VON TORSTEN SCHWANKE
FRAGMENT
SPRÜCHE SALOMOS
Sprüche 1
Die Bußpredigt der Sophia
20 Die Sophia ruft laut auf der Straße und lässt ihre Stimme hören auf den Plätzen. 21 Sie ruft im lautesten Getümmel, am Eingang der Tore, sie redet ihre Worte in der Stadt:
Sophia ist eine Predigerin und ruft zur Buße auf, so begann Jesus seine Predigt mit dem Wort: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe, und so ruft die Jungfrau Maria in ihren Erscheinungen: Buße, Buße, Buße! Betet, betet, betet!
22 Wie lange wollt ihr Unverständigen unverständig sein und ihr Spötter Lust zu Spötterei haben und ihr Toren die Erkenntnis hassen?
Die Unverständigen wollen die Worte Sophias nicht verstehen, sie haben ideologische Scheuklappen, sie wollen auch die Botschaften Marias nicht hören, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, es könnte ja sein, dass im Himmel einzig Christus herrscht und Christus sich zur katholischen Kirche bekennt, und davon wollen die Spötter nichts wissen, sondern spotten über alles Heilige, sie halten ihren Geist der aufklärung, des Rationalismus und der Wissenschaft den Mysterien der Religion für überlegen.
23 Kehrt euch zu meiner Zurechtweisung! Siehe, ich will über euch strömen lassen meinen Geist und euch meine Worte kundtun.
Sophia will Ströme des Segens und der Gnade ausströmen, einen Niagara an Unterweisungen und Belehrungen. Sie will die Lehrerin sein. Ein Heiliger sagte: Willst du die Herzen Jesu und mariens trösten, begib dich in die Schule Sophias. Zum heiligen Johannes Bosco sagte Jesus in einem Traum: Ich werde dir eine Lehrmeisterin geben, in ihrer Schule wirst du weise, ohne sie ist jede Weisheit nur Torheit. Der heilige Thomas von Aquin bekannte, er habe seine ganze Theologie und Philosophie durch die Lehre der Sophia oder sapientia divina empfangen.
24 Wenn ich aber rufe und ihr euch weigert, wenn ich meine Hand ausstrecke und niemand darauf achtet, 25 wenn ihr fahren lasst all meinen Rat und meine Zurechtweisung nicht wollt, 26 dann will ich auch lachen bei eurem Unglück und euer spotten, wenn Schrecken über euch kommt; 27 wenn Schrecken über euch kommt wie ein Sturm und euer Unglück wie ein Wetter; wenn über euch Angst und Not kommt.
Sophia warnt vor der Sünde gegen den Heiligen Geist, die weder auf Erden noch im Fegefeuer vergeben werden kann, wie Jesus sagt, und diese Sünde ist nach Johannes Paul II die Ablehnung des Heilsangebotes der göttlichen Gnade bis zur Todesstunde. Aber hier sehen wir die lachende Sophia. Der Psalmist sagt in Psalm 2: Jahwe wird lachen über die Heiden, die ihn und den Messias ablehnen. An einer anderen Stelle sagt der Psalmist: Die mit Tränen säen, werden mit Lachen ernten. Jesus sagt: Selig sind die trauernden, denn sie werden lachen. In der orthodoxen Kirche gibt es die Tradition des Osterlachens. Dante spricht vom Lachen und vom Tanz der Engel im Paradies. Hesiod nannte Aphrodite die lachenliebende Aphroite. Homer sprach vom olympischen Gelächter der Götter. Allerdings sagt Jesus Sirach: Die Narren lachen laut, die Weisen lächeln leise. Die heilige Therese von Lisieux wurde von seelischer Bedrücktheit geheilt, als sie vor der Statue der Lächelnden Jungfrau betete. Einer Seherin sagte über die Jungfrau: Sie lächelt gerade, sie ist wunderschön. Oder anders gesagt, wie die heilige Teresa von Avila sagte: Im Paradies ist immer heiteres Wetter. Im Paradies werden wir also sehen die lachende Sophia.
28 Dann werden sie nach mir rufen, aber ich werde nicht antworten; sie werden mich suchen und nicht finden. 29 Weil sie die Erkenntnis hassten und die Furcht Jahwes nicht erwählten, 30 meinen Rat nicht wollten und all meine Zurechtweisung verschmähten, 31 darum sollen sie essen von den Früchten ihres Wandels und satt werden an ihren Ratschlägen. 32 Denn den Unverständigen bringt ihre Abkehr den Tod, und die Toren bringt ihre Sorglosigkeit um; 33 wer aber mir gehorcht, wird sicher wohnen und ohne Sorge sein und kein Unglück fürchten.
Sophia entscheidet über Heil und Unheil, aber nicht unabhängig vom freien Willen des Menschen. Im Gegensatz zu Calvins Prädestinationslehre will Sophia alle retten, und im Gegensatz zu Luthers sola gratia will Sophia den Menschen nicht ohne seine freie Zustimmung retten. Wer auf Sophia hört und ihr gegorcht, wird bewahrt vor dem zweiten Tod und darf wohnen mit ihr in den himmlischen Lustschlössern in den himmlischen Provinzen des Paradieses. Wer sein Herz dem Wort der göttlichen sophia verschließt und in ihrem Reich der Liebe nicht leben willl, dem gewährt sie, für immer in der Hölle zu leben. Diese beiden Schicksale sind ewig und unwiderruflich. Die Sophia der Kirche hat die Lehre der Allversöhnung, von Origenes und den frühen Pietisten verkündet, dass selbst die bösen Geister aus der Hölle erlöst werden, immer verworfen. Die Reinigung der Toten, von denen die Makkabäerbücher reden, von denen Jesus und Paulus reden, ist nur ein zeitlicher Prozess, der auf jeden Fall in die ewige Lust des Paradieses führt.
Sprüche 2
1 Mein Sohn, wenn du meine Rede annimmst und meine Gebote behältst, 2 sodass dein Ohr auf Sophia achthat, und du dein Herz der Einsicht zuneigst, 3 ja, wenn du nach Vernunft rufst und deine Stimme nach Einsicht erhebst, 4 wenn du sie suchst wie Silber und nach ihr forschst wie nach Schätzen, 5 dann wirst du die Furcht Jahwes verstehen und die Erkenntnis Gottes finden. 6 Denn Jahwe gibt Sophia, und aus seinem Munde kommt Erkenntnis und Einsicht.
Jahwe gibt Sophia. Jahwe ist Sophia. Denn Jahwe wird im Hohenlied Jah genannt. Jah wird ohne Vokal JH geschrieben. J ist nach Dante der Gottesname, mit dem Adam im Garten Eden Gott angerufen hat. Und H ist Hochmah, der hebräische Name Sophias.
In der jüdischen Mystik der Kabbala offenbart sich die unergründliche Gottheit (en-soph) in zehn göttlichen Selbstoffenbarungen. Die oberste Selbstoffenbarung ist Kether (die Krone), dann kommt ein Paar von Selbstoffenbarungen: Binah (Vernunft) und Hochmah (Weisheit). Binah wird Mutter genannt, Hochmah Vater. Eine evangelisch feministische Theologin hatte die mich überzeugende Intuition, dass man besser Hochmah Mutter und Binah Vater nennen sollte.
Eine weitere Selbstoffenbarung Gottes ist Jehova, der Herr der Herrlichkeit, und eine andere ist die Schechinah, die Einwohnung Gottes in der Schöpfung, von den Juden als Matrone verehrt. Nun lehren die jüdischen Mystiker, dass das Hohelied Salomosein Liebes-Wechselgesang zwischen Jehova und der Matrone Schechinah ist. Kommen wir zurück auf den Vater der Welt, also Binah, der Vernunft, und auf die Mutter der Welt, also Hochmah, die Weisheit. Auch zwischen diesem göttlichen Elternpaar wird das Hohelied von Salomo und Sulamith gesungen.
Binah, die Vernunft, können wir griechisch mit Logos übersetzen. Hochmah ist, wie gesagt, Sophia. Wir können also das Hohelied gesungen hören zwischen dem Logos und der Sophia. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts lebte ein einsamer feministischer Philosoph namens Otfried Eberz, der ein Buch schrieb über Logos und Sophia. Er nannte den Logos den Bundesgott der zölibatär lebenden Männer und Sophia die Bundesgöttin der zölibatär lebenden Frauen, also der Nonnen im Kloster. Er meinte nämlich, das verheiratete Frauen aus ihrem beschränkten Horizont von Arbeit, Haushalt und Kinderstube nicht in der Lage wäre, die Jungfrau Sophia zu erkennen.
Die Sophia ist nicht leicht zu erkennen. Sokrates wurde von einem Schüler gefragt, wie man Sophia erkenne. Er war den Schüler in den Fluss und drückte dessen Kopf unter Wasser, ließ ihn nach einigen Momenten kurz Luft schnappen und drückte ihn gleich wieder unter Wasser. Nach einiger Zeit ließ er den Schüler los, der fragte: Was sollte das? Da sagte Sokrates: So leidenschaftlich, wie du nach Luft geschnappt hast, o musst du Sophia suchen.
Sophia ist kostbarer als alle materiellen Schätze, mehr zu schätzen als alle irdischen Freuden. Ich sage: Besser arm und weise als reich und gottlos. Das die göttliche Sophia wertvoller ist als alle materiellen Reichtümer ist die göttliche Widerlegung der Philosophie des Materialismus, ob es nun der histrorische und dialektische Materialismus des Kommunismus ist (eine Vergötzung der Materie) oder der praktisch-nihilistische Materialismus der kapitalistischen Konsumgesellschaft (eine Vergötzung des Geldes), beides ist mi der göttlichen Sophia nicht vereinbar. Auch die postmoderne Vergötzung der Körperschönheit junger Frauen oder die Vergötzung der körperlichen Gesundheit als Höchstem Gut ist mit der göttlichen Sophia nicht vereinbar.
Sprüche 3
Vom Segen der Gottesfurcht und Sophia
1 Mein Sohn, vergiss meine Weisung nicht, und dein Herz behalte meine Gebote, 2 denn sie werden dir langes Leben bringen und gute Jahre und Frieden; 3 Gnade und Treue sollen dich nicht verlassen. Hänge meine Gebote an deinen Hals und schreibe sie auf die Tafel deines Herzens, 4 so wirst du Freundlichkeit und Klugheit erlangen, die Gott und den Menschen gefallen.
Hänge dir die Weisheit um den Hals. So tragen Christen gerne Kettchen mit dem Kreuz um den Hals. Katholiken tragen auch gerne Kettchen mit der wundertätigen Medaille, von der Jungfrau Maria in Paris in der Rue du Back Mitte des 19. Jahrhunderts offenbart. Das ist kein Talisman, sondern eine Sakramentalie. Mutter Teresa von Kalkutta verschenkte überall, wohin sie kam, wundertätige Medaillen. Und Mutter Teresa ist doch kein altes abergläubisches Hexenweib, sondern eine große Heilige.
Schreibe dir die Worte Gottes auf die Tafel deines Herzens. Das Herz soll zu einer Bibel aus Fleisch werden. Am besten kennt man die Bibel auswendig. Schreibe nicht politische Zeitschriften oder ein Konservationslexikon auf die Tafel deines Herzens, sondern die <Worte <Sophias, das ist die Bibel. Denn wes das Herz voll ist, des fließt der Mund über. Und leider hören wir bei der Mehrheit der heutigen Christen, dass ihr Herz voll ist mit täglichen politischen Weltnachrichten mehr als mit dem Wort Gottes.
5 Verlass dich auf Jahwe von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand, 6 sondern gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen. 7 Dünke dich nicht, weise zu sein, sondern fürchte Jahwe und weiche vom Bösen. 8 Das wird deinem Leibe heilsam sein und deine Gebeine erquicken. 9 Ehre Jahwe mit deinem Gut und mit den Erstlingen all deines Einkommens, 10 so werden deine Scheunen voll werden und deine Kelter von Wein überlaufen. 11 Mein Sohn, verwirf die Zucht Jahwes nicht und sei nicht unwillig, wenn er dich zurechtweist; 12 denn wen Jahwe liebt, den weist er zurecht, und hat doch Wohlgefallen an ihm wie ein Vater am Sohn.
Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit. Gottesfurcht ist nicht Angst vor Gott, denn vollkommene Liebe treibt die Angst aus, sondern Gottesfurcht ist die Ehrfurcht ofe Reverenz vor dem dreimal-heiligen Gott, die einzige Furcht, Gott durch die Sünde zu kränken und zu beleidigen. Die Gottesfurcht vollendet sich in der Gottesliebe. Gott zu lieben, ist die allerschönste Weisheit. Ein Kardinal, der Bischof war im kommunistischen Ostdeutschland, sagte: Gottesfurcht befreit von Menschenfurcht, Gottesfurcht gibt den Christen den aufrechten Gang und lässt sie stolz den gottlosen Tyrannen die Stirn bieten. Jesus sagte: Fürchtet euch nicht vor denen, die euren Leib töten, aber die Seele nicht töten können, sondern fürchtet Gott, der Leib und Seele in die Hölle werfen kann. Lydia, die erste Christin Europas, war eine gottesfürchtige Frau. In der Apostelgeschichte werden die Heiden, die an den Gott Israels glaubten, Gottesfürchtige genannt. Ohne Gottesfurcht gibt es keine (göttliche) Weisheit. Sophia liebt mehr einen dummen, aber gottesfürchtigen Menschen, als einen intelligenten, aber gottlosen Narren.
13 Wohl dem Menschen, der Sophia erlangt, und dem Menschen, der Einsicht gewinnt! 14 Denn es ist besser, sie zu erwerben, als Silber, und ihr Ertrag ist besser als Gold. 15 Sie ist edler als Perlen, und alles, was du wünschen magst, ist ihr nicht zu vergleichen. 16 Langes Leben ist in ihrer rechten Hand, in ihrer Linken ist Reichtum und Ehre. 17 Ihre Wege sind liebliche Wege, und alle ihre Steige sind Frieden. 18 Sie ist ein Baum des Lebens allen, die sie ergreifen, und glücklich sind, die sie festhalten.
Sophia ist der Baum des Lebens. Der Baum des Lebens stand mitten im Garten Eden, seine Früchte gaben Unsterblichkeit. Als Adam und Eva vom verbotenen Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen gegessen haben, auf Einflüsterung des Satan hin, ward ihnen verboten, nun auch noch vom Baum des Lebens zu essen. Sie wurden aus dem Paradies vertrieben, und ein Cherub mit einem feurigen Schwert bewachte den Eingang zum Paradies. Die Perser erzählen, dass die Unbefleckte Jungfrau-Göttin Anahita den Baum des Lebens auf den Mond verpflanzt hat. Der Baum des Lebens ist dann zum Holz des Kreuzes geworden, an dem Christus, die fleischgewordene Sophia hing, die Früchte dieses Baumes des Lebens sind Leib und Blut Christie, die in der Eucharistie zur Speise und zum Trank des ewigen Lebens werden. Der Prophet Johannes sah auf Patmos den Baum des Lebens im himmlischen Paradies, denn dort ist das ewige Leben, die Blätter des Baumes des Lebens im Himmel bringen Heilung den Völkern, und ihre Früchte ewiges Lebens. Der Baum des ewigen Lebens im Paradies blüht und bringt zugleich Früchte alle zwölf Monate des Jahres.
Sophia ist die Königin des Friedens. Salomo heißt der Friedliche oder König Friedrich, Sulamith heißt die Friedliche, der Messias wird bei Jesaja Fürst des Friedens genannt, die Jungfrau Maria offenbarte sich in Medjugorje als Königin des Friedens. Friede heißt auf hebräisch Schalom, Schalom heißt aber auch Heil. Sophia ist nämlich auch die Heilsbringerin.
19 Jahwe hat die Erde mit Sophia gegründet und nach seiner Einsicht die Himmel bereitet. 20 Durch seine Erkenntnis quellen die Wasser der Tiefe hervor und triefen die Wolken von Tau. 21 Mein Sohn, lass sie nicht aus deinen Augen weichen, bewahre Umsicht und Klugheit! 22 Das wird Leben sein für dein Herz und ein Schmuck für deinen Hals.
Gott hat in und durch Sophia die Schöpfung geschaffen. Die Makkabäer sprechen von Gottes Schöpfung aus dem Nichts. Creator ex nihilo, ist biblisch. Der russische Religionsphilosoph Wladimir Solowjew fragte: Was ist das Nichts, aus dem Gott das All geschaffen? Er sagte: Dieses Nichts ist das feminine Nichts, ist Sophia.
Die jüdische Mystik zitiert den ersten Vers der Bibel: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Im Anfang heißt hebräisch bereshit. Die Juden sagen: Es heißt im Anfang, bereshit, wie: im Prinzip schuf Gott, und wer oder was ist dieses Uprinzip Bereshit? Es ist die Jungfrau Torah. Die Jungfrau Torah steht bei den Juden oft für das Metamphysisch-weibliche. Wir können auch sagen: In Bereshit, im Anfang oder im Prinzip schuf Gott, das heißt, in und durch und aus Sophia schuf Gott Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt.
Im Neuplatonismus Plotins entsteht die Schöpfung nicht durch einen freien Willensakt Gottes, sondern durch Emanation oder Ausfluss. Das Eine ist die Höchste Gottheit. Aus dem Einen fließt der Geist. Der Geist ist dreifaltig: Der Denker, das Gedachte und das Denken. (So ist die Dreifaltigkeit Gottes der Liebende, der Geliebte und die Liebe.) Aus dem Geist fließt die Weltseele. Die Weltseele ist ein Konzept Platons. Die Kirchenväter waren ungewiss, ob die Idee der Weltseele mit der biblischen Offenbarung zu vereinbaren ist. Manche nannten die Weltseele den Heiligen Geist. Wladimir Solowjew nannte Sophia die verklärte Weltseele. Aus der Weltseele fließt die Natur.
Heidnische Mythologie spricht von der Welt als von geboren von einer Muttergöttin oder als Samenerguss eines Vatergottes. Was aber geboren von einer Gottheit oder Emanation einer Gottheit ist, ist selbst Gottheit, und man gelangt so zum hinduistischen Pantheismus: Die Welt ist Gott. Das Ich des Menschen ist Gott. Im Gegensatz dazu spricht die Bibel von einer Schöpfung durch den Willen Gottes oder durch das Sprechen, durch das Wort Gottes, und die Schöpfung ist nicht göttlich und die Seele ist nicht göttlich, sondern Geschöpf und Abbild Gottes.
Die feministische Bibel übersetzt im Johannes-Prolog das Wort Logos mit Weisheit: Am Anfang war die Weisheit, und die Weisheit war bei Gott, und die Weisheit ist Gott. Von Ihr ist alles geschaffen, was geworden ist, und ohne Sie ist nichts geschaffen.
Papst Benedikt XVI übersetzt Logos mit göttlicher Vernunft und sagte: Die Schöpfung ist (im Urknall) durch die göttliche Vernunft geworden, und in der Schöpfung, in der kosmischen Materie ist die göttliche Vernunft enthalten, denn trotz gewisser Irrationalität ist die Materie voll der Ratio und rationell erkennbar durch die Naturwissenschaften.
Die göttliche Sophia ist also die Schöpferin des Alls, sie ist die Weltseele des kosmischen Weltkörpers, sie ist die Seele der Natur und der göttliche Funke im Inneren der menschlichen Seele.
Sprüche 4
1 Hört, meine Söhne, die Mahnung eures Vaters; merkt auf, dass ihr lernt und klug werdet! 2 Denn ich gebe euch eine gute Lehre; verlasst meine Weisung nicht. 3 Ein Sohn war ich bei meinem Vater, zart und einzig vor meiner Mutter, 4 da lehrte er mich und sprach: Lass dein Herz meine Worte aufnehmen; halte meine Gebote, so wirst du leben.
Es geht um die Erziehung zur Weisheit. Zwei Philosophen waren besonders als Pädagogen tätig: Konfuzius und Aristoteles. Konfuzius entwickelte eine Familien-Pädagogik, er war Fürstenerzieher. Ich habe die Doktorarbeit eines christlichen Konfuzianers über die Vater-Sohn-Beziehung im Klassischen Konfuzianismus auf deutsch formuliert. Aristoteles erzog den jungen Alexander von Mazedonien, der es später immerhin bis zur Erwähnung in der Bibel (1. Makkabäer) brachte.
Ich habe auch Knaben erzogen, Zwillinge, Söhne meiner platonischen Freundin. Der eine sagte: „Ich weiß, wer Frau Weisheit ist: Maria!“ Der andere sagte: „Wer war weiser: Salomo oder Odysseus?“
Der Jesusknabe war von Maria und Josef im Glauben erzogen. In einem marianischen Volksmärchen heißt es: Die Mutter Gottes brachte ihrem Kinde Jesus bei, jeden Morgen die heilige Messe zu besuchen und am Sonntag die Große Messe, und sie brachte ihm das Vaterunser bei. - Es heißt im Evangelium, dass Jesus an Gnade bei Gott und den Menschen zunahm und voll Weisheit war. Eine jüdische Theologin sagte: Welche Weisheit hat Jesus denn gelernt? Er hat doch nicht Platon und Aristoteles studiert, nein, er hat die Weisheit des Alten Testaments gelernt. - Dass Maria bibelfest war, erkennen wir am Lobgesang Mariens, dem Magnifikat, das voll ist von Zitaten aus dem Alten Testament. Jesus war also „erfüllt von Weisheit“ das heißt „erfüllt von Sophia“.
5 Erwirb Sophia, erwirb Einsicht; vergiss sie nicht und weiche nicht von der Rede meines Mundes; 6 verlass sie nicht, so wird sie dich bewahren; liebe sie, so wird sie dich behüten. 7 Denn der Sophia Anfang ist: Erwirb Sophia und erwirb Einsicht mit allem, was du hast.
Wie erwirbt man Sophia? Zuallererst ist die Weisheit eine Gabe des Heiligen Geistes (Jesaja 11). Jakobus sagt: Wem Weisheit mangelt, der bitte darum. Darum ist das „immerwährende Gebet“ (Paulus) der beste Weg zur Erlangung Sophias. Das zweite Mittel ist das Lesen der Bibel, ein betendes und meditierendes Lesen der Bibel (lectio divina). Sankt Hieronymus sagte: Die Bibel nicht kennen, heißt Christus nicht kennen. Das dritte Mittel ist das geduldige Tragen des eigenen Kreuzes und die mystische Vereinigung der eigenen Leiden mit den Leiden Christi, dann fließt vom Kreuz unmittelbar die mystische Weisheit in die Seele. So lehrten es Angela di Foligno und San Juan de la Cruz. Das vierte Mittel nennt Jesus Sirach: Das fleißige Studium der Bücher der Weisen. Das sind nicht nur die biblischen Bücher, sondern auch Lao Tse, Paulus, Plotin und die vielen anderen Philosophen und Mystiker und inspirierten Dichter.
8 Achte sie hoch, so wird sie dich erhöhen und wird dich zu Ehren bringen, wenn du sie herzest. 9 Sie wird dein Haupt schön schmücken und wird dich zieren mit einer prächtigen Krone.
Es gibt tatsächlich die Liebe der göttlichen Sophia. Charles Péguy sagte: Liebe ist das Wesen des Christlichen, und Zärtlichkeit ist das Wesen des Katholischen. Papst Franziskus spricht von der Zärtlichkeit Gottes. Sophias Liebe ist eine zärtliche Mutterliebe. Sie sagt: Ich bin die Mutter der schönen Liebe (Jesus Sirach 24). Und es gibt auch eine Umarmung der göttlichen Sophia. So sagte Maria im 16. Jahrhundert in Mexiko zu einem Indio: Bist du nicht in der Beuge meiner Arme? - So kann der Beter im Ruhegebet in den Armen Sophias ruhen. Wie Johannes beim Abendmahl am Herzen Jesu ruhte, kann der Sophienverehrer im Gebet am unbefleckten Herzen Sophias ruhen. Ja, er kann, wie es in Jesaja 66 heißt, sich satt trinken an den Brüsten ihrer Herrlichkeit. Was sind aber die Brüste Sophiens? Die mittelalterlichen Theologen sagten: Ersten sind die beiden Brüste Sophien das alte und das neue Nestament, zweitens trinkt der Beter an den beiden Brüsten Sophiens die göttliche Liebe und die göttliche Weisheit, drittens spenden die beiden Brüste Mariens die Milch des Wortes Gottes für die Unmündigen und den ungemischten Wein für die Mystiker. - Nun, die Wonne, an den Brüsten Sophiens zu ruhen, kann nur die mystische Erfahrung lehren, das kann man mit Worten nicht sagen. Psalm 131: Still ist meine Seele wie ein Kind in den Armen der Mutter, so ist meine Seele bei Gott.
Und was ist die Krönung durch Sophia? Nun ist Sophia erst einmal selbst gekrönt. Sankt Grignion nennt sie Himmelskönigin, Sankt Nikolaus von der Flüe nennt sie Herrin des Himmels und der Erde. Paulus schreibt kurz vor seinem Tod, nun liege die Krone der Gerechtigkeit für ihn bereit. Ich spreche gerne von der Krone der Schönheit. Die Himmelskönigin Sophia macht ihre Verehrer nicht zu Sklaven (wie es irdische Frauen mit ihren Männern öfter tun), sondern krönt sie zu Königen. Dante in seiner Göttlichen Komödie wird im Jenseits gekrönt mit der Kaiserkrone und der Papst-Tiara: Von nun an, sagt seine himmlische Geliebte Beatrice, bist du dein eigener Papst und dein eigener Kaiser.
10 Höre, mein Sohn, und nimm an meine Rede, so werden deine Jahre viel werden. 11 Ich will dich den Weg der Sophia führen; ich will dich auf rechter Bahn leiten, 12 dass, wenn du gehst, dein Gang dir nicht sauer werde, und wenn du läufst, du nicht strauchelst. 13 Halte fest an der Sophia, lass nicht davon; bewahre sie, denn sie ist dein Leben.
Sophias Verheißung im alten Testament ist ein langes Leben, aber ihre Verheißung im neuen Testament ist ein ewiges Leben. Sophia ist der Weg. Jesus sagt als menschgewordene Sophia: Ich bin der Weg. Auch Tao, der chinesische Begriff für Sophia, besteht als Schriftzeichen aus den Zeichen Kopf und Fuß und wird in deutschen Übersetzungen des Tao Te King oft mit Weg übersetzt. Sophia ist das Leben. So sagt auch Jesus: Ich bin das Leben. Es gibt im Griechischen zwei Worte für Leben: Bios ist das natürliche, körperliche Leben, die physische Biologie, aber Zoe ist das innere Leben, die Geistseele, die unsterblich ist, und dieses Zoe-Leben gibt uns Sophia. Und sie will, dass wir so leben: Alles mit Sophia tun, alles durch Sophia tun, alles für Sophia tun, alles in Sophia tun.
Sprüche 5
15 Trinke Wasser aus deiner Zisterne und was quillt aus deinem Brunnen. 16 Deine Quellen sollen herausfließen auf die Straße und Wasserbäche auf die Gassen! 17 Habe du sie allein und kein Fremder mit dir. 18 Dein Brunnen sei gesegnet, und freue dich der Frau deiner Jugend. 19 Sie ist lieblich wie eine Gazelle und holdselig wie ein Reh. Lass dich von ihrer Anmut allezeit sättigen und ergötze dich allewege an ihrer Liebe.
Wir sehen hier die eheliche Liebe zwischen der göttlichen Sophia und dem Philosophen. In der Bibel heißt es zwar: der Weise, aber es war Pythagoras in seiner Demut, der sich nicht einen Weisen, sondern einen Freund der Weisheit, einen Philosophen nannte. So schrieb Heinrich Heine: Ich liebe Frau Weisheit, aber ach, wie immer bei mir, es ist eine unerwiderte Liebe. Diese Ehe zwischen Sophia und dem Philosophen nennt Sankt Grignion eine geistliche, aber wirkliche Ehe. Sophia ist treu. Auch vom Sophienbräutigam wird eheliche Treue erwartet. Die kann sich in einem Gelübde ausdrücken, in lebenslanger Ehelosigkeit für das Himmelreich, also im Zölibat zu leben. Sophia wird hier die Frau der Jugend genannt. Wohl dem, der sich schon in der Jugend mit Sophia vereinigt hat, aber es gibt auch Spätberufene. Jedenfalls ist Sophia von einer ewigen Jugendlichkeit. Zwar ist sie auch die uralte Gottheit, älter als der Urknall, aber in ihrer Erscheinung ist sie immer jugendlich. So ist die Jungfrau Maria die Immerwährende Jungfrau und wird von allen Sehern in einer jugendlichen Gestalt von ca. 19 Jahren gesehen. Dass Sophia mit einer Gazelle und einem Reh vergleichen, kommentierten die Rabbinen im babylonischen Talmud so: Der Hindin Muttermund ist eng. So ist auch die Jungfrau Torah immer eng gebaut wie eine Jungfrau. Und selbst wenn der Schriftgelehrte, der Bräutigam der Jungfrau Torah, schon fünfzig Jahre alt ist, so ist die Jungfrau Torah immer noch frisch und jugendlich und reizend und neu wie eine eng gebaute Jungfrau. Übrigens sagten die verheirateten Rabbinen von fünfzig Jahren, dass sie mit ihren fünfzigjährigen Rabinnenfrauen keinen ehelichen Umgang mehr haben könnten, weil beider dicke Bäuche es verhindern, dass sich die Genitalien erreichen. Erfreue dich an Sophias Anmut. Ja, Sophia ist schön! Sankt Grignion nennt sie die platonische Idee der Schönheit, also das makellose Urbild aller Frauenschönheit. Sankt Dionysios Areopagita nannte die Urgottheit: Urschönheit. Während die irdischen Schönen mal schön sind und mal nicht, nicht für immer schön, nicht in jedem Teil schön, die eine schöner als die andere, alle nicht ganz vollkommen schön, so ist die göttliche Urschönheit immer und in jeder Hinsicht vollkommen schön. So beschreiben die Seher der Jungfrau Maria sie als schön, unbeschreiblich schön, vollkommen schön, aber nicht im Sinne eines Modefotographen. Ergötze dich an ihrer Liebe, oder: Berausche dich an ihren Brüsten. Von den Brüsten Sophias habe ich schon gesprochen. Paulus sagt: Sauft euch nicht voll Wein, sondern lasst euch vom heiligen Geist erfüllen. Bei der Herabkunft des Heiligen Geistes am Pfingstfest hielt man die Apostel für betrunken. Die Mystiker sprechen von einer nüchternen Trunkenheit des Heiligen Geistes. Es ist die berauschende Erfahrung der Liebe Sophias, die der Begeisterung eines Rausches durch Spirituosen zu vergleichen ist. Diese eheliche Liebe mit ihren ehelichen Freuden ist eine glühende Gottesliebe. Ein französischer Charismatiker sagte: Die rote Glut der irdischen Frauenliebe kann nicht ersetzt werden durch das kühle Violett der Frömmigkeit, sondern nur durch die noch heißere Glut, die Weißglut der Liebe zur göttlichen Jungfrau Sophia.
Sprüche 7
1 Mein Sohn, behalte meine Rede und verwahre meine Gebote bei dir. 2 Behalte meine Gebote, so wirst du leben, und hüte meine Weisung wie deinen Augapfel. 3 Binde sie an deine Finger, schreibe sie auf die Tafel deines Herzens. 4 Sprich zu Sophia: Du bist meine Schwester, und nenne die Klugheit deine Freundin, 5 dass sie dich behüte vor der fremden Frau, vor der Fremden, die glatte Worte gibt.
Wir sollen die Gebote Gottes halten. Protestanten unterscheiden gerne zwischen dem Gesetz und der Gnade, das Gesetz verwerfen sie, die Gnade rettet sie ohne Werke. Maria fordert immer dazu auf, die Gesetze Gottes zu halten. Die Gnade, das Leben des Heiligen Geistes in unseren Herzen, ermöglicht uns, das Gesetz Gottes zu halten. Das Gesetz der Gnade ist das Gesetz Christi: das Doppelgebot der Liebe. Dazu gehört auch die gesunde Selbstliebe. Augustinus fasst das Gesetz Christi so zusammen: Liebe, und dann tu was du willst.
Wir sollen die Jungfrau Torah hüten wie unseren Augapfel. Augapfel heißt im Hebräischen Augenstern oder Tochter des Auges. Andererseits sagt Gott: Wer Gottes Kinder antastet, tastet Gottes Augapfel an. Wer ungeborene Kinder im Mutterschoß ermordet, tastet Gottes Tochter des Auges an.
Sophia nennt sich Schwester. So nennt sich Jesus Bruder der Christen. So nennt die Kirche Maria Schwester der Christen. Sophia als Schwester lehrt den zölibatären Menschen, das Bild der Frau als Schwester in seinem Inneren zu entdecken, sagt Johannes Paul II in seiner theology of the body. Paulus sagt, der Christ soll ältere Frauen als Mütter verehren und jüngere Frauen als Schwestern, in aller Ehrbarkeit. Die Braut im Hohelied wird von Salomo Schwester-Braut genannt. Nach dem pietistischen Sophienverehrer Gottfried Arnold ist die Schwester-Braut des Hohenliedes die göttliche Sophia.
Sophia nennt sich auch Freundin. Im Hohenlied wird Salomo Geliebter genannt und Sulamith Freundin. Ruth heißt: die Freundin oder die Freundschaft. Jesus nennt seine Jünger nicht mehr Knechte, sondern Freunde. Als ich zur katholischen Kirche konvertierte, fragte ich einen Priester: Darf ich zu Maria beten? Er sagte: Reden Sie mit Maria wie mit einer Freundin. - (Wer kein Verlangen nach einer bürgerlichen Ehefrau hat und den Namen einer Ehefrau nicht auf Sophia anwenden mag, der nenne sie seine Freundin und Geliebte.)
Sophia bewahrt uns vor den fremden Frauen. Fremde Frauen sind die weiblichen Gottheiten heidnischer Religionen: die Venus der Griechen und Römer, die Hertha der Germanen, die Guan Yin der Buddhisten, die Kali der Inder, die Fatima der Muslime, die Pachamama der Indianer, die Inanna der Sumerer, die Isis der Ägypter, die Lilith des Okkultismus, die Astarte der Kanaanäer. - Eine evangelische Pastorin sagte zu mir: Wenn Sie sich nach den Muttergöttinnen sehnen, kennen Sie denn die Jesus-Sophia?
Sprüche 8
Einladung und Verheißung der Sophia
1 Ruft nicht die Sophia, und lässt nicht die Klugheit sich hören? 2 Öffentlich am Wege steht sie und an der Kreuzung der Straßen; 3 an den Toren am Ausgang der Stadt und am Eingang der Pforte ruft sie: 4 O ihr Männer, euch rufe ich und erhebe meine Stimme zu den Menschenkindern! 5 Merkt, ihr Unverständigen, auf Klugheit, und ihr Toren, nehmt Verstand an! 6 Hört, denn ich rede, was edel ist, und meine Lippen sprechen, was recht ist. 7 Denn mein Mund redet die Wahrheit, und meine Lippen hassen, was gottlos ist. 8 Alle Reden meines Mundes sind gerecht, es ist nichts Verkehrtes noch Falsches darin. 9 Sie sind alle recht für die Verständigen und richtig denen, die Erkenntnis gefunden haben. 10 Nehmt meine Zucht an lieber als Silber und achtet Erkenntnis höher als kostbares Gold.
Wahrheit. Mit Sophia kommt die Wahrheit. „Ich bin die Wahrheit“, spricht Jesus. Der römische Dichter sprach von der veritas nuda. Botticelli malte sein Modell erst als Venus, dann als Madonna und schließlich als nackte Wahrheit. Papst Benedikt XVI sprach von der Diktatur des Relativismus. Die Postmoderne sagt: Ich hab meine Wahrheit, du hast deine Wahrheit. Man glaubt an keine absolute Wahrheit mehr. Aber Christus ist die Offenbarung der absoluten Wahrheit und der von ihm geoffenbarte Glaube und die von ihm gestiftete Kirche lehren die absolute Wahrheit. Platon sagte: Im Gegensatz zum Philosophen, dem Liebhaber der Wahrheit, gibt es dann noch die Menge von Philodoxen, den Liebhabern von Meinungen. Auch kann die Wahrheit des Glaubens nicht eine andere Wahrheit als die Wahrheit der Naturwissenschaft sein.
Gerechtigkeit. Mit Sophia kommt die Gerechtigkeit. Die Kunst hat die Justitia immer als eine Frau dargestellt, mit verbundenen Augen, denn sie richtet unabhängig von der sozialen Rolle der Menschen, und mit einer Waage in der Hand. So wird die Justitia divina auch unsere Seelen im Weltgericht wägen, und wehe der Person, zu der die Justitia sagt: Du bist gewogen und für zu leicht befunden!
Vernunft. Mit Sophia kommt die Vernunft, ratio oder logos. Papst Benedikt sagte, der Mensch fliege mit zwei Flügeln zu Gott, dem Flügel der ratio und dem Flügel der fides. Glaube und Vernunft sind dem Menschen von Gott als Mittel der Erkenntnis gegeben. Ein Glaube ohne Vernunft ist fundamentalistisch, wie der Islam oder der Biblizismus der evangelikalen Fundamentalisten, eine Vernunft ohne Glaube ist unerleuchtet und geht in die Irre, wie bei den atheistischen Wissenschaftlern. Luther dagegen nannte die Vernunft eine Hure: Fraw klueglin ist ain hur! Er lehnte das Studium der Philosophie ab und postulierte: der Glaube allein, sola fides. Papst Benedikt XVI nannte die göttliche Vernunft die Schöpferin des Universums, eines im Wesentlichen rational strukturierten Universums, und auch nur so sei es für die rationale Wissenschaft erkennbar.
Zucht. Mit Sophia kommt auch die Zucht. Was ist Zucht? Wirr kennen ja nur noch die allgegenwärtige Unzucht der sexuellen Revolution. Zucht ist das Gegenteil von Unzucht, Zucht ist im Sittlichen, Moralischen eine Reinheit, eine Keuschheit, eine Selbstbeherrschung, eine Tugend. Ohne Zucht keine Heiligkeit. Zucht ist die Erziehung durch Gott. Gott ist als Vater ein weiser Pädagoge. Gott erzieht auch durch Strafen. Wen Gott nicht durch Strafen erzieht, der ist ein Bastard und nicht ein Kind Gottes.
11 Denn Sophia ist besser als Perlen, und alles, was man wünschen mag, kann ihr nicht gleichen. 12 Ich, die Sophia, wohne bei der Klugheit und finde Einsicht und guten Rat. 13 Die Furcht Jahwes hasst das Arge; Hoffart und Hochmut, bösem Wandel und verkehrter Rede bin ich feind. 14 Mein ist beides, Rat und Tat, ich habe Verstand und Macht.
Klugheit. Mit Sophia kommt die Klugheit. Wer keine rechte Fortschritte macht im Studium, bitte Sophia um Hilfe, und er wird gut voran kommen im Studium der Wissenschaft von den göttlichen Dinge. Sophia verleiht staunenswerte Belesenheit, Kenntnis der Patristik und Scholastik und Mystik und der Geschichte der Philosophie und der Weltliteratur. Jesus sagte: Die Kinder der Welt sind klüger als die Kinder des Lichts, und damit empfahl er den Kindern des Lichts die Klugheit. Seid klug wie die Schlangen!
Furcht Jahwes. Mit Sophia kommt die Furcht des Herrn. Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit. Besser dumm und voll der Furcht des Herrn, als gebildet und ohne Furcht des Herrn. Die Furcht des Herrn kennt den Unterschied zwischen Gott und dem Geschöpf. Die Furcht des Herrn sagt: du ist Gott und ich bin Staub. Du bist mein Ein und Alles und ich bin ohne dich Nichts. Das Gegenteil der Furcht des Herrn ist die Vergötzung des Menschen wie etwa im New age: „Ich bin ein Stück von Gott.“ Oder, was auch manche Christen sagen, die Vergötzung der Frau: „Meine Frau ist ein Stück von Gott.“
Gutheit. Mit Sophia kommt die Gutheit. Jesus sagt: Keiner ist gut als Gott allein. Gott ist gut und in ihm ist nichts Böses. Luther dagegen sagte: Gott tut das Böse, um dann um so herrlicher seiner Macht zu erweisen in der Überwindung des Bösen, so muss Gott erst noch zum Teufel werden. In Luthers Folge nannte Hegel Luzifer die vierte Person der Dreifaltigkeit. Aber Goethe sagte: Im Licht ist kein Finsternis. Und Shakespeare sagte: Gut und Böse ist eine schlechte Theologie. Auch das New Age sagt: Gott ist yin und yang, gut und böse, Liebe und Hass, Christus und Luzifer sind Zwillingsbrüder. Platon dagegen nannte das höchste Gut, die höchste Gottheit die Gutheit. Diese göttliche Gutheit erzeugt im glaubenden Menschen die Güte.
Macht. Mit Sophia kommt die Macht. Sophia gibt geistliche Macht in der Hierarchie der Kirche und weltliche Macht der staatlichen Obrigkeit und dem Individuum die Macht über sich selbst, die Selbstbeherrschung, ohne die es keine selbstlose Liebe geben kann.
Demut. Mit Sophia kommt die Demut. Demut heißt Mut zum Dienen. Luzifers Motto und das seiner Jünger ist: Non sevam. Jesus dagegen ist der Knecht Gottes, Maria diee Magd des Herrn, Paulus ein Sklave Jesu Christi, der Papst der Diener dr Diener Christi. Demut ist nach Teresa von Avila die Erkenntnis der Wahrheit über sich selbst, die Erkenntnis der eigenen Stärken und schwächen. Demut ist nicht ein Minderwertigkeitskomplex. Demut weiß um die eigenen Charismen und ist stolz auf sie, weiß aber, dass alle Schwächen aus dem Fleisch kommen, alle Stärken aber Gaben Gottes sind, und preist Gott dankbar für die Gaben.
15 Durch mich regieren die Könige und setzen die Ratsherren das Recht. 16 Durch mich herrschen die Fürsten und die Edlen richten auf Erden.
Gottes Weltregiment wird in der Bibel mit dem Königtum Gottes bezeichnet. Gott ist der König Israels und der König aller Völker. Gott ist der Herr der Geschichte, die eine Heilsgeschichte ist, die von der Genesis zur Apokalypse führt, vom irdischen Paradies am Anfang zum himmlischen Paradies am Ziel. Christus ist der König aller Nationen, Maria ist die Frau aller Völker. Als im 16. Jahrhundert in Europa die Zeit des Kaisertums zuende ging, begann die Verehrung des göttlichen Jesuskindes (Prager Jesulein) als heimlichem Kaiser. Theokratie, Monarchie in der Bibel sind die beiden Regierungsformen im Buch der Offenbarung. Am Anfang stand in Israel die Theokratie, das Volk wurde von Gott durch Propheten und Richter geführt. Später setzte sich in Israel des davidische Königtum durch. Jesus stammt aus dem davidischen Königreich, sein Königtum oder das Himmelreich (basilea) ist aber nicht von dieser Welt, sondern gewissermaßen wieder eine Theokratie. Ob uns nun bevorsteht eine Welt-Diktatur des Antichrist oder eine universale Theokratie Jesu und Mariens, ist noch ungewiss. Platon spricht über die Regierungsformen, indem er die optimale Regierungsform eine Monarchie nennt, wobei der Monarch ein Philosoph sein sollte, was vielleicht einzig bei Marc Aurel der Fall war. Die Pervertierung der Monarchie ist die Diktatur (die wir im 20. Jahrhunderts kennen gelernt). Die nächstbeste Form des Staates ist der Feudalismus der Aristokratie, die Herrschaft der Fürsten, deren Pervertierung ist die Oligarchie (so muss man wohl das gegenwärtige Russland nennen), die drittbeste Regierungsform ist die Demokratie (es war die Demokratie von Athen, die den Sokrates zum Tode verurteilt hatte) und deren Pervertierung ist die Anarchie. Platon nahm historische Zyklen an, von der Monarchie zur Aristokratie, zur Demokratie und wieder zur Monarchie. Die Anarchie ward von Papst Johannes Paul II auch Pöbelherrschaft genannt. Aber Sophia definiert auch das Recht, vor allem das Naturrecht, das schon bei Babyloniern und Griechen existierte und von der katholischen Soziallehre bewahrt wurde, Papst Benedikt XVI nannte es vor dem Deutschen Bundestag eine „Ökologie des Menschen“, ein natürliches Recht, das dem positiven Gesetzen vorausgeht. Etwa widerspricht die Abtreibung dem Naturrecht, und wenn sie noch so oft von den bürgerlichen und sozialistischen Gesetzen legalisiert wird.
17 Ich liebe, die mich lieben, und die mich suchen, finden mich.
Heinrich Heine übertrug seinen steten Liebeskummer auch auf sein Verhältnis zur Frau Weisheit und nannte sein Liebe zu ihr eine unerwiderte Liebe. Das klingt sehr demütig, aber es ist nicht biblisch, denn Sophia sagt: Ich liebe, die mich lieben. Der selige Heinrich Seuse schrieb von seiner unglücklichen Frauenminne und klagte Frau Weisheit sein Leid, das er bei den Frauen immer Rosen gesucht und nur Dornen gefunden. Da sagte die Ewige Weisheit zu ihm: Das kommt von mir, denn ich wollte dich vor den sterblichen Frauen bewahren, weil ich dich ganz für mich wollte.
18 Reichtum und Ehre ist bei mir, bleibendes Gut und Gerechtigkeit. 19 Meine Frucht ist besser als Gold und feines Gold, und mein Ertrag besser als erlesenes Silber. 20 Ich wandle auf dem Wege der Gerechtigkeit, mitten auf der Straße des Rechts, 21 dass ich versorge mit Besitz, die mich lieben, und ihre Schatzkammern fülle.
Sophia versorgt ihre Verehrer auch mit den lebensnotwendigen materiellen Gütern, mit dem im weitesten Sinne täglichen Brot. Nur liebt Sophia kein menschliches Streben nach materiellen Gütern. Aber die Vorsehung des Vaters wird auch die Lilien schön kleiden und die Sperlinge mit Brot ernähren.
Sophia und die Schöpfung
22 Jahwe hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. 23 Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war.
Sophia ist die Ewige Weisheit, ewig wie Gott. Sie ist die zweite Person Gottes, die nach dem Credo „gezeugt, nicht geschaffen“ ist. Die Arianer dagegen, die des Altertums und die des modernen Christentums, sehen Christus als das erste Geschöpf Gottes an. Die Kirchenväter nannten Christus die ungeschaffene Weisheit, Sophia increata, und Maria die geschaffene Weisheit, Sophia creata. Die florentinischen Neuplatoniker des 16. Jahrhunderts spekulierten darum über eine Präexistenz Mariens. Die ungeschaffene Weisheit aber ist nicht Geschöpf Gottes, sondern Mit-Schöpferin mit dem Schöpfer.
24 Als die Tiefe noch nicht war, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen. 25 Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren, 26 als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens. 27 Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über der Tiefe, 28 als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe, 29 als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, dass sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte,
Das Judentum und Christentum lehren eine Urschöpfung, die griechischen hilosophen dachten da eher an eine ewige Materie: So dachte Aristoteles. So dachte Giordana Bruno, so dachte der abendländische Atheismus. Die Iner glaubten zwar an eine Schöpfung durch Brahama, aber diese Schöpfung wiederholt sich nach der Zerstörung der Welt durch Shiva immer wieder in Zyklen und ewigen Kreisläufen, so dass das Werden und Vergehen der Welt bei den Indern doch ewig ist. Die Schöpfung der Welt ex nihilo ist ein spezieller Gedanke des Judentums (wird in den Makkabäerbüchern bezeugt) und damit auch des Christentums, sowie des sich aus jüdischen und christlichen Elementen speisenden Islam. In der modernen Wissenschaft wird diese Schöpfung aus dem Nichts mit dem Begriff Urknall bezeichnet.
Sophia bringt die Welt durch den Urknall hervor und entfaltet den Urkeim der Welt durch theistische Evolution. Nach Wladimir Solowjew finden sich Evolution und Dialektik zwar nicht in der Gottheit (wie Luther und Hegel behaupten), aber sehr woh in der Weltseele. Er spricht von den natürlichen Wundern: der Entstehung organischen Lebens aus der Materie, der Entstehung des Menschen aus dem Tierreich und der Entstehung des Gottmenschentums aus der sündigen Menschheit durch die Auferstehung.
30 da war ich beständig bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; 31 ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.
Sophia war Gottes Lust, anders übersetzt kann man sagen: Sophia war Gottes Liebling, Hätschelkind, Pflegekind, Werkmeisterin, Architektin. Im Kinderspiel sehen wir den Knaben aus Bauklötzen einen Turm bauen, den Schlusstein aufsetzen und das Werk dann dem Vater zeigen. So baute das göttliche Jesuskind aus Elementen, Atomen und Quanten den Kosmos und übergibt das vollendete Werk dem Vater. Christus ist Alpha und Omega. Teilhard de Chardin nannte Christus den Evolutionator und den Omega-Punkt des Universums, der Evolutionator verklärt das Universum durch Amorisation. Sophia ist also Liebling und Hätschelkind Gottes wie das göttliche Jesuskind und ist Werkmeisterin und Architektin des Universums. Und sowie Sophia die Lust Gottes ist, so ist es Sophias Lust, bei den Söhnen Adams zu sein.
32 So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten! 33 Hört die Zucht und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! 34 Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore! 35 Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen von Jahwe. 36 Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.
Sophia lehrt die wahre Zucht und Erzieehung durch Gott, den weisen und liebenden Pädagogen. Sophia lehrt den Gehorsam gegenüber dem Wort und Willen Gottes. Sophia lehrt das Hörchen, das Horchen und das Gehorchen. So sagte Maria: Mir geschehe nach deinem Wort, und so sagte Jesus: Nicht wie ich will, Abba, sondern wie du willst, und so betet der Christ im Vaterunser: Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Sophia lehrt auch Wachsamkeit, das nüchterne Wachsein gegen die teuflischen Versuchungen, das immerwährende Gebet, das Erkennen der Zeichen der Zeit: Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallt, denn der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Die Liebe zu Sophia ist das ewige Leben (das schon auf erden beginnt), der Hass auf Sophia ist der ewige Tod, die Verdammnis in die Gottferne.
Sprüche 9
1 Die Sophia hat ihr Haus gebaut und ihre sieben Säulen behauen.
Die Ewige Weisheit vom Himmel hat sich auf Erden eine Jungfräuliche Mutter voller Gnade geschaffen, um in ihrem Schoß Mensch zu werden. So wird Maria das goldene Haus der Weisheit genannt. Maria ist auch Sitz der Weisheit, Sedes Sapientiae, die entsprechende Ikone zeigt eine sitzende Gottesmutter mit dem kindlichen Gottessohn auf ihrem Schoß thronend, sie ist der Sitz und er ist die Weisheit. Maria als Tochter des Vaters und Mutter des Sohnes und Braut des Heiligen Geistes ist aber auch das Urbild der Kirche. Die Kirche ist das Haus der Weisheit. Ihre sieben Säulen sind die von Christus gestifteten sieben Sakramente: Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte, Ehe, Priesterweihe und Krankensalbung. Besonders durch die Eucharistie wird das Haus der Weisheit täglich neu erbaut, so dass es ohne Eucharistie kein Haus der Weisheit gibt.
2 Sie hat ihr Vieh geschlachtet, ihren Wein gemischt und ihren Tisch bereitet 3 und sandte ihre Mägde aus, zu rufen oben auf den Höhen der Stadt: 4 »Wer noch unverständig ist, der kehre hier ein!«, und zum Toren spricht sie: 5 »Kommt, esst von meinem Brot und trinkt von dem Wein, den ich gemischt habe!
Das Mahl der Weisheit ist die Eucharistie, das die fleischgewordene Weisheit ihren Leib zur Speise und ihr Blut zum Trank gibt. Dieses Mahl der Weisheit ist das von Jesus verkündigte Hochzeitsmahl des Lammes. Wie die Jüngerin im Hochzeitsmahl ihrem Bräutigam Jesus begegnet, so begegnet der Philosoph im Hochzeitsmahl der fleischgewordenen Sophia und vereinigt sich mit ihr in einer geistlichen Kommunion.
6 Verlasst die Torheit, so werdet ihr leben, und geht auf dem Wege der Klugheit.« 7 Wer den Spötter belehrt, der trägt Schande davon, und wer den Frevler zurechtweist, holt sich Schmach. 8 Rüge nicht den Spötter, dass er dich nicht hasse; rüge den Weisen, der wird dich lieben. 9 Gib dem Weisen, so wird er noch weiser werden; lehre den Gerechten, so wird er in der Lehre zunehmen. 10 Der Sophia Anfang ist die Furcht Jahwes, und den Heiligen erkennen, das ist Verstand. 11 Denn durch mich werden deine Tage viel werden und die Jahre deines Lebens sich mehren.
Diesen Abschnitt möge Goethe kommentieren, der in seinem Leben den „Weg von der Pansophie zur Weltweisheit“ gegangen ist:
„Weise fallen in Unwissenheit,
Wenn sie mit Unwissenden streiten.“
„Töricht auf Besserung der Toren zu harren,
Kinder der Klugheit, o haltet die Narren
Eben zum Narren auch, wie sichs gebührt.“
„Darüber muss man sich aber höchlich zerreißen,
Dass man Narren nicht darf Narren heißen.“
HIOB
Hiob 28
Das Lied von der Sophia Gottes
12 Wo will man aber die Sophia finden? Und wo ist die Stätte der Einsicht? 13 Niemand weiß, was sie wert ist, und sie wird nicht gefunden im Lande der Lebendigen.
Die bloß menschliche Weisheit kann die Weisheit Gottes nicht erkennen. Die Heiden ohne Gottes-Offenbarung machten sich Götter, die Dämonen waren, garstiger als Drachen, wie Goethe sagt. Die menschliche Philosophie kann zur Erkenntnis kommen, dass es einen Gott gibt, der Ursprung von allem und das höchste Gute, aber Gottes Natur als Dreifaltige Liebe von Vater und Sohn im Heiligen Geist konnte nur von Gott in einer göttlichen Selbstoffenbarung kund getan werden. Darum nannte man im Mittelalter die Philosophie die Magd der Theologie und die Theologie die Königin aller Wissenschaften.
14 Die Tiefe spricht: »In mir ist sie nicht«; und das Meer spricht: »Bei mir ist sie auch nicht.«
Man findet die göttliche Sophia auch nicht durch die Betrachtung der Elemente, durch bloße Naturwissenschaft. Heisenberg sagte: Ein bisschen Wissenschaft führt zum Atheismus, viel Wissenschaft führt zur Ahnung Gottes. Ja, die Naturwissenschaft kann ein Weg sein, zum Glauben an die Existenz eines Gottes zu kommen, aber die Naturwissenschaft allein genügt nicht, sondern es muss der Glaube an die geoffenbarte Gottheit hinzukommen.
15 Man kann nicht Gold für sie geben noch Silber darwägen, sie zu bezahlen. 16 Sie kann mit Gold aus Ofir nicht aufgewogen werden, nicht mit kostbarem Onyx und Saphir. 17 Gold und edles Glas kann man ihr nicht gleichachten noch sie eintauschen um güldnes Kleinod. 18 Korallen und Kristall achtet man gegen sie nicht; ein Beutel voll Sophia ist mehr wert als Perlen. 19 Topas aus Kusch wird ihr nicht gleichgeschätzt, und das reinste Gold wiegt sie nicht auf.
Sophia ist wertvoller als alle materiellen Güter, wie Haus, Auto, Computer, dickes Bankkonto, elegante Kleider usw. Aber mehr noch, sie ist auch reiner, schöner und heiliger als Edelsteine. Die Edelsteine in der Bibel stehen für reine Schönheit und Heiligkeit. Die zwölf Edelsteine am Mantel des Hohepriesters Aaron standen für die zwölf Stämme Israels. Im Buch Tobit wird Jerusalem mit einer Stadt aus Edelsteinen verglichen, wie in der Apokalypse das himmlische Jerusalem, gegründet auf den zwölf Aposteln. Die Edelsteine stehen also für das Gottesvolk (des alten und neuen Bundes), für die Kirche, für alle Heiligen. Die Heilige Sophia aber ist heiliger als alle Heiligen, selbst als Maria die Makellose, denn Sophia ist die Quelle aller Schönheit und die Quelle alle Heiligkeit.
20 Woher kommt denn die Sophia? Und wo ist die Stätte der Einsicht? 21 Sie ist verhüllt vor den Augen aller Lebendigen, auch verborgen den Vögeln unter dem Himmel. 22 Der Abgrund und der Tod sprechen: »Wir haben mit unsern Ohren nur ein Gerücht von ihr gehört.« 23 Gott weiß den Weg zu ihr, er allein kennt ihre Stätte. 24 Denn er sieht die Enden der Erde und schaut alles, was unter dem Himmel ist.
Sophia ist verschleiert wie die ägyptische Göttin Isis von Sais. Kein Mensch hat ihr Angesicht gesehen und blieb am Leben. Johannes vom Kreuz spricht von sieben Schleiern. Sechs Schleier legt Sophia nach und nach vor dem Mystiker ab. Aber den siebten, letzten Schleier legt sie erst in der Todesstunde ab. Darum ruft der Mystiker: Oh reiße den letzten Schleier herab! Erst in der Todesstunde ist Sophia die Entschleierte Isis oder die Veritas Nuda. Kein Mensch kennt Sophia, nur Gott kennt sie und der, dem Gott sie offenbaren will. Weder Tod noch Leben können Sophia offenbaren, sondern Sophia selbst muss sich offenbaren, und das tut sie, wem sie will.
25 Als er dem Wind sein Gewicht gegeben und dem Wasser sein Maß gesetzt, 26 als er dem Regen ein Gesetz gegeben hat und dem Blitz und Donner den Weg: 27 Damals schon sah er sie und verkündigte sie, bereitete sie und ergründete sie
Gott kennt Sophia als seine schöpferische Weisheit. Sophia ist mit dem Schöpfer Jahwe die Mitschöpferin. Sie ist nicht nur die Schöpferin der Schöpfung, sondern sie ist auch in der Schöpfung gegenwärtig, ist, wie Goethe sagt, ein offenbares Geheimnis in der Natur. Sie ist die Schechina der Rabbinen und der Kabbalisten, die Einwohnung Gottes in der Schöpfung. Der Katechismus der katholischen Kirche spricht von dem Vaterschaft Gottes als Ausdruck seiner Transzendenz und von der Mutterschaft Gottes als Ausdruck seiner Immanenz. Sophia ist die Schöpferin der Welt und die Mutter des Lebens und ist die mütterliche Gottheit in der Natur und Menschheit.
28 und sprach zum Menschen: Siehe, die Furcht Jahwes, das ist Sophia, und meiden das Böse, das ist Einsicht.
Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit und Gott zu lieben ist die schönste Weisheit. Sophia gibt die göttlichen Tugenden und die Kardinaltugenden und führt den Gläubigen zur Heiligkeit, sie lehrt, die Sünden zu meiden und gute Werke zu tun.
DAS BUCH DES PROPHETEN BARUCH (DEUTEROKANON)
Baruch 3
Umkehr zur Sophia
9 Höre, Israel, die Gebote des Lebens; achtet gut darauf, dass ihr Klugheit lernt! 10 Wie kommt es, Israel, dass du im Land deiner Feinde bist, dass du in einem fremden Land alt wirst, 11 dass du dich unrein machst unter den Toten, dass du zu denen gerechnet wirst, die in der Unterwelt sind?
Im Paradies war die Ur-Menschheit unsterblich (wie immer man das mit der Evolution der Menschheit aus dem Tierreich zusammendenkt), aber durch das Übertreten durch das Gebot Gottes wurden die Menschen sterblich. Im Buch der Weisheit heißt es, Gott habe den Tod nicht geschaffen, sondern der Tod kam durch den Neid des Teufels in die Welt. Nun gibt es aber in der Welt auch die Geistlich-Toten, das sind heute die militanten Atheisten des Kommunismus, die praktischen Atheismus der Konsumanbeter, der Anbeter des Mammons, die Neuheiden des Faschismus, die Neuheide des Feminismus, die Götzendiiener des New Age, diese alle haben den Namen, dass sie leben, sind aber geistlich tot. Dagegen die sogenannten Toten, die unter dem Wohlgefallen Christi gestorben sind, sind bei Gott lebendig, denn, wie Jesus sagt, Gott ist kein Gott der Toten, für ihn leben sie alle.
12 Das ist die Ursache: weil du die Quelle der Sophia verlassen hast. 13 Wärst du auf Gottes Weg geblieben, du hättest wohl immer im Frieden gewohnt. 14 So lerne nun, wo es Klugheit, Tüchtigkeit und Einsicht gibt, damit du zugleich erfährst, wo es langes Leben und Glück, leuchtende Augen und Frieden gibt.
Sophia gibt Einsicht und Klugheit, sie schenkt innere geistige Visionen, lässt ihre leise Stimme hören, gibt prophetische Träume und führt zu einem immer größeren Wissen, vor allem über heilige Dinge. Sie gibt Tüchtigkeit, altdeutsch Tucht, das ist Tugend, nämlich Kraft zu guten Werken, zu den materiellen und spirituellen Werken der Barmherzigkeit. Sie gibt ein langes Leben, so verheißt das Alte Testament, ein ewiges Leben, so verheißt das Neue Testament. Sie gibt Glück und mehr als das, ewige Glück-Seligkeit, denn sie verspricht nicht unbedingt, uns in diesem Leben glücklich zu machen, aber in der anderen Welt, wie Maria in Lourdes zur Seherin Bernardette sagte. Sie schenkt vor Freude und Liebe leuchtende Augen, und zwar schenkt die eine Freude auf dem Seelengipfel, die auch unberührt von Gefühlen der Traurigkeit existiert, und schenkt eine göttliche Liebe (Charité), die fähig ist, auch ohne Gegenliebe zu lieben. Sie schenkt Frieden und Seelenruhe, den Frieden Christi, der höher ist als alle Vernunft, und die stoischen Seelenruhe, die nach Seneca mächtiger ist als das Schicksal.
15 Wer weiß, wo die Sophia wohnt? Wer ist in ihre Schatzkammern gekommen?
Der Wohnort Sophias ist der Thron Gottes oder der Himmel der Himmel. Die Juden glauben, dass die Jungfrau Torah, die Tochter des Ewigen, in einem himmlischen Palast wohnt. Die Prfinzessin des Königs zeigt sich manchmal am Fenster und offenbart sich ein wenig dem Schriftgelehrten. Sie zieht sich aber wieder zurück und lässt im Schriftgelehrten die Sehnsucht zurück, die allmächtige Prinzessin wiederzusehen. Der Ewige, der König des Himmels, sucht einen Bräutigam für seine Prinzessin, die Jungfrau Torah.
16 Wo sind die Oberen der Völker und die, die über die Tiere auf Erden herrschen, 17 die mit den Vögeln unter dem Himmel spielen, die Silber und Gold anhäufen, worauf die Menschen ihr Vertrauen setzen und wovon sie nie genug haben können, 18 die das Silber bearbeiten und sich darum mühen und deren Werke nicht zu begreifen sind? 19 Sie sind verschwunden und in die Unterwelt gestiegen, und andere sind an ihre Stelle getreten.
Wir denken hier an die Torheit des Materialismus. Es sind die Herrschenden, die in ihrer Machtgier selbst als Götter angebetet werden wollen, wie Hitler, Stalin und Mao Tse-Tung. Es sind die Materialisten, die den Mammon, den Geldgott anbeten, den allmächtigen Dollar mit der Freimaurer-Losung „in God we trust“. Es ist die Torheit der Künstler und Dichter, die selber Götter erfinden und Gottesbilder herstellen, wie noch heute im Hinduismus, da an den Tempeln Götterbilder von Gott und Göttin in der Kopulation angebracht sind, oder wie die griechischen Poeten Homer und Hesiod, die eigentlichen Erfinder der olympischen Götter.
20 Die Jüngeren sahen zwar das Licht und wohnten auf dem Erdboden, doch fanden sie den Weg der Erkenntnis nicht 21 und erkannten ihre Pfade nicht; auch ihre Kinder erfassten sie nicht und sind irregegangen.
Auch die Kinder und Kindeskinder der Atheisten und Materialisten kennen Sophia nicht. Wie sollten sie auch, wenn sie nicht einmal in der Kindheit vom lieben Gott gehört haben, sondern im Glauben an den Glücklichmacher Geld erzogen worden sind. Dennoch ruft manchmal Sophia Einzelne aus den Kindern der Atheisten und offenbart sich ihm aus reiner Gnade, der dann das schwarze Schaf einer materialistischen Sippe wird.
22 In Kanaan hörte man nichts von ihr; in Teman sah man sie nicht. 23 Die Kinder Hagars forschten der irdischen Einsicht zwar nach, die Kaufleute von Midian und Teman dichteten zwar Fabeln und strebten nach Einsicht; aber sie fanden doch den Weg zur Sophia nicht, und ihre Pfade hatten sie vergessen.
Teman in Edom war berühmt für seine Weisen, die von den Propheten oft verspottet wurden, Edom liegt im heutigen Jordanien, einer der Freunde Hiobs, Elifas, stammte von dort, der Ort steht in der Bibel sprichwörtlich für die falsche Weisheit. Die Kinder Hagars sind die Araber und Muslime, die nicht von Isaak, sondern von Ismael abstammen, wie der Koran bezeugt. Die Kaufleute erinnern an den Kaufmann Mohammed, der von seiner christlichen Ehefrau Chadischa und deren Onkel, einem christlichen Mönch, viele jüdische und christliche Worte überliefert bekommen hat, die neben arabischem Sondergut in den Koran eingeflossen sind. Hikmah (Weisheit, das hebräische Hochmah) im Koran ist eine Gabe Allahs an die Propheten und wird von den Auslegern als die muslimische Rechtslehre (Scharia) gedeutet. Und die Sekina (die rabbinische Schechina, die Einwohnung Gottes in der Schöpfung) ist im Koran das Ruhen Allahs auf der Bundeslade. Die Dichter des persischen Mittelalters, Hafiz, Rumi, Saadi und Nizami lebten von einer Mischung aus islamischen, indischen, platonischen, gnostischen und christlichen Tradition. Sie sind geniale Dichter, die den alten Goethe begeisterten, der noch im hohen Alter Freude an den Märchen von 1001 Nacht hatte. Das sind die Dichter von Fabeln. Alle das wird ein Philosoph gerne lesen, das ist alles schön und interessant, aber es ist nicht die göttliche Selbstoffenbarung Sophias.
24 O Israel, wie groß ist das Haus Gottes! Wie weit ist die Stätte, die er besitzt! 25 Sie ist groß und hat kein Ende, sie ist unermesslich hoch.
Nur in Israel, dem Volk Jahwes, hat sich Sophia offenbart. Jesus sagte: Das Heil kommt von den Juden.
26 Vorzeiten wurden Riesen geboren, berühmte Leute und gute Krieger; 27 die hat Gott nicht erwählt noch ihnen den Weg der Erkenntnis offenbart. 28 Und sie kamen um, weil sie die Klugheit nicht hatten; sie sind untergegangen wegen ihrer Torheit.
Wir denken an die berühmten Krieger Homers, den Achilles der Griechen, den Hektor von Troja, und alle die Helden, die um die schöne Helena von Sparta kämpften. Wir denken an den einfallsreichen Dulder Odysseus, der von Athene in seiner Heimat geführt wurde. Aber Athene ist nicht Sophia! >Wir denken an den frommen Äneas von Vergil, dem Urvater des ewigen Rom, der von Venus geführt wurde. Diese Venus des Virgil ist aber die stoische Vorsehung. Aber auch die stoische Venus ist nicht Sophia!
29 Wer ist zum Himmel gefahren und hat die Klugheit geholt und aus den Wolken herabgebracht? 30 Wer ist übers Meer gefahren und hat sie gefunden und für kostbares Gold hergebracht? 31 Es gibt niemanden, der den Weg zu ihr weiß noch über den Pfad zu ihr nachdenkt.
Vasco da Gama ist von Portugal nach nach Indien gesegelt, Kolumbus nach Amerika, Mohammed ist gen Himmel gereist auf seinem Flügelpferd von Jerusalem aus, auch der Sowjetrusse Juri Gagarin ist in das Weltall gereist, sie alle haben Sophia nicht gefunden.
32 Der aber alle Dinge weiß, kennt sie und hat sie durch seine Einsicht bereitet, er, der die Erde auf ewige Zeit gegründet und sie mit vielerlei Tieren erfüllt hat, 33 der das Licht sendet und es fährt dahin, und wenn er's zurückruft, so gehorcht es mit Zittern. 34 Die Sterne leuchteten auf und hielten Wacht mit Freuden, 35 und er hat sie gerufen, und sie antworteten: Hier sind wir!, und leuchteten mit Freuden für den, der sie geschaffen hat. 36 Das ist unser Gott, und keiner kommt ihm gleich.
Gott, der Schöpfer des Weltalls, allein kennt sie, sie ist seine Tochter und Throngenossin. Nur Jahwe ist der wahre Gott, und nur Jahwe offenbart die wahre Sophia, nicht die Veden, nicht die Bhagavad Gita, nicht das Tao Te King, nicht der Koran, nur die Bibel (und zwar der ganze katholisch-orthodoxe Kanon).
37 Er hat jeden Weg der Erkenntnis bereitet und hat sie Jakob, seinem Diener, Israel, seinem Geliebten, gegeben. 38 Danach ist die Sophia auf Erden erschienen und hat bei den Menschen gewohnt.
Jahwe offenbart sie seinen Söhnen und Töchtern, er schenkt sie seinen Geliebten. Der Mensch von sich aus kann nicht zu ihr kommen, sie muss vom Himmel herabsteigen. Sophia ist auf Erden erschienen in Jesus von Nazareth. Hildegard von Bingen spricht von der Sophia des Täufers, Mariens, Jesu und der Kirche.
Baruch 4
1 Dies ist das Buch von den Geboten Gottes und das Gesetz, das ewig ist. Alle, die daran festhalten, werden leben; die es aber verlassen, werden sterben. 2 Kehre um, Jakob, und nimm es an; geh hin zu seinem Licht, das dir entgegen leuchtet! 3 Überlass nicht deine Ehre einem andern; und was dir nützt, gib nicht einem fremden Volk! 4 Selig sind wir, Israel! Denn Gott hat uns seinen Willen offenbart!
Lob der Bibel! Heinrich Heine verglich die Bibel mit einer lieben Großmutter, die ihrem Enkel von lieben Gott erzählt. Die Juden nennen den Schriftgelehrten Baal-Shem, Ehemann des Namens, Bräutigam der Jungfrau Torah. Papst Benedikt XVI riet in Notre Dame in Paris den Priestern, die Bibel als ihre Freundin zu wählen.
DAS BUCH DER WEISHEIT (DEUTEROKANON)
Weisheit 6
12 Die Sophia ist schön und unvergänglich und lässt sich gern sehen von denen, die sie lieb haben, und lässt sich von denen finden, die sie suchen. 13 Kaum will man sie erkennen, ist sie schon da. 14 Wer sich früh zu ihr aufmacht, muss sich nicht mühen; denn sie wartet schon vor seiner Tür. 15 Denn nach ihr zu trachten, ist vollkommene Klugheit, und wer sich ihretwegen wach hält, wird bald ohne Sorge sein. 16 Denn sie geht selbst umher und sucht, die ihrer wert sind. Sie erscheint ihnen freundlich auf ihren Wegen und begegnet ihnen in jedem Gedanken.
Sophia ist schön. Schönheit ist nach Thomas von Aquin ein Glanz der Ordnung, eine lichte Klarheit. In Sophia sind die drei Transzendentalien der Wahrheit, Gutheit und Schönheit. Sophia ist nach Dionysios Areopagita die Urschönheit, nach Ludwig Maria Grignion die Idee der Schönheit. Ein anderer Name für Sophia ist Herrlichkeit. Die Herrlichkeit des Herrn ist nach Sergej Bulgakow eine weitere Erscheinung des Göttlich-Weiblichen.
Sophia ist unvergänglich, denn sie ist göttlich und ewig, gezeugt, nicht geschaffen, sie hat keinen Anfang und kein Ende, denn sie ist Gottheit von der Gottheit, Licht vom Licht, wahre Gottheit von der wahren Gottheit.
Sophia offenbart sich, wem sie will. Keiner kann Sophia erkennen oder verstehen oder überhaupt an sie glauben, den sie nicht berufen und auserwählt hat. Viele sind berufen, aber wenige auserwählt. Sophia ist, wie Jesus Sirach sagt, nur wenigen bekannt. Wenn sie aber einen erwählt aus freier Gnadenwahl, so gibt sie sich ihm zu erkennen. Wie Adrienne von Speyer die Madonna sah: erst verschleiert, dann immer familiärer und intimer. Sophia weckt den Freund auf, wartet auf sein Morgengebet, begegnet ihm in der morgentlichen Messe, gibt ihm in der morgentlichen Schriftlesung ihre Weisungen für den Tag, begleitet und führt ihn bei seinen täglichen Arbeiten und wartet am Abend wieder auf seine Gewissenserforschung und sein Nachtgebet, bis sie ihn zur ruhe bringt und ihn in seinem Bett mit ihrem Schutzmantel bedeckt. Dann aber erscheint sie ihm in prophetischen Träumen. Und so ist Sophias Freund nie allein, außer in den furchtbaren Momenten, da sie ihn bewusst verlässt. Diese Gottverlassenheit bringt er ihr zum Opfer dar und verdient sich so neue Gnadeneinflüsse seiner strahlenden Gottheit.
17 Denn da ist der Anfang der Sophia, wo einer aufrichtig Unterweisung begehrt. 18 Wer aber nach Unterweisung trachtet, der hat die Sophia lieb; wer sie aber lieb hat, der hält ihre Gebote; wer aber die Gebote hält, dem ist unvergängliches Leben gewiss; 19 unvergängliches Leben aber schafft Nähe zu Gott. 20 So führt das Verlangen nach Sophia zu königlicher Herrschaft.
Unterweisung, Sophien-Liebe, Halten der Gebote Gottes, ewiges Leben, Freundschaft mit Gott. Das ist der Weg des Sophienfreundes. Die Unterweisung wird er aus den heiligen Schriften der Bibel und der Weisen ziehen, die Sophien-Liebe wird er im Gebet und in der Eucharistie nähren, das Halten der Gebote, vor allem des Liebesgebotes Jesu, wird er sehr ernst nehmen und im Fall von Verfehlungen nicht zu stolz zum Beichten sein, das ewige Leben wird er erlangen durch den Empfang des Leibes Christi, der fleischgewordenen Weisheit, und durch den Glauben an das Evangelium, die Philosophie Jesu, und im ewigen Leben wird er die Freundschaft mit Gott leben, oder mehr noch, die mystische Union oder geistliche Ehe mit der Dreifaltigkeit.
21 Habt ihr nun Gefallen an Thron und Zepter, ihr Herrscher der Völker, so haltet die Sophia in Ehren, damit ihr für immer die Herrschaft behaltet.
Die älteste Regierungsform scheint nicht, wie Marx und Engels sagten, der Urkommunismus gewesen zu sein, sondern die Theokratie, die Herrschaft von Priester-Königen. Das ist auch die ursprüngliche Regierungsform des israelitischen Volkes. Danach setzte die Monarchie ein (in Israel unter Saul). Von Japan und China, über Babylon, Persien, Israel, Ägypten bis nach Rom herrschte das monarchische Prinzip. Oft wurde der Kaiser als Gott, Gottes Sohn oder Inkarnation Gottes angesehen. Kleopatra galt als Inkarnation der Isis, der chinesische Kaiser war der Himmelssohn, Augustus war Sohn Gottes und Heiland. Dann erschien Christus, der wahre Sohn Gottes, der König der Könige. Im christlichen Europa setzte sich die monarchische Herrschaft des Kaisers von Gottes Gnaden durch, der vom Papst gekrönt und gesalbt wurde. Diese Form wurde durch die Aufklärung zum Absolutismus. Durch den „Sündenfall“ der christlichen Monarchen im Ersten Weltkrieg kam es in Europa zu einer Verwerfung der Monarchie. Versuche, das demokratische Prinzip einzuführen, scheiterten bald. Das zwanzigste Jahrhundert war die Zeit der gottlosen Diktatoren mit einer beispiellosen Verfolgung der Christen. Nach dem Untergang von Faschismus und Kommunismus versucht man, das demokratische Prinzip weltweit durchzusetzen. Die Jungfrau prophezeite in La Salette in Frankreich im 19. Jahrhundert, dass die bürgerlichen Regierungen allen möglichen Lastern Platz schaffen werden und Materialismus, Atheismus und Spiritismus fördern werden. Und dies ist unsere Zeit. Die Madonna prophezeit aber auch eine Zeit, da die neuen Könige als rechter Arm der heiligen Kirche regieren werden. Was die Zukunft bringt, ist nicht klar zu sehen. Wird es eine globale Theokratie der vereinigten Herzen Jesu und Mariens sein („tausendjähriges Reich“) oder eine globale Diktatur des Antichristen mit einer blutigen Verfolgung der Kirche Christi? Das weiß Sophia.
22 Was aber die Sophia ist und wie sie entstand, will ich verkünden und euch ihre Geheimnisse nicht verbergen. Ich will ihrer Spur nachgehen vom Anfang der Schöpfung an. Ich will sie allen bekannt machen und an der Wahrheit nicht vorbeigehen. 23 Denn ich will mit dem giftigen Neid nichts zu tun haben; denn er hat nichts gemein mit der Sophia. 24 Viele Weise aber sind Heil für die Welt, und ein kluger König ist das Glück seines Volkes. 25 Darum lasst euch unterweisen durch meine Worte, so werdet ihr Nutzen haben.
Neben den biblischen Zeugnissen über Sophia lernten wir vom Talmud und der Kabbala, von der chinesischen, indischen und griechischen Philosophie, von islamischer Mystik, von den Kirchenväter, Boethius, Dante, Hildegard von Bingen, Heinrich Seuse, Jakob Böhme, Ludwig Maria Grignion, Sankt-Martin, Franz von Baader, Goethe, Wieland, Novalis und Hölderlin, von Solowjew und Sergej Bulgakow, Alexander Block, Edith Stein und Johannes Paul II und anderen. Wir wollen unsere Vision der Sophia darstellen, die nicht nur angelesenes Bücherwissen ist, sondern mystische Erfahrung eines kontemplativen Lebens. Wir bekennen dabei gerne, dass unsere oberste Lehrerin die allerseligste Jungfrau Maria war und ist und sein wird.