FAUSTUS UND DIE MÜTTER


von Torsten Schwanke



„Aus dem Oberflächlichen

in das Geheimnis der Urgründe:

die Sehnsucht der großen Schwermütigen

in die Nacht und zu den Müttern.“

(Romano Guardini)


„Umraunt von Geheimnissen

sinkt er in den weiblichen Urgrund der Welt,

um sich aus der Lebensquelle zu erneuern.“

(Walter Schubart)




ERSTER GESANG


Wie stieg hinan die goldne Morgenröte,

Aus ihrem Schoß die goldenstrahlende Sonne!

O Meeresperle, o Frau Margarethe,

Wie saßest du im Garten deiner Wonne!


Wie legtest du die Samen in die Krumen,

Daß sich der Erde Kräfte um sie mühten,

Wie plegtest du die kleinen blauen Blumen

Und grünes Gras mit aufgeschäumten Blüten!


Wie saßest du in deinem Rosenhage

Als wie ein großer weißer Schmetterling!

Du süße Sonne dieser Maientage,

Wie himmlisch dich der Himmel überhing!


Du redest: Komm zu mir, mein lieber Faust,

Ich will die Stubenfliege dir vertreiben!

O Margarethe, wie den Tee du braust

Und bietest mir die Honigkuchenscheiben!


Wie taumelnd doch die Falter dich umschlingern

Und Honigbienen summen auf der Weide,

Wenn du mit deinen schlankgebauten Fingern

Im Sonnenscheine nestelst an der Seide!


Und drückt sich durch das Kleidchen dir aus Seide

Die Festigkeit von deinen weißen Schenkeln,

Dann sehe ich, o meine Augenweide,

In deinem Schoße schon die Schar von Enkeln!


Du fragst mich, Frau, nach meiner Religion

Und geistigen Erkenntnissen und Kunst?

Was weiß der Geist denn vor der Schönheit schon,

Was weiß der Mann in seiner Minnebrunst?


Hörst du die männlichen Gedanken klirren

Im eisigen Verstande? wie ich wähne

Und denke, lächelst du, mich zu verwirren,

O Mädchen, durch das Fallen deiner Strähne!


In meinem Turm von Elfenbein als Geist

Hab ich gedacht und weniger gelebt.

Das Leben sei als Schwester lobgepreist,

Wenn deiner Brust Rosinenspitze bebt!


Nein, sagst du, Faustus, sag mir die Gedanken,

Ich lausche dir mit eines Weibes Schweigen.

Und ich, bereit an Liebe zu erkranken,

Will geistig in dem Schoß der Schönheit zeugen.


Du mußt zuerst erkennen deine Sünde,

Weil du als Vater nicht den Höchsten preist.

Was sag ich aber vor dem schönen Kinde?

Unglaubhaft scheint mir da mein eigner Geist!


Du sagst, das Göttliche lebt dir im Herzen,

Wie soll ich dieser Frauenweisheit wehren?

Ich sage dir, ich sags dir unter Schmerzen,

O Weib, du mußt dich zu dem Herrn bekehren!


Du lächelst schön in deiner sanften Stille,

Mir dieses Lächelns Herrlichkeit zu bieten,

Daß sich das Leben mir vorm Geist enthülle

In einem grenzenlosen Frauenfrieden.


Da spiel ich dir zu meiner weißen Leier

Ein Liebeslied, du lächelst voller Glanz,

Du hüllst dich in den feinen Seidenschleier

Und tanzest mit den Hüften deinen Tanz!


Du drehst und wendest dich in deiner Hoheit,

Und Wohlgefühl ist und Gesang dein Lächeln,

Schaust du zu mir in friedlich frommer Frohheit,

Die kleine schwarze Fliege fortzufächeln.


Du trunknes Schiff mit zyperroten Wimpeln

Wiegst dich so wohlig in des Meeres Takt!

Du Tänzerin, wie klingen schön die Zimbeln

Und Schellen dir an deinen Füßen nackt!


Wie zeigt sich mir beim Drehen deines Leibes

Die allerschönste Aprikosenbrust,

Reichsapfel eines königlichen Weibes

Und ihres Minne-Narren Augenlust!


O Margarethe, wie dein Narr entbrennt

Und wirft sich hin vor dir als Minne-Sklave!

So herrlich ging dereinst im Orient

Frau Judith, welche reich begnadet Jahwe!


O Margarethe, Perle du des Meeres,

Umspüle mich mit deinem Mittelmeer,

Das ist ein berghoch wogendes, als wär es

Heerführerin dem hohen Sternenheer.


Sag, find ich deine Perle in dem Acker?

Ich gäbe alles für die Perle her!

Was soll mir all das weibische Gegacker

Vor deinem weisen Schweigen schön und schwer!


Sag, find ich deine Perle in der Muschel,

Ist sie gebildet von verletzendem Staube?

Wenn ich mich in den Schoß der Muschel kuschel,

Dann höre ich des Urweltmeeres Taube!


Ist deine Perle, herrliche Natur,

Du Meisterwerk des Schöpfers, voller Glanz,

Ist sie die Perle einer Perlenschnur,

Ist sie die Rose aus dem Rosenkranz?


Ist deine Perle Zentrum deiner Wonne

In dem geheimnisvollen Schoß der Minne?

Ist deine Perle eine Freudensonne,

Bist du der Liebeskraft des Mannes inne?


Ist deine Perle von erlesner Sorte

Aus Gottes Urweltozeanen süß

Und eine enggebaute Perlenpforte

In der Leib-Seele-Einheit Paradies?


Anstaunen laß dich, schöne Meeresperle,

Anbeten laß dich, schöne Margarethe!

Nicht wert sind dein die schlechtgelaunten Kerle,

Ich aber als ein Geist zur Schönheit bete!


Wer bist du, hohe Schönheit auf dem Thron,

Die ich als deutscher Denker minnig grüße?

Ein Lächeln deinerseits ist Minnelohn,

Drum fall ich dir vor deine bloßen Füße!


Du bist die Schönheit in der Herrlichkeit,

Ich aber bin vor dir ein armer Wurm!

Zertritt mich nicht, sei du zur Huld bereit,

Du Meerstern über meinem Meeressturm!


Doch kommt mir eine göttliche Idee,

Geist-inspiriert, in meines Geistes Reinheit:

Wenn ich die hohe Frauenschönheit seh,

Ersehne ich Vereinigung zur Einheit!


Anbetung ist ein hohes Glaubensgut,

Vereinigung ist mystische Erkenntnis!

In Minne wie im Glauben gleiche Glut!

Vikarin Gottes, höre mein Geständnis!


Ich bin ein kleiner Teil in Einsamkeit,

Erlöse mich, o Mittlerin, ins Ganze!

Zu deinen Füßen bin ich Schlange, Maid,

In dir eint sich die Schlange ihrem Schwanze!


Schamröte auf den Wangen, meine Perle,

Und in den Augen-Abendsternen Funkeln?

Ich mein es nicht wie grobgemeine Kerle,

Die wie die Tiere von der Wollust munkeln.


Abwendest du dein Haupt auf deinem Hals

Und siehst mich nicht mehr voller Gnade an?

Verwirf mich nicht, o Königin des Alls,

Verzeih, verzeih, ich rede wie ein Mann!


Du scheuchst mit deinen Händen eine Fliege

Und schaust mich an, als glich ich einem Diebe,

Der raubt den Schatz der Jungfrau! Nein, betrüge

Dich nicht, ich fühle eine reine Liebe!


O weißt du, Herrin, was du zu mir sagst?

Eva bereitete dem Herrn die Pein

Und du vor Doktor Faust das Gleiche wagst

Und gibst zur Antwort ihm ein hartes Nein!?


Sind wir denn wie zu Platons Zeiten Knaben,

Wie Sappho und Erinna? Peinige

Mich nicht so sehr, wenn ich mit Mannesgaben

Ersehn, daß ich mich dir vereinige!


Ich lieb dich nicht! rufst du, ich lieb dich nicht!

Ich hörte gern dich von dem Geiste lehren,

Doch gar nicht kann ich dich als Mann begehren!

O Margarethe, Frau, ich bin zunicht!



ZWEITER GESANG


O Mutter Indien, der Religionen

Fruchtbare Heimaterde, der Brahmanen

Geistzentrum, wo auch die Asketen wohnen

Und alle religiösen Hindostanen!


O Mutter Indien, sprich du Sanskrit

Der heiligen Opferhymnen deiner Veden,

Von Rhada und Govind sing mir ein Lied

In deinem Paradiesesgarten Eden!


Den Papageienreitenden, den Gott

Der Liebe mit den Blumenpfeilen, Kama,

Den sende mir, dann sing ich ohne Spott

Von Sita dir ein Lied und ihrem Rama!


O Mutter Indien, du Lotosblaue,

Rehäugige, gazellenschlanke Frau,

In einem religiösen Hymnus traue

Weitgehend ich auf deine Gottesschau!


O Mutter Indien der tausend Götter,

Der Myriaden Götter Paradies,

Ein Gott allein, o Mutter, ist dein Retter,

Der schuf dich in der Schöpfungswonne süß!


Und murmle ich, o Mutter, dir ein Mantra,

Von Shiva und der anvertrauten Shakti,

So sagst du mir, Erfinderin des Tantra,

Erlösen wird uns Gottesliebe - Bhakti!


O Mutter Ganga, von der Himmelshöhe

Ergieße dich und vom Himalaya,

Daß ich die Flutung deiner Gnade sehe

Und bin dir in dem Himmelreiche nah!


O Mutter Ganga, ströme reichen Schwalls

Herab die Gipfelspitzen voller Schnee,

Kosmischen Meeres Königin des Alls,

Daß ich die Flutung deiner Liebe seh!


O Mutter Ganga, an des Ganges Ufer

Steh ich, da deine Liebesinbrunst braust,

Ein Pilger ich, ein einsamlicher Rufer,

Benetze du das Haupt dem Doktor Faust!


So stand ja Shiva einst in deinen Fluten,

Der Mittler deines Gnadenstromes allen,

Verehrungswerter Herr den frommen Guten,

Ein Retter allen, die zum Staub gefallen!


Wenn wir wie Würmer in dem Staube wimmeln,

Vermittelt Shiva uns der Ganga Naß,

Den lichten Tau aus dreiunddreißig Himmeln!

Anbeten Gott wir ohne Unterlaß!


Vermittle uns den Reichtum aller Gnaden,

Wir wollen nicht mehr nach den Winden haschen,

Wir wollen in der Mutter Ganga baden,

Im Bad des Ganges uns von Schuld zu waschen!


Wie wird mir aber, daß ich solcher Schnelle

Von deinem mütterlichen Gnadenreich

Hinüberwechseln muß ins Reich der Hölle

Und sehe Unterweltdämonen gleich?


Die Götzendiener sammeln sich im Tempel

Und dienen einem Götterelefanten

(Des Aaron goldnes Kalb ist das Exempel),

Die alle um das Bild des Götzen standen.


Sie stellten ihrem Elefantengotte

In schmutzbefleckten Straßen Opfer hin.

Vielleicht kommt er mit dumpfestem Getrotte

Und hat für ihre Opfer einen Sinn?


Da stehn die Opferspeisen in dem Schatten,

Die Fliegen schon im Opferfleische nisten,

Und gütlich tun sich ekelhafte Ratten

Der Hölle, fleischgewordne Satanisten!


Die Ratten piepsen und die Fliegen keuchen

Und ganz zerfressen ist das Opferrind.

Der Gott belohnt das fromme Volk mit Seuchen,

Sein Siegel auf der Stirn ist Lepragrind.


O Mutter Indien, hab du Erbarmen,

Erscheine du mit einer Lady Lächeln!

Vertilg die Ratten, Herrin, ohn Erbarmen,

Und mögest auch die eklen Fliegen fächeln!


Ich flieh in eine reine Halle, da

Das Licht erleuchtet eine blaue Kühle.

Wer bist denn du? - Ich bin Shakuntula,

Ich bin die Schönheit sommerlicher Schwüle!


Du bist so schön wie eine Göttin, Weib,

Als ob die Göttin ich gesehen hätte

Hier inkarniert in deinem Mango-Leib!

Da seh ich auch zum samtbezognen Bette.


Ich bin der Gott, die Göttin aber du,

Ich bin der Mann, der zu der Göttin fleht,

Du bist die Schöpfungswonne voller Ruh,

Ich aber der Erlösung Bittgebet!


Ich zünde dir die Weihrauchstäbchen an

Und opfere dir Früchte allenthalben,

Leg du dir diese Muschelkette an

Und komm zu mir, o Weib, ich will dich salben!


Begehrenswerte Schönheit voller Gnade,

Komm, von dem Honig und der Milch zu lecken,

O Heilige, in Milch und Honig bade,

Dann wird dein Leib, o Weib, mir köstlich schmecken!


Du tauchtest aus dem Schaum, o Liebesgöttin,

Ich bin der Blitz und bin des Feuers Brennen!

O Weib, o Göttin, leg dich auf das Bett hin,

All-Einheit will ich, Weib, in dir erkennen!


Der Gottessamen aber, das Juwel,

Das Gottjuwel ist in der Lotosblüte!

Der Urweltfunke ist in deiner Seel,

Der Gottesblitz entzündet dein Gemüte!


Das ist erotischer Vereinung Mantra,

Da Shiva in dem Schoß der Shakti zeugt,

Das ist der Götter ewigliches Tantra,

Da Gottes Lingam in die Yoni steigt!


Wie Götter wollen wir uns heut umfassen

Und uns wie Gott und Göttin uns erkennen

Und alle tote Welt mit ihrem Hassen

In unsrer Liebe Liebesglut verbrennen!


Die Göttin nimmt den Gott in ihren Schoß,

Um eine neue Schöpfung zu erschaffen!

Der Gott im Untergange gnadenlos

Wird alle Schöpfung in das Chaos raffen!


Solang wir Götter unsre Liebe spielen

Und in dem Liebesspiel die Liebe zeugen,

Wird Liebe in der Schöpfung nicht erkühlen

Und wird die Yoni sich dem Lingam neigen.


Solang der Lingam eingeht in die Mutter,

Ist Gott der Vater, aller Schöpfung Samen.

Faust aber schmilzt vor dir wie Seim und Butter,

O Göttliche, Shakuntula mit Namen!


Nun treib ich auf dem Urweltmeer aus Soma,

Als Manu einst in eines Fisches Arche,

Ist all umher ein duftendes Aroma

Wie Trug und Illusion dem Patriarche.


Ist niemand mit mir auf dem Urweltmeer

Als nur das Meer, ist wie ein Mutterschoß,

Ich schaue hin, o Gott, ich schaue her,

Fremdartig alles und gestaltenlos.


Ich bin ein Tropfen in dem Ozean

Und weiß doch, ich bin tausend Jahre alt.

Die Augen, die die bloße Göttin sahn,

Sehn Urweltkeime wimmelnd mannigfalt.


Allüberall ein stilles Leuchten, Glanz

Von jenseits der Erscheinung, ich als Funken

Bin in des Urweltmeeres Wogentanz

Als Illusion und Phantasie versunken.


Da seh ich aber auf dem Meere schlafen

Die Ewigkeit in lächelnder Gestalt.

Wie, will sie mich vielleicht erneut erschaffen,

Mich Seele hunderttausend Jahre alt?


Vor ihrem Antlitz ist der Maya Schleier,

Sie hebt ihn auf - und das ist mein Erwachen!

Ich lieg beim Feigenbaume an dem Feuer

Und hör die Myriaden Götter lachen!...



DRITTER GESANG


O Heimat! gibt es Heimat in der Welt,

Ists hier, in dieser Bergeinsiedelei,

Die in dem Reich der Mitte Faust gefällt

Wie in dem Paradiese ewiger Mai.


Hier steh ich täglich auf den Felsengipfeln

Und wahrlich nicht, die Erde auszuhebeln.

Ich steh im Schatten von Kastanienwipfeln

Im Seidenkleid gewirkt aus weißen Nebeln.


Hier atme ich die Luft der reinen Stille,

Die Brust erweitert sich zu einer Sphäre.

Ich weiß nicht, ist das Leben eine Fülle,

Ich weiß nicht, ist das Leben eine Leere?


Unwissenheit ist überhaupt mein Schatz!

Ich bin der Äther, atme ich den Wind,

Ich spiele mit den Wolken Hund und Katz,

In meinem Narrenherzen bin ich Kind!


Ich hebe meinen Hut, dem Wind zum Gruße,

Ich hebe meinen gelben Bambushut.

Was ist Glückseligkeit denn sonst als Muße?

Entstiegen bin ich der Gestalten Flut!


Ein Körnchen Reis, ein Schluck vom klaren Bach,

Wie Bambus will ich mich im Winde wiegen,

Ich lebe einsam auf des Himmels Dach,

Ich bin als gelber Kranich aufgestiegen.


Im Maien steig ich in die Täler nieder

Und seh mir an die weiße Blütenblust.

Der Pflaumenbaum streckt zierlich seine Glieder

Und freut sich seiner Fülle voller Lust.


Kirchblüten seh ich weiß und rosa wohl,

Es schmückt der Baum sich für das Frühlingsfest.

Zum Frühlingsopferfest singt der Pirol

Alte Musikamtslieder in dem Nest.


Zu fliegen haben Schwalben angefangen

Und lassen flattern ihre Schwalbenschwänze.

Die Pfirsichblüte keusch verschämter Wangen

Ist ganz verwirrt von dieser Lust im Lenze.


Die Trauerweiden müssen nicht mehr trauern,

Es freuen sich die schmeichelsanften Kätzchen.

Sie neigen sich holdselig über Mauern

Und bilden heimlich ein verborgnes Plätzchen.


Der Phönix steigt in schöner Morgenröte

Und imponiert der Zaubervogelin.

Der Wind spielt auf dem Bambusrohre Flöte

Und gibt den Lüften seine Lieder hin.


Die weißen Blüten treiben auf dem Bach,

Der weiße Blütenblust ist Baches Schaum.

So lieblich ist der Lenz, so lieblich, ach,

Es ist als wie ein Paradiesestraum!


Und auch der Herbst ist schön! Ich steig zum Gipfel

Und setze mich in einen Felsensessel,

Gekrönt von einem alten Pinienwipfel,

Bin ich entfesselt schon des Daseins Fessel.


Ich nehm mir schöngeschnitzten Jadebecher

Und lade ein den Mond und meinen Schemen.

Und sind wir dann zu dritt betrunkne Zecher,

Dann treiben auf dem Reiswein Chrysanthemen.


Drei Becher Wein bei einem Ginsterbusche

Gibt hundert Lieder mir von Lust und Freude!

Ich pinsel kalligraphisch schwarze Tusche

Höchst meisterlich auf feine weiße Seide.


Und schaut der Mond so lieblich vom Balkon

Des Firmaments in feiner Wolken Schleier

Und lächelt zu dem Felsenpavillon,

Spiel ich dem Mond ein Lied auf meiner Leier.


Die Könige der alten Zeit begehrten,

Zu herrschen mit der Leier in dem Arm.

Mir ward, was Götter Königen verwehrten,

Mir wards, ist nur der gelbe Reiswein warm!


Ich bin ein Kaiser in dem Reich der Mitte

Und gab den Drachenthron den Fürsten hin.

Ich lebe hier in reiner Tugend Sitte

Nur mit der Mondin, meiner Kaiserin!


Gern denk ich auch an einen Mond im Mai,

Ich halt ihn allezeit in meinem Sinn,

Da zu mir wie des Himmels Liebelei

Die Tochter kam der Elfenkönigin.


Die Elfenkönigin ist Hsi Wang Mu,

Die auf dem Jadeberge Kunlun wohnt,

Die Tochter Ji, so sanft und voller Ruh,

Sie kam zu mir, so milde wie der Mond.


Sie kam zu mir in reiner weißer Seide,

Auf einem Phönix kam sie angeflogen,

Ein Elfenmädchen, eine Augenweide,

Wie Seidenraupen ihre Brauenbogen.


Die Wimpern wie der Morgenröte Wimpern,

Die Haare aber schwarz wie schwarzer Lack.

Vergeblich meine armen Reime klimpern,

Begreifen wird es nie das Pöbelpack!


Die Himmlische nahm Wasser von dem Bach,

Mit Tropfen meine Lippen mir zu netzen.

Da war ich selig auf des Himmels Dach

In ewiglich-glückseligem Ergötzen!


Und denk ich nun an diesen Maienmond,

Küss ich die Pinie, so als küsst ich sie,

Weil damals eine Fee bei mir gewohnt,

Im Himmel aber lächelt Elfe Ji.


Der Wunder Einziges war aber das

In meinem Berggefilde nicht gewesen.

Ich schreib von Wundern, ist die Tusche naß,

Wenn es auch die Chinesen nimmer lesen.


Der Mond schwamm sichelschlank am Firmament,

Als mir erschien die Mondenkönigin,

Die man in heiligen Pagoden kennt

Als Mutter des Erbarmens, Guan Yin.


Nennt sie auch Indien Avalokiteschvara,

Das ist mir gleich, der Name geht wohl hin,

Nennt man die Göttliche in Tibet Tara,

So heißt sie doch in China Guan Yin!


Gleichgültig, welchen Namen sie sich nahm,

Ich nenn sie Mutter des Erbarmens auch,

Die wandelnd auf dem Sichelmonde kam,

Nennt wer sie anders, das ist Schall und Rauch.


Nur eines weiß ich: Leichter Frühlinsgwind

Ging von ihr aus so lieblich und so warm.

Sie lächelte und hielt ein kleines Kind,

Ein göttliches, in ihrem Mutterarm.


Nun weiß ich nicht, wie soll ich sie nun preisen,

Wie preis ich sie auf ihrem Mondenthron?

Hat sie mir etwa gar ein Kind verheißen?

Und wer ist da in ihrem Arm der Sohn?


Mir ist ja, ich bin in des Himmels Garten

Auf meinem gelben Kranich aufgestiegen,

Da Pfirsiche und Pflaumen aller Arten

Und warmer Wein zu ewigem Genügen!


Das ist doch alles nach des Himmels Sinn,

Der ist auch in dem Sinn des Menschen rege,

Dem Sinn des Himmels gebe ich mich hin,

Die Weisheit ists, es ist der Weg der Wege!


In China nennen wir die Weisheit Tao,

Ein Name ist es für das Namenlose,

Das Unsichtbare vor der Dinge Schau,

Das mehr das Kleine liebhat als das Große.


Des Tales Götter sind wie dunkle Nacht

Und all zuhaus im allumfassenden Horte.

Wer hat dem Doktor Faustus aufgemacht

Die heimlich-urgeheimnisvolle Pforte?


Des Weibes Pforte, die Geheimnispforte,

Geht auf zur Mutter aller Lebewesen,

Von Pfisichen und Pflaumen aller Sorte

Und ebenso Germanen und Chinesen.


Die Menschen bleiben stehen bei Gesang

Und wimmelnden Geschwätz und Trank und Futter,

Doch ich bin einsam - doch im Tod nicht bang,

Denn kindlich ehre ich des Lebens Mutter!



VIERTER GESANG


Weisheit zu suchen bin ich ausgegangen

Und wer war weise als wie Salomon?

Bereit bin ich, in Zion anzulangen,

Um zu betrachten König Davids Sohn.


Da seh ich aber König David liegen,

Der dem Propheten seine Schuld bekennt,

Daß er sich wollte an Bathseba schmiegen,

Und nun macht der Psalmist sein Testament.


Der Liebling aller Lieder Israels

Bekennt: Es sprach durch mich der Heilige Geist,

Der pries in meinen Psalmen Gott den Fels,

Den man auch Mutter allen Trostes preist.


Als wie ein Kind in seiner Mutter Armen

Vor Gott ist mein Gemüt am Scheidetag.

Die Gnade gibt mir, um mich zu erwarmen,

Die schöne Schunemitin Abischag!


Ich hab die Schunemitin nicht erkannt,

Die mir erwählt die Kreter und die Pleter,

Ich hab sie auf dem Bett nicht übermannt,

Mein Fleisch war nahzu schon aus lichtem Äther.


Bezaubert hat mich ihre Schönheit aber,

Mir ward das Scheiden von dem Leben süß,

Schön war sie wie der Tempel-Kandelaber

Und wie ein Engel aus dem Paradies!


Und nun ist König Davids Königssohn

Nicht Adonia und nicht Absalom,

Nun ists der Sohn Bathsebas, Salomon,

Salböl sein königliches Weih-Arom.


Doch Adonia tritt zur Königin,

Um königliche Fürsprach sie zu bitten:

Die schöne Abischag ist all mein Sinn,

Ich hab schon Liebesweh um sie gelitten.


Den König Salomon mag ich nicht fragen,

Ich weiß nicht, was sein königlicher Wille.

Zu seiner Mutter tret ich, anzutragen

Mein liebendes Begehr in seiner Fülle.


Die Königin Bathseba im Palast

Setzt sich auf ihren königlichen Thron

Und sprach für Adonia, umgefasst

Liebkosend ihren König Salomon.


Der aber sprach: O Königin, ich ehre

Dein Bitten, es geschehe Gottes Wille,

Ich selber aber Abischag begehre

In meines jugendlichen Dranges Fülle.


Ich dichtete ihr schon ein Liebeslied

Und sah als Braut die Schunemitin schon,

Ich nannte sie im Liede Sulamith,

Weil sie die Königin von Salomon.


Das Mädchen wie ein Wirbelwind umsaust,

Als flösse Süßwein aus dem Quell Siloah,

Und schaut nicht einmal an den Doktor Faust,

Der sieht zum Töchterchen wie Vater Noah.


Dem alten Doktor Faustus bleibt der Wein,

Gegorne Traube, purpurrot wie Mohn.

Doch Abischag, das süße Töchterlein,

Das wendet sich zum jungen Salomon.


Bathseba schaut so gut, die neue Esther,

Und voller Gnade zu dem Doktor Faust,

Dieweilen Abischag, die Braut und Schwester,

Mit Salomon Rosinenkuchen schmaust.


Ich bin ein alter Mann, doch voll Begierde,

Ich Doktor Faust, ich muß auf dich verzichten,

O Schunemitin, Tochter Zions Zierde,

Ich weiß nicht süß wie Salomon zu dichten.


Da schaut sie mich so an mit Augenstrahlen

Als wie ein Engel rein, das süße Luder,

Und spricht: Die Mütter mir den Faust empfahlen,

Doch lieb als Mann dich nicht, vielmehr als Bruder.


Du bist ein weitgewanderter Gefährte

Und tatest schon für viele Frauen brennen,

Genossest wohl auch Wollust dieser Erde,

Nun mußt du mir den Weg der Liebe nennen.


Du bist ein Freund von König Salomon,

Der ist so schön im königlichen Wuchs,

Wo aber ist er hin? O sag mir schon,

Wo find ich meinen König, kluger Fuchs?


Ich tat des Nachts an seine Pforte klopfen

Und Myrrhe troffen meine Hände über

Und in den Locken troffen Taues Tropfen,

Weh mir, verschwunden aber blieb mein Lieber!


O Abischag, wenn du von Nachttau taust,

Dann lieb ich dich noch mehr als bisher schon!

Doch ich bin nur der alte Doktor Faust,

Doch sieh, da ist der junge Salomon!


Was muß ich doch begehren und verzichten

Und immer neiden König Salomone,

Der er weiß zu verehren und zu dichten

Und trägt im schwarzen Haar der Hochzeit Krone.


Mir wird ein jugendlicher Liebesjammer

Auch jetzo noch in meinem Greisenalter,

Doch er bringt sie in seiner Mutter Kammer

Und spielt mit ihr die Blume und der Falter.


Wohlan, hab ich sie auch nicht angefasst,

Ward mir die Schunemitin nicht zur Braut,

So war ich bei der Liebe doch zu Gast

Und habe Frauenschönheit angeschaut!


Mir ward die jugendliche Liebe nicht, gewiß

Begnadet mich der Weisheit hoher Sinn.

Ich red mit der sabäischen Bilkis,

Ich rede viel mit Sabas Königin.


Die Königin stellt mir viel Rätselfragen,

Neugierig wie die Weiber alle sind.

Ich frage mich, ob ich in alten Tagen

Noch wo ein Weibchen reich an Weisheit find?


Ich ehre ihren königlichen Thron,

Den Gott ihr baute in dem fernen Süden.

Ich bin so weise als wie Salomon,

Sie aber stört mir meinen stillen Frieden.


Von Mann und Weib spricht sie als Urgesetz

Und preiset ihren Dämon ihren Gott,

Mir wird vor diesem weibischen Geschwätz

Die schöne Dame Weisheit selbst zu Spott.


Mir wird vor dieser Braunen, dieser Schwarzen,

Ganz unwohl. Ach, was du so Weisheit nennst,

Ist wie ein Weib mit Falten, Runzeln, Warzen,

Ist eine Lilith, ist ein Nachtgespenst!


Du denkst als wie ein Mann, wenn er in Sträuchern

Erledigt sein Geschäft im Dämmerschemen.

Zum Süden geh, dem Sonnengott zu räuchern,

Mich laß in Zion, jage du nach Jemen!


Man sagt, wo Weisheit ist, da ist auch Weh,

Mir aber ist Frau Torheit sehr gewogen.

Wo greise Häupter sind, da ist auch Schnee,

Doch Gott schenkt mir der Hoffnung Regenbogen.


Der Regenbogen steht mir überm Scheitel,

Die Hoffnung weist zum Himmel, das ist richtig.

Auf Erden nämlich ist es alles eitel,

Auf Erden nämlich ist es alles nichtig!


Frau Weisheit will mir einen Tempel bauen,

Frau Torheit kommt, ihn wieder einzureißen!

Der Wein betört die Weisen, und die Frauen,

Doch weiß ich Weiber nur und Wein zu preisen!


Solang ich irgend auf die Weisheit harre,

Ich harre, bis mein Leben ich verlor,

Ich bleibe doch nur armer eitler Narre,

Ich bleibe doch nur alter eitler Tor!


Frau Weisheit leuchtet ferne, eine Mutter,

Frau Weisheit kommt entgegen, schöne Braut!

Sie ist das Land von Honig und von Butter,

Wo roter Süßwein von dem Weinstock taut.


Frau Weisheit kommt als Mutter mir entgegen

Und will Erkenntnis, Einsicht mir vererben.

Doch weiß ich durch die Weisheit allerwegen:

Wer wahrlich weise werden will, muß sterben! - - - 



FÜNFTER GESANG


Wer bist denn du? - Ich bin der Mohammed,

Der Gottes Offenbarung eingeschränkt

Und doch gelebt für Glauben und Gebet

Und der dich durch den Garten Eden lenkt.


Hier denk ich mit des Gottesglaubens Flamme

An eine Frau, vor allen auserkoren,

Ich meine meine vielgeliebte Amme,

Die mich gefunden, als sie mich verloren.


Hier denke ich an Mutter mein und Vater,

Die ich im Leben niemals kennenlernte,

Weil Gottes Grimm im tragischen Theater

Sie dem Propheten Mahommed entfernte.


Hier denk ich immer wieder des sublimen

Korans, der Offenbarung aus der Höhle,

Thora und Bibel glaubenden Muslimen

Und Liebeslied für jede mystische Seele.


Ich sagte allen: Gott ist einig Ein,

So ward es mir vom Engel offenbart.

Nun aber heb den Kelch mit rotem Wein

Und trink auf Gott, bei des Propheten Bart.


Denk nicht, die Huri sei wie eine Hure,

Ein böser Iblis in dem Engelsfleisch.

Komm, trink mit mir und lies Koranes Sure:

Die Huri ist wie eine Jungfrau keusch!


Ich leiste auf die Huri gar Verzicht,

Ein Isch ist Mahom einer andern Ischa,

Die du dort wandeln siehst in Gottes Licht

Ist heilige Prophetenfrau Aischa.


Ja, immer wieder unsre Hochzeitsfeier

Begehen wir auf diesem Himmelsfest.

Die keuschen Augen blitzen durch den Schleier,

Zwei weiße Turteltauben in dem Nest.


Ein Leib sind wir vor Gott, ein einig Wesen,

Ein Apfel wir zusamm im Garten Eden.

In ihren Augen habe ich gelesen,

Wovon in aller Welt Muslime reden.


Als Gabriel mit Glockenklingeln sprach

Und redete mit mir in Engelszungen,

Da ging ich in das bräutliche Gemach

Und zeugte in Aischas Niederungen.


Da war die Frucht der Liebe Fatima,

Als ob Maria Jesus, den Propheten,

Geboren, als das Wunder uns geschah.

Die Tochter wandelt nun im Garten Eden.


Der Sufidichter nennt sie eine Holde,

Der deutsche Derwisch nennt sie engelrein,

Ganz reinen Geist im Leib von Honiggolde.

Bewundere auch du die Tochter mein!


Da ging ich weiter durch den Garten Eden,

Sah auf dem Morgensterne eine Frau

In transparenter Seide zu mir treten,

In ihren braunen Haaren Tropfen Tau.


Ich fragte, wer sie sei. Sie sprach: Sulima,

Ich war ein Paradies der Liebe, heiter,

Als seligen Arabiens Diotima

Zog Salem ich hinan die Himmelsleiter.


Er sah mich oben auf der Leiter lächeln

Und stürmte heiß hinan die Leitersprossen,

Mit Zedernzweigen Minneglut zu fächeln,

Was als Anbetungsliebe ich genossen.


Im Erdenstaube hab ich oft geweint,

Da war mir Salems mystischer Gesang

Ein Gottestrost. Nun leben wir vereint

Im Garten Eden ewiges Leben lang!


Und eine Andre sah ich zu mir treten,

Aus Wimperngitter Zauberblicke, Glutflut,

Ein Mondenantlitz in dem Garten Eden

Anlächelte den kupplerischen Hudhud.


O Wiedehopf, von meinem Schoße scheide

Und eile auf des Zephyrs zartem Atem

Zum Vielgeliebten! West, ich dich beneide,

Du kost die Silberhaare meines Hatem!


Ich weiß, auf Morgensternes Morgenröte

Suleika wandelt in der Morgenkühle,

Ihr breitet seine Arme Sänger Hatem,

Die Arme flügelschlagend wie die Mühle.


Mein Mondgesicht, mein Phosphor, meine Kerze!

So hörte ich den Sänger Hatem singen

Im Paradiese süße Minnescherze,

Als ihn Suleikas Arme sanft umschlingen.


Ich wandelte im Garten irgendwo

Und hörte allerweiseste Ghazele,

Die dichtete der Dichter Salomo

Der schönen Schulamithin, der Gazelle.


Rehzwillinge sind deine hübschen Brüste

Und deine sanften Augen Turteltauben,

Braut, meine Freundin, Liebe voller Lüste,

Ich breit dir meine Äpfel in den Lauben.


Du Pharaonentochter, Rasseroß,

Komm von den Hügeln, schwarze Pantherin!

Ein Becher ist dein Becken, Schaum der Schoß,

Du eines Königs Minnekönigin!


Du weide deine Zicklein, deine Schafe,

Vor meiner Hirtenhütte in der Aue,

Mit der ich nächtens unter Henna schlafe,

Wo ich mich der Geliebten anvertraue!


Da führten mich zu Zelten schöne Knaben,

Die glichen nicht den arg gemeinen Kerlen,

Die Jünglinge, die mich mit Wein erlaben,

Die glichen allerreinsten Süßmeerperlen!


Die Knaben breiteten die breiten Kissen

Auf einem Diwan aus von Goldbrokat.

Ich wollte sie liebkosen, herzen, küssen,

Den schönen Kindern zärtlich bin genaht.


Da lächeln sie mit Strahlen ihrer Augen

Wie Morgensterne unterm Wimpernfächer.

Du, Faustus, wirst nun Götternektar saugen

Und süßen Wein aus paradiesischem Becher!


Wir werden Perlen in den Süßwein lösen

Und dann mit dir den Paradiestrank zechen,

Wir werden dir in den Gedanken lesen

Und du wirst uns von deiner Weisheit sprechen.


Hübsch ist es, sich von Weisheit unterhalten

Mit Jünglingen in perlenreiner Aura,

Doch um den Garten Eden zu entfalten

Bedarfs nur einer Huri oder Haura!


Die kommt, mich allzu zärtlich anzublicken,

Wie Turteltauben blicken in die Nester.

Faust, wisse dich in Seligkeit zu schicken,

Ich, Haura, ich bin deine Himmelsschwester!


Bin eine Jungfrau in dem Engelsfleisch

Mit einem Herzen voll von Minnebrennen,

Und immer tauch ich aus der Wonne keusch

Nach deinem paradiesischen Erkennen!


Hier gibt es in den Lenden nie ein Lahmen

Und immer Liebesspiel in keuschen Kissen,

Und mit mir kommen andre schöne Damen

Des Himmelreichs, die darfst du alle küssen!


Mein Schwarzhaar lege ich in deinen Schoß

Und freue mich, erhärtet sich die Latte,

Die Wollust ist im Paradiese groß,

Wenn Seelenschatte eint sich Seelenschatte!


Wir wandeln Hand in Hand im Garten Eden

Und betten uns zusamm in grünen Gräsern.

Das sagen dir zwar nicht die Exegeten,

Ich sags dir aber! Künd es allen Lesern!


Nun ist sie fort, ich sehe noch den Rücken

Und noch den aphrodisischen Popo,

Wo ist sie hin, mein himmlisches Entzücken,

Um die beneidete mich Salomo?


Sie steht am Fuße einer Himmelsleiter

Anbetend aufgehobner Frauenhände.

Wie ist die Religion im Himmel heiter

Und paradiesisch alles, Geist und Lende!



SECHSTER GESANG


Es trat der Fürst der Fliegen vor den Herrn,

Der Beelzebub, der große Seelenjäger,

Vom Himmel abgefallner Morgenstern,

Der mein und aller Frömmigkeit Verkläger.


Gott, zittern muß ich zwar vor deiner Macht,

Doch diese Seele darf ich dir nicht lassen,

Berauschte er sich sehr an Weibes Pracht

Und schien die Keuschheit und die Zucht zu hassen!


Gab immer seinen Leidenschaften nach

Und jagte immer nach der Zierrat Zierde

Und sah in jedem Weib ein Brautgemach

In seiner grenzlos lüsternen Begierde.


Er war ein Hurer seiner Tempelhuren,

Kultdirnen seine göttliche Idee,

Nie dachte er der doppelten Naturen,

An Christi Wonne nie und Jesu Weh!


Zu allen Göttern ging er als ein Buhle

Und war ein Sklave der Kloakenvenus,

Eifriger Schüler in der Hurenschule

Und nie ein Jünger Jesu Nazarenus!


Sein Höchstes war der Leidenschaften Wallen,

Er zahlte seiner Wollust alle Zölle.

Dem Fliegenfürsten er anheimgefallen,

Er eignet mir und immerdar der Hölle! -


Mir bangte vor dem göttlichen Gericht,

Ich zitterte, als Gott Jehowah schwieg...

Da aber tauchte aus des Himmels Licht

In Herrlichkeit die Jungfrau von dem Sieg!


Maria kam in goldner Aureole

Mit eines Gürtels buntem Regenbogen,

Der Stern des Meeres kam, das Licht der Pole,

Und wandelte auf Himmelsmeeres Wogen.


Erschrocken schmiegte sich die Mondin an

Als wie ein weißer Schwan zu ihren Füßen.

Maria lächelte: Der ist mein Mann!

Sprach sie mit einem Lächeln, einem süßen.


Ich sah ihn immer in der Seele streben

Hinan zur ewigweiblichen Idee.

Ich war in alledem geheimes Leben,

Drum ich voll Frauengnade zu ihm seh.


Berufen hab ich ihn in Einsamkeit

Und ihn geleitet auf der Pilgerschaft,

Er war auf allen Wegen mir geweiht,

In Gottessuche und in Liebeskraft!


Schmeißfliege Beelzebul, du hast verloren,

Die Seele ist dem Himmelreich gerettet!

Komm, Faustus, in Maria werd geboren,

Sei in Maria in das Reich gebettet!


Maria ward zu einer dunklen Nacht,

So dunkel wie ich nie gesehen hab,

Ihr Dunkel ohne lichte Sternenpracht,

Sie ward zu Mutter Nacht, zu Mutter Grab.


In mystischer Versenkung ganz ergeben

Verlor ich mich im mütterlichen Dunkel,

Dem Tod ergeben meiner Seele Leben,

Der Nacht des Herzens strahlender Karfunkel.


Es war die Wollust meines Unterganges,

Und voller Sehnsucht ging ich selbstverloren

Mit Trunkenheit tieftragischen Gesanges

Als Toter ein der Tochter Zion Toren!


Ich bettete die heimgekehrte Leiche

Getröstet in des Todes Mutterschoß,

Die Mutter Nacht, das war die Gnadenreiche,

Die schöne Todin war ganz makellos.


Des Todes bräutliches Geheimnis ging

Glorreich mir auf in meines Todes Jammer,

Dem Jammer, den ich voller Wollust sing,

Da ich zuhause in der Todin Kammer.


Zuhause in des Todes Heiligtume,

War Tod mir Mutter, Schwester, Freundin-Braut,

Ich schwand in sie als wie durch ihre Blume

Und blieb doch makellos der Jungfrau Haut.


Ich war im Mutterschoße der Madonne,

Verbunden mit der Mutter durch den Nabel.

Ich war gebettet in der Au der Wonne

Als wie in Evas Schoß der reine Abel.


Weinbeerenkleines Kind, ein kleiner Keim,

War nichts ich, alles war der Mutter Leben,

Im Meere der Vollkommenheit daheim,

War ich der großen Mutter ganz ergeben.


Sie nährte mich mit Blut, ich wuchs heran,

Ich ward ein neugeborner Embryo.

So gings der Weisheit Brautgemahl und Mann

Im Schoß der Herrin Weisheit, Salomo.


Die in der Mondensichel lag gebettet

Und schmückte sich mit einer Sternenkrone,

Hat mit dem Nabel mich an sich gekettet,

So reifte ich heran zu ihrem Sohne.


Mondsichel zitterte, als die Madonne

Mich ausgetragen unter Weibes Wehen

Und mich gebar im Wehgeschrei der Wonne,

Mich auf dem Bauch Mariens anzusehen.


Sie hüllte mich in ihrer Haare Schleier

Und legte mich an ihre pralle Brust,

Den Schwanenbusen ihrer Schwanenleier

Des lieben Leibes, und ich sog voll Lust!


Ich wuchs heran, ich ward ein junger Mann,

Blieb aber die Madonna ewig jung,

Als ich vor ihr den Reigentanz begann

In der Ekstase der Begeisterung!


Sie ist der ewiglichen Wonnen Aue

Und aller göttlichen Fruchtbarkeit Granate,

Sie ist die Fruchtbarkeit, die Liebe Fraue,

Die Mutter der Lebendigen voll Gnade!


Sie ist der Saft in Jesu Weinstock, Blut,

Mit dem sie speist und nährt die pralle Rebe!

Sie ist die Sonne und die Liebesglut,

Der ich in ihr als meinem Sommer lebe!


Sie ist der Apfel von dem Baum des Lebens

Und jeglicher Erkenntnis reife Feige!

Ist jedes Wort vor ihrer Huld vergebens,

Weshalb ich vor Bewundrung staunend schweige...


Des Wortes Mutter ist sie, mein Gesang,

Ist meines Liedes liebendes Entzücken!

Geht sie an ihrem Monde leis entlang,

So scheint es mir, ich schaue Gottes Rücken!


Und wendet sie voll Gnade ihre Augen,

Muß ich in Wollust meiner Wonne wimmern,

Weil ihre Augen, die zu Sternen taugen,

So feucht wie Gottes Himmelsmeere schimmern!


Sie führt mich in der Liebe Rosengarten,

Die roten Rosen alle dornenlose,

Da bettet sie mit zärtlichen und zarten

Umarmungen mich sanft in ihrem Schoße.


O, deine Brüste gleichen jungen Tauben,

Ich häng als Myrrhe zwischen deinen Brüsten!

Genießen darf ich deines Mundes Trauben

In Küssen an den paradiesischen Küsten!


Du süßer Minnetrank, der mich berauscht,

Den trinke ich aus deines Schoßes Becher!

Wenn sich mein Herz mit deinem Herzen tauscht,

Sind wir vereint im Totenauferwecker!


Wenn ich in meiner Schwachheit mich ergeben,

In dir ersteh ich dann in neuer Kraft!

Du meine Wonne, Weib, du all mein Leben,

Du Heimat aller göttlichen Leidenschaft!


An deinem Herzen ruhe ich mich aus,

In deinem Schoße leb ich in der Liebe,

Du bist mein Garten Eden, goldnes Haus,

Mein Leben aller gottgezeugten Triebe!


Du bist mein Schweigen und du bist mein Wort,

Du Bucht der Wonne, vielgeliebte Maid,

Du Hafen meiner Ehe und du Port

Der Allerheiligsten Dreifaltigkeit!



SIEBENTER GESANG


O Herrin Jahwe, allerzärtlichste Mutter,

Du Schöpferin in deiner Schöpfungswonne,

Du läßt mich in das Land von Seim und Butter

Und läßt mich strahlen gleichwie eine Sonne!


O Herrin Jahwe, Zeugen und Gebären

Ist eins in dir, o Mutter und o Vater!

Du wandelst auf den ewiglichen Meeren

Als Paternoster oder Magna Mater!


O Herrin Jahwe, überquellendes Schaffen

Der Schöpfung quillt aus deinem Schoß, das All,

Die Schlangen, Adler, Tauben, Schwäne, Affen,

Den Menschen hebst du nach dem Sündenfall!


O Herrin Jahwe, quill in allen Quellen

Aus deinem Geist und Mutterschoß hervor,

Wir wandeln alle auf der Gnade Wellen

Und treten alle durch des Heiles Tor!


O Herrin Jahwe, Urgrund allen Seins,

Wir gehen alle wieder in dich ein,

Die Menschheit wird und Alles in dir eins,

Du Stifterin gottmenschlichem Verein!


O Herrin Jahwe, neu gebäre uns

In deinem Feuerschoß am Weltenende

Und töt uns durch das Hauchen deines Munds,

Daß alles, Gottheit, sich in dir vollende!


O Herrin Jahwe, laß aus deinem Busen

Den Honig und die Milch der Wonne fließen,

Aus mütterlicher Fruchtbarkeit Jampusen,

Granatenfeuchte uns in Paradiesen!


O Herrin Jahwe, Devi oder Deva,

Du Feuersturm, du Seelenruhe mild,

Auch Adam ist und vielmals mehr ist Eva

All deiner Herrlichkeiten Ebenbild!


O Herrin Jahwe, Vater aller Lichter,

Du Schöpferin, du aller Gnaden Schenker,

In dir vollenden Musen sich und Dichter,

In dir vollenden Weise sich und Denker!


O Herrin Jahwe, aller Litaneien

Urewiglicher Klang der Ewigkeiten,

Dich, Gott, die Heiligen in Liebe freien

Und alle Mystiker in Lust hochzeiten!


O Herrin Jahwe, Schöpferin mit Kunst,

Vernichterin in Jüngsten Tages Brennen,

Erlöserin in reiner Liebe Brunst,

Laß dich von deinen Heiligen erkennen!


O Herrin Jahwe, Zünderin der Feuer

Der Lüst, die Erdenkinder peinigen,

O Gottheit, jedes Menschen Abenteuer,

Wir wollen uns mit dir vereinigen!


Frau Chokma, auserlesne Frau,

Die alles schuf in ihrer Harmonie,

Des Sterngewölbes hohen Kronenbau

Und auch die Nachtigallenmelodie!


Frau Chokma, unsre auserwählte Braut,

Wir haben von der Gottheit dich erbeten,

Wir haben in der Schöpfung dich geschaut,

Dein Schoß der Minne ist der Garten Eden!


Frau Chokma, letzter Schlußstein unsrer Minne,

Wenn alles All zusammenklingt im Sphairos,

Wir weihen dir die geistverklärten Sinne

Und unsere Agape, unsern Eros!


Frau Chokma, alles schufen deine Töne,

Die du am Weltenmorgenrot gesungen,

Erlöse uns durch grenzenlose Schöne

In deinen schöpfrischen Begeisterungen!


Frau Chokma, steige nieder in das Fleisch

Und schnüre dir die Riemen deiner Schuhe,

Erlöse uns aus allem Weltgeräusch

Durch selbstvergessnes Ruhn in deiner Ruhe!


Frau Chokma, bleib nicht in der Herrlichkeit,

Komm, zieh das Fleisch des Menschen an,

Mitleidig teil mit uns das Erdenleid

Und werde, Gottheit, gar zu einem Mann!


Frau Chokma, wandle mit uns in dem Staube,

Du göttlichereine unbefleckte Lilie,

Gut red uns zu, du gallenlose Taube,

Tritt ein in unsre menschliche Familie!


Sei Hirtin deiner Herde, uns zu weiden,

Die Lämmer weide, aber auch die Böcke,

Die Königinnen in Brokat und Seiden

Und auch die armen Mädchen kurzer Röcke!


Mit Zöllnern setz und Huren dich zu Tische

Und schaue an die Seele in dem Reize,

Frau Weisheit, wundervolle, träumerische,

Häng auch mit einem Phallus an dem Kreuze! - -


Aus Solidarität sterb unsre Tode

Und gehe uns voran den Weg des Lebens

Und singe uns der ewigen Liebe Ode

Und daß das Leid der Erde nicht vergebens!


Frau Chokma, Gärtnerin in deinem Garten,

Laß alle weiden uns in deinen Lilien,

Zu Lämmern wandele, demütigzarten,

Die Beter meditierender Vigilien!


Frau Chokma, führe uns ins Himmelreich

Und laß uns Tränen höchster Wonne weinen

Und schenk uns deine Liebe gnadenreich,

Wenn wir uns der verklärten Menschheit einen!


Braut Ruach, gottentschwebte Turteltaube,

Erfülle uns mit Geist, o Gottesseele,

Ruf ruhevoll, voll Gurrens, in der Höhle

Und gieß in unsre Feuer deine Öle!


Braut Ruach, Taube in der Liebe Garten,

Zum Paradiese wandle alle Dürre,

Du salbe uns mit reiner Minne Narden

Und mit der heiligen Passionen Myrrhe!


Braut Ruach, Führerin zu höshten Zwecken

Und Fesslerin mit sanften Rosenketten,

Du hauche frischen Wind uns aufzuwecken,

Daß wir uns froh am Taubenbusen betten!


Braut Ruach, rauche wie des Weihrauchs Rauch

Als Odem einer heiligen Beseelung,

Gottseele, hauche wie des Hauches Hauch

Und als ein Kuß der göttlichen Erwählung!


Braut Ruach, als die sanften Tauben scheuer,

Du hauche schöpfrisch über unser Blut,

Du wandele hinüber in dein Feuer

All unser Holz und alle unsre Glut!


Braut Ruahc, mögest in uns fließen, fluten,

Auf daß wir all zu deinem Meere werden,

Du schmelz uns um in deinen Gottesgluten,

Die Galaxieen all und alle Erden!


Braut Ruach, alle Schöpfungswelt verkläre

Durch ewig meditierendes Besinnen

Des Gottes über Gott, und jede Sphäre

Und jeden Menschen wandle du von innen!


Braut Ruach, Gotteskern in unserm Ieme,

Du Feuergeist in unserm Seelenfunken,

Wir sind zuhaus in deinem innern Heime

Und du bist ganz und gar in uns versunken!


Braut Ruach, all dein grenzenloses Schmachten

Und all dein liebegirrendes Betören

Wird gern von uns in unserm dunklen Nachten

Gestillt, wenn wir dich Göttliche erhören!


Braut Ruach, heißen Mundes in uns münde

Und hüll uns alle in dein Flügelkleid,

Verbrenn dein Feuer alle Menschensünde

Und stifte deine Liebe Heiligkeit!


Braut Ruach, Seele unsrer Seelenfunken,

Vermählt mit unserm Geiste bist du Geist,

Wir sind in lauter Liebesglut versunken

Im Meer der Gnade, Gottheit, sei gepreist!


Braut Ruach, ewigschönen Lebens Bronne,

Wir lieben dich - nun nimmermehr wer spottet -,

Weil du in deiner schöpferischen Wonne

Den Menschen als Erlöserin vergottet!