Ein dramatisches Gedicht
Von Torsten Schwanke
ERSTE SZENE
FAUST:
Ich such im Buche die Gelehrsamkeit
Und finde nicht im Buch die Wissenschaft,
Ob ich durchwanderte auch alle Bücher,
Die Weisheit ist mir dennoch fern geblieben,
Ich hab den Stein der Weisen nicht gefunden.
Unglücklich bist du, Faust! Ich dachte immer,
Es müsse einmal doch die Weisheit kommen,
Doch alles ist vergebens, alles eitel.
Nun habe ich ein kluges Werk verfertigt,
Ein Jahr hab ich daran mich abgemüht
Und habe es dem Publikum gebracht,
Was ist der Lohn für meine Müh und Arbeit?
Noch nicht einmal den Lohn des Tagelöhners
Bekomme ich, den Lohn des Taugenichts,
Den Lohn des Lumpenproletariats
Bekomme ich und bin doch ein Gelehrter.
O Vaterland, o Vaterland, o Deutschland,
Mit Armut lohnst du deine Philosophen?
So lohnst du die durchwachten Nächte mir,
Da ich studiert die Kirchenväter alle?
Nicht länger will ich warten, ich will forschen,
Will das Geheimnis der Natur ergründen.
Wer schützt mich aber vor dem scharfen Frost,
Wenn meine Hütte hier zusammenbricht?
Wer kleidet mich, wenn dieses Kleid zerreißt?
Und all die Gläubiger, die lauern schon!
Gefängnis droht mir, wenn ich nicht bezahle.
Ich habe alle Lust der Welt genossen,
Die Welt ist eine lächerliche Posse,
Man weiß nicht, soll man weinen oder lachen?
O Schicksal! Zeig mir Einen weisen Mann,
Nachfolgen will ich ihm auf meinen Knien.
Doch die Theaterwelt der Marionetten
Verachte ich und keine Marionette
Ists wert, dass man bewege ihre Fäden.
Weg mit dem mikrologischen Geschwätz!
Zerfetzte Leidenschaften, das ist alles!
Weg mit dem Plunder, weg mit ihm ins Feuer!
Nur mit den Toten will ich fortan reden...
ZWEITE SZENE
STUDENT WAGNER
Was lärmst du, Kerl, in meines Meisters Zimmer?
HARLEKIN
Nenn mich nicht Kerl, ich habe einen Vollbart!
WAGNER
Wo kommst du her, wo gehst du hin? Wer bist du?
HARLEKIN
Ich? Wer ich bin, das weiß nur Gott allein.
WAGNER
Und hast du keinen ehrenhaften Vater?
HARLEKIN
Mein Vater ist ein Erbe, er beerbt
Großmütter, denn er lebt von ihrem Tode,
Fürwahr, mein Vater ist ein Totengräber.
WAGNER
Und hast du keine ehrenhafte Mutter?
HARLEKIN
Sie fuhr auf einem Holzstoß in den Himmel!
Die Kirche sagte, sie sei eine Hexe.
WAGNER
Und hast du keinen ehrenhaften Bruder?
HARLEKIN
Mein Bruder fährt mit Einem Wagen los,
Zwei Wagen bringt er abends siegreich heim.
Mein Bruder ist ein Wegelagerer.
WAGNER
Und deine Eltern, sind sie noch am Leben?
HARLEKIN
Sie leben wohl, doch leider sind sie tot.
WAGNER
Mein Meister, soll er werden dir dein Herr?
HARLEKIN
So sag mir erst, wer ist dein Herr und Meister?
WAGNER
Herr Doktor Johann Faust ist ein Gelehrter.
HARLEKIN
Geleert sein kann ich auch so wie ein Weinkelch!
WAGNER
Ich, Wagner, schloß mit Satan einen Pakt...
HARLEKIN
Dem Satanas verschreib ich nicht die Seele,
Das wäre gegen die Gewissenspflicht.
Wird mancher durch den Teufel und den Mammon
Betrogen um sein christlich Seelenheil.
Was nützte mir der Reichtum und der Ruhm,
Sollt ich mit Satan meinen Rotwein zechen,
Ist Satans Wein doch nichts als Drachengeifer.
Nein, ehrlich bleibe ich bei Brot und Wein
Und lach mit Gott den armen Teufel aus!
DRITTE SZENE
PICO DELLA MIRANDOLA
Was heißt ein Magier, was ist denn das?
Das Wort ist persisch, heißt, ein Philosoph,
Ein Magier, das ist ein weiser Mann.
Die Gallier nennen solche nun Druiden,
Die Juden nennen sie Propheten, Seher,
Auch Schriftgelehrte oder Kabbalisten,
Die Inder aber nennen sie Brahmanen,
Ägypter aber schlicht und einfach Priester.
Magie heißt also schlicht und einfach Weisheit.
So alle Wissenschaft von der Natur
Und den geheimen Kräften in der Schöpfung
Ist Weisheit oder heilige Magie.
Der Magier, das ist schlechthin der Weise,
Wie Aristoteles der Philosoph
Genannt wird und Virgilius der Dichter.
Doch wenn das Wort Magie wem Grauen einflößt,
Bedenke solch ein freier Christenmensch,
Daß schon in Christi Evangelium
Die Magier vom Morgenland genannt sind.
Es kamen Magier vom Morgenland,
In Christus Gottes Weisheit anzubeten.
Die weisen Magier vom Morgenland,
Gewiß, sie schlossen keinen Pakt mit Satan,
Sie folgten nicht des Aberglaubens Irrlicht.
In diesen Magiern die Weisheit Gottes
Lebendig war, sie kamen ja zu Christus,
Dem Christus, der den Satan überwindet.
So sollen alle freien Christenmenschen
Das Wort Magie als Weisheitskunst verstehen.
Daß meine Studien der Magie, so sagt man,
Verwirrung in den Christenköpfen wirkte,
Ist Torheit. Meine Studien der Magie
Bewirken tieferes Verständnis, tiefe
Aufklärung über Christus, Gottes Weisheit.
Die Philosophen sagen nämlich alle,
Daß geometrische Figuren und
Geheimnisvolle Zahlen der Magie
Besonders wirksam sind und dass in ihnen
Zugrunde liegt geheimnisvolle Weisheit.
VIERTE SZENE
PARACELSUS
Magie, was ist das? Ist verborgne Kunst
Und Weisheit übersinnlicher Erscheinung
In der Natur auf Erden. Was Vernunft
Und menschliches Verstehen nicht ergründet,
Ergründet man durch Künste der Magie,
Ist eine große und verborgne Weisheit,
Doch ist Verstand nur öffentliche Torheit.
Drum wär es gut, wenn auch die Theologen
Von Künsten der Magie zu reden wüssten
Und sie nicht einfach Hexenkünste nennten.
Die sie Doktoren in der Biblia
Und Meister heißen wollen, sollten wissen,
Wie sinnvoll ist die Weisheit der Magie.
Sie sollen zwar nicht magisch laborieren,
Doch gute Kenntnis haben der Magie,
Vertraut mit ihrer Kraft und Wirksamkeit.
Dies für die heiligen Mysterien,
Die in der Biblia verborgen ruhen,
Geredet durch Apostel und Propheten
Und unsern Meister Christus selbst, die Weisheit.
Das können wir mit menschlichem Verstand
Nicht rational ergründen und verstehen.
Denn welcher Theologe, welcher nicht
Magie ergründet, könnte je Dämonen
Vertreiben oder böse Geister bannen?
Wer ohne die Magie kann Kranke heilen
Und andern Beistand leisten kranken Seelen
Und sonst ein Werk allein aus Glauben tun,
Dem Berg gebieten, in das Meer zu stürzen?
Die Theologen reden viel von Christus,
Verstehen wenig nur von Christi Weisheit,
Obwohl er stets auf ihrer Zunge ist.
So kennen sie doch nicht die Macht der Weisheit,
Sie reden viel und lehren viel von ihm,
Doch können selbst sie keine Wunder wirken.
Und wenn dann einer kommt, der Zeichen setzt,
So nennen sie ihn einen Zauberkünstler,
Weil seine Weisheit über den Verstand
Des kleinen Mannes ist. Sie wissen nicht,
Magie von Hexerei zu unterscheiden.
Doch soll des Magiers geheimes Wissen
Nicht Aberglaube werden und missbraucht,
Den Menschen zum Verderben und zum Schaden.
Sonst wird es Zauberei und Hexerei,
Wie Hexen magisch böse Geister rufen
Und sich umgeben mit den bösen Geistern
Und wälzen sich wie Säue in dem Kot.
FÜNFTE SZENE
EIN THEOLOGE
Cornelius Agrippa Nettesheim
Schloß doch als Magier den Pakt mit Satan?
Ich hörte solches auch von Paracelsus,
Der schloß als Zauberer den Teufelspakt?
Der Teufel hat Agrippa in Gestalt
Begleitet eines Hundes, der beim Tod
Des Magiers, okkulten Philosophen,
Verschwunden ist, wie aufgelöst in Rauch.
JOHANNES WIERUS
Als Schüler des okkulten Philosophen
Agrippa muß ich dazu dies erklären:
Der Hund Agrippas hörte auf den Namen
Monsieur. Ich kannte diesen Hund sehr gut.
Denn wenn ich mit Agrippa ging spazieren,
So ging der Hund Monsieur an seiner Seite.
Es war der Hund von männlicher Natur,
Agrippa brachte ihn von Zeit zu Zeit
Zu einer Hündin in der Nachbarschaft,
Agrippa rief die Hündin Mademoiselle.
Die Sage, dass der Hund der Teufel sei,
Entstand wohl daraus, wie ich glaube, weil
Agrippa diesen Hund so kindisch liebte,
Oft küsste er den Hund auf seine Schnauze,
Auch lag der Hund mit seinem Herrn zu Tische,
Auch lag er nachts bei ihm auf seinem Bett.
Auch sprach man von dem Teufelspakt Agrippas,
Weil er zwar selten aus dem Hause ging
Und tagelang studierte in dem Zimmer,
Er dennoch allezeit war unterrichtet,
Was in der großen weiten Welt geschah.
Die Narren schrieben das dem Teufel zu,
Dem Dämon, der in seinem Hunde stecke.
In Wahrheit aber wusste er sehr viel,
Weil er bis weit ins gelbe Reich der Mitte
Mit den Gelehrten geistig war verbunden.
SECHSTE SZENE
FAUST
Ich bin nun wieder gleich dem jungen Menschen
Bei dem Erwachen erster Leidenschaft!
Ich bin doch Tag und Nacht von Üppigkeit
Umlagert der erotischen Gemälde
Und glühend such ich die Gelegenheit.
Und käm die Göttin der Gelegenheit,
So wäre ich zu scheu, sie zu benutzen.
Ja, sicher würde ich’s nicht einmal merken,
Daß sie gekommen, die Gelegenheit.
Kursichtig bin ich, schaue nur nach innen.
Verliebt bin aber ich in Margarethe!
Doch bin ich nicht verliebt in Margarethe,
Erkenn ich Margarethe doch nicht wieder,
Wenn sie mir auf der Straße kommt entgegen.
Ich liebe nur das Bild von Margarethe,
Die Mädchengöttin meiner Phantasie.
Das Gretchen, das ich liebe, ist die Leinwand,
Die Phantasie malt drauf die Mädchengöttin.
Ich hörte einmal einen Weisen sagen
Und weiß nicht, ob ich selbst der Weise war,
Er sei verliebt, doch wisse nicht in wen!
Das ist die wahre Liebeskunst der Jugend.
ALTER PASTOR
Mein lieber Doktor Johann Faust, das Glück
Besteht in Selbstbegrenzung, Seelenfrieden.
Den Teufel schick nur fort und lös den Bund
Und suche Ruhe für den Rest des Lebens.
Senk dich mit Liebe in den Alltag ein
Der menschlichen Verhältnisse und schmecke
Die Süßigkeit, die in dem Alltag steckt,
Wenn du bereit bist, dich ganz hinzugeben.
Dann wollte ich, du träfest einen Knaben
Und würdest, Philosoph, ein Pädagoge.
Wie Aristoteles den Alexander,
So würdest einen David du erziehen
Und einen Herkules und Michael!
Dann wollte ich, du lerntest eine fromme
Familie kennen, einen Patriarchen
Und eine marianische Matrone,
Und sähst das Glück der ehelichen Liebe.
SIEBENTE SZENE
FAUST
Daimonium, o Mephistophela,
Nimm mich auf deine Flügel, laß uns fliegen,
Betrachten wir die Königin Europa!
MEPHITOPHELA
Hier die Karpaten mit dem Flusse San,
Hier Österreich bereitet sich zur Hochzeit,
Germanien hier, die blonde, bleiche Mutter,
Hier Böhmen mit dem Wein der Poesie,
Hier Schlesien mit seiner Dichterschule,
Hier Meissen mit dem Gold von Porzellan,
Hier Frankenland mit seinen Bergen, Burgen,
Hier Schwabenland mit Minne-Manuskripten,
Hier Bayern mit den Füchsen in den Wäldern,
Hier Preußen mit dem Sinn für Sauberkeit,
Hier Friesland mit dem Deich und mit dem Meer,
Hier Holland mit den Grachten und den Brücken,
Westfalen hier, der Dom von Paderborn,
Hier Frankreich und Paris, die Stadt der Liebe,
Schau hier das Baskenland, die Pyrenäen,
Hier Spanien schau, die Heimat Don Juans,
Hier Portugal mit seinen Tejo-Nymphen,
Venedig hier und Roma und Neapel,
Hier Ungarn, Königreich des Königs Stephan,
Hier wieder Wittenberg, die Heimatstadt.
FAUST
Daimonium, gleich wieder auf die Fahrt!
MEPHISTOPHELA
Wir wollen wieder nach Paris in Frankreich,
Studieren wollen wir auf der Sorbonne.
Dann wollen sitzen wir am Vater Rhein,
Nimm aber dich vor Lore Lay in Acht!
Dann wollen wir noch einmal nach Venedig,
Mit Marco Polo über China sprechen.
Dann wollen steigen wir auf den Vesuv
Und dann hinüber nach Siziliens Gärten,
Ob wir Nausikaa im Garten treffen?
Dann wollen wir hinüber zu den Inseln
Der afrikanischen Kanaren im
Atlantik, ob wir noch Atlantis finden?
Dann aber kehren wir zurück nach Prag,
Mit dem Spione Null-Null-Sieben sprechen
Im Goldnen Gässchen wir von Gloriana.
Die weiße Lilie und den roten Löwen
Vermählen wir und zeugen so im Glas
Homunculus, den geistgebornen Sohn.
ACHTE SZENE
FAUST
Ein Jünger Epikurs als Philosoph
Und Schüler in der Liebeskunst Ovids
Sticht mich die Aphrodite Tag und Nacht!
So will ich nehmen mir ein Weib ins Bett!
Sprich, Mephistophela, was ist die Ehe?
Gott stiftet doch den ehelichen Bund.
MEPHI.
Du wolltest dienen doch dem Geist allein!
Zwei Herren kannst du ja nicht dienen, Faust,
Dem Eheweibe und zugleich dem Geiste.
Der Ehebund gestiftet ist vom Himmel,
Dämonen lieben Ehebruch und Unzucht.
Drum, Doktor Faust, nimmst du ein Weib ins Bett,
Dann komme ich und werde dich zerreißen!
Faust, denk, ein Eheweib bringt Zank und Zorn,
Bringt Unruh, Widerwärtigkeit und Ärger,
Bringt üble Laune, Leidenschaften, Torheit!
FAUST
Du, Mephistophela, sprichst wie ein Mönch,
Wie Mönche ja den Ehebund verschmähen.
Ich aber muß ein Weib im Bette haben!
MEPHI.
Das Feuer brenne deine Wohnung nieder!
FAUST
Hilf, Mephistophela, die Wohnung brennt!
Ein heißer Feuersturm durchrast die Wohnung!
Hilf, Geist, und rette deinen Knecht und Jünger!
MEPHI.
Willst immer noch ein Weib im Bette haben
Und bist noch nach dem Ehestand gesinnt?
FAUST
Ich habe doch dem Geist allein gelobt
Zu widmen meinen Geist und all mein Leben,
Doch haben Epikur, Ovid und Venus
Mich angefochten. Ich bereue! Gnade!
MEPHI.
So du dem Geist allein gelobst die Treue,
Gelobst dem Geiste, ehelos zu bleiben,
So will ich, weil du Keuschheit nie gelernt,
Allnächtlich Huren dir ins Zimmer bringen.
Und schaust du irgendwo ein schönes Weib,
Gebiete nur dem Geist, ich bring sie dir
Und lege nackt sie zu dir in das Bett.
FAUST
Ich bebe sehr vor Wollust und Begierde!
NEUNTE SZENE
LUTHER
Melanchthon, höre meiner Rede zu!
In Erfurt war ich Augustinermönch.
In Erfurt aber ist ein schmaler Raum,
Ein Spalt nur zwischen Häusern, voller Kot,
So schmal der Spalt, kein Mann kann da hindurch,
Faust-Gasse wird der enge Spalt genannt.
Einst trieb der Doktor Faust sein Zauberwesen
In Erfurt auch und machte Zauberstücke.
Er hatte einen Wagen voller Heu,
Zwei starke Pferde zogen diesen Wagen.
Mit diesem Pferdewagen voller Heu
Fuhr Doktor Faust nun durch den engen Spalt.
So eng die Spalte, kam kein Kind hindurch!
Er aber fuhr hindurch auf seinem Wagen.
Da war das Volk von Erfurt sehr verwundert
Und staunte über dieses Faust-Mirakel.
Da aber trat ein Augustinermönch
In Erfurt auf, der nahm ein Ärgernis
An solcher Art satanischer Verblendung.
Da sprach der fromme Augustinermönch
Ein exorzistisches Gebet, und siehe,
Der Pferdewagen mit dem Heu verschwand,
Zurückgeblieben sind zwei rote Hähne,
Die trugen in den Kämmen etwas Gras.
Die roten Hähne aber rannten schreiend
Davon, und alles Volk zerstreute sich,
Der Doktor Faust entfloh in Windeseile.
MELANCHTHON
Der Augustinermönch warst du, o Luther?
LUTHER
Der Knecht des Herrn, Martinus Luther, ja!
MELANCHTHON
Und welches exorzistische Gebet
Sprach dazumal der Augustinermönch?
LUTHER
Sankt-Anna-Selbdritt, hilf, Großmutter Jesu!
ZEHNTE SZENE
MELANCHTHONS SCHÜLER
Du Lehrer Deutschlands, kennst du Doktor Faust?
MELANCHTHON
Ich habe diesen Doktor Faust gekannt,
Nah meiner Heimat Bretten sah ich ihn.
In Krakau hat er die Magie studiert,
Zu Krakau wurde einst Magie gelehrt,
Vorlesungen gehalten wurden damals
In Krakau über die Magie und Weisheit.
Dann schweifte er umher an vielen Orten
Und lehrte von geheimnisvollen Dingen.
Aufsehen Faust erregte in Venedig,
Er sprach, er werde in den Himmel fahren.
Der Dämon hob ihn also in die Höhe
Und ließ ihn wiederum zur Erde fallen,
Daß er von seinem Sturze auf die Erde
Fast aufgegeben hätte seinen Geist.
Einst saß der Doktor Faust zu Tod betrübt
In Württemberg, die Wirtin fragte ihn,
Warum der Doktor so voll Trauer sei,
Er sei doch sonst ein lustiger Geselle,
Er war doch sonst ein Schelm, ein Lotterbube,
Und führte auch ein liederliches Leben,
So dass er einmal und ein zweites Mal
Fast wegen Minne umgekommen wäre!
Zur Wirtin sagte er in Württemberg:
Erschrick nur nicht in dieser Mitternacht!
Um Mitternacht die Wirtin aber hörte
Ein Hundebellen und ein Hundeheulen.
Die Fenster und die Türen gingen auf.
Am Morgen trat das Weib in seine Kammer
Und sah den Doktor auf dem Boden liegen
Verdrehter Augen und verrenkter Glieder.
So hatte ihn um Mitternacht geplagt
Der Lüge Vater, dieser böse Teufel!
Der Doktor Johann Faust, der Magier,
Ein wildes Vieh, Kloake der Dämonen,
Sprach: Alle Siege der Katholischen
Armeen in dem Großen Glaubenskriege
Hab ich durch meine Künste der Magie
Verschafft dem Kaiser und dem Papst in Rom!
ELFTE SZENE
MELANCHTHON
Du Teufelsbube Faust in deiner Unzucht!
Nun treibst du dich herum in Wittenberge,
Willst Gottes Knecht Philippus auch noch plagen?
Recht derb will ich dir die Leviten lesen!
Ja, schelten muß ich dich und dich vermahnen,
Von der Magie beizeiten abzustehn,
Es möchte sonst ein böses Ende nehmen!
FAUST
Ich kehr mich nicht an deiner Kanzelpredigt.
MELANCHTHON
Ich habe nun am Vormittag studiert
In den Propheten. Ich studierte in
Der Schrift Jesajas Evangelium.
Gebetet habe ich und viel gefastet.
Einnehmen will ich nun mein Mittagsmahl
Und lad dich ein, mein Doktor Johann Faust,
Muß auch der Berg erst zum Propheten kommen.
FAUST
Philippus, derb liest du mir die Leviten,
Ich solle nicht beschwören Totengeister
Und nicht befragen Zeichen und Orakel.
MELANCHTHON
Zu Gottes Wort allein und Offenbarung!
Das deutsche Volk soll seinen Gott befragen!
Und sagst du nicht: Zur Biblia allein –
So geht dir nimmer auf die Morgenröte!
FAUST
Du machst nur Worte, aber ich tu Wunder!
So liest du wieder derb mir die Leviten
Und willst zum Worte Gottes mich bekehren,
So wirke ich durch meine Zaubermacht,
Daß die gebratnen Hühnchen allesamt
Auffliegen und durch deinen Schornstein fliehen!
Du hast dann kein gebratnes Hühnchen mehr!
Dann nähre dich allein vom Sakrament
Und von der Biblia aus Gottes Munde!
Gebratne Hühnchen gibt es dann nicht mehr!
MELANCHTHON
Das sollst du unterlassen, Magier!
Ich scheiß auf deine Künste der Magie!
ZWÖLFTE SZENE
DER HERZOG VON PARMA
Mein lieber Doktor Faust, kannst du beschwören
Vier liebe Tote aus dem Totenreich?
Ich lese immer in den Schriften Gottes,
Ich lieb des Alten Testamentes Frauen
Und träume nachts von ihnen Wollust-Träume!
Und wenn ich seufze dann im Schlaf und stöhne,
Ist eifersüchtig meine Frau und Fürstin.
FAUST
Wen soll ich dir beschwören, Herzog? Vaschti?
Soll ich die Schönheit Vaschti dir beschwören?
HERZOG
Beschwöre mir die Mütter des Messias!
FAUST
Vier Mütter hat der jüdische Messias.
Als Erste rufe ich die Hure Rahab!
Schau, Rahab! Sie war wirklich eine Hure!
Und warum gibt’s so viele Huren in
Der Bibel? Ha, so ist es in der Welt!
Die Hure ist die Mutter des Messias!
Die andre Mutter des Messias auch
War eine Hure – nur für Einen Tag,
Weil Onan ihr mit seiner Onanie
Nicht Leibesfrucht im Schoße zeugen wollte,
Gab Tamar sich als eine Hure hin,
Und Juda wohnte bei der jungen Hure!
Die dritte Mutter des Messias ist
Verführerin, auf sehr charmante Art!
Der Löser Boas nachts schlief in dem Kornfeld,
Da legte Ruth sich nachts zu seinen Füßen
Und schmiegte sich an ihn... er wachte auf
Und deckt sie mit dem Zipfel seines Rockes!
Die vierte Mutter des Messias ist
Bath-Scheva, das heißt: Tochter schönster Fülle!
Das war ein Stückchen! Schau! Es ist im Frühling,
Am Abend ist es immer noch sehr warm,
Der Sänger steht auf seiner Dachterrasse
Und fächelt sich ein frisches Lüftchen zu,
Wen sieht er aber in dem Nachbarhause?
Bath-Scheva! Plätschernd, nackt in ihrem Bad!
Die schaumgeborne Aphrodite Zions!
Der Sänger ihr judäischer Adonis!
HERZOG
Ah! Ewig möcht ich so Bath-Scheva schauen!
Ah, wie sie nackend in dem Schaumbad badet!
Uria aber soll zur Hölle fahren!
DREIZEHNTE SZENE
FAUST
Unsichtbar bin ich nun im Vatikan,
In dem Palast des Papstes, und ich sehe
Mundschenken und Mätressen! Solche Weiber,
Wie diese Bella Julia von Rom!
Ach! Hätt der Dämon mich zum Papst gemacht!
Es ist so recht ein Paradies auf Erden
In diesem Vatikane von Sankt Peter.
Und seh ich erst die Speisen auf der Tafel
Des Papstes, und den Wein in seinem Becher,
Ja, so ein Abendmahl gefällt mir gut!
PAPST
Herr, der du lässt die Frucht der Erde wachsen,
Ich danke dir, du König aller Welten,
Herr, der du lässt die Frucht des Weinstocks reifen,
Ich danke dir, mein Vater in den Himmeln!
Ich danke Gott mit diesem Kreuzeszeichen
Im Namen Gottes: Vater! Sohn! Und Geist!
FAUST
Ha! Haha, Haha! Wehe, wehe, weh mir!
PAPST
Madonna! Hör ich Lachen? Hör ich Weinen?
Doch sehe keinen Menschen in dem Raum.
Verlorne Seelen lachen so und heulen,
Verdammte dieser Erde, Gottesleugner!
Ich möchte diese Seele doch erlösen!
Maria! Freudig schaust du auf den Mönch,
Der trägt dein Kleid im reinen Karmel-Orden.
Schau auch auf mich, und diese Seele,
Du aller Menschen Mutter, und gewähre,
Daß wir dereinst im Himmelsparadiese
Als deine frommen Sklaven dir lobsingen!
FAUST
Ich nehm dem Papst von seiner Silberschale
Das Brot und Lammfleisch mit dem guten Kräutern.
Der Papst soll lieber fasten! Ich will schlemmen!
Nun nehm ich auch dem Papst die Flasche fort,
Sankt Petrus heißt der Wein, ein edler Tropfen!
Am Wein Sankt Petrus will ich mich besaufen!
Nun, mein Daimonium, auf deinen Flügeln
Will ich hinüberfliegen nach Atlantis!
MEPHI.
Wie du gebietest, o mein Herr und Meister.
VIERZEHNTE SZENE
BENEDIKTINER
Willkommen, Bruder, Doktor Johann Faust,
Hier gilt nicht deine Kunst und deine Weisheit,
Hier giltst du als ein kleines Gotteskind.
FAUST
Heut möcht ich übernachten in dem Kloster,
Doch brauche ich als einen Schlummertrunk
Ein Fläschchen Wein. So schenk mir ein, mein Vater!
BENEDIKTINER
Der Vater Benedikt in seiner Regel
Sagt Folgendes: Es sagen manche Weise:
Für Mönche schickt es sich nicht, Wein zu trinken.
Doch einer so, der andre so veranlagt.
Wenn aber nun ein Bruder Wein verlangt,
So trinke er ein Gläschen nur, nicht mehr.
Und gibt es einmal keinen Wein am Abend,
Er murre nicht im Herzen und im Munde
Und trinke von der keuschen Schwester Wasser.
Dir aber, Bruder in dem Herrn, mein Weiser,
Dir schenk ich ein von der Liebfrauenmilch...
FAUST
Bei Bacchus’ Blut! So zuckersüßen Weißwein
Und billigen Verschnitt schenkst du mir ein?
Ja, soll der Kopfschmerz mir den Schädel spalten?
Geh in den Keller, hol den guten Wein!
Ich bitt dich, bring mir Chateauneuf-du-Pape!
BENEDIKTINER
Der Vater Abt hat aber nur den Schlüssel
Zum Keller mit den allerbesten Tropfen.
Und Vater Abt liegt leider schon im Bett.
Und wecken darf ich nicht den Vater Abt.
FAUST
Beim Sakrament! So send ich deinem Kloster
Den Unholdsgeist mit Namen Vitzliputzli!
Der stiftet Krieg, viel Lärm und Schreierei
Und Zank und Zorn! Der raubt den Frieden euch
Und raubt euch Ruh und Stille an dem Tag!
Der schmeißt euch um die Kelche und die Kerzen
Und reißt euch die Ikonen von der Wand!
Komm, Vitzliputzli, Vater Satans Bastard!
BENEDIKTINER
Gegrüßet sei Maria voller Gnaden!
FÜNFZEHNTE SZENE
FAUST
Umschlungen, Brüder ihr vom freien Geiste!
Und wisst ihr, wo wir sind? Wir sind im Keller
Des lieben Paderborner Bischofs Bernhard.
Hier wollen weiter wir vom Rotwein zechen!
ZWEI WIEDERTÄUFER
Die Pfaffen saufen doch den besten Wein
Und predigen die keusche Schwester Wasser!
FAUST
Und wenn ich sterben muß – beim Sakrament!
Begrabt mich in dem Keller voller Wein,
Die Füße mir bestattet an der Mauer,
Das Haupt bestattet unterm Weinfaß mir!
Strömt auf die Lippen mir das Blut des Herrn,
So werd ich auferwachen von den Toten!
DIE WIEDERTÄUFER
Wir wollen dich noch taufen in dem Wasser,
Das unser Herr in besten Wein verwandelt!
KNABE SCHENKE
Ihr Männer, stört nicht meines Bischofs Ruhe,
Der Paderborner Bischof Bernhard schläft.
Wollt ihr hier meines Vaters Rotwein stehlen?
So also schleicht der Dieb um Mitternacht?
FAUST
Ihr Brüder von dem freien Geist! Ihr Täufer
Von Münster! Seht ihr diesen Knaben Schenken?
So goldig lockig seine Lockenfluten,
So strahlend blau die himmelvollen Augen!
Die süßen Lippen küssten oft den Bischof!
Du kommst mir vor, geliebter Knabe Schenke,
Du bist der Amor! Wo sind deine Flügel?
KNABE SCHENKE
Mein lieber Vater Bernhard sagt mir oft,
Mein Name sei in Wahrheit Ganymed,
Gott-Vater wolle mich als seinen Schenken!
FAUST
Ich bin entzückt, geliebter Knabe Schenke!
Komm, Mephistophela, und breit die Flügel
Und trage deinen Faust und diesen Knaben
Rasch nach Bordeaux! In einem Pinienwald
Der Schenke schenke ein des Gottes Blut!
SECHZEHNTE SZENE
PÖBEL
O Doktor Johann Faust, wir hörten viel
Von deinen Weisheitskünsten der Magie.
Laß uns ein Zeichen und ein Wunder sehen!
FAUST
Gemeiner Pöbel, pisst nur in die Nesseln!
Ihr seid doch meiner Weisheitskunst nicht wert!
PÖBEL
Wir drängen: Offenbare deine Kunst!
FAUST
Was denn begehrt ihr für ein Wunderzeichen?
PÖBEL
Der Winter herrscht in diesem deutschen Lande!
Der Frost erfriert uns unsre kalten Herzen!
Die Finsternis ist ohne Glut und Feuer!
So schaff du uns im Winter einen Weinstock!
FAUST
Ich sage nur: Es sei! Und also ist es!
Hier, schaut den Weinstock wachsen aus dem Tisch,
Der Eine Weinstock ists der ganzen Menschheit.
Bleibt ihr nur Reben dieses Einen Weinstocks,
Dann wird die Grünkraft des vitalen Triebes
In eure Trauben strömen, eure Brüste!
So schenkt ihr Wein der Liebe allen Menschen!
Doch dieser Weinstock ist ein wundervoller,
Und jedem anders schmeckt des Weinstocks Blut.
PÖBEL
Was ist das für ein Wein, den du uns einschenkst?
FAUST
Das ist der weiße Schaumwein der Chinesen.
Das ist der rote Süßwein Indias.
Das ist der Wein des Huri-Paradieses.
Das ist das koschere Getränk vom Karmel.
Champagner ist es, Schaumwein von dem Don.
Das ist der Wein Shiraz, der Wein Bordeaux.
Und sollte wer Westindien entdecken,
Dann ist es Rotwein aus Westindien.
PÖBEL
Wir haschen Trauben, wilde Trinker wir,
Wir greifen diesen Trauben an die Brüste!
FAUST
Fort ist der Zauber! Fasst an eure Nasen!
Wir mächtig sind doch eure roten Nasen!
Ihr fasstet nicht den Trauben an die Brüste,
Ihr fasst euch nur an eure eigne Nase!
Geh, Pöbel, geh und pisse in die Nesseln!
SIEBZEHNTE SZENE
FAUST
Ich habe mich verkleidet als der Papst
Und trete als der Papst vor Soleiman,
Den Kaiser aller Türken von Byzanz.
SOLEIMAN
Wer bist du, Heiligkeit, o Gottgesandter?
FAUST
Ich, Siegel der Propheten, Mohammed,
Ich grüße Soleiman, den weisen Kaiser.
SOLEIMAN
Prophet des Allbarmherzigen-Allweisen!
FAUST
Ich, Mohammed, ich will in deinen Harem,
Ich sehne mich nach deines Harems Huris.
EUNUCH
O Mohammed, der Friede sei mit dir,
Des Harems Huris warten nur auf dich!
FAUST
Von allen Huris aus des Weisen Harem
Ich offenbar mich nur der Huris Herrin,
Der schönsten Haura mit den Mandelaugen!
MEPHI.
Ist tiefe Mitternacht im Paradiese,
Die Sonne schlafen ging im Meeresbett.
HAURA
O Mohammed, du Siegel der Propheten,
Wie Gottes Sonne in dem Orient
Hinansteigt, Gottes Funken, Gottes Geist,
So seh ich dich von mir gen Himmel fahren!
SOLEIMAN
Ihr alle meine vielgeliebten Huris,
Ihr Kaiserinnen und ihr Konkubinen
Und Mädchen ohne Zahl, so sagt mir an,
War Mohammed bei euch, der Gottgesandte?
HAURA
O Weisester der Weisen, o mein Kaiser,
O Soleiman, du mehr als Salomon,
Der Gottgesandte war in meiner Kammer,
Er aß mit mir und trank mit mir und sprach
Mit mir von der Magie der Liebeskünste.
Das Siegel der Propheten, Mohammed,
Hat wahrlich vierzigfache Manneskraft!
Ja, niemals wird ermatten seine Latte!
IMAN
Weib, das ist Blasphemie! Du wirst gekreuzigt!
HAURA
Nein, Mohammed, das ist ein wahrer Mann!
Er ist ein Instrument der Liebe Gottes
Und ich bin seine auserkorne Braut!
Er liebte mich mit allen Liebeskünsten!
ACHTZEHNTE SZENE
FAUST
O Mephistophela, auf deinen Flügeln
Mich trage in die Stadt Jerusalem!
Ist wohl noch keiner ein Prophet gewesen,
Der nicht geritten nach Jerusalem.
MEPHI.
Mir ist nicht wohl dort in Jerusalem,
Die Juden riechen alle wie der Weihrauch.
FAUST
Karfreitag ist es. Und nun sind wir da.
Und vor den Mauern von Jerusalem
Hängt Jesus Christus immer noch am Kreuz!
MEPHI.
Der Heiland also hat den Tod besiegt
Durch seine Kreuzigung und Auferstehung
Und bringt den Menschen Leben immerdar
Im Paradies, wenn sie dem Heiland glauben.
Doch leidet Christus immer noch am Kreuz,
Denn Undank ist der schnöden Menschen Lohn.
FAUST
Hol eine Leinwand, male mir ein Bild
Vom Angesicht des Schmerzensmannes Jesus!
Und schreibe über Jesu Christi Antlitz
Den Namen Nazarenus, Juden-König!
MEPHI.
Bei deinem Blut und deinem Bund mit mir,
Ich kann dir malen nicht des Heilands Antlitz
Und kann auch schreiben nicht: Herr Jesus Christus!
Du aber, Faust, bekehre dich beizeiten,
Sonst trifft am Jüngsten Tag dich Gottes Zorn!
Sag du nur Ja zum König Jesus Christus
Und durch den Christus Ja zu Gott dem Vater,
Dann kommst du auch ins Neu-Jerusalem.
FAUST
Was ist mir Gott und was das Paradies?
Was frage ich nach billiger Vertröstung?
CHOR DER ENGEL
O Haupt voll Blut und Wunden, dorngekrönt!
FAUST
Ihr Himmlischen! Ich werde gar zum Christen!
MEPHI
Den Rabbi Jesus kann ich malen nicht,
Doch mal ich gut die Göttin Aphrodite,
Die schaumgeboren auf der Muschel kömmt,
Der Schönheit und der Liebe nackte Göttin!
Schau diese Brüste an und diesen Schoß!
FAUST
Ich bin ganz dein, o Göttin Aphrodite!
NEUNZEHNTE SZENE
STUDENT DER ALTPHILOLOGIE
Gelobt der Wein, gelobt die schönen Frauen!
FAUST
Wer aber ist die schönste Frau der Welt?
Frau Eva nackend in dem Garten Eden?
Semiramis in ihrem Babylon?
Kleopatra, die menschgewordne Isis?
STUDENT
Gewiß die schöne Helena von Sparta!
Die würd ich allzu gerne einmal sehn!
FAUST
Auch Karl der Fünfte bat mich zu beschwören
Den großen Alexander mit Gemahlin.
Dir will ich nun an diesem Ostersonntag
Die allerschönste Helena beschwören,
Die Tochter Gottes und der Schwanin Tochter,
Der Dioskuren makellose Schwester,
Die Frau des schwarzgelockten Menelaos
Und seines Nebenbuhler Paris’ Buhlin,
Weil Paris Aphrodite gab den Apfel.
Komm, Helena von Magna Graecia!
HELENA
O, Aphrodite in dem goldnen Thron,
O Jungfrau, einfallsreiche Tochter Gottes,
Komm du herab auf deinem Taubenwagen,
Und steh du mir im Lebenskampf zur Seite:
Ich liebe, aber werde nicht geliebt!
FAUST
Ich aber liebe dich, o Helena!
Du bist fürwahr die Schönste aller Frauen!
Ich liebe dich im langen weißen Kleid,
Auf das die langen schwarzen Haare wallen,
Ich liebe deine lichten Mandelaugen
Und deine scharlachroten Rosenlippen,
Ich liebe deine apfelgleichen Brüste!
Der Apfel fällt vor Huldigung vom Baum
Vorm Apfel deiner hohen Götterbrust!
Dein Becken gleich ich einem Becher Mischwein!
STUDENT
Nun ist sie fort! Was für ein schöner Traum!
Wie gern besäß ich eines Künstlers Bild
Von Helena, sie immer zu besitzen.
FAUST
Ich werde Helena von Sparta bitten,
Dem Tizian im Traume zu erscheinen,
Ihm, der gemalt die Venus von Urbino.
ZWANZIGSTE SZENE
FAUST
Ich kann nicht leben ohne Helena!
Seit ich sie sah mit diesen meinen Augen,
Bedarf ich ihrer göttlichen Erscheinung,
Um völlig heil zu sein, ein ganzer Mensch!
Sie ist gewiß die Seele meiner Seele!
Bevor ich ward empfangen in dem Schoß,
Bevor ich ward von der Natur geschaffen,
War meine Seele selig in dem Äther
Und war vermählt mit Helena von Sparta,
Zwei Seelen wir, doch nur Ein Same Gottes!
O Mephistophela, bring Helena
Herbei, ich kann nicht atmen ohne sie!
MEPHI.
Bei Ashtarot, o Helena, herbei!
HELENA
Mein lieber Doktor Johann Faust, du bist
Der Himmel, bist der Äther, der Gedanke,
Ich bin das Meer, die Erde, die Empfindung.
FAUST
Ich bin Herr Geist, der zeugt nur in Frau Schönheit!
HELENA
Frau Schönheit bin ich, ich bin die Empfängnis!
FAUST
Ich, Adam bin ich in dem Paradies!
HELENA
Ich, Eva bin ich in dem Paradies!
FAUST
Und uns vereint die Schlange der Erkenntnis!
HELENA
Ich schenke dir die Feige der Erkenntnis!
FAUST
Von meinem Geiste bist du nun durchfruchtet!
HELENA
Den Sohn hab ich vom reinen Geist empfangen!
FAUST
Geliebte! Hymen, Hymenäus, Hymen!
HELENA
Geliebter! Hymen, Hymenäus, Hymen!
Den Sohn schau an, vom reinen Geist empfangen,
Gib du dem Sohn der Helena den Namen.
FAUST
Ich nenn ihn Justus Faust. So sprich, mein Sohn!
JUSTUS
Mein Vater in dem Geist ist Johann Faust,
Die Schönheit Helena ist meine Mutter,
Ich bin der reine Engel ihrer Liebe!
EINUNDZWANZIGSTE SZENE
KARMELITIN
Ich sehe, Doktor, du hast einen Dämon!
Schwör ab dem Feind und aller seiner Pracht
Und folge einzig Jesus Christus nach!
FAUST
Von Mephistophela kann ich mich aber
Nicht trennen, denn ich schloß mit Blut den Bund.
Ich kann nicht Mephistophela, den Dämon,
Und Jesus in dem gleichen Augenblick
Herr nennen, ich kann nicht zwei Herren dienen.
Zwar Jesus hat sein Blut für mich vergossen,
Mit meinem Blut schrieb aber ich den Bund
Mit Mephistophela, ich bin des Dämons!
Ach, bald ist meine Lebenszeit zuende.
KARMELITIN
Seit ich von Doktor Johann Faust gehört,
Bin ich Gebet für deiner Seele Heil
Und opfre deine Seele in der Messe
Dem Heiland auf, der Seelen Seligmacher.
FAUST
Du feire Messe nur für meine Seele.
Gleichgültig mir, ob Messe oder nicht.
KARMELITIN
Seit du den Pakt mit deinem Dämon schlossest,
Muß ich in sympathethischer Magie
In meiner Seele Höllenqualen leiden!
Der Herr gab deine Hölle meiner Seele!
Ich sehe Satanas, den Herrn der Ratten!
Ich bin in tiefster Gottverlassenheit
Und solcher Seelenqual und Todesangst,
Selbstmörder kann ich allzu gut verstehen,
Die hoffen, so der Hölle zu entkommen
Und sei’s auch nur hinauf ins Fegefeuer!
Doch lieber tausend Jahre Fegefeuer,
Als Eine finstre Nacht in solcher Hölle!
Doch will ich mich verdammen in die Hölle,
Solang ich lebe hier auf dieser Erde,
Daß deine Seele in den Himmel kommt!
Es ist der Christus, der dies in mir leidet!
FAUST
Du redest irre, du gehörst ins Tollhaus!
ZWEIUNDZWANZIGSTE SZENE
FAUST
Die Traurigkeit ist einfach unaussprechlich!
Die Seelenqual zehrt mir am kranken Herzen!
Ich kann nur seufzen meine Seelenqual
In dieser Nacht, wie oft ich schon geseufzt.
Ach Faust, dein Herz ist gar nicht liebenswert,
Dein Leben leider keiner Liebe wert!
Du hast dich selbst verführt, verführen lassen,
Nur Feuer kann dein Herz noch reinigen!
Wie lang muß dich das Feuer peinigen?
Du hättest Seligkeiten haben können
Und Herzensfrieden, tiefste Seelenruhe.
Doch deines Herzens Frieden ging verloren!
Wohin hat dich die Hure der Vernunft
Verlockt, wohin dich der Erkenntnishunger?
Du hast die Freiheit deines Willens, leider!
Von dieser Freiheit alles ist zu fürchten!
Weltweisheit hat und menschliche Vernunft
Das Leben dir geraubt und alle Liebe!
Ach, Körper! Du auch wurdest ausgebeutet,
Der Seelenhunger hat dich ganz vergiftet!
Der Seelendurst hat dich ersäuft, mein Körper!
Ach, hätte ich dir Himmelsbrot gegeben!
Geschändet habe ich des Geistes Tempel!
Der Liebe Schönheit, Hässlichkeit des Hasses,
Sie beide streiten sich um meine Seele!
Was hat die Liebe mir doch wehgetan!
Wie hat der Haß das Leben mir verbittert!
Gericht und Allerbarmen, diese beiden,
Gerechtigkeit und herzliches Erbarmen,
Sie beide streiten sich um meine Seele,
Der Ingrimm und die grenzenlose Gnade!
Was wird mir werden, Schande oder Lohn?
Ah, Zorn und Mitleid streiten sich um mich!
Bin ich erschaffen als vorherbestimmt
Zu der Verdammnis in der Ewigkeit?
Ach! Elend dieser Welt! Der Erde Jammer!
Von ganzem Herzen hasse ich mein Leben!
Was hilft das Jammern? Alles ist ganz eitel!
Maria, oh Maria, hilf, Maria!