DIE WIEDERTÄUFER VON MÜNSTER


VON TORSTEN SCHWANKE


Die Figuren des Dramas


Jan von Leyden, König der neuen Christenheit.

Knipperdolling, sein Statthalter

Rottmann

Tillbeck

Redecker

Gerd tom Boom

Bernhard Krechting

Roll

Clopris

Dusentschur

Ratsherren, Hauptleute, Prediger und Propheten an Jans Hof

Dinah, Jans Frau

Heike Focken, eine Bäuerin

Wenzel von der Langenstraaten, Dinahs Kämmerer

Bischof Franziskus von Iburg und Münster

Toto, ein Wahnsinniger

Kämmerer Karl, bischöflicher Kämmerer

Georg, bischöflicher Geheimschreiber

Graf Seedorf, Gesandter des Kurfürsten von Sachsen

Meinhold von Hamm, bischöflicher Feldoberst

Ein bischöflicher Offizier

Ein Mönch

Ein gefangener Bürger

Krechting, ein Bürger

Ein Schenke. Ein Hufschmied

Offiziere, Landsknechte, Boten, Gesellen

Mägde, Mädchen, Kinder, Leute




ERSTER AKT


(Münster. Rathausplatz. Gegen Abend. Offenes Vestibül des Rathauses im gotischen Stil. Dahinter ein Platz, der in der Mitte durch die Stufen und das Portal einer Kirche abgeschlossen ist. Der Saal ist nach allen Seiten offen, nur links stößt er an die Rathaus-Mauer. Eine schmale Tür führt in den Keller des Rathauses. Davor steht ein runder Tisch mit ein paar klobigen Bänken. Man hört in der Ferne das Blasen von Kriegshörnern, wirren Lärm und Geschrei. Zwei Genossen mit Speeren kommen und stoßen mit den Schäften der Speere heftig gegen die Tür. Schweißtriefend, atemlos, freudig.)


ERSTER GENOSSE

Auf! Komm raus! Schenke!

ZWEITER GENOSSE

Mach auf, Hanswurst!


(Der Schenke erscheint im Tor, ein glatzköpfiger Mann.)


ERSTER GENOSSE

Der Gouverneur befiehlt...

ZWEITER GENOSSE

Knipperdolling schickt uns...

ERSTER GENOSSE

Du sollst das große Fass 

Vom Würzburger Stein anschlagen.

ZWEITER GENOSSE

Jeder Bürger soll einen guten Trank finden, 

Wenn er von den Wällen kommt. 

So befiehlt es Knipperdolling.

SCHENKE

Ihr, Genossen? Ist es schon Zeit? 

(Mit kindischer Freude.) 

Haben sich die Bischöfe in Bewegung gesetzt?

ERSTER GENOSSE

Wie eine Herde Schweine, 

In die der Blitz einschlägt.

ZWEITER GENOSSE

Auf dem ganzen Weg zu den Blockhäusern 

Wird nur noch gerannt. 

Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie 

Ein so wildes Rennen gesehen!


(Der Schenke bricht in ein kindisches Lachen aus und streckt die Arme in die Höhe.) 


SCHENKE

Vater über dem Sternenzelt!


(Der erste Genosse geht ab. Jetzt führen sie wieder einen Haufen hessischer Knechte zum Martins-Tor.)


SCHENKE

Man mauschelt, ihr Männer, 

Dass König Jan verwundet ist.

ZWEITER GENOSSE

(lachend)

Weißt du nicht, Narr, dass keine irdische Waffe 

Jan auch nur die Haut ritzen kann?


(Beide Genossen gehen schnell ab. Der Schenke lacht kindisch und verschwindet in der Tür. Es eilen bewaffnete Männer, darunter Jugendliche und Knaben, über den Platz. Man hörte den Gesang von Frauenstimmen. Dinah, schön, mit langem goldenem Lockenhaar, betritt nun mit stürmischem Schritt die Halle. In Raserei und Verzückung. Tanzend. Ihr Kleid ist an den Schultern zerrissen. Schreiend, eine Doppelaxt in der Hand.) 


DINAH

Packt sie, dieses Pack! 

Frauen von Münster! 

Werft euch in die Räder!


(Eine Gruppe Frauen, halbnackt, fröhlich, lachend und singend, zieht eine Feldschlange auf klobigen Holzrädern an Seilen über den Platz. Einzelne werfen sich in die Speichen. Ihnen folgen Frauen mit Spießen, Äxten und Fackeln.)


FRAUEN

Dinah! Dinah!

DINAH

Wir wollen den Abend des Bischofs Franziskus segnen! 

Vorwärts, schneller! Töchter Zion! 

Schaut, sie läuft von selbst, die Kanone, 

Sie springt, sie tanzt. 


(Sie zerrt selbst an einem Seil.)


FRAUEN

(singen)

Ein neues Lied will ich singen, 

Herr, zu deinem Lobpreis...


(Während die Frauen das Geschütz vorbeirollen, kommen zwei Träger mit einer Bahre, auf der ein Verwundeter liegt, der Schmied. Er hält noch immer einen mächtigen Schmiedehammer in der Hand. Gekleidet wie ein Schmied. Sie wollen ihn durch die Halle tragen.)


SCHMIED

Halt! Ich bin an meinem Ziel! 


(Sie setzen ihn ab. Der Hammer fällt ihm aus der Hand. Er richtet sich auf. Der erste Träger schreit dem Sterbenden ins Ohr.)


ERSTER TRÄGER

Du hast sie hart mit dem Hammer getroffen!

DER ZWEITE TRÄGER: 

Hast du noch etwas zu bestellen? 

Den Kindern?

SCHMIED

Ich habe nichts mehr zu bestellen auf dieser Erde. 


(Der Schenke bringt einen Trank. Der Sterbende lehnt ab. Sein Blick ist visionär in die Ferne gerichtet. 


Mein ganzes Leben lang war ich nichts 

Als ein einfacher Schmied. 

O Herr! Nimm mich in Gnade auf, 

Mein Gott! Ah! Ich sehe dich! 

Dein Glanz verbrennt mich wie die Lust!


(Er stirbt.)


ERSTER TRÄGER

Der Schmied ist heimgegangen!

ZWEITER TRÄGER

Gesegnet bist du, Bruder! 

Gott gebe, dass ich dir bald 

In die Herrlichkeit folgen kann!


(Beide Träger schnell ab. Eine Gruppe von Männern betritt schnell den Saal. Laut, aufgeregt, prahlerisch, mit Spuren eines harten Kampfes. Sie tragen Rüstungen und Waffen verschiedener Art, einige sind verwundet. Einige von ihnen werfen ihre Waffen weg. Händeschütteln, Umarmungen, Küsse.)


DIE MÄNNER:

Brüder, Brüder! 

Münster! Es lebe Münster!

DUSENTSCHUR:

Schwarzer Tod in des Bischofs Franziskus Rachen! 

Tod und Schweiß in den Rachen der Ungläubigen!

KRECHTING:

Bischof Franziskus wird heute Nacht 

Böse Träume haben, Bruder. 

Die wilde Hölle wird ihn jagen, 

So wahr ich Bernhard heiße 

Und Prediger im Zunfthaus war.

DUSENTSCHUR:

So soll es in Zukunft allen ergehen, 

Die sich anmaßen, Hand anzulegen

An die Mauern der heiligen Stadt Münster, 

Die Gott erwählt hat! 

Gottes Atem soll sie zu Asche verbrennen!

ROTTMANN:

Singt dem Herrn ein Lobpreislied! 

Lobe den Herrn, meine Seele! 

Allmächtiger Vater im Himmel! 

TOM BOOM: 

Bruder Dusentschur hat sie mit der Hand 

Erwürgt wie Katzen.

REDECKER:

Er war wie ein Würge-Engel Gottes 

In ihren Reihen.

TOM BOOM: 

Der Herr sei mir gnädig, 

Ich wollte Dusentschur nicht in Feindschaft 

Vor den Wällen von Münster begegnen.

DUSENTSCHUR:

Ich brauche keine Waffe! 

Der Herr ist meine Wehr und Waffe!

KRECHTING:

Ich sah Dusentschur im Vorwerk 

In einer Schar von bischöflichen Reitern. 

Dusentschur, beim Himmel, 

Durch welches Wunder bist du wiedergekommen?

DUSENTSCHUR:

So wahr ich Dusentschur bin, 

Goldschmied aus Warendorf,

Und viele Ketten geschmiedet habe, 

So will ich eine Kette schmieden 

Und den Bischof Franziskus binden 

Und vor den Stufen von Gottes Thron 

Will ich den höllischen Satan niederlegen!

TILLBECK:

Der Herr hat sie geschlagen, 

Geschlagen mit Ross und Wagen!

ROTTMANN:

Du hast sie mit der Sense gemäht, tom Boom. 

Bist du verwundet? 

Lass dich verbinden.

TOM BOOM:

Ich habe sie gemäht wie das hohe Schilf, 

Bruder Rottmann. Genau so, wie das Schilfrohr. 

Lasst das Blut nur fließen, 

Es fließt zur größeren Ehre Gottes.

SCHENKE:

(bietet Wein an)

Sehr geehrte Herren und Freunde!

TOM BOOM:

Gib Dusentschur einen kräftigen Schluck, Schenke.

DUSENTSCHUR:

Sauft wie die Säue! 

Füllt euch die Bäuche! 

Du kannst dich immer noch nicht 

Von den heidnischen Bräuchen lösen. 

Lieber sterbe ich wie ein Hund!

TOM BOOM: 

Hast du schon mal Säue Wein saufen sehen, 

Bruder Dusentschur? 

KRECHTING:

Wer liegt denn da am Boden?

ROTTMANN:

Genossen! Einer unserer Brüder, 

Der in das ewige Reich heimgegangen ist.


(Sie versammeln sich um den Toten.)


TILLBECK:

Der Schmied.

REDECKER:

Unser lieber Freund. 

Er wird kein Eisen mehr hämmern 

Und keinen Spieß mehr schmieden.

DUSENTSCHUR:

Freuet euch! 

Und abermals sage ich: Freuet euch!

Ein weiterer Bote Münsters im Himmel! 

Überbringe den Gruß des neuen Zion 

An das himmlische Jerusalem, Bruder!

ROTTMANN:

Bruder Schmied! Oh Freunde! 

Er war einer der treusten! 

Von Anfang an hat er für die Sache gearbeitet. 

Freunde, die ihr spät nach Münster gekommen seid

Tom Boom, Dusentschur, Krechting, 

Wie könnt ihr ermessen, was er für uns war? 

TILLBECK:

Jahr um Jahr ging der Kampf 

Zwischen den Parteien in der Stadt 

Münster hin und her, 

Bevor Gott sie in unsere Hände gab. 

Es war ein elendes und erbärmliches Gezänk

Unter den Bürgern, Zünften, Sippen, Familien. 

Hier Katholiken, hier Reformierte, hier wir,

Die Bruderschaft des Evangeliums. 

Der Himmel selbst könnte Tränen weinen, 

So ging es in der Stadt Münster zu.

REDECKER:

Sie haben uns mitten in der Nacht 

Aus unseren Häusern vertrieben 

Und ins Gefängnis geworfen.

TILLBECK:

Bruder Schmied war der erste, 

Der sich mit seiner Zunft 

Auf unsere Seite gestellt hat. 

Ehre ihm! Ehre ihm!

ROTTMANN:

Entgegen Gesetz und Vereinbarung 

Hatte mir der Rat der Stadt 

Die Kanzel von St. Lambert verboten, 

Brüder, obwohl die freie Religionsausübung 

Für alle Bürger garantiert war! 

Da kam er! Ja, du bist gekommen, Schmied, 

Hast deine Kameraden um dich geschart 

Und in der Kirche Wache gehalten, 

Während ich das Evangelium predigte. 

Freunde, kein Bischof wagte es, sich zu nähern! 

Gegen Recht und Gesetz verwies der Rat 

Mich, Clopris, Stralen und Roll aus der Stadt, 

Roll selbst, unseren lieben Bruder, 

Roll, der jetzt unser Gesandter in Holland ist.

Die Stadtbediensteten führten uns 

Zum Servatius-Tor hinaus bis zur Krankenstation. 

So war es im Januar, als der Frost so streng war, 

Dass die Spatzen tot vom Himmel fielen! 

Dann kam er wieder, ja, Bruder Schmied, 

Du kamst wieder mit deinen Genossen

Und brachtest uns zurück nach Münster. 

Es war ein Geschrei 

Und ein Triumph auf den Straßen!

TILLBECK:

Und ein mächtiger Prediger war er, 

Unser Bruder Schmied, 

Wenn der Heilige Geist über ihn kam! 

Er predigte furchtlos, 

Auch wenn sie ihn mit dem Schwert bedrohten! 

Er war einer der ersten, 

Der sich mit der wahren Taufe taufen ließen.

ROTTMANN:

Tapfer hast du die Rüstung 

Des lebendigen Gottes geschmiedet! 

Du hast auf den Amboss geschlagen 

Und den Blasebalg getreten, 

Bis die Funken über die Stadt Münster flogen! 

Bis die Funken über das ganze Münsterland 

Hinaus und über die Erde flogen!


(Der tote Mann wird weggetragen. Knipperdolling erscheint mit mehreren Hauptleuten. Er trägt ein Kettenhemd, eine Stahlhaube und ein riesiges Schwert. Er wirft Schwert und Stahlhaube einem jungen Diener zu. Er ist Schweiß-überströmt, sein Gesicht ist schwarz und rußig. Ein Mann von herkulischer Statur, immer in bester Laune. Er brüllt vor Freude.) 


KNIPPERDOLLING

Der Bischof ist besiegt, 

Freunde und Genossen! 

Geschlagen ist Bischof Franziskus! 


(Er lacht laut.)


Diesmal haben wir den Arsch

Seiner Fürstlichen Gnaden gegerbt 

Und ihn verprügelt, o meine Freunde! 

Und wir haben Seiner Heiligkeit 

Den Mund mit Kugeln gestopft, 

So dass er sich übergeben musste! 

Jetzt kann ich in aller Ruhe 

Heimgehen, wenn es sein soll.

SCHENKE:

Du wirst noch manchmal vor die Wälle gehen, 

Knipperdolling, und ihre Kanonen vernageln!

KNIPPERDOLLING:

Tod dem Bischof Franziskus 

Von Iburg und Münster! 

Tod dem Luther, 

Dem Knecht der Fürsten! 

Tod den Ungläubigen, 

Die Gott nur mit ihren Lippen dienen. 

ALLE:

Tod! Tod! 

Schlage sie nieder, Herr! 

KNIPPERDOLLING:

Münster, die heilige Stadt!

ALLE:

Münster! Münster! 

Das neue Zion! Die heilige Stadt!

KNIPPERDOLLING:

Ich habe heute mehr Schweiß vergossen, 

Als Wasser in der Werse ist. 

Ich wundere mich fast, Freunde, 

Dass das Wasser, das mir aus der Haut lief, 

Die Bischöfe nicht von den Wällen gewaschen hat. 

Warum starrst du mich so an, 

Bruder Dusentschur! Magst du mich nicht mehr?

DUSENTSCHUR:

Nicht du bist es, den ich anstarre, 

Bruder Knipperdolling, Hauptmann des Königs. 

Es ist deine Rüstung, die ich ansehe. 

Du bist bewaffnet wie ein bischöflicher Oberst!

KNIPPERDOLLING:

Man kann nichts tun, um dich zu erfreuen.

DUSENTSCHUR:

Trage ich eine Rüstung? 

Trägt König Jan eine Rüstung? 

Nur die Heiden tragen Rüstungen. 

Ich brauche auch kein Schwert.

KNIPPERDOLLING

Nicht alle Männer sind gleich. 

Der eine liebt es, in Hose und Hemd 

In die Schlacht zu ziehen, 

Der andere liebt es, 

Mit Eisenschienen und Schwert zu prahlen. 

Ich gehöre zu diesen, Dusentschur, 

Weißt du, Knipperdolling ist eitel!

Freunde und Brüder, da Jan 

Mich zum obersten Stadthauptmann ernannt hat, 

danke ich euch für euren Eifer an diesem Tag. 

Ich möchte nicht wissen, 

Wer von euch am tapfersten 

Für die Sache Gottes gekämpft hat. 

Fünfmal haben die Bischöfe angegriffen, 

Fünfmal haben sie sich auf den Wällen 

Die Schädel eingeschlagen. 

Ein Lachen für die Himmlischen, 

Eine Freude für das Auge Gottes! 

Freunde! Brüder! Genossen!

Es wird berichtet, dass vierzig bischöfliche 

Offiziere und Hauptleute 

Und sechshundert Diener 

An Ort und Stelle geblieben sind.

Die Genossen haben den bischöflichen 

Feldherrn Meinhold von Hamm 

Und seinen Fähnrich 

Am Jüdefelder Tor gefangen genommen!

EIN MANN:

Meinhold von Hamm?

EIN ANDERER MANN:

Den Werwolf von Hamm!

DUSENTSCHUR:

Bringt ihn her, damit ich ihn 

Mit meinen Händen in Stücke reißen kann!

KNIPPERDOLLING:

Ich habe befohlen, dass er hergebracht wird. 

Zweihundert bischöfliche Diener 

Sind in unsere Gefangenschaft geraten. 

Ich habe sie auf dem Lamberti-Friedhof 

Einsperren lassen und den Frauen befohlen, 

Sie zu bewachen.

TILLBECK:

Ha, es ist also sicher, dass keiner entkommen wird! 

TOM BOOM:

So wahr ich lebe, ich will nicht gegen die Frauen 

Von Münster kämpfen!

KNIPPERDOLLING:

Ich auch nicht, tom Boom. 

Und niemand wird sagen, dass Knipperdolling 

Eine Heidenangst hat, wenn geschossen wird.

TILLBECK:

Ich sah sie kämpfen auf dem oberen Wall, 

Brüder, Brüder! 

Sie gossen kochenden Kalk 

Über die Hauben der bischöflichen Bediensteten. 

Sie warfen ihnen Pech um den Hals, 

Dass ihre Bärte in Flammen aufgingen. 

Und mit brennenden Holzscheiten schlugen sie sie, 

Dass die Funken flogen.

ROTTMANN:

Und Dinah, Jans Frau? 

Habt Ihr Dinah gesehen?

ALLE:

Dinah!

ROTTMANN:

Sie stürmte mit ihren Frauen 

In die Schützengräben 

Und schlug mit der Axt zu. 

So wahr ich lebe, 

Ich hätte das nicht für möglich gehalten. 

Dinah, die kein Huhn schlachten kann!

DUSENTSCHUR:

Jan!

Warum spricht niemand von Jan?

KNIPPERDOLLING:

Wir wissen alle, Dusentschur, dass Jan 

Der tapferste und kühnste Kämpfer 

Der Bruderschaft ist.

TILLBECK:

In der Tat, er war überall!

ROTTMANN:

Es sieht fast so aus, als ob er in der Schlacht 

Drei Gestalten annahm. 

Wie ein Racheengel Gottes ging er dahin!

DUSENTSCHUR:

Aber ich habe es mit meinen Augen gesehen: 

Die Knechte von Kleve 

Haben auf Jan geschossen. 

Die Kugel flog auf Jan zu, 

Aber dicht vor ihm sprang sie in einem Bogen auf.

KNIPPERDOLLING:

Die Klever müssen schlecht gezielt haben 

Oder der Lauf war verbogen?

DUSENTSCHUR:

Aber ich habe es mit meinen Augen gesehen! 

Brüder! Glanz lag in der Luft, wo Jan kämpfte. 

Und ein Funkeln und Blitzen, wo er wandelte. 

Die himmlischen Heerscharen 

Kämpften an Jans Seite.

ALLE:

Wahrlich! Wahrlich! Jan!

KNIPPERDOLLING:

Freund Redecker, und auch du, Bruder Krechting, 

Geht zu den Wandmeistern. 

Heute gibt es keinen Schlaf in den Quartieren. 

Die Wälle müssen unverzüglich repariert werden. 

Die hessische Kartaune hat mächtige Löcher gemacht. 

Steine und Pech auf die Wälle 

Und alle Wachen dreifach bemannt! 

Sprecht: Ich werde in dieser Nacht überall sein 

Und Knipperdolling wird über sie kommen 

Wie das Gewitter! 

Die jungen Burschen sollen unsere toten Brüder 

In die Stadt bringen, die Heiden aber 

Sollen sie den Ratten zum Fraß vorwerfen!


(Krechting und Redecker ab. Es eilen bewaffnete Männer über den Marktplatz. Jetzt wird ein Mann mit einem Sack über dem Kopf über den Platz geführt. Der vermummte Mann ist der Prophet Roll.)


ROTTMANN:

Halt, Freunde, wen bringt ihr hierher?

ERSTER KNECHT:

Einen Boten von außerhalb der Stadt!

ZWEITER KNECHT:

Ist König John hier? 

Er will mit König Jan sprechen. 

KNIPPERDOLLING:

Bringt ihn her! 

Wer bist du? Was willst du?

ROLL:

Wenn ich mich nicht täusche, höre ich 

Die Stimme des lieben Knipperdolling.

TILLBECK:

Er scheint deinen Bass gut zu kennen, Hauptmann!

ROLL:

Bist du es, Bruder Tillbeck?

KNIPPERDOLLING:

Nimm ihm den Sack vom Kopf ab!

ROLL:

Solltest du meine Stimme nicht mehr kennen? 

DUSENTSCHUR:

Roll! Roll!

ROLL:

Das war Dusentschur! Bruder Dusentschur!

ALLE:

Roll? Ist es Roll? Ist das möglich? 

ROLL:

Friede sei mit euch, Brüder! 


(Lauter und freudiger Gruß. Umarmungen, Küsse.)


ALLE:

Roll! Bruder! Willkommen in Münster! 

Willkommen in Münster! 

DUSENTSCHUR:

Macht Platz für Bruder Roll! 

Er ist müde und erschöpft. 

Bruder Roll ist heimgekehrt! 

Die lichten Engel Gottes haben ihn 

Auf ihren Händen getragen! 

Macht Platz für den Geliebten! 

ROLL:

Erlaubt mir, meine Lippen zu befeuchten. 

Zwei Nächte und zwei Tage bin ich 

Ohne Rast auf den Beinen.

KNIPPERDOLLING:

Sag mir eines, Roll, wie hast du es 

Durch das Lager des Bischofs Franziskus geschafft?

ROLL:

Der Bischof Franziskus befahl den Bauern, 

Die Verwundeten in die Dörfer zu treiben. 

Ich kam auf einem solchen Bauernkarren ins Lager. 

Draußen im Lager herrscht ein Durcheinander, 

Dass jeder überall hingehen kann, 

Ohne bemerkt zu werden.

ALLE:

Erzähl, Roll. Sag es uns! Wo warst du? 

Wo kommst du her? Wie sieht es draußen aus?

ROLL:

Lasst mich zu Atem kommen, Freunde. 

Ich war in Köln, 

Ich war in Lüttich, 

Ich war in Groningen, 

Ich war in Amsterdam, 

Ich war in Leyden, 

Ich war in Friesland, 

Ich war in Bremen, 

Ich war in Lübeck.

KNIPPERDOLLING:

Bei allen Teufeln, bist du geflogen?

ROLL:

Oft schien es mir, als würde ich 

Von Flügeln getragen werden. 

Ich habe wenig geschlafen in den drei Monaten.

KRECHTING:

Berichte! Wie steht es um die Bruderschaft?

ROLL:

Ich bringe so gute Nachrichten, 

Dass ich zittere, soll ich berichten. 

Gottes Gnade ist mit uns.

ALLE: Brüder! Sprich, Roll. 

Unendlich ist die Gnade des Herrn.

ROLL:

Lasst mich also mit der traurigen Nachricht beginnen, 

Freunde. In Herzogenbusch, Freunde, 

Wurde ein Zug unserer Brüder 

Von den Reitern des Herzogs von Geldern 

Umzingelt und niedergemäht. 

In Amsterdam wurden sechs unserer Brüder enthauptet. 

Der Rat von Amsterdam 

Ließ ihre Köpfe auf Spieße stecken 

Und am Hafen aufstellen, so dass alle Schiffe, 

Die ein- und auslaufen, die Köpfe 

Unserer armen Brüder sehen müssen.

ALLE:

Wehe!

DUSENTSCHUR:

Rache! Rache! 

Ausrotten! Ausrotten!

ROLL:

Doch an andern Orten hat Gott 

Uns mit Gnade empfangen. 

Von Köln, Kleve, Jülich, Holland, Friesland 

Sind unsere Brüder in großen Scharen 

Mit Pferden und Wagen, Frauen 

Und Kindern unterwegs. Zwölf Schiffe 

Sollen in diesen Tagen Amsterdam verlassen.

ROTTMANN:

Herrlich leuchtest du in deiner Pracht, 

Gott im Himmel.

ROLL:

Ich selbst habe viele Tausende getauft 

Und ihre Seelen zur Erlösung gebracht. 

Das Werk der Propheten und Prediger, 

Die Jan ausgesandt hat, war gesegnet. 

In Harlem sah man feurige Männer 

Durch die Luft fliegen, 

Und viele Brüder und Schwestern 

Ließen sich dort taufen. 

Länder und Städte erbeben 

Unter dem Atem des Evangeliums. 

Wie ein Feuer breitet sich die Lehre 

Des Heils über die Länder aus. 

Die Verstockten brechen in Tränen aus, 

die Sündigen fallen auf die Knie 

Und flehen um Erleuchtung. 

Der Sieg der reinen Lehre ist offenkundig! 

Alle umliegenden Länder sind in großer Aufregung. 

Ich habe gehört, dass die Städte 

Deventer und Telgte in den Händen unserer Brüder sind. 

Es geschehen Wunder! 

Männer, Frauen und Kinder sprechen 

In prophetischer Zungenrede. 

Die Bäume blühen überall zum zweiten Mal. 

Und weit über dem Münsterland 

Sieht man den Stern leuchten, 

Der jede Nacht über Münster funkelt.

Münster! Münster!

Und hier, diese Tasche! 

Von den Brüdern und Schwestern! 

Ringe und Schmuck von den Bauern, 

Zimmerleuten, Tuchwebern, Schuhmachern, Zinngießern.

Ohrringe, Ketten, Goldgirlanden, Verschlüsse und Schnallen. 

Wenn ich alles, was sie mir gegeben haben, 

Hätte tragen können, wäre es 

Eine große Tasche geworden. 

Die Brüder wollen uns Kleider und Schuhe 

Auf ihren Wagen bringen, 

Leder, Fässer mit Pulver und Blei, Säcke mit Getreide, 

Alles, was die Stadt Münster brauchen kann. 

Tausende von Rindern wollen sie 

Mit ihnen über die Landstraßen treiben. 

Das haben sie geschworen.

ALLE:

Bruder Roll! 

Münster! Münster!

EIN BOTE: 

König Jan befiehlt dir, Bruder Roll.

KNIPPERDOLLING:

Geh, Roll. 

Jan mag es nicht, 

Wenn wir Neuigkeiten früher erhalten als er. 

Begleitet ihn!

TILLBECK:

Was bringst du, Genosse?

GENOSSE:

Den bischöflichen Feldoberst Meinhold von Hamm!

KNIPPERDOLLING:

Freunde! Bringt ihn her!

DUSENTSCHUR:

Eile, Genosse!

ROTTMANN:

Wahrlich, wahrlich, 

Heute ist Münsters großer Gnadentag!


(Eine Schar von Genossen bringt Meinhold von Hamm und seinen Fähnrich Graf Wenzel von der Langenstraaten in den Saal.)


DIE GENOSSEN:

Vorwärts, meine Herren! 

Jauchzet, frohlocket! 

Kopf hoch!

ALLE:

Meinhold von Hamm! 

So wie er lebt und atmet. 

Der große Meinhold. 

Der Werwolf von Hamm.

DUSENTSCHUR:

Da sind Täufer, die geköpft 

Und verbrannt werden sollen! 

TILLBECK:

Willkommen, Ritter Meinhold, in Münster.

KNIPPERDOLLING:

Hat dich der Teufel auf einem Spielball 

Auf den Rathausplatz von Münster getragen, 

Meinhold?

TOM BOOM:

Holt einen Sessel aus der Ratsstube für den Ritter. 

MEINHOLD:

Ihr Idioten! 

Ihr könnt mich alle mal! 

Ihr könnt mich alle mal kreuzweise!

KNIPPERDOLLING:

Ein männliches Wort, Meinhold. 

Wir haben jetzt ein bisschen wenig Zeit für dich. 

Wir würden uns gerne mit dir unterhalten. 

Du erinnerst dich doch an mich? 

Oder bist du zu stolz geworden, 

Seit der Bischof Franziskus

Dich zum Feldherrn ernannt hat?

MEINHOLD:

Ich bin oft genug im Jahr nach Münster geritten. 

Da warst du noch nicht Königlicher Statthalter. 

Damals hast du noch Krämer

Und hast Tuch und Leinwand verkauft 

Und dein Laden war am Prinzipalmarkt.

KNIPPERDOLING:

Den gibt es auch heute noch. 

Nur gibt es dort nichts mehr zu kaufen. 

Es wird nicht mehr gefeilscht 

Und um Geld und Wucher gehandelt. 

Du weißt, dass wir in der Stadt Münster 

Alles gemeinsam haben. 

Ich habe das Tuch und die Wäsche 

Der Bruderschaft gegeben, 

Und wir haben daraus Hosen, 

Jacken und Hemden geschnitten.

MEINHOLD:

Ihr habt einen so mächtigen Schneider in der Stadt!

DUSENTSCHUR:

Schlag ihn auf sein großes Maul, Knipperdolling!

TOM BOOM:

Missbrauche das Handwerk nicht! 

War nicht Christus ein Zimmermann?

MEINHOLD:

Ist das möglich? 

Erst jetzt erkenne ich diesen kleinen Mann. 

Der Goldschmied Dusentschur aus Warendorf. 

Er war ein stiller Mann, der tagsüber kein Wort sagte 

Und immer fleißig in seiner Werkstatt saß. 

Die Werkstatt war voll von Käfigen 

Mit kleinen Nymphensittichen. 

Erst vor einem Jahr hast du mir 

Eine goldene Kette für meinen Schwager geschmiedet.

DUSENTSCHUR:

Die Kette, die ich heute für dich schmiede, 

Wird nicht aus Gold sein!

MEINHOLD:

Und der Graue da? Ist mir der Pulverdampf 

In die Augen gestiegen? 

Tillbeck, ehemals Bürgermeister.

TILLBECK:

Da hast du recht, Meinhold.

MEINHOLD:

Und da, der Prediger Bernhard Rottmann, 

Der Stuten-Bernd?

ROTTMANN:

Wir haben uns zuletzt auf dem Treffen 

In Telgte gesehen, Meinhold. 

Damals, du erinnerst dich, 

Als der Bischof Franziskus 

Allen Bürgern Münsters 

Freies religiöses Bekenntnis gewährte.

MEINHOLD:

Wer sollte Bernhard Rottmann nicht kennen? 

Der mächtige Prediger vor dem Herrn! 

Erst war er Mönch, meine Herren, 

Bei den Dominikanern, 

Dann wurde er ein Freund Luthers 

Und ging nach Wittenberg. 

Ich hörte dich noch predigen, 

Hier in Münster, 

Wo du gegen die Wiedertäufer 

Und Propheten gepredigt hast, 

Dass dein Maul schäumte!

ROTTMANN:

Dass du dich der Lüge nicht schämst!

MEINHOLD:

So etwas hört man nicht gern. 

Damals war es noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen. 

Da gab es noch eine Obrigkeit in Münster, 

Einen Rat und bischöfliche Kommissare. 

Und heute sehe ich dich selbst 

Unter den Täufern und Propheten. 

Rottmann ist selbst ein Prophet geworden! 

Vielleicht wirst du noch einmal ein Moslem, 

Wenn es eine Weile dauert.

ROTTMANN:

Schweig!

Die Schlange spricht aus deiner Kehle!

KNIPPERDOLLING:

Ruhig, Bruder Rottmann. 

Er kann nicht anders, das Großmaul. 

Es war schon immer bekannt, 

Dass Meinhold von Hamm das größte Maul 

Im ganzen Münsterland hat. 

Selbst jetzt spuckst du noch große Töne, 

Als hättest du dreihundert bewaffnete Diener bei dir. 

Wenn die Sterne am Himmel aufgehen, 

Wird dein eitles, törichtes Herz nicht mehr schlagen, 

Sag ich dir. 

MEINHOLD:

Niemand ist je lebend aus Münster herausgekommen, 

Das weiß ich genau.

KNIPPERDOLLING:

Ihr habt die Bruderschaft verfolgt und gejagt 

Wie ein Hund die Kaninchen!

MEINHOLD:

Ich werde nicht sabbern, 

Wenn ihr mir den Kopf abschlagt. 

Mach mit mir, was du willst. 

Tu mit mir, was ich tun werde, 

Wenn du mir eines Tages in die Hände fallen solltest! 

KNIPPERDOLLING:

Das ist ein Wort!

MEINHOLD:

Du hast eine große Fähigkeit im Denken erworben, 

Sagt man im Münsterland. 

Aber eines will ich dir sagen, 

Statthalter und Kanzler des Königs Jan, 

Eines will ich dir sagen: 

Der Bischof Franziskus hat Käfige 

Aus dicken Eisenstangen schmieden lassen. 

Ich habe sie gesehen, sie liegen 

Im Lager des Bischofs Franziskus bereit. 

In diese Käfige (der Bischof 

Franziskus hat es geschworen) 

Wird er euch sperren, Knipperdolling, 

Jan und seine Gefolgsleute, 

Und er wird euch wie wilde Tiere 

Durch das Münsterland führen, 

Durch Köln, Holland, Friesland, Brandenburg.


(Gelächter.)


TILLBECK:

Der Bischof Franziskus soll aufpassen, 

Dass wir ihn nicht wie ein Eichhörnchen 

In einen Käfig auf den Wällen stecken, 

Damit die Knechte was zu lachen haben! 

TOM BOOM:

Wir setzen ihm eine Kappe auf den Kopf, 

Damit man sein Gesicht nicht 

Mit seinem Arsch verwechselt.

MEINHOLD:

Wenn ihr alles wüsstet, was ich weiß, 

Würdet ihr euren Spott verlieren.

KNIPPERDOLLING:

Nun, schieß los, wir hören zu. 

Wir lernen gerne etwas, 

Wir sind nicht so arrogant. 

Schenke, gib dem Ritter was zu trinken!

MEINHOLD:

(trinkt)

Auf den Triumph des Bischofs, meine Herren!

ALLE:

Schurke, schamloses Schandmaul!

MEINHOLD:

Soll ich auf Jans Sieg trinken? 

Ich nehme an, das bittet ihr mich nicht.

KNIPPERDOLLING:

Vergeude nicht deine Zeit. 

Die Sterne werden bald aufgehen.

MEINHOLD:

Noch ein Wort in Freundschaft. 

Zum Dank für den Trank verspreche ich dir eines: 

Solltest du mir jemals in die Hände fallen, 

Bekommst du einen vollen Becher, 

Bevor ich dich an den Galgen hänge.

Ihr habt den heutigen Angriff abgewehrt. 

Aber den nächsten Sturm wirst du nicht überleben.

KNIPPERDOLLING:

Du wirst ihn nicht erleben.

MEINHOLD:

Der Bischof Franziskus hat Gesandte 

Zu den protestantischen Fürsten geschickt, 

Und sie haben ihm ihre Hilfe zugesagt. 

TILLBECK:

Wer soll das glauben?

ROTTMANN:

Der Bischof Franziskus wird sich niemals

An die protestantischen Fürsten wenden! 

Es ist immer das Bestreben des Bischofs gewesen, 

Münster wieder zu einer katholischen Stadt zu machen.

MEINHOLD:

Glaubt oder glaubt nicht, was ich sage. 

Es steht bei euch. 

Vom Herzog von Geldern sind zwölf Feldschlangen 

Und sieben Feuermörser auf dem Weg, 

Dazu achthundert Knechte. 

Sie sind schon in Wesel. 

TOM BOOM:

Und acht Wagen mit Pulver 

Vom Erzbischof in Köln. 

Die haben wir aber bei euch in Lüdinghausen abgeholt, 

Und heute habt ihr das Kölner Pulver schon gerochen.

TILLBECK:

Willst du Robert von der Eichen grüßen? 

Er ist gestern mit fünfzig Knechten 

Aus dem Lager in die Stadt gekommen 

Und hat um Quartier gebeten.

MEINHOLD:

Ich will das Galgengesicht nicht sehen. 

Glaubt mir, ihr werdet nicht das ganze Pulver erwischen, 

Und wir haben Pulver für ein ganzes Jahr im Lager. 

Aber ihr habt mühsam ein paar Tonnen 

In Mainz und Paderborn gekauft 

Und heimlich hergebracht. 

Ihr habt den Salpeter aus Ställen und Mistgruben geholt. 

Deshalb, Knipperdolling, gib die Sache auf, 

Bevor die protestantischen Fürsten 

Mit dem Bischof gemeinsame Sache machen.


(Knipperdolling lacht laut auf.)


MEINHOLD:

Es ist wahr, meine Herren, 

Ich gebe es gerne zu, 

Der Bischof sieht die Protestanten 

Nicht gerne im Lager. 

Die Belagerung hat die Kassen 

Des Bischofs geleert, 

Und der heutige Misserfolg wird ihn 

Schwer belasten. Es ist doch möglich, 

Dass er den Wunsch hat, 

Dem Handel ein Ende zu setzen, 

Und entschlossen ist, sich mit euch zu vergleichen. 

Vielleicht kann ich den Bischof dazu überreden? 

Schick mich ins Lager, Knipperdolling, 

Ich will es versuchen.

KNIPPERDOLLING:

Ja, jetzt habe ich es gehört und verstanden. 

ALLE:

Luchs! Fuchs! Dachs! Wolf! Werwolf!

MEINHOLD:

Ich bürge mit meinem Wort als Edelmann: 

Wenn die Sonne aufgeht, 

Bin ich wieder in Münster.

TILLBECK:

Das Wort eines Edelmannes ist heute 

Im deutschen Lande kein Hühnerfutter wert.

TOM BOOM:

Denk an Zabern 

Und die achttausend erschlagenen Bauern.

KNIPPERDOLLING:

Du hast deine Rolle prächtig gespielt, Meinhold. 

Oh, was bist du für ein Fuchs! 

Aber deine Ohren können meilenweit 

Durch den Busch sehen. 

Du solltest uns nicht für einfältig halten.

MEINHOLD:

Ich sehe schon, Knipperdolling, 

Der Satan hat dich geblendet, 

Dass du blind in dein Verderben rennst. 

Ihr alle, meine Herren...

KNIPPERDOLLING:

Schau, Dusentschur, ob da nicht schon 

Ein Stern am Himmel steht.

MEINHOLD:

Eins will ich euch noch sagen: 

Der Bischof hat geschworen, 

Die ganze Christenheit zu beschwören, 

Wenn es sein muss, um euch zu vernichten, 

Ihr Tempel-Schänder und Diener der Dirnen...

ALLE:

Schamlos! Unverschämtes Maul! 

Unverschämt! Schlagt ihn tot! 


(Sie stürmen auf ihn zu. Plötzlich aber lassen sie los. König Jan erscheint, gefolgt von seinen Trabanten. Ein Page trägt sein Schwert. Jan betritt den Saal. Hinter ihm der Prophet Roll. Die Leute versammeln sich.)


JAN:

Friede sei mit euch! 

ALLE:

Und mit deinem Geiste, Jan! 

JAN:

Heute Nacht träumte ich, 

Dass ein Wolf in meine Stube kam. 

Ich wollte ihm nachgehen, um ihn zu erwürgen, 

Aber eine weiße Taube erschien 

Und setzte sich auf meine Hand. 

Da ist er, Meinhold, der Wolf. 

Möge Gott dir gnädig sein, 

Du Ärmster der Armen! 

Mit diesem Gesicht wirst du niemals 

Die Schwelle des Paradieses überschreiten! 

Und Wenzel, bring diesen Jungen zu den Frauen. 

Er soll Schüsseln fegen und Teller waschen. 

MEINHOLD:

Bist du Jan Bokelson?

JAN:

Das ist mein Name.

MEINHOLD:

Der Schneidergeselle aus Leyden?

JAN:

Schneidern ist mein Beruf.

MEINHOLD:

Man sagt, du seist der Sohn einer Hure. 

JAN:

Gott vergebe meiner armen Mutter ihre Sünden. 

Sie war eine schwache Frau.

MEINHOLD:

So sieht er also aus, der Versucher 

Von Münster, der Antichrist! 

DUSENTSCHUR:

Tod dir! Ich habe ihn im Auftrag 

Des allmächtigen Gottes 

Zum König über Zion gesalbt!

JAN:

Bindet Meinhold los! 

ALLE:

Jan! Was machst du da?

KNIPPERDOLLING:

Lass ihn fester gebunden sein, Jan! 

Man soll ihn so fest fesseln, 

Dass ihm die Adern platzen.

JAN:

Meinhold, kennst du das letzte Dekret 

Des Bischofs Franziskus über die Wiedertäufer?

MEINHOLD:

Wer sollte alle Dekrete 

Des Bischofs Franziskus kennen? 

Seine Sekretäre haben nichts anderes zu tun, 

Als die Federn zu kratzen.

TILLBECK:

Sie sollen ergriffen werden 

Wie Vögel in der Luft, 

Sie sollen mit Hunden gejagt werden wie Hasen!

ROTTMANN:

Wenn ein Täufer widerruft, 

Soll er geköpft werden. 

Wenn er nicht widerruft, 

Soll er verbrannt werden!

JAN:

Was Bischof Franziskus kann, 

Kann König Jan auch! 

Widerrufe, und ich werde dich enthaupten. 

Widerrufe nicht, und ich verbrenne dich. 

MEINHOLD:

Habe ich etwa die Gotteshäuser geplündert?

JAN:

Ich kann dir die Zunge herausschneiden, 

Wie es der Bischof Franziskus 

Mit meinen Boten tat, 

Die ihm in die Hände fielen 

Und nicht sprechen wollten.

MEINHOLD:

Habe ich die heiligen Sakramente 

Der Taufe und der Ehe entweiht? 

Wovon sprichst du? 

Habe ich die heidnische Polygamie eingeführt? 

Habe ich mich gegen Autorität 

Und Gesetz aufgelehnt?

JAN:

Du bist arrogant! 

Ich kann deinen Kopf auf einen Pfahl 

Auf dem Wall stecken, so dass man ihn 

Schon von weitem sehen kann. 

So wie es der Bischof Franziskus 

Letzte Woche mit meinem Bruder 

Dietrich gemacht hat, 

Den seine Wachen aufgehalten haben.

MEINHOLD:

Habe ich die göttliche Ordnung 

Von Herr und Knecht umgestoßen 

Und den Knecht zum Herrn gemacht? 

Habe ich Reiche arm und Arme reich gemacht? 

Auch dein Kopf, Jan von Leyden, 

Wird bald auf einer Stange getragen werden! 

Dein Ende wird noch viel schrecklicher sein, 

Ich prophezeie es dir!

JAN:

Es wird geschehen, 

Wie Gott es beschlossen hat. 

Ich kann auch einen Geist aus dir machen, 

Du Stolzer. Wo ist Bruder Toto? 

Tritt vor, Bruder Toto. 

Sieh ihn dir an, Meinhold. 

Der Bischof Franziskus hielt ihn 

Zwei Jahre lang im Turm von Iburg gefangen. 

Als er noch ein Mann war, 

Wurde er Toto von Langenmantel genannt 

Und war zuletzt Rektor 

Der Gelehrtenschule in Schmalkalden. 

Hab keine Angst, kleiner Toto. 

Hier wird dir niemand etwas tun. 

Sage dem Herrn deinen Zauberspruch auf, 

Kleiner Toto.

TOTO:

So lag ich in dem tiefen Turm,

Der voller Ungeziefer und Wurm.

Die Würmer und das Ungeziefer häufen sich,

Aus meiner Trinkschale sie besaufen sich.

Solch einen Gestank nahm ich auch

Von der Fäulnis, die ich bekam, vom Hauch,

Dass niemand bei mir bleiben konnte.

Meine Augen nichts besonnte,

Der Tag nicht und nicht der Fackelschein.

Ehre soll Gott in der Höhe sein!

JAN:

Ich danke dir, Toto. 

Du hast deinen Spruch gut gesagt. 

Du kannst jetzt wählen, Meinhold.

MEINHOLD:

Mach jetzt ein Ende, Jan von Leyden! 

Hack mich in Stücke, wenn du willst! 

Häng mich zwischen zwei Hunden auf! 

Aber mach ein Ende!

JAN:

Wo sind unsere Brüder hin? 

Die Erde hat das Blut der Täufer 

In Schüsseln getrunken, die Flüsse 

Sind rot geworden von ihrem Blut!

TILLBECK:

Erschlagen und ertränkt 

In Basel und Konstanz.

JAN:

Und Thomas Münzer, 

Den Gott erleuchtete?

ROTTMANN:

Hingerichtet in Frankenhausen!

JAN:

Und unsere Brüder, die Gott 

Als seine Propheten erwählt hat?

DUSENTSCHUR:

In Stücke gehauen, verbrannt 

In Augsburg, Salzburg, Klausen, Straßburg!

JAN:

Der Schwäbische Bund jagt sie wie Wild. 

In der Pfalz lässt Ludwig 

Seinen Gefolgsmann Dietrich von Schönberg 

Wohl vierhundert abschlachten. 

In Bayern lässt der Kurfürst sie 

Scharenweise abschlachten. 

In Tirol wurden eintausend von ihnen verbrannt.

ALLE:

Wehe! Wehe! Himmlischer Vater! 

Rache! Rache! Rotte sie aus! Vernichte! 

JAN:

Die Hölle hat sich 

Gegen die Bruderschaft erhoben 

Und will sie verschlingen. 

Und weißt du, warum, Knabe? 

Wirst du noch arroganter? 

Ich werde es dir sagen: 

Weil wir das reine Evangelium 

Mit Taten und Werken erfüllen 

Und nicht nur mit Worten und Lippen, 

Wie es Papst, Luther und die Fürsten, 

Protestanten und Katholiken tun. 

Doch höre, Knabe Meinhold! 

Gott lässt durch meinen Mund verkünden: 

Es ist genug! Es ist genug, 

Und Gott will Frieden machen auf Erden. 

Hatte der Knabe ein Schwert? 

Gebt es ihm zurück!

ALLE:

Jan!

KNIPPERDOLLING:

Das kann ich nicht gutheißen, Jan.

DUSENTSCHUR:

Knipperdolling, ein Stern, 

Ein Stern über Münster!

KNIPPERDOLLING:

Ich habe geschworen, 

Dass der Knabe sterben muss, 

Wenn die Sterne aufgehen.

JAN:

Sei also vorsichtiger mit deinen Schwüren 

Und warte, bis ich es befehle, 

Bruder Knipperdolling.

KNIPPERDOLLING:

Wenn du ihn gehen lässt, Jan, 

Wird er wiederkommen, 

So wahr ich lebe!

JAN:

Lass Legionen wiederkommen, 

Ich fürchte sie nicht! 

Mit meiner Hand fege ich sie über die Wälle.

ALLE:

Jan, Jan!

JAN:

Geh, Meinhold. 

Geh zum Bischof Franziskus. 

Sag ihm: Nicht Jan von Leyden 

Schwingt das Schwert in Münster, 

Sondern Gott der Allmächtige selbst! 

Gott hat dem Bischof Franziskus 

Heute ein Zeichen gegeben, 

Er möge es beherzigen! 

Sag es dem Bischof Franziskus: 

Christus ist wieder auferstanden, 

Um sein reines Wort über die Erde zu verbreiten. 

Die Menschen werden nicht länger Wölfe sein, 

Die sich gegenseitig zerfleischen. 

Die Hölle ist über die Erde gekommen, 

Und die Blutgier der Menschen ist jetzt 

Schrecklicher als die der wilden Tiere.

ALLE:

Wahrlich, wahrlich, Jan! 

Weh! Weh! Weh!

JAN:

Gottes Langmut hat ein Ende! 

Sag dem Bischof Franziskus, 

Ich lasse ausrichten: 

Der Morgenwind hat sich erhoben! 

Bald wird der Sturmwind wehen! 

Wehe, wehe den Schläfern! 

Nicht Purpur, nicht Kronen werden gezählt werden. 

Wie Daniel sagt, ist Gott mehr 

An seinem Volk interessiert als an Tyrannen! 

Die falschen Priester, 

Die Gott mit ihren Lippen 

Und schönen Worten dienen, 

Sie werden vergehen! 

Die Könige werden ihre Kronen ablegen 

Und die Bischöfe ihre Hüte. 

Aber es wird zu spät sein! 

Sag ihm, ich, Jan von Leyden, 

Ich bin der Bote, der gesandt wurde, 

Um dem Herrn den Weg zu bereiten.

ALLE:

Jan! Jan!

JAN:

Sag ihm das, Meinhold. 

Gott hat es befohlen! 

Und keine Armee, keine Kanone 

Wird mich aufhalten! 

Ich werde ein Feuer auf dieser Erde entfachen, 

Das niemals erlöschen wird! 

Siehe, der Sohn Gottes erhebt sich bereits 

Von seinem Thron, um noch einmal 

Auf diese Erde herabzusteigen! 

Morgen wird er in seiner Pracht 

Über die Erde reiten 

Und das Tausendjährige Reich 

Seiner Herrschaft errichten!

ALLE:

Jan! Jan!

JAN:

Geh jetzt. Ihr Genossen bürgt für sein Leben.

KNIPPERDOLLING:

Jan, du wirst es bereuen!

JAN:

Gott allein befiehlt mir, Knipperdolling.

MEINHOLD:

Ich habe es mit meinen eigenen Ohren gehört 

Und mit meinen eigenen Augen gesehen, 

Jan, dass du wirklich vom Satan besessen bist! 

Wir sehen uns wieder, meine Herren! 


(Ab.)


KNIPPERDOLLING:

Hörst du, Jan? 


(Ab.)


JAN:

Liebe Brüder und Schwestern! 

Haben wir nicht einen starken Gott? 

Er hat uns geholfen! 

Lasst uns fröhlich und munter sein!

ALLE:

Halleluja! Halleluja!

DUSENTSCHUR:

Heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen 

Und alle Länder sind voll seiner Herrlichkeit.

DIE FRAUEN

Singt dem Herrn mit lautem Widerhall,

Ihr Völker, mit frohem Jubelschall!





ZWEITER AKT


(In König Jans Haus. Abend. Dinah bedient Wenzel von der Langenstraaten. Sie badet seine Hände und Füße in einer Zinnschüssel. Dienstmädchen verteilen Zinngefäße und Leinen und Essenzen. Zuweilen geht eine Magd durch den Raum. Man kann sehen, dass Jans Hof groß ist. Dinah ist schön und einfach gekleidet.)


DINAH:

Fühlst du dich jetzt besser?

WENZEL:

Ich fühle mich wie neugeboren, 

Ich danke dir von ganzem Herzen.

DINAH:

Du warst sehr erschöpft von der Schlacht 

Und wärst fast in Ohnmacht gefallen.

WENZEL:

Als ich den Wall erklomm, 

Stürzten sich die Gesellen wie Wölfe auf mich 

Und schlugen mich und den Feldherrn nieder. 

Ich war mehr tot als lebendig. 

Es ging alles so schnell.

DINAH:

Du musst wenig Erfahrung mit Waffen haben. 

Ich lächle. Wie alt bist du?

WENZEL:

Neunzehn Jahre.

DINAH:

Dann bist du sicher noch nicht lange 

Im bischöflichen Lager? 

Wie ist dein Name?

WENZEL:

Mein Name ist Wenzel 

Graf von der Langenstraaten, 

Und ich bin ein Vetter 

Des bischöflichen Feldherrn Meinhold. 

Ich befinde mich seit Pfingsten im Lager.

DINAH:

So müsste ich dich eigentlich Graf nennen, Wenzel. 

Aber in der heiligen Stadt Zion 

Gibt es nur Brüder und Schwestern. 

Das arrogante Herz des Menschen 

Erträgt keine Titel und Erhebungen. 

Nur Gott ist barmherzig, 

Und nur seine Propheten sind erhaben. 

Gib das Leinen, Eva. 


(Sie trocknet ihm damit die Füße.)


WENZEL:

Was tust du da?

DINAH:

Man hat dir wohl von den Bräuchen 

Der alten Väter erzählt, 

Von Abraham und Jakob? 

Dann weißt du auch, dass ihre Frauen 

Die Füße ihrer Gäste badeten, 

Wenn sie ihr Haus betraten. 

Wir ahmen sie nach. 

Die Propheten lehren, dass das eitle Herz 

Der Frauen sich täglich 

Und stündlich demütigen muss, 

Damit es nicht hochmütig wird. 

Hochmut aber ist die größte Sünde, 

Die Gott nur schwer vergibt. 

So sind auch die Münsteranerinnen aufgerufen, 

Alle bescheidenen Dienste zu leisten, 

Die das Leben zur Übung der Demut verlangt. 

Wir dienen uns gegenseitig.

WENZEL:

Verzeihung, darf ich fragen: 

Behandelt ihr alle Gefangenen 

Mit gleicher Milde?

DINAH:

Wir befinden uns in einem erbitterten Kampf, 

Ihr da draußen habt der Bruderschaft 

Zu viel Leid zugefügt. 

Aber wenn uns ein Feind in die Hände fällt, 

Behandeln wir ihn wie einen Bruder. 

Er kann bei uns leben 

Und sich der Bruderschaft anschließen.

WENZEL:

Und wenn er sich weigert?

DINAH:

Nun, dann muss er sterben. 

So lautet das Gesetz.

WENZEL:

Ah!

DINAH:

Fürchte dich nicht! 

Bis zum heutigen Tag haben alle Gefangenen 

Die zweite Taufe angenommen 

Und sich zur reinen Lehre bekehrt.

MAGD:

Dinah, Heike Focken ist hier.

DINAH:

Heike Focken? Was will sie denn?

MAGD:

Sie will mit dem König sprechen.

DINAH:

Und was hat sie Jan zu berichten?

MAGD:

Sie ist gekommen, um dem König zu sagen: 

Sie ist entschlossen, den Durchbruch zu machen.

DINAH:

Hat sie das gesagt?

MAGD:

Sie hat es mit diesen Worten gesagt.

DINAH:

So trete sie ein. Meisterhaft! 

Berichte es Jan!

WENZEL:

Bist du Dinah, die Frau von König Jan? 

Und ich bin im Haus des Jan?

DINAH:

Ich bin Dinah, ja.


(Wenzel macht das Kreuzzeichen.)


DINAH:

Hast du etwa Angst vor mir?

WENZEL:

Nein. Ich mache das Kreuz nur aus Gewohnheit. 

Ich habe eine alte Mutter. 

Wenn die wüsste, dass ich bei dir bin!

DINAH:

Ich nehme an, deine Mutter 

Hält mich für eine sehr gefährliche Frau?

WENZEL:

Mehr als das. Sie sagte...

DINAH:

Was hat sie gesagt?

WENZEL:

Es ist wohl besser, wenn ich es verschweige.

DINAH:

Sprich frei heraus, du kannst alles sagen.

WENZEL:

Sie hält dich für den Satan selbst, 

Der aus den Tiefen der Hölle aufgestiegen ist, 

Um die Menschheit zu verderben.

DINAH:

Ruft die Wache! Führt ihn hinaus!

WENZEL:

Vergib mir! Ich war unvorsichtig.

DINAH:

Es ist schwer, ruhig zu bleiben, 

Wenn man solch schändlichen Beleidigungen hört. 

Ich war gewalttätig, verzeih mir. 

Der Prophet lehrt: Bevor du 

Deinem Beleidiger antwortest, 

Beuge dein Haupt und denke 

An den Erlöser am Kreuz. 

Die Schüssel, Eva!

WENZEL:

Wenn meine Mutter sehen würde, 

Wie gut du zu mir bist, 

Würde sie anders über dich denken. 

Sie würde dich lieben, 

Sie hat ein sanftes Herz. 

Oh, was für Lügen werden über euch Wiedertäufer 

Auf dem Lande verbreitet! 

Aber ich werde eine Nachricht 

An meine Mutter schicken. 

Und ich bin überzeugt, dass sie sofort 

Nach Münster kommen wird.

DINAH:

Sie soll willkommen sein. 

Ist deine Mutter reich? 

Besitzt sie Schlösser und Ländereien?

WENZEL:

Keine Schlösser. 

Aber ein schönes Schloss und zehn Dörfer. 

Außerdem Wälder und große Fischteiche.

DINAH:

Schreib ihr, sie möge das Schloss 

Und die Dörfer, die Wälder und die Fischteiche 

Den Armen geben. 

Sie soll alle Schuldscheine zerreißen 

Und Gold und Schmuck 

Für die Brüder herbringen.

WENZEL:

Ist das euer Gesetz?

DINAH:

Wir verlangen Gut und Blut 

Von unseren Brüdern und Schwestern. 

Weißt du, was Christus 

Zu dem reichen jungen Mann sagte? 

Du kannst nicht Gott und dem Mammon dienen. 

Und vielleicht verstehst du jetzt, 

Warum uns Fürsten und Geistliche verfolgen!

WENZEL:

Oh, jetzt beginne ich zu verstehen. 

Aber jetzt fürchte ich fast, dass meine Mutter 

Nicht nach Münster kommen wird.

DINAH:

Wie verzagt du bist! 

Vielleicht ist es Gottes Wille, 

Dich einzusperren, um deine Mutter 

Und dich zu den reinen Lehren zu bringen? 

Wer kennt seine Pläne?

WENZEL:

Wer so glauben könnte, wie du, Dinah!

DINAH:

Lege den Hochmut ab und sei demütig! 

Läutere deine Gedanken 

Und sei gütig und freundlich zu allen! 

Diene deinen Mitmenschen! 

Wenn jemand eine schwere Last trägt, 

Hilf ihm, sie zu tragen! 

Wenn jemand Schmerzen hat, tröste ihn! 

Wenn ein Tier hungrig ist, gib ihm zu essen! 

Das ist der Anfang. 

Auch ich war einst ungläubig 

Und dachte, es reiche aus, 

Die Messe zu besuchen 

Und das Kreuz auf sich zu nehmen, 

Während das Gehen und Leben 

In den Geboten Christi allein reiner Glaube ist. 

Aber Gott war gnädig 

Und hat mich bekehrt und wiedergeboren.

WENZEL:

Wie ist das geschehen?

DINAH:

Ich bin in einem Dorf 

An der niederländischen Grenze aufgewachsen. 

Eines Abends kam ein Prediger zu uns, 

Ein Wiedertäufer aus Haarlem. 

Es war Jan Mathys.

WENZEL:

Jan Mathys! 

Oh, ich habe seinen Namen gehört.

DINAH:

Es wäre seltsam, wenn du seinen Namen 

Nicht gehört hättest! 

Er predigte und taufte in einer Scheune. 

Ich hörte heimlich zu und spürte, 

Dass er nur die Wahrheit lehrte. 

Am Morgen kamen die Reiter 

Des Bischofs aus Cleve 

Und durchsuchten den ganzen Hof 

Nach dem Propheten. 

Mathys stand kaum drei Schritte 

Von ihnen entfernt in der Scheune. 

Aber die Reiter sahen ihn nicht.

WENZEL:

Aber warum haben sie ihn nicht gesehen?

DINAH:

Gott hatte ihre Augen geschlossen 

Und sie geblendet! 

Ich verließ meine Eltern 

Und folgte Mathys nach Münster.

WENZEL:

Oh, wie seltsam das alles ist! 

Aber, so sagte man mir im Lager, 

Jan Mathys ist im Kampf gefallen?

DINAH:

Er fiel in der Woche nach Pfingsten. 

Siehst du die Ampel dort? 

Sie brennt zu seinem Gedächtnis. 

Eine Erleuchtung war über ihn gekommen. 

Eines Abends sagte er: Liebe Brüder, 

Der Herr hat mich zu einer großen Tat berufen! 

Morgen werde ich in das Lager der Heiden gehen 

Und sie mit dem Schwert schlagen! 

Er wählte zwölf Kämpfer aus 

Und ging zum Tor hinaus. 

Ich stand mit den anderen auf dem Wall, 

Und wir sahen ihm beim Kampf zu. 

Hunderte fielen über Mathys 

Und seine Kämpfer her. 

Mathys stand wie ein Turm, 

Aber schließlich schlugen sie auch ihn nieder.

WENZEL:

Und du lächelst?

DINAH:

Was ist der Tod? 

Gott rief Mathys zu sich in die Herrlichkeit, 

Um seinen Glauben zu belohnen. 

Gott hat sich eurer als Werkzeuge bedient.


(Heike Focken tritt auf.)


WENZEL:

Sag nicht: meiner! 

Ich gehöre nicht mehr zu ihnen. 

Bitte den König für mich, Dinah, 

Dass ich bei dir in Münster bleiben darf. 

Ich will mich wieder taufen lassen.

DINAH:

Mägde, bringt Wenzel in die Kammer 

Und gebt ihm zu essen!


(Wenzel ab.)


HEIKE FOCKEN:

Guten Abend, Dinah!

DINAH:

Guten Abend, Heike.

HEIKE FOCKEN:

Ist der König noch nicht da? 

Ich dachte, ich hätte seine Stimme gehört.

DINAH:

Dann hast du feinere Ohren als ich, Heike. 

Jan ist im Rat, du wirst dich gedulden müssen, 

Bis du ihn siehst.

HEIKE FOCKEN: 

Ich bin nicht ungeduldig.

DINAH:

Setz dich, Heike. 

Du bist also entschlossen, 

Den Spaziergang zu machen?

HEIKE FOCKEN: 

Die Verzagtheit hat mich wieder befallen, Dinah. 

Ich bin ein unwürdiges Weib, ich weiß es. 

Sei mir nicht böse, Dinah. 

Ich habe Angst, Jan zu begegnen.

DINAH:

Angst? Wie kann ein Mensch Angst vor Jan haben?

HEIKE FOCKEN:

Und doch zittert mein Herz in seiner Gegenwart.

DINAH:

Vielleicht ist es nicht jedem gegeben, 

In der Nähe von Jan zu leben. 

Oft scheint er zu träumen, 

Dann wieder ist er wie ein Besessener. 

Er ist gut und sanft wie ein Kind, 

Und doch hat er Anna, die ihm die Treue brach, 

Mit eigener Hand mit dem Schwert gerichtet. 

Vielleicht ist es gut, 

Dass du Angst vor ihm hast, Heike.

HEIKE FOCKEN:

Es ist nicht wirklich Angst, Dinah, 

Aber ich fürchte seine Augen. 

Sie blenden oft wie die 

Eines Wolfes in der Dunkelheit. 

Ich kann den Blick nicht vergessen, 

Den er mir gestern Abend zuwarf! 

Gott sei mir gnädig!

DINAH:

Hast du Jan gestern Abend gesehen?

HEIKE FOCKEN:

Ja, gestern Abend hat er mit mir gesprochen. 

Er hat mich besucht.

DINAH:

Er hat dich besucht?

HEIKE FOCKEN:

Er hat in den Garten gerufen: Heike. 

Da kam ich raus. Was ist los, Dinah?

DINAH:

Ich bin so töricht! Verzeih mir! 

Erzähl mir alles! 

Er hat dich also besucht. 

Ging er in den Salon?

HEIKE FOCKEN:

Ich sagte: Wenn das Zimmer 

Deines Mädchens nicht zu klein ist.

DINAH:

Und dann ist er hineingegangen?

HEIKE FOCKEN:

Ja. Und er sagte: Heike! 

Wie ist das mit der Erleuchtung? 

Ich hab ihm gesagt: Jede Nacht 

Träume ich denselben Traum, 

Dass ich ins Lager gehen soll.

DINAH:

Und was hat er gesagt?

HEIKE FOCKEN:

Er sagte dann: Wenn du es schaffst 

Und zum Stadttor zurückkommst, 

Sollst du meine Gemahlin vor dem Herrn werden.


(Dinah springt auf.)


DINAH:

Und was hast du geantwortet?

HEIKE FOCKEN:

Der Wille des Herrn wird geschehen! 

Warum tust du mir weh, Dinah?

DINAH:

Ich wollte dir nicht wehtun, Heike. 

Verzeih mir, Heike!

HEIKE FOCKEN:

Ich vergebe dir gern, Dinah.

DINAH:

Schwöre mir, dass du nichts vor mir verheimlichst!

HEIKE FOCKEN:

Ich schwöre.

DINAH:

Was hat er noch gesagt?

HEIKE FOCKEN:

Er sagte: Wenn du es tust, 

Werde ich dich zur Königin von Zion machen.

DINAH:

Das hat er gesagt?

HEIKE FOCKEN: 

Ja, das hat er gesagt.

DINAH:

Hör zu, Heike, wenn du ins Lager gehst, 

Werden sie dich erwischen 

Und Bischof Franziskus wird dich rädern lassen!

HEIKE FOCKEN: 

Gott sei mir barmherzig und gnädig!

DINAH:

Wenn ich dich ansehe, Heike, 

Bist du nur eine Bäuerin. 

Ich kann nicht glauben, 

Dass Gott dich erwählt hat.

HEIKE FOCKEN: 

Wie grausam du bist, Dinah! 

Aber hör zu, vielleicht habe ich doch den Mut, 

Auch wenn ich nur eine Bäuerin bin, wie du sagst. 

Ja, ich habe den Mut, Dinah, 

Und Gott wird mich beschützen 

Und mich nicht in die Hände 

Des Bischofs Franziskus fallen lassen!

DINAH:

Jetzt werden wir Jan sehen, Heike!

HEIKE FOCKEN:

Gott gebe mir Kraft!


(Jan tritt auf.)


JAN:

Heike Focken!

HEIKE FOCKEN: 

Hier bin ich, mein König Jan.

JAN:

Bist du entschlossen, 

Den Weg zu gehen, Schwester Heike?

HEIKE FOCKEN: 

Ich bin entschlossen.

JAN:

Also halte dich bereit. 

Es muss in dieser Nacht geschehen. 


(Jan ab.)


DINAH:

Jetzt kannst du nicht mehr zurück, Heike. 

Du hast Jan dein Wort gegeben.

HEIKE FOCKEN: 

Noch heute Nacht? Jetzt? 

Ja, ich bin entschlossen, es zu tun. 

Ich werde heute Nacht zum Lager 

Des Bischofs Franziskus gehen.


(Auftritt Rottmann.)


ROTTMANN:

Ein Läufer!


(Jan und sein Rat treten auf. Einige Diener folgen ihnen. Ein Läufer tritt auf.)


ROTTMANN:

Öffne deine Ohren, mein Sohn, 

Und höre, was ich dir sage! 

Ein Erlass des Königs und des königlichen Rates! 

Der König und der Rat haben beschlossen, 

Einundzwanzig Apostel aus Münster 

In alle Himmelsrichtungen auszusenden. 

Die Apostel sollen den großen Sieg Münsters 

Über die Ungläubigen verkünden. 

Sie sollen die Brüder und Schwestern 

Aller Länder sammeln und sie unverzüglich 

In Gottes heilige Stadt schicken. 

Die Brüder Boentrub, Graes, Vinne, Schwering, 

Küper, Scheffer gehen nach Osnabrück und Lübeck.

TILLBECK:

Ich möchte mit ihnen sprechen, bevor sie abreisen. 

Ich habe Freunde in Lübeck, 

Ich will sie an sie verweisen.

ROTTMANN:

Ihr habt gehört, was Bruder Tilbeck gesagt hat? 

Unser Bruder Heinrich Roll wird nach Holland gehen, 

Begleitet von den Brüdern Jan Geel und van Campen.

ROLL:

Welche Verdienste habe ich, Brüder, 

Dass ihr mich noch einmal auszeichnen wollt? 

Mein Dank an Jan und den Hohen Rat 

Für die hohe Ehre!

KRECHTING:

Der Rat weiß wohl, wen er schickt!

ROTTMANN:

Die Brüder Grave, Essens, Focke, Francker, 

Regenwart und Beckmann gehen 

Nach Koesfeld im Westen. 

Nach Osten gehen die Brüder Stralen, 

Ummegrove, Alfen, Prünn. 

Die Brüder Clopris und Burkmeyer 

Gehen nach Köln. 

War Bruder Clopris nicht hier?

CLOPRIS:

Freue dich, meine Seele, und frohlocke! 

Hier ist der unwürdige Clopris, Brüder, 

Hier bin ich! Ich werde nach Köln gehen. 

Ich werde dem Erzbischof ein Netz legen, 

In dem er sich winden wird. 

Ihr werdet es sehen!

DUSENTSCHUR:

Bruder Clopris, du wirst dem Erzbischof 

Von Köln ein Lied singen! 


Oh, Köln, o Köln am Rhein,

Wann wirst du gesättigt sein

Mit dem reinen Blut der Heiligen des Herrn,

Die du erschlagen so gern?


CLOPRIS:

Rein vom Blut der Heiligen Gottes! 

Ja, Dusentschur, ich will es dem Erzbischof 

Von Köln in die Ohren singen, 

Damit er in seinem seidenen Bett 

Den Schlaf verliert! Ich werde gehen.

ROTTMANN:

Warte noch ein wenig, Bruder Clopris. 

Die Apostel sollen weder Speise 

Noch Geld mitnehmen; 

Sie sollen aufbrechen, wie sie gehen und stehen. 

Gott, der Herr, wird für sie sorgen, 

Wie er für die Vögel des Himmels sorgt. 

Sie sollen nicht wie Diebe in der Nacht 

Und heimlich in die Städte eindringen, 

Sondern am hellen Tag, wie es sich für Kämpfer 

Der Gerechtigkeit gehört. 

Der allmächtige Gott wird sie beschützen! 

Gegeben am Tag des großen Sieges, 

Dem 31. August, anno Domini 1534 

Von Gott und Jan dem Gerechten und König 

Im Neuen Tempel. - Bote! 

Du wirst die Apostel finden. 

Sie mögen sich um Mitternacht 

Am Jüdefelder Tor versammeln. 

Ich werde sie aus der Stadt entlassen. 

Und jetzt beeilt euch!

JAN:

Denkt daran: Am helllichten Tag 

Sollen sie in die Städte gehen 

Und überall öffentlich predigen. 

So befehle ich.


(Bote ab.)


DUSENTSCHUR:

Jan, warum schickst du mich nicht los? 

Schick mich nach Rom! 

Zum Falschen Propheten des Antichrist!

JAN:

Wenn Gott es befiehlt, 

Werde ich auch dich hinausschicken, Dusentschur.

DINAH:

Willst du uns wieder verlassen, Bruder Roll? 

Du bist erst heute Abend gekommen.

ROLL:

Der Herr kennt keine Zeit, Dinah. 

Ich muss gehen, 

Und ich bin glücklich, Dinah!

DINAH:

Gott beschütze dich, Bruder Roll. 

Hüte dich vor den holländischen Spionen!

ROLL:

Der Herr wird seine Hand über mich halten, 

Dinah, nichts geschieht ohne seinen Willen.

JAN:

Friede sei mit dir, Bruder Roll.

ROLL:

Friede sei mit dir, Jan. 


(Sie küssen sich. Roll und Clopris ab.)


JAN:

Es ist heute offensichtlich 

Und für alle offenbar geworden: 

Der Herr hat Wohlgefallen an seiner Stadt Münster! 

Diejenigen, die sie anrühren wollten, 

Hat er mit dem Hauch seines Mundes verbrannt! 

Und schon zeigt er uns neue Gnade... 


(Er zeigt auf Heike Focken.)


KNIPPERDOLLING:

Erlaube mir, Jan, 

Deine Rede zu unterbrechen, 

Bevor du anfängst.

JAN:

Knipperdolling, bist du ein Knecht, 

Dass du die Worte so unterwürfig sprichst?

KNIPPERDOLLING:

Du warst heute unzufrieden mit mir, Jan.

JAN:

Unzufrieden?

KNIPPERDOLLING:

Zweimal hast du mich heute 

Vor dem Volk zurechtgewiesen.

JAN:

Verzeih mir, Bruder Knipperdolling. 

Wiege meine Worte nicht auf der Goldwaage. 

Wenn es in Münster einen Mann gibt, 

Der unvollkommen ist, so bin ich es. 

Du bist mein Vater den Jahren nach, 

Sei nachsichtig und vergib mir.

KNIPPERDOLLING:

Ihr habt gesehen, dass Jan 

Sich vor mir verneigt hat. 

Das ist zu viel! Knipperdolling ist 

Einer solchen Ehre nicht würdig! 

Also lasst uns nicht mehr daran denken. 

Und nun, Jan, spreche ich 

Als dein Hauptmann zu dir. 

Deine Hauptleute haben heute Abend 

Einen Kriegsrat abgehalten. 

Wir haben alles bedacht, berechnet und erwogen. 

Aber dies ist unser Fazit, Jan: 

Greif das Lager des Bischofs Franziskus an 

Und nimm es im Sturm! 

Noch nie war die Gelegenheit so günstig, 

In all den sechs Monaten nicht, 

Seit Bischof Franziskus Münster belagert.

JAN:

Es könnte gut sein, Knipperdolling, 

Dass Gott beschlossen hat, das Lager 

Des Bischofs Franziskus in unsere Hände zu geben!

KNIPPERDOLLING:

Jan! Vor der Schanze am Lamberti-Tor 

Sind achtzig bischöfliche Landsknechte eingetroffen 

Und haben ihre Waffen niedergelegt. 

Sie rufen: Es lebe Münster! 

Es lebe König Jan!

TOM BOOM:

Die Knechte im Lager glauben nicht mehr 

An den Sieg des Bischofs Franziskus.

DUSENTSCHUR

Sag vom Satan Franziskus! 

Sag von dem Sohn der Hölle!

REDECKER:

Sie weigern sich, weiter gegen Münster zu kämpfen. 

Sie erklären die Sache des Bischofs Franziskus 

Für ungerecht und halten die Sache Münsters 

Für die Sache der Gerechtigkeit.

DUSENTSCHUR:

Sag die Sache des Heils, 

Sag die Sache des lebendigen Gottes!

JAN:

Sagte ich nicht: der Morgenwind hat sich erhoben?

TOM BOOM:

Das berichten auch die Spione, 

Die wir ins Lager geschickt haben. 

Das Lager ist in großem Aufruhr 

Und in Auflösung begriffen.

REDECKER:

Der Bischof Franziskus befürchtet, 

Dass du das Lager stürmen 

Und ihn gefangen nehmen könntest. 

So wie wir die Versammlung 

In Telgte überfallen haben. 

Er hat alles für die Flucht vorbereitet.

DUSENTSCHUR:

Ergreif ihn, Jan! Strecke deine Hand aus! 

Gott hat ihn in deine Hände gegeben!

JAN:

Ich werde ihn ergreifen! 

Gott hat die Todesstunde des Bischofs 

Franziskus schon bestimmt...

KNIPPERDOLLING:

Die Lehnsleute und Junker haben 

Den Bischof Franziskus im Stich gelassen 

Und sind davon geritten. 

Das Meißner Lager hat sich verirrt. 

Die Meister der Kanonen haben 

Die Haubitzen zurückbringen lassen. 

Jan! Gib den Befehl, 

Und ich lasse die Tore öffnen! 

Das Lager ist in deiner Hand.

REDECKER:

Blase das Horn, Jan!

DUSENTSCHUR:

Befiehl, Jan, und ich, nackt wie Gott mich schuf, 

Werfe mich auf die Heiden!

ROTTMANN:

Was die Hauptleute vorschlagen, 

Scheint mir gut und vielversprechend zu sein, Jan.

JAN:

Meine Stunde ist noch nicht gekommen, 

Meine Freunde.

ALLE:

(enttäuscht)

Jan, denk nach! 

Verpasse die Gelegenheit nicht. 

Greif ihn an!

JAN:

Euer Plan, Freunde, ist ein solcher Plan, 

Wie ihn Menschen in ihrer Torheit ersinnen. 

Aber Gott, der über uns thront, 

Hat in seiner Weisheit 

Längst einen Plan ersonnen, 

Da wir nicht einmal daran gedacht haben. 

Und was soll ein Plan der Menschen 

Gegen Gottes Plan, sagt selbst? Brüder! 

Wenn ich Gottes Plan richtig verstehe, 

Ist es sein Wille, den Bischof Franziskus 

Und sein Heer in unsere Hände zu legen, 

Aber auf Gottes Weise! Und zwar so, 

Dass es allen Völkern der Erde deutlich wird, 

Dass Gott sein Gottesvolk 

Über die Tyrannen stellt. 

Ein solches Zeichen wird Gott der Herr 

Allen Ungläubigen geben, dass sie zittern 

Und erbeben werden.

TILLBECK:

Hört es, Brüder!

KNIPPERDOLLING:

Wir verstehen dich nicht, Meister.

JAN:

Ihr werdet es verstehen. 

(an Heike Focken gewandt) 

Schwester Heike, steh auf!

HEIKE:

Ich bin Heike Focken, Gottes Magd.

JAN:

Knie nicht nieder, Heike. 

Nur vor Gott sollst du knien. 

Ihr kennt Heike Focken, 

Die aus Ostfriesland zu uns kam. 

Sie gab all ihren Besitz, Haus und Vieh, 

Den Armen. Gott hat sie 

Um ihres Glaubens willen gepriesen. 

Dich, Schwester Heike, hat Gott auserwählt, 

Um sein Zeichen in die Welt zu tragen!


(Alle verneigen sich in Ehrfurcht vor Heike.)


JAN:

Zitter nicht, Heike. Erzähle den Brüdern, 

Wie Gott dich erleuchtet hat.

HEIKE:

Ich bin eine demütige Magd des Herrn! 

Ich bin eine Sünderin. Ich bin eine Witwe, 

Mein Mann ist vor drei Jahren gestorben. 

Ich suche den Weg zu Gott, 

Und bin am Karfreitag nach Münster gekommen. 

Aber in der letzten Zeit...

JAN:

Sprich mit Zuversicht, Heike. 

Du sprichst vor Brüdern, die dich lieben.

HEIKE:

In den letzten Nächten erschien 

Eine goldene Wolke in meinen Träumen. 

Zuerst habe ich nicht darauf geachtet, 

Weil ich töricht bin. 

Aber der Glanz wurde jede Nacht stärker, 

Und so betete ich zu Gott, 

Er möge mich erleuchten. 

Dann kam das Leuchten eines Nachts wieder, 

Und siehe da, ich sah, dass 

Ein himmlischer Bote bei mir weilte.

JAN:

Brüder, stört sie nicht!

HEIKE:

In der nächsten Nacht erschien 

Der himmlische Bote wieder 

Und hielt die Heilige Schrift in seiner Hand. 

Er schlug das Buch auf, 

Und es blitzte aus dem Buch, 

Dass ich geblendet wurde. 

Ich kniete in meinem Traum nieder 

Und fragte: Soll ich das Buch lesen? 

Der himmlische Bote sagte: 

Du sollst das Buch aufschlagen, 

Und wohin dein Auge fällt, sollst du lesen. 

Ich wachte früh auf, reinigte mich und betete. 

Dann nahm ich die Heilige Schrift in die Hand, 

Schlug sie auf und las, wohin mein Auge fiel. 

Dort stand geschrieben: 

Gib mir Mut, dass ich mich nicht fürchte 

Vor ihm und vor seiner Macht, 

Sondern dass ich ihn überwinde. 

Das soll der Ruhm deines Namens sein, 

Dass eine Frau ihn besiegt hat.“

Und weiter lese ich: „Und als sie gebetet hatte, 

Stand sie auf. und rief Ava, ihre Magd, 

Und ging hinab ins Haus 

Und legte ihren Sack ab 

Und zog ihre Witwenkleider aus. 

Und wusch sich und salbte sich 

Mit köstlichem Wasser und flocht ihr Haar 

Und setzte eine Haube auf 

Und zog ihre schönen Kleider an.“

ROTTMANN:

Judith!

HEIKE:

Ich hatte das Buch Judith aufgeschlagen, 

Aber ich verstand es trotzdem nicht, 

Weil ich dumm bin. 

An diesem Tag las ich das Buch Judith 

Wieder und wieder und fastete und betete 

Und bat Gott, mich zu erleuchten. 

Und in jener Nacht führte mich 

Der Bote Gottes im Traum 

Auf die Stadtmauer von Münster, 

Wies nach Osten und sagte: 

Siehe, die Sonne geht auf. 

Und sobald sie aufgeht, musst du gehen, 

Wie Judith gegangen ist. 

Du bist die Judith des neuen Zion! 

Und der himmlische Bote wies nach Westen, 

Und dort sah ich den Bischof Franziskus sitzen. 

Er trug ein rotes Gewand, steif 

Von getrocknetem Blut, 

Und eine Narrenkappe auf dem Kopf. 

Und aus der Kappe ragten Hörner, 

Die so groß waren wie die eines Ochsen. 

Siehe, Heike, sagte die himmlische Stimme, 

Das ist der neue Holofernes. 

Und ich fragte: Was soll ich tun? 

Die himmlische Stimme sagte: 

Tu, was Judith mit Holofernes getan hat! 

Geh hinaus ins Lager 

Und schlag dem Bischof Franziskus den Kopf ab! 

Und ich sagte: Dein Name sei gepriesen! 

Ich werde tun, was du befohlen hast! 

ROTTMANN:

Wunderbar sind deine Wege 

Und unergründlich, Herr.

TILLBECK:

Schwester Heike! In Demut 

Verneigt sich der Knecht Tilbeck vor dir.

DUSENTSCHUR:

Was sind menschliche Pläne dagegen? 

(Er lacht, er küsst den Rocksaum von Heike.) 

Würde ich mich nicht Gott anbieten 

Und nackt gegen die Heiden laufen? 

Dusentschur, der Herr hat dir gezeigt, 

Wie töricht du bist!

JAN:

Das ist also der Plan Gottes, 

Knipperdolling. Verstehst du jetzt?

KNIPPERDOLLING

Ich demütige mich, Meister.

JAN:

Nun segne Gott dich, Schwester Heike, 

Die der Herr auserwählt hat. 

Geh an dein Werk!

HEIKE:

Ich werde an die Arbeit gehen.

JAN:

Mögen die Frauen sie schmücken, 

Wie Judith geschmückt wurde, bevor sie ging. 

Brüder, gebt Schwester Heike geistige Kraft! 

Wenn die Sonne aufgeht, 

Werdet ihr Schwester Heike aus dem Tor geleiten. 

Sobald aber die Wachen Heikes Rückkehr melden 

Und sie den Kopf des Bischofs Franziskus bringt, 

Lasst die Hörner dreimal blasen. 

Das soll das Zeichen sein, dass wir 

Die Tore öffnen und über das Lager 

Des Bischofs Franziskus herfallen. 

Das ist Gottes Wille und Plan.

ALLE:

Jan! Jan!

JAN:

Gott führe dich, Schwester Heike!

HEIKE:

Bete für mich, mein König, 

Dass mich die Kraft nicht verlässt.

JAN:

Ich werde im Heiligen Geist bei dir sein.

HEIKE:

Betet für mich, Brüder! 


(Ab mit Dinah)


ALLE:

Friede sei mit dir, Jan!


(Alle ab. Jan bleibt allein. Auftritt Wenzel.)


WENZEL:

Dinah hat mich zu dir geschickt.

JAN:

Wer spricht?

WENZEL:

Dinah hat mich zu dir geschickt. 

Ich bin Wenzel, bischöflicher Fähnrich, 

Heute ein Gefangener. 

Ich bitte um die Gnade, 

In Münster bleiben zu dürfen. 

Ich bin dir treu ergeben, König, 

Mit Leib und Seele.

JAN:

Du zitterst?

WENZEL:

Ich habe Angst vor dir.

JAN:

Steh auf. Bald wird die Zeit vorbei sein, 

In der ein Mensch vor dem anderen Angst hat. 

Gott allein sollst du fürchten. 

Zittere, wenn die Sonne aufgeht, 

Denn der Herr ist Licht. 

Wenn der Wind flüstert, zittere, 

Denn der Herr ist im Wind. 

Aber zittere nie vor dem schwachen Menschen. 

Bleib in Münster. Diene auf den Wällen 

Und sag den Männern, sie sollen 

Dir einen Platz zuweisen. Und jetzt geh!


(Wenzel ab. Auftritt Dinah.)


DINAH:

Du bist unruhig, Jan?

JAN:

Ich höre viele Stimmen in mir.

DINAH:

Du solltest schlafen. Jan. 

Drei Nächte und drei Tage 

Hast du nicht geschlafen. 

Und heute war ein heißer Tag.

JAN:

Schlafen? Wer könnte jetzt schlafen? 

Ein neuer Tag ist angebrochen, 

Ich spüre es, Dinah. 

Ich habe oft gezweifelt, ob es richtig ist, 

Für das Evangelium mit dem Schwert zu kämpfen. 

Die ersten Wiedertäufer haben 

Das Schwert nicht angerührt, 

So wie die ersten Christen es nicht angerührt haben.

DINAH:

Du weißt, Jan, dass Gott 

Dem Mathys das Schwert in die Hand gegeben 

Und ihm befohlen hat, die Ungläubigen 

Mit dem Schwert zu bekämpfen.

JAN:

Ich weiß. 

Aber wer kennt schon Gottes Beschlüsse? 

Ich höre eine Stimme, die sagt, 

Dass ein neuer Tag kommen wird. 

Gott hat mir durch Heike Focken 

Ein Zeichen gegeben. 

Ich höre eine Stimme, die sagt: 

Wirf das Schwert weg, Jan. 

Nimm einen grünen Zweig in die Hand 

Und geh hinaus, um den Feinden 

Damit zu begegnen. 

Sie werden vor dir niederfallen, 

Und du wirst sie besiegen. 

Ich werde meine Feinde 

Mit dem Hauch meines Mundes schlagen, 

Sagt die Stimme, und nicht mit dem Schwert. 


(Er taumelt vor Erschöpfung.)


DINAH:

Du bist müde, Jan, ruh dich aus. 

Lege deinen Kopf in meinen Schoß, 

Wie du es schon oft getan hast. 

Zweifel wird dich nicht quälen. 

Das Lamm Gottes hat geblutet, das weißt du. 

Deshalb lehrte Mathys 

Die Vernichtung der Ungläubigen.


(Jan legt seinen Kopf in Dinahs Schoß. Er schläft ein.)


DINAH:

Mathys! Mathys!

JAN:

Hast du mich gerufen?

DINAH:

Nein. Ich habe nichts gesagt. 

Schlaf, Jan. Mathys! Mathys!

JAN:

Ich höre Gesang.

DINAH:

Es sind die Frauen, die Heike Focken schmücken. 

Sie singen für sie. Schlaf jetzt, Jan.

JAN:

Ich will nicht schlafen. 

Nur ein Vieh schläft in einer Nacht wie dieser. 

Lies, Dinah, wie du es jede Nacht tust. 

Lies die Offenbarung.


(Dinah nimmt die Bibel und liest.)


DINAH:

Und ich hörte eine Stimme vom Thron her, 

Die sprach: Siehe, eine Hütte Gottes 

Bei den Menschen. 

Und er wird bei ihnen wohnen, 

Und sie werden ein Volk sein, 

Und er selbst, Gott mit ihnen, 

Wird ihr Gott sein. 

Und Gott wird abwischen alle Tränen 

Von ihren Augen. 

Der Tod wird nicht mehr sein, 

Noch Leid, noch Geschrei, 

Noch Schmerz wird mehr sein; 

Denn das Erste ist vergangen. 

Und der auf dem Thron saß, sprach: 

Siehe, ich mache alles neu!

JAN:

Es ist genug. 

Gute Nacht, Dinah. 


(Dinah ab.)


JAN:

Siehe, ich mache alles neu... 

Gott wischt alle Tränen von ihren Augen ab, 

Und der Tod wird nicht mehr sein, 

Noch Leid, noch Weinen... 

Ja, komm, Herr Jesus Christus! 

Ich bin dein Knecht, Herr. 

Erbärmlich und nicht würdig. 

Erleuchte mich! 

Gib mir die Kraft, dein Volk 

Durch die Wüste zu führen! 

Ja, mach diese Welt neu. Mach alles neu! 

Mein Herz ist froh, 

Du, großer Gott, du wirst es tun.


(Vorhang fällt)



DRITTER AKT


(Das Lager des Bischofs Franziskus. Ein Zimmer in einem Kloster. Einfach. Nur ein Tisch, ein paar Stühle, ein großes Kruzifix. Ein hoher Stuhl für den Bischof. Eine breite, mit einem Vorhang versehene Tür führt zu den Privaträumen des Bischofs Franziskus. Morgensonne. Der Bischof Franziskus sitzt beim Frühstück. Die Diener tragen Schüsseln und Gefäße durch den Raum. Man kann sehen, dass der Bischof auf ein gutes Frühstück wartet. Der Sekretär des Bischofs, Georg, sitzt an dem großen Tisch, der mit Papieren und Büchern bedeckt ist, und schreibt. Graf Seedorf, der Gesandte des Kurfürsten von Sachsen, geht im Saal wartend hin und her. Er ist in weltliche Kleidung gekleidet.)

GRAF SEEDORF: 

Das also ist Münster! 

Und da sitzt er, der Schneider Jan! 

Aber warum brennen sie Feuer 

Auf den Wällen, Georg?

GEORG:

Es sind Freudenfeuer, Graf Seedorf. 

Sie wissen nicht, was sie tun sollen 

In ihrem Übermut. 

Sie haben sich einen schlechten Tag 

Für Ihre Ankunft im Lager 

Des Bischofs ausgesucht.

GRAF SEEDORF:

Ich bin froh, dass ich nicht gestern angekommen bin.

GEORG:

Ja, bei der heiligen Jungfrau, 

Da haben Sie wirklich Glück gehabt.

GRAF SEEDORF:

Der Bischof kämpfte gestern, 

Wenn ich das so sagen darf, 

Mit wenig Glück der Waffen.

GEORG:

Es war ein unglücklicher Tag, 

Graf Seedorf, erinnern Sie mich nicht daran. 

So hoffe ich nur, dass die Nachrichten, 

Die Sie vom Kurfürsten von Sachsen bringen, 

Günstig sind und das Herz des Bischofs trösten?

GRAF SEEDORF:

Ich hoffe es, Georg. 

Ich glaube, ich kann in Aussicht stellen, 

Dass der Kurfürst bald wichtige 

Entscheidungen treffen wird, 

Die der Sache des Bischofs dienen. 

Luther hat seinen ganzen Einfluss geltend gemacht. 

Er ist den Wiedertäufern nicht wohlgesonnen.

GEORG.

Hm!

GRAF SEEDORF:

Haben Sie etwas gesagt?

GEORG:

Nichts, nein. Sie sehen, 

Ich atme erleichtert auf, Graf.

GRAF SEEDORF:

Es gibt aber noch gewisse Schwierigkeiten, 

Wie soll ich sagen?

GEORG:

Schwierigkeiten?

GRAF SEEDORF:

Der Kurfürst hat gehört, 

Dass der Bischof Franziskus beschlossen hat, 

Die protestantische Lehre 

In Münster auszurotten 

Und alle Protestanten in der Stadt 

Mit dem Schwert zu richten, 

Ohne Rücksicht darauf, ob sie wirklich 

Wiedertäufer sind oder nur verführt wurden.

GEORG:

Sehen Sie mich hier sitzen, Graf! 

Ich rufe Gott zum Zeugen. 

Er soll mich auf der Stelle 

Vor Ihren Augen totschlagen, 

Wenn das alles nicht böswillige 

Verleumdungen und Lügen sind.

GRAF SEEDORF:

Hätte der Bischof Franziskus nicht 

Den protestantischen Gesandten 

Van der Wiek in Iburg enthaupten lassen, 

Wäre das Misstrauen der protestantischen 

Fürsten leichter zu zerstreuen gewesen.

GEORG:

Schon wieder diese unglückselige 

Angelegenheit! Seine Gnaden bedauert 

Diese übereilte Aktion. 

Seine Gnaden hat den protestantischen 

Fürsten jede Genugtuung angeboten. 

Im Vertrauen, Graf Seedorf, 

Es ist nur für Sie bestimmt. 

Wenn die protestantischen Fürsten 

Dem Bischof Franziskus im Kampf 

Gegen diese höllischen Geister nicht beistehen, 

Wird er gezwungen sein, 

Sich mit dem Hof von Brüssel-Brabant zu verbünden, 

Der Hilfe und Geld angeboten hat. 

Man kann sich gut vorstellen, 

Was dann mit der protestantischen Lehre 

Und den protestantischen Predigern 

In der Abtei Münster geschehen wird. 

Die Spanier haben die Abtei von Lüttich 

Und das Land des Herzogs von Geldern verschlungen. 

Sie werden auch die Abtei Münster 

Mit all ihren Städten, Dörfern, Klöstern 

Und Pfarreien verschlingen. 

Bemühen Sie sich beim Kurfürsten, 

Ich sehe keinen anderen Weg. 

Das Christentum steht auf dem Spiel. 

Die Wiedertäufer sind genauso Feinde 

Der evangelischen wie der katholischen Kirche.

GRAF SEEDORF:

Wahr, sehr wahr!

GEORG:

Wie gut, dass Sie gekommen sind! 

Und wir sind alle froh, dass der Kurfürst 

Sie geschickt hat, Graf Seedorf! 

Wenn der Kurfürst von Sachsen, 

Ihr milder und erlauchter Herr, wüsste, 

Welche Gefahr der ganzen Christenheit droht, 

Würde er keine Stunde länger zögern! 

Schurken, Galgenvögel, Zuchthäusler 

Und fremdes Gesindel, 

Das sind die Herren in Münster heute! 

Jan hat alle Gauner und Taugenichtse 

Des ganzen Landes nach Münster gelockt, 

Indem er ihnen eine Wohnung, 

Essen und Kleidung verspricht. 

Und er bezahlt seine Soldaten 

Mit gestohlenem Gold. 

Nicht nur, dass sie die heiligen Sakramente 

Entweiht und aus Münster 

Ein Sodom gemacht haben, 

Es gibt keine Gräueltat, die sie nicht begehen. 

Sie lesen schwarze Messen in den Kirchen, 

In abscheulichen Verkleidungen. 

Sie haben die Gewänder der Kirche zerschnitten 

Und Mieder für ihre Frauen draus genäht. 

Sie haben Bilder und Skulpturen 

Aus den Kirchen gerissen und verbrannt. 

Gott, sagen sie, will nur im Geist angebetet werden, 

Und alle Kunstwerke sind gegen Gott. 

Nun, sie müssen wissen, was Gott will, 

Die Galgenstricke! Sogar 

Die silbernen Schreine mit den Reliquien 

Haben sie zerschlagen und eingeschmolzen.

GRAF SEEDORF:

Ist das möglich!

GEORG:

Möglich, Graf, was ist bei denen nicht möglich? 

Sie haben die Glocken aus den Kirchentürmen 

Genommen und Gewehre aus ihnen gegossen. 

Schauen Sie, was sie allein 

Aus der Martinskapelle geplündert 

Und geraubt haben. Zwei silberne Engel, 

Jeder acht Pfund schwer. 

Zwanzig Leuchter aus Silber, 

Hundertundsiebzig Pfund schwer, 

Im Wert von fünfhundert Gulden.

GRAF SEEDORF:

Fünfhundert Gulden!

GEORG:

Einen silbernen Schrein, neun Pfund schwer. 

Sechs silberne Schüsseln, dreißig silberne 

Und goldene Messkelche. 

Vier Chorbücher, auf Pergament gemalt, 

Im Wert von dreitausend Kronen.

GRAF SEEDORF:

Dreitausend Kronen!

GEORG:

Ein sieben Pfund schweres Räuchergefäß 

Aus Silber und mit Edelsteinen besetzt. 

Das Haupt des heiligen Martin, 

Eingefasst in fünfhundert Lot reines Gold.

GRAF SEEDORF:

Ist das möglich, fünfhundert Lot reines Gold!

GEORG:

Das ist nur eine Kapelle, Graf Seedorf! 

Hier, sehen Sie sich die Listen an. 

Ja, da kann man leicht die Kriegsknechte bezahlen! 

Und wissen Sie, was sie mit der Orgel 

Von St. Ägidius gemacht haben, 

Die fünfzehntausend Gulden gekostet hat? 

GRAF SEEDORF:

Woher soll ich das wissen?

GEORG:

Sie haben Seile um die Flöten gebunden 

Und die Flöten von Pferden herausreißen lassen! 


(Graf Seedorf lacht.)


Und Sie lachen, Graf Seedorf?

GRAF SEEDORF:

Verzeihen Sie mir, ich musste lachen. 

Denn so eine Geschichte habe ich 

In meinem ganzen Leben noch nicht gehört. 

Und fünfzehntausend Gulden, sagten Sie, 

Hat die Orgel gekostet? 

Das wird den Kurfürsten interessieren.

GEORG:

Aber hören Sie weiter zu, Graf Seedorf, 

Und vielleicht hören Sie dann auf zu lachen. 

Wenn Jan von Leyden den Sieg davonträgt, 

Dann gibt es keine Grafen mehr, keine Barone, 

Keine privilegierten Ländereien.

GRAF SEEDORF: 

Was meinen Sie? 

Wie soll ich das verstehen?


(Kämmerer Karl, der bischöfliche Kämmerer, kommt aus den bischöflichen Gemächern. In kirchlichem Gewand. Er ist leidenschaftlich, kränklich, ehrgeizig, gallig. Verächtliche Miene, grausame Augen. Verbeugt sich vor Graf Seedorf mit großer Herzlichkeit und Ehrerbietung.) 


KÄMMERER KARL:

Seine Hoheit schätzt sich glücklich, 

Eure Durchlaucht begrüßen zu dürfen.


(Graf Seedorf ab.)


KÄMMERER KARL:

Sie sind immer dieselben, die Freunde Luthers. 

Sie wissen nicht, woran Sie sind. 

Ich misstraue den Lutheranern.

GEORG:

Und sie misstrauen uns!

KÄMMERER KARL:

Ich möchte den Gesandten des Kurfürsten 

Dort zum Fenster führen und zu ihm sagen: 

Hier, Durchlaucht, seht Euch 

Das Babylon Satans an! 

Es ist Euer Werk, das Werk Luthers! 

Es ist die lutherische Saat, 

Die in Münster so prächtig gesprossen ist. 

Ist es wahr oder ist es eine Lüge, Georg: 

Es gibt keine Wiedertäufer, 

Die nicht vorher Lutheraner gewesen sind.

GEORG:

Es ist so wahr wie das Evangelium selbst!

KÄMMERER KARL:

Und nun ist es so weit gekommen, 

Dass wir den lutherischen Häretikern 

Schmeicheleien in den Mund schmieren 

Und sie bitten müssen, das Feuer zu löschen, 

Das Luther mit seinen Irrlehren gelegt hat. 

Manchmal bin ich so angewidert, Georg, 

Dass ich mich hinlegen und sterben möchte!

GEORG:

Du solltest dich um deine schwarze Galle kümmern.

KÄMMERER KARL:

Sechshundert Mann und sechzig Hauptleute verloren! 

Und dazu noch die Demütigung 

Vor dem ganzen Land, von diesem Ketzer 

Und Antichristen, diesem Schneidergesellen 

Aus Leyden, geschlagen worden zu sein. 

Haben Sie gehört, wie sie die ganze Nacht 

Auf den Wällen gesungen haben, Hohn und Spott?

GEORG:

Ich habe in dieser Nacht kein Auge zugetan.

KÄMMERER KARL:

Noch jetzt steht mir der kalte Schweiß auf der Stirn, 

Ich denke daran, was geschehen wäre, 

Wenn Jan, dieser von tausend Teufeln 

Besessene Mann, auf die Idee gekommen wäre, 

Das Lager des Bischofs anzugreifen.

GEORG:

So schlimm war es, meinen Sie?

KÄMMERER KARL:

Meister Georg, der Himmel hat uns beschützt. 

Wenn Jan es gewagt hätte, anzugreifen, 

Wäre das ganze Lager in seine Hände gefallen. 

Gewehre, Pulver, Blei, Getreide, Vieh! 

Er hätte alles gewonnen!

GEORG:

Heilige Mutter Gottes!

KÄMMERER KARL:

Der Himmel hat das Schlimmste abgewendet. 

Aber ich fürchte, die Wirkung unserer Niederlage 

Wird im ganzen Lande verhängnisvoll sein. 

Die Verwirrung der Geister 

Und Seelen wird zunehmen. 

Alle Unzufriedenen, alle Wankelmütigen 

Und Schwachen werden sich 

Auf die Seite der Wiedertäufer schlagen. 

Sagen die Bauern nicht schon, 

Dass der Stern, der nachts über Münster steht, 

Der Stern Christi ist? Ich wünschte, 

Ich wüsste nichts mehr von dieser Welt.


(Offizier tritt auf.)


KÄMMERER KARL: 

Was gibt es Neues, mein Freund? 

Nichts Gutes, fürchte ich.

OFFIZIER:

Die Wiedertäufer schicken die bischöfliche Urkunde 

Von Telgte an den Bischof zurück.

KÄMMERER KARL:

Welche Urkunde?

GEORG:

Lass mich sehen! Wahrlich, 

Es ist die Urkunde von Telgte. 

Ihr wisst schon, in der der Bischof 

Die freie Religionsausübung 

In der Stadt Münster garantiert. 

Hier ist das Siegel des Bischofs. 

Hier ist Ihre Unterschrift, die Unterschrift 

Des bischöflichen Kanzlers. Hier ist meine.

KÄMMERER KARL:

Wie ist die Urkunde in deine Hand gekommen?

OFFIZIER:

Die Wiedertäufer trieben einen dürren Esel ins Lager. 

Auf den Kopf des Esels hatten sie 

Eine Bischofs-Mitra gesetzt und diese Urkunde 

An seinen Schwanz gebunden.

GEORG:

Was ist das? O heilige Anna!

KÄMMERER KARL:

Was sagst du dazu, Georg? 

Ihr wagt es, den Bischof Franziskus zu verspotten? 

Wartet, wartet, ihr Unglücklichen! 

Wir werden diese Torheit 

Vor dem Bischof verheimlichen, 

Um seine Gesundheit zu bewahren. 

Der Bischof schaute drein, 

Als läge er schon seit drei Tagen im Grab.

OFFIZIER:

Das ganze Münsterland ist in Aufruhr. 

Die Bauern weigern sich, ihre Fuhrwerke 

Weiter zur Verfügung zu stellen.

KÄMMERER KARL:

Was habe ich gesagt, Georg? 

Ist es nun so gekommen, wie ich gesagt habe, 

Oder nicht? Die Bauern versteifen bereits ihre Hälse. 

Ergreift die ersten Bauern, 

Die sich Ihnen nähern, und lasst sie auspeitschen!

OFFIZIER:

Eine Deputation der bischöflichen Kriegsdiener 

Ist eingetroffen und verlangt, 

Die Feldherren zu sprechen.

KÄMMERER KARL:

Was hat das zu bedeuten? 

Ist im bischöflichen Lager eine Rebellion ausgebrochen? 

Legt sie in Ketten!

OFFIZIER:

Wenn ich sie in Ketten lege, 

Wird das ganze Lager heute verloren gehen. 

Sie fliehen ohnehin in Scharen. 

Achtzig Bedienstete der Stadt Deventer 

Sind letzte Nacht nach Münster übergelaufen.

KÄMMERER KARL: 

Was verlangen sie?

OFFIZIER:

Sie verlangen Lohn. 

Sie verlangen für die Zukunft 

Den doppelten Lohn. 

Wenn ihre Forderung nicht erfüllt wird, 

Drohen sie damit, einfach zu gehen.

KÄMMERER KARL:

Wunderlich, wunderlich! 

So weit ist es durch die Milde 

Des Bischofs gekommen. 

Die Landsknechte schicken Deputationen 

Und fordern Lohn! 

Früher hätte man ihnen den Kopf abgeschlagen. 

Was habe ich dir geraten, Georg? 

Man kann das Volk nur mit Galgen 

Und Schwert zähmen, 

Die menschlichen Leidenschaften 

Sind zu animalisch. 

Die Dienerschaft soll warten, 

Bis die Feldherren von der Tafel kommen.

OFFIZIER:

Eine Frau aus Münster wurde 

In den Schützengräben gefangen genommen. 

Seltsam gekleidet, mit seltsamem Benehmen. 

Sie wirkt närrisch.

KÄMMERER KARL:

Diese Münsteranerinnen sind 

Eine wahre Plage geworden! 

Gott hat es in seiner Weisheit so eingerichtet, 

Dass für jede Frau ein Mann da ist. 

Wenn ein Mann drei Frauen nimmt, 

Verlieren alle drei Frauen den Verstand.

OFFIZIER:

Wir haben sie zu einem strengen Verhör 

Mitgenommen. Sie verlangt, 

Den Bischof Franziskus zu sehen. 

Sie will ihm wichtige Nachrichten überbringen. 

Aber sie will sich nur dem Bischof 

Persönlich anvertrauen.

KÄMMERER KARL:

Hat sie keinen anderen Wunsch? 

Will sie nicht an den Tisch 

Des Bischofs eingeladen werden?

OFFIZIER:

Sie tut sehr geheimnisvoll. 

Sie sagt, sie wolle dem Bischof Franziskus 

Die Schlüssel der Stadt Münster übergeben.

GEORG:

Das hat sie gesagt?

OFFIZIER:

Das hat sie gesagt.

KÄMMERER KARL:

Das ist gut. Schüchtern Sie sie tüchtig ein, 

Dann führen Sie sie vor.

OFFIZIER:

Ein Bürger von Münster fiel 

In die Hände unserer Wachen. 

Wir haben ihn gefoltert. 

Er wird alles gestehen.

KÄMMERER KARL:

Umso besser für ihn. Weiter!

OFFIZIER:

Die Stadt Warendorf, nachdem sie 

Von dem Sieg der Wiedertäufer gehört hat, 

Hat gestern Abend einen Rat einberufen. 

Am Morgen waren ihre Boten schon in Münster: 

Der Rat der Stadt Warendorf 

Erklärt sich mit Münster verbündet.

KÄMMERER KARL:

Warendorf im Bündnis mit Münster?

GEORG:

Was sagen Sie da?

KÄMMERER KARL:

Offener Aufruhr in der Abtei Münster!

GEORG:

Sollte es möglich sein?

KÄMMERER KARL:

Martyrium und Kreuz wünschen wir 

Dem Rat der Stadt Warendorf. 

Ihr werdet den Schritt bitter bereuen, 

Oder ich bin die längste Zeit Kämmerer 

Am Hofe des Bischofs Franziskus gewesen. 

Präsentiert die Münsteranerin, 

Oder besser, zuerst den Bürger. 

Frauen am Morgen sind wie Spinnen, 

Sie verderben den ganzen Tag.


(Offizier ab.)


KÄMMERER KARL: 

Ich war auf Schlimmes gefasst, 

Aber es ist noch schlimmer gekommen. 

Rebellion, Revolution, das Lager in Auflösung, 

Georg! Nur ein Wunder kann uns noch helfen, 

Georg! Die Sache des Bischofs 

Franziskus gefällt mir nicht.

GEORG:

Außerdem drohen die Grafen von Oldenburg 

Wegen des Grenzstreits 

Erneut mit einem Einmarsch.

KÄMMERER KARL:

Feinde als Nachbarn 

Und keine Freunde im Reich! 

Es ist, als wolle die Hölle 

Ihren Scheißdreck im Münsterland abladen.


(Der gefangene Bürger wird von Dienern die Treppe hinuntergestoßen. Er schreit und wirft sich auf die Knie.)


BÜRGER:

Erbarmen, Erbarmen! 

Gelobt sei Jesus Christus!

KÄMMERER KARL:

Jault wie ein Hund, Fratze eines Christen. 

Beflecke diesen Raum nicht mit deinen Grimassen. 

Steh auf, du Galgenvogel.

GEORG:

Wie ist dein Name? 

BÜRGER:

Mein Name ist Erich Schuster, 

Ich bin seit dreißig Jahren 

Schuhmachermeister in Münster. 

Mein Geschäft ist gleich neben dem Prinzipalmarkt. 

Gehen Sie hin, meine Herren, 

Und überzeugen Sie sich, 

Dass ich die Wahrheit sage. 

Ich bin als Schuhmacher im Münsterland 

Bekannt und habe für Grafen 

Und Fürsten gearbeitet.

KÄMMERER KARL:

Hast du jemals spanische Stiefel gesehen?

BÜRGER:

Holländische und französische Stiefel 

Habe ich gesehen, aber einen spanischen 

Noch nicht, Euer Gnaden.

KÄMMERER KARL:

Der spanische Stiefel ist aus Eisen. 

Sie stecken deinen Fuß hinein, du Schurke, 

Und gießen den Stiefel 

Mit geschmolzenem Blei voll.

BÜRGER:

Erbarmen, ihr Herren!

GEORG:

Warum hast du Münster nicht verlassen, 

Als die Wiedertäufer alle Bürger, 

Die sich nicht wiedertaufen lassen wollten, 

Aus der Stadt vertrieben?

BÜRGER:

Meine Frau war todkrank, Euer Gnaden, 

Sie hatte eine Lungenentzündung. 

Ich konnte sie nicht im Stich lassen. 

Sie starb mir.

GEORG:

Hast du die Wiedertaufe angenommen?

BÜRGER:

O hoher Herr, sie hat so schrecklich gehustet, 

Dass man dachte, sie hustet sich 

Die Lunge aus der Brust.

KÄMMERER KARL:

Warum hast du jetzt die Stadt verlassen, Schuster?

BÜRGER:

O gnädiger Herr, ich konnte nicht länger zusehen 

Bei all den Gräueltaten. 

Die Wiedertäufer haben mir meine Ersparnisse 

Und mein Leder weggenommen, 

Denn sie sagen, was einem gehört, gehört allen. 

Und ich musste für ihre Knechte Schuhe nähen, 

Ohne Lohn zu bekommen.

KÄMMERER KARL:

Er zittert wie ein Hund, der die Krätze hat. 

Hör zu, Schuster, wenn du uns 

Eine gute Auskunft geben kannst, 

Werden wir dich der Barmherzigkeit 

Des Bischofs Franziskus empfehlen 

Und dir das Leben schenken.

BÜRGER:

Fragt, Euer Gnaden! Fragt getrost!

KÄMMERER KARL:

Ist es wahr, dass Jan von Leyden 

Heute Nacht Apostel ausgesandt hat? 

Wie viele und wohin? 

Kannst du mir das sagen?

BÜRGHR:

Es ist wahr. Sie sagten, zwölf Apostel. 

Wohin sie gingen, kann ich nicht sagen.

GEORG:

Vielleicht ist der Schuster selbst 

Einer von Jans Aposteln?

BÜRGER:

Ich schwöre bei meiner Großmutter, 

Ich bin kein Apostel der Wiedertäufer.

KÄMMERER KARL:

Das ist das erste Wort, das ich dir glaube. 

Wie hießen denn die Apostel, 

Die Jan ausgesandt hat?

BÜRGER:

Ich weiß es nicht. Ich kannte nur einen. 

Es war der ehemalige Mönch Roll.

KÄMMERER KARL: 

Roll!?

GEORG:

Roll! War die Schlange wieder in Münster?

BÜRGER:

Ich erkannte ihn deutlich, Euer Gnaden, 

Ich nähte seine Sandalen, 

Als er noch die Kutte trug.

KÄMMERER KARL:

Du musst sofort Patrouillen los reiten lassen 

Und Boten schicken! 

Was weißt du sonst noch aus Münster zu berichten?

BÜRGER:

Ach, ihr hohen Herren, 

Münster ist ein verrufenes Haus geworden. 

Sogar die Sechzehnjährigen müssen jetzt heiraten. 

Die Knaben dringen in Scharen in die Häuser ein, 

So dass unter den Mägden und Frauen 

Ein großes Geschrei der Verzweiflung herrscht. 

Tag und Nacht gibt es Streit unter den Frauen, 

Und Jan hat drei Frauen hinrichten lassen. 

Münster ist ein solches Sodom 

Und Gomorrha geworden, 

Dass alle Moral zerstört ist.

KÄMMERER KARL:

Nicht schwätzen, Schuster! 

Ist die Verpflegung knapp geworden?

BÜRGER:

Die Soldaten fressen Münster kahl. 

Das Getreide geht zur Neige, Euer Gnaden. 

Die Diakone gehen wieder von Haus zu Haus 

Und schnüffeln nach Getreide und Lebensmitteln. 

Überall herrscht Unzufriedenheit, 

Und wer ein Wort sagt, 

Das den Wiedertäufern missfällt, 

Wird in den Kerker geworfen, 

Wenn sie ihn nicht töten. 

Aber auch die Wiedertäufer selbst 

Sind unter sich zerstritten!

KÄMMERER KARL:

Die Wiedertäufer selbst sind unter sich 

Zerstritten, sagst du? 

Kopf hoch, Schuster!

BÜRGER:

Auf dem Gerichtstag und im Rat ist es bereits 

Zu einem Streit gekommen. 

Knipperdolling ist eifersüchtig auf Jan 

Und sammelt seine Gefolgsleute um sich. 

Knipperdolling sagt, Jan bläht sich 

In falschem Stolz auf, 

Und das tut er auch, meine Herren. 

Er trägt eine Krone, ihr Herren, 

Und ein Zepter, wenn er zu Gericht sitzt. 

Man sagt, Knipperdolling wolle König werden.

KÄMMERER KARL:

Höre nun meine Frage, Schuster! 

Spione sind aus der Stadt gekommen 

Und haben berichtet, dass Jan heute 

Einen Vorstoß wagen will, um das Lager 

Des Bischofs zu stürmen. 

Überlege dir gut, was du sagst.

BÜRGER:

Ich denke sorgfältig nach, Euer Gnaden. 

Jedes Wort, das ich sage, ist die Wahrheit. 

Seit Pfingsten hat Jan gepredigt, 

Dass er ausziehen und die Welt erobern will. 

KÄMMERER KARL:

Wir wissen, dass Jan sich mit dem Exodus brüstet. 

Aber hast du die Vorbereitungen bemerkt, 

Dass er heute einen Vorstoß machen will?

BÜRGER:

Davon habe ich nichts gesehen und gehört. 

Ich habe gesehen, dass sie Pech 

Auf den Wällen vorbereiten, weil sie glauben, 

Dass die Bischöflichen wieder stürmen könnten.

KÄMMERER KARL:

Das hast du also gesehen, Schuster? 

Mit eigenen Augen?

BÜRGER:

Mit meinen eigenen Augen. 

Ich habe auch gesehen, dass sie die Brüche 

Und Löcher in den Wällen ausbesserten.

KÄMMERER KARL: 

Nun gut! Pack dich jetzt, Schuster! 

Du hast uns nichts Neues erzählt. 

Was du berichtet hast, wussten wir längst.

BÜRGER:

Euer Gnaden! Auch eine Frau aus Münster 

Ist in die Hände der Diener des Bischofs gefallen. 

Hütet Euch vor dieser Frau. 

Sie ist eine Wiedertäuferin 

Und geht in Jans Haus ein und aus.

KÄMMERER KARL:

Erschrick uns nicht mit münsterischen Frauen. 

Wir wollen dir das Leben schenken.

BÜRGER:

O Herr, gnädiger Herr! 

KÄMMERER KARL:

Diener, nehmt ihn mit! 

Gerbt ihm sein Leder gut, denn er ist ein Schuster. 

Dann treibt ihn mit Peitschen 

Zurück vor die Tore Münsters.

BÜRGER:

Jan wird mich in Stücke schneiden lassen.

KÄMMERER KARL:

Er erspart uns die Arbeit. 

Weg mit dem Dreck!


(Bürger mit Dienern ab. Eine Schar von Würdenträgern und Beamten, einige in weltlicher, andere in kirchlicher Kleidung, betritt den Saal. Einige Marschälle und Feldherren, unter ihnen Meinhold von Hamm, auch Graf Seedorf. Schließlich erscheint Bischof Franziskus. Der Bischof ist etwa 80 Jahre alt. Sein Gesicht ist grau und ohne Leben. Seine Augen blitzen. Seine priesterliche Milde ist nur gespielt. Tücke und Herzenshärte brechen unvermittelt durch die Maske.)


BISCHOF FRANZISKUS: 

Die Welt geht auf allen Vieren, meine Herren. 

Die Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten 

Und kommt nicht mehr zur Ruhe. 

Alles Menschliche ist dem elenden 

Verderben zugeneigt, 

Und wir sind ohne Hoffnung. 

Franz von Frankreich verbrannte Rom, 

Der Türke zog gegen die christlichen Nationen, 

Hessen und Württemberg bedrohen 

Den österreichischen Ferdinand, 

Lübeck liegt mit Holstein im Krieg. 

In allen Ländern stehen die Kriegsbanden bereit, 

Über die Grenze zu fallen. 

Dazu schwitzen Hungersnot, Pestilenz 

Und Engländer in vielen Provinzen. 

Gott züchtigt seine Völker 

Mit verschiedenen Geißeln. 

In unserer Abtei Münster hat der Satan selbst 

Seine Festung mitten im Land errichtet 

Und das arme Volk getäuscht und verblendet. 

Dies sind die Zeiten, meine Herren, 

Ohne Schlaf und ohne Trost. 

Gott ist unser Zeuge, liebe Freunde, 

Dass wir nichts unversucht gelassen haben, 

Um die Ruhe in unserem belagerten Land 

Wiederherzustellen. Wir haben kein Opfer gescheut. 

Wir haben bis heute siebzigtausend Goldgulden 

Aus unserer Kasse bezahlt 

Und uns bei Freunden und Brüdern Geld geliehen. 

Berichten Sie das getrost meinem Bruder, 

Dem Kurfürsten von Sachsen, Graf Seedorf. 

Wir sind heute so arm, dass wir unsere Diener 

Und Hauptleute nicht mehr bezahlen können. 

Unsere Freunde und Brüder, 

Erzbischof Hermann von Köln, 

Herzog Jan von Kleve, 

Landgraf Philipp von Hessen, 

Herzog Ernst von Lüneburg, 

Herzog von Geldern, 

Die Ratsherren der Städte Deventer, 

Campen und Zwolle haben uns 

So gut sie konnten mit Waffen, Pulver, 

Knechten und Darlehen unterstützt. 

Andere Freunde haben uns im Stich gelassen, 

Obwohl wir ihnen einen Brief nach dem anderen 

Und ein Missionsschreiben 

Nach dem anderen geschickt haben. 

An Eifer hat es uns nicht gemangelt. 

Aber ich muss leider gestehen, 

Dass ihnen die Sache des Reiches 

Und des Christentums nicht so wichtig erscheint 

Wie Hofhaltung und Hirschjagd. 

Nun ist unsere Not groß. 

Aber wir verzweifeln nicht. 

Wir setzen unsere Hoffnung 

Auf den himmlischen Herrn. 

Sagen Sie das Ihrem erlauchten Herrn, 

Dem Kurfürsten, Graf Seedorf.

(zu Meinhold von Hamm) 

Und nun, unser lieber Feldoberst Meinhold von Hamm, 

Da Sie sich selbst ein Bild von den Zuständen 

In Münster machen konnten, 

Werden Sie uns Ihren Rat mitteilen.

MEINHOLD:

Vor allem, Euer Gnaden, scheint es am dringendsten, 

Das Lager zu beruhigen. 

Die Soldaten sind unzufrieden, 

Da sie seit vier Wochen 

Ihren Sold nicht erhalten haben. 

Wenn wir auch nicht den ganzen Sold zahlen können, 

So sollen doch die Bediensteten einen Teil erhalten.

KÄMMERER KARL:

Ein Galgen wird im Lager errichtet, Meinhold!

BISCHOF FRANZISKUS:

Geld! Seht meine Hände an. 

Selbst Siegelringe und Gaben von hohen Freunden 

Und Erbstücke sind längst weg und verpfändet.

MEINHOLD:

Mögen Euer Gnaden mich ermächtigen, 

Fünftausend Bauern zur Verschanzung aufzurufen. 

Gräben, Palisaden, Wolfsgräben und Blockhäuser 

Sollen Münster so fest umschließen, 

Wie ein Ring einen Finger umschließt. 

So wollen wir die Zeit nutzen, 

Bis wir Kräfte für einen neuen Angriff 

Gesammelt haben, die Kriegsknechte 

Beschäftigen und mit Zuversicht erfüllen, 

Und allen christlichen Fürsten einen Beweis 

Unserer Ausdauer und Zuversicht geben.

BISCHOF FRANZISKUS:

Gut, Meinhold. Nimm zehntausend Bauern.

KÄMMERER KARL:

Euer Gnaden mögen eine neue Aufforderung 

An die Lehnsleute und Ritter 

Und Städte des Kapitels senden, 

Sich mit allem, was sie an Pferden, 

Waffenknechten, Waffen, Wagen haben, 

Im Lager einzufinden.

BISCHOF FRANZISKUS:

Es soll eine letzte Warnung sein. 

Wer ihr nicht nachkommt, 

Soll für immer unserer Gnade beraubt sein.

KÄMMERER KARL: 

Euer Gnaden mögen anordnen, 

Dass die Stadt Warendorf sofort 

Mit Krieg überzogen wird.

BISCHOF FRANZISKUS:

Warendorf?

KÄMMERER KARL:

Der Rat der Stadt Warendorf 

Hat ein Bündnis mit Münster geschlossen.

STIMMEN:

Der Rat der Stadt Warendorf? Aufruhr!

BISCHOF FRANZISKUS:

Nimm zweihundert Reiter, 

Graf von Schaumburg, oder dreihundert, 

Wenn du es für gut hältst! Nimm Kanonen! 

Brich sofort auf, stürze dich wie die Wölfe 

Auf die Stadt Warendorf, die es gewagt hat, 

Sich offen gegen uns zu erheben. 

Bestrafe die Schuldigen mit dem Schwert. 

Doch die Stadt steht an vier Ecken in Flammen. 

Noch heute soll Münster seinen Bundesgenossen 

In Flammen sehen!


(Offiziere und Graf Seedorf ab. Heike Focken wird von dem Offizier und zwei Dienern hereingeführt. Sie ist feierlich gekleidet, trägt goldene Ketten, einen weißen runden Kopfschmuck. In der Hand trägt sie einen Sack.)


KÄMMERER KARL:

Wartet!

BISCHOF FRANZISKUS:

Wer ist diese Frau dort?

KÄMMERER KARL:

Eine Bürgerin aus Münster. 

Sie ist heute Morgen in die Hände 

Der Wachen gefallen.

GEORG:

Sie will eine Aussage machen. 

Sie hat versprochen, die Schlüssel 

Der Stadt Münster in die Hände 

Eurer Gnaden zu spielen.

BISCHOF FRANZISKUS:

Komm näher, meine Tochter. 

Wer bist du?

HEIKE FOCKEN: 

Ich bin eine unwürdige Magd des Herrn.

BISCHOF FRANZISKUS:

Steh auf, meine Tochter. 

Was führt dich zu mir? 

GEORG:

Das ist Heike Focken, 

Die Bäuerin aus Friesland?

HEIKE FOCKEN: 

Sie kennen mich, mein Herr?

GEORG:

Sollte ich dich nicht kennen? 

Immerhin habe ich zwei Jahre lang 

In der Bibliothek des Grafen 

Von Hasselburg gearbeitet. 

Du hattest den großen Hof am See. 

Fünfzig Stück Vieh, der reichste Hof 

In Hasselburg. Hast du den Hof verlassen?

HEIKE FOCKEN:

Ich habe den Hof nicht mehr.

GEORG:

Was hast du mit ihm gemacht?

HEIKE FOCKEN:

Ich habe ihn an die Armen verschenkt.

KÄMMERER KARL:

Was hat dich zu den Wiedertäufern 

In Münster getrieben?

HEIKE FOCKEN:

Die Not meines Herzens, Herr. 

Ein Ruf kam und befahl mir, 

Nach Münster zu gehen. Also tat ich es.

BISCHOF FRANZISKUS:

Du hast Münster verlassen 

Und bist ins Lager gekommen. 

Was hat dich dazu bewogen, das zu tun?

HEIKE FOCKEN:

Ich wollte Euch sehen, Exzellenz.

BISCHOF FRANZISKUS:

Also sag mir, meine Tochter, 

Was willst du von mir?

KÄMMERER KARL:

Gehörst du zu der Sekte der Wiedertäufer? 

Hast du die zweite Taufe angenommen?

HEIKE FOCKEN:

Ich gehöre zur Bruderschaft der Wiedertäufer. 

Ich bin als Katholikin geboren, 

Aber ich bin zu den Täufern gegangen, 

Weil ihre Lehre die reine Lehre Christi ist.

KÄMMERER KARL:

Kennst du die Gesetze gegen die Wiedertäufer?

HEIKE FOCKEN:

Ich fürchte keine weltliche Autorität. 

Aber ich will nicht mit Ihnen reden, 

Ich will mit dem Bischof reden. 

Und zwar mit ihm allein. 

Schickt Eure Diener weg, Exzellenz, 

Damit ich mit Euch allein sprechen kann. 

Ich will die Stadt Bethulia in Eure Hand geben, 

Damit Ihr keinen einzigen Mann verliert.

BISCHOF FRANZISKUS:

Du sagst, die Stadt Bethulia? 

Seit wann nennst du Münster Bethulia? 

Bislang nannten die Wiedertäufer sie 

Zion und Neues Jerusalem. Aber Bethulia?

HEIKE FOCKEN: 

Wir nennen sie manchmal Bethulia, 

Weil sie belagert ist, wie Bethulia, 

Die Stadt der Judith.


(Kämmerer Karl flüstert mit dem Sekretär Georg.)


BISCHOF FRANZISKUS:

Sprich zuversichtlich, als ob wir allein wären. 

Keiner wird dich unterbrechen.

HEIKE FOCKEN_

Eure Magd bittet Euch noch einmal, Exzellenz, 

Mit Euch allein zu sprechen. 

Denn Gott hat mir befohlen, das, 

Was ich Euch zu sagen habe, allein zu sagen.

BISCHOF FRANZISKUS:

Zieht euch zurück, meine Herren.

KÄMMERER KARL:

Wir ziehen uns zurück, 

Aber wir werden den Saal nicht verlassen.

BISCHOF FRANZISKUS:

Und nun sprich, Heike.

HEIKE FOCKEN: 

Hört auf Eure Magd, Bischof Franziskus. 

Wenn ihr tut, was ich sage, 

Wird Gott euch den Sieg schenken. 

Denn Gott ist zornig auf uns 

Wegen unserer Sünden 

Und hat durch seine Propheten verkündet, 

Dass er die Menschen für ihre Sünden bestrafen wird.

BISCHOF FRANZISKUS:

Beginnen die Exerzitien in Münster?

HEIKE FOCKEN: 

Die Angst ist über sie gekommen. 

Dazu kommt, dass sie Hunger leiden 

Und verdursten müssen. 

Sie haben ihr Vieh geschlachtet 

Und sie wissen, dass sie zugrunde gehen müssen, 

Weil sie voller Sünde sind. 

Und weil ich das weiß, Bischof Franziskus, 

Bin ich vor ihnen geflohen, 

Und der Herr hat mich zu dir gesandt, 

Um dir diese Dinge zu sagen. 

BISCHOF FRANZISKUS:

Sprich mit Zuversicht, 

So seltsam deine Rede auch klingen mag.

HEIKE FOCKEN: 

Und deine Magd wird hinausgehen 

Und Gott anbeten. 

Er wird mir offenbaren, 

Wann er ihnen den Lohn 

Für ihre Sünde geben wird. 

Dann will ich kommen 

Und dich mitten durch Jerusalem führen, 

Damit du das ganze Volk Israel 

Hast wie Schafe, die keinen Hirten haben, 

Und damit kein Hund sie anbellen kann.

BISCHOF FRANZISKUS: 

Deine Rede wird immer verworrener.

HEIKE FOCKEN: 

Denn Eure Weisheit ist 

In der ganzen Welt hoch angesehen 

Und jeder weiß, dass Ihr 

Der mächtigste Fürst im ganzen Reich seid.

BISCHOF FRANZISKUS: 

Ich verstehe die Frau nicht mehr. 

Sie spricht im Fieberwahn.

KÄMMERER KARL: 

Aber ich verstehe sie. 

Was willst du mit dem Sack? 

Was hast du in dem Sack?

HEIKE FOCKEN: 

Ich habe nichts in dem Sack. 

Das kannst du mir glauben! 

Ich habe ein Stück Brot in dem Sack. 

Aber ich will nicht mit dir reden. 

Nur mit Bischof Franziskus.

KÄMMERER KARL: 

Warum Brot?

HEIKE FOCKEN:

Wenn ich hungrig sein könnte.

KÄMMERER KARL

(greift in ihren Ärmel und zieht einen Dolch heraus)

Und was hast du da?

Was hast du da?

HEIKE FOCKEN: 

Warum seht Ihr mich mit so bösen Augen an, Herr? 

Ich bin eine einfache Bäuerin 

Und ohne Verdienst vor dem Herrn.

KÄMMERER KARL:

Warum hast du diesen Dolch bei dir?

HEIKE FOCKEN: 

Um das Brot zu schneiden.

KÄMMERER KARL:

Du lügst! Jetzt lügst du auch noch!

HEIKE FOCKEN:

Ich habe das Messer mitgenommen, weil ich dachte, 

Deine Diener könnten sich an mir versündigen.

KÄMMERER KARL:

Du lügst! Du lügst! Soll ich es dir sagen?

HEIKE FOCKEN:

Ich bin eine Witwe und habe geschworen, 

Dass mich kein Mann mehr anrührt. 

Aus diesem Grund habe ich den Dolch mitgenommen.

KÄMMERER KARL:

Du lügst!

GEORG:

Gib der Wahrheit die Ehre, Heike Focken. 

Du warst immer eine gottesfürchtige Frau, 

Die jeder schätzte.

KÄMMERER KARL:

Diener! Ergreift sie! 

Foltert sie, bis sie gesteht!

HEIKE FOCKEN: 

Ich gestehe! Ich gestehe alles!

KÄMMERER KARL:

Jetzt bist du von Angst überwältigt, 

Sieh dich nur selbst an!

HEIKE FOCKEN:

Ich bekenne um der Wahrheit willen 

Und zur größeren Ehre Gottes.

BISCHOF FRANZISKUS:

Was ist das? Sprich, meine Tochter,

Ich verstehe nichts mehr.

HEIKE FOCKEN:

Der da fragt, warum ich den Sack 

Und den Dolch mitgebracht habe? 

Ich habe Lügen erzählt. 

Gott hat mir befohlen, 

Ins Lager zu gehen, zu dir, Bischof Franziskus.

KÄMMERER KARL:

Der Satan hat es dir befohlen.

BISCHOF FRANZISKUS:

Lass sie reden!

HEIKE FOCKEN:

Wie Judith in das Lager des Holofernes ging. 

Der Sack, Exzellenz, in diesem Sack

Wollte ich dein Haupt 

Zu den Toren Münsters bringen, 

So wie Judith das Haupt des Holofernes 

Zu den Toren Bethulias zurückbrachte.


(Stille. Entsetzen in den Gesichtern. Bischof Franziskus ist blass geworden.)


Gott hat mich nicht für würdig befunden. 

Er hat seine Hand von mir genommen.


(Stille.)


BISCHOF FRANZISKUS:

Übergebt sie den Folterknechten!


(Heike Focken wird abgeführt. Sie wehrt sich nicht, sie fügt sich in ihr Schicksal.)


HEIKE FOCKEN: 

Gott hat mich nicht für würdig befunden 

Wegen meiner Sünden. 

Du, Bischof Franziskus, hast die Macht! 

Ich bin dir nicht böse, 

Denn Christus hat uns befohlen, 

Unsere Feinde zu lieben. 

Wenn du eines Tages in das ewige Reich kommst, 

Werde ich für dich beten, Bischof, 

Denn auch du bist ein sündiger Mensch. 

Und wenn du in die Verdammnis kommst, 

Wird Heike Focken zu dir 

In die Verdammnis hinabsteigen, 

Um deine Lippen zu benetzen.

Warum schweigst du, Bischof Franziskus? 

Wir werden uns wiedersehen. 

Du weißt es.


(Heike wird abgeführt. Schweigen.)


BISCHOF FRANZISKUS: 

Vor den Mauern von Münster 

Soll ein Kreuz errichtet werden. 

Kreuzigt sie!

Heute Nacht noch, 

Damit sie es am Morgen sehen. 

Unser langes Dulden hat ein Ende. 

Wir lassen uns nicht länger verhöhnen.

Mit wem kämpfe ich hier, meine Herren? .

KÄMMERER KARL:

Mit dem Satan! Dem leibhaftigen Satan!

BISCHOF FRANZISKUS:

Lasst uns also unsere Anstrengungen verdoppeln! 

Lasst ein Rundschreiben an alle unsere Klöster, 

Konvente, Kapellen, Kirchen und Abteien ergehen. 

Alles, was aus Silber oder Gold ist 

Oder Edelsteine trägt: Monstranzen, 

Kelche, Kessel, Kreuze, 

Ringe, alles soll unverzüglich abgeliefert, 

Eingeschmolzen und verkauft werden.

GEORG:

Euer Gnaden, es wird Unruhe im Lande herrschen.

BISCHOF FRANZISKUS:

So schicken wir den Grafen Schaumburg 

Mit seinen Reitern hin! 

Von nun an werden wir unerbittlich sein. 

Sind die Briefe an die protestantischen Fürsten 

Und freien Städte vorbereitet?

GEORG:

Sie sind fertig.

BISCHOF FRANZISKUS:

Vernichte sie. Entwirf neue. 

Wir haben dringend geschrieben, 

Wir müssen schreiben wie glühendes Eisen! 

Das Jüngste Gericht steht am Himmel! 

Besser noch, Freund Karl: 

Wir gehen persönlich zu den Fürsten. 

Bereitet alles für die Reise vor. 

Wie Bettler werden wir 

Vor allen Residenzen Halt machen. 

Wir werden uns bemühen, 

Einen Landtag einzuberufen. 

Keiner sieht, meine Herren, 

Dass die rote Hölle in Münster 

Aus dem Boden schießt. 

Was wird geschehen, wenn Jan triumphiert? 

Die Welt wird sich in ein Meer 

Von Blut verwandeln, 

In dem die Kirche und die Christenheit 

Und alle Ordnung versinken werden. 

KÄMMERER KARL:

Möchten Ihre Gnaden das Neueste 

Aus Münster sehen? 

Euer Gnaden möchte durch das Fenster schauen. 

Die Turmspitze von St. Ägidius ist verschwunden! 

Die Wiedertäufer sind dabei, 

Die Spitzen der Türme abzutragen. 

Sie sagen: Was hoch ist, soll niedrig werden.

BISCHOF FRANZISKUS: 

Ihr Herren! Mein Leben war sündig, 

Aber dennoch glaube ich, 

So viel Gutes getan zu haben, 

Dass ich mir der Ruhe im Grab sicher sein kann. 

Aber, meine Herren, ich werde im Grab unruhig sein 

Bis zum Jüngsten Tag, 

Wenn ich diesen Ort verlasse, 

Bevor Münster gefallen ist! 

Ich werde Münster den Klauen des Satans entreißen 

Und sollte ich dabei lebendig verbrennen! 

So wahr mir Gott helfe! 


(Bischof ab. Die beiden verneigen sich tief.)


GEORG:

So habe ich unseren Herrn noch nie gesehen.

KÄMMERER KARL: 

Jetzt sollst du dich vorsehen, König Jan!


(Vorhang.)






VIERTER AKT


(Domplatz in Münster. Auf den Stufen des Münsters steht ein Thron. Links und rechts davon Sessel. Gesellen, kriegerische Diener, Huren. Zerlumpte Kleidung; unzufriedene, freche Mienen.)


ERSTER GESELLE: 

Heute wird Jan ein strenges Gericht halten!

ZWEITER GESELLE. 

Mit glühenden Zangen wird er 

Unter die Unzufriedenen fahren.

DRITTER GESELLE: 

Er soll ihre Mägen füllen. 

Es ist kein Trick, einem hungrigen Mann 

Den Mund zu verschließen, 

Indem man ihm den Kopf abschlägt. 

Die Frauen und Kinder fressen Stroh. 

Aber Jan und sein Hofstaat essen noch 

Aus vollen Schüsseln.

ERSTER GESELLE:

Sei auf der Hut! 

Jan hat seine Spione überall!

DRITTER GESELLE: 

Das Schlimmste, Freund, ist, 

Dass das Pulver ausgeht.

ERSTER GESELLE:

Du redest dich noch an den Galgen.

ZWEITER GESELLE: 

Alle, die schwachen Herzens sind, 

Gehören in das Lager des Bischofs Franziskus! 

Die keinen Glauben mehr haben, 

Sollten aus der Stadt verbannt werden.

DRITTER GESELLE:

Was sagst du? 

Ich habe keinen Glauben mehr?

ERSTER GESELLE:

Nicht streiten, Freunde! Der König! 

Er sieht aus, als wäre er mit Kalk getüncht!


(König Jan erscheint mit seinem Hofstaat. Er trägt eine Krone aus Gold, mit Edelsteinen besetzt. Goldene Ketten, daran eine Weltkugel und ein goldenes Kreuz. Ein Zepter aus Gold, mit Edelsteinen besetzt. Reich gestrickter Mantel. Tilbeck geht mit einem weißen Stab vor ihm her. Zwei Pagen folgen Jan, einer trägt sein Schwert, der zweite die Bibel. Die Ratsherren folgen, prächtig gekleidet. Auf ihren Ärmeln prangt das Wappen des neuen Königreichs: die Weltkugel mit Kreuz und Schwertern. Dann folgt eine Gruppe geschmückter Frauen, an der Spitze Dinah. Ihr Kammerherr ist Wenzel von der Langenstraaten. Es folgt der Scharfrichter. Schließlich die Leibwache des Königs, die das Volk zurückdrängt.


STIMMEN:

Es lebe König Jan!

ALTE WEIBER:

Willkommen, König Jan!

KÖNIG JAN: 

Gnade und Friede allen, die Gott fürchten 

Und seinem Willen gehorchen.

DAS VOLK: 

Friede sei mit dir, König Jan.

TILLBECK:

Bürger des neuen Zion! 

Hört, ihr Völker! 

Der Tag des Gerichts ist eröffnet. 

Betet zu Gott, dass er den König 

Und den königlichen Rat 

Mit seinem Geist der Weisheit 

Und Gerechtigkeit erfüllt.

KNIPPERDOLLING:

Jan, die als Verhandlungsführer 

Aus dem bischöflichen Lager angereisten 

Gesandten der Freien Reichsstädte 

Warten auf deine endgültige Entscheidung. 

Sie bitten darum, ihren Fall 

Erneut vortragen zu dürfen.

KÖNIG JAN:

Die Herren dürfen sprechen.

TILLBECK:

Ihr Freunde, König Jan fleht euch an!

SPRECHER DER FÜRSTEN:

Jan! Unsere Zeit wird knapp. 

Lass uns hören, wie du dich entschieden hast.

KÖNIG JAN: 

Ich ändere meine Meinung nicht jede Stunde 

Wie eine Frau, die schwanger wird.

BRUDER DES SPRECHERS: 

Lass meinen Bruder noch einmal sprechen, Jan!

SPRECHER:

Du kennst mich, Jan. 

Und da ist mein lieber Bruder,

Einer deiner Ratgeber. 

Du kannst mir ruhig vertrauen.

KÖNIG JAN:

Ich misstraue dir nicht.

SPRECHER:

Wir waren über zwei Wochen im Bischofslager, Jan, 

Und haben uns alles genau angeschaut. 

Es ist nicht mehr wie im vergangenen Herbst, 

Als du deinen großen Sieg 

Über die Bischöfe errungen hast. 

Seit dem Reichstag zu Koblenz 

Und dem Reichstag zu Worms 

Haben sich katholische und evangelische Fürsten 

Sowie die freien Reichsstädte 

Gegen Münster gestellt. 

Kurzum: Das ganze Reich ist gegen dich, Jan! 

Jeden Tag strömten Reisende, 

Gewehre, Waffen und Pulver 

In das Lager des Bischofs Franziskus. 

Heute wimmelt es im Lager von Kriegern 

Wie auf einem Rummelplatz. 

Außerdem Kanonen, Feldschlangen, 

Kartaunen und Brandmörser. 

Sie stehen dicht um Münster wie ein großer Schlund.

KÖNIG JAN:

Das wissen wir gut, 

Und es ist nichts Neues für uns.

DUSENTSCHUR:

Will der Bischof Franziskus 

Gott mit Karikaturen und Mörsern bombardieren?

SPRECHER:

Der Bischof Franziskus hat beschlossen, 

Die Stadt zu stürmen. Aber wir, 

Die wir als deine Freunde 

Nach Münster gekommen sind, 

Wollen dich ermahnen.

KÖNIG JAN: 

Hat der Herr nicht mit Ross und Wagen 

Die Heere der Heiden vernichtet? 

SPRECHER:

Bischof Franziskus ist stark geworden, meine Herren! 

Das wollten wir euch mitteilen. 

Münster ist auch mächtig, das wissen wir. 

Ihr habt fleißig gebaut und verschanzt. 

Aber wir haben Augen in unseren Köpfen 

Und sehen, was ein Mann sehen kann.

TILLBECK:

Wir haben euch nichts verheimlicht, meine Herren! 

Was habt ihr gesehen?

SPRECHER:

Freund Tilbeck, wir haben gesehen, 

Dass der Hunger in die Stadt 

Münster eingezogen ist. 

Die Ratsherren sind unruhig.

STIMMEN:

Stimmt!

KÖNIG JAN:

Seid meine Gäste, Herren und Freunde. 

Ich möchte euch zum Abendessen einladen, 

Gebt mir die Ehre. Heute Abend, 

Wenn die Sonne untergeht, 

Werde ich hier auf dem Domplatz 

Den Münsteranern ein Festmahl bereiten. 

Dreitausend Gedecke 

Und ich und Dinah 

Und mein Hofstaat werden die Leute unterhalten. 

Ihr sollt mit eigenen Augen sehen, Freunde, 

Ob es in der Stadt noch genug zu essen 

Und reichlich zu trinken gibt.

ROTTMANN:

Ihr habt gehört, was König Jan gesagt hat.


(Großer Applaus aus dem Volk.)


STIMMEN:

Jan!

KNIPPERDOLLING:

Ich würde euch raten, 

Den Sprecher der Deputation zu Ende zu hören.

KÖNIG JAN:

Willst du den Heiden, Knipperdolling, 

Die Tore Münsters öffnen?

KNIPPERDOLLING:

Habe ich das gesagt? Ich habe nur geraten, 

Den Sprecher ausreden zu lassen.

SPRECHER:

Vor drei Tagen fand im Lager des Bischofs 

Franziskus eine große Versammlung statt. 

Alle Gesandten der Fürsten 

und Bischöfe waren anwesend. 

Die Katholiken befürworteten 

den sofortigen Sturm auf Münster. 

Die Protestanten und freien Städte 

befürchteten jedoch, dass der Bischof 

Franziskus zu hart 

gegen Münster vorgehen würde, 

wenn er es einnehmen würde. 

Am Ende will er die Religionsfreiheit abschaffen 

und Münster wieder zu einer rein 

katholischen Stadt machen.

TILLBECK:

Der Fuchs ist schlau, 

aber sein Gestank verrät ihn!

SPRECHER:

Die protestantischen Fürsten und freien Städte 

bestanden mit aller Kraft darauf, 

dass vor Beginn der blutigen Schlacht 

ein letzter Schlichtungs- 

und Kompromissversuch 

unternommen werden sollte. 

Also musste sich der Bischof Franziskus beugen, 

so schwer es ihm auch fiel. 

Aber das schlagen euch der Bischof 

Franziskus und seine Verbündeten 

zur Einigung vor: 

Der Bischof Franziskus bietet allen Bürgern 

und Soldaten Münsters 

einen kostenlosen Rückzug an, 

wenn sie ihre Waffen abgeben. 

Aber dir, Jan, und deinen Räten 

versichern er und die protestantischen Fürsten 

durch ihren Eid ein billiges und mildes Urteil. 

Und jetzt denk nach, Jan, denk nochmal nach! 

Überlege nochmal ganz genau. 

Die Sonne steht am Mittag. 

Unser Zeitlimit läuft ab.

KÖNIG JAN: 

Nimm unsern Dank und unsere Hochachtung, 

und ihr Freunde. Deine Absicht ist gut. 

Aber was wir entschieden haben, 

bleibt entschieden.

Kehrt ins Lager zurück, Freunde, 

und berichtet dem Bischof Franziskus, 

dass wir Waffen und Krieger nicht fürchten. 

Wir brauchen auch nicht die Fürbitte 

der evangelischen Gesandten! 

Möge der himmlische Vater ihnen 

und dem Bischof Franziskus gnädig sein! 

Auf unserer Seite kämpfen Gott 

und die Gerechtigkeit; 

auf eurer Seite kämpfen Lügen und Tyrannei. 

Wir sind bereit, für den Schutz des Wortes Gottes 

alles auf uns zu nehmen 

und würden lieber bis zum letzten Menschen 

zugrunde gehen, 

als Gottes auserwählte Stadt aufzugeben. 

Sag es dem Bischof Franziskus, 

und wenn nur noch fünf Brüder in der Stadt bleiben, 

so will ich die Stadt 

mit den fünf Brüdern gegen ihn halten! 


(Begeisterter Applaus des Volkes.)


STIMMEN.

Sankt Johannes! Sankt Johannes!

DUSENTSCHUR:

Bischof Franziskus soll aufpassen, 

dass ich nicht ins Lager komme 

und ihm die Zunge aus dem Mund reiße!

REDECKER:

Der Herr wird wie ein Riese aufstehen!

ROTTMANN:

Das himmlische Feuer wird dich verbrennen, 

bevor sich das Wort Gottes von dir zertreten lässt!

SPRECHER:

Noch etwas, meine Freunde: 

Wenn ich ohne euer Versprechen komme, 

wird Bischof Franziskus sofort damit beginnen, 

die Stadt zu bombardieren.

KÖNIG JAN:

Antworte ihm, 

lass ihn seine Waffen mit Zuversicht abfeuern. 

Ich werde die Kugeln mit den Ärmeln 

meines Umhangs auffangen!

SPRECHER:

Lebt wohl, Freunde!

TOM BOOM:

Eher wird Gott 

seine Stadt Münster in den Himmel erheben, 

bevor er zugibt, dass die Heiden 

sie mit ihren Fußstapfen beschmutzen.

BRUDER DES SPRECHERS: 

Lebe wohl, Bruder!

SPRECHER:

Lebe wohl, Bruder! 

Sollten wir uns in diesem Leben nicht wiedersehen - 

Ich weiß, dass ich meinen Bruder 

nicht wiedersehen werde. 

In tiefster Trauer löse ich mich von dir.


(Die Abordnung ab.)


KÖNIG JAN: 

Ist hier jemand, der unserer Antwort 

an den Bischof Franziskus nicht zustimmt? 

Lasst ihn hören!


(Schweigen.)


Es gibt keinen Judas 

an dem Wort Gottes in Münster.

DRITTER GESELLE: 

Ich möchte etwas dagegen sagen, Jan!

ERSTER UND ZWEITER GESELLE: 

Unglücklicher!

JAN:

Wer bist du? Was willst du?

DRITTER GESELLE: 

Die Frauen und Kinder hungern. 

Wir haben nicht genug Pulver, Jan.

JAN:

Woher weißt du, 

dass wir überhaupt Pulver brauchen?

DRITTER GESELLE: 

Barmherzigkeit, Jan!

JAN:

Nehmt ihn weg. 

Werft seinen Körper den Hunden vor!


(Der dritte Geselle wird abgeführt.)


Meine Hand wird streng 

und schnell denen nachjagen, 

die anfangen zu zweifeln und zu zittern!

EIN KIND:

Ich habe Angst, Mama!

JAN:

Komm zu mir, mein Kind, 

du brauchst Jan nicht zu fürchten. 

Gib mir das Kind, Schwester, 

es soll mit mir auf dem Thron sitzen.


(Die Mutter will das Kind bringen. Das Kind schreit vor Angst.)


Gib das Kind Dinah. 

Sie wird es auf ihren Schoß nehmen.

DINAH:

Komm zu mir, mein kleiner Schatz. 

Ich möchte dich streicheln und küssen. 


(Das Kind weint.)


ROTTMANN.

Nimm es weg! 

Die Mutter mit dem Kind!

JAN:

Brüder und Schwestern! 

Bevor die Sonne untergeht, 

wird Gott uns ein Zeichen 

seiner Gnade vom Himmel senden.

STIMMEN:

Ein Zeichen! Hört! Hört zu, 

was Jan sagt! Ein Zeichen!

JAN:

Bruder Rottmann, bring die Beschwerden vor.

ROTTMANN:

Es kann nicht verborgen bleiben, 

dass sich die Bräuche in Münster 

zu lockern beginnen. 

Es gibt immer noch viele unter uns, 

die nicht den rechten Glauben an Gott haben. 

Ein wahrer Christ braucht 

kein Gesetz und keinen Richter! 

Sondern die Übeltäter, die Lügner 

und Ungläubige, Streitsüchtige, Kleinmütige 

sollen vor dem Gesetz ausgerottet werden, 

denn Gottes Stadt soll rein sein! 

Gegen sechs Soldaten, die mit den Spionen 

des Bischofs Franziskus in Verbindung standen, 

wird Anzeige erstattet.

TOM BOOM:

Ich ließ sie ergreifen, 

als sie die Stadt verließen, um zum Lager 

des Bischofs Franziskus zu gehen.

TILLBECK:

Verrat wird mit dem Tod bestraft!

DUSENTSCHUR:

Lasst ihre Köpfe auf die Tore Münsters steigen!

JAN:

Tut wie von Dusentschur empfohlen.

ROTTMANN:

Gegen die Frau des Bäckers wird Klage erhoben. 

Sie beleidigt dich, Jan, sie sagt, 

du bist ein falscher Prophet.

JAN:

Lasst sie morgen früh öffentlich hinrichten, 

damit die Münsteranerinnen sehen, 

was ihnen widerfährt, wenn sie den Herrn lästern.

KNIPPERDOLLING:

Die Frau des Bäckers hat zwei Kinder 

durch Hunger und Krankheit verloren. 

Sie weiß nicht mehr, was sie sagt.

JAN:

Ich bin erstaunt, dass du Übeltäter verteidigst!

ROTTMANN:

Obwohl König Jan strenge Gesetze 

gegen Trunkenheit erlassen hat, 

breitet sich das Laster 

unter dem Kriegsvolk immer mehr aus. 

Fünf Soldaten werden beschuldigt, 

den Wirt im Rausch blutig geschlagen zu haben, 

weil er ihnen keinen Wein mehr servieren wollte.

JAN:

Wir haben angeordnet, dass auf den Wällen 

und in den Wachräumen 

geistliche Lieder gesungen werden, 

wie es sich für Christen gehört, 

die unter dem Banner der Gerechtigkeit dienen. 

Aber Würfel und Wein lassen sich nicht ausrotten. 

Ich bin gewillt, mit diesen Anmaßenden 

streng umzugehen. 

Die Diener verdienen den Tod!

KNIPPERDOLLING:

Jan, wie schnell fährst du heute! 

Ich kenne diese fünf Diener gut. 

Das sind tapfere Burschen, Jan!

JAN:

Willst du die auch verteidigen?

KNIPPERDOLLING:

Ja, ich werde ein Wort der Fürbitte 

für sie anbieten. 

Bei jedem kühnen Streich, 

wenn wir eine Waffe nagelten, 

eine Mine legten, eine Blockhütte niederbrannten, 

bei jedem Abenteuer waren sie fröhlich und mutig. 

Sie sind raue Kerle, das ist wahr.

JAN:

Handle nach meinen Befehlen!

KNIPPERDOLLING:

Na, Jan, du wirfst heute mit Köpfen herum, 

genau wie Bischof Franziskus!

JAN:

Wagst du es, mich in einem Atemzug 

mit dem Bischof Franziskus zu nennen?

KNIPPERDOLLING:

In letzter Zeit waren Menschenleben 

bei dir genauso billig wie beim Bischof Franziskus. 

Sie sind fünf tapfere Kriegsmänner! 

Ich widerspreche diesem Urteil 

vor dem ganzen Rat! 

Sieh dir die Schrift an, 

die auf deinem Zepter ist, Jan!

JAN:

Du musst mich nicht an das Sprichwort erinnern: 

König der Gerechtigkeit überall. 

Lass es so bleiben. 

Setz dich, Bruder Knipperdolling, 

und triff deine Entscheidung. 

Gibt es noch andere Beschwerden, Rottmann?

KNIPPERDOLLING:

Bin ich ein Lehrling, dem gesagt wird, 

er soll sich hinsetzen und die Klappe halten? 

Seit du die goldene Krone machen ließest, Jan, 

ist dir deine Arroganz zu Kopf gestiegen!

JAN:

Was sagst du? Schweig!

KNIPPERDOLLING:

Ich werde nicht schweigen! 

Verbiete mir nicht zu sprechen!

ROTTMANN:

Sündige nicht, lieber Bruder. 

Du weißt, dass Jan die Krone 

nicht aus menschlicher Eitelkeit trägt, 

sondern als Zeichen dafür, dass Gott 

ihn zum König 

über die neue Christenheit ernannt hat. 

Die Krone und die Insignien der Königswürde 

wurden im Rat beschlossen, und du selbst

hast allen Vorschlägen zugestimmt.

TILLBECK:

Knipperdolling! Du beleidigst das Volk!

DUSENTSCHUR:

Der Böse ist über dich gekommen, Knipperdolling!

KNIPPERDOLLING:

Ich möchte dir etwas sagen, Jan, 

ich möchte dir etwas sagen. 

Gott gab mir letzte Nacht einen Traum. 

Einen seltsamen Traum.

JAN:

Lass ihn uns hören. Wir wollen hören, 

was Knipperdolling geträumt hat. 

Wie Jesaja sagt: Wehe denen, 

die früh am Morgen aufstehen, um zu trinken, 

und bis in die Nacht aufsitzen, 

dass der Wein sie erhitzt.

KNIPPERDOLLING:

Jesaja sagt auch: Wehe denen, 

die in sich weise sind 

und sich für weise halten. 

Das sagt auch Jesaja.

EINE HURE:

Knipperdolling!


(Die Huren kreischen. Lachen.)


JAN:

Und David sagt in einem Psalm: 

Falsche Männer will ich nicht in meinem Haus haben, 

und Lügner werden bei mir nicht gedeihen.

STIMMEN:

Gut Jan! 

Du hast es Knipperdolling gut gegeben! 

Gut Jan!

KNIPPERDOLLING:

Wen Gott vernichten will, 

den schlägt er mit Blindheit, sagt der Prophet.

JAN:

Der Traum, Knipperdolling!

KNIPPERDOLLING:

Also träumte ich: 

Da Gott und alle seine Engel wissen, 

dass Knipperdolling früh saufen ist – 

träumte ich von einem Weinfass 

so groß wie der Münsteraner Dom. 

Und schöne Frauen saßen um das Fass herum, 

in Samt und Seide, fast wie Dinah, 

Jan und dein Hofstaat.

JAN:

Lass deinen Traum erklingen, Knipperdolling.

KNIPPERDOLLING:

Aber das ist der Traum, verstehst du nicht? 

Und in diesem Traum befahl Gott mir, 

Jan, dein Hofnarr zu werden! 

Narr am Hof von König Jan, ja! 

Also ging der Befehl raus. 

Ich werde mit dir tanzen 

wie ein Narr auf dem Jahrmarkt. 

STIMMEN:

Tapfer, tapfer! 

Tanz, Knipperdolling!


(Lachen. Die Huren kreischen.)


ROTTMANN:

Knipperdolling, komm zur Besinnung!


(Knipperdolling tanzt und fällt auf Dinah und die Hofdamen.)


LEUTE:

Es lebe das Knipperdollingchen! 

Knipperdolling ist betrunken! 


(Dusentschur erhebt sich.)


KNIPPERDOLLING:

Was gaffst du? 

Der heilige Geist ist in mich eingetreten. 

Heilig, heilig, heilig ist der Herr, 

wir sind ein heiliges Volk. 

Ja, und ich werde deine Sohlen lecken, Jan. 

Gib, gib, strecke deine Schuhe aus, 

deine Schuhe aus feinem holländischen Leder! 

Wer hat dich zum König über Münster gemacht, Jan? 

Ich tat es! Ich habe dir den Weg bereitet!

Eigentlich sollte ich König 

in Münster sein und nicht du! 

Knipperdolling wird ein König im Geiste sein, 

aber Jan ist ein König im Fleisch!

STIMMEN:

Es lebe König Knipperdolling! 

TILLBECK:

Hält dich die Scham nicht davon ab, 

solche Dinge vor den Leuten zu sagen?

KNIPPERDOLLING:

Der Herr hat geboten, 

dass die Menschen die Wahrheit hören.

DIE LEUTE: 

Heil Knipperdolling!


(Jan macht eine Bewegung mit der Hand, und sofort ist alles still.)


KNIPPERDOLLING:

Schaut Dinah an, Jans Frau. 

Sie trägt Brabanter Stoff und französische Seide 

und hat ihre Wangen wie eine Buhle gefärbt. 

Sie hat einen Kämmerer, einen Knappen 

aus dem bischöflichen Lager. 

Schauz ihn an, die kleine Puppe. 

Nichts ist schlimmer als ein Mann, 

der wie ein Mädchen aussieht!

DINAH:

Jan, dulde keine Beleidigungen!

STIMMEN:

Ich hoffe, er dient dir gut, Dinah, der Kämmerer! 

Der liebe Junge!

KNIPPERDOLLING:

Wenzel wird der Judas sein, 

der Münster an den Bischof Franziskus verrät.

WENZEL:

Was sagst du, Knipperdolling?

DUSENTSCHUR:

Schweig, böser Geist!

KNIPPERDOLLING:

Du hast ein Zeichen des Himmels versprochen, Jan. 

Wir werden es sehen, das Zeichen. 

Wer hat nach dem großen Sieg im Herbst geraten, 

das Bischofslager zu überfallen? 

Ich habe es getan! 

Wer hat gezögert? 

Du hast es getan. 

Der Bischof wäre längst zerschmettert 

und Münster frei gewesen. 

Wir werden sehen, wie du mit fünf Mann 

die Stadt gegen den Bischof hältst.

JAN:

Legt ihn in Eisen! 

Satan hat von Knipperdolling Besitz ergriffen.

Wenn er drei Tage nicht Buße tut, 

wird er hier an diesem Ort hingerichtet. 

Weg mit ihm!

KNIPPERDOLLING:

Wer wagt es, mich anzufassen?

DUSENTSCHUR:

Du Sohn der Hölle, 

kommt das Feuer aus deinem Mund? 

Ergreift ihn, Freunde!


(Der Leibwächter packt ihn. Aufregung unter dem Volk.)


JAN:

Wer stellt sich auf seine Seite?


(Schweigen. Knipperdolling wird abgeführt.)


TILLBECK:

Es ist unverständlich, Freunde!

ROTTMANN:

Der Böse hat Knipperdolling, 

der Tag und Nacht 

für die heilige Sache Gottes gekämpft hat, 

zu Fall gebracht. 

Betet für ihn, 

dass sich sein verwirrter Geist erholt.

JAN:

Satan ist in die heilige Stadt Münster eingedrungen, 

obwohl die Tore geschlossen waren. 

Seine Arglist ist seit langem zu spüren. 

Ich bin fest entschlossen, 

Satan wieder aus der Stadt zu vertreiben! 

Ich sage es laut, damit mich alle hören: 

unerbittlich wird meine Strenge sein! 

Jeden Morgen und jeden Abend 

werden die Prediger und Propheten 

auf den Marktplätzen zu den Menschen sprechen, 

um sie in ihrem Glauben zu stärken. 

Lasst alle anwesend sein! 

Wehe dem, der abwesend ist! 

Nur wer auf den Wällen und Schanzen 

Wache hält, erhält Urlaub. 

Außerdem verfüge ich: 

Unsere Diakone werden die Häuser besuchen. 

Wer Lebensmittel versteckt hält 

und nicht der Gemeinschaft gibt, 

soll mit dem Schwert bestraft werden. 

Ich werde jeden Verstoß 

gegen die Moral streng bestrafen 

und die Huren verurteilen, 

die Sex mit den Kriegern haben.


(Unruhe unter den Männern.)


STIMMEN:

Ein Prophet ist zurückgekehrt! 

Der Prophet Roll ist zurückgekehrt!

ROTTMANN:

Was soll die Aufregung?

STIMME:

Der Prophet Roll ist zurück!

STIMMEN:

Roll! Roll!


(Jan und der Rat erheben sich. Roll erscheint, bleich wie ein Sterbender.)


JAN:

Willkommen, Bruder Roll!

DER RAT:

Roll! Willkommen, Bruder Roll!

ROLL:

Dass ich wieder auf dich treten darf, 

heiliger Boden der heiligen Stadt! 

(Er küsst den Boden.) 

Dass ich euch wiedersehe, Freunde! 

DINAH:

Wir sind seit Monaten ohne Nachricht 

von dir, Bruder Roll!

DER RAT:

Berichte, Bruder Roll! 

Welche Botschaft bringst du mit? 

Wo sind die Propheten?

ROTTMANN:

Woher kommst du, Roll?

ROLL:

Aus der Hölle komme ich. 

In den Himmel bin ich eingezogen. 

Ich komme aus dem bischöflichen Gefängnis Iburg. 

Siehe meine Brust, 

sie zerrissen mich mit glühenden Zangen, 

sie dehnten mich auf der Folter 

und zerrissen mein Herz in meinem Schoß. 

Aber ein Engel kühlte meine Wunden 

mit seinen süßen Lippen.

TILLBECK:

Wie, beim himmlischen Vater, 

bist du aus dem Turm von Iburg entkommen?

ROLL:

Bischof Franziskus ließ mich ins Lager bringen. 

Sechs Reiter führten mich. 

Sie höhnten und lästerten, 

da kam plötzlich ein Blitz vom Himmel 

und warf sie zu Boden. 

Und ich wurde befreit.

STIMMEN:

Hört ihr? Hört ihr es?

DUSENTSCHUR:

Herr! Herr! Gott!

JAN:

Melde, Bruder Roll! 

Wie geht es den Brüdern im Land? 

Wie sind die Propheten, die wir ausgesandt haben? 

Haben sich die Brüder versammelt? 

Marschieren sie auf Münster?

ROLL:

Ach, Jan, die Brüder haben sich versammelt, 

Aber sie kommen nicht nach Münster.

JAN:

Ich verstehe nicht.

ROLL:

Aber die Propheten, die du ausgesandt hast, 

haben ihr Ziel gut erreicht.

JAN:

Du sprichst seltsam!

ROLL:

Sie haben alle ihr Ziel erreicht, Jan. 

(Er zeigt zum Himmel.)

Bewaffnet eure Herzen, 

meine Botschaften sind furchtbar!

All die Monate waren wir unterwegs 

und haben so gearbeitet, 

wie du es befohlen hast, Jan. 

Die Brüder Geel und Jakob van Campen, 

die du nach Amsterdam geschickt hast, 

haben dort mit großem Erfolg gepredigt. 

Im Mai versammelten sich die Brüder, 

um Amsterdam in Besitz zu nehmen 

und die Stadt zu einem Fest des Herrn zu machen.

Sie besetzten das Rathaus, 

verloren es aber nach erbittertem Ringen 

mit den Bürgern wieder. 

Bruder Geel wurde herumgejagt. 

Van Campen rissen sie die Zunge heraus, 

schnitten ihm die Hand ab. 

Sie setzten ihm eine blecherne Bischofsmütze 

mit dem Stadtwappen von Amsterdam 

auf den Kopf und stellten ihn damit 

an den Pranger. Dann enthaupteten sie ihn.

ALLE:

Weh! Weh! Weh!

DUSENTSCHUR:

Räche sie, Herr! Räche sie! 

Herr Gott, dein ist die Rache, 

Herr, erscheine zum Gericht!

ROLL:

Bruder Clopris fiel in die Hände 

des Erzbischofs von Köln 

und starb in den Flammen den Tod. 

Die Brüder Stralen, Ummegrove, Prünn 

und Alfen, die du nach Warendorf schicktest, 

wurden enthauptet und ihre Köpfe 

an die Tore der Stadt genagelt. 

Diejenigen, die du nach Soest 

in den Süden schicktest, 

wurden eingesperrt und alle getötet.

ALLE:

Weh! Weh! Weh!

Tut Buße! Tut Buße!

DUSENTSCHUR:

Die Racheengel des Herrn 

werden Fürsten und Bischöfe schlagen, 

wie man Vieh im Schlachthof schlägt.

ROLL:

Wie du befohlen hast, Jan, 

haben wir die Brüder an vier Orten versammelt. 

Bei Eschenbruch im Land Jülich, in Holland, 

bei Aachen und bei Groningen in Friesland. 

Sie kamen, sie versammelten sich, 

aber Gott entschied anders.

TILLBECK:

Gebt ihm Wasser! 

ROLL:

Ich brauche nichts mehr. 

In Friesland habe ich selbst die Brüder geführt. 

Wir haben uns im Kloster Olden 

gegen tausend Täufer gestellt. 

Aber der Statthalter des Kaisers, 

der Schenk von Tautenberg, 

bekämpfte uns mit schwerer Artillerie. 

Wir haben tapfer gekämpft. 

900 Brüder mussten dort ihr Leben lassen.

JAN:

Vater im Himmel, warum 

lässt du die Gerechten leiden 

und führst die Lügner zum Sieg?

ROLL:

Die holländischen Brüder 

machten sich auf den Weg 

und fuhren in dreißig Schiffen weiter. 

Die Schiffe wurden von den Reitern 

des Herzogs von Geldern überwältigt 

und Mann und Maus verbrannt.

ALLE:

Weh! Weh! Weh!

Tut Buße! Tut Buße!

ROLL:

So stand überall ein böser Stern 

über den Zügen der Täufer. 

Das ist der Grund, Jan, warum du 

vergeblich darauf warten wirst, 

dass die Brüder nach Münster kommen. 

In Holland, in Köln, in Friesland, 

überall gibt es Reisende und Diener. 

Das ganze Münsterland ist damit übersät 

wie eine Wunde von Fliegen. 

Wie viele Hunde bei der Jagd 

auf den Hirsch fallen, so fallen jetzt 

viele Soldaten auf den Wiedertäufer. 

Er muss sich wie ein Tier 

im Wald und im Schilf verstecken.

ROTTMANN:

Furchtbar sind deine Botschaften, Roll! 

ROLL:

Die Zeit der Prüfung 

ist für die Bruderschaft gekommen. 

Bewaffnet eure Herzen und seid stark im Glauben! 

Ich habe mein Ziel erreicht, Freunde. 

Die Trauer hat mein Herz zerfressen. 

Es war zu viel. 

Die Folterknechte des Bischofs Franziskus

haben meine Brust zerrissen. 

Dank dem Vater im Himmel, 

dass ich dich noch sehen durfte. 

Die Welt ist heute so weit 

von der Wahrheit abgekommen, 

dass sie nicht mehr zurückfinden kann. 

Nehmt mich mit, Brüder. 

Stellt mich in eine Ecke unter einer Treppe, 

stellt mich in einen dunklen Stall mit den Tieren. 

Ich will sterben! 

Aber der Herr sagt: 

Mein Reich ist nicht von dieser Welt. 

Mein Reich ist ein Reich im Geist 

und kein irdisches Reich.

JAN:

Was sagst du, Bruder? Sprich!

ROLL:

Dass ich mit euch sterbe, Brüder! 

Süß ist der Tod...


(Sie führen ihn weg. Dusentschur ist aufgestanden und hat seinen Platz verlassen. Er geht wie ein Träumer, verklärt, ein entzückter Tänzer.) 


DUSENTSCHUR:

Wer ruft? Wer ruft an? 

Hier bin ich, Dusentschur. 

Warum rufst du mich, Herr? 

Hier bin ich, dein Diener.

TILLBECK:

Still, still! 

Der Geist ist über Dusentschur gekommen!

ROTTMANN:

Dein Zeichen, Jan! 

Möge der Herr ihn erleuchten!

JAN:

Stille!

DUSENTSCHUR:

Feuer und Rauch! Die Welt in Flammen! 

Glut weht über die Erde, 

die Städte schmelzen. 

Weh! Weh! Weh!

TILLBECK:

Hört, ihr Brüder!

JAN:

Still!

DUSENTSCHUR:

Aber im Osten – siehe, ein Tor, 

groß und leuchtend wie der Sonnenball. 

Ein Engel steht vor dem Tor 

und glänzt in seiner Herrlichkeit. 

Sein Schwert ist breit und glühend, 

und roter Rauch kommt aus seiner Schneide. 

Siehe, wie wimmelt es 

auf den nach Osten führenden Wegen! 

Alle Kreaturen fliehen vor der Zerstörung. 

Dort reiten die Päpste und Bischöfe 

und Äbte und Kanoniker. 

Prächtig sind sie in Gold und Silber gekleidet, 

und die Zaumzeuge ihrer Pferde glänzen. 

Und hinter ihnen reiten die Könige 

mit ihren Zeptern und die Kaiser 

mit ihren Kronen und die Fürsten 

in ihrem Purpur und alle, 

die Macht haben auf Erden. 

Ihre Rosse sind kostbar 

und ihre Säbel blitzen von Edelsteinen.

Aber siehe, der Engel erhebt 

sein glühendes Schwert, 

und zornige Glut geht aus der Schneide hervor. 

Und die Bärte und Haare von Päpsten 

und Kaisern und Fürsten brennen. 

Rauch steigt aus den Purpurmänteln auf, 

die Rüstung schmilzt. 

Und Gelächter steigt auf, und sie versinken!

Die Reichen und Kaufleute 

und prächtig gekleideten Frauen 

mit Hauben und Schleiern, siehe, 

sie fliehen vor dem Untergang. 

In allen Straßen herrscht Gedränge 

und Geschäftigkeit, und Angst 

ist in allen Augen. 

Auf Streitwagen treiben sie Gold 

und Edelsteine und Reichtümer, 

die sie an sich gerissen haben.

Aber der Engel erhebt das glühende Schwert, 

siehe, sie fallen hin, die Frauen fallen 

und schreien, die Felle und Federn brennen,

die Achsen der Wagen schmelzen, 

und die Wagen stürzen um. 

Und es gibt ein großes Geschrei 

und Rauch und Qualm und Feuer. 

Da erhebt sich eine Stimme, die Vorwürfe macht. 

Und sie sinken nach unten.

Da sehe ich Männer und Frauen 

und Mädchen und Kinder! 

Und da sehe ich Bettler und Blinde 

und Kranke und blasse Wangen. 

Und dort sehe ich die vielen Armen, 

die keine Schuhe tragen und barfuß gehen. 

Und Krüppel. Und Irre.

Und der Engel erhebt sein Schwert, und siehe, 

es fängt an zu blühen wie ein Strauch im Frühling. 

Und das Tor öffnet sich, und Posaunen ertönen. 

Und die Männer und die Frauen 

und die Kinder gehen singend hinaus, 

und Helligkeit strahlt aus ihren Körpern.

Und ich sehe auch unsere Brüder, 

Mathys und die Propheten, 

ich sehe auch Heike Focken, alle!

Und eine Stimme ertönt: 

Um des Gerechten willen will ich vergeben! 

Um der Demütigen willen werde ich 

wieder zur Erde herabsteigen. 

Auf, ihr Schläfer! 

Bereitet den Weg!


(Erregung der Männer und des Gefolges. Huren reißen ihr Kleidchen ab, Soldaten ihre Rüstung, andere werfen ihre Schuhe ab, um arm zu sein. Umarmungen, Küsse!)


STIMMEN

Sankt Johannes! König Jan! Führe uns, Jan!

ROTTMANN:

Das ist das Zeichen, das Jan angekündigt hat!

KRECHTING:

Die Demütigen werden in die Herrlichkeit eingehen.

TILLBECK:

Päpste und Kaiser werden beschämt. 

Der Bischof Franziskus wird beschämt!

JAN:

Brüder und Schwestern!

LEUTE:

Sankt Johannes! Lang lebe Jan!

ROTTMANN:

Der König möchte mit euch sprechen.


(Schweigen.)


JAN:

Bereitet dem Herrn den Weg! 

Gott sprach durch Dusentschurs Mund. 

Also verkünde ich: Die Zeit 

der Prüfung neigt sich dem Ende zu.

STIMMEN:

Jan! Jan!

JAN:

Der Sieg der Christenheit über die Lügner, 

die Gott nur mit ihren Lippen dienen, 

wird bald sichtbar sein. Also beschließe ich: 

Alle Streitwagen, die in der Stadt Zion sind, 

sollen auf dem Domplatz zusammengebracht werden. 

Verderbte werden von den Wagnern repariert. 

Die Sattler prüfen das Geschirr der Pferde 

und flicken es. Decken sollen 

auf die Wagen gebracht werden 

und Stroh und Betten für die Greise, 

die Frauen und die Kinder.

ROTTMANN:

Ihr hört, was König Jan sagt!

JAN:

Mehl und Getreide sollen in die Säcke getan werden. 

Das Schlachten von Pferden ist fortan verboten. 

Wartet im Glauben! Die Zeit ist gekommen, 

die die Propheten verkündet haben. 

Werft euch in den Staub und schreit zu Gott! 

So verkünde ich: 

Sieben Tage wird der Prozess dauern, 

Brüder und Schwestern, 

mit Hunger und Kriegs- und Kampflärm. 

Gott wird es durch meinen Mund bekannt machen! 

Wartet im Glauben! 

Aber am achten Tag öffnen wir die Tore Münsters.

Und wir werden zu Fuß und in Streitwagen ausziehen. 

Und Gott wird das Lager der Bischöfe 

wie Spreu wegblasen!

STIMMEN:

Jan! Jan!

JAN:

Zwölf Apostel und Herzöge werden wir 

über den Erdball setzen. 

Dusentschur über dem deutschen Land, 

Krechting über Holland, 

Rottmann über Rom, 

Tilbeck über Frankreich, 

tom Boom über England. 

Den Rest werden wir verkünden.

Also lasst uns als eine Versammlung aufbrechen 

und uns mit den Brüdern in allen Ländern vereinen. 

Das ist der Wille des Allmächtigen Gottes!

Und die Mächtigen und Könige 

und Bischöfe werden uns huldigen. 

Aber der Herr wird sein Volk erhöhen, 

dass sie auf silbernen Stühlen sitzen 

und von silbernen Platten essen können. 

Und wir werden das Reich aufrichten, 

wie es geschrieben steht.

FRAUEN

(berauscht):

Selig bist du, Jan!

ROTTMANN:

Das Reich Gottes ist gekommen, 

Brüder und Schwestern!

JAN:

Es wird keine Tränen mehr auf Erden geben, 

kein Weinen, kein Klagen mehr. 

Die Welt wird neu sein 

und Frieden und Wohlwollen.

STIMMEN:

Hosanna! Hosanna!

EINE STIMME:

Bischof Franziskus beschießt die Stadt! 

EINE ZWEITE STIMME:

Bischof Franziskus wirft Brandgeschosse 

in die Stadt! Die Getreidespeicher brennen!

TOM BOOM:

Zu den Wällen!

TILLBECK:

Zu den Wällen! Jeder auf seinen Posten!

JAN:

Brüder und Schwestern!

STIMME:

Münster brennt! Münster brennt!

ROTMANN:

Weg! Helft mit, es zu löschen, ihr alle! 

Weg! Zu den Eimern!

JAN:

Lasst Münster brennen! 

Gott will, dass wir ausziehen! 

Kann Gott uns ein deutlicheres Zeichen geben?

STIMME:

Warum fängst du die Kugeln nicht 

mit deinem Ärmel auf, Jan?

ZWEITE STIMME:

Du hast nur geprahlt, nicht wahr?

JAN:

Wer erhebt sich hier?


(Lachen.)


Ihr Narren, ihr Narren! 

Gott gibt sein Zeichen 

und ihr erkennt es nicht!


(Alle ab. Es bleiben Jan und Dinah.)


JAN:

Wo sind sie? Ist das ihr Glaube? 

Möge Münster zu Asche werden, so Gott will.

DINAH:

Ich bin bei dir, Jan!

JAN:

Wo ist ihr Glaube? 

Weh! Weh! Weh!

DINAH:

Ich bin bei dir!


(Vorhang.)






FÜNFTER AKT


(Nacht. Am Kreuztor in Münster. Ein niedriger Wall. Niedrige Hütten; Licht schimmert aus ein paar Fenstern. Ein niedriger Tisch. Mondlicht und tiefe Nacht wechseln sich ab. Jan sitzt zusammengekauert an dem Tisch.) 


DINAH:

Sprich, Jan! Sprich nur ein Wort! 

JAN:

Wenn der Herr dich anschaut, 

wird dein Haus gedeihen, 

deine Kinder werden blühen, 

dein Acker wird viel Frucht tragen. 

Aber wenn er seinen Blick von dir abwendet, 

wehe dir, deine Scheunen brennen, 

Krankheit befällt deinen Körper, 

deine Felder verdorren. 

Der Mensch ist nichts ohne ihn!

DINAH

(umklammert seine Knie): 

So bin ich nichts ohne dich, Jan!

JAN:

Und doch verzeihe er mir: 

Warum verfolgt er die, die ihm gehorsam sind, 

und hört er die Heuchler? Warum?

DINAH:

Also müssen wir noch fester glauben, Jan.

JAN:

Noch stärker glauben? Stärker! 

Glaube noch stärker! Noch stärker! 

Ja, Dinah. All diese Tage und all diese Nächte 

habe ich unaufhörlich zu ihm geschrien.

DINAH:

Ruf ihn noch einmal an!

JAN:

Als ich zwanzig wurde, 

offenbarte mir Gott zum ersten Mal seine Gnade! 

Bis dahin hatte ich wie ein junges Tier gelebt, 

ohne Verstand, nach meinen Wünschen, 

genau wie die anderen Burschen. 

Ich hatte eine Frau genommen 

und ein Kind gezeugt, 

gearbeitet und gefeilscht. 

Aber eines Nachts träumte ich, 

dass ich ein großes Feuer sah. 

Das Feuer blendete mich so sehr, dass ich aufwachte. 

Dann sah ich eine Flamme in der Dunkelheit. 

Die Flamme, sie bewegte sich wie ein Licht 

im sanften Atem des Mundes. 

Ich rieb mir die Augen. 

Dann sagte eine Stimme: Jan, folge mir! 

Ich stand auf, und die Flamme ging vor mir her. 

Da stand ich im dunklen Haus 

und die Flamme zischte. 

Und wieder hörte ich eine Stimme. 

Es hieß: Jan, verlasse Frau und Kinder 

Und folge mir!

DINAH:

Du hast es geschafft?

JAN:

Ich zögerte nicht. Ich ging. 

Der Morgen kam und die Sonne ging auf, 

aber trotz der strahlenden Sonne 

sah ich die Flammen sprühen. 

Ich stand am Hafen, ein Schiff löste seine Taue, 

und ich bestieg dieses Schiff, 

ohne zu wissen, wohin es fuhr. 

Das Schiff fuhr nach Portugal. 

Ich ging an Land und ging 

und kam zu einem Kloster. 

Ein Jahr lang saß ich in der Stille des Klosters, 

arbeitete und dachte nach und hörte zu.

DINAH:

Und die Flamme, Jan?

JAN:

War immer bei mir. 

Jetzt fühlte ich weder Hunger noch Durst, 

weder Kälte noch Hitze. 

Auch die Angst, die die Menschen gehabt haben, 

hat mich komplett verlassen. 

Ich lebte wie in einen Traum gebannt. 

Und die Flamme leuchtete vor meinen Augen 

und versprach mir: Warte, 

bald ist die Zeit erfüllt.

DINAH:

So war dein Herz voller Zuversicht.

JAN:

Ich kehrte nach Holland zurück 

und wanderte durch Deutschland, 

nach Wittenberg, Münster, Straßburg, 

um die auferstandenen neuen Prediger zu hören. 

Dann kehrte ich nach Leiden zurück 

und ging meinen Geschäften nach. 

Ich lebte ruhig für mich 

und forschte in der Heiligen Schrift, 

um die Wahrheit herauszufinden. 

Eines Abends traf ich jedoch auf der Straße 

einen Mann mit dunklen Zügen und Augen, 

die wie Sterne funkelten. 

Er blieb stehen und sah mich an.

DINAH:

Es war Mathys!

JAN:

Es war Mathys, der Prophet! 

Die ganze Nacht sprach er zu mir 

und seine Rede war Feuer, 

genommen von jenem Feuer, das ewig brennt. 

Seine Rede war die Wahrheit.

Und Mathys sagte: Gott hat mir offenbart, 

dich zu meinem Propheten zu machen, Jan. 

Und er taufte mich in derselben Nacht. 

Aber mein Herz war trunken von Seligkeit 

von dieser Stunde an.

DINAH:

Gott hat dich wunderbar 

auf deinem Weg geführt, Jan!

JAN:

Auch hier in Münster leuchtete 

die Flamme vor meinen Augen. 

Und oft ging sie vor mir her, Tag für Tag, 

ohne auszugehen. Schönes Licht, süßes Licht! 

Seine Stimme erhebt sich. 

Und es leuchtete in der Nacht 

und manchmal wurde es zu einem Feuer, 

dessen Wärme ich fast spüren konnte. 

Und Gott sprach aus dem Feuer...

DINAH:

Und jetzt, Jan?

JAN:

Sie ist erloschen. 

Ich kann sie nicht mehr sehen. 

DINAH:

Vertrauen, Jan! Vertrauen!

JAN:

Der Herr hat sein Angesicht von mir abgewandt.

DINAH:

Sündige nicht, Jan!

JAN:

Als Dusentschur dem Volk 

seine Offenbarung verkündete – 

siehe, da schien ein Leuchten 

in der Luft zu schweben – plötzlich, 

so war es auch für mich… 

aber es war nur ein Blick, der mich verspottete.

DINAH:

Vertraue, Jan! Höre: 

der Versucher ist um dich! 

Werde nicht müde. Bete! 

Auch ich werde beten! Hör zu, Jan, 

ich werde gehen und beten, 

und alle Frauen sollen mit mir beten, 

die ganze Nacht. Das werde ich tun, Jan, 

und kein Schlaf soll in unsere Augen kommen.


(Dinah ab. Mondlicht. Knipperdolling, tom Boom, Tilbeck kommen, laut polternd, gut gelaunt, begleitet von zwei Dienern.)


TILLBECK:

Heute Nacht ist es seltsam still.

TOM BOOM:

Haben sie fünf Tage und fünf Nächte 

nicht genug mit den Gewehren gewütet, Tilbeck?

TILLBECK:

Man muss es Bischof Franziskus aushändigen, 

er hat so manche Tonne Pulver dazugegeben 

und ist wie ein Erdbeben über Münster gefallen. 

Manchmal, bei Gott, hat es mich 

einen Schuh hoch vom Boden geworfen.

KNIPPERDOLLING:

Das liegt daran, dass du so leicht bist. 

Die Gelehrten haben kein großes Gewicht. 

Der Geist verzehrt die Schwere. 

Bischof Franziskus hat mich nur ein bisschen 

an den Fußsohlen gekitzelt, 

dass ich lachen musste, Freunde. 

Spuck die Zähne aus der Kehle, du höllischer Freak, 

dachte ich und wurde fröhlich.

TOM BOOM:

Ist das Jan?

TILLBECK:

Ich glaube, Jan, du hast in all diesen Tagen 

und Nächten keine Stunde geruht. 

Überall und überall bist du wie ein Geist.

JAN:

Noch einmal bitte ich dich, Bruder, 

mir meine Heftigkeit und meinen Zorn 

am Tag des Gerichts zu verzeihen. 

Wenn in deinem Herzen noch ein Körnchen 

Zorn gegen mich ist, nimm meine Hand nicht.

KNIPPERDOLLING:

Ich werde mich schnell erheben, Jan, 

wie der Topf über dem Feuer. 

Aber wenn die Glut erlischt, 

ist der Topf wieder still und vergisst, dass er kocht. 

Die Züchtigung war gut, Bruder Jan,

sauge das Gift aus mir! 

Stolz hatte meinen Kopf betäubt und Neid. 

Vergib mir meine Ungerechtigkeit, Jan. 

Ich habe gesühnt - und so geschah mir recht. 

Nie in seinem Leben wird Knipperdolling 

zur Vernunft kommen, Freunde.

JAN:

Danke für deine Nachsicht, Knipperdolling. 

Dein Herz ist besser als meines. 

Ihr macht die Runde, Freunde?

TOM BOOM:

Wir überprüfen die Mauermeister, 

Kanoniere und Wachen.

TILLBECK:

In der Stadt, am Überwassertor, 

gab es einige Feuer zu löschen.

JAN:

Ist alles bereit?

KNIPPERDOLLING:

Alles ist bereit, Jan, mach dir keine Sorgen. 

In den Kesseln kocht schon das Pech. 

Holzstapel liegen dort zu Haufen, 

damit wir ihnen brennende Scheite 

um den Kopf schlagen können. 

Die Frauen bereiten bereits ihren Morgenbrei zu. 

Willkommen, willkommen!

TOM BOOM:

Die Schmiede haben lange Haken geschmiedet, 

um die Sturmleitern umzureißen.

TILLBECK:

Alle Brüche wurden repariert. 

Die Erdarbeiten und Gräben 

wurden ebenfalls repariert, 

wo die Kanonen beschädigt wurden.


(Es hämmert am Tor. Ein Schildwächter steigt die Treppe vom Wall herab.)


ERSTER LANDSKNECHT. 

Die Parole!

DUSENTSCHUR:

Friede auf Erden 

und Wohlgefallen den Menschen.


(Der Landsknecht öffnet. Dusentschur tritt ein, im Mönchsgewand gekleidet.)


ERSTER LANDSKNECHT: 

Ein Mönch?

DUSENTSCHUR:

Wenn du Angst vor einem Mönch hast, 

du Weichling, wirst du dir in die Hose machen, 

wenn du Bischof Franziskus siehst. 

Aber wenn du den Papst auch nur siehst, 

wirst du von kaltem Schweiß erwürgt. 

Pax vobiscum!

TILLBECK:

Wahrlich, Gott, Dusentschur!

DUSENTSCHUR:

Gott segne diese Nacht, Freunde!

JAN:

Warst du im Lager, Bruder?

DUSENTSCHUR:

Ich war im Lager. Heissa, heissa! 

Ich predigte hier und da 

und ermahnte hier und da. 

Ich hörte auch die Beichten

einiger ängstlicher Menschen

und schrieb einige Briefe. 

Es hätte nicht viel gekostet, 

wenn der Bischof mich zum Essen eingeladen hätte.

Höre, Freund, das ist das Tor des Kreuzes? 

Wie? Heißt der Mauerkapitän 

nicht von der Langenstraaten?

ERSTER LANDSKNECHT:

Wenzel von der Langenstraaten.

DUSENTSCHUR:

Wo ist er?

ERSTER LANDSKNECHT:

Wir haben ihn seit zwei Tagen nicht gesehen.

DUSENTSCHUR:

Heissa, Heissa. Ich glaube, Freunde, 

ich habe ihn im Lager des Bischofs getroffen!

TOM BOOM:

Sollte es möglich sein?

TILLBECK:

Langenstraaten ein Verräter?

DUSENTSCHUR:

Eine große Anzahl von Dienern 

ist aus der Stadt geflohen, 

denn Vielfraße und Trunkenbolde 

beten den Speck und das volle Fass an! 

Auf jeden Fall heißt es: 

Augen offen halten! Heissa, heissa! 

Welche Angst haben sie vor dir, Jan, die Knechte! 

Sie halten dich für Satan 

und werden auf deine Hörner gespießt. 

Aber die Gesandten und Generäle 

stolzieren mit ihren Federn. 

Und in Wolbeck wimmelt es von Mönchen! 

Und es wimmelt auch von Huren!

KNIPPERDOLLING:

Werden sie heute Nacht angreifen? 

Denkst du so?

DUSENTSCHUR:

Wie Christus auferstanden ist. 

Sie stehen bereits in Rudeln bereit. 

Morgen wird die Hölle eine große Menge haben, 

große Ermutigung. Heissa! 

Gib das Zeichen der Bereitschaft, Jan! 

Gottes Atem wird auch die Federbüsche versengen. 

Heissa, heissa! 

JAN:

Gott gebe es! 

Blast das Horn!


(Einer der jungen Diener bläst in sein Horn. Der Hornruf breitet sich über die Wälle aus.)


KNIPPERDOLLING:

Vorwärts, Freunde! 

Für den Himmel! 

Für Wahrheit und Frieden auf Erden!


(Alle ab, bis auf Jan. Dunkelheit.)


JAN:

Gott! Gott! Herr! 

Vater über den Sternen!


(Er fällt auf die Knie und brüllt.)


ERSTER LANDSKNECHT

(nähert sich) 

Warum brüllst du, Jan?

ZWEITER LANDSKNECHT: 

Wer brüllt hier wie ein Stier im Schlachthof?

JAN:

Verlasst mich! 

Gott hat mich aus dem Paradies vertrieben. 

Ich bin unter die Tiere gefallen.

ERSTER LANDSKNECHT:

Geh zu deiner Ruhe, Jan! 


(Mondlicht.)


JAN:

Vater, Vater, Vater im Himmel! 

Höre mich, Vater im Himmel! 

Neige dein Ohr, ich bin elend und arm! 

Ernähre die Seele deines Dieners, 

du, der du die Sterne und Welten lenkst! 

Sei mir nicht böse! Sei mir nicht länger böse, 

du süßes Licht in der Dunkelheit! 

Verlasse deine Stadt Münster nicht, 

die du unter den Städten der Erde erwählt hast, 

damit sie deine Herrlichkeit verkünde. 

Verlasst sie nicht, Brüder und Schwestern! 

Trete mich mit deinem Fuß nieder, wenn du willst, 

aber gib sie nicht der Schande preis! 

Gib nicht zu, dass das Blut 

der Gläubigen umsonst geflossen ist. 

Herr, der du vor Leben und Tod warst, 

antworte mir. Ist es wahr, was Roll verkündete? 

Dein Reich ist ein Reich im Geist 

und kein irdisches Reich? Hörst du mich? 

Antworte, antworte mir! Gib mir ein Zeichen, 

du Wohlwollender Vater aller Geschöpfe!


(Kanonenschüsse.)


Antwortest du mir durch den Mund von Mörsern? 

Aus meiner Not rufe ich zu dir, wie ich verblute. 

Hab Erbarmen mit deinem gemarterten Volk am Kreuz. 

Herr, Herr, Gott, Vater im Himmel! 

Engel der Liebe und des Lichts!


(Dunkelheit. Fünf zerlumpte Kinder erscheinen. Sie hämmern an die Tür.)


ERSTES KIND:

Soldat, mach auf!

ZWEITES KIND:

Soldat, gib uns Brot! Erbarme dich!

DRITTES KIND: 

Wir haben Hunger, Soldat!

ERSTER LANDSKNECHT: 

Was wollt ihr, Skelette? 

Mitten in der Nacht? 

Seid ihr vom Kirchhof gekommen?

ERSTES KIND:

Soldat, erbarme dich! Gebt uns Brot!

ZWEITES KIND:

Wir sind hungrig!

ZWEITER LANDSKNECHT: 

Fresst Gras! Jan sagt, ihr sollt Gras fressen. 

Das Vieh frisst auch Gras, sagt Jan!

KINDER:

Soldat, Soldat!

ERSTER LANDSKNECHT:

Mäuse fangen! Ratten essen! 

Kochen einen alten Stiefel! 

Morgen wird Bischof Franziskus euch füttern. 


(Die Kinder fliehen. Die Landsknechte lachen. Toto, der Wahnsinnige, im zerfetzten Hemd, erscheint schreiend, hinter ihm zwei lachende, betrunkene Landsknechte.)


TOTO:

Diebe, Mörder! Hilfe! 

DRITTER LANDSKNECHT:

Lauf, kleine Henne! Laufen!

TOTO:

Diebe! Schlingel! 

Ich war Rektor in der Freien Stadt Schmalkalden. 

Einst Latein gesprochen. 

VIERTER LANDSKNECHT:

Du bist nicht mehr im freien Schmalkalden. 

In Münster gibt es eine Maus, 

um die herum die Katzen sitzen.

DRITTER LANDSKNECHT:

Rezitiere deinen Gesang 

und wir lassen dich gehen.

TOTO:

So lag er im tiefen Turm,

Der war voller Ungeziefer und Würmer...

VIERTER LANDSKNECHT:

Na, Toto, sag: 

Meine Mutter hurte mit dem Teufel.

TOTO:

Meine Mutter leidet mit dem Teufel.

DRITTER LANDSKNECHT:

Lauf, kleiner Toto! 

Der Bischof Franziskus kommt 

und wird dich in den Turm werfen!


(Toto flieht.)


DRITTER LANDSKNECHT:

Heute Nacht wird Knipperdolling 

nicht vor die Schanzen gehen 

und die Kanonen annageln!

VIERTER LANDSKNECHT:

Seit wir das Lager Richtung Münster verlassen haben, 

haben sich die Zeiten grundlegend geändert.

DRITTER LANDSKNECHT:

Auch der Stern, der früher jede Nacht 

über Münster funkelte, wo ist er geblieben?

VIERTER LANDSKNECHT:

Es ist schließlich seltsam. 

Und doch funkelte er jede Nacht wie ein Edelstein. 

Münster! Münster!

DRITTER LANDSKNECHT:

Was ist deine Meinung, Bruder?

VIERTER LANDSKNECHT:

Meine Meinung ist: Es wird bald Zeit sein, 

dem neuen Jerusalem den Arsch zu zeigen.

DRITTER LANDSKNECHT:

Das denke ich auch.


(Sie schließen die Tür. Zwei junge Mädchen, in Tücher gehüllt, blass und ausgehungert, kommen, schüchtern und ängstlich.)


ERSTES MÄDCHEN: 

Soldaten! Diener! 

Wir sind hungrig! Gebt uns Essen!

ZWEITES MÄDCHEN:

Wir haben auch seit drei Tagen keinen Krümel mehr.

ERSTER LANDSKNECHT: 

Bei dem mächtigen Höllenfürsten! 

Genossen, wir haben Besuch. 

Zwei zarte junge Mädchen erweisen uns ihre Aufwartung. 

ZWEITER LANDSKNECHT: 

Tretet ein, Bräute. 

Wir haben Brot und Speck 

und gebratene Ratten in der Pfanne. 

Und wir haben auch Wein, 

um den kleinen Mund zu waschen.

ERSTES MÄDCHEN:

Aber ihr müsst uns schwören, liebe Genossen!

ERSTER LANDSKNECHT: 

Wenn ihr nichts anderes von uns verlangt, 

im Schwören sind wir so stark 

wie Könige und Feldherren.

ZWEITER LANDSKNECHT: 

Wir schwören wie der Papst und Luther zusammen. 


(Er berührt eines der Mädchen.)


ZWEITES MÄDCHEN:

Wir haben Angst vor euch! 

ERSTER LANDSKNECHT:

Wir haben noch nie einem so schönen Mädchen 

wie dir Schaden zugefügt. 

Komm, oder wir schließen die Tür.

ZWEITER LANDSKNECHT:

Wir wollen dir Tricks beibringen, 

die dich bis in den Bauch zum Lachen bringen. 

Kannst du auf dem Rücken tanzen? 

Kannst du auf deinen Zehen 

und Fingerspitzen tanzen? 

All das und mehr wollen wir dir beibringen! 


(Die Mädchen treten ein. Schreien der Mädchen. Wütendes Gelächter. Die Tür ist geschlossen. Grelles Mondlicht.)


JAN: Ich lasse dich nicht, Herr! 

Siehe deine Stadt! Dein Königreich! 

Die Nationen umringen deinen Thron, Herr! 

Vater im Himmel, lass diese Erde endlich Frieden haben. 

Siehe, sie haben dein Wort in den Staub getreten. 

Sie haben dein Wort verlogen und verhöhnt. 

Lass sie dich nicht länger verspotten. 

Die Armen und die Elenden schreien zu dir Tag und Nacht, 

und die Heuchler und die Stolzen stolzieren dahin.

Herr, Herr! Vater im Himmel!

Lass dein Reich auf diese Erde kommen!


(Der große Mönch erscheint von links auf dem Wall. Dunkelheit.)


Lösche mir das Augenlicht, wenn es dir gefällt. 

Schlag mich mit Eiterbeulen, wie Hiob, 

wenn es dir gefällt. 

Fordere mein Blut, es ist dein. 

Aber ärgere mich nicht länger... 

Ich schlief, und du hast mich aufgeweckt. 

Du hast deinen heiligen Samen 

in mein Herz gepflanzt 

und er ist aufgegangen. 

Warum willst du den Samen jetzt verderben? 

Dein Wille geschehe!


(Der große Mönch steigt hinunter und bleibt im Schatten stehen.


MÖNCH:

König Jan!

JAN:

Wer spricht hier? 

MÖNCH:

Sei gegrüßt, König der neuen Christenheit! 

Herr des neuen Tempels!

JAN:

Wie bist du hierher in die Stadt gekommen? 

Mitten in der Nacht?

MÖNCH:

Für mich gibt es weder Tore noch Wachen.

JAN:

Wer bist du?

MÖNCH:

Ein Bote!

JAN:

Ein Bote? Vom Licht? Von der Finsternis?

MÖNCH:

Was bedeutet Licht, was Dunkelheit?

JAN:

Dann gibt es keinen Himmel und keine Hölle?

MÖNCH:

Himmel und Hölle sind auch 

die Vorstellung von Menschen.

JAN:

Lügner und Satan! Weg!

MÖNCH:

Ich wollte es mit dir versuchen, Jan. 

Du hast bestanden. 

Jan! Ich werde dich mächtiger machen 

als den Papst und mächtiger 

als alle Kaiser und Könige. 

Ich werde dich zum Meister der Welt machen. 

Ich werde dir Macht geben, 

aus Steinen Gold zu machen 

und die Edelsteine in den Bergen 

mit deinen Augen zu sehen. 

Alle Reichtümer dieser Welt will ich dir geben, 

und die Mächtigen der Erde sollst du damit kaufen. 

Gib ihnen Gold und sie stehen dir zur Verfügung, 

das ist alles, was sie wollen.

JAN:

Was will ich mit deinem Reichtum? 

Ich will ihn nicht! Behalte ihn!

MÖNCH:

Jan, ich weiß, dass du in Not bist. 

Deine Stadt Münster ist verloren 

und es gibt kein Heil dafür!

JAN:

Münster ist in Not, ich kenne es gut. 

Wir werden kämpfen 

und Gott wird seine Stadt beschützen!

MÖNCH:

Die Überlegenheit des Bischofs Franziskus ist zu groß. 

Du weißt es, Jan, und du weißt auch, 

dass Gott Münster nicht beschützen wird. 

Du weißt es, Jan, leugne es nicht. 

Aber ich habe dein Schreien gehört 

und bin zu dir gekommen, 

weil Gott dich verlassen hat!

JAN:

Wer hat dir gesagt, dass Gott mich verlassen hat?

MÖNCH:

Du weißt es selbst. 

Er hat dich gerufen, 

aber als du ihm gefolgt bist, 

hat er sich von dir abgewandt. 

Hat er die, die ihm folgten, nicht immer verlassen? 

Hat er nicht seinen eigenen Sohn verlassen, 

als Er am Kreuz nach Ihm rief?

JAN:

Versuche mich nicht!

MÖNCH:

Jan! Ich werde dich 

über deine Feinde triumphieren lassen! 

Hör zu, Jan, gibt es etwas Herrlicheres, 

als über den Feind zu triumphieren? 

Folge mir, und ich lege 

den Bischof Franziskus in deine Hand.

JAN:

Könntest du das machen?

MÖNCH:

Hast du Mut?

JAN:

Ich habe Mut!

MÖNCH:

Dann folge mir. 

Ich führe dich zum Bischofshaus 

und liefere ihn in deine Hand, 

und du führst ihn gefesselt zurück nach Münster. 

Du, du allein, bevor dein Volk 

sich dessen bewusst wird, 

und dein Triumph wird groß sein.

JAN:

Könntest du das wirklich? 

Und was soll ich dafür tun?

MÖNCH:

Ich möchte, dass du nichts tust.

JAN:

Nichts?

MÖNCH:

Nichts. Fast nichts.

JAN:

Aber etwas?

MÖNCH:

Nichts!

Lass die Menschen so leben, wie sie leben wollen, 

und leben wie die Tiere. 

Und nie wieder Gott anrufen.

JAN:

Satan! Hebe dich von mir!

MÖNCH:

Komm, Jan, ich lege dir 

den Bischof Franziskus in die Hand!

JAN:

Weg! Weg! Hebe dich von mir!


(Sie ringen.)


MÖNCH:

Komm, komm, Jan!

JAN:

Herr! Herr!

STIMMEN VON OBEN:

Johannes! Johannes!


(Der Mönch verschwindet. Schwaches Mondlicht.)


JAN:

Wer ruft mich? Ich höre!

STIMME:

Jan! Ich bin bei dir!

JAN:

Herr! Herr! Gott!

Ich verstehe dein Zeichen, 

ich, dein Knecht Jan! 

Gelobt seist du in alle Ewigkeit!


(Drei Kinder im Alter von zehn bis fünfzehn Jahren kommen zurück. Sie schauen sich schüchtern um. Sie wollen gerade an die Tür klopfen, als sie Jan erkennen.)


ERSTES KIND:

König Jan!

ZWEITES KIND:

König Jan, gib uns Brot!

JAN:

Was willst du? Was suchst du in der Nacht?

DRITTES KIND:

König Jan! Warum ist dein Gesicht so nass?

ERSTES KIND:

Wir sind hungrig!

JAN:

Geht nach Hause. 

Eure Eltern werden sauer sein.

ZWEITES KIND:

Wir haben keine Eltern. 

Die Eltern sind tot. 

Die Tür des Hauses steht immer offen. 

Aber wir haben Hunger, Jan.

JAN:

Du bist hungrig? 

Morgen sollt ihr Weißbrot essen 

und aus Mehl und Eiern gebackene Kuchen. 

Komm, ich will dir etwas zeigen. Komm!

Siehst du die Pracht, die in der Ferne leuchtet? 

Dort! Im Himmel! Siehst du?

ERSTES KIND:

Ja, Jan, ich sehe das Strahlen.

JAN:

Das ist Gottes himmlisches Königreich, 

das auf die Erde herabsteigt. 

Siehst du Gottes heiliges Reich 

am Himmel schimmern? Siehst du es?

ZWEITES KIND:

Ja, Jan!

JAN:

Vielleicht sind meine Füße zu müde, 

um hineinzugehen. 

Vielleicht hat Gott anders entschieden. 

Vielleicht bin ich nicht würdig, 

meinen Fuß über die Schwelle 

des Königreichs zu setzen. 

Aber du, du, du wirst in das Königreich eintreten 

und gesegnet sein.

ERSTES KIND:

O König Jan! Wir lieben dich!

JAN:

Siehst du das Feuer am Himmel stehen?

KINDER:

Wir sehen es! Wir sehen es!

JAN:

Siehst du, siehst du? 

Das ist Gottes heiliges Zeichen!

KINDER:

Wir sehen es, Jan!

JAN:

Herr Gott, du hast deinen Knecht gehört! 

Gepriesen sei dein Name für immer!


(Die Kinder ab.)


Diener, auf! Auf, Diener! 

Geht, König Jan befiehlt euch. 

Geht auf die Wälle zu den Brüdern 

und verkündet, was ich euch sage: 

Der Herr ist mit Münster! 

Unser ist der Sieg! 

Das Reich Gottes ist gekommen!

DRITTER LANDSKNECHT:

Geh schlafen, Jan. 

Wir werden für dich aufpassen.

JAN:

Der Herr ist mit Münster! 

Unser ist der Sieg!

DRITTER LANDSKNECHT:

Seid ihr bereit?

STIMMEN:

Wir sind bereit!

VIERTER LANDSKNECHT:

Jan darf sagen, was er will. 

Auch der Teufel konnte Münster nicht retten. 

Die Straßen riechen bereits nach Leichen. 

Vorwärts, oder morgen schneiden sie 

Riemen aus unseren Häuten.

DER ERSTE LANDSKNECHT: 

Wenigstens haben wir Münster etwas hinterlassen... 

Wir haben uns nicht undankbar gezeigt! 

ZWEITER LANDSKNECHT: 

Wir werden uns in den Weidenbüschen verstecken 

und uns dann ins Getümmel stürzen. 

Wartet auf mich!


(Jan und Landsknechte ab.)


(Wenzel von der Langenstraaten erscheint. Neben ihm erscheinen zwei oder drei Gestalten. Eine Gestalt im Hemd huscht mit schriller Stimme über die Szene.) 


GESTALT IM HEMD:

Verrat! Verrat!