HEILIGE FRAUEN


VON TORSTEN SCHWANKE


für Schwester Sabine, 

Missionarin der Nächstenliebe in Brasilien und Deutschland



HILDEGARD VON BINGEN I


Liebe Schwester!


Anlässlich des Marianischen Jahres 

Hat der Heilige Johannes Paul der Große

Ein Apostolisches Schreiben verfasst

Mit dem Titel: Die Würde der Frau. 

Er behandelt darin die wertvolle Rolle, 

Die die Frauen im Leben der Kirche erfüllt haben 

Und erfüllen. Dort heißt es: Die Kirche sagt Dank 

Für alle Äußerungen des weiblichen Genius, 

Die sich im Laufe der Geschichte 

Bei allen Völkern und Nationen gezeigt haben; 

Sie sagt Dank für alle Gnadengaben, 

Mit denen der Heilige Geist die Frauen 

In der Geschichte des Gottesvolkes beschenkt, 

Für alle Siege, die sie dem Glauben, 

Der Hoffnung und der Liebe von Frauen verdankt: 

Sie sagt Dank für alle Früchte fraulicher Heiligkeit.


Auch in jenen Jahrhunderten der Geschichte, 

Die wir gewöhnlich als Mittelalter bezeichnen, 

Gibt es einige weibliche Gestalten, 

Die sich durch die Heiligkeit ihres Lebens 

Und den Reichtum ihrer Lehre besonders auszeichnen. 

Heute möchte ich beginnen, euch eine von ihnen vorzustellen: 

Die hl. Hildegard von Bingen, 

Die im 12. Jahrhundert in Deutschland lebte. 

Sie wurde 1098 in Bermersheim 

Bei Alzey in der Pfalz geboren 

Und starb 1179 im hohen Alter von 81 Jahren, 

Obwohl ihr Gesundheitszustand stets schwach war. 

Hildegard kam aus einer vielköpfigen adligen Familie 

Und wurde von Geburt an von ihren Eltern 

Zum Dienst an Gott geweiht. 

Damit sie eine angemessene menschliche 

Und christliche Bildung erhielt, 

Wurde sie mit acht Jahren der Obhut 

Der im Witwenstand lebenden Uda von Göllheim 

Und dann der Lehrerin Jutta von Sponheim anvertraut, 

Die sich in eine Klause beim Benediktinerkloster 

Des heiligen Disibod zurückgezogen hatte. 

Es entstand ein kleines Klausurkloster für Frauen, 

Die der Regel des heiligen Benedikt folgten. 

Hildegard empfing den Schleier 

Durch Bischof Otto von Bamberg, 

Und als Mutter Jutta, 

Die Priorin der Gemeinschaft geworden war, 

Im Jahre 1136 starb, beriefen die Mitschwestern 

Hildegard als ihre Nachfolgerin. 

Bei der Erfüllung dieser Aufgabe 

Brachte sie ihre Begabungen ein, 

Als gebildete und geistlich hochstehende Frau, 

Die auch in der Lage war, 

Den organisatorischen Aspekten 

Des Lebens in der Klausur 

Mit Sachverstand gegenüberzutreten. 

Einige Jahre später gründete Hildegard, 

Auch weil immer mehr junge Frauen 

An die Tore des Klosters klopften, 

Eine weitere Gemeinschaft in Bingen, 

Die nach dem heiligen Rupert benannt wurde, 

Wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte. 

Der Stil, mit dem sie den Dienst der Autorität ausübte, 

Ist vorbildlich für jede Ordensgemeinschaft: 

Er weckte heiliges Nacheifern im Tun des Guten, 

So dass Mutter und Töchter einander 

In gegenseitiger Achtung übertrafen 

Und darin wetteiferten, einander zu dienen.


Bereits in den Jahren, in denen sie Oberin 

Im Kloster des heiligen Disibod war, 

Hatte Hildegard begonnen, ihrem geistlichen Berater, 

Dem Mönch Volmar, sowie ihrer Sekretärin, 

Einer Mitschwester, der sie sehr zugetan war, 

Richardis von Stade, 

Mystische Visionen zu diktieren, 

Die sie seit einiger Zeit empfing. 

Wie es im Leben wahrer Mystiker immer der Fall ist, 

Wollte auch Hildegard sich der Autorität 

Weiser Personen unterwerfen, 

Um den Ursprung ihrer Visionen zu erkennen, 

In der Furcht, dass sie Frucht von Täuschungen seien 

Und nicht von Gott kämen. 

Sie wandte sich daher an die Person, 

Die seinerzeit in der Kirche höchste Wertschätzung besaß: 

An den heiligen Bernhard von Clairvaux. 

Dieser beruhigte und ermutigte Hildegard. 

Aber 1147 erhielt sie noch eine andere 

Sehr wichtige Anerkennung. 

Papst Eugen III., der den Vorsitz 

Auf einer Synode in Trier hatte, 

Las einen von Hildegard diktierten Text, 

Der ihm von Erzbischof Heinrich von Mainz vorgelegt wurde. 

Der Papst gestattete der Mystikerin, 

Ihre Visionen niederzuschreiben 

Und öffentlich zu sprechen. 

Von diesem Augenblick an stieg das geistliche Ansehen

Hildegards immer mehr, 

So dass ihre Zeitgenossen sie 

Als Deutsche Prophetin bezeichneten. 

Dies, liebe Freunde, ist das Siegel 

Eeiner echten Erfahrung des Heiligen Geistes, 

Der Quelle jeder Geistesgabe: 

Die Person, die übernatürliche Gaben empfängt, 

Prahlt niemals damit. 

Sie stellt sie nicht zur Schau 

Und zeigt vor allem vollkommenen Gehorsam 

Ggegenüber der kirchlichen Autorität. 

Jede vom Heiligen Geist geschenkte Gabe 

Ist nämlich zur Erbauung der Kirche bestimmt, 

Und die Kirche erkennt durch ihre Hirten 

Ihre Echtheit an.


Ich werde noch einmal über diese große Frau 

Und Prophetin sprechen, 

Die mit großer Aktualität auch zu uns heute spricht, 

Mit ihrer mutigen Fähigkeit, 

Die Zeichen der Zeiten zu erkennen, 

Mit ihrer Liebe zur Schöpfung, ihrer Medizin, 

Ihrer Dichtung, ihrer Musik, 

Die heute rekonstruiert wird, 

Ihrer Liebe zu Christus und zu seiner Kirche, 

Die auch damals gelitten hat, 

Die auch damals durch die Sünden der Priester 

Und der Laien verwundet war 

Und als Leib Christi noch viel mehr geliebt wurde. 

So spricht die hl. Hildegard zu uns; 

Wir werden noch einmal von ihr sprechen. 

Danke für deine Aufmerksamkeit.



HILDEGARD VON BINGEN II


Liebe Schwester!


Nun möchte ich die Gedanken 

Über die heilige Hildegard von Bingen 

Wieder aufnehmen und fortsetzen: 

Eine bedeutende Frauengestalt des Mittelalters, 

Die sich durch geistliche Weisheit 

Und Heiligkeit des Lebens auszeichnete. 

Hildegards mystische Visionen 

Ähneln denen der Propheten des Alten Testaments: 

Sie drückte sich in den kulturellen 

Und religiösen Begriffen ihrer Zeit aus 

Und interpretierte die Heilige Schrift im Licht Gottes, 

Indem sie sie auf die verschiedenen 

Lebensumstände anwandte. 

Alle, die ihr zuhörten, fühlten sich aufgefordert, 

Einen konsequenten und engagierten 

Christlichen Lebensstil zu praktizieren. 

In einem Brief an den heiligen Bernhard 

Bekennt die rheinische Mystikerin: 

Mein ganzes Sein ist in die Schau einbezogen: 

Ich schaue nicht mit den leiblichen Augen, 

Sondern sie erscheint mir im Geist der Mysterien

Ich kenne die tiefe Bedeutung dessen, 

Was im Psalter, in den Evangelien 

Und in anderen Büchern dargelegt ist, 

Die mir in der Schau gezeigt werden. 

Sie brennt wie eine Flamme in meiner Brust 

Und in meiner Seele und lehrt mich, 

Den Text in seiner ganzen Tiefe zu verstehen.


Hildegards mystische Visionen 

Sind reich an theologischen Inhalten. 

Sie nehmen Bezug auf die wichtigsten Ereignisse 

Der Heilsgeschichte und bedienen sich 

In erster Linie einer poetischen 

Und symbolischen Sprache. 

In ihrem bekanntesten Werk, 

Das den Titel Scivias trägt,

Das heißt: Wisse die Wege, 

Fasst sie in 35 Visionen 

Die Ereignisse der Heilsgeschichte zusammen, 

Von der Schöpfung der Welt 

Bis zum Ende der Zeiten. 

Mit den für die weibliche Sensibilität 

Charakteristischen Zügen 

Entfaltet Hildegard im zentralen Abschnitt 

Ihres Werkes das Thema 

Der mystischen Vermählung 

Zwischen Gott und der Menschheit, 

Die in der Menschwerdung Wirklichkeit wurde. 

Am Baum des Kreuzes vollzieht sich 

Die Vermählung des Sohnes Gottes 

Mit der Kirche, seiner Braut, 

Die voll der Gnade ist und befähigt wurde, 

Gott neue Kinder zu schenken, 

In der Liebe des Heiligen Geistes.


Bereits aus diesen kurzen Hinweisen ist ersichtlich, 

Dass auch die Theologie einen besonderen Beitrag 

Von den Frauen erhalten kann, 

Denn sie sind in der Lage, mit der ihnen eigenen 

Intelligenz und Sensibilität 

Über Gott und die Glaubensgeheimnisse zu sprechen. 

Ich ermutige daher alle Frauen, 

Die diesen Dienst ausüben, 

Ihn mit zutiefst kirchlichem Bewusstsein durchzuführen, 

Ihre Reflexion durch das Gebet zu nähren 

Und den Blick auf den großen, 

Teilweise noch unergründeten Reichtum 

Der mystischen Überlieferung 

Des Mittelalters zu richten, 

Besonders auf den, der durch leuchtende Beispiele 

Wie eben Hildegard von Bingen verkörpert wird. 

Die rheinische Mystikerin 

Hat noch weitere Schriften verfasst. 

Zwei von ihnen sind besonders wichtig, 

Weil sie, wie Scivias, 

Ihre mystischen Visionen wiedergeben: 

Das Buch der Lebensverdienste

Und das Buch der göttlichen Werke. 

Im ersten wird eine einzige gewaltige 

Vision Gottes beschrieben, 

Der mit seiner Kraft und mit seinem Licht 

Dem Kosmos Leben schenkt. 

Hildegard hebt die tiefe Beziehung 

Zwischen dem Menschen und Gott hervor 

Und erinnert uns daran, dass die ganze Schöpfung, 

Deren Krone der Mensch ist, 

Von der Dreifaltigkeit Leben empfängt. 

Im Mittelpunkt der Schrift steht die Beziehung 

Zwischen Tugenden und Lastern: 

Der Mensch muss sich tagtäglich 

Mit der Herausforderung durch die Laster, 

Die ihn vom Weg zu Gott abbringen, 

Uund mit den Tugenden, 

Die diesen Weg fördern, auseinandersetzen. 

Er ist aufgefordert, sich vom Bösen abzuwenden, 

Um Gott zu verherrlichen 

Und nach einer tugendhaften Existenz 

In das ganz mit Freude erfüllte Leben einzutreten. 

Im zweiten Werk, das von vielen 

Als ihr Meisterwerk betrachtet wird, 

Beschreibt sie noch einmal die Schöpfung 

In ihrer Beziehung zu Gott 

Und die Zentralität des Menschen, 

Wobei eine starke Christozentrik biblischer 

Und patristischer Prägung zutage tritt. 

Die Heilige legt fünf vom Prolog 

Des Johannesevangeliums inspirierte Visionen dar 

Und gibt die Worte wieder, die der Sohn 

An den Vater richtet: Das ganze Werk, 

Das du gewollt und mir anvertraut hast, 

Habe ich zu einem guten Ende geführt, 

Und so bin ich in dir und du in mir, 

Und wir sind eins.


In anderen Schriften schließlich offenbart 

Hildegard die vielseitigen Interessen 

Und die kulturelle Lebendigkeit 

Der Frauenklöster des Mittelalters, 

Was im Gegensatz steht zu den Vorurteilen, 

Die immer noch auf dieser Epoche lasten. 

Hildegard befasste sich mit Medizin 

Und Naturwissenschaften 

Ebenso wie mit Musik, 

Da sie künstlerisch begabt war. 

Sie komponierte auch Hymnen, 

Antiphonen und Gesänge, 

Die unter dem Titel:

Symphonie der Harmonie 

Der himmlischen Offenbarungen

Gesammelt sind. Sie wurden in ihren Klöstern 

Mit Freude gesungen, 

Wo sie eine Atmosphäre der Ruhe 

Und des Frieden verströmten, 

Und sind auch uns überliefert. 

Für Hildegard ist die ganze Schöpfung 

Eine Symphonie des Heiligen Geistes, 

Der in sich selbst Freude und Jubel ist.


Die Popularität, die Hildegard 

In ihrem Umfeld genoss, 

Brachte viele Menschen dazu, sie um Rat zu fragen; 

Daher sind viele ihrer Briefe überliefert. 

Gemeinschaften von Männer- und Frauenklöstern, 

Bischöfe und Äbte wandten sich an sie. 

Viele Antworten sind auch für uns weiterhin gültig. 

An eine weibliche Ordensgemeinschaft 

Schrieb Hildegard zum Beispiel: 

Das geistliche Leben muss 

Mit viel Hingabe gepflegt werden. 

Am Anfang ist es mühsam und bitter. 

Man muss manchen Äußerlichkeiten 

Und fleischlichen Gelüsten 

Und anderen ähnlichen Dingen entsagen. 

Aber wenn man sich von der Heiligkeit faszinieren lässt, 

Dann wird eine heilige Seele 

Die Abkehr von der Welt als süß 

Und erfüllend empfinden. 

Man muss nur klug darauf achten, 

Dass die Seele nicht verwelkt. -

Und als Kaiser Friedrich Barbarossa 

Eeine Kirchenspaltung hervorrief, 

Indem er gegen den rechtmäßigen Papst 

Alexander III. gleich drei Gegenpäpste aufstellte, 

Zögerte Hildegard nicht, 

Ihn von ihren Visionen inspiriert 

Daran zu erinnern, dass auch er, der Kaiser, 

Dem Urteil Gottes unterworfen war. 

Mit der Kühnheit, die jeden Propheten auszeichnet, 

Schrieb sie dem Kaiser 

Von Seiten Gottes folgende Worte: 

Wehe, wehe der Niederträchtigkeit dieser Gottlosen, 

Die mich beleidigen! 

Höre geschwind, o König, wenn du leben willst! 

Sonst wird mein Schwert dich durchbohren!


Mit der geistlichen Autorität, 

Die ihr zu eigen war, 

Machte sich Hildegard in ihren letzten Lebensjahren auf, 

Um trotz ihres vorgerückten Alters 

Und der Mühsal, die das Reisen bedeutete, 

Zu den Menschen von Gott zu sprechen. 

Alle hörten ihr gerne zu, 

Auch wenn sie einen strengen Ton anschlug: 

Sie wurde als eine von Gott gesandte Botin betrachtet. 

Sie ermahnte vor allem die Klostergemeinschaften 

Und den Klerus zu einer Lebensführung, 

Die ihrer Berufung entsprach. 

Insbesondere trat Hildegard 

Der Bewegung der deutschen Katharer entgegen. 

Diese (Katharer heißt wörtlich: die Reinen)

Traten für eine radikale Reform der Kirche ein, 

Vor allem, um Missbräuche 

Durch den Klerus zu bekämpfen. 

Sie warf ihnen mit harten Worten vor, 

Das Wesen der Kirche verändern zu wollen, 

Und erinnerte sie daran, 

Dass eine wahre Erneuerung 

Der kirchlichen Gemeinschaft 

Nicht so sehr durch die Veränderung 

Von Strukturen erlangt wird, 

Sondern vielmehr durch einen aufrichtigen 

Geist der Buße und einen tätigen Weg der Umkehr. 

Dies ist eine Botschaft, die wir nie vergessen sollten. 

Wir wollen stets den Heiligen Geist bitten, 

Dass er in der Kirche heilige 

Und mutige Frauen wie Hildegard von Bingen erwecke, 

Die in der Wertschätzung und mit dem Einsatz 

Dr von Gott empfangenen Gaben 

Iihren eigenen wertvollen Beitrag leisten 

Zum geistlichen Wachstum unserer Gemeinden 

Und der Kirche in unserer Zeit. 



KLARA VON ASSISI


Liebe Schwester!


Eine der beliebtesten Heiligen ist zweifellos 

Die heilige Klara von Assisi. 

Sie hat im 13. Jahrhundert gelebt 

Und war Zeitgenossin des heiligen Franziskus. 

Ihr Zeugnis zeigt uns, wie viel die ganze Kirche 

Mutigen Frauen verdankt, die wie sie reich waren 

An Glauben und die einen entscheidenden Anstoß 

Zur Erneuerung der Kirche geben konnten.


Wer also war Klara von Assisi? 

Zur Beantwortung dieser Frage besitzen wir 

Gesicherte Quellen: nicht nur 

Die zeitgenössischen Biographien, 

Wie die des Thomas von Celano, 

Sondern auch die Akten des Heiligsprechungsprozesses, 

Den der Papst nur wenige Monate 

Nach Klaras Tod einleitete 

Und der die Zeugnisse jener enthält, 

Die lange Zeit an ihrer Seite gelebt haben.


Klara, die 1193 geboren wurde, 

Eentstammte einer adeligen und reichen Familie. 

Sie verzichtete auf Adel und Reichtum, 

Um demütig und arm zu leben, 

Indem sie die Lebensform annahm, 

Die Franz von Assisi vorschlug. 

Auch wenn ihre Angehörigen, wie damals üblich, 

Eine Ehe mit einer hochgestellten Persönlichkeit 

Für sie planten, verließ Klara 

Mit 18 Jahren ihr Vaterhaus: 

Ein mutiger Schritt, 

Der aus dem tiefen Wunsch heraus kam, 

Christus nachzufolgen, 

Sowie aus der Bewunderung für Franziskus. 

In Begleitung einer Freundin, 

Bona di Guelfuccio, 

Ging sie heimlich zu den Minderbrüdern 

Bei der Portiunkula-Kapelle. 

Es war der Abend des Palmsonntags 1211. 

Unter allgemeiner bewegter Anteilnahme 

Wurde eine hoch symbolische Geste vollbracht: 

Im Schein brennender Fackeln, 

Die seine Gefährten in den Händen hielten, 

Schnitt Franziskus ihr Haar ab, 

Und Klara legte ein raues Büßergewand an. 

Von diesem Augenblick an war sie 

Zur jungfräulichen Braut 

Des demütigen und armen Christus geworden 

Und weihte sich ihm vollkommen. 

Wie Klara und ihre Gefährtinnen 

Wurden zahllose Frauen 

Im Laufe der Geschichte angezogen 

Von der Liebe zu Christus, 

Der in der Schönheit seiner göttlichen Person 

Iihr Herz erfüllt. 

Und durch die Berufung der geweihten Jungfrauen 

Zur mystischen Ehe 

Zeigt sich die ganze Kirche als das, 

Was sie für immer sein wird: 

Die schöne und reine Braut Christi.


In einem der vier Briefe, die Klara 

An die heilige Agnes von Prag sandte, 

Die Tochter des Königs von Böhmen, 

Die ihren Spuren folgen wollte, 

Spricht sie von Christus, 

Ihrem geliebten Bräutigam, 

Mit bräutlichen Worten, 

Die Erstaunen hervorrufen können, 

Aber sehr ergreifend sind: 

Wenn Ihr ihn liebt, seid Ihr keusch, 

Wenn Ihr ihn berührt, werdet Ihr noch reiner,

Wenn Ihr ihn aufnehmt, bleibt Ihr Jungfrau. 

Seine Macht ist stärker, 

Seine edle Art erhabener, 

Sein Aussehen schöner, 

Seine Liebe holder 

Und alle seine Anmut feiner. 

Von seinen Umarmungen seid Ihr schon umfangen, 

Eer hat Eure Brust mit kostbaren Steinen geschmückt

Und Euch gekrönt mit einer goldenen Krone, 

Dem ausdrücklichen Zeichen seiner Heiligkeit.


Vor allem zu Anfang ihrer religiösen Erfahrung 

Fand Klara in Franz von Assisi 

Nicht nur einen Meister, 

Dessen Lehren sie folgen konnte, 

Sondern auch einen brüderlichen Freund. 

Die Freundschaft zwischen diesen beiden Heiligen 

Ist ein sehr schöner und wichtiger Aspekt. 

Wenn nämlich zwei reine 

Und von derselben Liebe zu Gott 

Entflammte Seelen einander begegnen, 

Dann bekommen sie aus der gegenseitigen Freundschaft 

Einen sehr starken Ansporn, 

Dden Weg der Vollkommenheit zu beschreiten. 

Die Freundschaft ist eine der edelsten 

Und erhabensten menschlichen Empfindungen, 

Die von der göttlichen Gnade gereinigt und verklärt wird. 

Wie der heilige Franziskus und die heilige Klara 

Haben auch andere Heilige den Weg 

Zur christlichen Vollkommenheit 

In tiefer Freundschaft zueinander beschritten, 

Zum Beispiel der heilige Franz von Sales 

Und die heilige Johanna Franziska von Chantal. 

Und eben der heilige Franz von Sales schreibt: 

O wie gut ist es, auf Erden zu lieben, 

Wie man im Himmel liebt; 

In dieser Welt so inniglich sich teuer sein zu lernen, 

Wie wir in der andern ewiglich uns teuer sein werden! 

Nicht von der einfachen christlichen Liebe rede ich hier, 

Die man gegen jeden Menschen zu hegen verpflichtet ist; 

Von der geistlichen Freundschaft gilt, was ich hier sage, 

Durch welche zwei, drei oder mehrere Seelen 

Ihre Andacht, ihre frommen Gefühle 

Gegenseitig sich mitteilen, 

Und zu einem Herzen und zu einer Seele werden.


Nachdem sie einige Monate in anderen 

Monastischen Gemeinschaften verbracht hatte, 

Ließ Klara sich gegen den Widerstand ihrer Angehörigen, 

Die ihre Entscheidung zunächst nicht guthießen, 

Mit den ersten Gefährtinnen 

In der Kirche San Damiano nieder, 

Wo die Minderbrüder 

Ihnen einen kleinen Konvent eingerichtet hatten. 

In diesem Kloster lebte sie über 40 Jahre lang, 

Bis zu ihrem Tod im Jahre 1253. 

Uns ist eine Beschreibung aus erster Hand 

Über das Leben dieser Frauen in jenen Anfangsjahren 

Der franziskanischen Bewegung überliefert. 

Es handelt sich um den Bericht 

Eines flämischen Bischofs auf Besuch in Italien, 

Jakob von Vitry, der Bewunderung zum Ausdruck bringt: 

Er habe eine große Anzahl von Männern und Frauen 

Aller sozialen Schichten vorgefunden, 

Die alles für Christus verlassen hatten 

Und der Welt entflohen waren. 

Sie nannten sich Minderbrüder 

Und Minderschwestern 

Und genießen große Achtung beim Papst 

Und bei den Kardinälen.

Die Frauen leben gemeinsam an mehreren Stätten 

Unweit der Städte. Sie erhalten nichts, 

Sondern leben von ihrer Hände Arbeit. 

Und es schmerzt und betrübt sie sehr, 

Dass sie vom Klerus und von den Laien mehr geehrt werden, 

Als ihnen recht ist.


Jakob von Vitry hatte mit Scharfblick 

Einen charakteristischen Zug 

Der franziskanischen Spiritualität erkannt, 

Für den Klara sehr empfänglich war: 

Die Radikalität der Armut in Verbindung 

Mit dem völligen Vertrauen 

Auf die göttliche Vorsehung. 

Aus diesem Grund handelte sie 

Mt großer Entschlossenheit 

Und erlangte von Papst Innozenz III. 

Das Privilegium Paupertatis, 

Demgemäß Klara und ihre Gefährtinnen 

Von San Damiano keinerlei materiellen Besitz haben durften. 

Es handelte sich um eine wirklich ungewöhnliche Ausnahme

Gegenüber dem geltenden Kirchenrecht, 

Und die kirchlichen Autoritäten jener Zeit gewährten sie 

In Anerkennung der Früchte 

Evangeliumsgemäßer Heiligkeit, 

Die sie in der Lebensweise Klaras 

Und ihrer Mitschwestern erkannten. 

Das zeigt, dass auch in den Jahrhunderten 

Des Mittelalters die Frauen 

Keine zweitrangige, 

Sondern eine beachtliche Rolle spielten. 

In diesem Zusammenhang sollte daran erinnert werden, 

Dass Klara die erste Frau in der Kirchengeschichte war, 

Die eine schriftliche Ordensregel verfasst hat, 

Die dem Papst zur Approbation unterbreitet wurde, 

Um das Charisma des Franz von Assisi 

In allen Frauengemeinschaften zu bewahren, 

Die schon zu ihrer Zeit zahlreich entstanden 

Und die sich am Vorbild von Franziskus 

Und Klara orientieren wollten.


Im Konvent von San Damiano 

Lebte Klara in heroischer Weise die Tugenden, 

Die jeden Christen auszeichnen sollten: 

Die Demut, den Geist der Frömmigkeit und der Buße, 

Die Nächstenliebe. 

Obgleich sie die Oberin war, 

Wollte sie den kranken Mitschwestern persönlich dienen, 

Indem sie auch niederste Aufgaben übernahm: 

Die Liebe nämlich überwindet jeden Widerstand, 

Und wer liebt, vollbringt jedes Opfer mit Freude. 

Ihr Glaube an die Realpräsenz in der Eucharistie 

War so groß, dass zweimal wunderbare Dinge geschahen. 

Allein durch die Aussetzung des Allerheiligsten Sakraments

Vertrieb sie die sarazenischen Söldnertruppen, 

Die im Begriff waren, das Kloster von San Damiano 

Anzugreifen und die Stadt Assisi zu verwüsten.


Diese Geschehnisse sowie andere Wunder, 

An die die Erinnerung bewahrt wurde, 

Veranlassten Papst Alexander IV., 

Sie 1255, nur zwei Jahre nach ihrem Tod, 

Heiligzusprechen. Er verkündete ihr Lob 

Iin der Heiligsprechungsbulle, in der es heißt: 

Welch eine Leuchtkraft besitzt dieses Licht, 

Und wie hell ist der Glanz dieser leuchtenden Quelle! 

Wahrlich, dieses Licht war in der Verborgenheit 

Des klösterlichen Lebens verschlossen 

Und strahlte draußen mit hellem Schein; 

Es sammelte sich in engen Klostermauern 

Uund verbreitete sich draußen in der ganzen Welt. 

Es wurde drinnen bewahrt 

Und verbreitete sich draußen. 

Klara nämlich hielt sich verborgen; 

Aber ihr Leben wurde allen offenbar. 

Klara schwieg, aber ihr Ruhm wurde laut. -

Und genau so ist es, liebe Freundin: 

Die Heiligen sind es, die die Welt 

Zum Besseren wandeln, 

Sie dauerhaft verändern, 

Indem sie ihr Kräfte zuführen, 

Die nur die vom Evangelium inspirierte Liebe 

Hervorbringen kann. Die Heiligen 

Sind die großen Wohltäter der Menschheit!


Die Spiritualität der heiligen Klara, 

Ihr Entwurf der Heiligkeit 

Ist im vierten Brief an die heilige Agnes 

Von Prag zusammengefasst. 

Die heilige Klara gebraucht das Bild des Spiegels, 

Das im Mittelalter sehr verbreitet war 

Und von den Kirchenvätern herkommt. 

Sie fordert ihre Freundin in Prag auf, 

Sich in jenem Spiegel der Vollkommenheit 

Aller Tugenden zu betrachten, 

Der der Herr selbst ist. So schreibt sie: 

Wahrhaft glücklich, wem es gegeben wird, 

Dieses heilige Gastmahl zu genießen, 

Um mit allen Fasern des Herzens 

Dem anzuhängen, Christus, dessen Schönheit 

Alle seligen himmlischen Heerscharen 

Unaufhörlich bewundern, 

Dessen Liebe reich beschenkt, 

Dessen Betrachtung erquickt, 

Dessen Güte erfüllt, 

Dessen Liebenswürdigkeit wieder herstellt, 

Dessen Andenken lieblich leuchtet, 

Durch dessen Duft Tote wieder aufleben werden, 

Dessen glorreicher Anblick selig machen wird 

Alle Bewohner des himmlischen Jerusalem, 

Da es ein Abglanz der ewigen Herrlichkeit, 

Ein Schein des ewigen Lichtes 

Und ein Spiegel ohne Makel ist. 

In diesen Spiegel schaue täglich, 

O Königin, Braut Jesu Christi, 

Und betrachte immer in ihm Dein Antlitz, 

Auf dass Du Dich so gänzlich innerlich 

Und äußerlich schmückst. 

In diesem Spiegel erstrahlen die selige Armut, 

Die heilige Demut 

Und die unaussprechliche Liebe.


Wir wollen Gott danken, 

Der uns die Heiligen schenkt, 

Die unser Herz ansprechen 

Und uns ein Vorbild christlichen Lebens 

Zur Nachahmung geben. 

So möchte ich mit dem Segen schließen, 

Den die heilige Klara für ihre Mitschwestern 

In Worte fasste und den die Klarissen, 

Die durch ihr Gebet und ihr Wirken 

Eine wertvolle Rolle in der Kirche spielen, 

Mit großer Ehrfurcht bewahren. 

In diesen Worten kommt die ganze zärtliche Liebe 

Ihrer geistlichen Mutterschaft zum Ausdruck: 

Ich segne euch in meinem Leben 

Und nach meinem Tode, 

Soviel ich vermag, und mehr als ich vermag, 

Mit all dem Segen, mit dem der Vater 

Der Erbarmungen seine Söhne 

Und seine Töchter im Himmel 

Und auf Erden gesegnet hat 

Und noch segnen wird, 

Und mit dem ein geistlicher Vater 

Und eine geistliche Mutter 

Ihre geistlichen Söhne 

Und Töchter gesegnet haben 

Und noch segnen werden. Amen.




MECHTHILD VON HACKEBORN


Liebe Schwester!


Heute möchte ich zu dir 

Über die heilige Mechthild von Hackeborn sprechen, 

Eine der großen Gestalten des Klosters von Helfta, 

Die im 13. Jahrhundert gelebt hat. 

Ihre Mitschwester, die heilige Gertrud die Große, 

Ssagt im 6. Kapitel des Buches der geistlichen Gnaden, 

In dem von den besonderen Gnaden berichtet wird, 

Die Gott der heiligen Mechthild gewährt hat: 

Was wir niedergeschrieben haben, 

Ist recht wenig im Vergleich zu dem, 

Was wir nicht erwähnt haben. 

Einzig zur Ehre Gottes 

Und zum Wohl des Nächsten 

Tun wir diese Dinge kund. 

Denn wir meinen, dass es unrecht wäre, 

All die Gnaden zu verschweigen, 

Die Mechthild von Gott empfangen hat, 

Nicht so sehr für sich selbst, sondern, so scheint uns, 

Für uns und für jene, die nach uns kommen werden.


Dieses Werk wurde von der heiligen Gertrud 

Und einer anderen Mitschwester aus Helfta verfasst 

Und hat eine einzigartige Geschichte. 

Im Alter von 50 Jahren durchlebte Mechthild 

Eine schwere geistliche Krise; 

Hinzu kamen physische Leiden. 

In diesem Zustand vertraute sie 

Zwei befreundeten Mitschwestern 

Die außerordentlichen Gnaden an, 

Mit denen Gott sie von Kindheit an geführt hatte, 

Wusste jedoch nicht, dass diese alles aufschrieben. 

Als sie es erfuhr, war sie darüber 

Zutiefst betrübt und erschüttert. 

Der Herr beruhigte sie jedoch 

Und gab ihr zu verstehen, 

Dass das Geschriebene zur Ehre Gottes 

Und zum Wohl des Nächsten gereiche. 

So ist dieses Werk für uns die Hauptquelle 

Über das Leben und die Spiritualität unserer Heiligen.


Durch sie werden wir eingeführt in das Geschlecht 

Der Freiherrn von Hackeborn, 

Eines der edelsten, reichsten und mächtigsten von Thüringen,

Es war mit Kaiser Friedrich II. verschwägert, 

Und treten ein in das Kloster von Helfta 

In der ruhmreichsten Zeit seiner Geschichte. 

Der Freiherr hatte bereits eine Tochter 

Ins Kloster gegeben: 

Gertrud von Hackeborn. 

Sie besaß eine ausgeprägte Persönlichkeit, 

War 40 Jahre lang Äbtissin 

Und konnte der Spiritualität des Klosters 

Eine besondere Prägung verleihen, 

Indem sie es zu außerordentlicher Blüte brachte 

Als Zentrum der Mystik und der Kultur, 

Als Schule für wissenschaftliche 

Und theologische Ausbildung. 

Gertrud bot den Nonnen hohe geistige Unterweisung, 

Die es ihnen erlaubte, eine Spiritualität zu pflegen, 

Die auf der Heiligen Schrift, 

Auf der Liturgie, 

Auf der patristischen Überlieferung, 

Auf der Regel und Spiritualität der Zisterzienser gründete, 

Mit besonderer Vorliebe für Bernhard von Clairvaux. 

Sie war eine wahre Lehrmeisterin, 

In allem vorbildlich, 

In der Radikalität des Lebens nach dem Evangelium 

Und im apostolischen Eifer. 

Mechthild nahm von Kindheit an 

Die von ihrer Schwester geschaffene 

Geistliche und kulturelle Atmosphäre in sich auf 

Und genoss sie 

Und gab ihr dann ihre persönliche Note.


Mechthild wird 1242 auf Burg Helfta geboren; 

Sie ist die dritte Tochter des Freiherrn. 

Mit sieben Jahren besucht sie mit der Mutter 

Ihre Schwester Gertrud im Kloster Rodersdorf.


Von dieser Umgebung ist sie so fasziniert, 

Dass sie innig wünscht, ihr anzugehören. 

Sie tritt als Klosterschülerin ein 

Und wird 1258 Nonne in dem Konvent, 

Der in der Zwischenzeit nach Helfta übergesiedelt ist, 

Auf das Anwesen derer von Hackeborn. 

Sie zeichnet sich aus durch Demut, Eifer 

Und Liebenswürdigkeit, 

Durch Reinheit und Unschuld des Lebens, 

Durch Vertrautheit und Tiefe, 

Mit denen sie die Beziehung zu Gott, 

Zur Jungfrau Maria, 

Zu den Heiligen lebt. 

Sie ist mit hohen natürlichen 

Und geistlichen Eigenschaften ausgestattet: 

Wissen, Intelligenz, Kenntnis von Sprache und Literatur, 

Eine wunderbar liebliche Stimme: 

Unter all diesen Voraussetzungen 

Konnte sie für das Kloster in jeder Hinsicht

Ein wahrer Schatz sein. 

So wird die Nachtigall Gottes

Bereits in sehr jungen Jahren 

Leiterin der Klosterschule, Chorleiterin 

Und Novizenmeisterin. 

Sie führt diese Dienste mit großer Begabung 

Und unermüdlichem Eifer aus, 

Nicht nur zum Wohl der Nonnen, sondern aller, 

Die aus ihrer Weisheit und Güte schöpfen wollen.


Von der göttlichen Gabe 

Der mystischen Schau erleuchtet, 

Verfasst Mechthild zahlreiche Gebete. 

Sie ist eine Lehrerin, 

Die der kirchlichen Lehre treu 

Und von großer Demut ist. 

Sie ist Ratgeberin, Trösterin, 

Leitende Hand bei der Entscheidungsfindung. 

Über sie kann man lesen: 

Sie teilte die Lehre in einer solchen Fülle aus, 

Wie man es im Kloster noch nie gesehen hatte 

Und wohl leider, so befürchten wir, 

Auch nie mehr sehen wird. 

Die Schwestern scharten sich um sie, 

Um das Wort Gottes zu hören, wie um einen Prediger. 

Sie war für alle Zuflucht und Trost 

Und besaß durch Gottes Gnade 

Die außerordentliche Gabe, 

Die Geheimnisse eines jeden Herzens offen darzulegen. 

Viele Personen, nicht nur im Kloster, 

Sondern auch fremde Ordensleute und Laien, 

Die von weither gekommen waren, bezeugten, 

Dass diese heilige Jungfrau 

Sie von ihren Nöten befreit hatte 

Und dass sie niemals soviel Trost empfunden hatten 

Wie bei ihr. 

Außerdem verfasste und lehrte sie viele Gebete. 

Wollte man sie alle zusammenfassen, 

So wären sie umfangreicher 

Als das Buch der Psalmen.


1261 kommt ein fünfjähriges Mädchen 

Namens Gertrud in den Konvent: 

Sie wird der Obhut der knapp 20jährigen 

Mechthild anvertraut, die sie erzieht 

Und im geistlichen Leben anleitet 

Und sie schließlich nicht nur zur hervorragenden Schülerin,

Sondern auch zu ihrer Vertrauten macht. 

1272 tritt auch Mechthild von Magdeburg 

In das Kloster ein. 

So nimmt der Ort vier große Frauen auf, 

Zwei mit dem Namen Gertrud 

Und zwei mit dem Namen Mechthild: 

Der Ruhm des deutschen Klosterlebens. 

In dem langen Leben, das sie im Kloster verbringt, 

Wird Mechthild unablässig von starken Leiden heimgesucht,

Denen sie die harte Buße hinzufügt, 

Die sie für die Bekehrung der Sünder auf sich nimmt. 

Auf diese Weise hat sie bis zum Lebensende 

Anteil am Leiden des Herrn. 

Das Gebet und die Betrachtung 

Sind der lebenswichtige Nährboden ihrer Existenz: 

Die Offenbarungen, ihre Lehren, 

Ihr Dienst am Nächsten, 

Ihr Weg im Glauben und in der Liebe 

Haben hier ihre Wurzel und ihr Umfeld. 

Im ersten Kapitel des Buches von der speziellen Gnade

Tragen die Verfasserinnen das zusammen, 

Was Mechthild ihnen anvertraut, 

Geordnet nach den Festen des Herrn, der Heiligen 

Und insbesondere der seligen Jungfrau Maria. 

Die Fähigkeit dieser Heiligen, die Liturgie 

In ihren verschiedenen Teilen zu leben 

Und sie in das tägliche Klosterleben hineinzunehmen, 

Ist beeindruckend. 

Manche Bilder, Ausdrücke, Anwendungen 

Mögen unserem Empfinden fremd sein, 

Aber wenn man sich das Klosterleben vor Augen führt 

Sowie ihre Aufgabe als Novizenmeisterin und Chorleiterin, 

Dann erkennt man ihre einzigartige Begabung 

Als Erzieherin und Lehrerin, 

Die ihren Mitschwestern hilft, 

Jeden Augenblick des Klosterlebens 

Von der Liturgie ausgehend intensiv zu leben.


Beim liturgischen Gebet hebt Mechthild 

Die kanonischen Horen, 

Die Feier der heiligen Messe, 

Vor allem die heilige Kommunion, besonders hervor. 

Hier kam oft eine Verzückung über sie, 

Iin inniger Vertrautheit mit dem Herrn 

In seinem brennenden und liebenden Herzen, 

In einem wunderbaren Zwiegespräch, 

In dem sie um innere Erleuchtung bittet 

Und besondere Fürsprache 

Für ihre Gemeinschaft und ihre Mitschwestern hält. 

Im Mittelpunkt stehen die Geheimnisse Christi, 

Auf die die Jungfrau Maria ständig verweist, 

Um den Weg der Heiligkeit zu beschreiten: 

Wenn du nach der wahren Heiligkeit strebst, 

Dann bleib bei meinem Sohn; 

Er selbst ist die Heiligkeit, die alles heiligt. 

In ihre innige Vertrautheit mit Gott 

Ist die ganze Welt einbezogen, 

Die Kirche, die Wohltäter, die Sünder. 

Für sie vereinen sich Himmel und Erde.


Ihre Visionen, ihre Lehren, 

Die Ereignisse ihres Lebens 

Werden mit Ausdrücken beschrieben, 

De liturgische und biblische Anklänge haben. 

So erfasst man ihre tiefe Kenntnis der Heiligen Schrift, 

Die ihr tägliches Brot war. 

Sie nimmt ständig darauf Bezug, 

Indem sie die in der Liturgie gelesenen 

Biblischen Texte hervorhebt 

Und ihnen Symbole, Begriffe, Landschaften, 

Bilder, Personen entnimmt. 

Ihre Vorliebe gilt dem Evangelium: 

Die Worte des Evangeliums waren für sie 

Eine wunderbare Speise 

Und weckten in ihrem Herzen so süße Empfindungen, 

Dass sie oft aus Begeisterung 

Mit dem Lesen nicht aufhören konnte. 

Sie las diese Worte so hingebungsvoll, 

Dass sie bei allen Andacht hervorrief. 

Auch beim Chorgesang war sie völlig in Gott versunken 

Und von solcher Hingabe erfasst, 

Dass sie manchmal ihre Empfindungen 

Durch Gesten zum Ausdruck brachte. 

Andere Male kam gleichsam eine Verzückung über sie, 

Und sie merkte nicht, wenn man sie rief oder anfasste, 

Und erlangte nur schwer das Bewusstsein 

Für die Außenwelt zurück. 

In einer der Visionen empfiehlt Jesus selbst ihr das Evangelium; 

Er öffnet die Wunde seines liebenden Herzens 

Und sagt zu ihr: Bedenke, wie groß meine Liebe ist: 

Wenn du sie kennenlernen willst, 

So findest du sie nirgends besser zum Ausdruck gebracht 

Als im Evangelium. 

Niemals wurden stärkere und liebevollere Worte vernommen 

Als diese: Wie mich der Vater geliebt hat, 

So habe auch ich euch geliebt.


Liebe Freundin, das persönliche 

Und das liturgische Gebet, 

Besonders die Horen

Und die heilige Messe stehen an der Wurzel 

Der geistlichen Erfahrung 

Der heiligen Mechthild von Hackeborn. 

Indem sie sich von der Heiligen Schrift leiten 

Und vom eucharistischen Brot nähren ließ, 

Ist sie einen Weg inniger Vereinigung 

Mit dem Herrn gegangen, 

Stets in vollkommener Treue zur Kirche. 

Das ist auch für uns eine eindringliche Einladung, 

Unsere Freundschaft mit dem Herrn zu vertiefen,

Vor allem durch das tägliche Gebet 

Und die aufmerksame, treue und aktive Teilnahme 

An der heiligen Messe.


Die Liturgie ist eine große Schule der Spiritualität. 

Ihre Schülerin Gertrud beschreibt eindrücklich 

Die letzten Augenblicke im Leben 

Der heiligen Mechthild von Hackeborn. 

Sie waren sehr hart, aber erleuchtet 

Von der Gegenwart der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, 

Des Herrn, der Jungfrau Maria, aller Heiligen, 

Auch ihrer leiblichen Schwester Gertrud. 

Als die Stunde kam, da der Herr sie zu sich nehmen wollte, 

Bat sie ihn, um des Heils der Seelen willen 

Noch weiter im Leiden leben zu dürfen, 

Und Jesus freute sich 

Über dieses letzte Zeichen der Liebe.


Mechthild war 58 Jahre alt. 

Der letzte Abschnitt ihres Weges 

War von acht Jahren schwerer Krankheit gezeichnet. 

Ihr Werk und ihr Ruf der Heiligkeit verbreiteten sich weit. 

Als ihre Stunde gekommen war, 

Sagte der allmächtige Gott, 

Der einzige Trost der Seele, die ihn liebt, zu ihr: 

Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, 

Nehmt das Reich in Besitz, 

Und nahm sie auf in seine Herrlichkeit.


Die heilige Mechthild von Hackeborn 

Vertraut uns dem Heiligsten Herzen Jesu 

Und dem Unbefleckten Herzen der Jungfrau Maria an. 

Sie lädt uns ein, den Sohn 

Durch das Herz der Mutter zu loben 

Und Maria durch das Herz des Sohnes: 

Ich grüße Euch, o ehrwürdige Jungfrau, 

In jenem lieblichen Morgentau, 

Der aus dem Herzen 

Der Allerheiligsten Dreifaltigkeit 

Sich in Euch verbreitet hat; 

Ich grüße Euch in der Herrlichkeit 

Und in der Freude, 

In der Ihr jetzt auf ewig lebt,

Ihr, die Ihr vor allen anderen Geschöpfen 

Der Erde und des Himmels erwählt wurdet 

Noch vor der Erschaffung der Welt! Amen.




GERTRUD DIE GROSSE


Liebe Schwester!


Die heilige Gertrud die Große, 

Über die ich heute sprechen möchte, 

Führt uns wieder in das Kloster Helfta, 

Wo einige der Meisterwerke 

Der von Frauen verfassten 

Lateinisch-deutschen religiösen Literatur entstanden sind. 

Zu dieser Welt gehört Gertrud, 

Eine der berühmtesten Mystikerinnen 

Und die einzige Frau in Deutschland, 

Die den Beinamen »die Große« trägt, 

Aufgrund ihres kulturellen 

Und das Evangelium betreffenden Formats: 

Mit ihrem Leben und ihrem Denken 

Hat sie auf die christliche Spiritualität 

In einzigartiger Weise Einfluss genommen. 

Sie ist eine außergewöhnliche Frau, 

Ausgestattet mit besonderen natürlichen Begabungen 

Und außerordentlichen Gnadengaben, 

Von tiefster Demut und brennendem Eifer 

Für das Heil des Nächsten, 

In inniger Gemeinschaft mit Gott 

In der Betrachtung und stets bereit, 

Den Notleidenden zu helfen.


In Helfta setzt sie sich sozusagen systematisch 

Mit ihrer Novizenmeisterin 

Mechthild von Hackeborn auseinander, 

Über die ich schon gesprochen habe. 

Sie tritt dort in Beziehung zu Mechthild von Magdeburg, 

Einer weiteren mittelalterlichen Mystikerin, 

Und wächst unter der gütigen 

Und anspruchsvollen mütterlichen Obhut 

Der Äbtissin Gertrud auf. 

Von diesen drei Mitschwestern 

Gewinnt sie Schätze der Erfahrung und der Weisheit; 

Sie erarbeitet daraus eine eigene Synthese 

Und beschreitet ihren religiösen Weg 

Im grenzenlosen Vertrauen auf den Herrn. 

Sie bringt den Reichtum der Spiritualität 

Nicht nur ihrer klösterlichen Welt zum Ausdruck, 

Sondern auch und besonders in der biblischen, 

liturgischen, patristischen und benediktinischen Welt, 

In einem sehr persönlichen Ton 

Und mit großer kommunikativer Wirkkraft.


Sie wird am 6. Januar 1256 geboren, 

Dem Fest der Erscheinung des Herrn, 

Aber weder über ihre Eltern 

Noch über ihren Geburtsort ist irgend etwas bekannt. 

Gertrud schreibt, dass der Herr selbst 

Ihr den Sinn dieser frühen Entwurzelung darlegt: 

Ich habe sie so zur Wohnung erwählt, 

Dass alles, was in ihr geliebt wird, mein Werk ist.

Deshalb habe ich sie von allen Verwandten weit entfernt, 

Damit niemand wegen Verwandtschaft sie liebe, 

Sondern jeder allein meinetwegen...


Im Alter von fünf Jahren 

Kommt sie 1261 ins Kloster, 

Wie es damals oft üblich war, 

Um Erziehung und Bildung zu erhalten. 

Hier verbringt sie ihr ganzes Leben, 

Dessen wichtigste Abschnitte sie selbst aufzeigt. 

In ihren Erinnerungen sagt sie, 

Dass der Herr sie mit langmütiger Geduld 

Und endloser Barmherzigkeit umsorgt hat 

Und über die Jahre der Kindheit, 

Des Heranreifens und der Jugend hinwegsah, 

Die sie, wie sie schreibt, verblendet in Torheit verbrachte, 

Wo sie in Gedanken, Worten und Werken 

Ohne Gewissensbisse alles getan haben würde, 

Wozu ich Gelegenheit hatte, 

Wenn du es nicht entweder durch den von Natur aus 

Mr innewohnenden Abscheu vor dem Bösen 

Und die Liebe zum Guten 

Oder durch äußeren Verweis von Seiten des Nächsten 

Verhütet hättest, gleich als hätte ich wie eine Heidin 

Unter Heiden gelebt, 

Während du doch von meinem fünften Jahr an 

Mich auserwählt hast, 

Unter deinen vertrautesten Freundinnen 

In der heiligen Klosterzelle 

Dir zubereitet zu werden


Gertrud ist eine außerordentlich begabte Schülerin; 

Sie lernt alles, was man von den Wissenschaften

Jener Zeit lernen kann. 

Sie ist vom Wissen angezogen 

Und gibt sich mit Eifer und Beharrlichkeit 

Den weltlichen Studien hin; 

Ihre schulischen Erfolge übersteigen alle Erwartungen. 

Zwar wissen wir nichts über ihre Herkunft, 

Aber sie berichtet uns viel 

Über die Leidenschaften ihrer Jugend: 

Literatur, Musik und Gesang, 

Sowie die Kunst der Miniatur vereinnahmen sie. 

Sie hat einen starken, energischen, spontanen, 

Impulsiven Charakter; 

Oft sagt sie, dass sie nachlässig sei; 

Sie gibt ihre Fehler zu 

Und bittet demütig um Verzeihung für sie. 

Mit Demut bittet sie um Rat und Gebet 

Für ihre Bekehrung. 

Es gibt Wesenszüge und Fehler, 

Die sie bis zum Ende begleiten werden, 

Und einige Personen fragen sich erstaunt, 

Wieso der Herr sie so sehr liebt.


Nach der Schulzeit weiht sie sich Gott 

Ganz im Klosterleben, 

Und 20 Jahre lang geschieht nichts Außergewöhnliches: 

Studium und Gebet sind ihre Haupttätigkeiten. 

Durch ihre Begabungen zeichnet sie sich 

Unter den Schwestern aus; 

Beharrlich vertieft sie ihr Wissen 

In verschiedenen Bereichen. 

Im Advent des Jahres 1280 beginnt sie jedoch, 

Widerwillen gegen all diese Dinge zu verspüren, 

Wird sich deren Eitelkeit bewusst, 

Und am 27. Januar 1281, wenige Tage 

Vor dem Fest Mariä Reinigung 

Erleuchtet der Herr 

Zur Stunde der Komplet, am Abend, 

Ihre dichte Finsternis. 

Sanft und zart beschwichtigt er die Unruhe, 

De sie befallen hat, eine Unruhe, 

Die Gertrud als Geschenk Gottes betrachtet, 

Um niederzustürzen den Turm 

Meiner Eitelkeit und Neugier, 

In den mein Stolz ausgewachsen war, 

Obgleich ich, ach, nutzlos 

Namen und Kleid des Ordensstandes trug, 

Um vielleicht so den Weg zu finden, 

Aauf dem du mir dein Heil zeigen könntest. -

Sie hat die Vision von einem Jüngling, 

Der sie an der Hand führt, 

Um den Zaun aus Dornen zu überwinden, 

Der ihre Seele einengt. 

In jener Hand erkennt Gertrud 

Die erhabenen Denkmale der Wunden, 

Wodurch die Anklageschriften 

Unserer Feinde zunichte werden, 

Sie erkennt ihn, der uns am Kreuz 

Durch sein Blut erlöst hat, Jesus.


Von diesem Augenblick lebt sie 

In inniger Gemeinschaft mit dem Herrn, 

Vor allem in den hohen liturgischen Zeiten,

Advent und Weihnachten, 

Fastenzeit und Ostern, 

Marienfeste, auch dann, 

Wenn sie aufgrund von Krankheit 

Nicht am Chorgebet teilnehmen kann. 

Sie steht auf demselben liturgischen Nährboden 

Wie Mechthild, ihre Meisterin: 

Gertrud beschreibt ihn jedoch 

Mit einfachen, geraden und realistischen Bildern, 

Symbolen und Begriffen, 

Die direkte Bezüge zur Bibel, 

Zu den Kirchenvätern, 

Zur benediktinischen Welt haben.


Ihre Biographin zeigt zwei Richtungen dessen auf, 

Was wir als ihre besondere Bekehrung bezeichnen können: 

In den Studien der radikale Übergang 

Von den weltlichen, humanistischen 

Zu den theologischen Studien 

Und in der klösterlichen Observanz 

Der Übergang von dem Leben, 

Das sie als schlampig bezeichnet, 

Zu einem Leben im tiefen Gebet, 

Einem mystischen Leben 

Mit außergewöhnlichem missionarischen Eifer. 

Dem Herrn, der sie bereits im Mutterleib auserwählt hatte 

Und sie von Kindesbeinen an 

Am Festmahl des klösterlichen Lebens teilnehmen ließ, 

Gefiel es, sie durch seine Gnade 

Von den äußeren Dingen nach innen 

Und von körperlichen zu geistigen Übungen zu berufen. 

Gertrud versteht, dass sie ihm fern gewesen ist, 

Im Reich der Unähnlichkeit, 

Wie sie mit Augustinus sagt; 

Dass sie sich mit zu großem Wissensdrang 

Den freien Künsten, 

Der menschlichen Weisheit gewidmet, 

Das geistliche Wissen vernachlässigt 

Und sich des Genusses 

Der wahren Weisheit beraubt hatte; 

Jetzt wird sie auf den Berg der Betrachtung geführt, 

Wo sie den alten Menschen zurücklässt, 

Um den neuen Menschen anzuziehen. 

Deshalb wurde sie jetzt eine Jüngerin der Theologie, 

Indem sie alle Bücher der Heiligen Schrift, 

Die sie haben oder erwerben konnte, 

Ohne Ermüden studierte, 

So dass ihr zu jeder Zeit ein göttliches 

Und erbauliches Wort zu Gebot stand. 

Daher vermochte sie alle, die zu ihr kamen, 

Vollkommen entsprechend zu befriedigen 

Und jedem Irrtum mit passenden Zeugnissen 

Der Heiligen Schrift entgegenzutreten.


Gertrud macht all das zum Apostolat: 

Sie ist damit befasst, die Glaubenswahrheit 

Mit Klarheit und Einfachheit, 

Anmut und Überzeugungskraft niederzuschreiben 

Und zu verbreiten, 

Und dient der Kirche in Liebe und Treue, 

So dass sie den Theologen 

Und den frommen Menschen 

Nützlich und angenehm ist. 

Von ihrer unermüdlichen Tätigkeit 

Ist uns wenig erhalten, 

Auch aufgrund der Ereignisse, 

Die zur Zerstörung des Klosters Helfta führten. 

Außer dem Gesandten der göttlichen Liebe 

Sind uns die Geistlichen Übungen überliefert, 

Ein seltenes Juwel der mystischen 

Und geistlichen Literatur. 

Im Ordensleben ist unsere Heilige 

Eine überaus starke Säule

Und die standhafte Vorkämpferin 

Der Gerechtigkeit und Wahrheit. 

Durch ihre Worte und ihr Vorbild 

Weckt sie in den anderen großen Eifer. 

Den Gebeten und Bußübungen der Klosterregel 

Fügt sie weitere hinzu, 

Mit einer solchen Frömmigkeit 

Und einer solch vertrauensvollen Hingabe an Gott, 

Dass sie allen, die ihr begegnen, 

Das Bewusstsein vermittelt, 

In Gegenwart des Herrn zu sein. 

Und Gott selbst gibt ihr zu verstehen, 

Dass er sie berufen hat, 

Werkzeug seiner Gnade zu sein. 

Gertrud fühlt sich dieses enormen göttlichen Schatzes 

Unwürdig und bekennt, ihn nicht bewahrt 

Und gewürdigt zu haben. Sie ruft aus: 

Hättest du mir Unwürdiger einen Faden von Hanf 

Zum Andenken an dich gegeben, 

Ich würde ihn mit größerer Sorgfalt 

Und Ehrfurcht behandelt haben. 

Aber dadurch, dass sie ihre Armut 

Und Unwürdigkeit erkennt, 

Tut sie den Willen Gottes, weil, so sagt sie, 

Die Gewissheit, hierin keinen Fortschritt gemacht zu haben, 

Mich nicht glauben lässt, diese Geschenke 

Seien nur mir gegeben. Verleihe darum, 

O Spender der Gaben, 

Der du mir so unverdiente Geschenke erteilt hast, 

Dem, der dies liest, 

Dass wenigstens das Herz deines Freundes 

Deshalb mit dir Mitleid habe, 

Weil dein Eifer für die Seelen 

Einen königlichen Edelstein 

So viele Stunden in der schlammigen Grube 

Meines Herzens gehalten hat.


Unter diesen Gaben schätzt sie zwei besonders hoch, 

Wie Gertrud selbst schreibt:

Dass du meinem Herzen 

Die erhabenen Dankzeichen 

Deiner heilsamen Wunden eingedrückt 

Und dazu die Wunde der Liebe 

So augenscheinlich und wirksam 

Ebenfalls meinem Herzen eingeprägt hast... 

Denn wenn du mir auch niemals 

Einen größeren inneren 

Noch äußeren Trost gegeben hättest, 

So hast du mir doch in diesen beiden 

Eine solche Seligkeit mitgeteilt, 

Dass ich, wenn ich auch tausend Jahre leben sollte, 

Hieraus zu jeder Stunde Trost, 

Unterweisung und Stoff zur Danksagung 

Mehr als genug schöpfen könnte. 

Auch hast du mir unter diesen Geschenken 

Deine unschätzbare vertraute Freundschaft gewährt, 

Indem du in verschiedener Weise 

Jene hoch erhabene Arche der Gottheit, 

Nämlich dein göttliches Herz, 

Als Gegenstand aller meiner Freuden 

Mir mitgeteilt hast. 

Zu dieser Fülle von Wohltaten 

Hast du noch die hinzugefügt, 

Dass du mir deine süßeste Mutter, 

Die allerheiligste Jungfrau Maria, 

Zur Herrin gegeben 

Und ihrer Liebe mich öfter 

So freundschaftlich empfohlen hast,

Wie nur jemals ein treuer Bräutigam 

Die geliebte Braut 

Seiner eigenen Mutter anempfehlen konnte.


Nach der ewigen Gemeinschaft strebend 

Beschließt sie ihr irdisches Dasein 

Am 17. November 1301, 

Im Alter von etwa 46 Jahren. 

In der siebten Übung, 

Der Vorbereitung auf den Tod, 

Schreibt Gertrud: Ja, Jesus, 

Von Herzen geliebt vor allen, 

Sei du also immer bei mir, 

Auf dass mein Herz bei dir bleibt, 

Und deine Liebe ungeteilt bei mir ausharre. 

Und so soll mein Übergang von dir gesegnet werden: 

Dass mein Geist, befreit von der Fessel des Leibes, 

Fortwährend in dir ruhe. Amen. 


Mir scheint offensichtlich zu sein, 

Dass diese Dinge nicht nur der Vergangenheit, 

Der Geschichte angehören. 

Vielmehr bleibt das Leben der heiligen Gertrud 

Auch weiterhin eine Schule des christlichen Lebens, 

Des rechten Weges, und es zeigt uns, 

Dass der Mittelpunkt eines glücklichen Lebens, 

Eines wahren Lebens 

Die Freundschaft mit Jesus, dem Herrn, ist. 

Und diese Freundschaft lernt man 

In der Liebe zur Heiligen Schrift, 

In der Liebe zur Liturgie, 

Im tiefen Glauben, in der Liebe zu Maria, 

Damit wir Gott und damit das wahre Glück, 

Das Ziel unseres Lebens 

Immer mehr wirklich kennenlernen. Danke.




ANGELA VON FOLIGNO


Liebe Schwester!


Heute möchte ich über die selige 

Angela von Foligno sprechen, 

Eine große Mystikerin des Mittelalters, 

Die im 13. Jahrhundert gelebt hat. 

Man ist gewöhnlich fasziniert 

Von den Höhen der Vereinigung mit Gott, 

Die sie erreicht hat, 

Zieht aber vielleicht zu wenig 

Die ersten Schritte in Betracht: 

Ihre Bekehrung und den langen Weg, 

Der sie von ihrem Ausgangspunkt, 

Der großen Furcht vor der Hölle, 

Bis ans Ziel, zur völligen Vereinigung 

Mit der Dreifaltigkeit, geführt hat. 

Im ersten Teil ihres Lebens 

War Angela gewiss keine eifrige Jüngerin des Herrn. 

Sie wurde um 1248 

In einer wohlhabenden Familie geboren 

Und nachdem sie den Vater verloren hatte, 

Von ihrer Mutter recht oberflächlich erzogen. 

Schon bald wurde sie in die höchsten Kreise 

Der Stadt Foligno eingeführt, 

Wo sie einen Mann kennenlernte, 

Den sie mit 20 Jahren heiratete 

Und mit dem sie Kinder hatte. 

Ihr Leben war so unbeschwert, 

Dass sie es sich sogar erlaubte, 

Die sogenannten Büßer, 

Die in jener Zeit sehr verbreitet waren, 

Zu verachten: jene also, die, 

Um Christus nachzufolgen, 

Ihr Hab und Gut verkauften 

Und im Gebet, im Fasten, 

Im Dienst an der Kirche 

Und in der Nächstenliebe lebten.


Einige Ereignisse, wie das schwere Erdbeben 

Von 1279, ein Orkan 

Und der langjährige Krieg gegen Perugia 

Mit seinen gravierenden Folgen, 

Wirken sich auf Angelas Leben aus. 

Sie wird sich allmählich ihrer Sünden bewusst 

Und unternimmt schließlich einen entscheidenden Schritt: 

Sie betet zum heiligen Franziskus, 

Der ihr in einer Vision erscheint, 

Und bittet ihn um Rat, 

Um eine gute Generalbeichte abzulegen. 

Wir befinden uns im Jahr 1285; 

Angela beichtet bei einem Ordensbruder 

In San Feliciano. Drei Jahre später 

Erfährt ihr Weg der Bekehrung eine weitere Wende: 

De Loslösung von den familiären Bindungen, 

Als innerhalb von wenigen Monaten 

Erst ihre Mutter und dann ihr Ehemann 

Und all ihre Kinder sterben. 

Danach verkauft sie ihren Besitz 

Und schließt sich 1291 dem Dritten Orden 

Des heiligen Franziskus an. 

Sie stirbt in Foligno am 4. Januar 1309.


Das Buch der seligen Angela von Foligno,

In dem die Dokumentation 

Über unsere Selige zusammengefasst ist, 

Berichtet über diese Bekehrung; 

Es nennt die dafür notwendigen Mittel: 

Buße, Demut und Leiden; 

Es legt die verschiedenen Schritte 

Und die Abfolge von Angelas Erfahrungen dar, 

Die 1285 begonnen haben. 

Sie rief sich das Erlebte in Erinnerung 

Und wollte es durch den Ordensbruder, 

Ihren Beichtvater, wiedergeben. 

Dieser schrieb es wahrheitsgetreu auf 

Und versuchte, es in Abschnitte zu ordnen, 

Die er Schritte oder Verwandlungen nannte, 

Wobei es ihm jedoch nicht gelang, 

Es ganz zu ordnen. 

Denn die selige Angela erfährt 

Die Vereinigung unter Einbeziehung 

Aller geistlichen und leiblichen Sinne, 

Und von dem, was sie in ihren Ekstasen erfasst, 

Bleibt sozusagen nur ein Schatten 

In ihrem Gedächtnis. 

Nach einer mystischen Entrückung bekennt sie: 

Ich hörte wahrhaftig diese Worte, 

Aber was ich sah und erfasste, 

Was Gott mir zeigte, 

Weiß ich auf keine Weise und kann es nicht sagen, 

Obgleich ich gerne darlegen würde, 

Was ich durch die Worte verstand, die ich vernahm. 

Es war jedoch ein unsagbarer Abgrund. -

Angela von Foligno spricht 

Über ihr mystisches Erleben, 

Ohne es durch den Verstand zu überarbeiten, 

Denn es sind göttliche Erleuchtungen, 

Die ihrer Seele plötzlich und unerwartet 

Mitgeteilt werden. Auch der Ordensbruder, 

Ihr Beichtvater, hat Schwierigkeiten, 

Diese Ereignisse wiederzugeben, 

Auch aufgrund ihrer großen 

Und bewundernswerten Zurückhaltung 

In Bezug auf die göttlichen Gaben. 

Zu Angelas Schwierigkeiten, 

Ihre mystische Erfahrung zum Ausdruck zu bringen, 

Kommt noch hinzu, dass ihre Zuhörer 

Schwierigkeiten haben, sie zu verstehen. 

Diese Situation zeigt deutlich, 

Dass der einzige und wahre Meister, Jesus, 

Im Herzen eines jeden Gläubigen wohnt 

Und es ganz in Besitz nehmen will. 

So ist es auch bei Angela, 

Die an einen geistlichen Sohn schrieb: 

Mein Sohn, wenn du mein Herz sehen würdest, 

So wärst du gezwungen, alles zu tun, was Gott will, 

Denn mein Herz ist Gottes Herz 

Und Gottes Herz ist mein Herz. 

Hier klingen die Worte des heiligen Paulus an: 

Nicht mehr ich lebe, 

Sondern Christus lebt in mir.


Wir wollen daher nur einige Schritte 

Des reichen geistlichen Weges 

Unserer Seligen betrachten. 

Der erste Schritt ist in Wirklichkeit eine Vorbedingung. 

Sie berichtet: Infolge der Erkenntnis der Sünde 

Hatte die Seele große Furcht, 

In Verdammnis zu geraten; 

In diesem Schritt weinte sie bitterlich. 

Diese Furcht vor der Hölle entspricht dem Glauben, 

Den Angela im Augenblick ihrer Bekehrung hatte: 

Einen Glauben, der noch arm war an Liebe zu Gott. 

Reue, Furcht vor der Hölle, Buße 

Eröffnen Angela die Perspektive 

Des schmerzhaften Weges des Kreuzes, 

Der sie dann vom achten bis zum fünfzehnten Schritt 

Auf den Weg der Liebe bringen wird. 

Der Ordensbruder, ihr Beichtvater, berichtet: 

Die Gläubige sagte zu mir: 

Ich hatte diese göttliche Offenbarung: 

Nach den Dingen, die ihr geschrieben habt, 

Sollst du schreiben lassen, 

Dass jeder, der die Gnade bewahren will, 

Die Augen der Seele nicht vom Kreuz abwenden darf, 

Weder in der Freude noch in der Trübsal, 

Die ich ihm sende oder gewähre. 

Aber in dieser Phase fühlt Angela noch keine Liebe; 

Sie sagt: Die Seele verspürt Scham und Bitterkeit 

Und fühlt noch keine Liebe, sondern Schmerz, 

Und ist damit nicht zufrieden.


Angela spürt, dass sie Gott 

Als Wiedergutmachung für ihre Sünden 

Etwas geben muss, aber langsam versteht sie, 

Dass sie nichts hat, was sie ihm geben kann, 

Ja, dass sie vor ihm nichts ist. 

Sie versteht, dass nicht ihr Wille 

Ihr die Liebe Gottes geben wird, 

Denn ihr Wille kann ihr nur ihr Nichts, 

Die Nicht-Liebe geben. Sie sagt: 

Nur die wahre und reine Liebe, 

Die von Gott kommt, ist in der Seele 

Und führt zur Erkenntnis der eigenen Fehler 

Und der göttlichen Güte.

Diese Liebe bringt die Seele zu Christus, 

Und sie versteht ganz sicher, 

Dass sie sich nicht täuschen kann. 

Unter diese Liebe lässt sich 

Keine weltliche Liebe mischen. 

Um sich einzig und vollkommen 

Ffür die Liebe Gottes zu öffnen, 

Die ihren größten Ausdruck in Christus hat, 

Betet sie: O mein Gott, 

Mach mich würdig, das höchste Geheimnis 

Zu erkennen, das deine glühende 

Und unsagbare Liebe 

Zusammen mit der Liebe 

Der Dreifaltigkeit gewirkt hat: 

Das höchste Geheimnis 

Deiner Menschwerdung für uns. 

O unergründliche Liebe! 

Es gibt keine größere Liebe als die, 

Durch die mein Gott Mensch geworden ist, 

Um mich zu Gott zu machen. -

Dennoch trägt Angelas Herz 

Noch immer die Wunden der Sünde, 

Denn nach einer guten Beichte 

War sie im Zustand der Vergebung, 

Aber noch immer durch die Sünde betrübt; 

Frei, aber noch unter dem Einfluss der Vergangenheit; 

Von der Sünde losgesprochen, 

Aber der Buße bedürftig. 

Und auch der Gedanke an die Hölle begleitet sie, 

Denn je mehr die Seele auf dem Weg 

Christlicher Vollkommenheit voranschreitet, 

Desto mehr ist sie davon überzeugt, 

Nicht nur unwürdig zu sein, 

Sondern die Hölle verdient zu haben.


So versteht Angela auf ihrem mystischen Weg 

Zutiefst die zentrale Wirklichkeit: 

Was sie von ihrer Unwürdigkeit 

Und davon, die Hölle verdient zu haben, 

Erretten wird, ist nicht ihre Vereinigung mit Gott 

Und ihr Besitz der Wahrheit, 

Sondern der gekreuzigte Jesus,

Seine Kreuzigung für mich, seine Liebe. 

Im achten Schritt sagt sie: Noch wusste ich nicht, 

Ob das größere Gut meine Befreiung 

Von den Sünden und von der Hölle 

Und die Bekehrung zur Buße war 

Oder seine Kreuzigung für mich. 

Es ist das labile Gleichgewicht 

Zwischen Liebe und Schmerz, 

Das sie auf ihrem ganzen schwierigen Weg 

Zur Vollkommenheit wahrnimmt. 

Gerade deshalb betrachtet sie am liebsten 

Den gekreuzigten Christus, 

Denn darin erblickt sie 

Das vollkommene Gleichgewicht: 

Am Kreuz befindet sich der Gottmensch, 

In der höchsten Leidenstat, 

Die die höchste Liebestat ist. 

In der dritten Instruktion spricht die Selige 

Noch einmal über diese Betrachtung und sagt: 

Je vollkommener und reiner 

Unsere Betrachtung ist, 

Desto vollkommener und reiner lieben wir. 

Je mehr wir also den Gott und Menschen 

Jesus Christus betrachten, 

Desto mehr werden wir in ihm 

Durch die Liebe verwandelt. 

Was ich über die Liebe gesagt habe, 

Das sage ich auch über den Schmerz: 

Je mehr die Seele den unsagbaren Schmerz 

Des Gottes und Menschen Jesus Christus betrachtet, 

Desto mehr leidet sie 

Und wird in Schmerz verwandelt. 

Die Liebe und das Leiden 

Des gekreuzigten Christus verinnerlichen, 

Sich darin verwandeln, 

Sich mit ihm identifizieren: 

Angelas Bekehrung, die mit der Beichte 

Von 1285 begann, kommt erst dann zur Reife, 

Als Gottes Vergebung ihrer Seele 

Als die unentgeltliche Liebesgabe des Vaters, 

Der Quelle der Liebe, erscheint. 

Sie sagt: Niemand kann einen Vorwand geltend machen, 

Denn jeder kann Gott lieben, 

Und er verlangt von der Seele nichts anderes 

Als dass sie ihn liebt, denn er liebt sie, 

Und sie ist seine Liebe.


Auf Angelas geistlichem Weg 

Findet der Übergang von der Bekehrung 

Zur mystischen Erfahrung, 

Vom Sagbaren zum Unsagbaren 

Durch den Gekreuzigten statt. 

Er ist der Gottmensch, der gelitten hat 

Und zu ihrem Meister der Vollkommenheit wird. 

Ihre ganze mystische Erfahrung 

Besteht also darin, eine vollkommene 

Ähnlichkeit mit ihm anzustreben, 

Durch immer tiefere und radikalere 

Reinigungen und Verwandlungen. 

Diesem wunderbaren Unterfangen 

Gibt sich Angela ganz hin, 

Mt Leib und Seele, 

Ohne sich Buße und Schmerz zu ersparen, 

Von Anfang bis zum Ende, 

In dem Wunsch, mit allen Schmerzen zu sterben, 

Die der gekreuzigte Gottmensch erlitten hat, 

Um ganz in ihn verwandelt zu werden. 

Sie riet: O Kinder Gottes, 

Verwandelt euch ganz in den Gottmenschen, 

Der gelitten hat, der euch so sehr geliebt hat, 

Dass er für euch einen schändlichen 

Und unfassbar schmerzhaften, 

Qualvollen und bitteren Tod auf sich genommen hat. 

Dies geschah nur aus Liebe zu dir, o Mensch!


Eine solche Identifizierung 

Bedeutet auch, das zu leben, 

Was Jesus gelebt hat: 

Armut, Verachtung, Schmerz, 

Denn – wie sie sagt – durch die zeitliche Armut 

Wird die Seele ewige Reichtümer finden; 

Durch Verachtung und Schande 

Wird sie zu höchsten Ehren 

Und größter Herrlichkeit gelangen; 

Durch geringe Buße, 

Die sie mit Mühe und Schmerz auf sich nimmt, 

Wird sie mit unendlicher Wonne und Trost 

Das höchste Gut besitzen, 

Den ewigen Gott.


Von der Bekehrung zur mystischen Vereinigung 

Mit dem gekreuzigten Christus, 

Zum Unsagbaren: ein erhabener Weg, 

Dessen Geheimnis das unablässige Gebet ist. 

Sie sagt: Je mehr du betest, 

Desto mehr wirst du erleuchtet werden; 

Je mehr du erleuchtet wirst, 

Desto gründlicher und klarer wirst du 

Das höchste Gut erkennen, 

Das in höchstem Maße gute Sein; 

Je gründlicher und klarer du ihn erkennen wirst, 

Desto mehr wirst du ihn lieben; 

Je mehr du ihn lieben wirst, 

Desto mehr wird er dich erfreuen; 

Und je mehr er dich erfreuen wird, 

Desto besser wirst du ihn erfassen 

Und in der Lage sein, ihn zu verstehen. 

Danach wirst du zur Fülle des Lichts gelangen, 

Weil du verstehen wirst, 

Dass du ihn nicht erfassen kannst.





ELISABETH VON THÜRINGEN


Liebe Schwester!


Heute möchte ich über eine Frau 

Des Mittelalters sprechen, 

Die höchste Bewunderung hervorgerufen hat: 

Elisabeth von Ungarn, 

Auch Elisabeth von Thüringen genannt.


Sie wurde 1207 geboren; 

Über den Ort sind sich die Historiker uneinig. 

Ihr Vater war Andreas II., 

Der reiche und mächtige König von Ungarn. 

Um die politischen Verbindungen zu festigen, 

Hatte er die deutsche Gräfin 

Gertrud von Andechs-Meranien geheiratet, 

Die Schwester der heiligen Hedwig, 

Gemahlin des Herzogs von Schlesien. 

Elisabeth verbrachte nur die ersten vier Jahre 

Ihrer Kindheit am ungarischen Hof, 

Zusammen mit einer Schwester und drei Brüdern. 

Sie liebte Spiel, Musik und Tanz, 

Sprach treu ihre Gebete 

Und zeigte schon damals besondere Aufmerksamkeit 

Gegenüber den Armen, 

Denen sie mit einem guten Wort 

Oder einer liebevollen Geste half.


Ihre glückliche Kindheit wurde jäh unterbrochen, 

Als Ritter aus dem fernen Thüringen kamen, 

Um sie auf ihren neuen Sitz 

In Mitteldeutschland zu bringen. 

Den damaligen Sitten entsprechend 

Hatte ihr Vater nämlich bestimmt, 

Dass Elisabeth Prinzessin 

Von Thüringen werden sollte. 

Der Landgraf dieser Region 

War einer der reichsten und einflussreichsten 

Herrscher Europas zu Beginn des 13. Jahrhunderts, 

Seine Burg war ein Zentrum 

Der Pracht und der Kultur. 

Aber hinter den Festlichkeiten 

Und der scheinbaren Herrlichkeit 

Vrbargen sich die ehrgeizigen Bestrebungen 

Der Feudalfürsten, die oft im Krieg miteinander 

Und im Konflikt mit den königlichen 

Und kaiserlichen Autoritäten standen. 

Vor diesem Hintergrund begrüßte Landgraf Hermann 

Die Verlobung zwischen seinem Sohn Ludwig 

Und der ungarischen Prinzessin sehr. 

Elisabeth verließ ihre Heimat 

Mit reicher Mitgift und großem Gefolge, 

Zu dem auch ihre Kammerfrauen gehörten. 

Zwei von ihnen sollten ihr bis zum Ende 

Treue Freundinnen bleiben. 

Sie haben uns wertvolle Nachrichten 

Über die Kindheit und das Leben 

Der Heiligen hinterlassen.


Nach einer langen Reise 

Kam sie in Eisenach an, 

Um dann zur Wartburg hinaufzugehen, 

Zur mächtigen Festung oberhalb der Stadt. 

Hier wurde die Verlobung 

Von Ludwig und Elisabeth gefeiert. 

In den folgenden Jahren lernte Ludwig 

Den Beruf des Ritters, während Elisabeth 

Und ihre Gefährtinnen in Deutsch, 

Französisch, Latein, Musik, Literatur 

Und Stickerei unterwiesen wurden. 

Obwohl die Verlobung aus politischen Gründen 

Entschieden worden war, entstand 

Zwischen den beiden jungen Menschen 

Eine aufrichtige Liebe, die beseelt war 

Vom Glauben und von dem Wunsch, 

Den Willen Gottes zu tun. 

Im Alter von 18 Jahren 

Übernahm Ludwig die Herrschaft über Thüringen. 

Elisabeth wurde jedoch Gegenstand verhaltener Kritik, 

Weil ihre Lebensweise nicht dem höfischen 

Leben entsprach. Auch die Hochzeitsfeier 

War nicht prunkvoll, 

Und die für das Mahl vorgesehenen Ausgaben 

Wurden teilweise den Armen zugewendet. 

In ihrer tiefen Sensibilität erkannte Elisabeth 

Die Widersprüche zwischen dem Glauben, 

Den man bekannte, und der christlichen Praxis. 

Sie duldete keine Kompromisse. 

Einmal nahm sie, als sie am Fest 

Der Aufnahme Mariens in den Himmel 

Die Kirche betrat, die Krone ab, 

Legte sie vor dem Kreuz nieder 

Und warf sich mit verhülltem Gesicht zu Boden. 

Als ihre Schwiegermutter sie deswegen tadelte, 

Antwortete sie: Ferne sei mir, 

Im Angesicht meines Gottes 

Und Königs Jesus Christus, 

Den ich mit Dornen gekrönt erblicke, 

Selbst ein geringes und aus Erde gebildetes Geschöpf, 

Mit eitler Überheblichkeit gekrönt zu erscheinen!

So wie sie sich vor Gott verhielt, 

Verhielt sie sich auch gegenüber den Untertanen. 

Im Büchlein über die Aussagen 

Der vier Dienerinnen finden wir folgendes Zeugnis: 

Sie griff bei Tisch nur zu, wenn sie wusste, 

Dass die Speisen von den rechtmäßigen Gütern 

Ihres Gemahls kamen. 

Sie verzichtete nicht nur auf unrechtmäßige Einkünfte, 

Sondern sorgte auch nach Möglichkeit dafür, 

Dass den ungerecht Behandelten 

Ersatz geleistet wurde. 

Ein wahres Vorbild für alle, 

Die Führungsrollen bekleiden: 

Die Autorität muss auf jeder Ebene 

Als Dienst an der Gerechtigkeit 

Und an der Liebe ausgeübt werden, 

Im unablässigen Streben nach dem Gemeinwohl.


Elisabeth übte unermüdlich 

Werke der Barmherzigkeit: 

Sie gab allen, die an ihr Tor klopften, 

Zu trinken und zu essen, 

Sie beschaffte Kleidung, 

Beglich Schulden, 

Sorgte für die Kranken 

Und begrub die Toten. 

Oft stieg sie von ihrer Burg herab 

Und ging mit ihren Dienerinnen 

In die Häuser der Armen, 

Brachte ihnen Brot, Fleisch, Mehl 

Und andere Nahrungsmittel. 

Sie übergab die Speisen persönlich 

Und überprüfte aufmerksam die Kleidung 

Und Bettstatt der Armen. 

Als dieses Verhalten ihrem Gemahl 

Hinterbracht wurde, missfiel es diesem 

Jedoch ganz und gar nicht, 

Sondern er antwortete den Anklägern sogar: 

Lasst sie Gutes tun und für Gott geben, was sie mag! 

Erhaltet meiner Herrschaft 

Nur die Wartburg und Neuenburg!

In diesem Zusammenhang ist das Wunder 

Vom Brot, das zu Rosen wird, anzusiedeln: 

Als Elisabeth mit der Schürze 

Voll Brot für die Armen die Straße hinunterging, 

Begegnete sie ihrem Gemahl, und er fragte sie, 

Was sie bei sich trug. 

Sie öffnete die Schürze, 

Und anstelle des Brotes 

Kamen wunderschöne Rosen zum Vorschein. 

Dieses Symbol der Nächstenliebe 

Findet sich oft in den Darstellungen 

Der heiligen Elisabeth.


Ihre Ehe war zutiefst glücklich: 

Elisabeth half ihrem Gemahl, 

Seine menschlichen Eigenschaften 

Auf eine übernatürliche Ebene zu erheben, 

Und er schützte im Gegenzug 

Seine Gemahlin in ihrer Freigebigkeit 

Gegenüber den Armen 

Und in ihren Frömmigkeitsübungen. 

Ludwig bewunderte den großen Glauben 

Seiner Ehefrau immer mehr 

Und sagte in Bezug auf ihre Fürsorge 

Für die Armen zu ihr: Liebe Elisabeth, 

Es ist Christus, den du gewaschen 

Und gespeist und für den du Sorge getragen hast.

Dies ist ein klares Zeugnis dafür, 

Dass der Glaube und die Liebe zu Gott 

Und zum Nächsten das Familienleben stärken 

Und den Ehebund noch tiefer machen.


Das junge Paar fand geistlichen Beistand 

Durch die Minderbrüder, 

Die sich ab 1222 in Thüringen verbreiteten. 

Unter ihnen wählte Elisabeth 

Bruder Rüdiger als geistlichen Leiter. 

Als er ihr von der Bekehrung 

Des jungen und reichen Händlers 

Franz von Assisi berichtete, 

Erwachte in Elisabeth noch größere Begeisterung 

Für ihren christlichen Lebensweg. 

Von jenem Augenblick an folgte sie 

Mit noch größerer Entschlossenheit 

Dem armen und gekreuzigten Christus nach, 

Der in den Armen gegenwärtig ist. 

Auch als ihr erstes Kind geboren wurde, 

Auf das später noch zwei weitere folgten, 

Vernachlässigte unsere Heilige nie 

Ihre Liebeswerke. 

Außerdem half sie den Minderbrüdern, 

In Halberstadt ein Kloster zu gründen, 

Dessen Oberer Bruder Rüdiger wurde. 

So übernahm Konrad von Marburg 

Elisabeths geistliche Leitung.


Eine harte Prüfung war der Abschied 

Von ihrem Gemahl Ende Juni 1227, 

Als Ludwig IV. sich dem Kreuzzug 

Kaiser Friedrichs II. anschloss. 

Er erinnerte seine Gemahlin daran, 

Dass dies eine Tradition 

Der Herrscher von Thüringen war. 

Elisabeth antwortete: Ich halte dich nicht zurück. 

Ich habe mich ganz Gott hingeschenkt, 

Und jetzt muss ich auch dich hergeben. 

Das Fieber raffte jedoch die Truppen hinweg, 

Und auch Ludwig wurde krank und starb, 

Bevor er an Bord gehen konnte, 

Im September 1227 in Otranto 

Im Alter von 27 Jahren. 

Als Elisabeth die Nachricht überbracht wurde, 

War sie davon so schmerzlich getroffen, 

Dass sie sich in die Einsamkeit zurückzog. 

Dann aber, gestärkt vom Gebet 

Und getröstet durch die Hoffnung, 

Ihn im Himmel wiederzusehen, 

Begann sie wieder, sich um die Herrschaftsbelange 

Zu kümmern. Aber es erwartete sie 

Eine weitere Prüfung: Ihr Schwager 

Riss die Herrschaft über Thüringen an sich, 

Indem er sich zum wahren Erben Ludwigs erklärte 

Und Elisabeth anklagte, eine fromme Frau zu sein, 

Die nicht fähig sei, die Herrschaft zu führen. 

Die junge Witwe wurde zusammen 

Mit den drei Kindern 

Von der Wartburg vertrieben 

Und machte sich auf die Suche 

Nach einer Unterkunft. 

Nur zwei ihrer Dienerinnen blieben bei ihr, 

Begleiteten sie und vertrauten 

Die drei Kinder der Obhut von Ludwigs Freunden an. 

Elisabeth zog von einem Dorf zum anderen. 

Sie arbeitete, wo immer sie Aufnahme fand, 

Pflegte die Kranken, spann und nähte. 

Während dieses Leidensweges, 

Den sie mit großem Glauben, 

Geduld und Gottvertrauen auf sich nahm, 

Wurde sie durch einige Verwandte, 

Die ihr treu geblieben waren 

Und die Herrschaft des Schwagers 

Als unrechtmäßig betrachteten, rehabilitiert. 

So bekam Elisabeth Anfang 1228 

Angemessenen Unterhalt 

Und konnte sich auf den Sitz der Familie 

In Marburg zurückzuziehen, 

Wo auch ihr geistlicher Leiter Konrad lebte. 

Er teilte Papst Gregor IX. folgendes mit: 

Am Karfreitag legte sie ihre Hände 

Auf den Altar einer Kapelle ihrer Stadt, 

Die sie den Minderbrüdern übergeben hatte, 

Und verzichtete in Gegenwart einiger Brüder 

Auf Eltern und Kinder 

Und auf den eigenen Willen, 

Auf allen Glanz der Welt.

Als sie nun auch auf ihren Besitz verzichten wollte, 

Hielt ich sie zurück

Wegen der Armen, denen sie 

Almosen spenden sollte. 

Dort erbaute sie in der Stadt Marburg ein Hospital 

Und gewährte darin Kranken 

Und Schwachen Aufnahme. 

Die Elenden und Verachteten 

Setzte sie an ihren eigenen Tisch, 

Und als ich sie deshalb tadelte, erwiderte sie mir, 

Sie empfange von ihnen 

Sonderliche Gnade und Demut.


Wir können in diesen Worten 

Eine gewisse mystische Erfahrung erkennen, 

Die der des Franz von Assisi ähnlich ist: 

Der Poverello von Assisi sagte nämlich 

In seinem Testament, dass durch den Dienst 

An den Aussätzigen das, 

Was ihm vorher bitter vorkam, 

In Süßigkeit der Seele 

Und des Leibes verwandelt wurde. 

Elisabeth verbrachte die letzten drei Jahre 

In dem von ihr gegründeten Hospital, 

Wo sie den Kranken diente 

Und bei den Sterbenden wachte. 

Sie versuchte stets, die niedrigsten Dienste 

Und abstoßende Arbeiten zu verrichten. 

Sie wurde das, was wir als geweihte Frau 

In der Welt bezeichnen könnten, 

Und bildete zusammen mit einigen Freundinnen, 

Die grau gekleidet waren, 

Eine Schwesterngemeinschaft. 


Im November 1231 

Bekam sie hohes Fieber. 

Als sich die Nachricht von ihrer Krankheit verbreitete, 

Kamen sehr viele Menschen, um sie zu sehen. 

Nach etwa zehn Tagen bat sie darum, 

Die Tore zu schließen, 

Um allein zu bleiben mit Gott. 

In der Nacht auf den 17. November 

Entschlief sie sanft im Herrn. 

Aufgrund der zahlreichen Zeugnisse 

Von ihrer Heiligkeit

Sprach Papst Gregor IX. 

Sie nur vier Jahre später heilig, 

Und im selben Jahr wurde 

Die schöne Kirche geweiht, 

Die ihr zu Ehren in Marburg erbaut wurde.




BRIGITTA VON SCHWEDEN


Liebe Schwester!


Wir sind über die Ereignisse des Lebens 

Birgittas gut unterrichtet, 

Da ihre geistlichen Leiter 

Ihren Lebenslauf niedergeschrieben haben, 

Um sofort nach ihrem Tod im Jahre 1373 

Ihren Heiligsprechungsprozeß einzuleiten. 

Birgitta wurde 70 Jahre zuvor geboren, 

Im Jahre 1303, in Finsta, in Schweden, 

Einer Nation im Norden Europas, 

Die seit drei Jahrhunderten den christlichen Glauben 

Mit derselben Begeisterung angenommen hatte, 

Mit der die Heilige ihn von ihren Eltern empfing. 

Sie waren sehr fromme Menschen 

Und gehörten adligen Familien an, 

Die dem Herrscherhaus nahestanden.


Wir können im Leben dieser Heiligen 

Zwei Phasen unterscheiden.


Die erste ist gekennzeichnet durch ihren Lebensstand 

Als glücklich verheiratete Frau. 

Ihr Gatte hieß Ulf 

Und war Landvogt einer bedeutenden Region 

Des Königreichs Schweden. 

Die Ehe dauerte 28 Jahre, bis zu Ulfs Tod. 

Acht Kinder gingen daraus hervor, 

Von denen die Zweitgeborene, 

Karina, als Heilige verehrt wird. 

Das ist ein beredtes Zeichen 

Für Birgittas Bemühungen 

Um die Erziehung ihrer Kinder. 

Ihre pädagogische Weisheit 

Wurde übrigens so sehr geschätzt, 

Dass der König von Schweden, Magnus, 

Sie für eine gewisse Zeit an den Hof bestellte, 

Um seine junge Gemahlin, 

Blanche von Namur, 

In die schwedische Kultur einzuführen.


Unter der geistlichen Leitung 

Eines gebildeten Ordensmannes, 

Der sie in das Studium der Heiligen Schrift einführte, 

Übte Birgitta einen sehr positiven Einfluss 

Auf ihre Familie aus, die dank ihrer Gegenwart 

Zu einer wahren Hauskirche wurde. 

Zusammen mit ihrem Ehemann 

Nahm sie die Regel des Dritten Ordens 

Der Franziskaner an. 

Sie verrichtete großherzige Werke 

Der Nächstenliebe gegenüber den Bedürftigen 

Und gründete auch ein Hospital. 

An der Seite seiner Gemahlin lernte Ulf, 

Seinen Charakter zu verbessern 

Und im christlichen Leben voranzuschreiten. 

Bei der Rückkehr von einer langen Pilgerreise 

Nach Santiago de Compostela, 

Die sie 1341 zusammen 

Mit anderen Familienangehörigen unternahmen, 

Reifte in den Eheleuten das Vorhaben heran, 

In Enthaltsamkeit zu leben; 

Aber kurz darauf beschloss Ulf 

Im Frieden eines Klosters, 

In das er sich zurückgezogen hatte, 

Sein irdisches Leben.


Dieser erste Abschnitt von Birgittas Leben hilft uns, 

Das besser schätzen zu lernen, was wir heute 

Als wahre Ehespiritualität bezeichnen könnten: 

Gemeinsam können die christlichen Eheleute 

Einen Weg der Heiligkeit beschreiten, 

Gestützt von der Gnade des Ehesakraments. 

Nicht selten ist es – wie im Leben 

Birgittas und Ulfs – die Frau, der es gelingt, 

Mit ihrer religiösen Sensibilität, 

Mit Einfühlsamkeit und Sanftheit 

Den Ehemann einen Glaubensweg 

Beschreiten zu lassen. Ich denke 

Mit Anerkennung an die vielen Frauen, 

Die Tag für Tag auch heute noch 

Ihre Familien mit ihrem Zeugnis 

Des christlichen Lebens erleuchten. 

Möge der Geist des Herrn auch heute 

Die Heiligkeit der christlichen Eheleute erwecken, 

Um der Welt die Schönheit der Ehe zu zeigen, 

Die nach den Werten des Evangeliums gelebt wird: 

Liebe, Zärtlichkeit, gegenseitige Hilfe, 

Fruchtbarkeit in der Zeugung 

Und Erziehung der Kinder, 

Öffnung und Solidarität gegenüber der Welt, 

Teilnahme am Leben der Kirche.


Als Birgitta Witwe wurde, 

Begann der zweite Abschnitt ihres Lebens. 

Sie verzichtete auf eine Wiederverheiratung, 

Um tiefer mit dem Herrn vereint zu sein 

Durch Gebet, Buße 

Und Werke der Nächstenliebe. 

Auch die christlichen Witwen können also 

In dieser Heiligen ein Vorbild finden, 

Dem sie folgen können. 

Nach dem Tod ihres Ehemannes 

Ließ sich Birgitta, nachdem sie ihren Besitz 

An die Armen verteilt hatte, 

Beim Zisterzienserkloster von Alvastra nieder, 

Ohne jemals die Ordensweihe zu empfangen. 

Hier begannen die göttlichen Offenbarungen, 

Die sie ihr ganzes weiteres Leben hindurch begleiteten. 

Birgitta diktierte sie ihren Sekretären – 

Ihren Beichtvätern – 

De sie aus dem Schwedischen 

Is Lateinische übersetzten 

Und in einer achtbändigen Ausgabe zusammenfassten, 

Die den Titel Offenbarungen trägt. 

Zu diesen Büchern kommt ein Ergänzungsband hinzu, 

Mit dem Titel Zusätzliche Offenbarungen.


Die Offenbarungen der heiligen Birgitta 

Sind vom Inhalt und Stil her sehr unterschiedlich. 

Manchmal zeigt sich die Offenbarung 

In Form von Gesprächen 

Zwischen den göttlichen Personen, 

Der Jungfrau Maria, den Heiligen 

Und auch den Dämonen; 

Auch Birgitta nimmt an diesen Gesprächen teil. 

Andere Male dagegen wird von einer 

Besonderen Schau berichtet; 

Weder andere Male wird das wiedergegeben, 

Was die Jungfrau Maria ihr 

Über das Leben und die Geheimnisse 

Ihres Sohnes offenbart. 

Den Wert der Offenbarungen Birgittas, 

Der manchmal angezweifelt wird, 

Erläutert Johannes Paul II. 

Im Apostolischen Schreiben Spes aedificandi, 

Wo er sagt, dass die Kirche, 

As sie die Heiligkeit Birgittas anerkannte, 

Die Authentizität ihrer inneren Erfahrung 

Insgesamt billigte, auch ohne sich 

Zu den einzelnen Offenbarungen zu äußern


Beim Lesen dieser Offenbarungen 

Werden wir in der Tat vor Fragen gestellt, 

Die viele wichtige Themen betreffen. 

Zum Beispiel wird immer wieder, 

Mit sehr realistischen Einzelheiten, 

Das Leiden Christi beschrieben, 

Dem Birgitta stets eine besondere Verehrung entgegenbrachte, 

Da sie in ihm die unendliche Liebe Gottes 

Zu den Menschen erblickte. 

Kühn legt sie dem Herrn, der zu ihr spricht, 

Diese bewegenden Worte in den Mund: 

O meine Freunde, 

So zärtlich liebe ich die Schafe, 

Dass ich, wenn es möglich wäre, noch einmal 

Für jedes einzelne Schaf, 

Um es nicht entbehren zu müssen, 

Sondern wieder einzulösen, 

Einen besonderen Tod sterben möchte, 

Wie ich denselben schon einmal 

Am Kreuz für alle erlitten habe. - 

Auch die schmerzensreiche Mutterschaft Marias, 

Die sie zur Mittlerin 

Und Mutter der Barmherzigkeit machte, 

Ist ein Thema, 

Das in den Offenbarungen oft wiederkehrt.


Birgitta war sich bewusst, 

Dass sie durch den Empfang dieser Geistesgaben 

Die Empfängerin eines Geschenks 

Besonders großer Liebe von Seiten des Herrn war. 

Im ersten Buch der Offenbarungen lesen wir: 

Du aber, meine Tochter, 

Die ich mir erwählt,

Sollst mich von ganzem Herzen lieben

Mehr als irgend etwas in der Welt. 

Im Übrigen wusste Birgitta wohl 

Und war fest davon überzeugt, 

Dass jede Geistesgabe dazu bestimmt ist, 

Die Kirche zu erbauen. 

Eben aus diesem Grund waren nicht wenige 

Ihrer Offenbarungen an die Gläubigen 

Ihrer Zeit gerichtet, einschließlich 

Der religiösen und politischen Obrigkeiten, 

In Form manchmal strenger Ermahnungen, 

Ihr christliches Leben konsequent zu leben; 

Sie tat dies jedoch immer mit Respekt 

Und in voller Treue zum Lehramt der Kirche, 

Insbesondere zum Nachfolger des Apostels Petrus.


1349 verließ Birgitta Schweden für immer 

Ud unternahm eine Pilgerreise nach Rom. 

Sie wollte nicht nur am Heiligen Jahr 1350 teilnehmen, 

Sondern hatte auch den Wunsch, vom Papst 

Die Approbation der Regel eines Ordens zu erlangen, 

Den sie gründen wollte, 

Benannt nach dem Allerheiligsten Erlöser 

Ud zusammengesetzt aus Mönchen und Nonnen 

Unter der Autorität der Äbtissin. 

Dieses Element darf uns nicht verwundern: 

Im Mittelalter gab es Klostergründungen 

Mit einem männlichen und einem weiblichen Zweig, 

Die derselben Ordensregel folgten, 

In der die Leitung durch eine Äbtissin vorgesehen war. 

In der großen christlichen Überlieferung 

Wird der Frau in der Tat eine eigene Würde 

Und – stets nach dem Vorbild Marias, 

Königin der Apostel – ein eigener Platz 

In der Kirche zuerkannt. 

Dieser entspricht nicht dem Weihepriestertum, 

Ist aber für das geistliche Wachstum 

Der Gemeinschaft ebenso wichtig. 

Außerdem ist die Zusammenarbeit 

Von geweihten Männern und Frauen, 

Stets unter Achtung ihrer besonderen Berufung, 

In der heutigen Welt von großer Bedeutung.


In Rom widmete sich Birgitta 

Zusammen mit ihrer Tochter Karina 

Einem Leben des intensiven Apostolats 

Und des Gebets. 

Und von Rom aus pilgerte sie 

Zu verschiedenen italienischen Heiligtümern, 

Insbesondere nach Assisi, 

Der Heimat des heiligen Franziskus, 

Dem Birgitta stets große Verehrung entgegenbrachte. 

1371 ging schließlich ihr größter Wunsch in Erfüllung: 

Die Reise ins Heilige Land. 

Sie begab sich dorthin in Begleitung 

Ihrer geistlichen Kinder, einer Gruppe, 

Die Birgitta die Freunde Gottes nannte.


In jenen Jahren waren die Päpste 

In Avignon, fern von Rom: 

Birgitta bat sie inständig, zum Sitz Petri, 

In die Ewige Stadt, zurückzukehren.


Sie starb 1373, bevor Papst Gregor XI. 

Endgültig nach Rom zurückkehrte. 

Sie wurde vorübergehend 

In der römischen Kirche 

San Lorenzo in Panisperna bestattet, 

Aber 1374 brachten ihre Kinder

Birger und Karina sie in die Heimat zurück, 

In das Kloster Vadstena, 

Sitz des von Birgitta gegründeten Ordens, 

Der sofort eine beachtliche Verbreitung erfuhr. 

1391 erfolgte die feierliche Heiligsprechung 

Durch Papst Bonifatius IX.




JULIANA VON LÜTTICH


Liebe Schwester!


Auch heute möchte ich dir 

Eine Frauengestalt vorstellen, 

Die kaum bekannt ist, 

Der aber die Kirche zu großem Dank verpflichtet ist, 

Nicht nur aufgrund der Heiligkeit ihres Lebens, 

Sondern auch, weil sie durch ihren großen Seeleneifer 

Zur Einführung eines der wichtigsten 

Liturgischen Hochfeste 

Des Jahres beigetragen hat: 

Des Festes Corpus Christi. 

Es handelt sich um Juliana von Cornillon, 

Die auch als Juliana von Lüttich bekannt ist. 

Wir besitzen einige Angaben über ihr Leben 

Vor allem durch eine Biographie, 

Ddie wahrscheinlich von einem zeitgenössischen 

Kleriker geschrieben wurde 

Und in der verschiedene Zeugnisse 

Von Personen, die die Heilige 

Unmittelbar kannten, zusammengetragen wurden.


Juliana wurde zwischen 1191 und 1192 

In der Nähe von Lüttich, in Belgien, geboren. 

Es ist wichtig, diesen Ort hervorzuheben, 

Denn in jener Zeit war die Diözese Lüttich 

Ein wahrer eucharistischer Abendmahlssaal. 

Vor Juliana hatten namhafte Theologen 

Dort den herausragenden Wert 

Des Sakraments der Eucharistie erläutert, 

Und in Lüttich gab es auch Gruppen 

Von Frauen, die sich großherzig 

Der Verehrung der Eucharistie 

Und dem eifrigen Kommunion-Empfang widmeten. 

Unter der Führung von vorbildlichen Priestern 

Lebten sie in Gemeinschaft 

Und widmeten sich dem Gebet 

Und den Werken der Nächstenliebe.


Als Juliana im Alter von fünf Jahren verwaiste, 

Wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Agnes 

Der Obhut der Augustinerinnen 

Des Klosters und Hospitals Mont-Cornillon anvertraut. 

Sie wurde vor allem von einer Schwester 

Namens Sapientia erzogen, 

Die ihr geistliches Heranreifen förderte, 

Bis Juliana selbst das Ordensgewand empfing 

Und Augustinerin wurde. 

Sie erwarb eine beachtliche Bildung 

Und las sogar die Werke der Kirchenväter 

In lateinischer Sprache, 

Insbesondere Augustinus und Bernhard. 

Außer einer wachen Intelligenz 

Zeigte Juliana von Anfang an 

Einen besonderen Hang zur Kontemplation; 

Sie hatte einen tiefen Sinn 

Für die Gegenwart Christi, die sie erfuhr, 

Indem sie das Sakrament der Eucharistie 

In besonderer Tiefe lebte 

Und oft über die Worte Jesu nachdachte: 

Seid gewiss: Ich bin bei euch 

Alle Tage bis zum Ende der Welt.


Mit 16 Jahren hatte sie zum ersten Mal

Eine Vision, die sich ihr später 

In der eucharistischen Anbetung mehrmals wiederholte. 

In der Vision zeigte sich der Mond 

Iin seinem vollen Glanz, 

Von einem dunklen Streifen durchquert. 

Der Herr gab ihr die Bedeutung 

Dieser Erscheinung zu verstehen. 

Der Mond symbolisierte das Leben 

Der Kirche auf der Erde, 

Die trübe Linie dagegen das Fehlen 

Eines liturgischen Festes, für dessen Einführung 

Juliana sich tatkräftig einsetzen sollte: 

Ein Fest, bei dem die Gläubigen 

Die Eucharistie anbeten konnten, 

Um den Glauben zu mehren, 

Die Übung der Tugenden zu fördern 

Und die Schmähungen des Allerheiligsten 

Sakraments zu sühnen.


Etwa 20 Jahre lang hielt Juliana, 

Die in der Zwischenzeit Priorin 

Des Klosters geworden war, 

Diese Offenbarung, die ihr Herz 

Mit Freude erfüllt hatte, geheim. 

Dann vertraute sie sich zwei weiteren 

Leidenschaftlichen Anbeterinnen der Eucharistie an: 

Der seligen Evelin, die als Einsiedlerin lebte, 

Und Isabella, die zu ihr ins Kloster 

Mont-Corillon gekommen war.


Die drei Frauen schlossen eine Art 

Geistlichen Bund, mit dem Anliegen, 

Das Allerheiligste Sakrament zu verherrlichen. 

Sie wollten auch einen sehr angesehenen Priester, 

Johannes von Lausanne, Kanoniker 

Der Kirche Saint-Martin in Lüttich, 

Mit einbeziehen und baten ihn, 

Theologen und Kleriker über das zu befragen, 

Was ihnen am Herzen lag. 

Die Antworten waren positiv und ermutigend.


Was Juliana von Lüttich geschah, 

Kommt im Leben der Heiligen häufig vor: 

Um die Bestätigung zu erhalten, 

Dass eine Eingebung von Gott kommt, 

Ist es immer nötig, sich ins Gebet zu versenken, 

Geduldig warten zu können, 

Die Freundschaft und die Gegenüberstellung 

Mit anderen guten Seelen zu suchen 

Und alles dem Urteil der Hirten 

Der Kirche zu unterwerfen. 

Nach anfänglichem Zögern 

Nahm der Bischof von Lüttich

Den Vorschlag Julianas und ihrer Gefährtinnen an 

Und führte erstmalig das Fest Corpus Christi

In seiner Diözese ein. 

Später folgten andere Bischöfe seinem Beispiel 

Und setzten dieses Fest in den 

Ihrer Hirtensorge anvertrauten Gebieten ein.


Von den Heiligen verlangt der Herr jedoch oft, 

Prüfungen zu überwinden, 

Damit ihr Glaube zunimmt. 

So war es auch bei Juliana, 

Die starken Widerstand 

Von Seiten einiger Angehöriger des Klerus 

Sowie des Oberen, dem ihr Kloster unterstand, 

Erdulden musste. 

So verließ Juliana aus freiem Willen 

Das Kloster Mont-Corillon mit einigen Gefährtinnen 

Und war zehn Jahre lang, von 1248 bis 1258, 

In verschiedenen Zisterzienserinnen-Klöstern zu Gast. 

Sie erbaute alle durch ihre Demut, 

Übte nie Kritik oder Tadel an ihren Gegnern, 

Sondern verbreitete weiterhin eifrig 

Die Verehrung der Eucharistie. 

Sie starb 1258 in Fossela-Ville in Belgien. 

In ihrer Zelle war das Allerheiligste 

Sakrament ausgesetzt, 

Und ihrem Biographen zufolge 

Betrachtete Juliana im Sterben 

Mit letzter liebender Hinwendung 

Den eucharistischen Jesus, 

Den sie stets geliebt, verehrt und angebetet hatte.



KATHARINA VON SIENA


Liebe Schwester!


Heute möchte ich über eine Frau sprechen, 

Die eine herausragende Rolle 

In der Kirchengeschichte hatte. 

Es handelt sich um Katharina von Siena. 

Das Jahrhundert, in dem sie lebte – 

Das 14. Jahrhundert –, war eine schwierige Zeit 

Für das Leben der Kirche 

Und der ganzen Gesellschaftsstruktur 

In Italien und in Europa. 

Doch der Herr läßt auch in Augenblicken 

Großer Schwierigkeiten nicht ab, 

Sein Volk zu segnen, indem er heilige 

Männer und Frauen erweckt, 

Die den Verstand und das Herz aufrütteln 

Und Bekehrung und Erneuerung bewirken. 

Katharina ist eine von ihnen, 

Und auch heute noch spricht sie zu uns 

Und spornt uns an, mutig den Weg 

Zur Heiligkeit zu beschreiten, 

Um in immer vollkommenener Weise 

Jünger des Herrn zu sein.


Sie wurde 1347 in Siena 

In einer sehr kinderreichen Familie geboren 

Und starb 1380 in Rom. 

Im Alter von 16 Jahren trat sie, 

Von einer Vision des hl. Dominikus veranlasst, 

In den weiblichen Zweig 

Des Dritten Ordens der Dominikaner ein. 

Sie blieb in der Familie, 

Bekräftigte das Gelübde der Jungfräulichkeit, 

Das sie bereits als Heranwachsende 

In privater Form abgelegt hatte, 

Und widmete sich dem Gebet, 

Der Buße und den Werken der Nächstenliebe, 

Vor allem zum Wohl der Kranken. 

Als der Ruf ihrer Heiligkeit sich verbreitete, 

Führte dies zu einer intensiven Tätigkeit 

Geistlicher Beratung für Menschen aller Stände: 

Adlige und Staatsmänner, Künstler 

Und Menschen aus dem Volk, 

Geweihte Personen, Kleriker, 

Einschließlich Papst, der zu jener Zeit 

Seinen Sitz in Avignon hatte 

Und den Katharina nachdrücklich ermahnte, 

Nach Rom zurückzukehren.


Sie reiste viel, 

Um die innere Reform der Kirche anzuregen 

Und den Frieden zwischen den Staaten zu fördern: 

Auch aus diesem Grund erklärte 

Der heilige Johannes Paul II. 

Sie zur Mitpatronin Europas. 

Der alte Kontinent sollte niemals 

Die christlichen Wurzeln vergessen, 

Die seinem Weg zugrunde liegen, 

Und auch weiterhin aus dem Evangelium 

Die Grundwerte schöpfen, 

Die Gerechtigkeit und Eintracht gewährleisten.


Katharina hatte viel zu leiden, 

Wie viele Heilige. 

Einige misstrauten ihr so sehr, 

Dass das Generalkapitel der Dominikaner 

Sie 1374, sechs Jahre vor ihrem Tod, 

Sogar nach Florenz beorderte, um sie zu prüfen. 

Ihr wurde ein gelehrter und demütiger 

Ordensmann zur Seite gestellt, 

Später Generalmagister des Ordens. 

Er wurde ihr Beichtvater 

Und auch ihr geistlicher Sohn 

Und schrieb eine erste vollständige 

Biographie der Heiligen. 

Sie wurde 1461 heiliggesprochen.


Die Lehre Katharinas, 

Die nur mit Mühe lesen lernte 

Und erst als Erwachsene schreiben konnte, 

Ist im Dialog der göttlichen Vorsehung 

Oder Buch der göttlichen Lehre, 

Einem Meisterwerk der geistlichen Literatur, 

In ihren Briefen 

Und in der Sammlung ihrer Gebete enthalten. 

Ihre Lehre ist mit einem solchen Reichtum ausgestattet, 

Dass Papst Paul VI. sie 1970 

Zur Kirchenlehrerin erklärte. 

Diesen Titel erhielt sie zusätzlich 

Zu dem der Mitpatronin der Stadt Rom, 

Der dem Wunsch des Papstes Pius IX. entsprach, 

Und dem der Patronin Italiens, 

Den der heilige Pius XII. ihr zuerkannte.


In einer Vision, 

Die aus Katharinas Herz und Verstand 

Nie mehr ausgelöscht wurde, 

Brachte die Gottesmutter sie zu Jesus, 

Der ihr einen wunderschönen Ring schenkte 

Und zu ihr sagte: Ich, dein Schöpfer und Erlöser, 

Vermähle dich mit mir im Glauben, 

Den du stets rein bewahren sollst 

Bis du im Himmel mit mir 

Deine ewige Hochzeit feierst. 

Jener Ring blieb nur für sie selbst sichtbar. 

In diesem außergewöhnlichen Ereignis 

Wird der lebendige Mittelpunkt 

Von Katharinas Religiosität 

Und jeder echten Spiritualität deutlich: 

Die Christozentrik. Christus ist 

Für sie gleichsam der Bräutigam, 

Z dem eine Beziehung der Innerlichkeit, 

Der Gemeinschaft und der Treue besteht; 

Er ist das über alles geliebte Gut.


Diese tiefe Vereinigung mit dem Herrn 

Wird durch ein anderes Ereignis 

Aus dem Leben dieser bedeutenden 

Mystikerin erläutert: den Herzenstausch. 

Es erschien ihr der Herr 

Mit einem leuchtend roten menschlichen 

Herzen in der Hand, öffnete ihre Brust, 

Legte es dort hinein und sagte: 

Liebste Tochter, so wie ich jüngst 

Das Herz genommen habe, 

Das du mir schenken wolltest, 

So schenke ich dir jetzt das Meinige; 

Von jetzt an wird es den Platz einnehmen, 

An dem das Deinige war. 

Katharina hat wirklich die Worte des Paulus gelebt: 

Nicht mehr ich lebe, 

Sondern Christus lebt in mir.


Ein weiterer Zug von Katharinas Spiritualität 

Ist mit der Gabe der Tränen verbunden. 

Sie sind Ausdruck einer feinfühligen 

Und tiefen Sensibilität, 

Einer Fähigkeit zur inneren Ergriffenheit 

Und zur liebevollen Zuneigung. 

Nicht wenige Heilige hatten die Gabe der Tränen 

Uund äußerten damit erneut 

Die innere Bewegtheit Jesu, 

Der vor dem Grab des Freundes Lazarus 

Und dem Schmerz Marias und Marthas 

Sowie beim Anblick von Jerusalem 

In seinen letzten irdischen Tagen 

Seine Tränen nicht zurückgehalten 

Und versteckt hat. 

Katharina zufolge vermischen sich 

Die Tränen der Heiligen mit dem Blut Christi, 

Von dem sie in leidenschaftlichem Ton 

Und mit sehr ausdrucksstarken 

Symbolischen Bildern gesprochen hat: 

Denkt an den gekreuzigten Christus, 

Gott und Mensch. 

Setzt euch den gekreuzigten Christus zum Ziel, 

Verbergt euch in den Wunden 

Des gekreuzigten Christus, 

Versenkt euch in das Blut 

Des gekreuzigten Christus.


Im Dialog der göttlichen Vorsehung 

Beschreibt sie mit einem einzigartigen Bild 

Christus als Brücke, 

Die zwischen Himmel und Erde gespannt ist. 

Sie besteht aus drei Stufen: 

Den Füßen, der Seite und dem Mund Jesu. 

Indem sie diese Stufen emporsteigt, 

Durchschreitet die Seele 

Die drei Abschnitte eines jeden Weges 

Der Heiligung: die Loslösung von der Sünde, 

Die Übung der Tugend und der Liebe, 

Die süße und liebevolle Vereinigung mit Gott.


Aus Barmherzigkeit hast du uns 

Im Blut gewaschen, 

Aus Barmherzigkeit wolltest du 

Umgang haben mit den Geschöpfen. 

Du bist außer dir vor Liebe! 

Es genügte dir nicht, Mensch zu werden, 

Sondern du wolltest auch sterben! 

O Barmherzigkeit! 

Mein Herz versinkt im Gedanken an dich: 

Wohin ich meine Gedanken auch wende, 

Finde ich nichts als Barmherzigkeit.




JULIANA VON NORWICH


Liebe Schwester!


Die Nachrichten, die wir über ihr Leben besitzen – 

Nicht viele – stammen in erster Linie aus dem Buch, 

In dem diese sanftmütige und fromme Frau 

Den Inhalt ihrer Visionen zusammengetragen hat 

Und das den Titel trägt: 

Offenbarungen der göttlichen Liebe. 

Man weiß, dass sie etwa von 1342 bis 1430 lebte, 

In schwierigen Jahren sowohl für die Kirche, 

Die gespalten war durch das Schisma, 

Das auf die Rückkehr des Papstes 

Von Avignon nach Rom folgte, 

Als auch für das Leben der Menschen, 

Das unter den Auswirkungen eines langen Krieges 

Zwischen dem englischen 

Und dem französischen Königreich litt. 

Auch in schweren Zeiten erweckt Gott 

Jedoch stets Gestalten 

Wie Juliana von Norwich, 

Um die Menschen zum Frieden, zur Liebe 

Und zur Freude aufzufordern.


Wie sie uns selbst berichtet, 

Wurde sie im Mai 1373, am 13. jenes Monats, 

Plötzlich von einer sehr schweren Krankheit befallen, 

Die sie innerhalb von drei Tagen 

Zum Tod zu führen schien. 

Als der an ihr Krankenbett geeilte Priester 

Ihr das Kreuz zeigte, wurde Juliana 

Nicht nur sofort wieder gesund, 

Sondern empfing auch die Offenbarungen, 

Die sie später in ihrem Buch, 

Den Offenbarungen der göttlichen Liebe, 

Niederschrieb und kommentierte. 

Und 15 Jahre nach diesen außerordentlichen Ereignissen 

Enthüllte der Herr selbst ihr den Sinn jener Visionen. 

Möchtest du wissen, was dein Herr meinte 

Und den Sinn dieser Offenbarung kennenlernen? 

Du sollst wissen: Er meinte die Liebe. 

Wer offenbart es dir? Die Liebe. 

Warum offenbart sie es dir? Aus Liebe.

So lernte ich, dass unser Herr die Liebe bedeutet.


Durch die Eingebung der göttlichen Liebe 

Traf Juliana eine radikale Entscheidung. 

Sie entschloss sich, wie eine antike 

Einsiedlerin in einer Zelle 

Bei der dem heiligen Julian geweihten Kirche zu leben, 

In der Stadt Norwich, seinerzeit 

Ein bedeutender Ort in der Nähe von London. 

Vielleicht übernahm sie den Namen Juliana 

Von eben dem Heiligen, dem die Kirche geweiht war, 

Bei der sie viele Jahre lang bis zu ihrem Tod lebte. 

Der Entschluss, in einer Klause zu leben, 

Wie man seinerzeit sagte, könnte bei uns Erstaunen, 

Ja sogar Skepsis hervorrufen. 

Sie war jedoch nicht die einzige, 

Die einen solchen Entschluss in die Tat umsetzte: 

In jenen Jahrhunderten entschied sich 

Eine beachtliche Zahl von Frauen 

Für diese Lebensform. 

Sie nahmen Regeln an, 

Die eigens für sie erarbeitet wurden. 

Die Einsiedlerinnen oder Klausnerinnen 

Widmeten sich in ihrer Zelle dem Gebet, 

Der Betrachtung und dem Studium. 

Auf diese Weise erlangten sie 

Ein sehr feines menschliches und religiöses Gespür, 

Aufgrund dessen sie von den Menschen verehrt wurden. 

Männer und Frauen jeden Alters und jeden Standes, 

Die Rat und Trost brauchten, 

Suchten sie ehrfürchtig auf. 

Es war also keine individualistische Entscheidung; 

Eben in dieser Nähe zum Herrn 

Reifte in ihr auch die Fähigkeit heran, 

Für viele Menschen Ratgeberin zu sein 

Und denen zu helfen, die sich in diesem Leben 

In Schwierigkeiten befanden.


In der von Gott bewohnten Einsamkeit 

Verfasste Juliana von Norwich 

Die Offenbarungen der göttlichen Liebe.

Dieses Buch enthält eine optimistische Botschaft, 

Die auf der Gewissheit gründet, von Gott geliebt 

Und von seiner Vorsehung geschützt zu sein. 

Ich sah mit absoluter Gewissheit, 

Dass Gott, noch bevor er uns erschaffen hat, 

Uns geliebt hat, mit einer Liebe, 

Die niemals nachgelassen hat 

Und nie vergehen wird. 

In dieser Liebe hat er all seine Werke vollbracht, 

Und in dieser Liebe hat er dafür gesorgt, 

Dass alle Dinge uns nützlich sind, 

Und in dieser Liebe währt unser Leben für immer. 

In dieser Liebe haben wir unseren Anfang, 

Und all das werden wir ohne Ende in Gott schauen. 

Das Thema der göttlichen Liebe 

Kehrt oft wieder in den Visionen 

Von Juliana von Norwich, die nicht zögert, 

Sie auch mit der mütterlichen Liebe zu vergleichen. 

Das ist eine der Botschaften, 

Die für ihre mystische Theologie 

Sehr bezeichnend sind. 

Die Zärtlichkeit, die Fürsorge 

Und die sanfte Güte Gottes uns gegenüber sind so groß, 

Dass sie uns Erdenpilger an die Liebe 

Einer Mutter zu ihren Kindern erinnern. 

Tatsächlich haben auch die biblischen Propheten 

Zuweilen diese Sprache gebraucht, 

Die auf die Zärtlichkeit, die Intensität 

Und die Vollkommenheit der Liebe Gottes verweist, 

Die sich in der Schöpfung 

Und in der ganzen Heilsgeschichte offenbart 

Und den Höhepunkt in der Menschwerdung 

Des Sohnes hat. Gott geht jedoch stets 

Über jede menschliche Liebe hinaus, 

Wie der Prophet Jesaja sagt: 

Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, 

Eine Mutter ihren leiblichen Sohn? 

Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: 

Ich vergesse dich nicht. 

Juliana von Norwich hat die zentrale Botschaft 

Für das geistliche Leben verstanden: 

Gott ist Liebe, 

Und nur wenn man sich vollkommen 

Und mit völligem Vertrauen 

Dieser Liebe gegenüber öffnet 

Und das Leben nur von ihr leiten lässt, 

Dann wird alles verklärt, 

Findet man wahren Frieden und wahre Freude 

Und kann sie um sich herum ausstrahlen.




KATHARINA VON GENUA


Liebe Schwester!


Heute möchte ich dir

Von einer weiteren Heiligen berichten, 

Die den Namen Katharina trägt, 

Nach Katharina von Siena 

Und Katharina von Bologna. 

Ich spreche von Katharina von Genua, 

Die vor allem durch ihre Gedanken 

Über das Purgatorium bekannt ist. 

Der Text, der ihr Leben und Denken beschreibt, 

Wurde 1551 in der ligurischen Stadt veröffentlicht. 

Er ist in drei Teile unterteilt: 

Die Vita im eigentlichen Sinne, 

Den Traktat vom Purgatorium 

Und den Dialog zwischen der Seele und dem Leib.


Katharina wurde 1447 in Genua geboren, 

Als jüngstes von fünf Kindern. 

Bereits im zarten Alter verlor sie ihren Vater. 

Ihre Mutter, Francesca di Negro, 

Gab den Kindern eine gute christliche Erziehung, 

Ud die ältere der beiden Töchter wurde Ordensfrau. 

Katharina wurde mit 16 Jahren 

Giuliano Adorno zur Ehefrau gegeben, 

Einem Mann, der verschiedene Erfahrungen 

I Handel und im Militär 

Im Nahen Osten gemacht hatte 

Ud dann nach Genua zurückgekehrt war, 

Um zu heiraten. 

Das Eheleben war nicht einfach, 

Ach wegen des Charakters des Ehemannes, 

Der dem Glücksspiel verfallen war. 

Katharina selbst sah sich zunächst veranlasst, 

Ein mondänes Leben zu führen, 

Konnte darin jedoch keinen inneren Frieden finden. 

Nach zehn Jahren spürte sie in ihrem Herzen 

Tiefe Leere und Bitterkeit.


Die Bekehrung begann am 20. März 1473, 

Dank einer einzigartigen Erfahrung. 

Sie hatte sich in die Kirche San Benedetto 

Und das Kloster Nostra ora delle Grazie 

Begeben, um zu beichten. 

Als sie vor dem Priester niedergekniet war, 

Empfing sie eine Wunde im Herzen, 

Von einer überwältigenden Liebe Gottes. 

Sie erkannte so deutlich ihre Armseligkeit 

Und ihre Fehler 

Und gleichzeitig die Güte Gottes, 

Dass sie fast ohnmächtig wurde. 

Sie wurde im Herzen berührt 

Von dieser Erkenntnis ihrer selbst, 

Des leeren Lebens, das sie führte, 

Und der Güte Gottes. 

Aus dieser Erfahrung heraus 

Kam die Entscheidung, 

Die ihrem ganzen Leben Orientierung gab 

Und die sie mit folgenden Worten ausdrückte: 

Keine Mondänität mehr und keine Sünde mehr. 

Daraufhin floh Katharina 

Und verschob die Beichte. 

Nach Hause zurückgekehrt, 

Ging sie in die hinterste Kammer und weinte lange. 

In diesem Augenblick wurde sie 

Über das Gebet belehrt, 

Und die unendliche Liebe Gottes zu ihr, 

Einer Sünderin, kam ihr zu Bewusstsein: 

Eine geistliche Erfahrung, 

Die sie nicht in Worte fassen konnte. 

Bei dieser Gelegenheit erschien ihr 

Der leidende Jesus mit dem Kreuz auf den Schultern, 

Wie er oft auf Abbildungen 

Ddieser Heiligen dargestellt ist. 

Wenige Tage später kehrte sie zu dem Priester zurück, 

Um endlich eine gute Beichte abzulegen. 

Hier begann jenes Leben der Läuterung, 

Das sie lange Zeit einen ständigen Schmerz empfinden ließ 

Um der begangenen Sünden willen 

Und das sie drängte, sich Bußen und Opfer 

Aufzuerlegen, um Gott ihre Liebe zu zeigen.


Auf diesem Weg näherte sich Katharina 

Dem Herrn immer mehr an, bis 

Bie schließlich eintrat in die vita unitiva, 

Eine Beziehung tiefen Einsseins mit Gott. 

In der Vita steht geschrieben, 

Dass ihre Seele einzig und allein 

Von der zärtlichen Liebe Gottes innerlich 

Geführt und unterwiesen wurde, 

Er gab ihr alles, was sie brauchte. 

Katharina überließ sich so vollkommen 

Den Händen des Herrn, dass sie 

Etwa 25 Jahre lang ohne die Mittlerschaft 

Irgendeines Geschöpfes lebte, 

Von Gott allein unterwiesen und geführt, 

Genährt vor allem vom unablässigen Gebet 

Und von der heiligen Kommunion, 

Die sie jeden Tag empfing, 

Was damals ungewöhnlich war. 

Erst viele Jahre später gab ihr der Herr 

Einen Priester, der für ihre Seele Sorge trug.


Katharina widerstrebte es stets, 

Ihre Erfahrung der mystischen Vereinigung mit Gott 

Anderen anzuvertrauen und zu offenbaren, 

Vor allem aufgrund der tiefen Demut, 

Die sie angesichts der Gnaden des Herrn empfand. 

Nur die Aussicht, ihn zu verherrlichen 

Und dem geistlichen Weg anderer zu nützen, 

Bewegte sie dazu, das wiederzugeben, 

Was in ihr geschah, angefangen beim Augenblick 

Ihrer Bekehrung, ihrer ursprünglichen 

Und grundlegenden Erfahrung. 

Der Ort ihres Aufstiegs in mystische Höhen 

War das Spital Pammatone, 

Der größte Krankenhauskomplex von Genua, 

Den sie leitete und beseelte. 

Katharina lebte also eine ganz aktive Existenz, 

Trotz der Tiefe ihres inneren Lebens. 

In Pammatone scharte sich eine Gruppe 

Von Nachfolgern, Schülern und Mitarbeitern um sie, 

Angezogen von ihrem Glaubensleben 

Und von ihrer Nächstenliebe. 

Auch ihr Ehemann, Giuliano Adorno, 

War davon so eingenommen, 

Dass er seine Leichtlebigkeit aufgab, 

Franziskaner wurde und in das Spital ging, 

Um seiner Frau zur Seite zu stehen. 

Katharina setzte ihre Arbeit 

In der Krankenpflege fort bis ans Ende 

Ihres irdischen Weges am 15. September 1510. 

Von der Bekehrung bis zum Tod 

Gab es keine außerordentlichen Ereignisse, 

Aber zwei Elemente kennzeichneten 

Ihr ganzes Leben: auf der einen Seite 

Die mystische Erfahrung, 

Also die tiefe Gemeinschaft mit Gott, 

Die sie wie eine bräutliche Vereinigung empfand, 

Und auf der anderen Seite die Krankenpflege, 

Die Organisation des Spitals, 

Der Dienst am Nächsten, 

Bsonders an den Notleidenden und Verlassenen. 

Diese beiden Pole – Gott und der Nächste – 

Erfüllten ihr Leben vollkommen; 

Es wurde praktisch innerhalb der Spitalmauern geführt.


Katharinas Gedanken über das Purgatorium, 

Für die sie besonders bekannt ist, 

Sind zusammengefasst in den letzten beiden Teilen 

Des eingangs zitierten Buches: 

Dem Traktat vom Purgatorium 

Und dem Dialog zwischen der Seele und dem Leib. 

Es muss erwähnt werden, dass Katharina 

In ihrer mystischen Erfahrung 

Nie besondere Offenbarungen hatte

Über das Purgatorium oder über die Seelen, 

Die dort geläutert werden. 

In den inspirierten Schriften unserer Heiligen 

Ist es jedoch ein zentrales Element, 

Und ihre Art, es zu beschreiben, 

Hat für ihre Zeit originelle Wesensmerkmale. 

Der erste originelle Zug 

Betrifft den Ort der Läuterung der Seelen. 

In ihrer Zeit beschrieb man ihn in erster Linie 

Mit Rückgriff auf Bilder, 

Die an den Raum gebunden sind: 

Man dachte an einen bestimmten Raum, 

Wo sich das Purgatorium befände. 

Bei Katharina dagegen wird das Purgatorium 

Nicht als Element der unterirdischen Welt dargestellt. 

Es ist kein äußeres, sondern ein inneres Feuer. 

Das ist das Purgatorium: ein inneres Feuer. 

Die Heilige spricht vom Weg der Läuterung der Seele 

Auf die volle Gemeinschaft mit Gott hin, 

Ausgehend von ihrer eigenen Erfahrung 

Des tiefen Schmerzes aufgrund 

Der begangenen Sünden 

Angesichts der unendlichen Liebe Gottes. 

Wir haben vom Augenblick der Bekehrung gehört, 

Wo Katharina plötzlich die Güte Gottes spürt, 

Die unendliche Ferne des eigenen Lebens 

Von dieser Güte 

Und das brennende Feuer in ihrem Innern. 

Und das ist das läuternde Feuer, 

Das innere Feuer des Purgatoriums. 

Auch hier befindet sich ein origineller Zug 

Im Vergleich zum zeitgenössischen Denken. 

Denn es wird nicht mit dem Jenseits begonnen, 

Um die Qualen des Purgatoriums zu beschreiben – 

Wie es damals üblich war 

Und vielleicht auch heute noch üblich ist –, 

Um dann den Weg zur Läuterung 

Oder Bekehrung aufzuzeigen, 

Sondern unsere Heilige beginnt 

Bei der eigenen inneren Erfahrung 

Ihres Lebens auf dem Weg zur Ewigkeit. 

Die Seele – so Katharina – zeigt sich Gott 

Noch gebunden an die Wünsche 

Und die Qual, die aus der Sünde hervorgehen, 

Und das macht es ihr unmöglich, 

De selige Gottesschau zu genießen. 

Katharina sagt, dass Gott so rein und heilig ist, 

Dass die Seele, die mit den Makeln 

Der Sünde behaftet ist, nicht in Gegenwart 

Der göttlichen Majestät sein kann. 

Und auch wir spüren, wie fern wir davon sind, 

Wie sehr wir von so vielen Dingen erfüllt sind, 

Dass wir Gott nicht sehen können. 

Die Seele weiß um die unendliche Liebe 

Und die vollkommene Gerechtigkeit Gottes, 

Und daher leidet sie darunter, 

Nicht richtig und vollkommen 

Auf diese Liebe geantwortet zu haben. 

Und die Liebe zu Gott wird selbst zur Flamme, 

Die Liebe selbst läutert die Seele 

Von den Schlacken der Sünde.


In Katharina entdeckt man mystische Quellen,

Insbesondere findet sich ein Bild 

Von Dionysios Areopagita: 

Die goldene Schnur, 

Die das menschliche Herz mit Gott verbindet. 

Wenn Gott den Menschen geläutert hat, 

Dann bindet er ihn mit einer hauchdünnen goldenen Schnur, 

Die seine Liebe ist, 

Und zieht ihn zu sich mit so starker Liebe, 

Dass der Mensch gleichsam besiegt und überwunden 

Und ganz außer sich ist. 

So dringt in das Herz des Menschen 

Die Liebe Gottes ein, 

Der zum einzigen Wegweiser, 

Zum einzigen Beweggrund seiner Existenz wird. 

Diese Situation des Aufstiegs zu Gott 

Und der Hingabe an seinen Willen, 

Die im Bild von der Schnur zum Ausdruck kommt, 

Gebraucht Katharina, 

Um das Wirken des göttlichen Lichts 

Auf die Seelen im Purgatorium 

Zum Ausdruck zu bringen – ein Licht, 

Das die Seelen reinigt und sie zum Glanz 

Der gleißenden Strahlen Gottes erhebt.




JEANNE D‘ARC


Liebe Schwester!


Jeanne d’Arc konnte weder lesen noch schreiben, 

Aaber man kann sie im Tiefsten ihrer Seele 

Dank zweier Quellen von außerordentlichem 

Historischem Wert kennenlernen: 

Den beiden Prozessen, die sie betreffen. 

Der erste Prozess, die Verurteilung, 

Enthält die Niederschrift der langen 

Und zahlreichen Verhöre, 

Denen Jeanne sich in den letzten drei Monaten 

Ihres Lebens unterziehen musste, 

Und gibt die eigenen Worte der Heiligen wieder. 

Der zweite Prozess, der die Verurteilung 

Für nichtig erklärte, oder die Rehabilitation, 

Enthält die Aussagen von etwa 120 Augenzeugen 

Aus allen Abschnitten ihres Lebens.


Jeanne wird in Domrémy geboren, 

Einem kleinen Dorf an der Grenze 

Zwischen Frankreich und Lothringen. 

Ihre Eltern sind wohlhabende Bauern, 

Die bei allen als hervorragende Christen bekannt sind. 

Von ihnen erhält sie eine gute religiöse Erziehung, 

Die unter starkem Einfluss der Spiritualität 

Des Namens Jesu steht, 

Die von Bernhardin von Siena gelehrt 

Und durch die Franziskaner 

In Europa verbreitet wurde. 

Dem Namen Jesu wird stets 

Der Name Mariä hinzugefügt, 

Und so ist auf dem Hintergrund 

Der Volksfrömmigkeit Jeannes Spiritualität 

Zutiefst christozentrisch und marianisch. 

Von Kindheit an zeigt sie 

In der dramatischen Situation des Krieges 

Eine große Liebe und ein tiefes Mitgefühl 

Gegenüber den Armen, den Kranken 

Und allen Leidenden.


Ihren eigenen Worten entnehmen wir, 

Dass Jeannes religiöses Leben 

Ab dem Alter von 13 Jahren 

Als mystische Erfahrung heranreift. 

Durch die Stimme des heiligen Erzengels Michael 

Fühlt Jeanne sich vom Herrn berufen, 

Ihr christliches Leben zu vertiefen 

Und sich auch persönlich für die Befreiung 

Ihres Volkes einzusetzen. 

Ihre unmittelbare Antwort, ihr Ja, 

Ist das Versprechen der Jungfräulichkeit, 

Mit einer neuen Hinwendung 

Zm sakramentalen Leben und zum Gebet: 

Tägliche Teilnahme an der Messe, 

Häufige Beichte und Kommunion, 

Lange Augenblicke des stillen Gebets 

Vor dem Gekreuzigten 

Oder dem Bild der Gottesmutter. 

Das Mitgefühl und der Einsatz 

Des französischen Bauernmädchens 

Ffür das Leiden ihres Volkes 

Werden durch ihre mystische 

Beziehung zu Gott vertieft. 

Einer der ureigensten Aspekte der Heiligkeit 

Dieses jungen Mädchens 

Ist die Verbindung zwischen mystischer Erfahrung 

Und politischer Sendung. 

Auf die Jahre des Lebens in der Verborgenheit 

Und des inneren Heranreifens 

Folgen die beiden kurzen, aber intensiven Jahre 

Ihres öffentlichen Lebens: 

Ein Jahr des Handelns und ein Jahr des Leidens. 

Zu Beginn des Jahres 1429 

Beginnt Jeanne ihr Befreiungswerk. 

Die zahlreichen Zeugnisse stellen uns 

Diese junge Frau von nur 17 Jahren 

Aals eine sehr starke 

Und entschlossene Person vor Augen, 

Die in der Lage ist, unsichere 

Und entmutigte Männer zu überzeugen. 

Nach Überwindung aller Hindernisse 

Begegnet sie dem französischen Dauphin 

Und zukünftigen König Karl VII., 

Der sie in Poitiers einer Prüfung 

Von Seiten einiger Theologen 

Der Universität unterzieht. 

Ihr Urteil ist positiv: Sie sehen in ihr 

Nichts Schlechtes, sondern nur eine gute Christin.


Am 22. März 1429 diktiert Jeanne 

Einen wichtigen Brief 

An den König von England und seine Männer, 

Die die Stadt Orléans belagern. 

Sie bietet einen wahren Frieden in Gerechtigkeit 

Zwischen den beiden christlichen Völkern an, 

Im Licht der Namen Jesu und Mariä, 

Aber ihr Angebot wird abgelehnt, 

Und Jeanne muss sich im Kampf 

Um die Befreiung der Stadt einsetzen, 

Die am 8. Mai herbeigeführt wird. 

Der andere Höhepunkt ihres politischen Wirkens 

Ist die Krönung von König Karl VII. 

In Reims am 17. Juli 1429. 

Ein ganzes Jahr lang lebt Jeanne 

Bei den Soldaten und führt unter ihnen 

Eine wahre Sendung 

Der Evangelisierung durch. 

Viele von ihnen haben ihre Güte, ihren Mut 

Und ihre außerordentliche Reinheit bezeugt. 

Alle nennen sie La Pucelle, die Jungfrau, 

Und auch sie selbst bezeichnet sich so.


Jeannes Leidensweg beginnt am 23. Mai 1430, 

Als sie in Gefangenschaft gerät 

Und in die Hände ihrer Feinde fällt. 

Am 23. Dezember wird sie in die Stadt Rouen gebracht. 

Dort findet der lange und dramatische 

Verurteilungsprozess statt, 

Der im Februar 1431 beginnt 

Und am 30. Mai mit dem Scheiterhaufen endet. 

Es ist ein großer und feierlicher Prozess, 

Ddem zwei kirchliche Richter vorsitzen. 

In Wirklichkeit wird der ganze Prozess jedoch 

Von einer großen Gruppe von Theologen 

Der berühmten Universität von Paris gesteuert, 

Die als Beisitzer am Prozess teilnehmen. 

Es sind französische Kleriker, 

Die politische Entscheidungen getroffen haben, 

Die Jeannes Zielen entgegenstehen, 

Und daher ihre Person und ihre Sendung 

Von vornherein negativ beurteilen. 

Dieser Prozess ist ein erschütternder Abschnitt 

Der Geschichte der Heiligkeit 

Und auch ein Abschnitt, der Erleuchtung bringt 

Über das Geheimnis der Kirche. 

Diese ist zugleich heilig 

Und stets der Reinigung bedürftig. 

Es ist die dramatische Begegnung 

Zwischen dieser Heiligen und ihren Richtern, 

Die Kleriker sind. 

Von ihnen wird Jeanne angeklagt 

Und einer Prüfung unterzogen. 

Am Ende wird sie als Ketzerin verurteilt 

Und zum schrecklichen Tod 

Auf dem Scheiterhaufen geschickt. 

Im Gegensatz zu den heiligen Theologen, 

Ddie die Universität von Paris erleuchtet hatten – 

Bonaventura, Thomas von Aquin und Duns Scotus – 

Sind diese Richter Theologen, 

Denen es an Liebe und Demut mangelt, 

Um in diesem jungen Mädchen 

Das Handeln Gottes zu sehen. 

Das lässt an die Worte Jesu denken, 

Denen zufolge Gottes Geheimnisse 

Jenen offenbart werden, die das Herz 

Der Unmündigen haben, 

Während sie den Studierten und Klugen, 

Die keine Demut besitzen, verborgen bleiben. 

So sind Jeannes Richter zutiefst unfähig, 

Sie zu verstehen, die Schönheit 

Ihrer Seele zu sehen: 

Sie wussten nicht, dass sie eine Heilige verurteilten.


Das Tribunal lehnt Jeannes Berufung vom 24. Mai 

An das Urteil des Papstes ab.

Am Morgen des 30. Mai empfängt sie 

Im Gefängnis zum letzten Mal 

Die heilige Kommunion und wird sofort 

Zur Hinrichtung auf den alten Marktplatz geführt. 

Sie bittet einen der Priester, 

Ein Prozessionskreuz vor den Scheiterhaufen zu halten. 

So stirbt sie mit dem Blick auf den gekreuzigten Jesus 

Und ruft mehrmals laut den Namen Jesu an.

Etwa 25 Jahre später endet 

Der vom eröffnete Rehabilitationsprozess 

Mit einem feierlichen Urteil, 

Das die Verurteilung für nichtig erklärt. 

Dieser lange Prozess, der die Zeugenaussagen 

Und die Urteile vieler Theologen zusammentrug, 

Die alle für Jeanne sprechen, 

Macht ihre Unschuld 

Und völlige Treue zur Kirche deutlich. 

Jeanne d’Arc wird später, 1920, 

Von Benedikt XV. heiliggesprochen. 

Liebe Schwester, der Name Jesu, 

Der von unserer Heiligen 

Bis zum letzten Augenblick 

Ihres irdischen Lebens angerufen wurde, 

War gleichsam der unablässige Atem ihrer Seele.


Er war gleichsam ihr Herzschlag, 

Der Mittelpunkt ihres ganzen Lebens. 

Jeanne d’Arcs Geheimnis der Liebe, 

Das den Dichter Charles Péguy 

So sehr fasziniert hatte, 

Ist diese vollkommene Liebe zu Jesus 

Und zum Nächsten in Jesus und für Jesus. 

Ich vertraue mich Gott an, meinem Schöpfer, 

Ich liebe ihn von ganzem Herzen. 

Mit dem Versprechen der Jungfräulichkeit 

Weiht Jeanne ihre ganze Person 

Ausschließlich der einzigen Liebe zu Jesus: 

Es ist ihr Versprechen gegenüber unserem Herrn, 

Die Jungfräulichkeit des Leibes 

Und der Seele stets zu bewahren. 

Die Jungfräulichkeit der Seele 

Ist der Stand der Gnade, der höchste Wert, 

Der für sie kostbarer ist als das Leben.




TERESA VON JESUS


Liebe Schwester!


Sie wird 1515 in Ávila in Spanien geboren, 

Mit dem Namen Theresia de Ahumada. 

In ihrer Autobiographie erwähnt sie selbst 

Einige Einzelheiten aus ihrer Kindheit: 

Von tugendhaften und gottesfürchtigen Eltern 

Wird sie in eine kinderreiche Familie hineingeboren; 

Es waren neun Brüder und drei Schwestern. 

Schon als Kind – sie ist noch keine neun Jahre alt – 

Liest sie die Lebensbeschreibungen einiger Märtyrer, 

Die in ihr den Wunsch nach dem Martyrium wecken. 

Sie läuft sogar kurz von zu Hause weg, 

Um als Märtyrerin zu sterben 

Und in den Himmel einzugehen: 

Ich will Gott schauen, 

Sagt die Kleine zu ihren Eltern. 

Einige Jahre später wird Theresia 

Über ihre Kindheitslektüre sagen, 

Dass sie darin die Wahrheit gefunden hat, 

Die sie in zwei grundlegenden Prinzipien zusammenfasst: 

Auf der einen Seite die Tatsache, 

Dass alle Dinge dieser Welt vergehen, 

Und auf der anderen Seite, dass nur Gott allein 

Für immer, für immer ist. 

Dieses Thema kehrt wieder in ihren berühmten Versen: 

Nichts soll dich ängstigen, 

Nichts dich erschrecken! 

Alles geht vorüber: 

Gott, er bleibt derselbe. 

Geduld erreicht alles. 

Wer Gott hat, dem fehlt nichts. 

Gott allein genügt. 


Als sie mit zwölf Jahren ihre Mutter verliert, 

Bittet sie die Jungfrau Maria, 

Ihre Mutter zu sein.


In der Jugend hatte die Lektüre profaner Bücher 

Sie zu den Ablenkungen eines weltlichen Lebens geführt, 

Aber die Erfahrung als Schülerin 

Der Augustinerinnen von Nuestra Señora de Gracia 

In Ávila und der Umgang mit geistlichen Büchern, 

Vor allem Klassikern der franziskanischen Spiritualität, 

Lehren sie die Sammlung und das Gebet. 

Mit 20 Jahren tritt sie, ebenfalls in Ávila, 

In das Karmelitinnenkloster der Menschwerdung ein; 

Im Ordensleben nimmt sie den Namen 

Theresia von Jesus an. 

Drei Jahre später wird sie so schwer krank, 

Dass sie für vier Tage ins Koma fällt 

Und scheinbar tot ist. 

Auch der Kampf gegen ihre Krankheiten 

Ist für die Heilige ein Kampf gegen die Schwächen 

Und die Widerstände gegen den Ruf Gottes. 

Ich sehnte mich danach zu leben, 

Denn ich verstand sehr wohl, 

Dass ich nicht eigentlich lebte, 

Sondern mit einem Schatten des Todes rang, 

Aber es gab niemanden, der mir Leben gab, 

Selbst geben konnte ich es mir aber auch nicht; 

Der es mir aber geben konnte, hatte Recht, 

Mir nicht zu Hilfe zu kommen, 

Denn viele Male hatte er mich wieder an sich gezogen, 

Während ich ihn im Stich gelassen habe. 

1543 verliert sie die Nähe ihrer Angehörigen: 

Der Vater stirbt, und all ihre Brüder wandern 

Einer nach dem anderen nach Amerika aus. 

In der Fastenzeit des Jahres 1554 

Ereicht Theresia mit 39 Jahren 

Den Höhepunkt des Kampfes gegen ihre Schwächen. 

Die zufällige Entdeckung des Bildes 

Eines ganz mit Wunden bedeckten Christus 

Zeichnet ihr Leben zutiefst. 

Die Heilige, die zu jener Zeit in tiefem Einklang 

Mit dem Augustinus der Bekenntnisse steht, 

Beschreibt den entscheidenden Tag 

Ihrer mystischen Erfahrung so: 

Es widerfuhr mir, dass mich ganz unverhofft 

Ein Gefühl der Gegenwart Gottes überkam, 

So dass ich in keiner Weise bezweifeln konnte, 

Dass er in meinem Innern weilte 

Oder ich ganz in ihm versenkt war.


Theresia von Jesus 

Hatte keine akademische Ausbildung, 

Aber sie hat sich die Lehre von Theologen, 

Literaten und geistlichen Lehrern 

Stets zunutze gemacht. 

Als Schriftstellerin hat sie sich immer an das gehalten, 

Was sie persönlich erlebt 

Oder in der Erfahrung anderer gesehen hatte; 

Sie ging also von der Erfahrung aus. 

Theresia kann geistliche Freundschaften 

Mit vielen Heiligen knüpfen, 

Insbesondere mit Johannes vom Kreuz. 

Gleichzeitig zieht sie Nahrung 

Aus der Lektüre der Kirchenväter. 

Zu ihren größten Werken gehört vor allem 

Ihre Autobiographie 

Mit dem Titel Das Buch meines Lebens; 

Sie nennt sie Von den Erbarmungen Gottes. 

Sie wurde 1565 im Karmel von Ávila verfasst 

Und berichtet über den biographischen 

Und geistlichen Weg, 

Der niedergeschrieben wurde, um – 

Wie Theresia selbst sagt – ihre Seele 

Der Begutachtung durch den Meister 

Der geistlichen Menschen, Johannes 

Von Ávila, zu unterziehen. 

Ziel ist es, die Gegenwart und das Wirken 

Des barmherzigen Gottes 

In ihrem Leben hervorzuheben; 

Daher gibt das Werk oft den Gebetsdialog 

Mit dem Herrn wieder.


Es ist eine faszinierende Lektüre, 

Denn die Heilige erzählt nicht nur, 

Sondern sie zeigt, dass sie die tiefe Erfahrung 

Ihrer Beziehung zu Gott noch einmal durchlebt. 

1566 schreibt Theresia den Weg der Vollkommenheit; 

Sie nennt ihn Anweisungen und Ratschläge, 

Die Theresia von Jesus ihren Töchtern, 

Den Ordensschwestern, gibt. 

Empfängerinnen sind die zwölf Novizinnen 

Des Karmel San José in Ávila. 

Ihnen bietet Theresia ein tiefgreifendes Programm 

Des kontemplativen Lebens 

Im Dienst der Kirche, dessen Grundlage 

Die evangelischen Tugenden und das Gebet sind. 

Das berühmteste mystische Werk 

Der heiligen Theresia ist die Innere Burg, 

Das sie 1577 schrieb, in voller Reife. 

Es ist eine neue Auslegung ihres geistlichen Weges 

Und gleichzeitig eine Kodifizierung 

Des möglichen Ablaufs des christlichen Lebens 

Auf seine Fülle, die Heiligkeit, hin, 

Unter dem Wirken des Heiligen Geistes. 

Theresia greift dabei zurück auf die Struktur 

Einer Burg mit sieben Wohnungen 

Als Bild der Innerlichkeit des Menschen 

Und führt gleichzeitig das Symbol 

Der Seidenraupe ein, die als Schmetterling 

Neu geboren wird, um den Übergang 

Vom Natürlichen zum Übernatürlichen 

Zum Ausdruck zu bringen. 

Inspiriert durch die Heilige Schrift, 

Besonders durch das Hohelied, 

Gelangt die Heilige am Ende zum Symbol 

Der beiden Brautleute, 

Mit dem sie in der siebten Wohnung 

Den Höhepunkt des christlichen Lebens 

Unter seinen vier Aspekten beschreiben kann: 

Dem dreifaltigen, 

Dem christologischen, 

Dem anthropologischen 

Und dem kirchlichen Aspekt. 


Es ist nicht leicht, die tiefe und vielschichtige 

Theresianische Spiritualität 

In wenigen Worten zusammenzufassen. 

Erstens verweist Theresia 

Auf die evangelischen Tugenden als Grundlage 

Des ganzen christlichen und menschlichen Lebens: 

Insbesondere die Abkehr von den Gütern 

Oder die evangelische Armut, 

Und das betrifft uns alle; 

Die Liebe zueinander 

Als wesentliches Element des Gemeinschaftslebens 

Und des gesellschaftlichen Lebens; 

Die Demut als Liebe zur Wahrheit; 

Die Entschlossenheit als Frucht des christlichen Wagemuts; 

Die theologische Hoffnung, 

Die sie als Durst 

Nach dem lebendigen Wasser beschreibt. 

Sie vergisst darüber jedoch nicht 

Die menschlichen Tugenden: 

Freundlichkeit, Wahrhaftigkeit, Bescheidenheit, 

Höflichkeit, Fröhlichkeit, Bildung. 

Zweitens verweist Theresia 

Auf eine tiefe Übereinstimmung 

Mit den großen biblischen Gestalten 

Und das aufrichtige Hören auf das Wort Gottes. 

Sie fühlt sich im Einklang vor allem 

Mit der Braut des Hohelieds 

Und mit dem Apostel Paulus 

Sowie mit dem leidenden Christus 

Und dem eucharistischen Jesus. 

Die Heilige hebt außerdem hervor, 

Wie wesentlich das Gebet ist. 

Sie sagt: Beten ist nichts anderes 

Als Verweilen bei einem Freund, 

Mit dem wir oft allein zusammenkommen, 

Einfach um bei ihm zu sein, 

Weil wir sicher wissen, dass er uns liebt. 


Bei Theresia handelt es sich nicht so sehr 

Um eine Unterweisung im Gebet 

Als vielmehr um eine Mystagogik: 

Sie lehrt den Leser ihrer Werke beten, 

Indem sie selbst mit ihm betet; 

Häufig unterbricht sie den Bericht 

Oder die Darlegung, um ein Gebet hervorzubringen. 

Ein weiteres Thema, das der Heiligen 

Am Herzen lag, ist die Zentralität 

Der Menschheit Christi.


Ein letzter wesentlicher Aspekt 

Der Theresianischen Lehre, 

Den ich hervorheben möchte, 

Ist die Vollkommenheit als Bestreben 

Und Endziel des gesamten christlichen Lebens. 

Die Heilige hat eine sehr klare Vorstellung 

Von der Fülle Christi, 

Die der Christ aufs neue lebt. 

Am Ende des Weges der Inneren Burg, 

In der letzten Wohnung, 

Beschreibt Theresia diese Fülle, 

Verwirklicht in der Einwohnung der Dreifaltigkeit, 

In der Vereinigung mit Christus 

Durch das Geheimnis seiner Menschheit.




THERESE VON LISIEUX


Liebe Schwester!


Die Wissenschaft der Liebe, 

Die in der Liebe die ganze Wahrheit 

Des Glaubens erstrahlen sieht, 

Fasst Theresia vor allem 

In ihrer Lebensbeschreibung in Worte, 

Die ein Jahr nach ihrem Tod unter dem Titel 

Geschichte einer Seele veröffentlicht wurde. 

Ich möchte dich einladen, 

Diesen kleinen und doch so großen 

Schatz zu entdecken, diesen leuchtenden, 

In ganzer Fülle gelebten 

Kommentar zum Evangelium! 

Die Geschichte einer Seele ist in der Tat 

Eine wunderbare Liebesgeschichte, 

Die mit einer solchen Wahrhaftigkeit, 

Einfachheit und Frische erzählt wird, 

Dass sie den Leser einfach faszinieren muss! 

Aber welche Liebe hat Theresias ganzes Leben, 

Von der Kindheit bis zum Tod, erfüllt? 

Liebe Freundin, diese Liebe hat ein Antlitz, 

Sie hat einen Namen: Jesus! 

Die Heilige spricht unablässig von Jesus. 

Ich möchte also die großen Abschnitte 

Ihres Lebens nachvollziehen, 

Um in das Herz ihrer Lehre einzutreten.


Theresia wird am 2. Januar 1873 in Alençon, 

Einer Stadt in der Normandie in Frankreich geboren. 

Sie ist die jüngste Tochter 

Von vorbildlichen Eheleuten und Eltern. 

Sie hatten neun Kinder; 

Vier von ihnen starben bereits in zartem Alter. 

Übrig blieben fünf Töchter, 

Die alle Ordensfrauen wurden. 

Mit vier Jahren wurde Theresia 

Vom Tod ihrer Mutter zutiefst getroffen. 

Der Vater zog daraufhin mit den Töchtern 

In die Stadt Lisieux, 

Wo sich das ganze Leben der Heiligen abspielen wird. 

Später wurde Theresia, 

Die von einem schweren Nervenleiden befallen wurde, 

Durch eine göttliche Gnade geheilt, 

De sie selbst als das Lächeln 

Der seligen Jungfrau bezeichnete. 

Dann empfing sie die Erstkommunion, 

Die sie zutiefst erlebte, 

Und stellte den eucharistischen Jesus 

In den Mittelpunkt ihrer Existenz. 

Die Weihnachtsgnade von 1886 

Ist die große Wende, die sie 

Als meine vollständige innere Wandlung bezeichnete: 

Sie wird von ihrer kindlichen 

Überempfindlichkeit geheilt 

Und beginnt voranzuschreiten, 

Wie ein Riese seinen Weg läuft.


Im Alter von 14 Jahren 

Nähert sich Theresia immer mehr 

Mit großem Glauben dem gekreuzigten Jesus 

Und nimmt sich des scheinbar aussichtslosen Falles 

Eines zum Tode verurteilten 

Und unbußfertigen Verbrechers an. 

Um jeden Preis wollte ich die Sünder 

Dem ewigen Verderben entreißen, 

Schreibt die Heilige in der Gewissheit, 

Dass ihr Gebet ihn dem erlösenden 

Blut Christi zugeführt hätte. 

Es ist ihre erste und grundlegende Erfahrung 

Der geistlichen Mutterschaft. 

So sehr vertraue ich auf Jesu 

Grenzenlose Barmherzigkeit, schreibt sie. 

Wie die Gottesmutter Maria liebt, glaubt und hofft 

Die junge Theresia mit dem Herzen einer Mutter.


Im November 1887 begibt sich Theresia 

Zusammen mit ihrem Vater 

Und der Schwester Céline 

Auf eine Pilgerreise nach Rom. 

Der Höhepunkt ist für sie die Audienz 

Beim Papst, den sie um Erlaubnis bittet, 

Mit 15 Jahren in den Karmel 

Von Lisieux eintreten zu dürfen. 

Ein Jahr später wird ihr Wunsch Wirklichkeit: 

Sie wird Karmelitin, 

Um Seelen zu retten und besonders 

Für die Priester zu beten. 

Gleichzeitig beginnt auch die schmerzhafte 

Und demütigende Geisteskrankheit ihres Vaters. 

Dieser große Schmerz bringt Theresia dazu, 

Das Antlitz Jesu in seinem Leiden zu betrachten. 

So bringt sie durch ihren Ordensnamen – 

Schwester Theresia vom Kinde Jesu 

Und vom heiligen Antlitz – 

Ihren ganzen Lebensplan zum Ausdruck, 

Vereint mit den zentralen Geheimnissen 

Der Menschwerdung und der Erlösung.


Ihre Ordensprofess am Fest Mariä Geburt, 

Dem 8. September 1890, 

Ist für sie eine wahre geistliche Vermählung 

In der Kleinheit nach dem Evangelium, 

Für die sie das Symbol der Blume gebraucht. 

Mariä Geburt, welch schönes Fest 

FFür die Vermählung mit Christus! 

Das kleine Kind Maria brachte 

Dem kleinen Jesus seine kleine Blume dar. 

Ordensfrau zu sein bedeutet für Theresia, 

Braut Christi und Mutter der Seelen zu sein. 

Am selben Tag schreibt die Heilige ein Gebet, 

Das die ganze Ausrichtung ihres Lebens darlegt: 

Sie bittet Jesus um das Geschenk 

Seiner grenzenlosen Liebe; 

Sie bittet darum, die Kleinste zu sein, 

Und vor allem bittet sie 

Um das Heil aller Menschen: 

Keine Seele soll heute in die Verdammnis geraten. 

Von großer Bedeutung ist ihre Weihe 

An die barmherzige Liebe. 

An dieser Weihe lässt Theresia, 

De bereits stellvertretende Novizenmeisterin ist, 

Ihre Mitschwestern sofort teilhaben.


1896, zehn Jahre nach der Weihnachtsgnade, 

Kommt die Ostergnade, 

Die Theresias letzten Lebensabschnitt eröffnet: 

Der Beginn ihres Leidens 

In tiefer Vereinigung mit dem Leiden Jesu. 

Es ist ein leibliches Leiden 

In Form der Krankheit, 

Die sie durch große Leiden zum Tod führen wird, 

Vor allem aber ein Leiden der Seele 

In Form einer äußerst schmerzlichen Glaubensprüfung.

Mit Maria beim Kreuz Jesu 

Lebt Theresia damals einen heroischen Glauben, 

Wie Licht in der Finsternis, 

Die in ihre Seele eindringt. 

Die Karmelitin ist sich bewusst, 

Dass sie diese große Prüfung 

Für das Heil aller glaubenslosen Menschen 

Der modernen Welt lebt, 

Die sie Brüder nennt. 

Daher lebt sie die geschwisterliche Liebe 

Noch intensiver: zu den Schwestern 

Ihrer Gemeinschaft, zu den Missionaren, 

Ihren geistlichen Brüdern, zu den Priestern 

Und zu allen Menschen, 

Besonders den Fernstehenden. 

Sie wird wirklich zu einer Universalen Schwester! 

Ihre sanfte und lächelnde Liebe 

Ist Ausdruck der tiefen Freude, 

Deren Geheimnis sie uns offenbart: 

Jesus, dich zu lieben ist meine Freude. 

Mitten in diesem Leiden 

Lebt die Heilige die größte Liebe 

In den kleinsten Dingen des Alltags 

Und erfüllt so ihre Berufung, 

Im Herzen der Kirche die Liebe zu sein.


Theresia stirbt am Abend 

Des 30. September 1897 

Mit den einfachen Worten 

Mein Gott, ich liebe Dich! 

Ihr Blick ist auf das Kreuz gerichtet, 

Das sie in Händen hält. 


Ach du weißt, dass ich dich liebe, göttlicher Jesus, 

Der Geist der Liebe entflammt mich mit seinem Feuer, 

In der Liebe zu dir ziehe ich den Vater an mich.




EDITH STEIN 


Liebe Schwester!


Unter den Zeugnissen unserer Zeit 

Möchte ich Edith Stein erwähnen, 

Teresia Benedicta a Cruce. 

Sie hat ihr irdisches Leben 

Im Konzentrationslager Auschwitz 

Mit dem Martyrium beschlossen. 

Ihr Leben könnte als Niederlage erscheinen, 

Doch gerade in ihrem Martyrium 

Erstrahlt der Glanz jener Liebe, 

Die alle Finsternis des Egoismus 

Und des Hasses überwindet. 


Am 6. August 1942 sagte Edith Stein 

Drei Tage vor ihrem dramatischen Lebensende 

Zu einigen Mitschwestern 

Im holländischen Karmel-Kloster Echt: 

Ich bin auf alles gefasst.

Jesus ist auch hier mitten unter uns. 

Bisher konnte ich sehr gut beten 

Und aus vollem Herzen ausrufen: 

Ave, Kreuz, einzige Hoffnung. 


Zeugen, die dem schrecklichen Massaker 

Entkommen konnten, erzählten, 

Dass Teresia Benedicta a Cruce, 

Mit dem Gewand einer Karmelitin bekleidet, 

Dem Tod selbstbewusst entgegenging. 

Sie unterschied sich dabei 

Durch ihre friedvolle Haltung, 

Ihre Gelassenheit und ihr ruhiges 

Und aufmerksames Verhalten 

Gegenüber den Bedürfnissen all ihrer Mitmenschen. 

Das Gebet war das eigentliche Geheimnis 

Dieser heiligen Mitpatronin Europas, 

Die auch, nachdem sie im Frieden 

Des kontemplativen Lebens 

Bei der Wahrheit angekommen war, 

Bis zum Letzten leben musste

Das Geheimnis des Kreuzes.