DIE FRAU IM JOHANNES EVANGELIUM


VON TORSTEN SCHWANKE


DIE WEISHEIT


Johannes 1


1 Im Anfang war die Weisheit, und die Weisheit war bei Gott, und Gott war die Weisheit. 2 Dieselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dieselbe gemacht, und ohne dieselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. 4 In ihr war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ergriffen.


Am Anfang war der Logos. Der Logos ist aber nicht nur das Wort, wie in fast allen Bibeln. Benedikt XVI übersetzte Logos auch mit Sinn oder Vernunft. In der Schwankebibel steht: Allvernunft.


Johannes übernimmt die Idee des Logos aus der griechischen Philosophie, besonders von Heraklit und der Stoa. Dort ist der Logos der in der Schöpfung und im Menschen gegenwärtige Weltgeist.


Johannes spielt aber auch an auf die Gestalt der Weisheit im Alten Testament. Diese Weisheit ist, wie Sirach sagt, nur wenigen bekannt. Ich fasse die wichtigsten Aussagen zur göttlichen Weisheit zusammen:


Buch der Sprüche 8: Die Weisheit war vor Anbeginn der Schöpfung bei Gott, von Gott gezeugt vor aller Welt. Sie ist Gottes Liebling. Sie ist Gottes Hätschelkind. Sie ist Gottes Architektin. Sie ist Gottes Throngenossin. Sie spielt allezeit vor dem Angesicht des Vaters. Ihre Wonne ist es, bei den Menschensöhnen zu sein. Sie sagt: Ich liebe die, die mich lieben.


Jesus Sirach 24: Die Weisheit rühmt sich selbst in der Gemeinde: Ich ging von dem Munde des Allerhöchsten aus und schwebte über den Wolken, über den Meeren war mein Thron. Ich suchte bei allen Völkern nach einer bleibenden Wohnung. Da gebot mir der Allerhöchste: In Israel sollst du wohnen.


Buch der Weisheit: Die Weisheit ist rein, makellos, fein, ruhig, geistig, sanft, unbefleckt, lebendig, beweglich. Sie ist ein Ausfluss der Kraft Gottes und ein Spiegel seiner Gottheit. Sie regiert von einem Ende zum anderen und geht in Seelen ein und macht sie zu Freunden Gottes und Propheten. Salomo hat ihre Schönheit liebgewonnen und sie zu seiner geistlichen Gemahlin erwählt.


Buch Baruch: Die Weisheit ist nur Gott bekannt. Er hat sie ergründet und sie Israel, seinem Geliebten, gegeben. Danach ist sie auf Erden erschienen und hat unter den Menschen gewohnt.



MARIA, DIE FÜRBITTERIN


Johannes 2


1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Frau, was ist das dir und mir? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut! 6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen hundert Liter. 7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt es dem Speisemeister! Und sie brachten es ihm. 9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten es, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. 12 Danach zog er hinab nach Kafarnaum, er, seine Mutter, seine Vettern und seine Jünger, und sie blieben nur wenige Tage dort.


*


Wir sehen hier die mächtige Fürsprache Mariens bei ihrem Sohn. Diese Rolle der Fürsprecherin hat sie dauerhaft im Reich Gottes. Sie ist auch jetzt unsere Fürsprecherin bei ihrem Sohn. Darum heißt es im Rosenkranz: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns arme Sünder, jetzt, und in der Stunde unsres Todes. Amen.


Maria hat damit Anteil an der Fürsprache Jesu. Im Hebräerbrief wird Jesus als Hohepriester dargestellt, der am Thron des Vaters Fürsprache für uns hält. Wenn Satan, der Ankläger, uns vor Gottvater verklagt, dann tritt Jesus für uns ein.


Da Maria das Urbild der Kirche ist, ist die Fürsprache Mariens auch die Fürsprache der Kirche. In jedem heiligen Messopfer wird auch Fürsprache eingelegt für die Kirche, die ganze Menschheit, Lebende und Tote.


Und auch die einzelnen Christen sind zur Fürsprache für andere aufgefordert, und zwar nicht nur für die Brüder, sondern auch für die verstockten Sünder. Dabei ist das wichtigste Anliegen der Fürsprache das ewige Seelenheil der Menschen und das Geschenk des Glaubens. Es ist offensichtlich so, dass es auch ein besonderes Charisma der Fürsprache gibt, Christen, die besonders gerne und wirksam für andere beten.


Jesus fragt Maria auf ihre Fürbitte: Was ist das dir und mir? So lautet die exakte Übersetzung aus dem Griechischen. Luther übersetzte: Weib, was hab ich mit dir zu schaffen! Pfingstlerische Psychotherapeuten sagen, ein Mann solle auch einmal zu seiner Mutter sagen: Weib, was hab ich mit dir zu schaffen! Thomas Mann schilderte in einem Roman das Unbehagen, das selbst fromme Lutheraner mit dieser Formulierung Jesu haben konnten. Aber es ist eben eine falsche Übersetzung. Frau, was ist das dir und mir, fragt Jesus. Und Benedikt XVI schrieb: Jesus fragt nach dem gemeinsamen Anliegen Jesu und Mariens. Und was ist die Antwort? Das Anliegen Jesu ist: Vater, ich bin gekommen, deinen Willen zu tun. Und Mariens Anliegen ist: Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort. Das gemeinsame Anliegen von Jesus und Maria ist, dass Gottes Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden. Auch die einzelnen Christen sollen sich bemühen, im Willen Gottes zu leben. Darum sagte Meister Eckhard: Gib deine Wünsche auf und erfülle den Willen Gottes.


Jesus verwandelt Wasser in Wein. Das ist mehr ein Zeichen dafür, dass er der Messias ist, als dass es dem Besäufnis der Gemeinde dient. Wein ist in der Bibel ein Zeichen für die Freude des Herzens. Maßhalten wird geboten von der Weisheit, aber der Wein nicht untersagt, sondern gelobt. Die Rabbinen erwarteten, dass wenn der Messias kommt, es riesengroße Weintrauben geben wird. Die Griechen verehrten ihren Weingott Dionysos, der in den Mysterienkulten rituell verzehrt wurde. Jesus verwandelt Wasser in Wein, aber im Letzten Abendmahl und damit in jeder Eucharistiefeier verwandelt er Wein in Blut, Brot in sein Fleisch, und wird uns so zum spirituellen Trank. Rainer Maria Rilke erwähnte, dass die Tränen Mariens zu Blut werden. Und das ist eine historische Tatsache, dass im 20. Jahrhundert auf der ganzen Welt Statuen und Ikonen der Jungfrau Maria zu weinen begannen, menschliche Tränen, aber auch Tränen aus menschlichem Blut. Auch schwitzten Marienbilder Milch und Honig aus der Stirn aus. Das sind die Leiden der Gottesmutter über den Glaubensabfall der Menschheit. 


Maria sagt: Was Er euch sagt, das tut. - Maria hat keinen eigenen Willen, ihr eigener Wille ist ganz ausgelöscht, sie will nur Jesu Willen. Die Botschaft, die Maria uns damals brachte und heute bringt, ist nicht sie selbst, sondern Jesus. Maria sieht sich als Mittel, nicht als Ziel. Das Ziel ist Gott. Jesus ist durch Maria zu uns gekommen, wir kommen durch Maria zu Jesus. Ein Weg zu Jesus unter Ausschluss von Maria führt in der Regel zu einem selbstgemachten Jesus. Maria führt zum wahren Jesus, dem eucharistischen Christus, der uns seine Gnade spendet in den sieben Sakramenten. Und Maria sagt: Was Er euch sagt, das tut. Es ist also nicht genug, nur an Jesus zu glauben, das tun die Dämonen auch, man muss auch tun, was Jesus gebietet, das Evangelium muss getan werden, gelebt werden, zum Glauben müssen die guten Werke hinzukommen.


Das Hochzeitspaar wird namentlich nicht erwähnt. Dass Jesus sein Wirken mit einer Hochzeit beginnt, offenbart, dass es ihm um die heilige Hochzeit Gottes und der Menschheit geht. Jesus selbst ist der Bräutigam. Und die Braut ist Maria, die hier als Urbild der Kirche erscheint. Die Hochzeit von Kana ist die Hochzeit Christi und der Kirche, wie es in der Offenbarung heißt: die Hochzeit des geschlachteten Lammes mit der Braut des Lammes, der himmlischen Jerusalem. Es ist aber nicht wie im Kommunismus eine anonyme Masse, sondern jedes Glied der Kirche erfährt diese Hochzeit, Gott schließt einen Ehebund mit jeder einzelnen Seele.


Auch der Wein ist ein Zeichen, und auch die Fülle des Weins, sechshundert Liter allerbesten Weines. Was ist denn da für ein Rausch gemeint, was für eine Trunkenheit? Es ist die nüchterne Trunkenheit des heiligen Geistes, die heilige Begeisterung, es ist der Rausch Gottes, es ist Gottes Trunkenheit, eine Liebes-Trunkenheit, Gottes überströmende Glückseligkeit. Es ist die ewige Freude und Wonne Gottes. Es ist Gottes Glückseligkeit, in die wir im Himmel eintauchen dürfen. Wie im heiligen Messopfer die Menschheit als ein Tropfen Wasser sich mit dem Wein des Kelches als der Gottheit vermischt, so dürfen wir berauscht sein von Gottes Rausch und betrunken von Gottes Liebe.




THEOLOGISCHE PARTNERIN


Johannes 4


1 Als nun Jesus erfuhr, dass den Pharisäern zu Ohren gekommen war, dass Jesus mehr zu Jüngern machte und taufte als Johannes –2 obwohl Jesus nicht selber taufte, sondern seine Jünger – 3 verließ er Judäa und zog wieder nach Galiläa. 4 Er musste aber durch Samarien reisen. 5 Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gegeben hatte. 6 Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich an den Brunnen; es war um die sechste Stunde (12 Uhr mittags). 7 Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! 8 Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Speise zu kaufen. 9 Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du, ein Jude, erbittest etwas zu trinken von mir, einer samaritischen Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. 10 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkennen würdest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du würdest ihn bitten, und er würde dir lebendiges Wasser geben. 11 Spricht zu ihm die Frau: Herr, du hast doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du denn lebendiges Wasser? 12 Bist du etwa mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Söhne und sein Vieh. 13 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; 14 wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt. 15 Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen! 16 Spricht er zu ihr: Geh hin, ruf deinen Mann und komm wieder her! 17 Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Ehemann. Jesus spricht zu ihr: Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Ehemann. 18 Denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Ehemann; das hast du recht gesagt. 19 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist! 20 Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. 21 Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. 22 Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir aber wissen, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. 23 Aber es kommt die Stunde und ist schon jetzt, dass die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn der Vater will solche Anbeter haben. 24 Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. 25 Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. 26 Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet. 27 Unterdessen kamen seine Jünger, und sie wunderten sich, dass er mit einer Frau redete; doch sagte niemand: Was willst du? oder: Was redest du mit ihr? 28 Da ließ die Frau ihren Krug stehen und ging hin in die Stadt und spricht zu den Leuten: 29 Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus ist? 30 Da gingen sie aus der Stadt heraus und kamen zu ihm. 31 Unterdessen mahnten ihn die Jünger und sprachen: Rabbi, iss! 32 Er aber sprach zu ihnen: Ich habe eine Speise zu essen, von der ihr nicht wisst. 33 Da sprachen die Jünger untereinander: Hat ihm jemand zu essen gebracht? 34 Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk. 35 Sagt ihr nicht selber: Es sind noch vier Monate, dann kommt die Ernte? Siehe, ich sage euch: Hebt eure Augen auf und seht auf die Felder: sie sind schon reif zur Ernte. 36 Wer erntet, empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben, auf dass sich miteinander freuen, der da sät und der da erntet. 37 Denn hier ist der Spruch wahr: Der eine sät, der andere erntet. 38 Ich habe euch gesandt zu ernten, wo ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und ihr seid in ihre Arbeit eingetreten. 39 Es glaubten aber an ihn viele der Samariter aus dieser Stadt um des Wortes der Frau willen, die bezeugte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe. 40 Als nun die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, dass er bei ihnen bleibe; und er blieb dort zwei Tage. 41 Und noch viel mehr glaubten um seines Wortes willen. 42 Und sie sprachen zu der Frau: Nun glauben wir nicht mehr um deiner Rede willen; denn wir haben selber gehört und erkannt: Dieser ist wahrlich der Welt Heiland. 43 Aber nach den zwei Tagen zog er von dort nach Galiläa. 44 Denn er selber, Jesus, bezeugte, dass ein Prophet in seiner Vaterstadt nichts gilt.


*


Die Nordstämme Israels waren von den Assyrern verschleppt worden. Die Assyrer siedelten neue Bewohner im Nordreich Israel an. Ihnen wurden Priester Jahwes zugewiesen, die sie in der hebräischen Religion unterrichten sollten. Die Samariter blieben halb heidnisch, halb jüdisch. Den echten Hebräern waren sie ein Volk von Unreinen.


Jesus begegnet nun einer dreifach Marginalisierten: erstens war sie eine Frau, zweitens eine Samariterin, drittens eine sexuelle Sünderin. Die Pharisäer hielten Abstand zu solchen Sündern, Jesus aber geht auf sie zu. Die Frau erhebt er zur theologischen Gesprächspartnerin, der Samariterin offenbart er die richtige Gottesverehrung, der sexuellen Sünderin präsentiert er sich selbst als den wahren Bräutigam, als die Liebe, die sie immer gesucht hat.


Die Frau kommt Mittags zum Brunnen. Anständige Frauen machten mittags Siesta. Diese Frau kommt in der brennenden Hitze, weil sie den anderen Frauen nicht begegnen wollte, die sich über sie das Maul zerrissen. Man kennt ja diesen Klatsch und Tratsch. Auch vor den Kirchentüren. Ein Prediger der Pfingstler beschrieb diese Frau als Dorfmatratze. Fünf Kerle hat sie gehabt, und der jetzige ist auch nicht ihr rechtmäßig angetrauter Ehemann. Sie praktizierte freie Liebe oder mehrere wilde Ehen. Übrigens gibt die frühchristliche Tradition dieser Frau den Namen Dina, wie der Name war der Tochter Jakobs, Dina, die vergewaltigt worden war.


Jesus kennt die Frau, er kennt ihre ganze Lebensgeschichte, daran erkennt sie, dass er ein Prophet ist. Es gab einen Mann, der in seiner Jugend verschiedene Liebchen hatte, schließlich als junger Mann in einer wilden Ehe (Konkubinat) lebte, als Jesus in der Heiligen Schrift ihn ansprach: Fünf Geliebte hast du gehabt, und deine jetzige Konkubine ist auch nicht deine Ehefrau. Da erkannte der Mann, dass Jesus lebt und durch die Heilige Schrift zu ihm spricht, und so bekehrte er sich und brachte sein Liebesleben in Ordnung.


Ströme lebendigen Wassers werden von ihm fließen. Das ist zum einen Jesus selbst, von dem die Ströme des Heils und des ewigen Lebens ausgingen. Bei seiner Kreuzigung wurde sein Herz mit einer Lanze geöffnet, es flossen Wasser und Blut heraus. Es floss das Wasser der sakramentalen Taufe heraus und das Blut als Zeichen für die Eucharistie, als Leib und Blut Jesu in sakramentaler Gestalt real präsent. Aber auch vom Christen gehen Ströme lebendigen Wassers aus. Der Quell ist die sakramentale Taufe, da beginnt die Gnade im Christen, die Gnade als das Leben Gottes in der Seele des Menschen. Dieser Strom der Gnade fließt zuerst ins ewige Leben, aber zweitens auch in die gegenwärtige Umwelt, indem der Christ die Liebe Gottes in die Welt trägt und so die Welt heiligt.


Gott ist Geist. Alles, was wir über Gott sagen können, ist Gott mehr unähnlich als ähnlich. Denken wir uns Gott Vater, wie ihn die Maler darstellen, irren wir uns ziemlich. Wenn die Bibel von den Augen Gottes, dem Arm, den Fingern, den Füßen Gottes redet, ist das nicht buchstäblich, sondern als Allegorie zu lesen. Seine Augen sind seine Erkenntnis, seine Arme seine Macht, sein Finger der Heilige Geist, seine Füße seine Anwesenheit in der Schöpfung. Nirgends ist von Gottes Bart oder gar von Gottes Phallus die Rede. Gott ist kein Mann. Gott hat keinen menschlichen Körper. Gott ist kein Mann, Gott ist keine Frau. Der Gipfel der Torheit ist es, Gott als eine genderneutrale Transperson zu bezeichnen. Gott ist erst recht nicht schwul, wie die liberalen Christen heute behaupten. Gottvater hat keinen menschlichen Körper, Gott ist reiner Geist. Auch der Heilige Geist hat keinen Menschenkörper, und erst recht nicht den Körper einer Taube. Nur Gott der Sohn in seiner Fleischwerdung den Körper eines Menschen angenommen, und hat diesen in seiner Auferstehung und Himmelfahrt nicht abgelegt, sondern verklärt und vergöttlicht, so dass Jesus für immer der Gottmensch bleibt. Wenn die Narren sagen, Jesus sei ein Mensch geworden, aber kein Mann, so ist das nichts als Unsinn, denn eine wahrhafte Inkarnation in die Menschheit kann nur eine Frau oder ein Mann sein. Jesus von Nazareth war ein Mann. 


Gott muss angebetet werden im Geist und in der Wahrheit. Jesus ist nicht mehr wie in seinem irdischen Leben an Zeit und Ort gebunden. Jesus im Heiligen Geist ist jetzt allgegenwärtig und in jeder Eucharistie leibhaftig auf der ganzen Welt gegenwärtig. Es gibt keinen Nationalgott, es gibt keinen einzigen Tempel, sondern alle Völker beten Gott im Geist an, also im Heiligen Geist durch den überall leibhaftig präsenten Christus den allgegenwärtigen Gott. Wir beten im Heiligen Geist. Oder anders gesagt: Es betet in uns der Heilige Geist.


Aber was heißt Anbetung in der Wahrheit? Wir müssen den wahren Gott anbeten in der wahren Religion und im wahren Kult. Wir sollen Gott nicht in heidnischer Weise anbeten, sondern im Geist des Christentums. Der wahre Gott ist der, den Jesus uns offenbart hat. Und die wahre Religion und der wahre Kult und die wahre Moral ist die, kurz, die wahre Kirche ist die, die von Jesus Christus gestiftet worden ist, das ist die eine, heilige, apostolische und katholische Kirche. Es sind nicht die Kirchen und Gruppen, die vom Kaiser von Byzanz, von König Heinrich VIII., von Martin Luther oder Zwingli oder Calvin gestiftet worden sind.


Nun, da die Samariterin erkannt hat, dass Jesus der Prophet, der Messias und die Quelle des ewigen Lebens ist, eilt sie zu ihrer Dorfgemeinschaft (die sie früher gemieden hat) und bezeugt, dass sie einen Propheten gehört hat, und fragt, ob dieser nicht der Messias sei? So müssen auch wir, wenn wir Jesus begegnet sind, die Menschen unseres Umfelds versuchen zu Jesus zu führen. Wir sollen ihnen nicht unsere Glauben aufdrängen und keine psychologische Gewalt anwenden, sondern wir sollen mit unserem ganzen Leben bezeugen, wie Jesus uns verwandelt hat, und die Menschen neugierig machen, dass sie sich selbst auf die Suche machen. Ein Papst des 20. Jahrhunderts sagte: Heute brauchen die Menschen weniger Lehrer, als vielmehr Zeugen des Glaubens. Wir können niemanden mit rationalen Argumenten von der Wahrheit Gottes überzeugen, aber wir können ihnen die Liebe Gottes erfahrbar machen. Wenn die Ungläubigen unsere Liebe sehen, beginnt vielleicht der eine oder andere nach der Quelle dieser Liebe zu fragen. Wir sollen nur Christi Hände und Füße sein, wie Teresa von Avila sagte, oder Gottes Stift, mit dem erden Menschen seinen Liebesbrief schreibt, wie Teresa von Kalkutta sagte. Das ist der wahre Missionsbefehl Jesu, keine psychologische Zwangsbekehrung, sondern ein glaubwürdiges Lebenszeugnis.


Und die Dorfgemeinschaft trifft Jesus und verbringt Zeit mit ihm und beginnt, ihn zu verehren, und zwar nicht mehr nur vom Hörensagen, also wegen des Zeugnisses der Missionarin, sondern weil sie ihm selbst begegnet sind. Nun haben wir ihn selbst erkannt, sagen sie. Und so sollen auch wir nicht nur von dem reden, was in der Bibel und im Katechismus steht oder was der Pfarrer sagt, sondern wir sollen mit Jesus in einen persönlichen Kontakt kommen, von Herz zu Herz, wie Kardinal Newman sagte. Dazu ist das regelmäßige Gebet unerlässlich. Wir müssen lernen, die Stimme Jesu zu hören.




DIE EHEBRECHERIN


Johannes 8


2 Frühmorgens aber kam Jesus wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie. 3 Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte 4 und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. 5 Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? 6 Das sagten sie aber, um ihn zu versuchen, auf dass sie etwas hätten, ihn zu verklagen. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7 Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. 8 Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9 Als sie das hörten, gingen sie hinaus, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand. 10 Da richtete Jesus sich auf und sprach zu ihr: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? 11 Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.


Es gibt Christen, Priester und Laien, die behaupten, die Ehebrecherin sei Magdalena gewesen. Es ist ein Mythos, den man aus Magdalena gemacht hat. Da werden alle Sünderinnen des Neuen Testaments Magdalena genannt, und auf der anderen Seite steht die allreine Mutter Jesu. Freud sagte, der Mann kennt die Frau entweder als Heilige oder als Hure. So machte man die Mutter Jesu zur Heiligen Maria und die Jüngerin Magdalena zur Hure. Ich halte nichts davon. Man sollte über Magdalena nur sagen, was die Schrift ausdrücklich über sie sagt: dass Jesus sieben Dämonen aus ihr ausgetrieben hat, dass sie Jesus materiell unterstützte, dass sie unter dem Kreuz stand und die erste Zeugin seiner Auferstehung war. Alles andere ist Mythologie.


Die Frau wird als Ehebrecherin angeklagt. Aber wo ist der Mann, der mit ihr die Ehe gebrochen hat? Warum wird er nicht ebenso angeklagt? Nach dem Gesetz Moses verdienen Ehebrecher die Steinigung von Mann und Frau. Nach der islamischen Scharia verdienen Ehebrecher die Todesstrafe. Die Kirche verurteilte Ehebrecher nie zum Tode, aber nannte den Ehebruch eine Todsünde, also eine Sünde, durch die man die rettende Gnade Gottes verliert.


Ein alte amerikanische Nonne erzählte, wie ein katholische Ehefrau sich über den Ehebruch des Mannes beklagte und sagte, ihr ehebrecherischer Mann habe Jesus zitiert: So verurteile auch ich dich nicht… Was der Mann vergessen hatte, war das Jesuswort: Gehe hin und sündige fortan nicht mehr.


Ehebruch ist im Westen zum Kavaliersdelikt der Fernsehunterhaltung geworden. In jedem Liebesfilm, in jedem Kriminalfilm kommt ein Ehebruch vor, der mit aller Selbstverständlichkeit genüsslich dargestellt wird. So wird die Sünde verharmlost oder gar zur Tugend umdefiniert, denn man „bräuchte ja nur dem Herzen und der Liebe zu folgen“, das heißt, dem Bauch und der Leidenschaft.


Im Gegensatz zu den modernistischen Katholiken und vielen Protestanten erlaubt Jesus keine Scheidung und keine Wiederverheiratung. Wer einen geschiedenen Menschen heiratet, begeht mit diesem Menschen Ehebruch. Da Ehebruch eine Todsünde ist, schließt er vom Empfang der Eucharistie aus (selbst wenn Papst Franziskus etwas anderes behaupten sollte).


Dass Jesus in den Sand schreibt, hat schon viele zum Grübeln gebracht. Was hat er wohl geschrieben? Nun, Jesus ist ja kein theologischer Schriftsteller. Hat er die Sünden der Ankläger aufgeschrieben? Oder hat er sich einfach Zeit zum Nachdenken genommen? Man weiß es nicht.


Man erlaube mir einen törichten Scherz. Es zog eine Menschenmenge mit einem jungen Mann durch die Gegend, und plötzlich sammelten sich Männer um eine Frau, die wollten sie steinigen. Da sprach der junge Mann: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. - Da flog ein Stein durch die Luft. Der junge Mann drehte sich um und sagte: Mutter, hab ich dir nicht gesagt, dass du dich da heraushalten sollst?



MARTHA UND DIE AUFERSTEHUNG


Johannes 11


1 Es lag aber einer krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf Marias und ihrer Schwester Martha. 2 Maria aber war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar getrocknet hatte. Deren Bruder Lazarus war krank. 3 Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du lieb hast, liegt krank. 4 Als Jesus das hörte, sprach er: Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes, dass der Sohn Gottes dadurch verherrlicht werde. 5 Jesus aber hatte Martha lieb und ihre Schwester und Lazarus. 6 Als er nun hörte, dass er krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er war. 7 Danach spricht er zu den Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa ziehen! 8 Die Jünger aber sprachen zu ihm: Rabbi, eben noch wollten die Juden dich steinigen, und du willst wieder dorthin ziehen? 9 Jesus antwortete: Hat nicht der Tag zwölf Stunden? Wer bei Tage umhergeht, der stößt sich nicht; denn er sieht das Licht dieser Welt. 10 Wer aber bei Nacht umhergeht, der stößt sich; denn es ist kein Licht in ihm. 11 Das sagte er, und danach spricht er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft, aber ich gehe hin, dass ich ihn aufwecke. 12 Da sprachen die Jünger zu ihm: Herr, wenn er schläft, wird's besser mit ihm. 13 Jesus aber sprach von seinem Tode; sie meinten aber, er rede von der Ruhe des Schlafs. 14 Da sagte ihnen Jesus frei heraus: Lazarus ist gestorben; 15 und ich bin froh um euretwillen, dass ich nicht da gewesen bin, auf dass ihr glaubt. Aber lasst uns zu ihm gehen! 16 Da sprach Thomas, der Zwilling genannt wird, zu den andern Jüngern: Lasst uns mit ihm gehen, dass wir mit ihm sterben! 17 Da kam Jesus und fand Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen. 18 Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien entfernt. 19 Viele Juden aber waren zu Martha und Maria gekommen, sie zu trösten wegen ihres Bruders. 20 Als Martha nun hörte, dass Jesus kommt, ging sie ihm entgegen; Maria aber blieb im Haus sitzen. 21 Da sprach Martha zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. 22 Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben. 23 Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. 24 Martha spricht zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tage. 25 Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; 26 und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? 27 Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommt. 28 Und als sie das gesagt hatte, ging sie hin und rief ihre Schwester Maria und sprach heimlich zu ihr: Der Meister ist da und ruft dich. 29 Als Maria das hörte, stand sie eilends auf und kam zu ihm. 30 Jesus aber war noch nicht in das Dorf gekommen, sondern war noch dort, wo ihm Martha begegnet war. 31 Als die Juden, die bei ihr im Hause waren und sie trösteten, sahen, dass Maria eilends aufstand und hinausging, folgten sie ihr, weil sie dachten: Sie geht zum Grab, um dort zu weinen. 32 Als nun Maria dahin kam, wo Jesus war, und sah ihn, fiel sie ihm zu Füßen und sprach zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. 33 Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr kamen, ergrimmte er im Geist und erbebte 34 und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie sprachen zu ihm: Herr, komm und sieh! 35 Und Jesus gingen die Augen über. 36 Da sprachen die Juden: Siehe, wie hat er ihn so lieb gehabt! 37 Einige aber unter ihnen sprachen: Er hat dem Blinden die Augen aufgetan; konnte er nicht auch machen, dass dieser nicht sterben musste? 38 Da ergrimmte Jesus abermals und kommt zum Grab. Es war aber eine Höhle, und ein Stein lag davor. 39 Jesus spricht: Hebt den Stein weg! Spricht zu ihm Martha, die Schwester des Verstorbenen: Herr, er stinkt schon; denn er liegt seit vier Tagen. 40 Jesus spricht zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen? 41 Da hoben sie den Stein weg. Jesus aber hob seine Augen auf und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. 42 Ich wusste, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umher steht, sagte ich's, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast. 43 Als er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! 44 Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und lasst ihn gehen! 45 Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.


*


Martha ist berühmt, weil sie in der Küche arbeitete, als ihre Schwester Maria auf Jesu Weisheit lauschte. Und doch gilt Martha als Heilige in der Kirche, eben aufgrund dieses Evangeliums. Den Legenden nach ist Martha nach der Auferstehung Christi mit anderen Marien nach Südfrankreich gesegelt und dort gelandet, was man heute Les-Saintes-Maries-de-la-mer nennt. Sie hat dann im Wald von Tarrascon missioniert. Maria von Bethanien, ihre Schwester, wurde oft mit Maria Magdalena verwechselt. Lazarus war ihr Bruder. Und diese drei Geschwister waren persönliche Freunde Jesu. Jesus hat so die Freundschaft geheiligt, auch die nicht-erotische Freundschaft zwischen Mann und Frau.


Jesus spricht von der Krankheit zur Verherrlichung Gottes. Jede Krankheit und auch die schwerste Krankheit, das Sterben, kann verwandelt werden in eine Verherrlichung Gottes. Der Kranke, selbst wenn die Ärzte mit ihrer menschlichen Weisheit ihm nicht helfen können, kann sein Leiden mit den Leiden Christi vereinigen, dann wird sein Leiden Anteilhabe an den Leiden Christi, dann leidet Christus im Kranken, dann strömt durch das Opfer des Kranken das erlösende Leiden Christi in des Kranken Zeit und Umwelt, und der Leidende wirkt so mit Christus an der Erlösung der Welt mit, an der Bekehrung der verstocktesten Sünder.


Wenn er schläft, wirds besser mit ihm. Ja, der Schlaf ist ein großer Segen. Der Psalmist sagt: Den Seinen gibts der Herr im Schlaf. Oder: Seinen Geliebten gibt der Herr Schlaf. Den Tod nennt man ein Entschlafen. Die Pietisten nannten das Dasein der Seele nach dem Tod und vor dem Weltgericht einen Seelenschlaf. Die Griechen nannten den Schlaf den Bruder des Todes, und hatten einen eigenen Gott des Schlafes, Morpheus. Vor schwierigen Entscheidungen sagt man: Da muss ich erst einmal eine Nacht drüber schlafen. Die Katholiken nennen das ewige Leben auch die ewige Ruhe. Der Dichter Reinhold Schneider in seiner unheilbaren Melancholie sagte: Kein Arzt ist so mitleidlos, einen unheilbar Kranken, wenn er endlich eingeschlafen ist, aufzuwecken. Und so wird der Herr nicht so unbarmherzig sein, mich, wenn ich entschlafen und unterm Kreuz begraben bin, von den Toten aufzuerwecken…


Hatte Lazarus es nicht gut im Todesschlaf im Totenreich? C.S. Lewis schrieb in seinem Buch über den Kummer, nachdem er seine Geliebte durch ihren Tod verloren hatte, dass Lazarus der erste Märtyrer war, denn er hatte endlich im Tod, im Seelenschlaf, ewige Ruhe gefunden, und nun weckte Jesus ihn auf, und Lazarus musste wieder sein irdisches Leben im Tal des Jammers fortsetzen.


Alle weinten, Jesus gingen die Augen über. Jesus ist nicht gleichgültig über den Tod des Freundes. Er himmelt seine Trauer nicht weg mit der Gewissheit der Auferstehung. Jesus weint. Es wird in der Bibel nie gesagt, dass Jesus gelacht hat, aber dass er geweint hat. Jesus weint auch über unser Elend, unsere Leiden, unseren Tod. Jesus hat nicht nur Mitleid mit uns, sondern er leidet mit uns. Er leidet in uns und er leidet für uns. Wenn man das Leiden verdrängt, wenn man nur den Spaß und das Glück der Welt sucht, kann man Jesus nicht erkennen. Wie es in dem Lied Susanne heißt: Jesus ist ein Seemann, und nur Ertrinkende können ihn sehen.


Marthas Bekenntnis ist wie das des Petrus: Du, Jesus, bist der Messias. In Petrus ist es das Bekenntnis der Hierarchie, des sakramentalen Weihepriestertums. In Martha ist es das Bekenntnis des Volkes, das Bekenntnis des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen. Das Bekenntnis Marthas ist nicht weniger Wert als das Bekenntnis Petri.


ICH BIN die Auferstehung (anastasis) und das Leben (zoe). Eins der Ich-bin-Worte Jesu, in denen das Ich-Bin des Gottesnamens Jahwe aufscheint und Jesu Gottheit offenbar wird. Jesus ist der Erstgeborene von den Toten. Er ist leibhaftig auferstanden und ist zur Rechten des Vaters in seiner verklärten Menschheit. Auch die ganz reine Maria ist in ihrem verklärten Leib zur Rechten Jesu. Alle anderen Toten sind nur als Seele (oder Ich-Bewusstsein) im Jenseits, und erst in der allgemeinen Auferstehung des Fleisches am Jüngsten Tag werden die Toten ihren Pneuma-Leib (Geistleib) bekommen. Das Leben, das Jesus ist, ist nicht das Bios-Leben, die Biologie, sondern das Zoe-Leben, das ist das innere, das seelische, das religiöse, das ewige Leben. Das biologische Leben kann uns unsere Mutter geben, aber das mystische, ewige Leben gibt uns Jesus Christus.



MARIA DIE DEN GESALBTEN SALBT


Johannes 12


1 Sechs Tage vor dem Passafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den Jesus auferweckt hatte von den Toten. 2 Dort machten sie ihm ein Mahl, und Martha diente bei Tisch; Lazarus aber war einer von denen, die mit ihm zu Tisch saßen. 3 Da nahm Maria ein Pfund Salböl von unverfälschter, kostbarer Narde und salbte die Füße Jesu und trocknete mit ihrem Haar seine Füße; das Haus aber wurde erfüllt vom Duft des Öls. 4 Da sprach einer seiner Jünger, Judas Iskariot, der ihn hernach verriet: 5 Warum wurde dieses Öl nicht für dreihundert Silbergroschen verkauft und das Geld den Armen gegeben? 6 Das sagte er aber nicht, weil ihm an den Armen lag, sondern er war ein Dieb; er hatte den Geldbeutel und nahm an sich, was gegeben wurde. 7 Da sprach Jesus: Lass sie. Es soll gelten für den Tag meines Begräbnisses. 8 Denn Arme habt ihr allezeit bei euch; mich aber habt ihr nicht allezeit.


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Jesus ist der Gesalbte, der Christus, der Messias, durch die Salbung des Heiligen Geistes. Die Salbung des Heiligen Geistes ist die Einsetzung als Priester, Prophet und König. Auch wir Christen sind in der Ttaufe und der Firmung gesalbt worden und eingesetzt zum allgemeinen Priestertum, zum Prophetentum und zum Königtum. Die evangelisch-feministische Theologie nennt Jesus den „Gesalbten der Frauen“, weil die Sünderin ihn mit ihren Tränen und Maria von Bethanien ihn mit Narde gesalbt hat.


Es werden oft drei Frauen verwechselt: Magdalena, die Sünderin und Maria von Bethanien. Das haben wir Gregor dem Großen zu verdanken (6. Jahrhundert). Maria Magdalena ist aber nicht die namenlose Sünderin (Hure), die Jesu Füße mit ihren Tränen „gesalbt“ hat, und beide sind verschieden von Maria von Bethanien, der Schwester von Martha und Lazarus.


Der Wert der Salbe, des Parfüms, entsprach dem Jahreseinkommen eines Arbeiters. Maria war nicht geizig oder sparsam, nicht berechnend und nicht engherzig. Für Gott nur das Beste! So baute Salomo den goldenen Tempel für Jahwe. So baute die Kirche den prächtigen Petersdom für Christus. Es ist Marxismus, das zu kritisieren. Als ob Christus nicht der wertvollsten Steine und der höchsten Kunst würdig wäre! Soll denn nicht Christus von uns nur das Beste erhalten? Soll nicht Christus unsere Liebe, unsere Zeit erhalten? Oder sind Ehefrau und Kinder uns lieber als Gott und so zu unseren Götzen geworden?


Wir wollen alles geben, das ist das Wesen der Liebe, wie Jesus alles gegeben, bis zum letzten Blutstropfen. Wenn wir nicht erfassen, dass Jesus sich für uns ganz dahin gegeben hat, für uns den Liebestod gestorben ist, er bis zum letzten Blutstropfen sich uns ganz hingibt, dann können wir die Bibel auswendig kennen, wir sind dennoch keine Christen, wir können christliche Theologie studieren oder Christus als Philosophen betrachten, wir können den Armen Suppe kochen, wenn wir nicht die Liebe Christi am Kreuz erkennen, sind wir keine Christen.


Wie erweisen wir Jesus unsere Liebe? Indem wir Zeit mit ihm im Gebet verbringen, indem wir den Nächsten lieben mit Worten und Werken, indem wir unsere Sünden beichten, indem wir uns mit seinem Leib in der Eucharistie vereinigen, indem wir unsere Kinder taufen lassen, indem wir Zeugnis für Jesus ablegen, indem wir die Heilige Schrift lesen und meditieren, indem wir im Rosenkranz über Jesu Leben meditieren.


Es gibt die Liebe zu Gott wie bei Maria oder die Liebe zum Geld wie bei Judas. Die Liebe ist die himmlische Gottheit, das Geld ist der irdische Abgott. Die Liebe zu Gott führt in die ewige Ruhe des Himmels, die Liebe zum Geldgötzen in die ewige Qual der Hölle.


Kirche und Geld. Oder: Kirchensteuer oder Jüngerschaft, das ist hier die Frage. Allezeit die Armen versorgen, eine marxistische Kirche? Vor dem Mammon sind auch die Christen nicht automatisch geschützt. Die Kirche in Deutschland hat Billionen an Geld, aber hat den katholischen Glauben aufgegeben. Menschen treten aus der Kirche aus wegen der Kirchensteuer. Katholische Bewegungen zeichnen sich vor allem durch Versendung von Überweisungsformularen aus. Die Kirche ist im Besitz von Buchverlagen, die okkulte Bücher vertreiben. Fragt ein Elender um seelischen Beistand, wird er abgewimmelt, weil man denkt, er will Geld. Es scheint, dass die Kirche in Deutschland von Herrn Mammon und Frau Torheit regiert wird.




DIE TAPFEREN FRAUEN UNTER DEM KREUZ


Johannes 19


Jesu Kreuzigung und Tod


17 und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. 18 Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. 19 Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König. 20 Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. 21 Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der Juden König. 22 Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. 23 Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. 24 Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten. 25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena. 26 Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! 27 Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. 28 Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. 29 Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. 30 Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.


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Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben“. Diesen Satz zitierte eine russisch-christliche Dichterin. Auch der Dichter bekennt sich zu seinem Wort, selbst wenn der Zeitgeist, die Kritik und die Menge es verwirft. Der Dichter sagt mit Jesus: Nach deinem Wort wirst du gerichtet werden.


Der ungenähte Rock Christi wurde selbstverständlich von seiner heiligen Mutter gewirkt. Er wird noch heute in Trier ausgestellt, und es gibt Wallfahrten zum Heiligen Rock.


Jesus irdisches, öffentliches Wirken reicht von der Fülle des in Wein verwandelten Wassers auf der Hochzeit zu Kana, wo Jesus als der wahre Bräutigam seiner Braut der Menschheit die Fülle der Freuden anbietet, bis zum Tropfen Essig, den die Menschheit für Jesus hat, als er am Kreuz litt. So ist Jesus ein Liebhaber, der den schweren Kummer unerwiderter Liebe kennt und dem Gutes mit Bösem vergolten wird und der für brennende Liebe nur Verachtung erntet.


Unter dem Kreuz waren (bis auf Johannes) keine Apostel, aber die Frauen, besonders die Mutter Jesu, aber auch Maria Magdalena und in der Nähe auch die anderen galiläischen Frauen, etwa Johanna und Susanna. Die Frauen erweisen sich als tapferer und mutiger als Männer. Die Frauen sind allgemein tapferer in körperlichen Leiden als Männer, da die Natur sie auf die Wehen vorbereitet. Männer weinen bei jedem Schnupfen und rufen dann nach Mama. In Kriegsgebieten, wenn alle Helfer das Krisengebiet verlassen haben, bleiben als Letzte die Ordensschwestern.


Unter dem Kreuz Jesus standen Maria die Mutter Jesu und Maria Magdalena und die Schwester (Verwandte) der Mutter Jesu. Ob nun Maria Kleophas, die unter dem Kreuz stand, eine weitere Frau ist, oder ob sie die Schwester Mariens ist, erklärt der Urtext nicht grammatisch eindeutig. Der allgemein verwendete Name Maria für alle Frauen unter dem Kreuz legt nahe, dass „Maria“ gewissermaßen der Name der Kirche und der Braut Jesu ist.


In der katholische Kunst wird Magdalena oft bei der Kreuzigungsszene Christi dargestellt, zur Rechten Christi steht die Mutter Christi, zur Linken Johannes, zu seinen Füßen kniet die Büßerin Magdalena mnit offenem Haar, umschlingt die Beine Jesu und weint Tränen der Reue. Eine sehr schöne mittelalterliche Legende sagte, dass Jesus ganz nackt gekreuzigt wurde. Die Mutter Jesu habe ihren Schleier vom Haupt genommen, ihn Magdalena gegeben, und diese habe damit die Genitalien Jesu verhüllt, das sei sein Lendenschurz gewesen.


Maria als Mutter hat mit ihrem gekreuzigten Sohn mitgelitten. Dieses Mitleiden mit dem leidenden Erlöser hatte sie zur mitleidenden Miterlöserin gemacht, wie jeder Christ, der sein Leiden mit dem Leiden Jesu vereinigt, teil hat an Christi Erlösung der Welt. Wie Simeon prophezeite, hat das Schwert der Passion Marias Mutterherz durchbohrt. Durch diese Herzverwundung ist das Herz der Mutter Jesu geöffnet worden, das Mutterherz der ganzen Christenheit zu werden. Hören wir sie selbst: Ich bin die Hilfe der Christenheit, ich bin die Mutter der Kirche, ich bin die Frau aller Völker, ich bin die Mutter Gottes und eure Mutter. Johannes, als der namenlose Jünger, den Jesus liebte, steht natürlich symbolisch da für jeden Jünger und jede Jüngerin Christi, zu denen der Herr am Kreuz sagt: Siehe, deine Mutter!


Und der Jünger, den Jesus liebte, nahm die Mutter Jesu und nun auch seine Mutter in sein Haus auf. So wird allgemein übersetzt. Das Griechische bedeutet aber mehr: Er nahm sie „in sein Eigenes“ auf, das heißt, er nahm sie in sein Inneres, in sein Herz auf. Wie ein Heiliger sagte: Wer die Mutter Jesu nicht zur Mutter hat, der hat Gott auch nicht zum Vater.


Es ist des gekreuzigten Menschheitserlösers nicht würdig, zu meinen, Jesu habe am Kreuz eine Privatangelegenheit zwischen Maria und Johannes erledigt. Nein, der Heiland hat die Rolle Marias in seinem Heilsplan festgelegt, Mutter, himmlische Mutter zu sein, unser aller Mutter. Das ist das Testament Jesu. Wer Maria nicht als seine geistige Mutter annimmt, ist dem gekreuzigten Jesus nicht gehorsam. Papst Johannes Paul II schrieb in einem Gedicht: Jesus ist in Maria gegenwärtig, vielleicht sogar noch mehr als im Brot? In der Endzeit, wenn in der falschen Kirche der Gräuel der Verwüstung aufgestellt wird, nach Benedikts XVI Worten das bloße Brot-Gedächtnis- und Gemeinschaftsmahl, statt des eucharistischen Opfers, dann werden die Jünger der letzten Zeiten oft keinen Zugang zum Leib und Blut Christi mehr haben, aber dann wird die Mutter Maria bei ihnen sein, die Mutter und Königin der Endzeit.




MAGDALENA, APOSTELIN DER APOSTEL


Johannes 20


1 Am ersten Tag der Woche kommt Maria Magdalena früh, als es noch finster war, zum Grab und sieht, dass der Stein vom Grab weggenommen war. 2 Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.


11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein 12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. 13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. 15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen. 16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! 17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. 18 Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was er zu ihr gesagt habe.


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Johannes schildert die Szene zwischen dem Gärtner und Magdalena im Ostergarten als eine Paraphrase des Hohenliedes. Jesus ist Salomo, der Geliebte, und Magdalena ist Sulamith, die Freundin.


Magdalena ist die mystische Braut Jesu. Aber bitte nicht eine irdische Ehefrau. Magdalena ist wie die Kirche und alle ihre Glieder eine mystische Braut Jesu, des Bräutigams der Kirche und der christlichen Seelen.


Heutzutage schreiben viele Narren, Jesus sei verheiratet gewesen (wovon weder die Bibel noch die Tradition etwas weiß), ja, Magdalena sei seine Ehefrau gewesen und habe eine Leibesfrucht von ihm empfangen, das sei der Jünger Johannes Markus gewesen, Stammvater der Merowinger-Dynastie. Die Merowinger wussten nichts von solchem Unsinn, sie waren katholischen Glaubens.


Dagegen kann man sie mit den Worten der Apostolischen Väter „Apostelin der Apostel“ nennen. Apostel heißt Gesandter. Magdalena ward von Jesus gesandt, Petrus und den Aposteln das Zeugnis von seiner Auferstehung zu geben. Das ändert nichts daran, dass Jesus beim Letzten Abendmahl nur 12 männliche Apostel zu Priestern geweiht hat. Papst Franziskus hat allerdings das liturgische Fest für Magdalena in den Rang eines Apostelfestes gehoben. Die Rolle der Frau in der Kirche ist nicht die des Weihepriestertums, sondern die des prophetischen Zeugnisses.


Mit der Auffindung der gnostischen Evangelien von Nag-Hammadi kam die Legende auf, dass Magdalena Jesu Lieblingin war, die einzige, die er auf den Mund küsste, und dass er sie zur Führerin einer feministisch-gnostischen Frauenkirche einsetzte, in Konkurrenz zu der von Petrus geführten, hierarchischen Männerkirche, also Petrus: Katholizismus und Magdalena: Gnosis. Davon steht im kanonischen Evangelium nichts, sondern Magdalena wurde zu Petrus und den anderen Aposteln gesandt, weil Petrus der oberste Hirte der Kirche ist. Wer eine gnostisch-feministische Frauenkirche will, verlässt den biblischen, katholischen Glauben und betreibt christliches Sektierertum oder gar esoterischen Unsinn.


Der Überlieferung nach ist Magdalena über Zypern als Missionarin nach Südfrankreich gereist. Dort gedenkt „Les-Saintes-Maries-de-la-mer“ an die Ankunft Magdalenas und anderer Marien. Sie ist die Apostelin Frankreichs. Die Reliquie ihres Schädels wird in der Provence aufbewahrt. Die Legenden erzählen, dass sie sich nach der Verkündigung in eine Bergeinsiedelei zum Gebet zurückgezogen habe, wo die Engel ihr die Kommunion brachten, und wo sie in einer Ekstase in den Himmel entrückt wurde. Darum nennt man sie auch „Schwester der Engel“. Sie ist als mystische Braut entrückt worden in das Brautgemach Jesu, wo er sie auf den Mund küsste.