DRAMA VON TORSTEN SCHWANKE
Matthäus 12, 42
Die Königin des Südens wird beim Gericht gegen die Männer dieser Generation auftreten und sie verurteilen. Denn sie kam vom Ende der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören – und hier steht einer, der mehr bedeutet als Salomo.
Personen
KÖNIG SALOMO
HOHEPRIESTER
SALOME, seine Tochter
ASSAPH
HANANJA, Palastaufseher
DIE KÖNIGIN VON SABA
ANATH, ein Maure, ihr Sklave
Die Stimme der Tempelwache
Priester, Leviten, Sänger, Harfenspieler, Leibwächter, Frauen des Harems, Hierodulen, Volk
Schauplatz der Handlung: Jerusalem und die syrische Wüste. Erster Akt: Saal in Salomos Palast. Zweiter Akt. Garten. Später im Tempel. Dritter Akt: Festsaal. Vierter Akt: In der Wüste.
ERSTER AKT
(Saal in Salomos Palast. Zwei prächtige Säulen gliedern den Hintergrund in drei Bögen, die kleineren führen in Säulengänge. Von der Höhe der Bühne führen zu beiden Seiten im Hintergrund breite, mit Teppichen bedeckte Treppen hinunter, am Fuß der Treppen goldene Löwen, links und rechts Türen aus Ebenholz und Gold. Links im Vordergrund steht der Löwenthron. Das Ganze bietet den Anblick der höchsten Pracht. Von der linken Seite kommen Salomos Frauen in festlichen Gewändern die Treppe herab, gefolgt von verschleierten Sklavinnen mit Pauken, Harfen und Triangeln. Von der rechten Seite folgen die Töchter Jerusalems, begleitet von Mägden mit goldenen Blumenkörben. Rechts im Vordergrund steht Hananja, umgeben von Leibwächtern. Die Türen sind mit Leibwächtern besetzt.)
ERSTE SZENE
(Hananja. Leibwächter. Frauen. Mägde. Sklavinnen.)
CHOR.
Öffnet euch, ihr Tore, schmückt eure Hallen,
Duftende Girlanden, bekränzt die Halle!
Lasst die Harfen und Zimbeln erklingen,
Blendet den glänzenden Strahl der Sonne!
Denn über alle irdischen Reiche
Hat Gott Salomos Herrschaft gesetzt.
Dass keiner auf Erden sich mit ihm vergleichen kann,
Zeigt es jubelnd der staunenden Welt!
ZWEITE SZENE
(Die Vorangegangenen. Der Hohepriester in weißen Gewändern und Salome treten von rechts ein. Alle verneigen sich.)
HOHER PRIESTER.
Tritt ohne Scheu ein,
Mein Kind, in die Halle des Königs,
Die Töchter von Salem alle
In festlichem Schmuck erwarten dich.
Nicht nur den hohen Gast
Bringt uns die nächste Stunde,
Auch den, den du erwählt hast,
Den du für deinen Bund erwählt hast.
Dein Assaph, er kehrt zurück,
Und mit dem Brautschleier
Gehst du mit ihm zum Hochaltar,
Mit ihm zum Hochaltar!
Den König lade ich ein
Und den fremden Gast zum Zeugen,
Die stolzen Heiden sollen sich beugen
Vor Jehova!
(Er wendet sich nach links. Alle verneigen sich. Hananja begleitet ihn, die Wachen ebenfalls. Am Ausgang verabschiedet er sich noch einmal von Salome, legt ihr die Hand auf den Kopf und schaut sie zärtlich an.)
DRITTE SZENE
(Salome. Die Frauen.)
SALOME.
Mein Assaph kehrt zurück!
Ach, nur dieses eine Wort hallt durch die Seele.
Spielt, und hört mein Glück!
Singt mit mir Lieder der Freude,
Mein Assaph kehrt zurück!
CHOR.
Der Freund ist dein,
Der Freund ist dein,
Der zwischen den Rosen weidet.
(Einige Frauen spielen die Harfe zum Chor. Mädchen mit Blumenkörben, andere, die Tamburin und Triangel spielen, begleiten den Gesang mit anmutigen, ruhigen Tanzbewegungen. Abschließend bilden die Tänzerinnen und Tänzer eine enge Gruppe im Halbkreis um Salome.)
SALOME.
Mein Freund, er ist ein Blumenstrauß aus Myrrhe,
Der sich in meinen Schoß schmiegt.
Ich halte ihn, ich segne ihn,
Ich bin erfrischt vom Duft seiner Wonne!
CHOR.
Der Freund ist dein,
Der Freund ist dein,
Der unter den Rosen weidet!
SALOME.
Mein Freund, er ist ein Kelch,
Der meine Lippen kühlt.
Ich halte ihn, ich segne ihn,
Sein honigsüßer Kuss macht mich süß!
CHOR.
Der Freund ist dein,
Der Freund ist dein,
Der zwischen den Rosen weidet!
SALOME UND CHOR.
Der Freund, der Freund ist mein! ist dein!
(Bei den ersten Klängen fliegt Salome auf Assaph zu, der im Hintergrund steht. Krieger treten ein, Hananja von links mit dem Hohepriester und den Wachen, die die Frauen zurückdrängen. Salome steht im Hintergrund und lehnt sich in zitternder Erwartung an ihren Vater.)
VIERTE SZENE
(Salome. Hoher Priester. Hananja. Chor. Assaph. Assaph tritt von rechts ein, kostbar bewaffnet, blass.)
ASSAPH
(zu Hananja.)
Gegrüßt sei der König! Sein hoher Gast naht!
An den Toren von Gad hält sie nur kurz inne.
Sie umgürtet sich mit festlichem Schmuck,
Bald schon wird sie im Palast sein.
Was mir befohlen wurde, ist geschehen,
Es lebe der König! Erlaubt mir, abzuscheiden!
HOHEPRIESTER
Sieh dich um, lieber Sohn, wer auf dich wartet!
SALOME.
Mein Assaph!
ASSAPH
(zittert vor Erregung)
Salome! Ah weh mir! mein Herz ist erstarrt!
Entsetzen schauert durch meine Knochen!
(Er weicht zurück. Salome bleibt erbleichend stehen. Der Hohepriester misst den sich zurückziehenden Mann mit einem strengen Blick.)
SALOME.
Assaph, rede, was ist geschehen?
Zu deinen Füßen sieh mich hier!
ASSAPH.
Frag mich nicht, was ich gesehen habe,
Aber verloren bin ich für dich!
SALOME.
Nein, nein, du bist auf ewig mein,
Nur der Tod reißt dich von mir!
ASSAPH.
Lass mich fliehen, lass mich schweigen!
Lass mich sterben, weit weg von hier!
ALLE.
Welche Qualen, welche Qualen,
Wer kann erlösen, wer kann retten!
HOHER PRIESTER.
Sende uns, o Herr, deinen Strahl!
ALLE.
Welche Qual, welche Pein!
SALOME UND ASSAPH.
Ah weh mir!
HANANJA.
Der König naht!
FÜNFTE SZENE
(Die Vorangegangenen. Salomo von links ohne Mantel und Krone, kostbar gekleidet; alle sinken nieder außer Assaph, der schweigt, und Salome, die verzweifelt neben dem Hohepriester steht. Letzterer erhebt seine Hände zum Segen auf den König. Die Wachen schwenken ihre Waffen.)
SALOMO.
Mein Blick erfasst das Erstaunen aller Anwesenden.
Wie kann das sein? Alles ist still?
Mein Assaph, du bist stumm?
Und die schönen Augen schwimmen in Tränen!
(Salome fällt nieder zu den Füßen des Königs Salomo.)
Was hier geschehen ist, frage ich nicht,
Der Geist, der in meiner Seele spricht, sagt es mir,
Und seine Macht wird alle Zweifel beseitigen!
(Majestätisch.)
Erhebt euch und betretet den Saal!
Du, Assaph, bleib hier! Höre das Wort deines Königs!
(Alle erheben sich und entfernen sich langsam durch die Säulengänge nach rechts und links. Assaph bleibt starr und schweigend. Der Hohepriester geht und verspricht mit einer tröstenden Geste die Erleuchtung Gottes.)
SECHSTE SZENE
(Salomo. Assaph.)
SALOMO.
Ich lese auf deinem blassen Mund,
Was deine Lippen stumm verbergen.
Dein Herz war Salome zugeneigt...
(Assaph beteuert es schmerzlich)
Und du begehrtest sie zu heiraten...
Doch seit der Reise in das fremde Land
Hat sich dein Herz von ihr abgewandt.
ASSAPH.
Mein Herr und König, du sprichst die Wahrheit,
Die tiefsten Falten der menschlichen Seele,
Der Seele des Menschen sind dir offenbar.
Du kennst die dunklen Mächte,
Die zwischen Erde und Himmel
Uns mit Zaubersprüchen umgeben,
So banne den Dämon, den ich gesehen habe,
Der mein Herz mit der Macht der Magie verstrickt hat.
(Er wirft sich zu den Füßen des Königs nieder.)
Erlöse mich, oder ich bin verloren!
SALOMO.
Sage, sage, was du gesehen hast.
ASSAPH
(erhebt sich)
Am Fuße des Libanon traf ich
Das Heer der Königin von Saba
Und bot ihr deine Botschaft an,
Doch sie selbst hat keiner von uns gesehen,
Nur vor dem König wird ihr Schleier fallen.
Und im Zedernwald, müde von der Schwüle des Tages,
Schlich ich nachdenklich, um Ruhe und Kühle zu suchen,
Dort im geheimen grünen Schoß
Stiller Einsamkeit sank ich ins Moos.
Horch! Dort gurgelt eine silberne Quelle,
So schmeichelnd winkt sie, plappert süß,
Entzückt mein Herz mit träumerischer Melodie,
Und durch die grünen Zweige schimmert sie hell.
(Geheimnisvoll flüsternd.)
Ich erhebe mich, um zu lauschen und zu spähen,
Und - ewige Mächte - was habe ich gesehen!
(Zart und innig.)
Ein Schwanenkörper erhebt sich aus klarem Wasser,
Auf den Wellen ruht das himmlische Weib.
Schwarzes Haar umhüllt ihren Hals
Wie Ebenholz ein Bild von Elfenbein.
Zwei Sterne blitzen durch die Wimpern-Nacht,
Zwei Rosen wachen über Perlen,
Zwei Arme umschlingen einen Kranz von Lilien,
Das Auge ist geblendet von der Pracht der Schönheit,
Ich werde von ihr angezogen, und sie flieht nicht,
Sie neigt ihr strahlendes Gesicht zu mir,
(mit leidenschaftlicher Erregung)
Sie schlingt ihren Arm fest um meinen Hals,
Sie hält mich an ihre süßen Brüste gedrückt!
Und schwankend sinke ich nieder und verwirrt
Zu den Füßen der schönen Zauberin.
Da raschelt es im Schilf, sie erschrickt und späht,
Sie erhebt sich, flieht und ist wie weggeblasen.
O bezaubernder Traum, der meine Seele erfüllt!
SALOMO.
Ob ein böser Zauber dich quält,
Ob das Bild voll Zauber und Wonne
Ein Traumbild deiner eigenen Seele,
Ich weiß es noch nicht genau.
Doch über mir, im Reiche der Geister
Mit ewig unverhülltem Auge
Adonai, mein Herr und Meister, schwebt,
Und ihm empfehle ich dein Schicksal.
ASSAPH.
Mein Mut flammt auf, mein Herz wird frei,
Der Strahl der Hoffnung erquickt mich,
Ich darf auf Versöhnung hoffen, auf Gnade,
Der Himmel ist wieder offen für mich.
Mein Herr und König, du darfst es verkünden,
Wo finde ich Erlösung?
SALOMO.
Komm mit der Braut zum Hochaltar
Und ergreife ihre Hand,
Und heilige Hoffnung des Friedens
Zieht tröstend dir ins Herz!
Mein Assaph, vertraue dein Schicksal dem Herrn an.
ASSAPH.
Hinauf, hinauf zum heiligen Altar
Führt mich deine weise Hand!
Und Friede kommt in mein Herz nach dem Kummer,
Versöhnt mich in meinem Herzen!
(Beide ab)
SIEBENTE SZENE
(Einzugsmarsch der Königin von Saba. Soldaten marschieren auf. Frauen und Jungfrauen, begleitet von Sklaven, treten aus den Seitenhallen ein. Die Frauen streuen Rosen, die Sklaven tragen Harfen. Die Leibwache tritt durch die Mitte ein. Andere Frauen, die von Sklavinnen begleitet werden, treten von der gegenüberliegenden Seite ein, so wie die Frauen zuvor. Der Einzug des Gefolges der Königin von Saba beginnt. Sklaven und Sklavinnen, Weiße und Schwarze, mit goldenen und anderen Prunk-Schatullen, gefüllt mit Goldschmuck, Perlen, Edelsteinen und Gewürzen. Die Königin von Saba erscheint auf einer Sänfte, die von Anath getragen wird. Unter der Halle wird die Königin von Saba von den Sklaven heruntergehoben.)
CHOR.
Gegrüßt! Gegrüßt sei die Königin von Saba!
Gegrüßt sei die Königin von Saba!
Sabas große Königin, Heil!
Sonne des Mittags, Stern Arabiens,
Gegrüßt sei im Palast des Herrn.
Fülle der Freude sei dein Teil,
Gegrüßt sei Sabas große Königin!
(Das Gefolge des Königs Salomo erscheint. Dann die Königin von Saba, bedeckt mit Juwelen und Perlen. Vom gekrönten Turban fließt ein goldener Schleier herab, der die ganze Gestalt einhüllt. Salomo kommt mit Krönungsmantel und Krone. Ihm folgen der Hohepriester, Hananja, Assaph, Salome, an Assaph geschmiegt.)
SALOMO.
Willkommen, edler Gast, in diesen Hallen!
Salomos königliche Hand wird dir gereicht!
Fühle dich wohl in den Mauern Zions;
Zu deinen Füßen liegt das gelobte Land!
KÖNIGIN VON SABA.
Gegrüßt seist du, König, und schaue auf deine Füße,
Zu denen mein Reich liegt!
(Sie macht eine Opferbewegung. Sklaven, die alle Geschenke tragen, bilden eine Gruppe vor dem König.)
Die Düfte, die Arabiens Luft versüßen,
Die Perlen, die Arabiens Meer gebiert;
Siehe, wie sich Atabiens Kinder in den Staub beugen
Als deine Sklaven, o König Salomo, nimm sie an!
Und siehe, was kein Sterblicher je gesehen hat,
(stolz)
Das Antlitz der Königin von Saba!
(Sie entblößt sich.)
ASSAPH.
Ich träume!... Nein, es ist keine Täuschung,
Sie ist es selbst!
SALOMO.
Wer schaut dich an?
ASSAPH.
(starrt die Königin von Saba an, die ihn mit eisigem Blick mustert)
Diese Augen, dieses Antlitz,
Ewiger, es ist keine Täuschung!
Es ist kein Traum, es ist keine Lüge,
Himmlisches Leben schaut mich an!
Ein Zittern durchfährt mir die Seele,
Ein glühendes Verlangen,
Sie zu umarmen, die Göttin!
So sei es denn getan.
KÖNIGIN VON SABA.
Diese Augen, dieses Antlitz,
Ein schwacher Schauder ergreift mich!
Steh mir bei, du Geist der Lüge,
Und ersticke diese süße Täuschung!
Flüchtiger Atem, du bist fort,
Höher strebt mein Verlangen;
Was ich kühn unternehme,
Unermüdlich soll es geschehen!
SALOME.
Diese Augen, dieses Antlitz,
Er ist verstrickt in eine seltsame Täuschung,
Assaph, Assaph, siehe, ich schmiege mich,
Ich schmiege mich an deine Seite!
Ich klammere mich an deine Seele,
Was auch deinen Geist gefangen hält!
Ewiger, siehe meine Qualen,
Ach, was hat er mir angetan?
SALOMO.
Diese Augen, dieses Antlitz,
Wie verzerrt starrt er sie an!
Ist es der Geist der Falschheit, der spricht?
Spricht ein törichter Wahn aus ihm?
Ist es ein sündiges Verlangen?
Hält ihn der Wahnsinn gefangen?
Mit Schreck und Zittern
Sehe ich die Entscheidung nahen!
ANATH.
Durch die starren Augen der Dame
Schaut ein leises Schaudern mich an,
Von der Wiege bis zum Tod!
Schöne Herrin, lass ab von deinen Ängsten,
Was du auch bitten magst,
Anath wird sich an dich klammern,
Und kein Leid soll dir widerfahren!
HOHER PRIESTER.
Wie entstellt sind seine Züge,
Er ist in einen Wahn verstrickt!
Auf dass sie nicht gequält werde,
Gott, nimm dich Salomes an!
Und wenn mit teuflischer Begierde
Ihn ein böser Geist in seinem Bann hält?
Lass ihn nicht den Sieg erringen.
Gott, ich bete dich im Glauben an!
HANANJA.
Wie entstellt ist sein Antlitz,
Er ist von einer bösen Täuschung befallen!
Er, gekrönt mit Ruhm und Sieg,
Ist nun der Dämonin unterworfen!
Sollen die Freudensprünge der Stunde
In Angst und Schrecken umschlagen,
Weil eine Närrin es unternimmt,
Hier im Wahnsinn zu sein?
CHOR.
Wie entstellt sind seine Augen,
Er ist von bösem Wahn befallen!
Sollen die festlichen Sprünge der Stunde
In Angst und Schrecken umschlagen,
Weil eine Närrin sich aufmacht,
Sich hier im Wahn zu wähnen!
KÖNIGIN VON SABA
(verteidigt sich)
Dieser wilde Fremde hier,
König Salomo, was will er von mir?
ASSAPH.
Ich, ein Fremder?
(Ruhig.)
Weißt du nicht, wer ich bin?
Am Libanon, im Mondlicht,
Erinnerst du dich nicht? O Königin!
KÖNIG SALOMO
Wahnsinniger! - Ich kenne dich nicht mehr!
CHOR
(stürmt vor)
Zurück, du Wahnsinniger, zurück!
Was wagst du, frech zu beginnen!
ALLE.
Zurück, Unglücklicher, zurück!
Lass dich rufen, komm fort!
SALOMO
(sanft)
Wo bist du,mein Assaph?
SALOME.
Mein Assaph!
ASSAPH.
Wo bin ich?
Verrückt, verrückt ist mein Geist!
Und doch der Blick, der mich durchbohrt...
(Er stürzt sich zu den Füßen des Königs Salomo)
Erbarmen, gib mir den Tod!
SALOMO.
Wappne dich, mein Sohn, und folge deinen Freunden,
Der nächste Tag soll dich mit der Braut vereinen!
ASSAPH
(achselzuckend, abgewandt)
Mit der Braut?
SALOMO.
Doch du, mein Gast, tritt ein,
Das Fest wartet auf dich!
(Salomo hat der Königin von Saba die Hand gereicht und führt sie durch den Kreis ihrer Anbeter nach links. Die Sklaven knien nieder. Vor Assaph, den Salome in den Armen hält, bleibt die Königin von Saba stehen, wirft ihm einen feurigen Blick zu, lüftet heimlich ihren Schleier und setzt ihren Weg fort. Oben auf der Treppe dreht sich das Königspaar um und grüßt die Versammlung. Alle eilen in den Vordergrund und schwenken Fahnen und Standarten.)
CHOR.
Ave! Gegrüßt der König, gegrüßt die Königin!
Schlagt die Pauken, rührt die Saiten!
Der Klang jubelnder Psalmen dröhne
Und begleite die Schritte der Königin,
Wenn sie durch den Saal schreitet.
Fülle der Freude sei dein,
Gegrüßt der König, gegrüßt die Königin!
Heil der großen Königin von Saba!
ZWEITER AKT
(Fantastischer Garten mit Zedern, Palmen und Rosensträuchern. Links im Vordergrund ein Springbrunnen, dessen Becken auf Stufen steht. Rechts, im Hintergrund, ein Portal, das zum Palast führt. Nacht. Aufgehender Mond.)
ERSTE SZENE
(Die Königin von Saba in einem durchsichtigen Kleid und Schleier, der die ganze vollkommene Figur umfließt, tritt aus dem Palast.)
KÖNIGIN VON SABA.
Vor dem Jubel der Festlichkeiten
Fliehe ich in die Einsamkeit.
(Schmerzlich)
Im Strudel der lärmenden Menge
Lebt der Seele tiefster Kummer:
Er, der mein Herz gestohlen hat,
Er, den dieser Arm umklammert hat,
Er führt, sobald der Morgen dämmert,
Zum Altar die junge Braut!
Ewig ist er mir entrissen,
Und wenn der Eisfürst
Mir den Preis des Sieges entreißt,
Soll ich alles, alles vermissen?
Seine dunklen Locken küssen
Soll eine andere Frau auf Erden..
(Schmerzlich)
Und ich soll vergessen werden?
Was du nur kurz besessen hast,
Das nie Glück empfand,
Mein Herz, kannst du es vergessen?
Wirfst du es für immer zu mir zurück?
Was ist, wenn ich heimkehre,
Mit meinem Freund, mit meinem Mann?
Wenn er an meiner Seite wäre,
Blühend in den Strahlen der Schönheit,
Dort im stillen Myrtenhain...
(Leidenschaftlich, intim)
Liebend, um ganz mein zu sein? Ah weh!
Kann es die Krone mir ersetzen,
Hat mein Stolz je erfüllt
Die selige Wonne,
Die die Liebe mir offenbart hat?
Wenn Arm und Arm sich umschlingen,
Wenn Seele und Seele sich durchdringen?
Die geheime Welle des Libanon,
Die den Kuss der Flamme bezeugt,
Flüstern der Blätter, helles Mondlicht...
(leise)
Stille, süße Stimmen, Stille!
Sie fesselten mein Herz und meinen Geist,
Ich vergesse, wer ich bin!
(Sie erhebt sich schnell)
Und was zwingt mich, ihn zu vermissen?
Das Geheimnis hüllt uns ein,
Keine Seele braucht es zu wissen.
Nur ich weiß, sein Herz ist mein!
Mein? Er soll nicht von mir gerissen werden!
Heute Nacht soll das Fest sein,
Eine andere soll ihn küssen,
Eine andere! Nein, nein, nein!
Ein Blitz zuckt durch mein Herz,
Eine andere soll ihn besitzen,
Eine Rivalin? Ich werde sie vernichten!
(Wild)
Nein, ich werde dieses Band brechen,
Dich, mein Herz, mit Eisen gürten,
Ich will zeigen, wer ich bin!
Ich habe Könige vor mir schmachten sehen,
Und ich konnte sie verachten,
Ich die Königen des Südens!
Dass den Liebling meiner Seele
Eine andere mir nun stiehlt,
Kannst du das ertragen, stolzer Geist?
Nein, ich allein will ihn besitzen!
Ein Blitz zuckt durch mein Herz,
Zittere! Rivalin!
Ich werde dich ruinieren!
Ich werde siegen, ich werde triumphieren!
Ich werde dich vernichten!
ZWEITE SZENE
(Die Vorangehende. Anath.)
ANATH
(heimlich)
Süße Geliebte!
KÖNIGIN VON SABA.
Du bist hier?
ANATH
(flüsternd)
Ich bringe dir eine Nachricht:
Jener Mann, der sich anmaßte,
Der dir kühn in die Augen sah...
KÖNIGIN VON SABA
(frohlockend)
Assaph! Sprich!
ANATH.
Er schreitet dort
Träumend unter den Zypressen.
KÖNIGIN VON SABA..
Tiefe Stille ringsum...
Keiner sieht uns... locke ihn her!
ANATH
(leise, geheimnisvoll)
Wie im Schilf der Reiher lockt,
Wie die Taube sich im Moose dreht,
Durch den Schleier der Nacht
Lock ich ihn in deinen Schoß!
(Die Königin von Saba tritt hinter den Brunnen, Stille. Es strömt Mondlicht herein. Anath, erst hinter der Kulisse, dann auf der Szene hinter einem Busch, dann wieder hinter der Kulisse, allmählich weggehend, schließlich wie aus weiter Ferne.)
ANATH.
Haha!
DRITTE SZENE
(Assaph. Später die Königin von Saba.)
ASSAPH
(erscheint träumend, ohne Rüstung)
Zauberhafte Klänge, berauschende Düfte!
Küss mich, milde Abendluft,
Kühle meine Stirn heilend und sanft,
Lindere den Kummer, der mein Herz erfüllt!
Um mich herum schwebt ein zauberhaftes Glühen,
Wie in des Libanons dunklem Hain,
Wo die Quelle sich im Kräuseln verlor.
Zauberhafte Klänge, berauschende Düfte!
Küss mich, milde Abendluft,
Kühle meine Stirn, heilend und sanft.
(Assaph, vor sich hin träumend, hat sich dem Brunnen genähert. Plötzlich steht die Königin von Saba vor ihm, die hinter dem Brunnen hervorkommt und vom Mondlicht beleuchtet wird. Er weicht erschrocken zurück.
ASSAPH
Ah, was sehe ich? Du trügerisches Licht,
Beschwörst du wieder ihr Phantom herauf?
KÖNIGIN VON SABA.
Assaph?
ASSAPH.
Ewiger, das Phantom lebt, es spricht!
Ah, was lässt mein Herz beben?
Ist es Wahnsinn? Ist es das Leben?
(Er geht auf sie zu und wendet sich wieder ab.)
DIE KÖNIGIN VON SABA
(steht regungslos)
Komm endlich, komm endlich wieder,
Ach, so lange hab ich gewartet,
Kommst du endlich zu mir herab,
Süßer Freund aus dem Libanon?
ASSAPH
(in zitternder Erregung, mit halblauter Stimme)
Fest mein Blick! Du darfst nicht wanken,
Nur Fata Morgana schaust du.
KÖNIGIN VON SABA.
Wo die klaren Wogen rauschten
Im verschwommenen Mondlicht,
Wo wir süße Küsse tauschten,
Oh, wie lang hab ich auf dich gewartet!
Kommst du endlich zu mir herab,
Süßer Freund des Libanon?
Wo die klaren Wellen rauschten
Im verschwommenen Mondlicht,
Wo wir süße Küsse tauschten,
Oh, wie lang hab ich auf dich gewartet!
ASSAPH.
Diese Stimme!...
Ah, der Bann ergreift mich wieder!
Es zieht mich zu ihren Füßen hinab,
Wie an der Quelle des Libanon.
KÖNIGIN VON SABA.
Komm endlich, komm endlich wieder,
Ach, so lang hab ich gewartet,
Kommst du endlich zu mir herab,
Süßer Freund vom Libanon?
(Sie breitet ihre Arme aus und tritt vor.)
Geliebter!
ASSAPH
(bebend, immer glühender)
Willst du mich wieder verzücken,
Dämon, mit diesen süßen Blicken,
Du mein Unglück, mein Entzücken,
Du mein Leben, du mein Tod!
KÖNIGIN VON SABA.
Bist du mir wieder gegeben,
Du, mein Assaph, du mein Leben,
Fühle der Liebe glühendes Zittern,
Das für dich in meinem Busen stöhnt!
ASSAPH.
Du bist ein Wesen von oben,
Aus dem Atem der Luft gewebt,
Wie ein flüchtiger Traum entschwunden,
Wenn mein Arm dich voll Sehnsucht ergreift?
KÖNIGIN VON SABA.
Hör auf zu zweifeln, hör auf zu zweifeln!
Fühle meinen Pulsschlag!
Lass mich dir mit einem süßen Kusse sagen,
Dass du mich wirklich gefunden!
ASSAPH.
Ich bin von dunklen Wellen umgeben,
Zu dir ziehts mich hin,
Unter mir versinkt die Welt!
KÖNIGIN VON SABA.
Lass die Welt um dich herum versinken,
Wenn meine Arme dich rufen,
Dich hält mein Herz gefangen!
(Assaph stürmt auf sie zu und fällt ihr zu Füßen. Die Königin von Saba hat ihren Schleier mit beiden Händen gegriffen, und sie umschließt Assaph ganz und gar! Sie bleiben lange Zeit umschlossen.
TEMPELWÄCHTER
(von oben, unsichtbar)
Der Tag bricht an!
Kinder Israels, zum Morgengebet!
DIE KÖNIGIN VON SABA
(befreit sich)
Lebe wohl!
ASSAPH.
Halt, du darfst nicht weggehn!
KÖNIGIN VON SABA.
Vergiss mich nicht! Lebe wohl!
(Die Königin von Saba reißt sich los und verschwindet in den Büschen. Assaph starrt ihr wie im Traum nach, irrt suchend umher und sinkt dann in sich versunken auf die Stufen des Brunnens. Der Morgen dämmert.)
VIERTE SZENE
(Assaph, Hananja und Diener.)
HANANJA UND CHOR
(hinter der Szene)
Die Sonne erhebt sich
Aus dem Schoß der Morgenröte,
Lobet den Herrn, denn Gott ist groß!
Badet eure Hände in reiner Flut,
Lobet den Herrn, den Gott ist gut!
(Hananja und der Chor treten aus dem Säulengang heraus.)
HANANJA
(auf der Treppe)
Wer ist es, der dort an der Quelle liegt?
(Er tritt näher heran.)
Assaph!
ASSAPH
(springt auf)
Mein Name!
Rufst du nach mir?
HANANJA.
Was suchst du hier im giftigen Nachtschatten?
ASSAPH
(der seine Arme ausbreitet)
Oh wo bist du?
HANANJA.
Verwirrt ist sein Blick, verwirrt sein Geist!
Führt ihn in den Schoß der Seinen!
CHOR
(in Rührung und Anteilnahme)
Du Armer, von Gottes Hand geschlagen,
Heilung werde dir vom Herrn gesandt!
(Langsam führen sie Assaph fort. Assaph wendet noch einmal schmerzhaft den Blick zurück. Der Tempel. Galerien auf beiden Seiten. Ein goldenes Gitter, das quer über die Bühne verläuft, trennt das Allerheiligste vom Tempelraum. Im Allerheiligsten, auf Marmorstufen, der Tabernakel, verschlossen durch einen prächtigen Vorhang, der mit Palmen und Cherubim verwoben ist. Vor dem Tabernakel, rechts, der hohe siebenarmige goldene Leuchter. Auf der linken Seite die Tische mit den Schaubroten. Vor dem Gitter, in der Mitte der zentralen Galerie, der Weihrauchaltar. Links im Vordergrund eine Esplanade, die mit dem Palast verbunden ist. Das ganze Gebäude steht auf Zedernsäulen, die reich mit Gold verkleidet sind. Menschen unter den Galerien. Priester, Leviten, Sänger und Harfenspieler, dann betritt der Hohepriester den Tempel. Die Leviten zünden die Kerzenleuchter an. Die Priester streuen von Zeit zu Zeit Weihrauch auf den Altar und verneigen sich tief. Die Sänger und Harfenspieler nehmen ihre Plätze ein.)
FÜNFTE SZENE
(Das Volk. Priester. Leviten. Sänger. Hohepriester.)
HOHER PRIESTER
(wendet sich dem Allerheiligsten zu)
Danket dem Herrn, denn er ist gütig!
CHOR DER SÄNGER.
Ewig ist seine Güte!
HOHER PRIESTER.
So spreche Israel!
CHOR DES VOLKES.
Ewig ist seine Güte!
HOHER PRIESTER.
So spreche das Haus Aaron!
CHOR DER PRIESTER.
Ewig ist seine Güte!
HOHER PRIESTER.
So sprechen alle Anbeter Gottes!
GANZER CHOR.
Ewig ist seine Güte!
(Die Priester reichen dem Hohepriester eine goldene Schale, die gefüllt ist, er wendet sich der Stiftshütte zu, verneigt sich tief und verschwindet hinter dem Vorhang. Die Leviten wirbeln Weihrauchdüfte auf. Einzelne Personen aus dem Volk bringen Opfergaben: Mehl in Schalen, Öl in Krügen. Die Leviten nehmen die Gaben entgegen.)
CHOR DER MÄDCHEN
(hinter der Szene)
Wie auf die Saaten träufelt dein Segen,
Segne, Herr, die junge Braut!
SECHSTE SZENE
(Die Vorangegangenen. Salome. Jungfrauen. Von rechts, im Vordergrund, tritt eine Prozession von Jungfrauen ein, die Weizenkörner in goldenen Schalen und Öl in Krügen tragen. In ihrer Mitte Salome, weiß gekleidet, mit einem seidenen, silberdurchwirkten Schleier, der von ihrem Kopf nach hinten fließt. Sie trägt ein Paar Tauben in einem offenen Korb.)
CHOR DER MÄDCHEN.
Wie auf die Saaten dein Segen tropft,
So segne, Herr, die junge Braut.
Wie Öl in einem Krug, ganz klar,
Sei dem liebenden Paar Glück beschieden!
SALOME.
Dieses Paar Tauben, sanft und rein,
Will ich dir, o Herr, als Opfer bringen,
Siehe, wie sie ängstlich vor dir flattern,
So zittert mein Herz in meinem Busen.
Doch nur ein Gebet stammelt laut:
Heil, o Vater, gewähre dem Liebling!
CHOR DER MÄDCHEN.
Wie Öl in einem Krug, ganz klar,
Sei das Schicksal dem Liebespaar!
SALOME.
Ich neige mein Haupt vor deinem Altar,
Gib ihn mir wieder, wie er zu mir gewesen.
SIEBENTE SZENE
(Die Vorstehenden. Salomo. Assaph. Dann die Königin von Saba. Anath. Salomo mit Assaph und Gefolge von links. Assaph trägt ein weißes Gewand, einen goldenen Gürtel, er schreitet schwankend und mit auf den Boden gerichteten Augen.)
SALOMO
(zum Allerheiligsten, dann zu Assaph gewandt)
Schau hinauf zu jenen Räumen
Der Allerhöchsten Majestät!
(Sehr ruhig und sanft.)
Schüttle ab deine Träume,
Die Erlösung wird nicht ausbleiben,
Wenn dein Herz in Demut betet.
Triff sie am Altar,
Des Himmels Segen bringt zum Rendezvous
Die weiße Hand der reinen Jungfrau.
(Salome legt ihre Hand auf Assaphs Schulter.)
SALOMO
(zum Hohepriester, der aus dem Allerheiligsten kommt)
O Priester Gottes, sprich den Segen,
Weihe diesen heiligen Bund!
(Assaph erschaudert. Er steht neben Salome, Jünglinge mit grünen Zweigen treten zu Assaph, Mädchen zu Salome.)
HOHEPRIESTER
Der Ewige segne und behüte euch!
CHOR.
Amen!
HOHEPRIESTER
Möge sein Angesicht über euch leuchten!
CHOR.
Amen!
HOHEPRIESTER.
Und gebe euch Frieden!
CHOR.
Amen!
HOHEPRIESTER
(zu Assaph)
Bei diesem Ring schwöre ich dir...
(Hier erscheint die Königin von Saba mit Anath. Assaph sieht die Königin von Saba an.)
ASSAPH
Bei diesem Ring...
Wehe mir, die sich mir nähert!
(Er wirft den Ring weg und fasst sich an die Stirn.)
Ich träume nicht, nein, nein, ich verstehe alles!
ALLE.
Der Wahnsinn ergreift ihn, wehe, wehe!
SALOMO.
Du, Königin, hier?
KÖNIGIN VON SABA.
Ich bins!
(Sie zeigt auf eine goldene Schale voller Perlen, die Anath trägt. Sie geht damit zu Salome, die sich heftig abwendet.)
Ein Brautgeschenk bring ich der Jungfrau!
ASSAPH
(strahlt)
Ob du aus Duft und Glut,
Ein Schatten soll verschwinden,
Ob du ein irdisches Wesen bist,
Bei Gott, ich werde es sehn!
(Assaph eilt auf die Königin von Saba zu und ergreift ihren Schleier, die Leviten halten ihn.)
ALLE.
Wahnsinniger!
Willst du die Hallen des Tempels entweihen,
Durch sündige Taten entweihen?
PRIESTER UND LEVITEN.
Er ist in die Hölle gefahren!
SALOME.
O Ewiger, welche ewigen Qualen!
KÖNIGIN VON SABA.
So soll der Bund vergehen!
SALOMO.
Die Weisheit für mich!
ASSAPH.
Ob ich der Illusion verfallen -
Sie soll meine Richterin sein!
(Er tritt vor die Königin von Saba.)
Du, deren flammendes Herz
In wilden Gluten brennt,
Willst auch du mich verdammen,
Willst du mich wahnsinnig nennen?
SALOMO
(zur Königin von Saba)
Sprich, lehre mich, dieses Rätsel zu verstehn.
ALLE.
O sprich, was ist mit ihm?
KÖNIGIN VON SABA
(schwankt einen Augenblick, dann tritt sie stolz zurück)
Ich kenne den Menschen nicht,
Ich habe ihn nie gesehen!
CHOR.
Ach, so ist es klar, Schrecken und Angst,
Ein Dämon hält seine Seele in Fesseln,
Der ihn verräterisch und schamlos festhält.
O Priester Gottes, banne den Dämon!
KÖNIGIN VON SABA UND ANATH.
Der Bund soll zerbrechen!
Triumphiere! Es ist vollbracht!
Keine andere Frau von allen Frauen
Soll je sein Herz lieben!
ASSAPH UND SALOME.
Sie greift mit scharfen Krallen zu,
Die Verzweiflung ergreift mich!
Ich bin zum Sterben verdammt!
Es ist um mich geschehen!
SALOMO.
Sie packt mich mit scharfen Krallen,
Meine Ahnung ist wild,
Ich sehe den Schleier fallen -
Die Entscheidung ist da!
HOHEPRIESTER.
Höre meinen Ruf,
Lass dich von deiner Gehilfin lieben,
Der Herr, der Herrscher über alles,
Beseitige alle Gespenster und Phantome!
HANANJA. PRIESTER UND LEVITEN. CHOR.
Lass den heiligen Schwur erklingen,
Fort mit Gespenst und Phantom!
Es geschehe ein Wunder!
(Der Hohepriester reicht Assaph die Hand, der wie gebannt mit kurzen Schritten und gesenktem Kopf auf den Hohepriester zugeht.)
Ihr Dämonen, die ihr dem Satan dient,
Die ihr täuscht den Geist dieses Mannes,
Flieht von dem Thron der Cherubim,
Hinab in das Reich der Finsternis!
(Der Hohepriester schreitet auf das Allerheiligste zu. Große Spannung und Aufregung ergreifen die ganze Menge. Trompeten im Theater, hinter der Bühne. Er gibt ein Zeichen. Mit dem Schlag des Tamtams hebt sich der Vorhang im Hintergrund. Man sieht die Bundeslade, auf der die goldenen Cherubim ruhen. Der Chor fällt auf sein Gesicht.
ALLE.
Halleluja!
(Assaph ist überwältigt und atmet laut. Die Königin von Saba verschleiert sich. Salomo blickt auf die Königin von Saba.)
HOHEPRIESTER.
Erhebe dich in Gott, mein Sohn!
KÖNIGIN VON SABA
(schnell, flüsternd)
Assaph!
ASSAPH
(heftig)
Das ist ihre bezaubernde Stimme!
(Wütend.)
Weg mit dir! Du wirst mich nicht mehr täuschen,
Ich verfluche den Wahnsinn!
Ich schwöre bei Gott...
(Er will sich auf die Königin von Saba stürzen, die Leviten halten ihn fest.)
Ich bete meine Göttin an!...
(Ein Knall auf der Bühne. Allgemeines Entsetzen; das Volk flieht von den Galerien über die Bühne. Der Vorhang des Allerheiligsten schließt sich. Die Priester eilen in den Vordergrund. Salomo tritt zwischen Assaph und die Königin von Saba.)
CHOR.
Lästerung, lasst uns fliehen!
Wehe! Wehe!
Er hat das Haus Jehovas geschändet!
PRIESTER UND LEVITEN.
Anathema!
(Der Hohepriester zerreißt sein Gewand. Die Flammen des Altars, die Kerzen, werden von den Leviten ausgelöscht.)
EINZELNE STIMMEN AUS DEM VOLK.
Schafft ihn fort! Lasst ihn sterben!
Zum Todesurteil! Führt ihn ab!
SALOME UND CHOR.
O Gott! Erbarme dich! Siehe meine Qualen,
Geh nicht mit ihm ins Gericht,
O Herr, rette ihn!
ASSAPH.
Ah, der Tod ist all mein Verlangen,
Führt mich zum Gericht!
(In wilder Wut.)
Ich verfluche den Wahnsinn!
Meine Göttin bete ich an!
KÖNIGIN VON SABA.
Ach, ich bin zu weit gegangen,
Ihr Himmlischen, helft mir, verlasst mich nicht.
ANATH.
Was für ein Schrecken sie gefangen hält!
Ihr Antlitz wird bleich!
SALOMO.
Die bleichen Wangen bekennen
Und die stummen Lippen sprechen!
HOHEPRIESTER.
Verflucht sei der, der so gesündigt hat
Vor Jehovas Angesicht!
ALLE ANDERN.
Verflucht sei, wer so frevelhaft gehandelt hat!
Schleppt ihn weg zum Gericht!
(Sie zerren Assaph in den Hintergrund. Die ganze Masse des Chores hat sich wild um ihn geschart.)
SALOMO.
Bleibt standhaft!
Der König wird sein Richter sein!
KÖNIGIN VON SABA, SALOME UND ANATH.
O rette ihn!
DIE ANDEREN.
Lass ihn sterben!
(Hananja tritt mit den Wachen vor. Die Priester lassen Assaph frei. Die Königin von Saba will auf Assaph zugehen, Salomo tritt dazwischen und weist sie majestätisch zurück. Salome fällt dem König zu Füßen und umklammert seine Knie; die Priester heben drohend die Hände. Der Vorhang fällt schnell.)
DRITTER AKT
(Festsaal. Prächtig beleuchtet und mit Blumen geschmückt. Das eigentliche Vestibül, zwei Reihen tief, kann durch einen schweren Vorhang geschlossen werden. In der Tiefe kann man Stehtische sehen. Mundschenken tragen Schalen und Kelche. Der ganze Saal ist mit Frauen aus dem Harem gefüllt. Tanzende Hierodulen mit Bechern und Kränzen. Der Vorhang hebt sich.)
ERSTE SZENE
(Bienentanz der Hierodulen. Ein Mädchen, tief in einen Schleier gehüllt, der auch Teil ihres Obergewandes ist, treibt eine Biene scherzhaft vor sich her, erschreckt sie manchmal, um sie dann mit dem Schleier zu verscheuchen. Die Gesten der Angst nehmen zu, als ob die Biene sie nun noch eindringlicher verfolgen würde. Plötzlich bleibt sie erschrocken stehen; die Biene ist offenbar in ihre Kleidung eingedrungen, sie versucht vergeblich, sich von ihr zu befreien, und wickelt sich schnell und geschickt aus dem Schleier, den sie abwirft. Die Biene ist im Schleier geblieben; das Mädchen atmet erleichtert auf. Mit einer anmutigen Geste tanzt sie um den Schleier herum und hebt ihn schließlich vorsichtig an; die Biene entschlüpft. Schnell wickelt sie sich wieder tief in den Schleier ein, das Spiel beginnt von neuem. Schließlich tanzt sie von der Bühne, immer auf der Flucht vor der Biene und verscheucht sie. Das Ganze wird mit Anmut und Grazie vorgetragen, teils mimisch, teils tänzerisch. Die anderen Mädchen mit Blumenkränzen und Schleiern stimmen nach und nach in ihren Tanz ein. Wenn die Biene aus dem Schleier schlüpft, fliehen sie zurück.)
CHOR DER FRAUEN.
Rauscht, rauscht durch die Luft,
Festliche Lieder, fröhliche Tänze,
Eilt hinauf zum Firmament,
Denn er beehrt mit hohen Festen
Seine königlichen Gäste,
Salomo, der Herr der Welt!
Berauscht, berauscht durch die Luft,
Festgesang, Freudentanz!
Wirbelt auf, ihr blumigen Düfte!
In das helle Kerzenlicht!
Becher klingen, wirbelnde Tänze,
Eilt hinauf zum Firmament!
(KÖNIGIN VON SABA, in reichstem Ornat, kommt durch die Mitte herauf. SALOMO folgt ihr. Die Tänzerinnen ziehen sich zurück.)
ZWEITE SZENE
(KÖNIGIN VON SABA. SALOMO.)
SALOMO.
Von dem Festmahl gehst du fort?
Gefällt dir mein Festmahl nicht?
Trübt eine Wolke dein Gesicht?
(Er verscheucht die Tänzerinnen mit Musik und Tanz. Der tanzende Chor stürmt munter weiter.)
KÖNIGIN VON SABA.
Genug!
(Der Tanzchor zieht sich zurück. Die Vorhänge schließen sich.)
Berauschend ist die Pracht des Festes,
Und doch...
SALOMO.
Sag, Herrin, dein Begehren!
KÖNIGIN VON SABA.
Willst du mir einen Wunsch erfüllen?
SALOMO.
Die Hälfte meines Reiches!
KÖNIGIN VON SABA.
Das ist zu viel!
Nur ein leichtes Spiel für meine Laune!
Ein Nichts!
SALOMO.
Sprich!
KÖNIGIN VON SABA.
Das Leben des Jugendlichen,
Das der Zorn deines Priesters verschenkte!
SALOMO
(weicht zurück)
Wie, Assaph?
KÖNIGIN VON SABA
(leichtfertig)
Assaph wird er genannt?
Nun, um Assaph bitte ich dich.
SALOMO
(ernst)
Nicht mir gehört das Leben der Gottlosen,
Es ist dem strengen Urteil geweiht!
KÖNIGIN VON SABA.
Die Hand des Königs kann alles geben
Und mir das Geringste verweigern?
SALOMO.
Was ist er für dich?
KÖNIGIN VON SABA
(stolz)
Was ist er für mich?
(Verächtlich)
Ein Nichts, das ich kaum zu nennen weiß!
Doch alles jetzt zu wissen,
Ob du deines Gastes Sinn kennst?
(Schmeichelhaft)
Sein Leben!
SALOMO.
Verlangst du es von mir?
In jener Stunde waren seine Augen auf dich gerichtet,
Du könntest ihn von seinem Bann befreien,
Und er war ein Fremder in deinem Herzen.
KÖNIGIN VON SABA.
Ah! Mein erster Wunsch - es geht dich nichts an!
Du wolltest von mir ein Geschenk,
Das, was meine Krone ziert,
Ich werde dir alles geben, was ich habe...
Wenn es dir eines Tages gefällt...
Eine Frau, die zum ersten Mal
Ihr Haupt zum Bitten neigt...
Das kannst du gefühllos sehen?
Und deine Großmut schweigt? Ah weh!
SALOMO.
Locke nur mit jenen Tönen,
Mit denen du sein Herz bezirzt,
Mein Ohr wird nie meine Sinne täuschen,
Ich habe deinen Plan durchschaut!
KÖNIGIN VON SABA.
Noch einmal, wer er auch sein mag,
Ich fordere -
Ich habe mich gewehrt! Lass ihn frei!
(Der König, der sich abgewandt hatte, wendet sich bei dem Wort "fordere" eilig der KÖNIGIN VON SABA zu. Dann, heftig erregt, geht er mit abgewandtem Gesicht an ihr vorbei.)
Er schweigt? Schande! bittere Schmerzen!
Mein Blut kocht - mein Herz zittert!
SALOMO .
Willst du nicht zum Fest zurückkehren?
Es wartet auf dich, O Königin!
KÖNIGIN VON SABA
(wütend)
O bittere Schande, mich nicht zu erhören,
Letzte Hoffnung, geh fort!
(Sie richtet sich auf und nähert sich SALOMO. Mit unterdrückter Stimme.)
So gering ist dir meine Gunst?
Verachtest du die Königin von Saba?
Nimm dich in Acht, nimm dich in Acht, du Stolzer,
Die du von dir gestoßen hast!
Die Stunde, die du noch beklagen wirst,
Wenn du mich erhörst, wie ich dich anflehe,
Nimm dich in Acht, nimm dich in Acht, in künftigen Tagen
Sollst du mich wiederkommen sehen,
Dann, Stolzer, dann sollst du zittern,
Wenn die Stunde meiner Rache naht!
Wenn Sabas eiserne Lanzen splittern,
Wenn Zions Thron in Trümmer fällt,
Dann zittere, stolzer Fürst!
SALOMO.
Ich fürchte mich nicht vor deiner Drohung!
Der Gott, der meinen Thron gegründet hat,
Er will Wahrheit und Geist!
Die Fackel, die die Nacht erhellt,
Ist vor seinem Angesicht erloschen.
Deine Drohung lässt mich nicht zittern,
Du findest mich bereit zum Kampf!
KÖNIGIN VON SABA.
Lebewohl! Nun, Göttin, steh mir bei!
Was auch immer es kostet, ich werde ihn befreien!
(Sie stürzt.)
SALOMO.
Geh weiter!
DRITTE SZENE
(SALOMO allein. Später HANANJAH)
SALOMO.
Entlarvt ist dein Herz, du Heuchlerin!
Die du ihn dreimal verraten hast, geh!
Und du, mein Assaph, kann ich dich retten?
Nein, nur Gott kannt dich erlösen,
Wenn du die Ketten der Versucherin zerbrichst,
So wirst du gesühnt und begnadigt!
HANANJAH.
Das Urteil ist gesprochen, das Leben des Bösen
Ist verwirkt! Nur du kannst Gnade geben!
SALOMO.
Bringt Assaph hierher zu mir!
CHOR DER FRAUEN
(hinter der Szene)
Weint, ihr Töchter von Salem, weint laut!
SALOMO.
Was will der Klang der Trauer?
HANANJAH.
Salomes Trauerlied!
CHOR.
Die Braut der Freude ist die Braut des Kummers.
Weint, weint laut!
SALOMO.
Sie wird mich finden.
VIERTE SZENE
(HANANJAH winkt, der Vorhang öffnet sich. SALOME in langem schwarzen Schleier, umgeben von ihren Gespielinnen und einer Schar Jugendlicher. HANANJAH ab.)
CHOR.
Wie Jeftas Tochter geht sie, Gott geweiht,
Aus den Tälern des Kidron in die Einsamkeit!
O weint, weint laut!
SALOMO.
Sprich, Salome, was hast du mir zu sagen?
SALOME
(tritt allein vor)
Die Stunde, die ihn von mir nahm,
War meine Trauerfeier,
Die Blumen pflückte ich von meinem Haar,
Die Locken schnitt ich mir vom Haupt
Und nahm den Schleier der Witwe!
Dem Ewigen hab ich mich geweiht,
Und in den kahlen Mauern
Will ich in heiliger Einsamkeit trauern,
Um meine Jugendliebe trauern.
(Von Schmerz überwältigt, bedeckt sie ihr Gesicht mit beiden Händen, weint und wendet sich vom König ab.)
Doch bevor ich in das Tal des Todes geh
Zu meiner ewigen Ruh,
Umarme ich zum letzten Mal,
Mein König, deine Knie:
O lass ihm durch deinen mächtigen Befehl
Die Freiheit, Herr,
Rette meinen Freund vor dem Tode
Und gesegnet will ich sterben,
Gesegnet will ich sterben!
CHOR.
O lass ihn durch deinen mächtigen Befehl
Die Freiheit erwerben, Herr,
Rette ihren Freund vor dem Tode!
Nur du kannst Gnade geben.
(SALOME von Tränen erstickt, hat ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckt und ist vor SALOMO auf die Knie gesunken. Der Chor kniet gleichzeitig mit SALOME.
SALOMO.
Vor meinem Auge versinkt die Muschel,
Der künftige Lichtstrahl dämmert schon.
CHOR.
Hört, hört in heiliger Stille!
(Alle erheben sich langsam und schweigend. SALOME steht und starrt den König an, in gespannter Erwartung.)
SALOMO
(prophetisch)
Siehe, dort in der fernen Wüsten,
Im Asyl der Geweihten
Einsam erhebt sich eine Palme,
Dorthin wirst du die Schritte lenken.
Der Ostwind weht in ihren Blättern,
Der Abend hüllt sich in Purpur,
Der Friede kommt herab
Auf ihn und auf dich!
SALOME.
O süße Hoffnung, sei mein Anker,
Lebe wohl, ich gehe zu meinem Grabe!
CHOR.
O weine laut!
(Der König schreitet zum Ausgang und bittet SALOME mit einer Geste um den Trost des Himmels. Dort wendet er sich noch einmal um, nähert sich SALOME, die heftig bewegt ist, ergreift ihre beiden Hände, schaut sie mitfühlend an, legt ihr die Hand auf den Kopf, als würde er sie segnen, und geht dann unter Schmerzen davon. Als SALOME, die während der stillen Szene regungslos dagestanden hat, und alle anderen sich dem Ausgang zuwenden, fällt der Vorhang langsam.)
VIERTER AKT.
(Am Rand der Wüste. Erhöht im Hintergrund rechts ein Asyl der heiligen Jungfrauen. Links, im Vordergrund, eine hohe, verdorrte Palme. Schwüle Luft.)
ERSTE SZENE
(ASSAPH allein.)
ASSAPH
(müde und gebrochen)
Wohin soll ich meine müden Schritte lenken?
Vom Tod hat mich des Königs Wort befreit
Und mich in die Einsamkeit verbannt.
Geächtet bin ich, ausgestoßen und gemieden,
Und bin mir meiner schweren Schuld bewusst;
Gib meinem geschundenen Herzen,
Allmächtiger, deinen Frieden.
ZWEITE SZENE
(ASSAPH. Die KÖNIGIN VON SABA.)
KÖNIGIN VON SABA.
Assaph!
ASSAPH
(in sich selbst versunken)
Wer ruft nach mir?
KÖNIGIN VON SABA.
Assaph!
ASSAPH
(zittert)
Traumvision!
Ich kenne dich nicht!
KÖNIGIN VON SABA.
Ich bin es! Durch die Wüstenpfade
Folgte ich dir, wie mein Herz es wollte!
Die wunderbare Gnade der Liebe
Hat mir den Weg zu dir geebnet.
O komm, die Kamele warten,
Nach Saba folgst du mir,
Mein Assaph! Gott meiner Seele!
ASSAPH.
Willst du mich noch einmal verhöhnen,
Du Dämonin, der ich untertan bin?
KÖNIGIN VON SABA.
Nein, nein, nicht Dämonin; mit Tränen
Bitte ich dich um Verzeihung!
Den Wahnsinn, der meinen Mund verschloss,
Den falschen Ehrgeiz verhöhne ich.
(Mysteriös)
Ich war es, ich war es, die dich einschloss
Im Mondlicht auf dem Libanon,
Ich, die geborene Königin von Saba,
Ich, deine Sklavin, du mein Mann!
Ich bin es, die sich an dich verlor,
Die ohne dich nicht leben kann!
ASSAPH.
Lass mich, du wirst mich nicht bezirzen
Und dich nicht an meinen Schmerzen laben.
KÖNIGIN VON SABA
(intim)
Mit meiner Liebe will ich bezahlen,
So reich, so voll, so ungeheuer!
Assaph, siehe, die Flammen der Liebe
Ergreifen mich mit grimmiger Qual,
Kann die Liebe mich verdammen?
Kann die Liebe unempfindlich sein?
Oh, erhöre mich!
Siehe die Tränen, die für dich fließen,
Das Blut des Herzens, das dich liebt!
Mein Assaph, ich liebe dich!
Deine Knie will ich umarmen,
Bis mein Assaph mir verzeiht.
(Sie sinkt auf ihre Knie.)
ASSAPH.
Ja, ich kenne diese Flammen,
Die Quelle meiner Qualen!
Gott, gib mir Kraft, sie zu verdammen,
Lass mich, Ewiger, gefühllos sein!
Ah weh mir, welche Qual,
Jeder Nerv zittert wie wild!
KÖNIGIN VON SABA.
O komm!
(zärtlich)
Im Schatten der dunklen Palmen
Kenn ich einen Ort, den niemand kennt,
Die Psalmen der Liebe wurden nie verstanden,
Mein Mund flüstert sie dir zu,
Die Blumen hauchen stille Küsse
Im Paradies, wo die Liebe wohnt,
Die Blüten des Lebens voll süßer Wonne,
Werden zwischen mir und dir geteilt.
(Leidenschaftlich drängend)
Oh zögere nicht, die Stunden vergehen,
Komm, komm! Lass uns gehen
In das Paradies der höchsten Wonne!
Wo die Liebe Brust an Brust schwelgt!
ASSAPH.
Wo bin ich?
Du ergreifst mich.
Herz, du schwankst wieder!
(Erregt)
Halte mich fest! Allmächtiger Gott,
Dein Strahl leuchtet auf mich herab,
Dein bin ich, Herr der Heerscharen.
Der Tod wird mich mit dir versöhnen,
Die irdische Welt werf ich von mir!
Verführerin, mit deinen Tränen
Du lockst mich vergebens!
KÖNIGIN VON SABA
(heftig)
Assaph!
ASSAPH.
Weg, du lockst mich vergebens!
KÖNIGIN VON SABA.
Assaph!
ASSAPH.
Weg, ich verfluche dich!
KÖNIGIN VON SABA.
So weiche, Glück meines Lebens,
Schatten der Nacht, verschlingt mich!
ASSAPH.
Du ewiger Richter meines Lebens,
In deine Arme werf ich mich!
(Die KÖNIGIN VON SABA stürzt in höchster Erregung. ASSAPH sinkt unter den Palmen nieder.)
DRITTE SZENE
(ASSAPH allein.)
ASSAPH.
Komm, Schwester Tod, die Qualen sind zu Ende,
Die Kraft der Seele hab ich besiegt,
Der wilde Sturm hat gewütet.
Mit meinem Leben will ich bezahlen
Für die Schuld der Gotteslästerung.
Oh, nimm mich auf, du ewige Liebe!
Erhebe dich, beruhige dich, meine Seele.
Wie eine Führerin ins Jenseits
Dein liebliches Bild vor meiner Seele,
Du Engel, den ich für mich erwähle,
Du bist es, meine SALOME.
(Mit warmer Intimität)
Ewiger, der du meine Augen erhellt hast
Nach der Blindheit der Nacht,
Herr, der du gnädig richtest,
Was die Täuschung deiner Kinder angerichtet hat,
Beuge dich herab von deiner Höhe,
Erhöre mein letztes Flehen,
Denn ich schreie nicht zu dir für mich,
Herr, Segen komme über Salome!
Ich trage, was meine eigene Schuld ist,
Ich muss von dir bestraft werden,
Doch sie, die nur für mich duldet,
Sie sei deiner Vergebung empfohlen!
Ein letzter Gruß aus diesem Leben
Für sie, die liebevoll für mich gelitten!
O Gott, mögest du vergeben wie sie,
Herr, Segen komme über Salome!
(Die scheidende KÖNIGIN VON SCHEBA mit ihrem Gefolge erscheint als Gruppe in einer Fata Morgana. Das Bild wird von dem aufkommenden Sturm verschlungen. Im Hintergrund fegen Sandwolken über die Bühne und verdunkeln vorübergehend die Luft.)
Vom Himmel ertönt wieder eine Antwort,
Der Samum peitscht das Wüstenmeer
Und begräbt meine müden Glieder,
Sammelt euch, ihr Wellen, um mich!
Wenn die Posaunen der Engel erklingen,
Der Richter kommt mir entgegen,
Lass meinen letzten Atemzug sein:
Herr, dein Segen komme über Salome!
(Er bricht unter der Palme zusammen. Eine mächtige Sandwolke, die von rechts hereinbricht, rauscht links vor der Palme vorbei. Die Bühne wird völlig verdunkelt. Das Vorbeiziehen dieser Sandwolke zieht sich in die Länge und verdunkelt allmählich den Hintergrund vollständig, selbst Assaph wird unsichtbar. Der Sturm lässt allmählich nach, bis er ganz verschwunden ist.)
VIERTE SZENE
(Die düstere Färbung der Landschaft ist einer freundlichen, heiteren gewichen. SALOME erscheint rechts, begleitet von zwölf Mädchen, und bleibt im Hintergrund stehen.)
CHOR DER FRAUEN
Unsere Tränen träufeln auf deine Spuren,
Die Tochter Zion weint um dich, Salome!
O weine laut!
ASSAPH
(hebt sein Haupt, mit sterbender Stimme)
Salome!
SALOME.
Ah, welche Stimme! ist es ein Traum?
(Sie steht still.)
CHOR.
Ein sterbender Mann dort unter der Palme.
SALOME
(nimmt den Schleier zurück, sie erkennt ihn)
Assaph! Mein Assaph!
ASSAPH
(breitet seine Arme aus)
Salome!
O Gott, du hast mein Flehen erhört,
Ich darf sie noch einmal sehen!
SALOME
(kniet neben ASSAPH, umarmt sein Haupt)
Du stirbst... nimm meine Seele mit!
(Schmerzlich)
Dies, Seher, wolltest du mir verkünden?
ASSAPH
(sehr zärtlich und innig)
O süße Traumfrau!
In deinen Armen darf ich scheiden!
O Engel, kannst du mir verzeihen?
SALOME
(sehr zärtlich und innig)
Die Ewige Liebe winkt uns beiden,
Im Totenreich bist du wieder mein!
BEIDE.
Im lichten Schoß der ewigen Freude
Werde ich mit dir vereinigt sein!
(Assaph stirbt. Salome sinkt auf ihn.)
CHOR DER MÄDCHEN
Der Freund ist dein
Im Freudenreich der ewigen Liebe!
(Die Nebel lichten sich, Cherubim mit Harfen, Zimbeln und Tamburinen werden in den Wolken sichtbar.)