notleidenden und Verlassenen.
Diese beiden Pole – Gott und der Nächste –
Erfüllten ihr Leben vollkommen;
Es wurde praktisch innerhalb der Spitalmauern geführt.
Katharinas Gedanken über das Purgatorium,
Für die sie besonders bekannt ist,
Sind zusammengefasst in den letzten beiden Teilen
Des eingangs zitierten Buches:
Dem Traktat vom Purgatorium
Und dem Dialog zwischen der Seele und dem Leib.
Es muss erwähnt werden, dass Katharina
In ihrer mystischen Erfahrung
Nie besondere Offenbarungen hatte
Über das Purgatorium oder über die Seelen,
Die dort geläutert werden.
In den inspirierten Schriften unserer Heiligen
Ist es jedoch ein zentrales Element,
Und ihre Art, es zu beschreiben,
Hat für ihre Zeit originelle Wesensmerkmale.
Der erste originelle Zug
Betrifft den Ort der Läuterung der Seelen.
In ihrer Zeit beschrieb man ihn in erster Linie
Mit Rückgriff auf Bilder,
Die an den Raum gebunden sind:
Man dachte an einen bestimmten Raum,
Wo sich das Purgatorium befände.
Bei Katharina dagegen wird das Purgatorium
Nicht als Element der unterirdischen Welt dargestellt.
Es ist kein äußeres, sondern ein inneres Feuer.
Das ist das Purgatorium: ein inneres Feuer.
Die Heilige spricht vom Weg der Läuterung der Seele
Auf die volle Gemeinschaft mit Gott hin,
Ausgehend von ihrer eigenen Erfahrung
Des tiefen Schmerzes aufgrund
Der begangenen Sünden
Angesichts der unendlichen Liebe Gottes.
Wir haben vom Augenblick der Bekehrung gehört,
Wo Katharina plötzlich die Güte Gottes spürt,
Die unendliche Ferne des eigenen Lebens
Von dieser Güte
Und das brennende Feuer in ihrem Innern.
Und das ist das läuternde Feuer,
Das innere Feuer des Purgatoriums.
Auch hier befindet sich ein origineller Zug
Im Vergleich zum zeitgenössischen Denken.
Denn es wird nicht mit dem Jenseits begonnen,
Um die Qualen des Purgatoriums zu beschreiben –
Wie es damals üblich war
Und vielleicht auch heute noch üblich ist –,
Um dann den Weg zur Läuterung
Oder Bekehrung aufzuzeigen,
Sondern unsere Heilige beginnt
Bei der eigenen inneren Erfahrung
Ihres Lebens auf dem Weg zur Ewigkeit.
Die Seele – so Katharina – zeigt sich Gott
Noch gebunden an die Wünsche
Und die Qual, die aus der Sünde hervorgehen,
Und das macht es ihr unmöglich,
De selige Gottesschau zu genießen.
Katharina sagt, dass Gott so rein und heilig ist,
Dass die Seele, die mit den Makeln
Der Sünde behaftet ist, nicht in Gegenwart
Der göttlichen Majestät sein kann.
Und auch wir spüren, wie fern wir davon sind,
Wie sehr wir von so vielen Dingen erfüllt sind,
Dass wir Gott nicht sehen können.
Die Seele weiß um die unendliche Liebe
Und die vollkommene Gerechtigkeit Gottes,
Und daher leidet sie darunter,
Nicht richtig und vollkommen
Auf diese Liebe geantwortet zu haben.
Und die Liebe zu Gott wird selbst zur Flamme,
Die Liebe selbst läutert die Seele
Von den Schlacken der Sünde.
In Katharina entdeckt man mystische Quellen,
Insbesondere findet sich ein Bild
Von Dionysios Areopagita:
Die goldene Schnur,
Die das menschliche Herz mit Gott verbindet.
Wenn Gott den Menschen geläutert hat,
Dann bindet er ihn mit einer hauchdünnen goldenen Schnur,
Die seine Liebe ist,
Und zieht ihn zu sich mit so starker Liebe,
Dass der Mensch gleichsam besiegt und überwunden
Und ganz außer sich ist.
So dringt in das Herz des Menschen
Die Liebe Gottes ein,
Der zum einzigen Wegweiser,
Zum einzigen Beweggrund seiner Existenz wird.
Diese Situation des Aufstiegs zu Gott
Und der Hingabe an seinen Willen,
Die im Bild von der Schnur zum Ausdruck kommt,
Gebraucht Katharina,
Um das Wirken des göttlichen Lichts
Auf die Seelen im Purgatorium
Zum Ausdruck zu bringen – ein Licht,
Das die Seelen reinigt und sie zum Glanz
Der gleißenden Strahlen Gottes erhebt.
JEANNE D‘ARC
Liebe Schwester!
Jeanne d’Arc konnte weder lesen noch schreiben,
Aaber man kann sie im Tiefsten ihrer Seele
Dank zweier Quellen von außerordentlichem
Historischem Wert kennenlernen:
Den beiden Prozessen, die sie betreffen.
Der erste Prozess, die Verurteilung,
Enthält die Niederschrift der langen
Und zahlreichen Verhöre,
Denen Jeanne sich in den letzten drei Monaten
Ihres Lebens unterziehen musste,
Und gibt die eigenen Worte der Heiligen wieder.
Der zweite Prozess, der die Verurteilung
Für nichtig erklärte, oder die Rehabilitation,
Enthält die Aussagen von etwa 120 Augenzeugen
Aus allen Abschnitten ihres Lebens.
Jeanne wird in Domrémy geboren,
Einem kleinen Dorf an der Grenze
Zwischen Frankreich und Lothringen.
Ihre Eltern sind wohlhabende Bauern,
Die bei allen als hervorragende Christen bekannt sind.
Von ihnen erhält sie eine gute religiöse Erziehung,
Die unter starkem Einfluss der Spiritualität
Des Namens Jesu steht,
Die von Bernhardin von Siena gelehrt
Und durch die Franziskaner
In Europa verbreitet wurde.
Dem Namen Jesu wird stets
Der Name Mariä hinzugefügt,
Und so ist auf dem Hintergrund
Der Volksfrömmigkeit Jeannes Spiritualität
Zutiefst christozentrisch und marianisch.
Von Kindheit an zeigt sie
In der dramatischen Situation des Krieges
Eine große Liebe und ein tiefes Mitgefühl
Gegenüber den Armen, den Kranken
Und allen Leidenden.
Ihren eigenen Worten entnehmen wir,
Dass Jeannes religiöses Leben
Ab dem Alter von 13 Jahren
Als mystische Erfahrung heranreift.
Durch die Stimme des heiligen Erzengels Michael
Fühlt Jeanne sich vom Herrn berufen,
Ihr christliches Leben zu vertiefen
Und sich auch persönlich für die Befreiung
Ihres Volkes einzusetzen.
Ihre unmittelbare Antwort, ihr Ja,
Ist das Versprechen der Jungfräulichkeit,
Mit einer neuen Hinwendung
Zm sakramentalen Leben und zum Gebet:
Tägliche Teilnahme an der Messe,
Häufige Beichte und Kommunion,
Lange Augenblicke des stillen Gebets
Vor dem Gekreuzigten
Oder dem Bild der Gottesmutter.
Das Mitgefühl und der Einsatz
Des französischen Bauernmädchens
Ffür das Leiden ihres Volkes
Werden durch ihre mystische
Beziehung zu Gott vertieft.
Einer der ureigensten Aspekte der Heiligkeit
Dieses jungen Mädchens
Ist die Verbindung zwischen mystischer Erfahrung
Und politischer Sendung.
Auf die Jahre des Lebens in der Verborgenheit
Und des inneren Heranreifens
Folgen die beiden kurzen, aber intensiven Jahre
Ihres öffentlichen Lebens:
Ein Jahr des Handelns und ein Jahr des Leidens.
Zu Beginn des Jahres 1429
Beginnt Jeanne ihr Befreiungswerk.
Die zahlreichen Zeugnisse stellen uns
Diese junge Frau von nur 17 Jahren
Aals eine sehr starke
Und entschlossene Person vor Augen,
Die in der Lage ist, unsichere
Und entmutigte Männer zu überzeugen.
Nach Überwindung aller Hindernisse
Begegnet sie dem französischen Dauphin
Und zukünftigen König Karl VII.,
Der sie in Poitiers einer Prüfung
Von Seiten einiger Theologen
Der Universität unterzieht.
Ihr Urteil ist positiv: Sie sehen in ihr
Nichts Schlechtes, sondern nur eine gute Christin.
Am 22. März 1429 diktiert Jeanne
Einen wichtigen Brief
An den König von England und seine Männer,
Die die Stadt Orléans belagern.
Sie bietet einen wahren Frieden in Gerechtigkeit
Zwischen den beiden christlichen Völkern an,
Im Licht der Namen Jesu und Mariä,
Aber ihr Angebot wird abgelehnt,
Und Jeanne muss sich im Kampf
Um die Befreiung der Stadt einsetzen,
Die am 8. Mai herbeigeführt wird.
Der andere Höhepunkt ihres politischen Wirkens
Ist die Krönung von König Karl VII.
In Reims am 17. Juli 1429.
Ein ganzes Jahr lang lebt Jeanne
Bei den Soldaten und führt unter ihnen
Eine wahre Sendung
Der Evangelisierung durch.
Viele von ihnen haben ihre Güte, ihren Mut
Und ihre außerordentliche Reinheit bezeugt.
Alle nennen sie La Pucelle, die Jungfrau,
Und auch sie selbst bezeichnet sich so.
Jeannes Leidensweg beginnt am 23. Mai 1430,
Als sie in Gefangenschaft gerät
Und in die Hände ihrer Feinde fällt.
Am 23. Dezember wird sie in die Stadt Rouen gebracht.
Dort findet der lange und dramatische
Verurteilungsprozess statt,
Der im Februar 1431 beginnt
Und am 30. Mai mit dem Scheiterhaufen endet.
Es ist ein großer und feierlicher Prozess,
Ddem zwei kirchliche Richter vorsitzen.
In Wirklichkeit wird der ganze Prozess jedoch
Von einer großen Gruppe von Theologen
Der berühmten Universität von Paris gesteuert,
Die als Beisitzer am Prozess teilnehmen.
Es sind französische Kleriker,
Die politische Entscheidungen getroffen haben,
Die Jeannes Zielen entgegenstehen,
Und daher ihre Person und ihre Sendung
Von vornherein negativ beurteilen.
Dieser Prozess ist ein erschütternder Abschnitt
Der Geschichte der Heiligkeit
Und auch ein Abschnitt, der Erleuchtung bringt
Über das Geheimnis der Kirche.
Diese ist zugleich heilig
Und stets der Reinigung bedürftig.
Es ist die dramatische Begegnung
Zwischen dieser Heiligen und ihren Richtern,
Die Kleriker sind.
Von ihnen wird Jeanne angeklagt
Und einer Prüfung unterzogen.
Am Ende wird sie als Ketzerin verurteilt
Und zum schrecklichen Tod
Auf dem Scheiterhaufen geschickt.
Im Gegensatz zu den heiligen Theologen,
Ddie die Universität von Paris erleuchtet hatten –
Bonaventura, Thomas von Aquin und Duns Scotus –
Sind diese Richter Theologen,
Denen es an Liebe und Demut mangelt,
Um in diesem jungen Mädchen
Das Handeln Gottes zu sehen.
Das lässt an die Worte Jesu denken,
Denen zufolge Gottes Geheimnisse
Jenen offenbart werden, die das Herz
Der Unmündigen haben,
Während sie den Studierten und Klugen,
Die keine Demut besitzen, verborgen bleiben.
So sind Jeannes Richter zutiefst unfähig,
Sie zu verstehen, die Schönheit
Ihrer Seele zu sehen:
Sie wussten nicht, dass sie eine Heilige verurteilten.
Das Tribunal lehnt Jeannes Berufung vom 24. Mai
An das Urteil des Papstes ab.
Am Morgen des 30. Mai empfängt sie
Im Gefängnis zum letzten Mal
Die heilige Kommunion und wird sofort
Zur Hinrichtung auf den alten Marktplatz geführt.
Sie bittet einen der Priester,
Ein Prozessionskreuz vor den Scheiterhaufen zu halten.
So stirbt sie mit dem Blick auf den gekreuzigten Jesus
Und ruft mehrmals laut den Namen Jesu an.
Etwa 25 Jahre später endet
Der vom eröffnete Rehabilitationsprozess
Mit einem feierlichen Urteil,
Das die Verurteilung für nichtig erklärt.
Dieser lange Prozess, der die Zeugenaussagen
Und die Urteile vieler Theologen zusammentrug,
Die alle für Jeanne sprechen,
Macht ihre Unschuld
Und völlige Treue zur Kirche deutlich.
Jeanne d’Arc wird später, 1920,
Von Benedikt XV. heiliggesprochen.
Liebe Schwester, der Name Jesu,
Der von unserer Heiligen
Bis zum letzten Augenblick
Ihres irdischen Lebens angerufen wurde,
War gleichsam der unablässige Atem ihrer Seele.
Er war gleichsam ihr Herzschlag,
Der Mittelpunkt ihres ganzen Lebens.
Jeanne d’Arcs Geheimnis der Liebe,
Das den Dichter Charles Péguy
So sehr fasziniert hatte,
Ist diese vollkommene Liebe zu Jesus
Und zum Nächsten in Jesus und für Jesus.
Ich vertraue mich Gott an, meinem Schöpfer,
Ich liebe ihn von ganzem Herzen.
Mit dem Versprechen der Jungfräulichkeit
Weiht Jeanne ihre ganze Person
Ausschließlich der einzigen Liebe zu Jesus:
Es ist ihr Versprechen gegenüber unserem Herrn,
Die Jungfräulichkeit des Leibes
Und der Seele stets zu bewahren.
Die Jungfräulichkeit der Seele
Ist der Stand der Gnade, der höchste Wert,
Der für sie kostbarer ist als das Leben.
TERESA VON JESUS
Liebe Schwester!
Sie wird 1515 in Ávila in Spanien geboren,
Mit dem Namen Theresia de Ahumada.
In ihrer Autobiographie erwähnt sie selbst
Einige Einzelheiten aus ihrer Kindheit:
Von tugendhaften und gottesfürchtigen Eltern
Wird sie in eine kinderreiche Familie hineingeboren;
Es waren neun Brüder und drei Schwestern.
Schon als Kind – sie ist noch keine neun Jahre alt –
Liest sie die Lebensbeschreibungen einiger Märtyrer,
Die in ihr den Wunsch nach dem Martyrium wecken.
Sie läuft sogar kurz von zu Hause weg,
Um als Märtyrerin zu sterben
Und in den Himmel einzugehen:
Ich will Gott schauen,
Sagt die Kleine zu ihren Eltern.
Einige Jahre später wird Theresia
Über ihre Kindheitslektüre sagen,
Dass sie darin die Wahrheit gefunden hat,
Die sie in zwei grundlegenden Prinzipien zusammenfasst:
Auf der einen Seite die Tatsache,
Dass alle Dinge dieser Welt vergehen,
Und auf der anderen Seite, dass nur Gott allein
Für immer, für immer ist.
Dieses Thema kehrt wieder in ihren berühmten Versen:
Nichts soll dich ängstigen,
Nichts dich erschrecken!
Alles geht vorüber:
Gott, er bleibt derselbe.
Geduld erreicht alles.
Wer Gott hat, dem fehlt nichts.
Gott allein genügt.
Als sie mit zwölf Jahren ihre Mutter verliert,
Bittet sie die Jungfrau Maria,
Ihre Mutter zu sein.
In der Jugend hatte die Lektüre profaner Bücher
Sie zu den Ablenkungen eines weltlichen Lebens geführt,
Aber die Erfahrung als Schülerin
Der Augustinerinnen von Nuestra Señora de Gracia
In Ávila und der Umgang mit geistlichen Büchern,
Vor allem Klassikern der franziskanischen Spiritualität,
Lehren sie die Sammlung und das Gebet.
Mit 20 Jahren tritt sie, ebenfalls in Ávila,
In das Karmelitinnenkloster der Menschwerdung ein;
Im Ordensleben nimmt sie den Namen
Theresia von Jesus an.
Drei Jahre später wird sie so schwer krank,
Dass sie für vier Tage ins Koma fällt
Und scheinbar tot ist.
Auch der Kampf gegen ihre Krankheiten
Ist für die Heilige ein Kampf gegen die Schwächen
Und die Widerstände gegen den Ruf Gottes.
Ich sehnte mich danach zu leben,
Denn ich verstand sehr wohl,
Dass ich nicht eigentlich lebte,
Sondern mit einem Schatten des Todes rang,
Aber es gab niemanden, der mir Leben gab,
Selbst geben konnte ich es mir aber auch nicht;
Der es mir aber geben konnte, hatte Recht,
Mir nicht zu Hilfe zu kommen,
Denn viele Male hatte er mich wieder an sich gezogen,
Während ich ihn im Stich gelassen habe.
1543 verliert sie die Nähe ihrer Angehörigen:
Der Vater stirbt, und all ihre Brüder wandern
Einer nach dem anderen nach Amerika aus.
In der Fastenzeit des Jahres 1554
Ereicht Theresia mit 39 Jahren
Den Höhepunkt des Kampfes gegen ihre Schwächen.
Die zufällige Entdeckung des Bildes
Eines ganz mit Wunden bedeckten Christus
Zeichnet ihr Leben zutiefst.
Die Heilige, die zu jener Zeit in tiefem Einklang
Mit dem Augustinus der Bekenntnisse steht,
Beschreibt den entscheidenden Tag
Ihrer mystischen Erfahrung so:
Es widerfuhr mir, dass mich ganz unverhofft
Ein Gefühl der Gegenwart Gottes überkam,
So dass ich in keiner Weise bezweifeln konnte,
Dass er in meinem Innern weilte
Oder ich ganz in ihm versenkt war.
Theresia von Jesus
Hatte keine akademische Ausbildung,
Aber sie hat sich die Lehre von Theologen,
Literaten und geistlichen Lehrern
Stets zunutze gemacht.
Als Schriftstellerin hat sie sich immer an das gehalten,
Was sie persönlich erlebt
Oder in der Erfahrung anderer gesehen hatte;
Sie ging also von der Erfahrung aus.
Theresia kann geistliche Freundschaften
Mit vielen Heiligen knüpfen,
Insbesondere mit Johannes vom Kreuz.
Gleichzeitig zieht sie Nahrung
Aus der Lektüre der Kirchenväter.
Zu ihren größten Werken gehört vor allem
Ihre Autobiographie
Mit dem Titel Das Buch meines Lebens;
Sie nennt sie Von den Erbarmungen Gottes.
Sie wurde 1565 im Karmel von Ávila verfasst
Und berichtet über den biographischen
Und geistlichen Weg,
Der niedergeschrieben wurde, um –
Wie Theresia selbst sagt – ihre Seele
Der Begutachtung durch den Meister
Der geistlichen Menschen, Johannes
Von Ávila, zu unterziehen.
Ziel ist es, die Gegenwart und das Wirken
Des barmherzigen Gottes
In ihrem Leben hervorzuheben;
Daher gibt das Werk oft den Gebetsdialog
Mit dem Herrn wieder.
Es ist eine faszinierende Lektüre,
Denn die Heilige erzählt nicht nur,
Sondern sie zeigt, dass sie die tiefe Erfahrung
Ihrer Beziehung zu Gott noch einmal durchlebt.
1566 schreibt Theresia den Weg der Vollkommenheit;
Sie nennt ihn Anweisungen und Ratschläge,
Die Theresia von Jesus ihren Töchtern,
Den Ordensschwestern, gibt.
Empfängerinnen sind die zwölf Novizinnen
Des Karmel San José in Ávila.
Ihnen bietet Theresia ein tiefgreifendes Programm
Des kontemplativen Lebens
Im Dienst der Kirche, dessen Grundlage
Die evangelischen Tugenden und das Gebet sind.
Das berühmteste mystische Werk
Der heiligen Theresia ist die Innere Burg,
Das sie 1577 schrieb, in voller Reife.
Es ist eine neue Auslegung ihres geistlichen Weges
Und gleichzeitig eine Kodifizierung
Des möglichen Ablaufs des christlichen Lebens
Auf seine Fülle, die Heiligkeit, hin,
Unter dem Wirken des Heiligen Geistes.
Theresia greift dabei zurück auf die Struktur
Einer Burg mit sieben Wohnungen
Als Bild der Innerlichkeit des Menschen
Und führt gleichzeitig das Symbol
Der Seidenraupe ein, die als Schmetterling
Neu geboren wird, um den Übergang
Vom Natürlichen zum Übernatürlichen
Zum Ausdruck zu bringen.
Inspiriert durch die Heilige Schrift,
Besonders durch das Hohelied,
Gelangt die Heilige am Ende zum Symbol
Der beiden Brautleute,
Mit dem sie in der siebten Wohnung
Den Höhepunkt des christlichen Lebens
Unter seinen vier Aspekten beschreiben kann:
Dem dreifaltigen,
Dem christologischen,
Dem anthropologischen
Und dem kirchlichen Aspekt.
Es ist nicht leicht, die tiefe und vielschichtige
Theresianische Spiritualität
In wenigen Worten zusammenzufassen.
Erstens verweist Theresia
Auf die evangelischen Tugenden als Grundlage
Des ganzen christlichen und menschlichen Lebens:
Insbesondere die Abkehr von den Gütern
Oder die evangelische Armut,
Und das betrifft uns alle;
Die Liebe zueinander
Als wesentliches Element des Gemeinschaftslebens
Und des gesellschaftlichen Lebens;
Die Demut als Liebe zur Wahrheit;
Die Entschlossenheit als Frucht des christlichen Wagemuts;
Die theologische Hoffnung,
Die sie als Durst
Nach dem lebendigen Wasser beschreibt.
Sie vergisst darüber jedoch nicht
Die menschlichen Tugenden:
Freundlichkeit, Wahrhaftigkeit, Bescheidenheit,
Höflichkeit, Fröhlichkeit, Bildung.
Zweitens verweist Theresia
Auf eine tiefe Übereinstimmung
Mit den großen biblischen Gestalten
Und das aufrichtige Hören auf das Wort Gottes.
Sie fühlt sich im Einklang vor allem
Mit der Braut des Hohelieds
Und mit dem Apostel Paulus
Sowie mit dem leidenden Christus
Und dem eucharistischen Jesus.
Die Heilige hebt außerdem hervor,
Wie wesentlich das Gebet ist.
Sie sagt: Beten ist nichts anderes
Als Verweilen bei einem Freund,
Mit dem wir oft allein zusammenkommen,
Einfach um bei ihm zu sein,
Weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.
Bei Theresia handelt es sich nicht so sehr
Um eine Unterweisung im Gebet
Als vielmehr um eine Mystagogik:
Sie lehrt den Leser ihrer Werke beten,
Indem sie selbst mit ihm betet;
Häufig unterbricht sie den Bericht
Oder die Darlegung, um ein Gebet hervorzubringen.
Ein weiteres Thema, das der Heiligen
Am Herzen lag, ist die Zentralität
Der Menschheit Christi.
Ein letzter wesentlicher Aspekt
Der Theresianischen Lehre,
Den ich hervorheben möchte,
Ist die Vollkommenheit als Bestreben
Und Endziel des gesamten christlichen Lebens.
Die Heilige hat eine sehr klare Vorstellung
Von der Fülle Christi,
Die der Christ aufs neue lebt.
Am Ende des Weges der Inneren Burg,
In der letzten Wohnung,
Beschreibt Theresia diese Fülle,
Verwirklicht in der Einwohnung der Dreifaltigkeit,
In der Vereinigung mit Christus
Durch das Geheimnis seiner Menschheit.
THERESE VON LISIEUX
Liebe Schwester!
Die Wissenschaft der Liebe,
Die in der Liebe die ganze Wahrheit
Des Glaubens erstrahlen sieht,
Fasst Theresia vor allem
In ihrer Lebensbeschreibung in Worte,
Die ein Jahr nach ihrem Tod unter dem Titel
Geschichte einer Seele veröffentlicht wurde.
Ich möchte dich einladen,
Diesen kleinen und doch so großen
Schatz zu entdecken, diesen leuchtenden,
In ganzer Fülle gelebten
Kommentar zum Evangelium!
Die Geschichte einer Seele ist in der Tat
Eine wunderbare Liebesgeschichte,
Die mit einer solchen Wahrhaftigkeit,
Einfachheit und Frische erzählt wird,
Dass sie den Leser einfach faszinieren muss!
Aber welche Liebe hat Theresias ganzes Leben,
Von der Kindheit bis zum Tod, erfüllt?
Liebe Freundin, diese Liebe hat ein Antlitz,
Sie hat einen Namen: Jesus!
Die Heilige spricht unablässig von Jesus.
Ich möchte also die großen Abschnitte
Ihres Lebens nachvollziehen,
Um in das Herz ihrer Lehre einzutreten.
Theresia wird am 2. Januar 1873 in Alençon,
Einer Stadt in der Normandie in Frankreich geboren.
Sie ist die jüngste Tochter
Von vorbildlichen Eheleuten und Eltern.
Sie hatten neun Kinder;
Vier von ihnen starben bereits in zartem Alter.
Übrig blieben fünf Töchter,
Die alle Ordensfrauen wurden.
Mit vier Jahren wurde Theresia
Vom Tod ihrer Mutter zutiefst getroffen.
Der Vater zog daraufhin mit den Töchtern
In die Stadt Lisieux,
Wo sich das ganze Leben der Heiligen abspielen wird.
Später wurde Theresia,
Die von einem schweren Nervenleiden befallen wurde,
Durch eine göttliche Gnade geheilt,
De sie selbst als das Lächeln
Der seligen Jungfrau bezeichnete.
Dann empfing sie die Erstkommunion,
Die sie zutiefst erlebte,
Und stellte den eucharistischen Jesus
In den Mittelpunkt ihrer Existenz.
Die Weihnachtsgnade von 1886
Ist die große Wende, die sie
Als meine vollständige innere Wandlung bezeichnete:
Sie wird von ihrer kindlichen
Überempfindlichkeit geheilt
Und beginnt voranzuschreiten,
Wie ein Riese seinen Weg läuft.
Im Alter von 14 Jahren
Nähert sich Theresia immer mehr
Mit großem Glauben dem gekreuzigten Jesus
Und nimmt sich des scheinbar aussichtslosen Falles
Eines zum Tode verurteilten
Und unbußfertigen Verbrechers an.
Um jeden Preis wollte ich die Sünder
Dem ewigen Verderben entreißen,
Schreibt die Heilige in der Gewissheit,
Dass ihr Gebet ihn dem erlösenden
Blut Christi zugeführt hätte.
Es ist ihre erste und grundlegende Erfahrung
Der geistlichen Mutterschaft.
So sehr vertraue ich auf Jesu
Grenzenlose Barmherzigkeit, schreibt sie.
Wie die Gottesmutter Maria liebt, glaubt und hofft
Die junge Theresia mit dem Herzen einer Mutter.
Im November 1887 begibt sich Theresia
Zusammen mit ihrem Vater
Und der Schwester Céline
Auf eine Pilgerreise nach Rom.
Der Höhepunkt ist für sie die Audienz
Beim Papst, den sie um Erlaubnis bittet,
Mit 15 Jahren in den Karmel
Von Lisieux eintreten zu dürfen.
Ein Jahr später wird ihr Wunsch Wirklichkeit:
Sie wird Karmelitin,
Um Seelen zu retten und besonders
Für die Priester zu beten.
Gleichzeitig beginnt auch die schmerzhafte
Und demütigende Geisteskrankheit ihres Vaters.
Dieser große Schmerz bringt Theresia dazu,
Das Antlitz Jesu in seinem Leiden zu betrachten.
So bringt sie durch ihren Ordensnamen –
Schwester Theresia vom Kinde Jesu
Und vom heiligen Antlitz –
Ihren ganzen Lebensplan zum Ausdruck,
Vereint mit den zentralen Geheimnissen
Der Menschwerdung und der Erlösung.
Ihre Ordensprofess am Fest Mariä Geburt,
Dem 8. September 1890,
Ist für sie eine wahre geistliche Vermählung
In der Kleinheit nach dem Evangelium,
Für die sie das Symbol der Blume gebraucht.
Mariä Geburt, welch schönes Fest
FFür die Vermählung mit Christus!
Das kleine Kind Maria brachte
Dem kleinen Jesus seine kleine Blume dar.
Ordensfrau zu sein bedeutet für Theresia,
Braut Christi und Mutter der Seelen zu sein.
Am selben Tag schreibt die Heilige ein Gebet,
Das die ganze Ausrichtung ihres Lebens darlegt:
Sie bittet Jesus um das Geschenk
Seiner grenzenlosen Liebe;
Sie bittet darum, die Kleinste zu sein,
Und vor allem bittet sie
Um das Heil aller Menschen:
Keine Seele soll heute in die Verdammnis geraten.
Von großer Bedeutung ist ihre Weihe
An die barmherzige Liebe.
An dieser Weihe lässt Theresia,
De bereits stellvertretende Novizenmeisterin ist,
Ihre Mitschwestern sofort teilhaben.
1896, zehn Jahre nach der Weihnachtsgnade,
Kommt die Ostergnade,
Die Theresias letzten Lebensabschnitt eröffnet:
Der Beginn ihres Leidens
In tiefer Vereinigung mit dem Leiden Jesu.
Es ist ein leibliches Leiden
In Form der Krankheit,
Die sie durch große Leiden zum Tod führen wird,
Vor allem aber ein Leiden der Seele
In Form einer äußerst schmerzlichen Glaubensprüfung.
Mit Maria beim Kreuz Jesu
Lebt Theresia damals einen heroischen Glauben,
Wie Licht in der Finsternis,
Die in ihre Seele eindringt.
Die Karmelitin ist sich bewusst,
Dass sie diese große Prüfung
Für das Heil aller glaubenslosen Menschen
Der modernen Welt lebt,
Die sie Brüder nennt.
Daher lebt sie die geschwisterliche Liebe
Noch intensiver: zu den Schwestern
Ihrer Gemeinschaft, zu den Missionaren,
Ihren geistlichen Brüdern, zu den Priestern
Und zu allen Menschen,
Besonders den Fernstehenden.
Sie wird wirklich zu einer Universalen Schwester!
Ihre sanfte und lächelnde Liebe
Ist Ausdruck der tiefen Freude,
Deren Geheimnis sie uns offenbart:
Jesus, dich zu lieben ist meine Freude.
Mitten in diesem Leiden
Lebt die Heilige die größte Liebe
In den kleinsten Dingen des Alltags
Und erfüllt so ihre Berufung,
Im Herzen der Kirche die Liebe zu sein.
Theresia stirbt am Abend
Des 30. September 1897
Mit den einfachen Worten
Mein Gott, ich liebe Dich!
Ihr Blick ist auf das Kreuz gerichtet,
Das sie in Händen hält.
Ach du weißt, dass ich dich liebe, göttlicher Jesus,
Der Geist der Liebe entflammt mich mit seinem Feuer,
In der Liebe zu dir ziehe ich den Vater an mich.
EDITH STEIN
Liebe Schwester!
Unter den Zeugnissen unserer Zeit
Möchte ich Edith Stein erwähnen,
Teresia Benedicta a Cruce.
Sie hat ihr irdisches Leben
Im Konzentrationslager Auschwitz
Mit dem Martyrium beschlossen.
Ihr Leben könnte als Niederlage erscheinen,
Doch gerade in ihrem Martyrium
Erstrahlt der Glanz jener Liebe,
Die alle Finsternis des Egoismus
Und des Hasses überwindet.
Am 6. August 1942 sagte Edith Stein
Drei Tage vor ihrem dramatischen Lebensende
Zu einigen Mitschwestern
Im holländischen Karmel-Kloster Echt:
Ich bin auf alles gefasst.
Jesus ist auch hier mitten unter uns.
Bisher konnte ich sehr gut beten
Und aus vollem Herzen ausrufen:
Ave, Kreuz, einzige Hoffnung.
Zeugen, die dem schrecklichen Massaker
Entkommen konnten, erzählten,
Dass Teresia Benedicta a Cruce,
Mit dem Gewand einer Karmelitin bekleidet,
Dem Tod selbstbewusst entgegenging.
Sie unterschied sich dabei
Durch ihre friedvolle Haltung,
Ihre Gelassenheit und ihr ruhiges
Und aufmerksames Verhalten
Gegenüber den Bedürfnissen all ihrer Mitmenschen.
Das Gebet war das eigentliche Geheimnis
Dieser heiligen Mitpatronin Europas,
Die auch, nachdem sie im Frieden
Des kontemplativen Lebens
Bei der Wahrheit angekommen war,
Bis zum Letzten leben musste
Das Geheimnis des Kreuzes.