VON TORSTEN SCHWANKE
WALTHER VON DER VOGELWEIDE
MINNELIEDER
1
Madonna, hör um Gottes willen diese Märe:
Ich bin ein Bote, und ich soll dir sagen,
Nimm einem Ritter seine Schwere,
Die er so lange mußte tragen.
Und diese Mär soll ich begründen so:
Denn machst du glücklich mich,
Dann sicherlich
Auch werden viele andre Herzen froh.
Madonna, laß dichs nimmerdar verdrießen,
Zu geben mir die Freude frohgemut.
Du sollst es mit dem Volk genießen,
Dem auch die Freude Schönes tut.
Sein Seelenwesen wird dadurch bereit,
Wenn man ihm Freude bringt,
So daß er singt
Zu deinem Ruhme deine Würdigkeit.
Madonna, sende Freude ins Gemüte,
Denn du bist seiner Freude Freudenstadt.
Er mag genießen deine Güte,
Die Ehre hat und Tugend hat.
Madonna, gib du ihm ein Frohgemut.
Willst du, so ist er froh,
Dann lernt er so,
Daß er das Beste immer gerne tut.
Sie:
Ich darf mich da auf ihn nicht fest verlassen,
Daß er sein Herz bewahrt, die Seele sich.
Krummwege gehn bei graden Straßen,
Vor ihnen, Gott, bewahre mich.
Ich will ja auf dem rechten Wege fahren,
Wer andres lehrt, dem Weh!
Wohin ich geh,
Da möge Gott der Herr mich treu bewahren.
2
Herr Jesus, segne mich in meinen Sorgen,
So daß ich sehr glückselig lebe!
Mag mir wohl jemand seine Freude borgen,
Die ihm ein andrer wiedergebe?
Ich weiß wohl, wo ich diese Freude sah,
Ich ließ viel Wunder da,
Da will ich mit Besinnen
Ein gutes Teil davon gewinnen.
All meine Freude liegt an einem Weibe,
Ihr Herz ist so der Tugend voll,
So schöne ist geschaffen sie am Leibe,
Daß man ihr gerne dienen soll.
Mög ich erwerben Lächelblick von ihr,
Den mög sie spenden mir.
Ich will, sie muß es leiden,
Mich froh an ihrer Güte weiden.
Da ich an ihrer Seite war gesessen,
Da sie mir Audienz gewährte,
Da schwand mir der Verstand, ich war besessen,
Das Oben sich nach Unten kehrte.
Wenn ich auch Wunderworte reden kann -
Sie sieht mich Einmal an,
Da habe ich vergessen,
Was wollt ich, als ich da gesessen.
3
So wundervoll geschaffnes Weib,
Von ihr begehr ich Lohn und Dank.
Ich gebe ihrem schönen Leib
Den Ehrenplatz in meinem Sang.
Ob allen Fraun ich dienen soll?
Ich hab die Eine mir erkorn!
Ein Andrer preis die Seine wohl,
Er lob, dies trifft nicht meinen Zorn;
Und singen wir dasselbe Wort:
Die Meine lob ich hier, lob er die Seine dort.
Ihr Köpfchen ist so freudenreich,
Als wollte es mein Himmel sein.
Wem anders wäre es auch gleich?
So himmlisch ist der Augen Schein:
Zwei süße Sterne leuchten da,
Will mich in ihnen selben sehen,
Ach brächt sie mir die Augen nah,
Dann könnt ein Wunder mir geschehen.
Tut sie’s, dann werd ich jung und rot,
Und Heilung wird dem Siechen von der Sehnsuchtsnot!
Gott wandt auf ihre Wangen Fleiß,
So edle Farbe darauf loht,
So reines Rot, so reines Weiß,
So Lilienweiß, so Rosenrot.
Wärs Sünde nicht, ich würde sagen:
Ich sehe sie viel lieber an
Als Himmel oder Himmelswagen!
O weh, wie lob ich dummer Mann?
Lob ich in solche Höh ihr Herz,
Wie leicht wird dann mein Lobgesang des Herzens Schmerz!
Sie hat ein Kissen, das ist rot.
Gewänn ich das für meinen Mund,
So stünd ich auf von dürrer Not
Und wär für alle Zeit gesund.
Wo sie es an die Wange führt,
Da wär ich gerne nahebei:
Es duftet, wenn mans sanft berührt,
Als ob es linder Balsam sei.
Das also mög sie leihen mir,
Und wenn sie’s wiederhaben will, dan geb ichs ihr.
Der schlanke Hals, die Hand, der Fuß:
An alldem möchte ich mich laben.
Und was dazwischen ist, daß muß
Ich loben und möcht mehr noch haben.
Ich hätte nicht gern: Bedecke dich!
Gesagt, als ich sie nackend sah.
Sie traf an meinem Herzen mich,
Der Schmerz ist heut wie damals da,
So oft ich an das liebe Bad
Nur denke, da die Reine aus dem Wasser trat!
4
O liebe Minne, ich muß sehen
Verloren meinen Geist und Sinn.
Seh dich wie eine Fürstin gehen
In meinem Herzen her und hin.
Wie soll ich ohne Geist genesen?
Du residierst, wo sollte sein des Geistes Wesen.
Du schicktest ihn - du weißt wohin.
Da aber ist er ohne Sinn, Madonna Minne!
Ah weh, du solltest selbst dahin!
Madonna Minne, Gnade! Ich
Will mich in meinen Auftrag schmiegen,
In deinen Willen fügen mich,
Ja mich in deinen Willen fügen.
Ihr Herz ist mir ein Glücksschatz fein,
Ist reicher Schätze Kammer, reich geziert und rein.
O Minne, trittst du dort hinein,
So laß mich mit hinein, daß wir sie beide sprechen;
Zu mir allein da sagt sie Nein.
O gnadenreiche Minne, laß
Du ab von mir, du tust so weh!
Du zwingest dies, du zwingest das,
So sieh, ob sie dir widersteh.
Jetzt schau ich, ob du tauglich bist:
Sag nicht, daß du nicht in ihr Herz gekommen bist!
Nie gab es solch ein sichres Schloß,
Daß es dir stand gehalten hätte, Meisterdiebin.
Schließ auf, die sich zu stolz verschloß!
Wer gab dir, Minne, die Gewalt,
Daß du so sehr gewaltig bist?
Du zwingest alle, jung und alt,
Dagegen gibt es keine List.
Nun lob ich Gott, wo mich dein Band
Wohl binden soll und fesseln, daß ich recht erkannt,
Wie man sich kann des Werbens freuen,
Nie weich ich von dem Dienste. Königin, o Gnade,
O laß mich dir mein Leben weihen!
5
Madonna, Gnade, laß mich immer bei dir stehen
Und laß mich immer für dich leben!
Brech ich den Vorsatz, schwör ich, will ich von dir gehen!
Nur eines sollst du mir vergeben,
Daß mögest du zur Kurzweil mir erlauben gerne,
Dieweil ich auf dich warten soll.
Ich nenn es nicht; ich meine das - du weißt es wohl.
Ich sage dir, wovor ich bange:
Ich fürchte, daß ichs wieder lerne...
Sie:
Lieb je ich einen Mann, will ich allein ihn haben.
Doch du, du willst zu andern eilen.
Gemeinschaftlich will ich viel gute Dinge haben,
Doch meinen Freund will ich nicht teilen.
Wenn ich ihn wünsche und ihn gerne bei mir sehe,
So ist er stets an anderm Ort.
Wenn er dort gerne ist, so bleib er immer dort!
Dies tu ja jedem Weibe weh,
Daß mir davon nicht wohl geschehe.
Er:
Seliges Weib! Sie zürnet gegen mich zu sehre,
Weil ich zu manchem Liebchen trat.
Nie wies Madonna Leben mir nach ihrer Lehre,
Wie jämmerlich ich sie auch bat.
Was hilft es mir, daß ich sie liebe, sie vor allen?
Sie schweigt je mehr, je mehr ich klage.
Wünscht sie, daß ich denn allen andern Fraun entsage,
Laß sie sich meine Worte nun
Ein wenig mehr als sonst gefallen!
Sie:
Ich muß gestehn, daß du mich oft inständig batest,
Und ich nahm es nur wenig wahr.
Daß weiß ich wohl, daß du so allenthalben tatest,
Dadurch ward ich dir fremder gar.
Wer mir ein Freund sein will und möchte mich gewinnen,
Der laß die Unbeständigkeit.
Gemeine Liebe dünket mich gemeines Leid.
Nun sage, weißt du etwas andres?
Das ist der Grund, warum ich dich nicht werde minnen!
6
O mögt ihr schauen, was dem Maien
An Wundern ist beschert?
Seht an die Pfaffen, seht die Laien
Und was die Welt ist wert.
Groß ist des Mai Gewalt:
Mir scheint, er hat zu zaubern Macht:
Wohin er geht in seiner Pracht,
Da wird kein Wesen alt.
Uns will das alles wohlgelingen,
Wir werden fröhlich sein,
Wir werden tanzen, lachen, singen,
Nicht grob wie Bauern, nein.
Wer wäre jetzt unfroh,
Wo alle Vögel derart schöne
Gesänge singen, süße Töne?
Wir machen’s ebenso!
Wohl dir, du Maien, wie du scheidest
So alles ohne Leiden!
Und wie du Wald und Wiese kleidest
Und herrlich lila Heiden!
O bunter Blütenschnee!
Du bist ein Zwerg, ich bin ein Riese -
So streiten zärtlich auf der Wiese
Die Blumen und der Klee.
O rote Lippe, wie du schmachtest!...
O laß dein Lachen sein!
Schäm dich, daß du so spöttisch lachtest
Über den Schaden mein!
Ob das mich wohl entzückt?
O wehe so verlorner Stunde,
Da mit dem minniglichsten Munde
Unminne ausgedrückt!
Was mich, du Frau, an Freude irret,
Das ist dein lieber Leib.
Du bist es, die mich so verwirret,
Ungnädigliches Weib!
Was mir dein Launen tut?
Du bist doch sonst so reich an Gnade,
Tust du ungnädiglich mir Schade,
Tust du daran nicht gut.
Erlös mich, Frau, von meinen Sorgen!
Mach lieblich mir die Zeit!
Muß ich woanders Freuden borgen,
Weil du mir fern und weit?
Willst denn den Blick du senken?
So wonnig ist die Welt und fein!
Magst du mir nicht ein Freudelein,
Mir nicht ein Wönnchen schenken?
7
Die Welt war goldengelb und rot und blaue,
Ein Grün im Wald und auf so mancher Aue,
Da sangen Vögel süß vom Morgentaue,
Die Nebelkrähe kratzte mit der Klaue.
Ob ich die bunte Welt nun anders schaue?
Ach ja, sie ist so bleich und grau in graue,
Darüber rümpft sich manche Frauenbraue.
Ich saß an eines Hügelhanges Lee,
Da blühten bunte Blumen und der Klee
Vor mir bis weit hinunter an den See.
Die Augenweide ist nun nimmermeh’.
Da wo wir Blumenkränzen wanden eh,
Da liegt nun harter Reif und kalter Schnee.
Das tut den lieben Vögelinnen weh.
Die Toren rufen: Schnei der Schnee, er schnei!
Die armen Leute rufen: Weh, owei!
Mein Herz ist schwer geworden wie ein Blei.
Der schweren Wintersorgen hab ich drei;
Was mit der einen und den andern sei,
Von ihnen wär ich ledig schnell und frei,
Wär nur der süße Sommer nahebei.
Eh ich nich länger lebte leidend so,
Verspeist ich lieber einen Krebs ganz roh.
O süßer Sommer, mach uns wieder froh!
Als Sommer einst durch Busch und Wiese floh,
Da spielte ich mit bunten Blümlein, oh,
Im Sonnenscheine schwebte ich, halloh,
Der Winter aber jagte mich aufs Stroh.
Ich bin verwildert wie einst Enkidu,
Mein Haar ist rauh wie Senkel an dem Schuh.
O süßer, süßer Sommer, wo bist du?
Säh gern den Bauern bei der Ernte zu.
Ach lieg ich lang noch in so böser Ruh
Und wär gefangen länger noch als nu,
Da wär ich lieber Mönch in Toberlu!
8
Geschadet hat der Winter uns zumal,
Der Wald ist und die Heide ist nun fahl,
Wo einst so süß erklang der Vogelschall.
Säh ich die Mädchen auf dem Weg den Ball
Hochwerfen, käm zurück der Vögel Hall.
O könnte ich verschlafen Winters Zeit!
Doch bleib ich wach, so wird er mir zuleid,
Daß seine Macht ist derart weit und breit.
Weiß Gott: Bald siegt der Mai in diesem Streit!
Dann pflück ich Blumen, wo es heute schneit.
9
Und als der Sommer kommen war,
Die Blumen durch die Gräser gar
So voller Blütenglück aufsprangen,
Da wo die süßen Vögel sangen,
Da hat mich lieb ein Feld empfangen,
Auf dem ein klarer Quell entsprang,
Beim Walde ging er seinen Gang,
Da wo die Nachtigall süß sang.
Und bei der Quelle stand ein Baum,
Da hatt ich einen tiefen Traum.
Da war ich aus dem Licht der Sonne
Gewandert zu der Quellenbronne,
Die Linde schenkte Schattenwonne.
Und da ich bei der Quelle saß,
Ich alle meine Not vergaß
Und sank zum Schlummer in das Gras.
Und mein Gemüt im Traume fand,
Wie mir zu Diensten alles Land.
Mir schien, daß meine Seele wäre
Geschwebt zum Himmel ohne Schwere,
Der Erdenleib blieb in der Leere.
Da ward mir wohl im Himmelslicht!
Was Gott mir schenkte beim Gericht? -
Schönere Träume gibt es nicht!
10
In einem zweifelvollen Wahn
Hab ich gesessen einst und dachte:
Nie mehr seh ich die Schöne an!
Jedoch ein Trost zurück mich brachte.
Trost kann man das kaum nennen (und daran ich leide),
Es ist ja kaum ein kleines Tröstelein,
So klein, wenn ichs euch nennen tät, ihr spöttet mein;
Und doch: ganz ohne Grund ist keine Freude.
Ein Strohhalm machte mich so froh!
Er sprach: Erhörung wird dem Matten.
Ich maß den kleinen Halm von Stroh,
Wie Kinder ihre Spiele hatten.
Nun hört und habet acht, ob sie es wirklich tu:
Also: Sie liebt mich, liebt mich nicht, sie liebt mich -
Wie ich auch maß, das Ende niemals war betrüblich.
Das ist mein Trost. Der Glaube komm dazu.
11
Herzallerliebstes Mädchen mein,
Der Herr behüt dich immer gut!
Könnt ich dir Schönres sagen? Nein.
So mein Gemüt dich loben tut.
Was könnte ich dir mehr noch sagen,
Als daß ich dich sehr liebe?
Das ist der Grund für meine Klagen!
Man wirft mir vor, ich würde schenken
Der Schlichtesten mein Minnebuch.
Sie wollen einfach nicht bedenken,
Was Liebe ist. Drum ihnen Fluch!
Die traf die tiefe Liebe nie!
Sie wollen Geld und Glück
Und Schönheit. Ach wie lieben die?
Schönheit hat oft ein böses Herz,
Der bösen Schönheit niemand nachseh.
Viel mehr wert ist ein gutes Herz,
Der guten Schönheit jeder nachgeh.
Die Liebe macht das schöne Weib:
Das tut nicht Schönheit nur,
Sie macht nicht gut das Herz im Leib.
Ich trug es, wie ichs immer trug
Und wie ichs immer werde tragen.
Du hast an Schönheit viel, genug,
Was können sie davon schon sagen?
Was man auch sagt - Ich bin dir hold.
Dein Ring mit einem Glasstein
Ist mehr als Königinnengold.
Wo Treue und Beständigkeit,
Da ist dem Herzen kein Gefahr,
Daß meinem Herzen je ein Leid
Von deinem Herzen widerfahr.
Doch hättst du nicht der Treue Ehre,
Ich würde dich nicht wollen;
O weh, o weh, wenn dem so wäre!
12
Ob du mich magst, ob sehr,
Ich weiß es nicht. Ich aber liebe dich.
Ach eines ist mir schwer:
Du schauest weg und siehst hindurch durch mich.
Das mögest du vermeiden.
Ich mag das nicht erleiden,
Ich kanns nicht tragen ohne Schaden,
Hilf tragen mir, ich bin zu schwer beladen!
Soll das dein Schutz dir sein,
Daß nie dein Auge in mein Auge sieht?
Ist das der Grund? Ach nein,
Dann sing ich dir darum kein böses Lied.
Dann schaue nie verträumt
(Das sei dir eingeräumt)
Mir ins Gesicht, sieh nur den Fuß,
Und magst du mehr nicht, dann sei dies dein Gruß.
Wenn ich sie alle schau,
Die mir begründet sollen sehr behagen,
Bist du doch meine Frau,
Das will ich ohne Prahlereien sagen.
Sie sind zwar edel gleich
Und alle vornehm reich,
Ihr Herz ist lustig, stolzgemütig,
Aus besten Kreisen sie - doch du bist gütig!
O Fraue, dich besinne,
Ob ich dir etwas dir zu Minne sei.
Einsamen Freundes Minne
Ist einsam, ist nicht deine Lieb dabei.
Einer kann nicht gedeihn,
Liebe muß zweisam sein
Und so gemeinsam, daß sie sehr
Durchdringt zwei Herzen und sonst keines mehr!
13
Nimm, Herrin, diesen Kranz!
So sagte ich zum schönsten Mädchen gar.
Dann schmücke du den Tanz
Mit allerschönsten Blümelein im Haar.
Und hätt ich Gold und Edelsteine,
Daß du sie, Zarte, zierst!
Ob du dies glauben wirst?
Sieh, daß ichs wahrlich ehrlich meine!
Sie nahm, was ich ihr bot,
So wie ein Mädchen nimmt, das Tugend hat.
Die Wange ward ihr rot,
Dazu der Lilie weißes Blütenblatt.
Des Blicks verschämtes Niederschlagen,
Des Köpfchens Neigen zart,
War, was mir Löhnung ward;
Schenkt sie noch mehr, dann will ichs heimlich tragen.
Du schönste Gottesgabe,
Du bist so schön, ich will dir Kränze geben,
Die schönsten, die ich habe.
Ich weiß, wo weiß und rote Blumen leben,
Die stehen fern auf jener Heide.
Da wo sie schön entspringen,
Die Vögelinnen singen,
Da wollen zärtlich pflücken wir sie beide.
Was war so lieb wie dies,
Was mir da im Gemüte blühte, was?
Die Blüten sanken süß
Vom Baume zu uns nieder in das Gras.
Da mußte ich vor Freude lachen,
Da ich so wonniglich
Im Traume wunderlich
Beschenkt. Da kam der Tag, ich mußt erwachen.
Mir ist von ihr geschehen,
Daß ich in dieser Zeit den Mädchen bloß
Will in die Augen sehen:
Wenn Sie ich find, bin ich den Kummer los.
Wie, wenn sie tanzte diesen Tanz?
Ihr Frauen, habt die Güte,
Rückt eure hübschen Hüte.
Ach, säh ich Sie doch unter diesem Kranz!
14
Unter Linden
Auf der Heide,
Da wo unser Bette war,
Mögt ihr finden
Alle beide,
Gras und Blumen wunderbar.
Vor dem Wald in einem Tal -
Tandradei -
Sang sehr schön die Nachtigall.
Kam gegangen
Zu der Aue,
War mein Freund gekommen, er!
Ward empfangen
(Liebe Fraue!)
Werde selig immer mehr.
Und er küsste mich gesund -
Tandradei -
Weil so kirschenrot mein Mund.
Und er machte
Von Juwelen,
Ja von Blumen uns ein Bett.
Und da lachte
Meine Seele.
Lacht mit mir! Ist das nicht nett?
Bei den Röschen er wohl mag -
Tandradei -
Sehen wo mein Köpfchen lag.
Daß er ruhte
Bei mir (niemand
Soll es sehn, sonst schäm ich mich).
Mir zugute
Kam es. (Niemand
Solls erfahrn als er und ich
Und ein liebes Vögelein -
Tandradein -
Denn das wird verschwiegen sein.)
15
Dürft ich noch erleben, daß ich Rosen
Mit der Allerliebsten dürfte lesen,
Wäre derart unser beider zartes Kosen,
Daß wir wären ein gemeinsam Wesen!
Gäb mir einen Kuß in dieser Stunde
Ihr rotroter Munde,
Wäre ich an Wonne wohl genesen!
Was soll süße Rede, was das Singen,
Was des Weibes Schönheit, Mannes Gut?
Sieht man niemand mehr nach Freuden ringen,
Sieht man, wie so mancher Übles tut,
Da man Treue, Ehre, Großmut, Zucht
Alsosehr verflucht,
So verzag ich, bin nicht frohgemut.
16
Ich hatte mir ein schönes Bild erkoren.
O weh, daß jemals ich nach ihr geschielt
Und mich mit ihr so häufig unterhielt!
Die Schönheit und die Sprache sind verloren!
In ihr war Wunder, das ich nicht mehr schau,
Damit verstummte die Gestalt sogleich,
Die Lilienrosen wurden Kerkergrau,
Sie war nicht mehr an Glanz und Düften reich.
Mein armer Körper, bin ich auch gefangen
In dir, gib doch mich frei aus deinem Stück,
Du wirst mich eines Tages neu empfangen,
Ich kehre abermals in dich zurück.
So, meine Seele, auf und gut gefahren!
Auf dieser Erde hab ich viele Leiber
Und Seelen froh gemacht, Männer und Weiber.
Wärs mir gelungen, dabei zu bewahren
Mein Seelenheil! Die Lieb schuf Seelenleid!
Mein Herz sagt, Minne sei nur Trug und Wahn,
Nur wahrer Liebe Huld erkenn ich an,
Die gut und gnädig ist und himmelweit!
Mensch, jene Minne, die dir böse Wunde
Im Herzen schlägt, ist deines Ruhms nicht wert.
Mir scheint, die Minne, die du sehr begehrt,
Die ist nicht göttlich-wahrhaft bis zum Grunde!
17
O weh! Wohin entschwanden alle meine Jahr?
War nur ein Traum mein Leben oder war es wahr?
War das denn was, von dem ich glaubte, daß es sei?
Ich weiß es nicht. Ich hab geschlafen nur dabei.
Nun bin ich aufgewacht; und mir ist unbekannt,
Was vormals mir bekannt wie meine eigne Hand.
Auch jenes Land, in dem ich wurde aufgezogen,
Ist fremd mir, alle Leute sind nur wie gelogen.
Mit denen ich gespielt, die sind jetzt müd und alt,
Beackert ist das Land, gerodet ist der Wald.
Wenn nicht das Wasser flösse, wie es einstmals floß,
So glaubte ich wahrhaftig, mein Leid wäre groß.
So mancher grüßt mich nicht mehr, der mich kannte wohl,
Die Welt ist allenthalben großen Undanks voll.
Wenn ich gedenke an so manchen lichten Tag,
Der spurlos mir entglitt, wie in das Meer ein Schlag -
Dann immerdar O weh!
O weh! Wie dumm die jungen Leute sich gebaren,
Die einstmals höflich, froh und wohlerzogen waren!
Sie kennen nur noch Sorgen. Warum sind sie so?
Wohin ich mich auch wende, niemand ist mehr froh.
Vergangen ganz in Sorgen Tanzen, Singen gar,
Nie sah ein Christ so derart jämmerliche Schar.
Man schaue, wie der Kopfschmucke mancher Dame steht,
Wie manch ein Rittersmann in Bauernkleidern geht.
Sehr böse Briefe sind uns schon aus Rom gekommen,
Die Trauer ist gestattet, Frohsinn ganz genommen.
Das schmerzt mich tief - wir lebten einst in Wonnen wohl -
Das ich nun Lachen gegen Tränen tauschen soll.
Die Vögel selbst im Wald betrübt ja unsre Klage:
Wen wundert es, daß ich darüber ganz verzage?
Was sag ich Dummkopf da in meinem dumpfen Zorn?
Wer jagt dem Weltglück nach, hat Ewigkeit verlorn -
Dann immerdar O weh!
O weh! Wie süße Dinge wurden uns zur Falle!
Ich seh im süßen Honig schwimmen bittre Galle.
Die Welt ist außen schön, ist weiß und grün und rot;
Und innen schwarzer Farbe, finster wie der Tod.
Wen Welt verführt, der sehe jetzt auf seinen Tröster:
Wer Buße tut, der wird von Sündenschuld Erlöster!
Denkt daran stets, ihr Ritter, laßt euchs nicht befremden.
Ihr tragt die harten Helme und die Kettenhemden,
Dazu den festen Schild und das geweihte Schwert:
Wollt Gott, auch ich wär solcher großer Segnung wert.
Dann dürfte ich verdienen mir den reichen Sold.
Ich mein damit Besitz nicht noch der Großen Gold:
Der Seligkeiten Krone wollt ich ewig tragen!
Die konnt ein Söldner einst mit seinem Speer erjagen.
Ich zöge ins Gelobte Land wohl übers Meer,
Dann Freudenlieder, und kein Jammer nimmermehr!
Dann nimmermehr O weh!
18
Das Lied vom Heiligen Land.
Jetzt wird mein Leben wesentlich, ich glaub,
Da mein so schuldbeladnes Auge sieht
Das Heilge Land und jener Erde staub,
Das man so preist mit manchem Lobeslied.
Mir wurde das, worum ich immer bat,
Ich bin gekommen in die Heilge Stadt,
Da Gottes Sohn als Mensch den Weg betrat.
Von allen Ländern, allen reich und herrlich,
Wie viele ich von ihnen auch gesehen,
Du, Heilges Land, du bist die Krone, ehrlich!
Und welches Wunder war hier einst geschehen!
Daß eine Jungfrau hier ein Kind gebar,
Der Herr ist über aller Engel Schar,
War das nicht aller Wunder Wunder gar?
Hier ließ der Reine sich im Jordan taufen,
Auf daß die Menschheit auch gereinigt sei.
Und hier ließ er von Judas sich verkaufen,
Auf daß die ganze Menschheit werde frei.
Wir Eigensinnigen, wir warn verlorn.
O Wohl dir, Lanze, Kreuz und Kranz von Dorn!
Weh euch, die ihr euch noch empört im Zorn.
Von hier aus fuhr der Sohn herab zur Hölle
Aus seiner Grabeshöhle, drin er lag.
Der Vater war ja ewig sein Geselle
Und auch der Geist, den ja kein Mund vermag
Von ihm zu scheiden - o Dreifaltigkeit!
Ganz glatt und eins wie eines Pfeils Gestalt,
Und wie ihn Abram sah im Mamre-Wald.
Als Er dem Teufel machte arge Schande
(So führte nie ein Kaiser seinen Streit)
Da trat er wieder auf im Heilgen Lande.
Und da geschah der Juden arges Leid,
Daß er der Grabeswächter Reihn durchbrach
Und man ihn sah im Leben wahrlich, ach,
Den ja der Leute Hand einst schlug und stach.
Und über dieses Land hat er gesprochen
Das Wort vom fürchterlichen Jüngsten Tag,
Da wird der Witwe Herz nicht mehr gebrochen
Und da die Waise nicht mehr klagen mag,
Da Elende verklagen die Gewalt,
Die Macht verübt an elender Gestalt.
Wohl dem, der in die Zelte Zions wallt!
DANTE
AUS DER GÖTTLICHEN KOMÖDIE
FRANCESCA
(Inferno, 5. Gesang)
Und ich stieg nieder aus dem ersten Kreis
Zum zweiten. Schmaler war gebaut die Szene,
Die Qual doch größer, voll des Schmerzensschreis.
Und dort steht Minos, fletschend seine Zähne,
Urteilt beim Eingang über alles Fehle
Und schickt hinab zu ewger Qual und Träne.
Ich sage, wenn die schlechtgeborne Seele
Vor ihm steht, öffnet sie sich ganz und gar,
Und dieser, daß er alle Sünden zähle,
Sieht, welcher Raum ihr angemessen war,
Umwindet sich so oft mit seinem Schwanz,
Als er die Sünder stuft hinab furchtbar.
Und vor ihm reiht sich vieler Sünder Kranz,
Und alle gehen ein sie zum Gericht.
Sie wirbeln in die Tiefe wie ein Tanz.
„O du, zum Schmerzenshause kommend schlicht“,
Sprach Minos, sich im Richten unterbrechend,
Als ich gekommen vor sein Angesicht,
„Schau, wem du traust“, sprach Minos, sich erfrechend,
„Laß dich nicht täuschen durch des Eingangs Weite.“-
„Was schreist du?“ hört ich meinen Führer sprechend,
„Halt ihn nicht auf. Bestimmt ist, wie er schreite,
Es ist beschlossen an dem höhern Ort,
Wo was man will man kann. Mehr frag nicht heute.“
Da hört ich Schreie schon aus Schmerz und Tort
Mit meinem Ohr, da ich gekommen war,
Wo großes Heulen vorgeht fort und fort.
Ich kam zum Ort, der allen Lichtes bar.
Derart das Meer in Winterstürmen klagt,
Wenn Gegenwinde stürmen wild fürwahr.
Der Höllensturm, dem niemals Ruhe tagt,
Er reißt die Geister ins Gewühl der Nacht,
Und Qual ists, wenn er sie durchrüttelnd jagt.
Sind sie beim Felssturz, dann so wie zur Schlacht
Auftönt Gejammer, Weinen, Weheschrein.
Sie lästern dort und fluchen Gottes Macht.
Da ward mir klar, daß dort zu solcher Pein
Verdammt die Täter wüster Fleischessünde,
Die lebten Wollust, nicht die Minne rein.
Wie Stare mit dem Schwingenpaar geschwinde
Zur Zeit des Winters, trugen in den Schmerz
Sündiger Geister Schar die Wirbelwinde,
Hierhin und dorthin, auf- und niederwärts.
Und nie kam Hoffnung mit der Tröstung Schwingen,
Nie Hoffnung auf Erleichterung fürs Herz.
So hört man Kraniche laut Klagen singen,
So wie ich sah in Reihen, laute Klagen
Aufstöhnend, durch die Lüfte Geister dringen,
Menschliche Schatten, die der Sturm getragen.
Ich sprach: „Vergil, wer schleppt sich da denn hin,
Die peinigt dieser Wind mit dunklen Plagen?“-
„Die erste aus der Schar, von der dein Sinn
Vernehmen will“, der Meister sprachs im Schweben,
„War über viele Sprachen Kaiserin.
So sehr war sie der Wollust hingegeben,
Daß Lust sie im Gesetz zum Recht erhoben,
Um einen Schleier ihrer Schmach zu weben.
Semiramis ists, die die Heiden loben,
Daß sie auf Ninus folgte, Braut ihm war
Im Land, wo jetzt des Sultans Truppen toben.
Die Andere nahm sich das Leben gar
Aus Liebe: Dido, ungetreue Maid.
Kleopatra dort, liebestoll fürwahr.“
Und Helena, um die so lange Zeit
Gekämpft ward, mit Achill, der auf den Matten
Von Troja mit Cupido kämpfte, schreit.
Paris und Tristan, abertausend Schatten
Wies er mir, auf sie weisend mit der Hand,
Die all aus Lieb die Erd verlassen hatten.
Und als mein Führer alle die genannt
Und sprach von Heroinen und von Rittern,
Da ward aus Mitleid traurig mein Verstand.
„Wie möcht ich reden gern mit jenen bittern
Zwei Geistern, die zusamm im Dunkel wehen,
So leicht getragen von des Windes Zittern!“
Vergil sprach: „Wenn sie nahen, wirst du sehen
Die beiden Geister, dann magst du sie bitten,
Bei ihrer Liebe - und sie bleiben stehen.“
Der Wind trug sie, sie kamen nun geschritten,
Da sprach ich: „Ach Betrübte ihr, kommt her
Und sagt uns an, was ihr dereinst gelitten.“
Gleich Tauben, die herbeigelockt, vom Meer,
Die Flügel breitend, durch die Lüfte klar
Zum Neste kehrend, voll Verlangens sehr,
So lösten jene sich aus Didos Schar
(Denn mächtig war der Liebesruf voll Huld)
Und nahten durch die Höllenluft fürwahr.
„O gnadenreiches Wesen voller Huld,
Das zu uns in die Nacht herniedersteigt,
Die wir die Erd befleckt mit Blutes Schuld!
Wär gnädig uns der Herr der Welt geneigt,
So spräch ich deiner Seele ein Gebet,
Da du uns hast Barmherzigkeit gezeigt.
Was wünschest du von uns zu hören, red,
Ich sag es alles dir nach Frauenart,
Wo jetzt gerad der Sturmwind stille steht.
Es liegt der Ort, wo ich geboren ward,
Am Meeresufer, wo der Po ausmündet,
Um mit den Wassern Ruh zu finden zart.
Liebe, die rasch im edlen Herzen zündet,
Nach meinem Leib den Lieben einst durchdringt,
Daß heut die Seele sich in Nacht mir windet.
Zum Lieben Liebe den Geliebten zwingt,
Die griff nach mir mit ihrem Machtgebot
Und sich noch heut durch meine Seele schlingt.
Und Liebe führte uns in unsern Tod!
Caina wartet dess, der uns erschlug.“
Die Worte sprach sie mir von ihrer Not.
Der ich der Seelen Jammer kaum ertrug,
Das Haupt neigt ich vor ihrem Ungemach.
„Was sinnest du?“ mein lieber Meister frug.
Und ich gab langsam ihm zur Antwort: „Ach!
Welch süßer Liebestraum und welches Sehnen
Hat sie zu diesem Schritt geleitet, ach!“
Und ich (um ihren Namen zu erwähnen)
Sprach also: „O Francesca! deine Klage
Erzeugt aus Mitleid mir viel Schmerzenstränen.
Zur Zeit der ersten Seufzer, jener Tage,
Wie ließ es zu der Liebe süßes Herz,
Daß du erkanntest dein Begehren, sage?“
Und sie zu mir: „Es gibt nicht größern Schmerz,
Als sich erinnern an der Freude Zeit
Im Leid. Das weiß, der führt dich himmelwärts.
Doch wenn den Ursprung unsrer Liebe heut
Zu schaun begehrt das Herz dir in der Brust,
So sag zugleich und wein ich aus mein Leid.
Wir lasen eines Tags zu unsrer Lust,
Wie Liebe ihn versucht, von Lancelot,
Wir zwei alleine, wie du wissen mußt.
Beim Lesen wurden unsre Wangen rot
Und bleich vor Scham, die Augen feurig, und
Mit einemmal erlagen wir der Not.
Wir lasen, wie der heißbegehrte Mund
Vom Liebenden so süß geküsst ward und
Da küsste dieser hier mir meinen Mund,
Ich bleib ihm stehts vereint, und Mund an Mund -
Galeotto war das Buch und der es schrieb -
Nicht lasen weiter wir zu jener Stund.“
Der eine Schatte sagte dies so trüb,
Der andre weinte, daß mir gar aus Gnade,
Aus Mitleid, nicht mein Sinn mehr in mir blieb
E cadde come corpo morto cade.
((Ich sank, so wie ein toter Körper sinkt.))
MATHILDE
(Purgatorium, 28. Gesang)
Begierig, zu durchwandeln drauß und drin
Den heiligen und lebensfrischen Hain -
Dem Auge dämpft den jungen Tag das Grün -
Nun nicht mehr ließ ich hinter mir den Rain,
Und langsam wandelnd schritt ich durch das Land
Und atmete der Erde Düfte ein.
Ein linder Lufthauch, den ich stetig fand,
Strich über meine Haare hin und reigte,
Leis wehend, wie des Frühlings blaues Band,
Davon sich frischer Blätter Zittern zeigte,
Die all nach jener Seite hin gelassen
Sich neigten, da der Schatten sich schon neigte,
Doch nicht so fortgeneigt, die tauesnassen,
Daß all die Vögel in den Wipfelschlüften
Nun hätten müssen ihre Künste lassen;
Mit süßer Freudigkeit in frühen Lüften
Sie sangen, und es gab den Grundbaß an
Das rauschende Gezweig mit seinen Düften.
So wie es flüstert in den Ästen dann
Und wann am Strande in dem Pinienwald,
Wo Äol Südwind spielen lassen kann,
So war ich langsam hingewandelt bald
(Wie ich hereingekommen wußt ich nicht)
Bis in das Innere des Haines alt.
Da hemmte meinen Fuß ein Fluß, der sclicht
Zur linken Seite hin mit Wellen fein
Die Gräser beugte, die da wuchsen dicht.
Die Wasser, nennt man sie auf Erden rein,
Erschienen unsern Sinnen trüb und trüber,
Verglichen hier mit diesem reinen Schein,
Fließt es auch schwarz und dunkel nur vorüber,
Unter dem ewgen Schatten hin, der nimmer
Läßt strahlen Mond und Sonne hier herüber.
Die Füße ruhten mir, die Augen immer
Zum andern Ufer schweiften, da wo seind
Die allerschönsten Blumen voller Schimmer.
Und es erschien mir, so wie wohl erscheint
Ein Unerwartetes, dem Wunder gleich,
Das alles übersteigt, was sonst man meint,
Lustwandelnd eine Frau in diesem Reich,
Die pflückte, die die Pfade all bemalen,
Sich Blum auf Blume, unter Liedern weich.
„O schöne Frau, die an der Liebe Strahlen
Du wärmest dich, soll ich dem Anschein trauen,
Der Zeuge ist des Herzens allzumalen,
So tret herbei zu mir und laß dich schauen“,
Sprach ich zu ihr, „an dieses Ufers Rand,
Laß deine süßen Lieder mich erbauen.
Ich denk daran, wobei man einstmals fand
Proserpina zur Stunde, da verloren
Die Mutter sie und all des Lenzes Land.“
So wie sich kreisend dreht, wie traumgeboren,
Mit leichtem Fuß am Boden hingeflossen,
Die Tänzerin, zum Tanze auserkoren,
So sah sie durch die Blumen, welche sprossen
In gelb und rot, und anders nicht als eine
Jungfrau, die keuschen Augen halb geschlossen.
Genüge meiner Bitte tat die Reine
Und kam mir näher, daß hinüberdrang
Mit ihres Liedes Wort der Klang, der feine.
Sie kam dahin, wo schon die Gräser lang
Bespülten jenes Flusses Wellen zart,
Und schlug die Augen auf, ganz zag und bang.
Ich glaub nicht, daß solch Schimmer floß apart
Aus Venus’ Wimpern, da sie von dem Pfeil
Des Sohnes unversehns getroffen ward.
Am andern Ufer lachte sie dieweil,
In Händen sammelnd weitrer Blumen Traum,
Die ungesät zur Höhe blühten steil.
Nur wenig trennte uns des Flusses Schaum,
Doch ward der Hellespont, den Xerxes ja
Einst überquert, des Menschenstolzes Zaum,
Nicht so gehasset von Leander, da
Er schaute in der wilden Wogen Rachen,
Wie dieser Fluß von mir, den ich nun sah.
„Nun bist du hier, und sollte dich mein Lachen
Verwundern hier an diesem Ort, den bald
Gott wird zur Heimstatt aller Menschen machen“,
Sprach sie, „verdächtig dir in diesem Wald,
Denk an den Psalmvers delectasti me,
Dann flieht der Dunst, der dir vorm Geiste wallt.
Der du vorangehst und mich batest eh,
Sag an, ob mehr du hören willst. Ich kam
Und will dir Antwort geben je und je.“
„Der Fluß“, sprach ich, „Waldrauschen wundersam
Dem jüngst Gehörten aber widersteht
Und meinem jungen Glauben lobesam.“
Sie sprach: „Ich will dir sagen, wie entsteht,
Was dich so staunen macht in diesem Land,
Und will zerstreun den Nebel, der da weht.
Das Höchste Gut, das in sich alles fand,
Es schuf den Menschen für das Gute gut
Und gab ihm diesen Ort zum Friedenspfand,
Den er verlor durch seiner Sünde Wut
Und mußte sich in Schmerz und Tränen neigen,
Verlor sein Glück und Lachen wohlgemut.
Damit der Nebel, den dort unten zeugen
Des Wassers Brodeln und der Erdenkreise,
Der immer folgt der Erde tiefstem Beugen,
Den Menschen nicht beschwerlich sich erweise,
Drum dieser Berg so weit zum Himmel steigt,
Daß er befreit davon auf diese Weise.
Da nun die Luft im ganzen Umkreis reigt
Mit jener ersten Himmelswölbung, so
Nichts unterbricht, daß gar der Kreislauf schweigt,
Durchdringt von dieser höchsten Höhe, wo
Hier alles ist in Äther eingetaucht,
Dies Wehn den Wald und läßt ihn klingen froh.
Und solche Kraft hat jeder Baum, durchhaucht,
Daß er damit die ganze Luft durchtränkt
Und diese dann im Drehen süß verhaucht.
Die Erde sonst, wie es ihr Boden schenkt
Oder ihr Himmelsstrich, sie bringt hervor
Verschiedner Bäume Arten und empfängt.
Drum sollte, wer dies hörte mit dem Ohr,
Sich wundern nicht, wenn irgendwo ein Baum
Auch ohne Samen sprießt zum Blütenflor.
Und wisse, dieses heilgen Feldes Raum
Ist von der Samenkraft so tief erfüllt
Und voll von ungebrochner Früchte Traum.
Das Wasser einer Ader nicht entquillt
So wie ein Fluß, der atmend steigt und fällt,
Den Kälte wandelt, der vom Dunste schwillt,
Nein, aus der sichern heilen Quelle quellt,
Die stets nach Gottes Willen ihm vermacht,
Was es nach allen Seiten strömend schnellt.
Was hier herabfließt, hat zu tilgen Macht
Erinnerung des Menschen seiner Sünden;
Dies dort die gute Tat bewußt ihm macht;
Auf dieser Seite Lethe ist zu finden,
Eunoe drüben; nur an Wirkung reich,
Wenn dort Erinnern wacht, hier Sünden schwinden.
Kein andrer Wohlgeschmack kommt diesem gleich.
So, konnte ich genug den Durst dir tränken?
Mehr brauch ich nicht zu künden“, sprach sie weich.
„Doch will ich dir noch ein paar Worte schenken.
Nicht wertlos wird die Rede, will ich sie
Auch weiter dir als mein Versprechen lenken.
Die in der Vorzeit sangen Melodie
Vom Goldenen Äon, vom Glück allein,
Sahn diesen Berg als Berg der Poesie.
Hier war der Menschheit Wurzel schuldlos rein,
Hier ewger Lenz, der Früchte Vollgewinn
Und Nektar alles, den man preist wie Wein.“
Da blickte ich nach meinen Dichtern hin,
Die lächelten, da wußte ich, und schau,
Daß sie verstanden jenes Wortes Sinn.
Dann wandt ich wieder mich zur schönen Frau.
BEATRICE
(Purgatorium, 30. Gesang)
Als nun des ersten Himmels Siebenstern,
Der niemals unterging und nie war aufgegangen
Und kannte Nebel nur der Schuld, von fern
Hier jeden ließ Erkenntnisse empfangen,
Was Pflicht ihm (so wie durch den niedern klaren
Das Schiff weiß, wie zum Port es kann gelangen)
Und stand nun still, da wandten sich die wahren
Geistwesen nun zu Greif und Wagen jach,
Als wie zu schönen Friedens Offenbaren.
Von ihnen einer, wie ein Engel, sprach
Nun: „Veni, sponsa de Libano!“ und sang
Es dreimal, und die andern folgten nach.
So wie die Seligen bei Hornes Klang
Ein jeder seinem Grab entsteigt nach oben,
Mit neuer Stimme singend Jubelsang,
So in dem heiligen Gefährt erhoben
Sich hundert wohl - „ad vocem tanti senis“ -
Als Boten in das ewge Sein gewoben.
Sie alle sangen: „Benedictis qui venis“ -
Und Blumen werfend in die Höhe weit:
„Manibus o date lilia plenis.“
Ich sah im frühen Licht der Morgenzeit
Den ganzen Osten rosenfarbig glühen,
Den andern Himmel klar, voll Heiterkeit,
Und sah der Sonne Kreis durch Schatten sprühen.
Aufgrund des Dunsts, durch den die Strahlen gleiten,
Konnt länger sich mein Aug am Glanze mühen.
Und eine Blumenwolk sah ich sich breiten,
Die aus der Engel Händen sich erhoben
Und wieder niedersank, nach allen Seiten.
Mit weißem Schleier und mit Ölzweig oben
Kam eine Frau im feuerfarbnen Kleid,
Gehüllt in eines grünen Mantels Roben.
Mein Lebensgeist, der schon so lange Zeit
Nicht in der Gegenwart mehr der Gestalt
Erzitterte vor Staunen vor der Maid,
Ohnmächtig meine Augen, fühlte bald,
Durch jene Kraft, die von ihr ausfloß klar,
Der frühen wahren Liebe Allgewalt!
Da bei dem Anblick mich ergriffen gar
Gewaltge Kraft, die einst von jener Frauen
Mich ganz durchdrang, da ich ein Jüngling war,
Wand ich zur Linken mich mit dem Vertrauen,
Mit dem das Kind eilt in der Mutter Raum,
Wenn Bangnis- oder Trauer-Tränen tauen,
Zu sagen zu Vergil: „Ein Quäntchen kaum
Blieb mir, dem nicht vor Furcht und Zittern graut!
Ich kenn sie! Meiner Flamme alter Traum!“
Vergil war aber fortgegangen, schaut,
Vergil, mein Vater in dem Wanderleben,
Vergil, dem ich zum Heil mich anvertraut.
Nicht half, was Mutter Eva fortgegeben,
Den mit dem Tau gewaschnen weißen Wangen,
Daß sie jetzt dunkel nicht von Tränen beben.
„O Dante! Weil Vergil jetzt fortgegangen,
Du weine nicht, du weine jetzt noch nicht,
Bis andre Schwerter dir dein Herz durchdrangen!“
So wie ein Admiral, wenn er im Licht
Die Mannschaft anschaun kam und alle fand
Im Dienste, sie ermutigte zur Pflicht;
So sah ich an des Wagens linkem Rand,
Als ich beim Klange meines Namens gar
(Den ich hier notgedrungen nenn) mich wandt,
Die süße Frau, die mir erschienen war,
Noch durch der Engel Blumenstrauß verhüllt,
Auf mich die Augen richten wunderbar.
Ließ auch der weiße Schleier rein und mild,
Der rings umkränzt war mit Minervas Zweig,
Nicht offenbar erscheinen mir ihr Bild -
Hoch aufgerichtet, einem König gleich,
So fuhr sie strenge fort, wie jene sind,
Die sparen für den Schluß den schärfsten Streich:
„Ich bin es, deine Beatrice lind.
Wie konntest du nur diesen Berg besteigen?
Weißt du es nicht? Hier ist man ohne Sünd!“
Die Augen mir sich in das Wasser neigen,
Doch, mich erblickend, sah zur Wiese ich,
So wollte Scham sich auf der Stirne zeigen.
So scheint dem Sohn die Mutter fürchterlich
(Und sie schien mir so auch), weil ihm zerfließe
Das Herz vor Schmack der Liebe bitterlich.
Dann schwieg sie. Alle Engel sangen süße
„Auf dich, Herr, trau ich“ einstimmig im Chor,
Doch weiter nicht als bis zu „meine Füße“.
Wie Schnee, der zwischen Bäumen sich verlor,
Sich auf Italiens Berge legen tut,
Von Rußlands Wind gehäuft, und dann erfror,
Dann auftaut und zerrinnt in Wasserflut,
Sobald der Hauch der hellen Erde ihn
Trifft, wie die Kerze schmilzt vor Feuersglut,
So sehet, wie mir keine Seufzer fliehn,
Bis sie anhoben mit den Lobgesängen
Im Ton von ewgen Sphärenharmonien,
Und als ich in den mild gedämpften Klängen
Mitleid gespürt, als sprächen sie sehr zart:
„O Frau, was willst du ihn mit Pein bedrängen?“
Da löst das Eis, das mir ums Herz erstarrt,
In einem langen Seufzer sich, der schwand
Aus meiner Brust, die sehr gepeinigt ward,
Und Tränen flossen. Sie, ganz still am Rand,
Der mitleidvollen Wesen Angesicht
Hat Worte sie und Antlitz zugewand:
„Ihr wacht ja dort im ewgen Tageslicht.
Den Schritt, den Welt auf ihrem Wege geht,
Euch können Schlaf und Nacht verbergen nicht.
Drum sorg ich mich bei meiner Antwort, seht,
Daß Schuld und Schmerz von gleichen Maßen wären,
Daß jener, der dort weint, mich recht versteht.
Nicht durch den Einfluß nur der hohen Sphären,
Die jeden nach bestimmtem Ziele leiten,
Wie ihm die Sterne günstig sind, die hehren,
Doch durch der Gnade Gaben-Niedergleiten,
Die aus so hohen Nebeln niederschweben,
Daß unser Blick erreicht nicht jene Weiten,
Ward dieser hier in seinem jungen Leben
So reich begabt, daß manche Fähigkeit
Man sah in seiner Seele herrlich weben.
Doch Wildnis bringt und schlimmes Unheil weit
Die Erde unbepflant, je mehr sich regen
Die Kräfte ungestümer Fruchtbarkeit.
Am Anfang hielt ich ihn auf guten Wegen,
Indem ich ihm mein junges Antlitz zeigte,
Und zog ihn nach, dem rechten Ziel entgegen;
Doch kaum sich mir mein Geist hinüberneigte
Zum zweiten Alter und ins andre Leben,
Verließ er mich, der da sich Andern beugte.
Ich durft vom Fleisch hinan zum Geiste schweben,
An Schönheit wachsend und an Geisteskraft,
Da wollte er mir nicht mehr Liebe geben.
Er ging den falschen Weg der Leidenschaft,
Und falschen Bildern folgte nach sein Herz,
Und doch gab Frieden nicht die Wanderschaft.
Ich flehte um Erleuchtung für sein Herz,
Die ich auf manche Art und auch im Traum
Zur Buß ihn rief, doch wenig schätzte er’s.
Er sank so tief; für seine Rettung kaum
Schien mehr ein Mittel; dies nur hatte Sinn:
Verdammte zeigt ich ihm im Höllenraum.
Ich ging zum Tor des Totenreiches hin,
Zu jenem, der ihn führte, ins Gefängnis,
Mit Flehn und Tränen ich gegangen bin.
Gesündigt wärs am Göttlichen Verhängnis,
Tränk einer Lethes Wasser mit Genuß
Und wollte zahlen nicht mit der Bedrängnis
Von Tränen, welche fließen heiß, der Buß.“
DIE MYSTISCHE ROSE
(Paradies, 31. Gesang)
Ich habe eine Rose, weiß, geschaut,
Darin sah ich die heilge Kämpferschar,
Die Christus durch sein Blut sich angetraut.
Und die im Fluge Ehre sang, die Schar,
Die Ehre dess, der sie entflammt mit Güte
Und Liebe, liebend sie erschaffend, war
Gleich Bienen, welche in die Blüte
Sich senken bald und bald sich dahin schwingen,
Wo sich ihr Fleiß um Honigseim bemühte;
Die sah ich in die große Rose dringen,
Die blätterreiche, bis sie sich erhoben,
Die Kämpfer dann zum Sitz der Liebe gingen.
Die Angesichter wie in Licht gewoben,
Die Flügel gold, das Andere so weiß,
Noch weißer als der weiße Schnee von oben.
Sie sanken in den Kelch, von Kreis zu Kreis,
Ausspendend Frieden, voller Inbrunst ganz
Und heilger Glut, die sie empfangen leis.
Und zahllos war der Flügelträger Tanz
In jener Blüte und darüber schwebend,
So sah man dennoch durch bis auf den Glanz.
Denn Gottes reines Licht, es ist durchwebend
Das ganze Weltall, je nach Würdigkeit,
Und nichts wehrt seinem Durchgang, ewig lebend.
Dies Reich der Freude und der Sicherheit,
Mit Volk vom Alten und vom Neuen Bund,
Hielt Liebesblicke festgebannt von weit.
Dreifaches Licht aus Einem Sternenrund,
Schau doch herab in unsre Stürme schwer,
Du machst mit Einem Blicke ja gesund!
Als die Barbaren, aus den Ländern her,
Darüber Tag für Tag Helice brannt
Bei ihrem Sohne, den sie suchte sehr,
Rom sahen und der hohen Werke Land,
Da staunten sie, als noch der Lateran
Hoch über allen Erdendingen stand;
Und ich, ich will als Mensch zu Gott mich nahn
Und aus der Zeit dem Ewigen Gefild?
Den Florentiner die Gerechten sahn -
Wie war ich von Verwunderung erfüllt!
Und zwischen Staunen und Glückseligkeit
Wollt taub und stumm ich sein vor jenem Bild.
Und wie ein frommer Pilgrim sich erfreut
Beim Anblick seines Wallfahrtstempels, leis,
Das Glück erzählen will zu gleicher Zeit,
So, wandernd durch das Licht des Lebens weiß,
Sich meinen Augen viele Sitze zeigten,
Und ich sah auf und ab und rings im Kreis.
Gesichter sah ich, die von Liebe zeugten,
Geziert mit Lächeln und mit Leuchten mild,
Und würdig die Gebärden all sich neigten.
Des Paradieses allgemeines Bild -
Darauf sich meine Blicke leise legten,
Doch nicht auf Einzelheiten im Gefild -
Das war so, das sich Wünsche in mir regten,
Die Herrin nun zu fragen nach den Dingen,
Die mir den Geist im Innersten bewegten.
Da hört ich einen Andern Antwort bringen,
Nicht Beatrice, sondern einen Greis,
Gekleidet herrlich auch mit goldnen Schwingen,
Die Augen freudig und die Wangen weiß
Von Güte, fromm die Haltung glaubensvoll,
So wie ein Vater von der Liebe weiß.
„Wo ist sie?“ sprach ich. Seine Stimme scholl:
„Um dein Verlangen noch zum Ziel zu führen,
Sprach Beatrice, daß ich kommen soll.
Und sie im dritten Kreise aufzuspüren
Des höchsten Ranges, darfst du hoffen, da
Sie sitzt im Ehrenthrone nach Gebühren.“
Stumm hob ich meine Augen, und ich sah
Dort Beatrice, um sie eine Kron
Von ewgem Schimmer, wie ein Spiegel, ja.
Woher der Donner dröhnt, von der Region
Ein Fleischesauge ist nicht weiter fern
(Und wär es auf dem Grund des Meeres schon),
Als nun mein Blick von Beatrice fern.
Und dennoch sah ich sie, weil ja ihr Bild
Drang nicht durch trüben Dunst zu mir von fern.
„O Herrin du, o meine Hoffnung mild,
Du ließest ja für meine Seligkeit
Der Füße Spur selbst in der Hölle wild:
Durch vieles, was ich schaute in der Zeit
Durch deine Kraft und große Güte, bin
Erleuchtet ich, durch die Barmherzigkeit.
Du kamest, in die Freiheit mich zu ziehn,
Durch jeden Weg, durch jede Art und Weise,
Die zu verwenden dir die Macht verliehn.
Erhalte du dein Hulden in mir weise,
Daß meine Seele sich, zum Heil erkorn,
Dir wohlgefällig lös vom Leibe leise.“
Ich betete derart. Sie schien verschworn
Der fernsten Ferne, sah mich lächelnd an
Und wandte drauf sich zu dem ewgen Born.
„Daß bis zum Ziele“, sprach der Greis sodann,
„Du deinen Weg vollenden kannst, wozu
Mich flehte das Gebet der Liebe an,
Laß Blicke schweifen durch den Garten du,
Denn ihn zu schauen, stärkt dir deinen Sinn,
Zu schauen bald das Licht der Gottesruh.
Und die ich lieb, die Himmelskönigin,
Für die in Liebe (Bernhard) ich erglommen,
Wird Gnade schenken, deren Knecht ich bin.“
Wie der, der aus Kroatien gekommen,
Zu sehn das Schweißtuch der Veronika,
Kann Hunger, lang gehegt, nich satt bekommen,
Doch bei sich sprach, sobald das Tuch er sah:
„So war, o Jesu Christ, dein Angesicht,
O Herr und Gott, so wars gestaltet, ja!?“
So war auch ich versunken in die Sicht
Der Liebe dessen, der auf Erden rein
Genoß den Frieden der Beschauung licht.
„Du Sohn der Gnade, dieses frohe Sein“,
Begann er da, „erkennst du nimmer ganz,
Wenn drunten schweift dein Auge nur allein.
Doch schau hinan zu fernster Kreise Kranz,
Zum Thron der Königin dein Auge reicht!
Dies Reich ist ganz ergeben ihrem Glanz.“
Ich schaute auf, und wie das Frührot streicht
Und kommt, die Morgenseite hell zu malen
(Und Dunkel da, wo sich die Sonne neigt),
So mit dem Auge wandernd von den Talen
Zur Höhe, sah ich letzte Ferne dicht
An Licht den ganzen Umkreis überstrahlen.
Wie wenn die Deichsel aus der Nacht aufbricht,
Die Phaeton schlecht führte, hell ersprühte,
Und rings um sie verblassend Sternenlicht,
So jene Friedens-Oriflamme glühte
Am hellsten in der Mitte, und zu Seiten
Die Flammen wurden schwächer im Gebiete.
Um diese Mitte sah ich jubelnd breiten
Wohl mehr als tausend Engel ihre Schwingen,
Jeder mit anderm Glanz und Kostbarkeiten.
Ich sah zu ihrem Spielen, ihrem Singen
Die Schönheit lächeln, die als Freudensonne
Ich sah die Augen Heiliger durchdringen.
Und hätt ich Worte in des Geistes Bronne
Als Schauungen, so könnt es doch nicht glücken,
Geringstes nur zu schildern ihrer Wonne.
Bernardus, als er sah, wie ich mit Blicken
Zu ihrer warmen Glut mich immer wandte,
Da wandt er sich mit liebendem Entzücken
Zu ihr, daß ich im Schaun noch mehr entbrannte.
DIE JUNGFRAU MARIA UND DIE SCHAU GOTTES
(Paradies, 33. Gesang)
„O Jungfrau Mutter! Sohnes Tochter! Du
In Demut höchstes alles Wesen, pur,
Erkorn vom ewgen Rat zu Seiner Ruh,
Du bist es, die die menschliche Natur
So edel machte, daß der Schöpfer gar
Es nicht verschmäht, zu werden Kreatur.
In deinem Geist entbrannte Liebe, wahr,
Durch deren Glut in ewgen Friedens Helle
Hier diese Rose aufgegangen war.
Du bist für uns die Mittagsfackel helle
Der Liebe. In der Menschen schwerem Los
Bist du der Hoffnung lebensvolle Quelle.
Madonna du, so mächtig und so groß!
Wer Gnade sucht, doch will in dir nicht sein,
Der will zum Wunsche fliegen flügellos.
Du hilfst nicht nur dem Flehenden allein,
Auch öfter dem Verlangen nach dem Ziel
Kommst du zuvor mit Güte hold und rein.
In dir Erbarmen ist und Mitgefühl,
In dir ist Glorie und ein Verweben
Von allem, was im Menschen Gutes will.
Sieh diesen hier im tiefsten Grunde beben
Des Weltalls, der bis hier gesehen hat,
Den ein und andern, die im Geiste leben.
Er fleht dich innig an, es möge Gnad
Ihm Kraft verleihn, daß er erhebe rein
Die Augen zu des Heiles höchster Statt.
Ja, glühender ersehnt ich niemals mein
Beschauen, als jetzt seins. Mein Flehen all
Richt ich an dich, mög es nicht kraftlos sein!
Zerstreu ihm jeder Wolke Nebelfall
Vor seiner Seele sterblichem Gebahren,
Entfalte ihm der höchsten Wonne All!
Dies möcht, Madonna, ich von dir erfahren:
Es mög nach inniger Beschauung Heil
Ihm all sein Menschliches sich rein bewahren.
Du überwinde ihm sein sterblich Teil.
Die Seligen und Beatrice schau,
Die fromm die Hände falten alldieweil.“
Die gottgeliebten Augen, Himmel blau,
Gerichtet auf den Beter, zeigten an,
Wie sein Gebet erfreut die Liebe Frau;
Sie wandten sich zum ewgen Lichte dann;
Nie, glaub ich, sah man jemals dorthin sehen
So klar ein Auge, wie das ihre sann.
Nah war das Ende meinem Sehnsuchtswehen,
Entsprechend fühlt ich des Verlangens Glut
Und Wünschen leis in mir zuende gehen.
Bernhard gab lächelnd mir ein Zeichen gut,
Ich solle aufwärts schaun, jedoch mir war
Ja schon, wie er gewollt, zutiefst zumut.
Mein Blick ward lauterer, ward rein und klar,
Drang immer tiefer in des Strahles Pracht
Des hohen Lichtes, in sich selber wahr.
Mein Schaun besaß von nun an größre Macht
Als jedes Wort vor dieser Sicht, der linden.
Erinnern hält nicht stand der Übermacht.
Mag einer auch im Traum Visionen finden,
Und bleibt am Morgen das Gefühl ganz dicht,
Doch das was war wird seinem Geist entschwinden;
So gings auch mir, denn dieses Geistgesicht
Erlosch fast ganz, doch bleibt im Herzen je
Die süße Wonne, und sie schwindet nicht.
So schmilzt im warmen Sonnenschein der Schnee,
So schwand auch der Sibylle Spruch von einst
Auf losen Blättern leicht im Wind der See.
O höchstes Licht, du übersteigst, du weist
Zu Mächtiges den Worten! leih du mir
Das Wort, wie du dich zeigtest, meinem Geist.
Schenk meiner Zunge Kraft, in schöner Zier
Nur Einen Funken deiner großen Pracht
Kommender Welt zu hinterlassen hier.
Wenn etwas blieb in meines Geistes Nacht,
Wenn etwas meine armen Reime sagen,
Wird besser man verstehen deine Macht.“
Die Schärfe jenes Strahls, den ich ertragen,
Des lebensvollen, hätte mich geblendet,
Hätt ichs gewagt, von ihm mich loszusagen.
Ich glaub, dadurch, daß ich nicht abgewendet
Den Blick, bestand ich jenes Lichtes Glut,
Daß ewge Kraft sich meinem Schauen spendet.
O Gnadenfülle, die mir gab den Mut,
Den Blick zu senken in den Lichtglanz und
Ihm hinzugeben meiner Sehkraft Gut!
Da sah ich tauchen in der Tiefe Grund
Des Weltalls Wesen all, zerstreuten Webens,
Verknüpft durch Liebesglut in Einem Bund,
Die Wesen, Art und Weisen ihres Lebens,
So miteinander wunderschön verbunden!
(Mein Vers ist nur ein Widerschein, vergebens.)
Ich glaubte nun, die Form der Welt gefunden
Zu haben, da die Liebe ich entdeckt,
Und fühlte mich in lauter Glück entbunden.
Ein Punkt hat größres Staunen mir erweckt,
Als Neptun mußte einst verwundert beben,
Da ihn die Fahrt der Argo tief erschreckt.
So blickte denn mein Geist ganz hingegeben,
Aufmerksam, unbeweglich und gebunden,
Glutvoller immer der Beschauung Schweben.
Und dieses Licht ward solcher Art erfunden,
Unmöglich wars, von ihm sich abzuwenden,
Dem freien Willen, wenn er’s erst gefunden.
Das Gute, unsres Willens Ziel und Enden,
Ist darin einig eins; und mangelhaft
Ist außerhalb, was innen ganz zu finden.
Jetzt hat mein Reden zu geringe Kraft,
Ich stammle wie ein kleiner Säugling gar,
Der labt sich an der Brust mit Muttersaft.
Nicht als ob mehr als nur Ein Blick fürwahr
Sich bot vom Licht des Lebens, das ich sah,
Es ist das Gleiche immer, was es war,
Vielmehr, die Sehkraft wurde stärker da,
Da ich erblickt das Licht der Ewigkeit,
Mit meiner Wandlung ward es anders ja.
In seiner tiefen reinen Wesenheit
Des Lichtes schienen mir drei Kreise, mild,
Dreifarbig, doch von gleichem Umfang weit.
Wie Iris, eins dem andern Spiegelbild,
Der dritte Bogen wie ein Feuerring
Von allen Seiten sprühend ins Gefild.
Wie arm das Wort, wie hohl es doch erklingt,
Verglichen meinem Denken, dieses nun,
Wenn ichs der Schau vergleich, wie sehr gering!
O ewges Licht, du in dir selbst ein Ruhn,
Erkanntest du dich selbst, hast im Erkennen
Ein leises Lächeln und der Liebe Nun.
Der Ring, wie ein zurückgestrahltes Brennen
In dir sich zeigend, als ich lange Zeit
Mich hingegeben, schien mir (kaum zu nennen)
Im Innern in der eignen Farbigkeit
Bemalt mit unserm Menschenangesicht,
Drin ruhte mir all die Beschaulichkeit.
Ein Geometer, der sich abmüht, schlicht
Die Kreise abzumessen ganz genau
Und findet doch den rechten Grundsatz nicht:
So war auch ich bei dieser neuen Schau.
Ich wollte sehn das Bild den Kreis durchdringen
Und wie es fügte sich in jenen Bau,
Doch waren hier zu schwach die eignen Schwingen.
Da schoß herab des hellsten Blitzes Licht,
Der kam, mir das Ersehnte nahzubringen.
Dem Flug des Schauens blieb die Stärke nicht.
Und Wunsch und Willen mir bewegte gerne -
Gleich einem Rad, sich drehend mit Gewicht -
Liebe, die lenkt die Sonne und die Sterne.
FRANCOIS VILLON
AUS DEM KLEINEN TESTAMENT
Geboren wurde Gottes Kind,
Der sich ins Fleisch der Menschheit schreibt.
Die Wölfe nähren sich vom Wind,
Und jeder in der Hütte bleibt,
Im Froste will beim Feuer sein.
Da sang ich so, daß mir zerbrach
Der Kerker meiner Liebespein,
Die dauernd mir mein Herz zerstach.
So wollt ich singen, war bereit,
Da sah ich Die vor Augen sachte,
Die mich dem Untergang geweiht,
Obwohls ihr keinen Vorteil brachte.
Ich klag mein Leid dem Himmelreich
Und den Eroten als ein Sünder.
Daß Gott sie strafe und zugleich
Mir meine Liebesleiden linder!
Wollt mich zur Gunst von süßen Blicken
Und anmutvollem Antlitz wenden,
Die mit verrätrischem Entzücken
Durchbohrten dornig meine Lenden -
Treuloseste treuloser Frauen!
Kein Beistand mir in schweren Tagen!
Will andre Felder nun bebauen
Und stempelnd andre Münzen schlagen!
Die Blicke weihten ihre Huld
Hartherzig-treueloser Maid,
Die will, daß ohne meine Schuld
Ich bitterliches Sterben leid,
Nach dem Befehle jener Bösen
Gar nicht mehr leb! Darum ich flieh!
Sie will die Lötverbindung lösen,
Erhören meine Seufzer nie!
Der, welche Drohung niedersenkt,
Ists besser, glaub ich, zu entfliehen.
Anger! dahin will ich nun ziehen,
Da sie mir ihre Gunst nicht schenkt,
Nicht halb mir und nicht ganz mir hin
Will geben mit der Seele sich.
Ein Märtyrer der Liebe bin,
Ein Heiliger der Liebe ich!
Das Abschiedsschreiben schmerzt die Hand,
Doch muß ich fort von ihren Locken,
Das weiß mein törichter Verstand,
Kein Faden sonst ist auf dem Rocken.
In ganz Boulogne ist kein Knecht
Wie ich so kraftlos und betört.
Dies Lebensspiel ist schlimm und schlecht.
Daß Gott mein Flehen doch erhört!
AUS DEM GROSSEN TESTAMENT
Ich bete hier zu Gottes Sohn,
An den ich mich im Elend hängte.
Mein Beten bringe mir den Lohn
Durch den, der Leib und Seele schenkte,
Der mich bewahrt vor Leid und Haue
Und meinen Leib befreite gnädig:
Lob Ihm und Unsrer Lieben Fraue!
Und Ehre Frankreichs gutem König!
Gott schenk ihm Jakobs Heil zum Lohn
Und Herrlichkeit des Salomon -
Nicht mehr der Ehre ihn erfreue,
Er hat genug, bei meiner Treue -
Auf dieser Erde ödem Lehm
In aller Breite, aller Länge:
Daß seiner jedermann gedenke!
Ein Alter wie Methusalem!
Nach Tränen, Klagesang vom Herzen
Und dem Geseufz der Menschenzungen
Und Angst und Pein und Not und Schmerzen
Und Mühsal, schweren Wanderungen:
Hat Leiden mir den Sinn erschlossen,
Ein Leid, das spitze Dornen zierte,
Mehr als des Averroes Glossen,
Der Aristoteles glossierte.
In Trübsal, wie ich sagen muß,
Zog ärmlich ich auf meinen Wegen.
Doch Gott, der einst bei Emmaus
Den Wandrern spendete den Segen,
Wies eine schöne Stadt als Ziel,
Die Hoffnung für die Gotteskinder!
Wie schwer die Sünden und wie viel,
Gott haßt nur die verstockten Sünder.
Ich bin ein Sünder, zugegeben,
Doch Gott will nicht der Seele Tod.
Ich soll mich bessern, ehrsam leben,
Die Sünde fliehen wie die Not.
Und wenn die Sünde auch mich drückt,
Gott spendet das Erbarmen sein,
Und wenn mich mein Gewissen zwickt,
Schenkt er aus Gnade mir Verzeihn.
Wenn im Roman der Rose steht
Geschrieben von der werten Tugend,
Man soll, wie der Poet gesteht,
Dem jungen Herz verzeihn die Jugend,
Ward es in Ehren alt an Tagen,
Will ich ihn einen Seher nennen.
Die aber, die mich heut verklagen,
Wolln meine Reife nicht erkennen.
Der Jugend meine Buß und Klage!
Ich wollte mich an Lüsten weiden
Bis zum Beginn der späten Tage.
Verschwiegen hat sie mir ihr Scheiden.
Sie ist zu Fuß nicht fortgezogen
Und nicht zu Roß aus meinem Blick.
Ganz plötzlich ist sie fortgeflogen
Und ließ mir kein Geschenk zurück.
Dem Wort des Weisen hielt ich Treue,
Vertrauen schenkte ich dem Mann,
Dies war sein Wort: Mein Sohn, erfreue
In deiner Jugend dich! - Sodann
Serviert er eine andre Torte:
Der Jugend Zeit mit Sang und Tanz
(So lauten seine weisen Worte)
Sind Täuschung nur und Ignoranz!
Die Freunde mit den treuen Herzen
Gegangen sind an welchen Ort?
Wir wollten singen, wollten Scherzen,
Warn frohgemut bei Werk und Wort.
Wohin? Die macht der Tod nun süß,
Die Würmer durch die Glieder wandern.
Den Einen sei das Paradies -
Und Jesus Christus helf den Andern!
Ich gleich nicht einem Engelssohne,
Das weiß ich wohl, der eine Krone
Mit einem Sterne trägt aus Jade.
Es starb mein Vater - Gott ihm gnade!
Sein Leib ruht unterm Steine, schau;
Wegsterben wird die Mutter mir
(Es schwante schon der armen Frau),
Auch ich bleib nicht mehr lange hier.
Ob Paris stirbt, ob Helena,
Mit Qualen naht das Sterben allen.
Er atmet schwer und röchelt, ja,
Am Herzen platzen ihm die Gallen,
Dann schwitzt er Schweiß, den Gott nur kannte,
Und niemand lindert seine Pein,
Und Kinder nicht und nicht Verwandte
Und niemand möchte Zeuge sein.
Da zittert der, der lebenssatt,
Es schwellen an die blauen Venen,
Das Fleisch wird schlaff und welk und matt,
Die Muskeln krampfen sich und Sehnen.
Du Leib der Fraue, voller Hulden,
So schön, so herrlich und so weich,
Mußt du auch dieses Los erdulden?
- Fahr gleich du auf zum Himmelreich!
Mein Herz wird schwach, das müßt ihr wissen,
Zum Sprechen ist zu müd der Mund.
Firmin, setz nah dich an mein Kissen,
Daß niemand mich belausche, und
Nimm Feder und Papier und Tinte
Und was ich sage, schreib geschwinde,
Berühmt mach meines Geistes Sinn!
Und dies ist also der Beginn.
Bei Gott dem Einen, meinem Vater,
Beim göttlichen Mariensohn,
Der eines Wesens mit dem Vater,
Gott wie der Geist, in Einem Thron!
Erlöst hat Adam Gottes Sohn,
Vom Sündenfall erhebt der Retter!
Und dem, der glaubt, dem wird ein Lohn;
Und Tote werden kleine Götter!
Mit Leib und Seel zum Tod gefahren
Und in ein ewiges Verdammen,
Der Leib verfault, die Seel in Flammen,
Wes Standes sie auch immer waren.
Doch nicht vergleichbar uns, den Sündern,
Gehts Patriarchen und Propheten,
Heiß wird es ihnen nicht am Hintern,
Da hätt ich wahrlich mir verbeten.
Im Namen Gottes - Lob gespendet
Sei seiner Mutter, Ruhm und Ehren!
Sei sündelos dies Werk beendet,
Bin ich gleich dünner als Chimären.
Und litt ich nie an Eintagsfieber,
So dank ich dies des Himmels Huld.
Von anderm Kummer schweig ich lieber.
Vergebe Gott mir meine Schuld!
Mit meiner Seele himmelblau
Beschenk ich die Dreifaltigkeit,
Empfehl sie Unsrer Lieben Frau,
Dem Becher göttlicher Herrlichkeit!
Ich bitte gnadenreiche Liebe
(Und alle Engel, die da singen)
Daß meine Spende sie beliebe
Hinan zu Gottes Thron zu bringen.
MARIEN-BALLADE
Terrestrische Regentin! Himmelskönigin!
Die über dem Inferno steht als Kaiserin!
Erheb mich Christenweib zu deinen Engelschören
Und laß du zu den Auserwählten mich gehören.
Daß ich auf Erden so verdienstlos, das vergesse;
Doch deine Gaben, Dame, himmlische Maitresse,
Sind größer noch als alle meine Schuld und Fehle.
Und ohne deine Gunst verdient siich keine Seele
Und wird kein Menschengeist das Reich der Himmel erben.
Marie! das glaube ich in Leben und in Sterben!
Sag deinem Sohne, ihm gehört mein ganzes Leben,
Er möge alle meine Sünden mir vergeben,
Sei gnädig mir, wie er Ägyptiaca war
Und wie dem Theophil, dem schlimmen Priester gar,
Der (Dank sei dir) sein Leben in der Gnade endet,
Obwohl er, wie man sagt, dem Satan sich verpfändet.
Beschütze du mich, daß ich solches niemals tu,
Immaculata, die du einst getragen, du,
Den Leib des Herrn, der sich uns spendet unterm Brot:
Das glaube ich fürwahr in Leben und in Tod!
Ich bin ein armes altes Weib nur, welches gar
Nichts weiß und niemals fromme Bücher lesen konnte.
Ich seh nur in der Kirche angemalt so klar
Den Himmel, goldne Harfen bis zum Horizonte,
Die Hölle auch, die Sünder in der pechgefüllten Tonne;
Das eine macht mir Angst, das andre schafft mir Wonne!
Himmlische Göttin! laß mich Seligkeit empfinden!
In deinen Mantel sich die armen Seelen winden!
Wahrhaftig seien wir, voll Mut und voll Vertrauen:
Im Leben glaubend, will ich sterbend Jesus schauen!
Sehr liebe Jungfrau, die du da in deiner Lende
Christus getragen, König bis ans Zeitenende,
Hat sich der Menschheit anvertraut als Bräutigam,
Wohl gar den Himmel ließ und zu den Sündern kam,
Ach, ob auch seiner Jugend hat das Kreuz gedroht,
Nun ist er, Morgenstern aus dir, dem Morgenrot,
Kein anderer als Herr und Gott, des Lebens Brot:
Er ist mein Glaube wie im Leben so im Tod!
EDMUND SPENSER
Aus: AMORETTI
1
Froh seid ihr Blätter, wenn die Lilienhand,
Die voller Todesmacht mein Leben hat,
Euch hält in fester Liebe sanftem Band:
Gefangne zitternd, wenn der Sieger naht.
Froh bist du Vers, auf den mit Sternenkerzen
Manchmal sehr gnädig schaun die Augenleuchten
Und lesen, wie mir meine Sinne fleuchten,
Die Tränenschrift im blutigroten Herzen.
Froh seid ihr Reime aus der Musenquelle
Des Helikon, von wo die Muse stammt,
Wenn ihr bewahrt des Engels Augenhelle:
Mein Himmelsbrot, mein Glücksstern, der mir flammt.
Blatt, Vers und Reim, seid Ihr allein genehm!
Gefallt ihr Ihr,- frag ich nach irgendwem?
2
Unruhiger Gedanke, den ich dacht,
Gedanke innern Schmerzes, Herzenspein:
Genährt mit Seufzern und mit Sorgenmacht,
Du solltest größer als mein Fühlen sein.
Komm groß hervor aus meinen Eingeweiden,
Wo du gelegen bist wie Viperschlangen,
Und Zucker such, zu lindern meine Leiden,
Daß du genährt in Größe mögest prangen.
Komm in der schönen Stolzen Gegenwart
Und fall zu Ihren Füßen nieder grade.
Mit Demut vor dem Herzen, welches hart,
Erfleh Vergebung und für mich viel Gnade.
Wenn Sie’s gewährt, dann leb und liebe froh;
Wenn nicht, dann laß mich sterben, ach und oh!
3
Die Schönheitskönigin, die ich bewunder,
Von aller Weisheit hochgelobt zu werden,
Sie führt mein Seelenlicht (des Himmels Zunder)
Herauf aus aller Niedrigkeit der Erden.
Und mein Gemüt, von Ihrem Licht geblendet,
Mag nicht mehr schauen Niedres mannigfalt.
Sie schauend, steh erstaunt ich, zugewendet
Der Wundersicht so himmlischer Gestalt.
Wenn meine Zunge Ihren Lobpreis singt,
Gedanken der Verwundrung ihn durchziehn.
Wenn Ihr zu Lob und Ruhm mein Pinsel schwingt,
Dann aufgewühlt von Wunderphantasien.
Im Herzen aber spricht und schreibt der Mann
Das Wunder, das sein Herz nicht sagen kann.
4
Ein neues Jahr kommt aus der Janus-Pforte,
Das Hoffnung auf ein neues Glück verheißt.
Adieu dem alten Jahr! Die alten Worte,
Sie sollen sterben mit dem dumpfen Geist.
Hervor aus Todeswinters trüber Nacht,
Amor! der lange schlief im Unglückshaine.
Ich wecke ihn und will bald spüren seine
Lustvollen Schwingen, Todespfeilemacht.
Der frohe Lenz in seiner frühsten Stund
Hat ihn empfangen und hat schon bewogen
Die Erde, sich zu hülln in Blumen bunt,
Die ihren schönsten Mantel angezogen.
Du, frische Blume in der Jugend Flor,
Bereite Dich auf neue Liebe vor!
5
Du irrst in meines Herzens Ungestüm,
Daß mein Gemüt an Ihrem Stolze leidet.
Was ich am meisten an der Schönen rühm,
Wird von der Narrenwelt zumeist beneidet.
Denn Ihre lieben Locken lieblich decken
Verachtung alles Niedern, Ehrelosen.
Und Augen, welche auf Sie starrn, erschrecken
Und wagen nimmer, anschaund Sie zu kosen.
Solch Stolz ist Lob und solche Würde Ehre,
Die tapfre Unschuld in den Augen trägt.
Ihr Aussehn ist ein Banner vor dem Heere,
Das in Verteidigung die Feinde schlägt.
Geprüft ward würdig nie in dieser Welt
Ein Wesen ohne Stolz, der sich gefällt.
6
Enttäuscht sei nimmer, daß Ihr Geist bewußt
Beharrt auf der rebellisch-stolzen Art.
Denn solche Liebe mag nicht niedre Lust:
Gewonnen schwer - und so vertraut bewahrt.
Die starre Eiche, ist ihr Laub noch feucht,
Steht lang, bis sie erreichen Feuerzungen,
Doch wenn sie brennt, wird sie geteilt, mich däucht,
Und Flammen haben sich ins All geschwungen.
So schwer ists, zu entzünden neue Lust,
Die bleiben soll, in einer lieben Brust.
Tief ist die Wunde, welche schlug der Bann
Der Keuschheit, die der Tod nur heilen kann.
Dann denk nicht lang, an kleinen Leiden voll;
Den Knoten knot, der immer bleiben soll.
7
Ihr Augen, Spiegel meines Herzensfließen,
Zu welcher Wundertugend könnt ihr taugen!
Ich seh euch Tod und Liebesleben schießen
In das Objekt der machtgefüllten Augen.
Denn wenn der milde Liebesblick entzückt,
Durch meine Seele Lieb und Leben jagen.
Wenn ihr euch niederschlagt und schräge blickt,
Dann sterbe ich so wie vom Blitz erschlagen.
Da ich das Leben mehr als Tod begehre,
Schaut immer lieblich, denn das steht euch gut,
Daß Strahlen, die ich mit den Augen ehre,
In meiner Brust entzünden Feuersglut.
Solch Leben wäre Ruhm der lichten Kreise,
Solch Tod der Vollmacht traurige Beweise.
8
Du Schönste, voller Lebensfeuerpracht,
Gezündet neben deinem Schöpfer an -
Nicht Augen, sondern Wonnen voller Macht,
Die nicht zur Welt gerechnet werden kann.
Durch eure Strahlen schießt nicht Amors Scherz
Die Pfeile in ein niedres Herz, ein wundes;
Doch Engel führn Labile ruhewärts
In keuschen Lüsten eines Gnadenbundes.
Ihr formt mein Denken und gestaltet es,
Stoppt meine Zunge, lehrt mich sprechen, ach,
Stillt lindern all mein Leidenschaftliches:
Durch euch sehr stark, durch eure Tugend schwach.
Nach tist, wo nie scheint eures Lichtes Art,
Und glücklich der, der immer euch bewahrt.
9
Lang suchte ich, mit was ich könnt vergleichen
Die Augen, die mir meinen Geist erleuchten,
Doch konnte nichts auf Erden sie erreichen,
Die Bilder Ihrer gütevollen Leuchten:
Nicht Sonne, denn sie scheinen in der Nacht;
Nicht Mond, denn sie sind nicht veränderlich;
Nicht Sterne, denn sie sind von reinrer Pracht;
Nicht Feuer, weil sie nicht verzehren mich;
Nicht Blitze, sie sind keine Todesschauer;
Nicht Diamant, der keine Zartheit kennt;
Nicht Glas, so Niedres wär beleidigend;
Und nicht Kristall, denn sie sind nicht von Dauer.
Am ähnlichsten dem Schöpfer, dessen Licht
Erleuchtet alles in des Menschen Sicht.
10
Du schrecklicher Amor, was für Gesetze
Sinds, daß du mich zerreißt so fürchterlich?
Sie wird gefürstet in des Glückes Schätze,
Im Willen frei, zerreißend mich und dich!
Tyrannin, freust Du Dich, zu sehn an mir
Die grausamsten Massaker, da Du grimmst?
Amor, Sie bringt Gefangene zu dir,
Daß du an ihnen harte Rache nimmst!
Beweg ihr stoles Herz und ihre Blicke,
Womit sie kontrolliert den Stolz der Welt
(Verschworen aller Niedrigkeit und Tücke).
Schreib in dein schwarzes Buch, worin Sie fehlt.
Daß ich mich lachend möge an Ihr weiden,
So wie Sie lacht und freut sich meiner Leiden.
11
O täglich, wenn ich such und seufz nach Frieden
Und Geisel biete für der Wahrheit Sieg,
Die Kriegerin, Sie wendet sich hienieden
Zu Schlachten und erneuert unsern Krieg.
Vernunft und Reue kann Sie nicht bewegen,
Ruhe dem Ruhelosesten zu geben.
In lauter Schrecken sucht Sie allerwegen,
Erbärmlich mir zu machen dies mein Leben.
Mein armes Leben, voll von Leidensdingen,
Würd opfern ich, um Gnade zu erwerben.
Dann aber will sie mit Gewalt mich zwingen
Zu leben, wehe, Sie läßt mich nicht sterben!
Auf Leid folgt Trost, auf Krieg des Friedens Sieg;
Doch kein Gebet hilft meinem Leid und Krieg.
12
Einst fragt ich Ihre herzaufwühlenden Blicke,
Ob sie mir einen Waffenstillstand schließen,
Daß ich nicht länger bange vor der Tücke
Der Feinde, welche wie Verräter schießen.
Und als ich dann entwaffnet überblieb,
Ein Hinterhalt, der lang verborgen lag
Im heimlichen Versteck der Augen lieb,
Vorbrechend hat mich überwältigt, ach!
Zu schwach war ich, so schwere Last zu tragen.
Ausliefern mußte ich mich Ihrer Hand,
Die mich gefangennahm, nicht auszusagen,
Der ich mich stets seither gefangen fand.
Madonna, also klag ich Dir mein Leid
Und fleh dein Aug an um Gerechtigkeit!
13
In jenen Pforten, die so herrlich tagen,
Dieweil Sie Ihr Gesicht zum Himmel hebt
Und läßt die weichen Lider niederschlagen,
Das gute Temprament der Lady lebt.
Demut sehr mild, gemischt mit Majestät,
Zur Erde schauend, wo Sie ward geboren,
Ihr Geist gedenkt daran, daß Sie vergeht,
Was so schön ist, das geht im Staub verloren.
Die herrliche Erscheinung scheint geboren,
Daß Sie zum Herrn im Himmel steigen kann -
Und schlägt die Erd als übel und verloren,
Die himmlische Gedanken wehrt mit Schlamm.
Noch sagt Sie, daß Sie auf mich schauen wird;
Und die Bescheidenheit Sie lieblich ziert.
14
Komm wieder, meine sehr zerstörte Kraft,
Verlassene, aus der Belagerung.
Schande, zu fliehn so ängstlich ohne Kraft
Zur Ruhe, wegen leichter Ablehnung.
Mehr Macht braucht es bei solcher Burg zum Sieg
(Für schwache Forts ist schwache Kraft genug).
Es weigert sich Ihr Geist im schweren Krieg,
Sich auszuliefern schwächlichem Versuch.
Bring alle Kräfte, die du hast, und neue!
Und schlag dich unaufhörlich um Ihr Herz!
Gebete, Schwüre, Kummer, Tränen, Reue -
Die Stolzeste bezwingt dies Waffenerz.
Wenn sie versagen, fall und stirb im Heere;
So sterbend leb, und lebend Sie verehre!
15
Ihr Händler, die ihr mit viel eitlem Tand
Sucht edle Schätze euch zu eigen machen
(Mit euren Stoffen füllt der Inder Land),
Was sucht ihr fern vergebens Edelsachen?
O meine Liebe hat (und sie sind Ihre)
Reichtümer viel, dem fernsten Land verliehne:
Saphire? Ihre Augen sind Saphire!
Rubine? Ihre Lippen sind Rubine!
Und Perlen? Rein und rund sind Ihre Zähne!
Und Elfenbein? Die Stirn ist so gezimmert!
Und Gold? Ist gold doch Ihre Lockensträhne!
Und Silber? Da Ihr Händchen doch so schimmert!
Das Schönste, was nur wenige ersehen:
Ich sehe Ihren Geist mit Tugend gehen.
16
Und eines Tages, als ich achtlos starrte
Auf Ihre Augen voll Unsterblichkeit,
Im Staunen mir mein hartes Herz verharrte,
Durch süße Illusion des Blicks erfreut.
Ich schaute, wie in ihnen lichtdurchschwommen
Viel Amoretten schmalgeflügelt eilen
Und zielen mit des Todes Feuerpfeilen
Auf alle jene, die vorüberkommen.
Und jeden Bogenschützen sah ich an,
Den Bogen richtend auf mein Herz, dieweil
Jäh Sie mit einem Augenzwinkern kann
Zerbrechen jeden irrgeführten Pfeil.
Wärs anders, wäre ich getroffen; so
Jedoch mein Herz mit wehen Schmerzen floh.
17
Das herrliche Portrait des Engels macht
Konfus der schwachen Männer Sinn und Wille.
Zu heben dieser Welt wertlose Pracht -
Könnte ein Pinsel preisen Ihre Fülle?
Wenn er auch bunte Farben mischen könnte,
Die Hand voll Wonne leitend, zitternd sehr
Sie seine Meisterschaft ihm überwände,
Denn da sind wunderbare Dinge mehr.
Den süßen Blicken so wie Pfeilen sollts
Gelingen, meinem Herz den Sinn zu rauben,
Und ihrem Lächeln. Und den schönen Stolz,
Den kann kein Künstler auszusagen glauben.
Es bräuchte dazu einen größern Meister,
Der preisen könnt der Dinge Lebensgeister.
18
Du rundes Rad, dich oftmals kreisend dreh:
Der Stahl der Dauer dennoch bleibt verschrieben.
So sehr der Tropfen nur auch tröpfelte,
Der feste Stein ist dauerhaft geblieben.
Kann ich mit Drängen und mit wehen Tränen
Erweichen nicht Ihr hartes Herz von Erz?
O daß Sie eines Tags erfüllt mein Sehnen
Und schaute voller Gnade auf mein Herz!
Doch wenn ich bitt - verweigert Sie die Gunst;
Und wenn ich wein - Tränen sind Wasser, sagt Sie;
Und wenn ich seufz - sagt Sie: Ich kenn die Kunst;
Und wenn ich schrei und wehe klage - lacht Sie.
So bitt, wein, seufz und schreie ich vergebens.
Gleich Stein und Stahl die Härte ihres Lebens.
19
Der Kuckuck, Frühlingsbote, fröhlich prangt,
Seine Trompete dreimal hat getönt,
Warnt alle Liebenden, den Herrn empfangt,
Der König mit Girlanden kommt gekrönt.
Sehr lieblich junge Vogelchöre schallen,
Die Themen wundersüßer Liebe preisen,
Daß alle Wälder dunkel widerhallen,
Den Inhalt kennend jener Liebesweisen.
Bei allen, welche Amor Preis entboten,
Von meiner Dame ward kein Wort gehört.
Stolz folgte Sie nicht Amors Machtgeboten,
Hat seine eitle Botschaft stolz zerstört.
Drum, Amor, bis Sie sich nicht zu dir wendet,
Laß Sie Rebellin sein, bis daß der Kuckuck endet.
20
Vergebens fleh ich, bitte Sie um Gnade
Und schütte aus vor Ihr mein armes Herz.
Sie setzt den Fuß auf meinen Nacken grade
Und wird mein armes Leben bodenwärts.
Der Löwe, Herrscher kraftvoll-mächtig,
Regierend über jedes Tier der Flur,
In seinem Stolze schaut zutiefst verächtlich
Auf (die ihm ja gehört) die Lammsnatur.
Grausamer Sie und wilder in der Wut
Als jemals Löwe oder Löwin war,
Mag sein befleckt von sündenlosem Blut,
Die Grausamkeit ist Ihre Ehre gar.
Schönste der Schönen, keinen laß je sagen,
Daß Blut befleckt Dich dessen, der geschlagen.
21
Was ist Natur, was Kunst, das ward zuteil
Dem wunderschönen Aussehn des Gesichtes?
Milde und Stolz gemischt zu gleichem Teil,
Um zu lobpreisen Ihrer Schönheit Lichtes.
Mit milder Freundlichkeit, nicht auszusagen,
Zu Ihrer Liebe Sie die Blicke lockt;
Mit ernstem stolzem Aug zurückzuschlagen
Den Blick, die Sie unreiner Lüste schockt.
Mit solchem fremden Aussehn kann Ihr Auge
Mich ganz zerstören all mein Leben lang.
Ihr sanftes Lächeln mir zur Heilung tauge,
Doch Ihr Stirnrunzeln macht mich fliehen bang.
Und so erzieht Sie mich mit Ihren Blicken.
Und solche Kunst sah nie ich Dichtern glücken.
HYMNE AN DIE HIMMLISCHE SCHÖNHEIT
Von den verzücktesten Gedanken angetrieben,
Durch eine gute Schau, Kontemplationen
Des Bildes sinnend, das im Himmel angeschrieben
Und deren Wunderschönheit atmet süße Wonnen
Und lässet Liebe in den edlen Geistern wohnen -
Wag ich zu singen Dinge, die ich dort gewahrt,
Ist auch zu schwach mein Geist, zu matt auch meine Art.
So komme denn, o höchster, allmächtiger Geist,
Von dem der Weisheit und Erkenntnis Gaben kommen,
Zu füllen meine Brust mit Deinem Licht, das weist
Mir Deine Wahrheit, daß ich zeig den guten Frommen,
Sterblichen Augen drunten, Strahlen, welche glommen,
Ewiger Schönheit, die mit Dir geht Hand in Hand
Und die ich such mit arm verworrenem Verstand.
Daß mit der Glorie so guter hoher Weiten
Die armen Menschenherzen, welche hier verehren
Schönscheinendes und nähren sich von Eitelkeiten,
Sich wenden auf mit einem heiligem Begehren
Nach jenen schönen Formen, und daß sie sich kehren
Hinan und lernen lieben mit der Glut der Demut
Die ewge Quelle jener himmlisch-schönen Anmut.
Beginnend unten, mit der Seele schlichten Schau
Der niedern Welt, Subjekt den Fleischesaugen und
Von dort zu steigen wohlgeordnet in das Blau
Zur stillen Kontemplation des Äthers. In das Rund
Zu fliegen lernte ich vom Falken, welcher stund
Und flatterte mit seinen Flügeln ab und an,
Bis daß er größern Fluges Winde atmen kann.
Wer hört, der schau. Du nähre deiner Augen Wesen
Mit Anblick alles Schönen: schaue auf den Rahmen
Des weiten Universums, darin aufzulesen
Die vielen Kreaturen, welche all mit Namen
Zu zählen nicht und wie sie zur Erlösung kamen.
Sie alle sind gemacht mit herrlichem Respekt
Und mit bewundernswerter Schönheit all geschmückt.
Die Erd, auf adamantnen Säulen fest gefunden,
Umgürtet von des Meeres unendlichem Band;
Die Luft dann, fliegend, aber letzlich fest gebunden,
An jeder Seite einer Säule Feuerbrand,
Ein Feuer, nie gelöscht von eines Menschen Hand;
Zuletzt, der mächtig schimmernde kristallne Wall,
Womit umgeben ist das unendliche All.
All dies erschauend, scheint es mir ein wahrer Schein,
Daß es, je weiter etwas sich nur aufwärts wendet,
Der Erde ferner, destor klarer werd, mehr rein,
Mehr schön, bis es in Perfektion sich endet
Der reinsten Schönheit, die zuletzt sich selber spendet:
Luft reiner als das Wasser, als die Luft das Feuer,
Der Himmel schließlich reiner, schöner als das Feuer.
Schau weiter nicht, doch deiner Augen Schauen wend
Auf jene lichte Schar, die still die Nacht durchschifft,
Der Götter Häuser, Menschen nennens Firmament,
Durchsät mit Sternen, zahlreicher als Gras der Trift,
Und jeder jeden noch an Helle übertrifft;
Doch jene zwei am hellsten, Tag und Nacht regierend,
Als König und als Königin den Himmel zierend.
Und sag mir dann, ob je etwas zu sehen war,
Vergleichbar ihrer Schönheit, nimmer auszusagen?
Und konnte je ein Auge, noch so scharf und klar,
Des Firmamentes Meisters Flammenhaupt ertragen?
Wie soll man schauen, die um vieles höher ragen
Und die man lichter noch als jene beiden fand,
Als jene schöner sind als Meer und Erdenland?
Denn höher, über dieses Himmels Angebind,
Sind andre Himmel, diesen übertreffend, groß
Und nicht zerstörbar, wie die Firmamente sind,
An Höhe, Tiefe, Breite, Länge endelos,
In ewger Ruhe, unvernichtbar, makellos.
Sie brauchen Sonnen nicht, zu leuchten ihren Sphären,
Da sie in sich das eingeborne Licht verehren.
All diese Himmel, sie erheben sich in weisen
Ordnungen, bis zum heiligen Beweger dort,
Der sie umschließt mit Seinen ewgen Zirkelkreisen,
Der Er bewegt das Alles ringsum, Ort an Ort;
Und jene Himmel werden schöner fort und fort,
Bis sie zuletzt erreichen, wohin alle streben,
Der Himmel Himmel, der da ist der Schönheit Leben.
Schön ist der Himmel, wo die frohen Seelen sind
Im herrlichen Genießen der Glückseligkeit,
Wo alle schaun das gloriose Antlitz lind
Der göttlich-schönen Majestät der Ewigkeit;
Schön ist der Himmel, wo Ideen der Höhe weit
Hinauf rangieren, welche Platon so bestaunt,
Und reine Intelligenzen, welche Gott geraunt.
Noch schöner ist der Himmel droben, wo regieren
Die souveränen Mächte und die Potentaten,
Die hohen Protektoren, welche inspirieren
Die Erdenfürsten der imperialen Staaten;
Und schöner noch der Himmel, wo die ewgen Taten
Die Dominationen tun in Ewigkeit,
Von denen abstammt alle Erdenobrigkeit.
Noch weitaus schöner sind die lichten Cherubim,
Gehüllt und überdeckt mit goldnen Schwingen dicht,
Und jene ewig flammendsprühnden Seraphim,
Die von den Angesichtern pfeilen Strahlenlicht;
Und schöner noch und lichter für der Augen Sicht
Die Engel und Erzengel, die mit heilgen Händen
Gott dienen vor dem Throne, ohne je zu enden.
Daß die an Schönheit alle andern überragen,
Das ist, weil sie dem Heilgsten so nahe seind.
Der Heiligste jedoch - das kann man nimmer sagen,
Ist vielmals schöner noch als alles, was erscheint,
Und wären alle ihre Schönheiten vereint:
Wie kann man hoffen auszudrücken, was so weit
Und fern ist und das Inbild der Vollkommenheit?
Still drum, o meine Zunge, und gib meinem Sinn
Zu denken Zeit, wie jene Schönheit schön ist, weil
Ich schon vom Äußeren so sehr begeistert bin,
Um wieviel mehr von seinem innerlichen Teil:
Von Wahrheit, Liebe, Weisheit, Seligkeit und Heil,
Barmherzigkeit und Gnade, und vom Geist, der liebt,
Durch den Er uns Sein Bild in unsre Herzen gibt.
Derart entfaltet Er sich täglich allen Wesen
Und zeigt Sich uns in Seiner Gnade, einem puren
Und ungetrübten Spiegel, darin ist zu lesen
Er Selbst von allen Seinen niedern Kreaturen,
Die sonst nicht fähig, Seines Angesichtes Spuren
Zu schauen, Seines Angesichtes lichtes Brennen,
Das selbst die Engel nie zu schaun ertragen können.
Wir aber, deren Auge kann ertragen nicht
Die Sonnenstrahlen, wenn sie glühend uns bescheinen,
Wenn spitze Feuerpfeile sendet aus das Licht,
Wie können wir mit schwachem Aug zu schauen meinen
Die gloriose Majestät, den lichten Einen?
Mit Ihm verglichen Sonn und Mond sind finster ganz,
Verglichen noch mit Seinem schwächsten Strahlenglanz.
Das Wesen dessen, was Er Selber uns vermacht,
Ihn zu erkennen, das ist, auf Sein Werk zu schauen,
Das Er in exzellenter Schönheit hat gemacht,
Als wie in einem ewgen Buche voll Vertrauen
Zu lesen, ja in jedem Winkel unterm blauen
Zelt Seiner Güte, Seines Wesens Schönheit kündend -
Denn alle Güte ist in wahre Schönheit mündend.
Nun auf zu heilig-hoher Spekulation,
Mit Schwingen weisen Geistes, deine Seele sendend,
Steig du hinauf durch heilge Kontemplation
Von dieser schwülen Welt, mit Nacht die Seele blendend,
Und - wie des Adlers Kinder sich zur Sonne wendend -
Richt auf die Gloriensonne deine Augen weit,
Geläutert von dem Nebel der Gebrechlichkeit.
Vor Ehrfurcht zitternd und vor Furcht - denn du bist Fleisch -
Wird nieder dich vorm Schemel Seiner Majestät
Mit Zagen bang um deiner Seele Unschuld keusch.
Und daß ihr nicht, ihr dreisten Augen, sündig seht
Zum Schreckensantlitz jener Gottheit, die da weht
Im Geist! Sei furchtsam, denn wenn schrecklich flammte
Sein Zorn, du würdest Nichts vor Dem, Der dich verdammte!
Du sinke nieder tief vor Seinem Gnadenthron
Und hüll dich in des Lammes reine Heiligkeit
Vor dem gerechten Zorne und vor Grimmes Drohn.
Er sitzet auf dem Throne der Gerechtigkeit,
Sein Thronstuhl ist gegründet auf der Ewigkeit,
Ist dauerhafter noch als Erz und Edelstahl
Und Diamant, der beide übertrifft zumal.
Sein Zepter ist Gerechtigkeit, des Zornes Rute,
Damit zerschmettert Er die Feinde, macht zunicht
Den Drachen, den besieget Er mit Lammes Blute
Und unterwirft ihn einem ewigen Gericht.
Sein Thron ist Wahrheit, Wahrheit ist der Frommen Licht.
Aus Wahrheit strömen schöne Strahlen makellos
Und fließet aus der Gottheit Leuchten glorios.
Ein Licht, das übermeistert jegliches Gefunkel,
Das funkelt von der Sonne hellem Feuerwesen,
Die doch erleuchtet mit den Strahlen alles Dunkel,
Das alle die Erscheinungen der Welt zu lesen.
Die Sonne ist doch stets so staunenswert gewesen,
Daß alle Sterblichen vor Reverenz erstarrten
Und alle Magier, die auf die Sonne starrten.
Das unsterbliche Licht, das scheint vom Ewgen her,
Ist klarer, lichter tausendmal in seinem Scheinen,
Vornehmer, reiner, ehrenvoller, heiliger,
Durch welches Gott der Menschen menschlich-eitles Meinen
Und alle Taten aller Menschen gleich erscheinen:
Ist lichter, weil es aus der ewgen Wahrheit lichtet,
Durch reine Tugend, welche seine Strahlen züchtet.
Mit Herrlichkeit von jenem wundervollen Licht
Ist rings des Ewgen weißer Herrscherthron umgeben.
Verborgen ist sein lichtes Glänzen vor der Sicht
Derjenigen, die sündig ihre Augen heben.
Und zu des Thrones Füßen Feuerstürme beben
Und Schreckensblitze und wie Meere Donnerstimmen:
Die Instrumente Seines zornigen Ergrimmens.
In Seinem Herzen sitzt die Sapientia,
Der Gottheit souveräne Lieblingin allein,
Wie eine Königin in Roben, passend ja
Zu solcher Macht und Majestät in Ihrem Sein.
Und all geziert mit Gemme und mit Edelstein,
Die heller noch erscheinen als der Sterne Kranz
Und machen lichter Ihren angebornen Glanz.
Auf Ihrem Haupte eine Krone ganz von Gold
Als Zeichen allerhöchster Souveränität,
Ein Zepter hält sie in den heilgen Händen hold,
Regiert damit das hohe Haus der Majestät
Und waltet in dem Himmel, der sich ewig dreht,
Und unterm Himmel die geschaffne Kreatur
Beherrscht Sie mit der herrscherlichen Macht ganz pur.
Der Himmel und die Erde folgen Ihrem Willen
Und alle Kreaturen, die da welken, die da sprießen:
An Ihrer Fülle, die man sieht die Welt erfüllen,
Nimmt alles teil, und alle bleiben sie in diesem
Stand, den der große Schöpfer ihnen zugewiesen,
Nachfolgend Ihrem hohen Sinn und Ihrem Walten,
Durch den geschaffen alle und sich auch erhalten.
O, Ihre reine Schönheit ist nicht auszusagen,
An Sie reicht keine Tochter eines Weibes nicht,
Auch schöne Engel nicht an Ihre Schönheit ragen,
Die träufelte auf Sie von Gottes Angesicht
Und wird erhalten durch die eigne Holdheit schlicht,
Die weit ist über menschlichen Verstand. Auf Erden
Kann nichts, nichts Ihrer Grazie verglichen werden.
Nicht kann der Maler, wenn auch höchsten Lobes wert,
Der Venus malte mit geschicktem Farbensaft,
Daß alle Nachwelt es bewundert und verehrt,
Die Heilge porträtiern, trotz seiner Meisterschaft;
Noch Venus selber, hätte sie auch Lebenskraft
Und wäre sie so schön, wie eitle Künstler wähnen,
Könnt nahekommen dieser souveränen Schönen.
Und hätten jene Dichter, ihrer Tage Staunen,
Hätte der liebliche Poet, der blütenfeine,
Der Venus pries mit seiner Liebeslieder Raunen,
Gesehen jene Heilgschöne, die ich meine,
Wie herrlich hätte er Ihr Angesicht alleine
Erhoben über das Idol der Eitelkeit,
Daß seine Verse Segen brächten alle Zeit.
Wie wag denn ich, Novize seiner Poesie,
Hier abzubilden so ein göttlichgleiches Wesen,
Und hoff zu sagen Ihre Perfektion, da Sie,
Da Ihre Schönheit füllt den Himmel auserlesen,
Die Erde dunkelt gar vom Schatten Ihres Wesens?
Ah liebe Muse, du bist viel zu schwach und matt,
Ihr himmlisches Porträt zu malen auf dies Blatt!
Laß Engel, die vor Ihrem Antlitz wandeln um
Und um und preisen Ihre Souveränität
Und jenes allerheiligste Mysterium
Der Liebe, Liebe hoher Himmelsmajestät,
Lobsingen! Mir genügts, das Himmlische bewundern
Und ruhn in Ihr und Ihren wundervollen Wundern.
Den halt ich für glückselig, den es darf beglücken,
Von allen Menschen den, den Gottes Gnadenlicht
Begnadet, Gottes Vielgeliebte zu erblicken!
Im selgen Schaun auf jenes Himmelsangesicht
Ist Glück und Freude, Glück und Wonne in der Sicht.
Und nichts wünscht jener mehr auf dieser Erde Bau,
Der O von Ihr gewonnen so erwünschte Schau!
Denn Sie aus Ihren tiefgeheimen goldnen Truhen
Der Schatzkammer läßt reiche Schätze gleiten,
Himmlische Schätze, die verborgen ruhen,
Aus Ihres keuschen Lustgartens Verschlossenheiten
Den ewgen Anteil ihm an Ihren Kostbarkeiten,
Die der allmächtge heilge Gott Ihr frei gegeben
Und allen jenen auch, die dessen würdig leben.
Nur die sind würdig, die Sie Selbst geweiht, durch Trauen,
Die Gegenwart der Heiligschönen zu gewahren,
Die Sie läßt in Ihr wundervolles Antlitz schauen,
Wodurch sie wundervolle Wonnelust erfahren
Und süßen Frieden. Diese alle aber waren
Zugleich des Sinns beraubt, da Glück sie neugebiert
Und Sie das Fleisch in Geist den Frommen transformiert.
Im Geiste sehen sie Bewundernswertes wieder
Und wieder, und Extasen jubeln vor der Schönen,
Und alle hören heiligschöne Jubellieder,
Lobpreisungen des Höchsten durch die Himmel tönen,
Und Freudigkeit und Wonne alle innen krönen,
Daß jeder jede Sorge dieser Welt vergißt
Und schaut allein auf das, was himmlisch-heilig ist.
Von nun an bleibt nicht mehr des Fleisches Sinn und Kraft,
Nicht nichtiges Gedenken an das Erdentun.
Was einstmals süß schien, scheint nun alles ekelhaft,
Was einst erfreute, das bereitet Schmerzen nun.
Das Glück, die Tröstung, alle Sehnsucht, alles Ruhn
Ist nun allein gerichtet auf die selge Schau,
Das Andre Schatten, Luftgespinst und flüchtger Tau.
Die Sinne überwältigt sind von solcher Fülle
Und ihre Augen von der Schau der Herrlichkeit,
Daß sie sich nicht mehr freuen an der Erdenhülle,
Ja nur noch an Aspekten dieser Seligkeit,
Gemalt aufs innre Aug, gewoben in das Kleid
Der Seele, die sich nährt von Schönheit. Allen preist
Vollkommne Seligkeit und ewge Ruh im Geist.
Ah, meine hungrige Seele, die sich lange nährte
An eitler Phantasie und törichtem Gezücht,
Die viele falsche Schönheiten umflatternd ehrte,
Nichtigen Schatten folgte, welche alle nicht
Geblieben, sondern alle flohen - nun bleibt schlicht
Nichts anderes als Reue deiner Torheit! Und
Sei einmal still, zu blicken auf des Grames Grund!
Und dann schau zu dem reinen Lichte hin,
Aus dessen Schimmer alle Schönheit sich ergießt,
Die zündet Liebe an in jedem reinen Sinn,
Die Liebe Gottes selbst! daß daraus Abscheu sprießt
Vorm Übel dieser bunten Welt, die bald zerfließt.
Von Sapientias süßen Wonnen so besessen,
Kann all dein Schweifen schließlich ruhen weltvergessen.
HEILIGER JOHANNES VOM KREUZ (SAN JUAN DE LA CRUZ)
DIE DUNKLE NACHT
(Lied der Seele von der mystischen Vereinigung mit Gott.)
Im dunkelsten Umnachten,
In Bangnis, und in Liebe heiß entflammt -
Oh dieses süßes Schmachten -
Ging ich hinaus auf Samt.
Das Haus war schon zur Ruh gegangen insgesamt.
Im Dunkel, dem durchwachten,
Auf der geheimen Treppe, scheu versteckt -
O dieses süße Schmachten -
Im Dunkel, unentdeckt,
Das ganze Haus hat sich zur Ruhe schon gelegt.
O Nacht so selig, ja,
In dem Geheimnis, welches mich unsichtbar
Gemacht, als ich nichts sah,
Wo nicht des Meistes Licht war,
Licht dessen, der in meinem Herzen Angesicht war.
Das führte. Übertroffen
Hat es des Mittags Licht. Dorthin sichs wandte,
Wohin ihm ging sein Hoffen.
Er, der mich tief erkannte,
Der Dorthin-, Irgendwohin- und Voraus-Gesandte!
O Nacht, mein Meisterin,
O Nacht, noch schöner als die Zier,
O Nacht, des Morgens! Dir
Geliebter und Geliebte
Ja ineinander sich verwandeln für und für.
Und er ließ mich erblühn.
Er, der mein Schutz, dem ich allein mich gab,
Er schlief - dieweil ich ihm
Geschenk gegeben hab.
Wohl frische Luft gab da des Fächers Zedernstab.
Und als die Luft und als
Die Luft zum Spielen seine Haare fand,
Hat den gebognen Hals
Verwundet seine Hand -
Er mir - bis aller meiner Sinne Summe schwand.
Ich bleib, mich selbst vergessend.
Mein Angesicht an des Geliebten Liebe
Halt ich, ganz still, nichts wissend,
Begier nicht meiner Triebe,
- Dem Geist entschwunden, daß ich untter Rosen bliebe.
SANG VON DER SEELE UND IHREM BRÄUTIGAM
Oh wohin schwangest du,
Geliebter? Wehe, du hast mich verlassen!
Nur Seufzer immerzu,
Wie eine Hindin du
Entflohst - du schlugst mir Wunden -
Ich rief, ich drang dir nach - du bliebst verschwunden.
O Hirten, die ihr standet
Getreu bei euren Herden
Auf Erden
Beim Gipfel: wenn ihr fandet
Den, den ich mir erwähle,
Dann möget ihr erzählen
Ah daß ich schmachte... schmachte..... mir vergeht die Seele!...
Den Liebsten zu empfangen
Wall ich am Ufersaum des Stroms entlang.
Auf Bergen bin gegangen.
Mich narren Blumen nicht im Glanzgeprang,
Kein Löwe, keine Schlangen
Und keine Mauer und kein Mächtiger
Halten mich nimmer auf - denn meine Liebe ist Er!
A n d i e K r e a t u r e n
O Busch und Hain und Wald,
Gepflanzt von meiner Liebe Hand - ins Leben
Gerufen mannigfalt!
Ihr goldengrünen Weizenfelder! Beben
Der Blumenkelche! - Saht ihr Ihn entschweben?
A n t w o r t d e r k r e a t u r e n
Gaben auf Gaben spendend
Durschweifte er die Haine
So wie ein Vögelein. Und er auf seine
Geschöpfe seiner Augen Schimmer senkend,
Barg er sie ganz in Schönheit, in die Seine.
D i e B r a u t
Ah weh, ah wer vermag
Mich je zu heilen? - Gib dich gänzlich hin!
Und strebe nach Vollkommenheit! - Ich bin
Traurig an diesem Tag:
Ich schmachte und ich klag.
Nie kann mir deine Kunde kurz und dünn
Mir spenden das, was heißt begehrt mein Sinn!
Ja, alle die dein achten,
Die künden von den Strömen deiner Huld
Und mehren nur mein Schmachten!
Unsägliches Umnachten
Läßt mich zusammenbrechen -
Wovon sie stammelnd sprechen.
Wie magst du, Leben, leben
Dem Leben fern, dem Leben?!
Wie, daß du nicht erkaltest in der Liebe?
Wie Todespfeile schweben
Die Gaben dir herbei, dies alles, dies
Was Er dir hinterließ,
Daß seine Liebe
Sich tief in dir entfaltend in dir bliebe.
Hast du gekränkt dies Herz,
Warum läßt du es ungeheilt verschmachten?
Du raubtest dir dies Herz,
Du schätztest dieses Herz,
Ah wie verließest du nur solch ein Schmachten - ?
Willst du, was du dir nahmest, denn verachten?
Daß mir dein Balsam fließ!
Nichts anderes beendet meine Leiden!
Laß meine Augen saugen,
Du Wonne meiner Augen,
An dir alleine will ich meine Augen weiden!
O Quelle kristallklar,
Daß deines Teiches Spiegel lauter mir
Gleich zeige holde Zier
Ah jener Augen! All mein Schmachten war
Nach jenem Licht, das mir
Im Dunkel meines Innern ruhte rein und wahr.
Halt nicht die Augen offen,
Mein Liebster, denn sie treffen mich so sehr!
D e r B r ä u t i g a m
O Taube hold und hehr,
Komm wieder! Sieh den Hirsch, den du getroffen,
Er röhrt vom Hügel her
Zum Rauschen deines Fluges - Schwingen offen -
Und kühlt sich seiner Glieder braunen Schmer!
Mein Seele seinem Schimmer
Gehört, allein Ihm dienen meine Sinne,
Ich bin kein Hirt und nimmer
Hab ich ein Amte inne,
Nichts tu ich mehr als Ihn zu lieben in der Minne!
Bleib ferne ich den Weiden,
Von euch gesehen nicht, sagt ihr: Von Sinnen
Sei ich, verlorn in Leiden.
Ja, tief versenkt in tiefer Minne Minnen
Verlor ich mich und ließ mich finden innen.-
Im jadegrünen Laube
Die Blauen Blumen in dem Dämmer Tau-be-
Perlt winden wir zu Kränzen,
Aus deiner Blütenhalle, Liebeslaube,
Umrankt von deiner Haare blühendem Lenzen!
Von deiner Lockenspitze!
Die Strähnen sahest du an meinen Wangen,
Auf meines Busens Auen,
In meinen Locken lagest du gefangen!
Mein Auge durfte tief in deine Augen schauen...
Seit du mir wundervoll
Holdselig süß in meine Augen schautest
Mit Glut so minnevoll,
Seit du die Wimpern holde niedertautest,
Mein Aug seit deinem Blick aufschauen soll!
Mich nimmerdar veracht,
Ließ ich mich einmal bräunlich von dir schauen!
In Ruhe mich betracht!
Ließ mir doch dein Mir-huldigendes-Schauen
Holdselige Schönheit auf mich niedertauen.
Den Fuchs, den Fuchs verscheucht
Aus unsers Weinbergs blumenreichen Reben.
Indess wir Rosen feucht
In unsre Haare weben.
Kein Lauscher auf den Bergen, wie mich däucht?
Nordostwind, fort! O komm
O Südwind und entfach die Liebesglut!
In meinen Garten komm,
Der Weihrauch für dich glomm
Und weiden wird die Liebste in der Lilienflut!
D e r B r ä u t i g a m
Eintrat die Braut und als
Im schönen Garten voller Herzverlangen
Sie neigte hold den Hals -
Ruhig im Glutverlangen -
Auf des Geliebten Arm, der herzt sie jedenfalls.
O unterm Apfelbaum
Ich mich dir Braut verband!
O Traum!
Ich hab dich mir gewonnen,
Gesund wardst du in Wonnen,
Wo deine Mutter Schuld und Schande fand.
Euch gauklerische Vögel,
Panther, und Hindinnen und Hirsche röhrend
Betörend,
Über dem Fluß euch Segel,
Meer, Winde, Berg und Baum
Und euch, ihr Schrecken in der Nacht im Traum,
Euch, euch beschwöre ich beim Leierklang
Und der Sirenen Sang!
Laßt ab, laßt ab vom Drang,
Bleibt fern der Mauer um das Paradies,
Daß meine Braut süß schlummere, so süß...
O ihr Judäas Nymphen,
Solang in Blumen und in Rosenschauern
Es düftet von Parfümen,
Bleibt ferne unsern Mauern,
Ihr möget nicht vor unsrer heiligen Schwelle lauern!
Herzliebster, mein Genügen,
Verbirg dich! Auf, auf zu den Bergen schaue!
Sei du, mein Lieb, verschwiegen!
Schau die Gefährtinnen, schau Magd und Fraue
Und meine Fahrt zu fernen Inseln blaue.
Die gallenlose Taube
Zur Arche kam mit einem Friedenszweig.
Da ward die Turteltaube
Mit ihrem Tauber gleich
Vereinigt an der Quelle in dem grünen Reich.
Einsam des Lebens Fest,
In der geliebten Einsamkeit ihr Nest,
In Einsamkeiten führt
Allein sie ihr Gemahl, der sie nicht läßt,
Der in der Einsamkeit von Liebe ward verzehrt!
Geliebter, laß uns kosen,
Auf daß wir in einander Schönheit finden,
In Hain und Gartenrosen,
Bei Quellenbaches Tosen,
Wir wollen uns ins Herz von grünen Schlingen winden!
Komm, wollen wir uns schnelle
In Felsenhöhlen bergen und versenken,
Fern von des Tages Helle,
Uns tief und tief versenken
Und der Granate Feuchte wird uns tränken!
Die linde Luft umfing
Und du, o süße Nachtigall, lobsing,
Des Haines Schönheit bring
In heiligen Dunkels Meeren
Mit Flammen, die wie Balsamflut verzehren!
Que nadie lo miraba...
Aminadab tampoco parecia...
Y el cerco sosegaba...
Y la cabbalaria
A vista de las aguas descendia...
DIE LEBENDIGE LIEBESGLUT
Lebendige Liebesglut -
Die zarte Wunden beißt
Ah meiner Seele in der tiefsten Mitte!
Du zögerst nicht mehr, gut,
Vollend, daß mir zerreißt
Der Schleier dieses süßen Treffens, bitte!
Versengung, sanft unsäglich!
Verwundung, die mir strahlt!
Oh zarte Hand! Berührung süß und sacht,
Die schmeckt nach Leben ewig,
Die alle Schuld bezahlt!
Du hast den Tod besiegt und Leben gebracht!
O Lampenfeuer klar,
In dessen Glanz und Schein
Der Urabgrund von allem tiefen Denken,
Das blind und dunkel war:
Das nun mit Schönheit, rein,
Schön dem Geliebten Glut und Licht will schenken!
Wie voller Liebe erwacht
Bist du in meiner Brust,
Wo du alleine heimlich wohnest, Liebe!
Durch deinen Hauch entfacht,
Voll Herrlichkeit und Lust,
Erweckst du wundervoll mir meine Liebe!
DER HIRTE UND DIE HIRTIN
(Inspiriertes Poem auf Christus und die Seele)
Ein Hirte, einsam, ohne Glück im Herzen,
Nichts mochte er, nichts machte ihn zufrieden,
Er dachte an die Schäferin hienieden
Mit ganzem Herzen voller Liebesschmerzen.
Nicht Liebesschmerzen machten unermessen
Ihn traurig, auch betrübten nicht die Schmerzen,
Auch wenn er tief verwundet war im Herzen,
Doch traurig war er, weil er ward vergessen.
Doch daß vergessen ihn in ihrem Herzen
Die schöne Hirtin, daß hat ihn bewogen,
Auf fremdem Grund zu leiden schwere Plagen
Mit ganzem Herzen voller Liebesschmerzen.
„Weh dem Unseligen in seinem Herzen,
Der sie abspenstig machte meiner Ehe,
Daß sie nicht Ruhe findt in meiner Nähe,
An meinem Herzen voller Liebesschmerzen!“
Bald stieg er in den Baum und himmelwärts
Er breitete die Arme aus, heiß drängend,
Und starb allein, am Holz des Baumes hängend,
Sein Herz voll Liebesschmerz!
HEILIGE GLOSSE ZU EINEM VOLKSLIED
„Aller Schönheit nie
Mein Herz sich völlig verbindet,
Nur der Einheit, die
Man nur zufällig findet.“
Geschmack an endlichen Dingen
Bewirkt nur, daß er faden
Hunger läßt nach dem Verschlingen,
Ist gutem Gaumen ein Schaden.
Drum allem Süßen nie
Mein Herz sich völlig verbindet,
Nur der Einheit, die
Man durch Gunst nur findet.
Voller Großmut ein Herz
Erkennt keine Grenzen an,
Wenn es weiter reichen kann,
Es sei ihm denn zu schwer;
Nichts macht es zufrieden; Gebet
Und Glaube so hoch sich nicht windet,
Daß es schmeckt, was es nicht versteht,
Was man durch Gunst nur findet.
Wer leidet Liebesklagen,
Vom Göttlichen angerührt,
Andern Sinn in sich spürt,
Seine Sinne versagen;
Wie der, der im Fieber schwindet,
Die sichtbaren Speisen verschmäht
Und hungert nach dem, was er nicht versteht,
Das man durch Gunst nur findet.
Du brauchst dich nicht zu wundern,
Dein Sinn wird dir ganz anders,
Weil die Ursache dieser Wunden
Ist auch so gänzlich anders.
Drum jedes Geschöpf empfindet
Er fremd, das bei ihm steht.
Er schmeckt, was er nicht versteht,
Was man durch Gunst nur findet.
Da der Wille heut
Angerührt ist vom Göttlichen,
Findet er nicht Zufriedenheit
Als allein im Göttlichen.
Da göttliche Schönheit empfindet
Allein der Glaube, seht,
Spürt er sie in dem, was er nicht versteht,
Was man durch Gunst nur findet.
Glühst du in dieser Verliebtheit,
Bereitet es dir Schmerzen,
Nicht mehr Zufriedenheit
Zu finden in geschaffenen Herzen?
Form und Bild sie nicht bindet;
Wenn du ohne Stütze gehst,
Fühlst du fern, was du nicht verstehst,
Was man durch Gunst nur findet.
Denk nicht, dein Innerstes werde
(Das ich so wertvoll finde)
Frieden und Freude finden
Im Genuß dieser Erde!
Über dieser Schönheit befindet
Und allem was wird und ist und vergeht
Sich ein Geschmack, den man nicht versteht,
Den man durch Gunst nur findet.
Wer sich überwinden will,
Sei mehr nach jenem gesonnen,
Was er gewinnen will,
Als was er schon gewonnen.
So werde ich höher steigen,
Mich immer tiefer neigen,
Mich unergründlichem verbinden,
Das kann man durch Gunst nur finden.
Mit allem, was die Sinne
Auf Erden begriffen haben,
Dessen sie werden inne,
Und sei es noch so erhaben,
Mit Ruhm und Schönheit nicht
Mein innerstes Herz sich verbindet:
Nur mit dem Einen, den versteh ich nicht,
Den man mit Glück nur findet.
ROMANZE (nach Psalm 136)
An dem Ufer jenes Flusses,
Den in Babel ich gefunden,
Setzte ich mich hin, die Erde
All mit meinen Tränen tränkend.
Nahm dich auf in meine Seele,
Sion, die ich sehr begehre.
Süß war es, an dich zu denken,
Reicher strömten meine Tränen.
Aus zog ich die Festgewänder,
Zog die Kleider an des Elends.
Hängte in die Trauerweide
Meiner Lieder leise Leier,
Gab sie fort, voll jener Hoffnung
Dessen, was ich in dir hoffte.
Liebe kam, mich wund zu schlagen,
Und mein armes Herz verzagte.
Mög mich die Erinnrung töten,
Die Erinnrung quält mich tödlich!
Warf ich mich in ihre Flammen,
Sie verbrannte mich zu Asche!
Ahmt ich nach den kleinen Vogel,
Der verbrennt in ihrer Lohe.
In mir selber sterbend war ich,
In dir hab ich aufgeatmet.
Dir bin ich gestorben, aber
Dir bin ich auch auferstanden.
Denn das stets an dich gedenken
Gab und nahm mir all mein Leben.
Fröhlich waren all die Fremden,
Wo ich als Verbannter lebte,
Fragten mich nach jenen Liedern,
Die ich einstmals sang in Sion:
Singe Lieder uns von Sion,
Laß uns lauschen wie sie klingen.
Sprach ich: Wie, auf fremder Erde,
Wo ich wein um Sion Tränen,
Kann ich singen jene Wonne?
Ferne unter Sions Sonne
Blieb sie. Müßte sie vergessen,
Freute ich mich nun als Fremder!
Ach am Gaumen möge kleben
Meine Zunge mir, mein Reden
Soll verstummen mir, vergeß ich
Dich im Lande, wo ich lebe.
Sion! bei den grünen Zweigen,
Die ich seh in Babels Reichen,
Sei mir meine Hand vergessen,
Die ich in dir nur verehre,
Nehm ich dich nicht zu Gemüte
In dem allem, was mir Süße,
Bliebe ich bei einer Feier,
Ohne, Sion, dich zu feiern!
Wehe, Tochter Babyloniens,
Du in Weh und Elend wohnend,
Selig ist und benedeiet
Der mir, dem ich mich geweihet,
Der dich strafen muß, du Schlange,
Weil ich Weh durch dich empfangen,
Der wird sammeln seine Kleinen,
Mich auch, der ich um dich weine
Auf dem Felsen - das ist Christus,
Dessentwillen ich mich hingeb!
NEUE HEILIGE GLOSSE ZU EINEM VOLKSLIED
„Ohne Halt und doch mit Halt,
Ohne Licht, im Dunkel lebend,
Alles mir ins Nichts entschwebend...“
Meine Seele ward befreit
Mir von den geschaffnen Dingen,
Über sich hinaus zu schwingen
In ein Leben hoch und weit,
Daß ihr Halt in Gott nur wäre.
Darum spricht sie so vertraut:
Das was ich am meisten ehre,
Meine Seele schließlich schaut,
Ohne Halt und doch mit Halt.
Macht mich auch das Dunkel leiden
In des Lebens Sterblichkeit,
Sind zu schwer nicht meine Leiden,
Wenn ich Mangel Lichts auch leid,
Führ ich doch ein Himmelsleben:
Liebe gibt mir solch ein Leben,
Daß, wächst Nacht um meinen Sinn,
Meine Seele gibt sich hin,
Ohne Licht, im Dunkel lebend.
Liebe kann mich so erlösen,
Daß sie, da ich sie erkannte,
Seis vom Guten, seis vom Bösen,
Alles mir zum Höchsten wandte,
Seele formt sie in sich um.
In der hohen Flamme Prassen -
Fühle ihr Mysterium -
Ohne Spur zu hinterlassen
Alles mir ins Nichts entschwebet.
SCHMERZLICHES LIED DER SEELE SEHNSUCHT NACH GOTT
Ich leb, doch leb ich nicht in mir.
So glüh ist meiner Sehnsucht Herbe:
Ich sterbe, weil ich ach nicht sterbe.
Ich lebe in mir nicht mehr, ich,
Vermag nicht ohne Gott zu leben:
Ohn ihn bin ich auch ohne mich
Und ohne ihn, ist das denn Leben?
Mir Tode tausendfältiglich,
Vergeht mein Sein in Sehnsucht herbe:
Ich sterbe, weil ich ach nicht sterbe.
Zu leben wie ich lebe dort
Ist wie als ob das Sein veralte,
Es ist ein Sterben fort und fort,
Bis ich das Sein in dir erhalte.
Hör, Gott, Gebete mannigfalte,
Der ich mir Frieden nicht erwerbe
Und sterbe, weil ich ach nicht sterbe.
Bin ich ohn deine Gegenwart,
Was für ein Leben hab ich da,
Ist das denn nicht ein Sterben hart
Und arger als ich jemals sah?
O wie mir eine Last geschah,
Da ich so leben muß und sterbe
Und sterbe, weil ich ach nicht sterbe.
Ein Fisch, der aus dem Meere glitt,
Ist doch nicht ohne Tröstung ganz,
Denn in dem Tod, den er erlitt,
Sieht schließlich er des Sterbens Kranz.
Doch welches Sterben gleicht dem Tanz
Mühsamen Lebens, das sich häutet,
Da Leben Sterben mir bedeutet?
O such ich, daß ich Tröstung lecke
Im Schaun des Sakraments in Demut,
Dann ist noch größer meine Wehmut,
Da ich ohnmächtig dich nicht schmecke;
Das macht mir schwerer meine Schwermut,
Daß ich dich schaue nicht, dein Erbe -
Ich sterbe, weil ich ach nicht sterbe.
Und finde ich Geschmack, bin dann
Voll Hoffnung, dich einst anzuschaun,
Dann, da ich dich verlieren kann,
Verdoppelt sich mein Elend, traun,
Ich leb in solchem bangen Graun,
So hoffnungsvoll um Gnade werbe,
So sterb ich, weil ich ach nicht sterbe.
Reiß mich heraus aus solchem Tod,
Du mögest mir das Leben geben.
Mich fessle nicht, o Sabaoth,
In solcher starken Fessel Weben.
Ich leid, ich leid, um dich zu sehen!
Mein Unheil ist vollendet herbe,
Ich sterbe, weil ich ach nicht sterbe.
Mein Sterben täglich ich bewein,
Beklag mein Leben voller Trauern,
Weil es noch immer möchte dauern
Durch all die bösen Sünden mein.
Mein Gott, mein Gott! wann wird es sein,
Daß ich in Wahrheit sagen werde:
Ich lebe, weil ich nicht mehr sterbe!?