2022-2023
von Torsten Schwanke
LASSE
es gibt nur noch narren in der welt
einzig fromm sind die säuglinge
LASSE
Er ist ein Wirbelwind und immer muss er lachen,
Er krabbelt gern herum und mag Bewegung machen,
Er guckt sich immer um, ob Oma mit ihm kommt,
Zur Taufe geht er selbst, wenn es ihm selber frommt.
LASSE
die junge mutter saß in der stube
der oma auf dem arm saß der bube
wie soll ich dem baby begegnen?
soll ich ihn? nein er muss mich segnen
SCHLAF LASSE SCHLAF
Schlaf Lasselein zart
das Kripplein ist hart
das Bettlein ist kalt
schlaf, Lasselein, bald
Ach, schlafe, ach tu die Äugelein zu
Und schenke uns die ewige Ruh
Ihr Engelein all
ihr Dichter zumal
O laufet geschwind
und wärmt mir das Kind
Ach, schlafe, ach tu die Äugelein zu
Und schenke uns die ewige Ruh
Noch schläfst du ja gut
in sorgender Hut
es warten bald dein
viel Freuden, viel Pein
Ach, schlafe, ach tu die Äugelein zu
Und schenke uns die ewige Ruh
Ach schlaf, noch erscheint
kein Krieger, kein Feind
einst, Lasse, dir droht
am Ende der Tod
Ach, schlafe, ach tu die Äugelein zu
Und schenke uns die ewige Ruh
ESKES WIEGENLIED
Schön Eske sitzt im Rosenhain und wiegt ihr Lasse-Kind,
durch die Blätter leise weht der heiße Sommerwind.
Zu ihren Füßen singt ein buntes Vögelein:
Schlaf, Lasse, Süßer, schlaf nun ein!
Hold ist dein Lächeln, holder deines Schlummers Lust,
leg dein müdes Köpfchen an der Mutter weiße Brust!
Schlaf, Lasse, Süßer, schlaf nun ein!
NACHAHMUNG ALTGERMANISCHER POESIE
Falk, der freie / ist der Falke des Himmels,
Eske, die Esche, / die Erdgöttin.
Himmel und heilige Erde / in der Hochzeit
Ließen ins Leben / Lasse, den Menschen.
Lasse, der Lorbeer, / der Sohn des Lichts,
Im ersten Alter / tanzt mit dem Osterhasen.
Jubelnd und jauchzend / der Junge
Erfreut die edlen, ewigen / Eltern.
LASSE
in den augen kleiner kinder
kann man lichte engel sehen
LIEBE ESKE
GOTT DER SCHÖPFER WIRD DICH EWIG LIEBEN
DASS DU LASSE NICHT HAST ABGETRIEBEN
ESKE GLÜCKSKIND
Sagt man zu einem Kind, es sei ein Kind des Glücks,
So wird es auch ein Kind des heitern Augenblicks.
Ging was verloren, so war das wohl auch ganz richtig,
Es kommt gewiss zurück, wenn es war wirklich wichtig.
Seltsamerweise kam zurück fast jedes Ding,
Woran das Mädchen hing und was verloren ging.
Zumindest kam zurück durch Zufall oder Besen,
Was wirklich wichtig war, obs Umweg auch gewesen.
Und was ich Eske tat, das tu ich Lasse auch,
Er sei geborgen wie dereinst im Mutterbauch.
AN LASSE
Was, kleines Knäblein, du wohl meinst
Von mir, dem alten Schreckgespenst?
Der du, vor mir erschrocken, weinst,
Auf deiner Oma Armen flennst?
Zu Recht! wird mich ein Kindlein schauen,
So packt ihn gleich des Jammers Grauen!
LASSE
messer gabel schere licht
sind für kindchen lasse nicht
alter! mäßige den stolz!
gibts doch messerchen aus holz
LASSE
Ich fliege nur auf meine liebste Oma,
Bin schüchtern bei den Sinti und den Roma.
HEIKE UND LASSE
mach doch milchsuppe
für den knilch, puppe
AN MARIA
Ich fühl mich klasse
Ich fühl mich warm
Fühl mich wie Lasse
Auf Omas Arm
HEIKES WIEGENLIED FÜR LASSE
Schlaf wohl, mein kleines Enkelkind,
Schlaf wohl, du Liebling mein!
Dein Erdenleben erst beginnt,
In meinem Arm schlaf ein!
Schau, Michael, der wacht in Pflicht,
Ein Stern erstrahlt in hellem Licht.
Schlaf wohl, mein kleines Enkelkind,
Schlaf wohl, du Liebling mein!
Noch bist du zart, noch bist du klein,
Du bist der Sonne Sohn.
Du wirst der Welt ein Segen sein,
Wirst sitzen auf dem Thron.
So singt, ihr Dichter, endlich ist
Geboren Lasse, wie ihr wisst.
So singt, ihr Dichter, endlich ist
Geboren Lasse, wie ihr wisst.
DES SEHERS WEISSAGUNG
VON ESK UND EMBLA
Es war zu der Zeit / da Walvater Gott
Erde und Himmel / herrlich machte.
Und alle die Sträucher / auf dem Acker
Waren noch nicht auf Erden / der alten Mutter,
Und all das Kraut / das kroch auf dem Felde
War noch nicht / gewachsen.
Denn Gott hatte noch nicht / begossen die Erde,
Und kein Mensch war da / der Mitgart bebaute;
Aber ein Strom / stieg aus der Erde empor
Und tränkte alles Land / aus der Tiefe.
Da machte Gott / den Menschen Esk
Von der Erde / und blies ihm Atem ein.
Und so wurde der Mensch / ein lebendiges Wesen.
Und Gott pflanzte / einen Garten
In Mitgart / im Morgenland
Und setzte Esk / in die Aue.
Und Walvater Gott / ließ wachsen
Aus der Erde / allerlei Bäume
Verführerisch anzusehen / und fein zu essen,
Und die Weltesche / mitten auf der Walstatt
Und den Baum der Erkenntnis / des Guten und Bösen.
Und es geht / vom Garten
Ein Wasserstrom / den Garten zu bewässern.
Und der Gott der Minne / nahm den Menschen Esk
Und setzte ihn / in den Garten,
Dass er den Acker bebaute / und bearbeitete.
Und der Gott der Minne / gebot dem Menschen Esk
Und sprach: Du darfst essen / von allem,
Aber von der Frucht / des Frevels nicht;
Denn wenn du davon isst / wirst du für immer tot sein.
Und Gott sprach / Es ist nicht gut
Dass Esk allein sei / ich will ihm eine Andere machen
Die zu ihm passt / Und plötzlich Gott
Machte aus Erde / alle die Tiere
Und brachte sie zu Esk / dem Ersten,
Dass Esk die Tiere / auf ihren Namen taufte;
Denn wie Esk / die edlen Tiere nennt,
So sollen sie heißen / die herrlichen.
Und Esk gab / allen Tieren
Auf dem fruchtbaren / Felde ihre Namen;
Aber für Esk / den Einsamen
Ward keine bessere / Hälfte und Braut gefunden.
Da ließ Gott / der Gütige
Einen Tiefschlaf fallen / eine Trance auf Esk,
Und Esk schlief ein / Und der Ewige
Nahm eine seiner Rippen / der rechten Seite
Und schloss die Stelle / mit schönem Fleisch.
Und Gott der Alte / baute Embla, die Frau,
Aus der Rippe / der rechten Seite von Esk
Und brachte Embla / zu Esk.
Da sprach Esk: / Diese schöne Embla
Ist nun Bein / von meinem Bein
Und Fleisch / von meinem Fleisch;
Man wird die Urfrau / Ulme nennen,
Und den Ersten Mann / wird man Esche nennen.
Und nun wird der Mann / Vater und Mutter verlassen
Und leben / mit seiner Lieben Frau
Und sie werden eins / und einig sein.
Und Esk / und Embla
Waren beide nackt / in der Nacht
Und schämten sich nicht / die Schönen.
LASSE
lasse war auf langeoog
wo der himmel sich zu ihm bog
und das meer hat ihn getauft
und der wind sich mit ihm gerauft
LASSE
mama papa
ball baum au
baby lalla
muh miau
DER MOND
wie schön der goldne volle mond
er scheint allein im dunklen all
er steht sehr nah wo heike wohnt
klein lasse sagt er ist ein ball
HEIKE UND LASSE
wir machen allen möglichen quatsch
und mit dem ganzen herzen
und leib wir werfen uns in den matsch
und lachen über schmerzen
wir toben durch den tannenwald
und spielen mit eichhörnchen fangen
schmutzig sind unsere mäntel bald
wir wollen von vorn anfangen
so stürmen wir lachend durch unser leben
die junge oma das enkelkind
und immer wird es was neues geben
was uns flüstert der wind
LASSE
ich nehme alles in den mund
ob es gesund ob ungesund
und auch das ganze wattenmeer
ich trink die ozeane leer
FÜR LASSE
Schlafe, schlafe,
Mein Rosenpöpöchen,
Mein Zuckerläuschen,
Mein Goldflöhchen,
Morgen wird die Kaiserin aus Asien kommen
Mit Zucker, Schokoladen und Bombommen,
Schnell, schnell,
Hase Hase machen,
Sonst kriegt Blaumäulchen nichts von den Sachen.
Else Lasker-Schüler (1869 – 1945)
LASSE
lasse war im urlaub in schillig
o min leev wat büst do hillig
seine oma nass zu spritzen
war nur einer von seinen witzen
auch am strand zu sammeln steine
große runde spitze kleine
und im sande löcher buddeln
und sich richtig schwarz zu schmuddeln
wasser liebt er sehr das nasse
denn ein nix ist dieser lasse
LASSE ENTWÖHNT
der letzte kaiser der chinesen
er konnte schon die bücher lesen
als ihn die amme noch gestillt
der knabe lasse frei und wild
verschmäht die milch der mutterbrust
spinat ist seines gaumens lust
doch ich mit meinen sechzig jahren
ich durfte nie die lust erfahren
dass ich gestillt von mama werde
ich such die brust der mutter erde
LASSE
Ich bin verliebt in dich, mein Bubi,
Du bist mein kleiner Stinkepupi!
SCHÖPFER
„Es werde Lasse!“
Und es wurde Lasse.
UNGEBORENES KINDCHEN AN ESKE
liebe mama ich bin noch im nichts
droben in der gotteswelt des lichts
und ich möchte gern verkörpert werden
und das möchte ich von dir auf erden
denn ich freue mich auf diese lust
darf die milch ich trinken deiner brust
und ich will in diesem welttheater
ganz besonders falk als meinen vater
sag ihm das ich freu mich heute schon
und den lasse diesen gottessohn
möchte ich als meinen spielgefährten
das wird lustig wenn wir in den gärten
und im kleinen tannenwäldchen toben
und ich sehe ja schon jetzt von oben
dass die oma ganz verliebt sein wird
wenn mich eskes mutterschoß gebiert
SZENE
HEIKE:
hast du schon gefrühstückt, pupi?
LASSE:
ja, oma!
HEIKE:
dann hole mir dein buch,
ich will dir vorlesen
LASSE
pilli und pulli
herzi und schnulli
KINDER
ich war milans großmutter
ich bin lasses urgroßmutter
ich werde puschkin-denkmal
wo kleine knaben toben
NAMENSTAG
klein lasse ist mein genuss
mehr als sankt laurentius
GEBET
himmelskönigin
hilf heike
und eske
und lasse
und schenk eske
noch ein baby
amen
LASSE
wenn wir lachen, er vor freude lacht,
wenn wir scherzen, dann wird quatsch gemacht,
wenn wir reden, freut ihn unser schall,
er spricht mit gestammel und gelall,
wenn die tränen tropfen ihm, die größten,
lässt er sich auch gerne wieder trösten
und das lachen dann beginnt von vorn,
und er darf auch zeigen seinen zorn!
doch was sicherheit von leib und seele,
da gehorche er doch dem befehle.
LASSE
er liebt die feinen spinnen
mit allen seinen sinnen
er liebt die schönen käfer
der liebe kleine schläfer
er liebt auch die libellen
die tanzen auf den wellen
LASSE
omas nachbar freundlicher herr
ich bin doch kein kleines baby mehr
ich spiel nicht mehr mit gummischwänen
sondern mit autos baggern und kränen
LASSE
wenn kindlein bringen mutter und vater
spielt oma mit dem kindlein theater
kindlein quietscht wie nachts der kater
freut sich wie auf dem wiener prater
LASSE
es war der kleine mann gast
am nordseestrand von dangast
LASSE UND HEIKE
Wie eine Karawane
Sind Lasse und sein Ahne
Spatzen-rasieren gegangen
Er mit roten Wangen
Fuhr den kleinen Traktor
Und als weiteren Faktor
Zog den Bollerwagen
Wie bei den Sinti und Roma
Die Kutschen die Sachen tragen
Allen voran die Oma
Auch mit erhitzten Backen
Und Förmchen um Sand zu backen
Und für neue Kraft
Gab es Apfelsaft
Und er lief und manchmal fiel Schatz
Er wollte doch nicht auf den Spielplatz
Immer wieder auf den Roller
Immer wilder immer toller
Förmchen raus den Sand zu backen
Blätter drauf die Vögel kacken
Und die Perlen von Germanien
Diese glänzenden Kastanien
Und was irgend da war an Dreck
Lasse war einfach hin und weg
Er war fleißig dass er erzähle
Der Oma ausschütte seine Seele
Drei Stunden waren sie unterwegs
Bis sitzend auf der Planke des Stegs
Am See zum Enkel sprach die Frau
Eben sitzen - Beinchen au
HEIKE
HEIKE SPRACH ZU DEN FISCHEN
MEIN CHEF DARF MICH NICHT ERWISCHEN
DA ICH KRANK GESCHRIEBEN
BEIM SPIELEN MIT DEM LIEBEN
HEIKE
wie ich den bösen hasse!
wie höre ich dagegen gern
wie heike spricht mit lasse
wie mit mir die mutter des herrn
HEIKE AN LASSE
die liebe zu dir mein kind
ist das einzige bild
das man sich von gott machen darf
LASSE
da hör ich doch den roller!
das wird ja immer toller!
er ist so gern bei oma,
isst kuchen mit aroma.
IM BUS
fährt lasse mit dem omnibus
weil er zum jahrmarkt kommen muss
neugierig schaut er aus dem fenster
um ihn im omnibus gespenster
so eine alte böse hexe
auf ihrer schulter eine echse
sagt dass den mund er halten soll
doch er ist von begeistrung voll
die alte hexe weiter meckert
mit sabber sich das kleid bekleckert
doch lasse geht nicht auf sie ein
sie lebe bitter und allein
mit ihrem zauberbuch der inder
nie mögen segnen sie die kinder
ein kind doch gottes liebling ist
arm wer der kinder liebe misst
sie koche sich den tee von ginster
und lebe ohne kinder finster
LASSE
was is' da drin?
da ist der motor drin.
ah, ich weiß -
heiß!
HEIKE SCHREIBT
o lasses kinderspiel
ihm ist der weg das ziel
AN ESKE
gut dass du in deiner schwangerschaft
mich nicht hast gesehen
du hättest durch meine hässlichkeit
eine fehlgeburt gehabt
AN LASSE
gesegnet ist der körper
der dich im schoß getragen
gesegnet sind die brüste
die dich gesättigt haben
LASSE
wer hat denn da geweint
geschluchzet und gegreint?
da bin ich aufgewacht
ach in der welt ist nacht
LASSE
ich sah zu lasse vom balkon
er aber floh vor meinen borsten
rief oma - ein mann ein mann!
ja herzchen das ist der torsten
DER ELFENPRINZ
heike atmete wie durch schläuche
von der rot-chinesischen seuche
dann war sie vor schmerzen stumm
und von der bandscheibe krumm
da schickte gott den elfenprinz
süß wie schokolade mit minz
der hat die kranke frau geheilt
sein osterlachen mit ihr geteilt
LASSE
ob auch in israel und palästina
es herrscht der krieg in russland und in china
so ward uns lasses kindheit doch gegeben
dass liebe doch noch herrscht im schönen leben
VISION
ich, heike, die bescheidene arbeiterin gottes, war nachts in meinen üblichen gebeten, als mir maria erschien, die gottesmutter und himmelskönigin, die mich liebevoll anlächelte. sie sagte mit zärtlicher stimme: ich bin die glückliche mutter des herrn. ich will, dass du auf erden und später im himmel glücklich bist. - sie war so schön, dass ich, eine alte frau, kaum wagte, mich ihr zu nähern. aber sie schwebte zu mir und reichte mir ihren kleinen jesus, etwa zwei jahre alt, in einem roten kleid, mit braunen haaren, und sie sagte: hiermit vertraue ich dir das göttliche kind an, dass du es nährst mit deiner liebe, ihm sprechen und gehen beibringst, lesen und schreiben. dafür wird die liebe des göttlichen kindes immer bei dir bleiben. und damit verschwand die mutter gottes, und ihr kind blieb in meinen armen zurück. ich kann nicht in worte fassen, welche ströme der liebe mich erfüllten und glücklich machten. vielleicht kann das nur der dichter sagen?