Ein episches Gedicht in Hexametern
von Torsten Schwanke
I
Weit durch die Lüfte erklang das Getöse der kämpfenden Helden,
Stürmend im Wahn, wo die Götter beschlossen, das Schicksal zu flechten.
Trojas Mauern erbebten, die Täler erfüllten sich wieder
Mit dem Klagen der Menschen, dem Klang der zerberstenden Waffen.
Schon war der Zorn Achills wie ein Sturm durch die Feinde gefahren,
Rings lag das Schlachtfeld bedeckt mit Leibern gefallener Krieger.
Doch als die Schar der Amazonen erschien aus dem Osten,
Leuchtend im Panzer und glitzernd im Glanz ihrer stolzen Gebärden,
Da verhallte der Jubel des Sieges, ein Raunen durchlief sie:
Denn wie ein Blitz, der die Nacht in gleißende Flammen zerschneidet,
Stand Penthesileia, die Herrin, vor Griechenlands Mächten.
Mutig schwang sie den Speer, und das Volk ward neu zum Entzücken;
Sei es die Anmut, die Kraft oder glühendes Feuer des Lebens –
Alles verband sich in ihr, als Göttin und Kriegerin zugleich.
Selbst Achilles, der große, war kurz im Staunen gefangen,
Bis sein Herz sich erhob und die Schlacht ihn wieder ergriff.
Wie zwei Stürme einander entgegenrollen, die Meere
Peitschen in Wellen aus Zorn, so trafen sie, Heldin und Held, sich.
Speer um Speer flog dahin, und die Götter schauten in Ehrfurcht,
Keiner wagte zu flüstern, wenn diese Giganten sich maßen.
Doch ein Schicksal war's, das die Menschen und Helden zerbricht:
Penthesileia fiel. Die Lanze des Starken, sie traf sie.
Als sie stürzte, da schwand aus der Welt für einen Moment lang
Jegliche Farbe. Die Vögel erstummten, die Lüfte verwaisten.
Achilles stand dort, die Arme gelähmt von dem Blick, der ihn fesselte.
Nicht ein Feind war’s, den er sah, nicht eine besiegte Barbarenfürstin.
Nein, es war Leben, das ihm zur Strafe nun sterbend entglitt.
II
Achilles, erschüttert, sah nieder auf jene Gestalt nun,
Die in der Rüstung des Krieges so herrlich und furchtbar gewesen,
Jetzt aber dalag, vom Glanz des Lebens allmählich verlassend.
Blut war’s, das floß, wie ein Strom, aus der Wunde, die er geschlagen.
Doch in den Augen der Königin glomm noch das Leuchten des Feuers,
Das ihn gebannt hielt, obwohl es im Sterben schon schwächer nun flackerte.
"Warum," sprach er, und seine Stimme erklang wie ein Donner,
"Warum, oh Tochter des fernen Himmels, bist du gekommen?
Nicht für den Tod, nicht für den Hass ward solch Schönheit geboren.
Sage, wer sandte dich hierher, in die Hände des Krieges?"
Aber sie sprach nicht. Nur schwach hob sich ihr blutender Atem,
Und ihr Antlitz, so stolz, wurde sanft, wie der Abend, der sinkt.
Achilles, der Kämpfer, der einst unerschütterlich gewesen,
Fühlte das Herz in der Brust wie in Ketten vor Schmerz sich verdrehen.
Nie hatte er Liebe gekannt in den Tagen des Krieges und Ruhmes,
Doch nun, im Angesicht jener, die sterbend vor ihm zerfiel,
Spürte er tief in sich selbst ein Gefühl, das ihm fremd war,
Schärfer als Lanzen, als Pfeile, als Klingen der größten Heroen.
"Penthesileia," rief er, und der Name erklang wie ein Klagelied,
Das durch die Täler der Schlacht sich erhob zu den Ohren der Götter.
"Bleibe, oh bleibe! Noch ist die Zeit nicht gekommen zu gehen.
War es ein Fluch, der mich trieb, dich zu treffen, oh Göttliche Herrin?
Hätte mein Speer doch verfehlt, hätte der Tod mich ereilt, nicht dich,
Schönste der Amazonen, ein Stern, der am Himmel nun fällt."
Und in der Ferne begannen die Amazonen zu weinen,
Denn sie sahen von fern, wie die Königin sank in den Armen
Dessen, der sie gefällt, und doch in den Augen nicht Feind war.
Mitten im Krieg brach der Friede, ein stummes Gebet in den Lüften,
Denn was Achilles nun fühlte, war größer als Zorn oder Triumph.
Zögernd hob er die Hand, doch wagte es nicht, sie zu berühren,
Fürchtend, dass selbst die Berührung sie weiter dem Tod übergäbe.
Doch mit einem letzten Atem, ein Flüstern, fast wie ein Säuseln,
Sprach sie zu ihm, ihre Lippen umspielt von einem Verzeihen:
"Achilles, du hast mich besiegt, doch bist du nicht Sieger.
Wisse, dass Liebe und Tod stets Hand in Hand miteinander gehen.
Trag mich fort aus dem Schlachtfeld, wo Hass in den Boden getränkt ist,
Dass ich in Frieden ruhe, fern von der Wut dieser Welten."
Er erhob sie, behutsam, als hielte er eine zerbrechliche Flamme,
Und die Sonne, die unterging, umhüllte die beiden in Schweigen.
III
Langsam schritt er dahin, die Gefallene ruhend zu tragen,
Hin zu den Reihen der Frauen, die stumm ihm entgegen nun kamen.
Amazonen, die sonst nie das Knie vor einem Mann beugten,
Standen verhüllt in Trauer, den Blick zu Boden gesenkt.
Schwarz wie die Nacht war der Schleier des Todes, der sie umhüllte,
Doch in den Herzen der Frauen loderte glühender Zorn.
Eine von ihnen, die treueste Dienerin ihrer Gebieterin,
Schritt aus der Menge hervor mit funkelndem Hass in den Augen.
Antiope war es, die Kriegerin, stolz und von Göttern begünstigt,
Jetzt jedoch bebte die Wut in ihrer beherrschten Gestalt.
"Achilles!" rief sie, und ihre Stimme durchbrach das Schweigen.
"Hast du nicht Tod und Zerstörung genug über uns hier gebracht?
Warum, oh Mörder, trägst du die Königin nun in den Armen,
Da du es warst, der ihr Licht mit dem Speer selbst verlöschen gemacht?"
Achilles hielt inne. Sein Haupt sank tief vor der Klage,
Und er sprach, von Reue durchdrungen, mit bebender Stimme:
"Nie war es mein Wunsch, solch ein göttliches Wesen zu töten.
Schicksal war’s, das uns führte, von grausamen Göttern gelenkt.
Doch als ich sie sah, war mein Herz mir entfremdet im Kampfe.
Penthesileia war mehr als ein Feind – sie war wie ein Stern,
Der in der Ferne entflammte und mich in den Bann seines Leuchtens
Zog, nur um dann mit mir hinab in die Nacht zu verglühen."
Da verstummte Antiope, doch die Tränen, sie flossen in Strömen,
Und die Amazonen, gerührt von den Worten des großen Achilleus,
Sahen ihn anders: Nicht nur den Helden, den Rächer der Griechen,
Sondern den Mann, der die Königin ehrte, die nun nicht mehr war.
Zögernd traten sie vor, um die Tote von ihm zu empfangen.
Doch er sprach weiter, sein Blick von einem unheimlichen Feuer:
"Nein, nicht hier, nicht im Staub dieser Götter verfluchten Gefilde
Soll Penthesileia ruhn. Führt mich zum Tempel der Eos,
Dort, wo das Licht sie umfängt, die vom Glanz der Morgenröte stammt."
Staunend lauschten sie seinen Worten, doch wagte kein Wort zu entgegnen.
Amazonen, wie Schatten, zogen voran in die dämmernde Ferne,
Achilles folgte, die Tote getragen wie eine Gefährtin,
Die ihm geweiht durch ein Band, das nur der Tod nun noch kannte.
Als sie den heiligen Tempel erreichten, der still in den Hügeln
Lag, umgeben von goldenen Feldern, da sank er zu Boden.
Dort legte er Penthesileia, die Kriegerin, nieder im Marmor,
Rings um ihn standen die Frauen, in schweigendem Respekt.
Antiope sprach dann, mit zögernder Stimme und leiser Entschlossenheit:
"Achilles, groß bist du, doch nie war’s uns Amazonen erlaubt,
Frieden mit Männern zu schließen, die uns das Leben genommen.
Doch für Penthesileia, die Königin, brechen wir Regeln.
Bleibe, bis ihre Totenfeier den Tag in die Nacht überführt."
So blieb Achilles bei ihnen, der Reue und Ehrfurcht durchflutet,
Und in den Nächten, die folgten, begann er die Amazonen
Besser zu kennen, ihr stolzes Gemüt und den Willen der Freiheit.
Manche von ihnen begannen, ihn heimlich zu achten,
Denn nicht allein durch das Schwert, sondern durch seine Worte der Ehre
Hatte er Herz und Verstand wie ein Feind und ein Freund überwunden.
IV
Doch als die Flammen des Scheiterhaufens gen Himmel nun loderten,
Penthesileias Gestalt in die Lüfte der Ewigkeit trugen,
Da stand Achilles allein, vom Zwiespalt des Herzens gepeinigt.
War es der Hass, der ihn trieb, oder Liebe, die nie sich erfüllte?
Jenes Gefühl, das die Grenzen von Feindschaft und Sehnsucht zerriss,
Zog ihn zurück zu den Stunden, die ihm nun wie Träume erschienen.
Denn als er sie sah, zum ersten Mal auf dem Schlachtfeld,
War’s nicht nur die Wut, die in ihm wie ein Sturm sich erhob.
Tief in den Augen der Frau lag etwas, das selbst ihm, dem Starken,
Fremd war – Stolz, doch auch Trauer, ein Feuer, das nie ganz verlosch.
In ihren Worten, geschärft wie die Spitze des härtesten Speeres,
Spürte er gleichsam die Kälte des Krieges und Glut einer Seele.
"Achilles," sprach sie damals, die Stimme ein Donner aus Stahl,
"Sieh in mir keinen Feind, sondern den Spiegel deines Geschickes.
Denn was du bist, bin auch ich – geschaffen für Ruhm und Verderben.
Keiner von uns wird die Fesseln der Götter je lösen.
Doch wenn dein Speer mich trifft, wirst du mehr als mein Leben zerstören.
Töte mich, Held, und du tötest zugleich das, was du liebst."
Diese Worte, gedacht als Herausforderung, schürten den Zorn nur,
Doch in den Nächten darauf drangen sie tief in sein Innerstes ein.
Hatte sie Recht? War die Lust, sie zu überwinden im Kampfe,
Nicht nur der Schatten von etwas, das größer war, als er verstand?
Er erinnerte sich an die Schlachten, die flammenden Duelle der beiden:
Wie oft hatte sie mit ihm gerungen, in Stärke ihm ebenbürtig.
Wie oft war ihr Speer seinem Schild nahe genug, ihn zu brechen,
Doch stets hielt sie inne, als wollte sie mehr als den Sieg.
Und auch er, obwohl sein Zorn die Erde erbeben ließ,
Hielt sich zurück, als wäre da etwas, das größer als Tod war.
Penthesileia, die Königin, war ein Rätsel geblieben.
Hass war es, der ihn zu ihr zog, doch inmitten des Hasses
Lauerte Liebe – ein schreckliches Band, das sie miteinander verband.
Ihre Duelle waren kein Krieg, sondern Tänze von Macht und Verlangen,
Bis jener Tag kam, an dem die Götter ein Ende beschlossen.
Jetzt, im Glanz der Flammen, die ihren Leib von der Erde entrissen,
Spürte Achilles erneut dieses Band, das ihn mit ihr verband.
Sie war gegangen, doch ihre Worte lebten in ihm fort,
Wie eine Flamme, die brennt, ohne je zu vergehen.
Da erklang eine Stimme – doch war es ein Flüstern des Windes?
War es Penthesileia selbst, die aus den Schatten der Götter zu ihm sprach?
"Achilles," raunte es leise, "dein Hass ist ein Mantel der Liebe.
Nie wirst du mich vergessen, wie ich auch dich nie verließ.
Unsere Seelen sind eins, gebunden in ewiger Fehde und Sehnsucht.
Kein Olymp, keine Unterwelt, kann uns für immer trennen."
Achilles erstarrte, die Stimme verschwand, doch in seinem Herzen
Blieb ein Feuer zurück, das kein Wasser der Welt je löschen konnte.
Von diesem Tag an war ihm kein Sieg mehr süß wie zuvor,
Kein Ruhm, kein Lobgesang konnte den Schatten der Liebe verdrängen,
Die ihn verfluchte und heilte, die Penthesileia hieß.
V
Nach Jahren des Kampfes, des Ruhms und der qualvollen Reue,
Kam Achilles der Tag, an dem das Schicksal ihn selbst niederwarf.
Doch als sein Geist, vom Leben gelöst, hinab in die Tiefen
Stieg, wo der Styx schwarzfließend die Schatten der Toten umfing,
Sehnte er sich nicht nach Ruhe, nach Frieden im ewigen Schlaf.
Nein, sein Herz, von der Liebe gepeinigt, suchte nur eines:
Penthesileia, die Königin, die ihn zugleich hasste und liebte.
Durch die grauen Felder, die trüben Sümpfe der Unterwelt wandelnd,
Rief er nach ihr, doch das Echo hallte von nichts wider.
Helden, gefallene Krieger, umringten ihn still in der Dämmerung,
Doch Achilles sah nicht die Gestalten der Männer, die ihm einst vertraut.
Allein eine Seele suchte er hier, durch Flüsse des Todes:
Die, die sein Herz zerriss und zugleich in den Flammen entfachte.
Endlich, im Asphodelos-Hain, wo die Seelen schweigend verweilten,
Sah er sie stehen, wie einst in der Schlacht, nur jetzt ohne Waffen.
Ihr Antlitz war bleich, und doch strahlte die Glut ihrer Augen,
So wie er sie kannte, ein Feuer, das Zeit und Tod überwand.
"Penthesileia!" rief er, und seine Stimme zerriß die Stille.
"Hier bin ich, gestürzt von den Göttern, gebrochen im Leben,
Doch immer dein Name war es, der brannte in meiner Brust.
Komm, sprich mit mir – sei es im Hass oder in Liebe, doch sprich!"
Langsam wandte sie sich um, die Königin, stumm ihn betrachtend,
Und in den Tiefen der Unterwelt, wo kein Lichtstrahl je drang,
Ging ein Leuchten hervor, als ob die Sonne des Morgens
Kurz durch die Schatten der Nacht ihren Glanz auf sie warf.
"Achilles," sprach sie mit einer Stimme, die hart wie Erz klang,
"Du wagst es, mir zu folgen, in die Hallen der Toten zu dringen?
Hat dein Stolz, der mich schlug, selbst hier nicht genug von mir?
Oder ist es die Liebe, die dich treibt, so wie einst auf dem Felde?"
Er trat vor, doch mit jedem Schritt schien der Raum sich zu weiten,
Wie ein Graben, der immer tiefer die beiden nun trennte.
"Liebe?" rief er, und sein Ton war von Qual und Verlangen erfüllt.
"Wenn es Liebe ist, die aus Hass und Reue geboren,
Dann, ja, liebe ich dich, wie kein Mensch je geliebt hat.
Doch auch mein Hass, Penthesileia, brennt ewiglich weiter,
Denn du bist mein Gleiches, mein Spiegel, mein Untergang selbst!"
Da lachte sie, doch ihr Lachen war traurig, wie Wind in Ruinen.
"Achilles," sprach sie, "dein Herz bleibt ein Rätsel, das nie sich erschließt.
Du liebst mich? Du hasst mich? Vielleicht sind wir beides zugleich,
So wie der Tag mit der Nacht sich vereint an der Dämmerung Grenze.
Doch wisse: Hier in der Unterwelt zählt weder Ruhm noch Verlangen.
Hier sind wir Schatten, Erinnerungen, nichts als vergangener Glanz."
Doch als sie das sagte, trat ein Glimmen in ihre Augen,
Und Achilles, der doch selbst den Tod nicht mehr fürchtete, spürte,
Wie das Band, das sie einst verband, auch jetzt nicht zerrissen.
"Penthesileia," sprach er, "keine Macht dieser Welt oder der andern
Kann uns trennen. Wenn Hass und Liebe dein Schicksal mit meinem verbanden,
Dann bleibe ich hier, bei dir, und sei es für immer im Dunkel."
Die Königin schwieg, doch ein Lächeln, so flüchtig wie Nebel,
Umspielte ihre Lippen, bevor sie sich langsam entfernte.
Achilles folgte, getrieben vom Bann ihrer Gegenwart,
Und in den Tiefen des Hades begann ein Tanz ohne Ende:
Liebe und Hass, im ewigen Kreislauf verbunden,
Achilles und Penthesileia, zwei Seelen im Schatten vereint.
VI
Doch während Achilles und Penthesileia im Schatten verweilten,
Erschien ein Licht, das die düstere Tiefe des Hades durchdrang.
Nicht war es die bleiche Laterne des Herrn dieser Welten,
Noch das fahle Glimmen der Seelen, die hier ohne Ziel sich verloren.
Nein, ein Glanz, wie von goldenen Sternen geboren, durchbrach
Das Dunkel und ließ die Schatten des Todes erzittern.
Heraus aus den Tiefen des Äthers, wo Ewigkeit thront,
Stieg eine Göttin herab, gekrönt mit der Sichel des Mondes,
Ihre Gestalt umhüllt von dem Licht ewiger Weisheit und Macht.
Artemis war es, die Herrin der Jagd und der Frauen,
Die in der Stille erschien, das Szepter der Nacht in der Hand.
Ihre Schritte waren sanft, doch die Erde bebte vor Ehrfurcht,
Und selbst der Styx, der schweigende Fluss, schien stillzustehen.
Achilles wandte sich um, von dem göttlichen Licht überwältigt,
Doch Penthesileia erhob sich, als ob ein Ruf sie ergriffen.
"Meine Tochter," sprach Artemis, die Stimme wie Wind durch die Wälder,
"Penthesileia, dein Leid hat den Himmel und Erde bewegt.
Nicht war es bestimmt, dass dein Geist ewig hier unten verweile,
Wo die Schatten regieren, gebunden an Ketten der Klage.
Du bist ein Kind der Großen Göttin, der Mutter des Lebens,
Und zu ihr kehrst du zurück, in die Sphären des ewigen Lichts."
Penthesileia, die Königin, schwieg, doch in ihren Augen
Schimmerte ein Glanz, der wie Morgentau perlte im Schatten.
"Bin ich würdig?" sprach sie, und ihre Stimme war leise,
"Bin ich würdig, zurückzukehren zu dem göttlichen Reich,
Nachdem ich im Hass, im Stolz und im Blut meinen Weg hierher fand?"
Doch Artemis neigte ihr Haupt, und die Sichel des Mondes
Funkelte hell, wie ein Omen der Liebe und Gnade zugleich.
"Nicht war es dein Stolz allein, sondern dein Herz voller Feuer,
Das den Göttern gefiel, ein Leben, das kämpfte und lebte.
Komm, Tochter der Erde, erhebe dich über den Tod."
Da lösten sich Ketten, die unsichtbar ihre Seele umschlangen,
Und Penthesileia erhob sich, von Strahlen des Himmels umfangen.
Doch bevor sie hinaufstieg, wandte sie sich noch zu Achilles,
Der stumm sie betrachtete, gefangen von Liebe und Schmerz.
"Achilles," sprach sie, "mein Feind, mein Geliebter, mein Schatten,
Nie wird die Erinnerung an dich aus meinem Sein je verblassen.
Doch du bleibst hier, ein Held, gefangen in deinem Geschick.
Lebe und kämpfe, bis selbst die Götter dein Schicksal entbinden."
Dann ergriff Artemis sie, und mit einem letzten Blick
Hin zu Achilles entschwand sie im Glanz der himmlischen Sphären.
Das Licht erlosch, und die Stille des Hades kehrte zurück,
Doch in Achilles’ Herzen brannte ein Licht, das nicht weichen wollte.
Und so verblieb er, ein Held, der die Toten begleitete,
Seine Liebe und seinen Hass im ewigen Schweigen bewahrend,
Während Penthesileia im Reich der Großen Göttin erwachte,
Von Sternen umgeben, ein Kind der Unendlichkeit selbst.
VII
Als Penthesileia, entrückt aus den Schatten der Unterwelt,
Höher und höher schwebte im strahlenden Griff ihrer Herrin,
Öffneten sich die Himmel, ein Reich von leuchtender Pracht.
Dort, wo die Nacht ihren Mantel mit Sternen bestickt,
Wo die Sichel des Mondes in ewiger Klarheit erglänzt,
Lag das Gefilde der Göttin, ein Ort, der den Tod überwand.
Hier wehte kein Wind, kein Sturm durchbrach die Stille,
Nur der Atem des Ewigen hauchte die Welten mit Leben.
Goldene Wälder erstreckten sich, die Kronen der Bäume
Trugen kein Laub, sondern Blüten aus reinem Licht.
Silberne Flüsse durchzogen die Täler, ihr Wasser war flüchtig,
Glänzend wie Tau, der im ersten Licht des Tages verweilt.
Hirsche, schneeweiß, mit Geweihen aus funkelndem Kristall,
Wanderten frei durch die Flure, geführt von der Hand der Göttin.
Und in der Ferne erklangen die Stimmen der Jagdgesänge,
Frauen, die stolz und wild, in unendlicher Harmonie jagten.
Nicht war es Blut, das sie suchten, kein Begehren nach Beute,
Sondern das Spiel des Lebens, der Tanz der ewigen Freiheit.
In der Mitte des Reiches, umgeben von Sternen und Schatten,
Thronte ein Berg, dessen Gipfel die Unendlichkeit küsste.
Dort, in einem Tempel aus reinem Mondlicht geformt,
Regierte Artemis, die Jungfrau, die Herrin des Himmels.
Ihr Antlitz war mild, doch ihre Augen trugen die Stärke
All jener Frauen, die den Zwängen der Erde entflohen.
Penthesileia, von Ehrfurcht erfüllt, kniete vor ihr nieder,
Doch die Göttin erhob sie sanft mit einer Geste der Gnade.
"Hier," sprach Artemis, "ist der Ort, den die Seelen finden,
Die in ihrem Leben nach Freiheit und Stolz gestrebt.
Hier bist du mehr als ein Schatten, ein Name in sterblichen Liedern.
Hier bist du selbst, entfesselt von Schmerz und Begrenzung der Zeit."
Und so wandelte Penthesileia durch die himmlischen Gärten,
Neben Gefährtinnen, die wie sie von der Erde entrückt.
Die Amazonen, die einst in ihrem Dienst gefallen,
Waren hier, ihre Schwestern im Leben und nun in der Ewigkeit.
Lächelnd empfingen sie die Königin, die mit ihnen vereint
In den Hallen des Lichts ihren Platz für immer gefunden.
Doch manchmal, in den Nächten, wenn der Mond über die Welten
Seinen silbernen Glanz wie ein Schleier des Friedens legt,
Spürte Penthesileia den Hauch einer längst vergangenen Liebe,
Ein Schatten, der leise durch die himmlischen Wälder zog.
Achilles – sein Name war wie ein ferner Ruf in der Stille,
Doch nun war kein Schmerz mehr, nur ein sanftes Erinnern geblieben.
Denn hier, im Reich der Göttin, war selbst die tiefste Wunde
Verheilt, und nur das Licht der Freiheit blieb ewig zurück.
Und so lebte Penthesileia, die Kriegerin, Königin, Tochter,
In der Unendlichkeit des Himmels, ein Stern unter Sternen,
Geführt von Artemis, der Wächterin des Lebens und Lichts.
VIII
Als das Licht der Göttin verblasste und die Stille zurückkehrte,
Stand Achilles allein in den Schatten der trostlosen Tiefen.
Der Styx floss träge dahin, doch selbst sein dunkles Gewässer
Spiegelte noch den Glanz der Göttlichen wider, die kam und verschwand.
Achilles, der Unbezwingbare, der Stolz der Achaier,
Fühlte zum ersten Mal die Last seiner Taten wie Ketten,
Die seine Glieder umfingen und sein Herz in die Tiefe zogen.
"Penthesileia!" rief er, doch nur der Wind gab ihm Antwort.
"Was habe ich getan? Warum trug mein Speer deine Seele
Fort von der Erde, wo du wie ein Stern in der Schlacht erstrahltest?
War es der Hass? War es der Fluch der Götter, der mich dazu trieb?
Oder war es mein Herz, das dich liebte, doch Liebe nicht fassen konnte?"
Die Geister der Toten, die um ihn verweilten, verstummten,
Und in der Dunkelheit hallte allein seine Stimme zurück.
Achilles, der in der Schlacht nie gezögert, nie gezweifelt,
Spürte nun Zweifel, der wie ein Dolch durch sein Innerstes schnitt.
Wie oft hatte er in den Nächten nach jener Schlacht
Die Augen geschlossen und ihr Antlitz vor sich gesehen –
Nicht von Schmerz verzerrt, sondern wie damals, als sie stolz
Mit erhobenem Haupt auf dem Schlachtfeld ihm gegenüberstand.
"Penthesileia," flüsterte er, die Hände zum Himmel erhoben,
"Du warst nicht nur meine Gegnerin, nicht nur die Königin der Frauen.
Du warst das, was ich nie sein konnte: frei, stark, unbezwingbar.
Und doch nahm ich dir alles, entriss dir dein Leben, dein Licht.
Nun bist du fort, entrückt zu den Göttern, wo ich dich nie mehr erreichen kann.
Ich, der größte der Helden, bin nur ein Schatten von dem,
Was ich hätte sein können, wenn ich dich nicht verloren hätte."
In seinen Erinnerungen sah er den Moment des Kampfes,
Den Schlag, der ihr Leben nahm, und den Ausdruck in ihren Augen.
Kein Hass war darin, kein Schrecken, nur eine tiefe Erkenntnis,
Als hätte sie längst gewusst, dass dies ihr Schicksal sein würde.
Doch was ihn am meisten quälte, war der Funke, der dort verblieb:
Ein Glanz, der nicht starb, selbst als ihr Atem verwehte.
Tag um Tag wanderte Achilles durch die Unterwelt,
Doch nichts konnte ihn trösten, kein Lied der heroischen Taten.
Er sah die Krieger, die einst unter ihm gekämpft,
Doch selbst ihre Stimmen, die seinen Ruhm besangen,
Fanden kein Echo mehr in dem, was einst sein Stolz gewesen.
"Was ist Ruhm," sprach er, "wenn das Herz leer bleibt?
Was ist Sieg, wenn er auf dem Verlust des Höchsten gründet?"
Seine Reue wuchs wie ein Baum, dessen Wurzeln die Seele umklammern,
Doch zugleich war da ein Verlangen, ein Licht in der Ferne.
Vielleicht, dachte er, würde eines Tages auch ihm
Erlösung zuteil, ein Funke der Gnade, der ihn zu ihr führte.
Doch bis dahin blieb ihm nur, die Schatten zu durchwandern,
Ein Held ohne Ziel, ein Kämpfer ohne Schlacht,
Seine Seele beladen mit Schuld, die kein Wasser des Styx je abwaschen konnte.
Und so blieb Achilles in der Dunkelheit,
Ein Geist, der die Ewigkeit durchmaß in seinem Schmerz,
Während oben, im Glanz der himmlischen Sphären,
Penthesileia lebte, frei von der Last der Erde.
Doch auch sie, manchmal, in der Stille des Mondlichts,
Hörte die leisen Rufe des Mannes, der sie liebte und verlor.
IX
In den Schatten der Unterwelt, wo kein Stern je erstrahlte,
Schritt ein Wanderer, der selbst den Tod überlistet,
Odysseus, der Listenreiche, vom Schicksal gesandt,
Um den großen Achilles zu suchen, den einstigen Freund.
Weit hatte er gegangen, durch Nebel und Ströme von Schatten,
Geführt von dem Wunsch, den Helden von Kummer zu lösen.
Er fand ihn dort, wo die Fluten des Styx träge kreisten,
Allein und verloren, mit gesenktem Haupt, ohne Worte.
Die einst so stolze Gestalt, die den Feind in Scharen bezwang,
War nun ein Bild der Reue, ein Schatten seines früheren Seins.
"Achilles," sprach Odysseus, die Stimme voll milder Geduld,
"Warum zürnst du dir selbst? Warum quälst du dich ewig
Mit Ketten, die nur dein Herz geschmiedet, kein Gott und kein Feind?"
Achilles hob den Blick, seine Augen voller Verzweiflung,
Und in ihnen sah Odysseus die Tiefe von Hass und von Schmerz.
"Odysseus," sprach er, "warum bist du hier, im Reich der Toten?
Nicht du, der so klug ist, dass selbst die Götter dir beugen,
Solltest verweilen in diesen Hallen des ewigen Schweigens."
Doch der Wanderer lächelte still, und seine Worte waren sanft:
"Nicht bin ich hier, um zu bleiben, noch um dir zu grollen.
Ich bin gekommen, dich zu suchen, dich aus deinem Gram zu erheben."
Achilles lachte, doch sein Lachen klang bitter wie Asche.
"Erheben? Wie soll ich mich erheben, der einst alle niederwarf?
Mein Leben war Ruhm, doch mein Herz habe ich dabei verloren.
Penthesileia – ihr Name brennt in mir wie ein Feuer,
Und kein Wasser des Styx, kein Wort kann es je löschen."
Odysseus schwieg für einen Moment, dann trat er näher,
Setzte sich nieder, als wäre er wieder ein Freund am Lager des Heeres.
"Achilles," sprach er, "wir sind alle gebunden an das Schicksal,
Helden wie Sterbliche, gleich vor den Launen der Götter.
Doch auch du, der Größte der Helden, bist nicht ohne Hoffnung.
Penthesileia lebt nun in den Hallen des Lichts, frei von der Erde,
Und selbst deine Reue, so schwer sie auch sei,
Ehrt sie mehr als jede Tat, die du im Leben vollbrachtest.
Was ist Liebe, wenn nicht die Erinnerung, die uns bindet?
Was ist Schuld, wenn nicht der Preis für die Kraft, die wir suchten?
Du kannst ihr nicht folgen, doch kannst du hier Frieden finden,
Nicht durch Vergessen, sondern durch das Halten der Wahrheit.
Sie hasste dich, ja, doch auch liebte sie dich, das weißt du.
Ihr Band war kein irdisches, sondern ein göttlicher Knoten.
Lass diesen Schmerz nicht vergeblich sein, sondern ein Zeichen,
Dass selbst die Helden der Erde von Liebe berührt werden können."
Doch Achilles schüttelte den Kopf, seine Augen waren wie Stein.
"Odysseus, du mit Worten gewandt wie ein Sänger der Götter,
Wie kannst du mich trösten, wenn mein Herz wie ein Abgrund bleibt?
Penthesileia lebt, ja, doch nicht für mich, nicht für meine Liebe.
Ihr Licht ist fern, und ich bleibe gebunden an Schatten und Schuld.
Du bist weise, doch nicht weise genug, um mich zu erlösen."
Odysseus seufzte, doch sein Blick blieb fest wie der eines Lehrers.
"Vielleicht kann ich dich nicht erlösen, Achilles, das ist wahr.
Doch ich sage dir dies: die Liebe, die dich jetzt zerfrisst,
Ist auch die Flamme, die du trägst, ein Zeichen der Menschlichkeit.
Erinnere dich ihrer, nicht in Gram, sondern in Ehre.
Lebendig bist du nicht mehr, doch in dir lebt der Funke,
Der selbst die Götter bewegt, und das ist kein geringer Trost."
Doch Achilles schwieg, in seine Einsamkeit zurückkehrend,
Und Odysseus erhob sich, den Kopf in stillem Bedauern geneigt.
"Ich habe versucht," sprach er leise, "mehr kann ich nicht geben."
Und so verließ er den Helden, allein mit seiner Reue,
Doch ein Hauch von Hoffnung blieb, wie ein fernes Echo des Lichts.
X
Dort, wo der Styx in finsteren Kreisen die Toten umschließt,
Stand Achilles, der größte der Helden, die Hände erhoben.
Sein Blick, einst wie Feuer, war dunkel wie die Nacht des Hades,
Und seine Stimme, die einst Heere bewegte, erhob sich im Fluch.
"Fluch über den Krieg!" rief er, und die Schatten erzitterten,
"Fluch über den Wahn, der die Menschen zu Schwertern verführt!
Was hat der Krieg gebracht, außer Tod und zerbrochenen Herzen?
Was hat er mir hinterlassen, außer Schuld und Verzweiflung?
Ich, Achilles, der Stärkste, der niemals im Kampfe gezögert,
Bin nicht Sieger, sondern ein Diener des grausamen Mars.
Was nützen mir Ruhm und die Lieder, die Sterbliche singen,
Wenn mein Herz wie ein Feld ist, verbrannt von der Glut meiner Taten?
Haben die Götter mich deshalb gesegnet mit Stärke und Mut,
Dass ich nur Blut vergieße, den Hass der Völker vermehre?
Seht, wie die Helden gefallen sind, einer nach dem andern,
Nicht für die Ehre, nicht für die Wahrheit, sondern für Stolz.
Hector, der Beste von Troja, ein Mann voller Güte und Treue,
Lag tot zu meinen Füßen, zerschmettert durch meinen Zorn.
War es Gerechtigkeit? Nein, es war nur ein Spiel der Erhabenen,
Die uns wie Spielfiguren auf ihren Brettern bewegen.
Und Penthesileia, die Königin, die ich hätte lieben können,
War sie ein Feind, oder war sie mein Spiegel, mein Herz?
Ich tötete sie, nicht im Hass, sondern in blindem Gehorsam,
Im Rausch der Schlacht, der keinen Raum ließ für Vernunft.
Nun bleibt mir nichts, als die ewige Stille des Todes,
Und der Krieg, der mich erschuf, hat auch meine Seele zerstört.
Oh, ihr Menschen, die ihr noch lebt und den Schwertern vertraut,
Hört meinen Fluch, der euch warnt vor der Täuschung des Krieges!
Er ist kein Pfad zur Größe, kein Ruhm, der ewig besteht.
Er ist ein Raubtier, das die Herzen zerfrisst und die Welten verwüstet.
Er nimmt euch die Liebe, das Leben, die Hoffnung auf Frieden,
Und lässt nur ein Echo zurück, ein Lied, das niemals verstummt:
Das Lied des Leids, das Lied der vergehenden Seelen.
Hätte ich doch die Waffen gemieden, die Götter verflucht,
Mich zurückgezogen, weit fort von den Fesseln des Ruhms!
Doch nun ist es zu spät, und mein Fluch bleibt mein Erbe.
Nicht will ich in Liedern besungen werden, nicht in den Festen,
Wo die Dichter die Siege der Helden mit goldener Stimme erheben.
Löscht meinen Namen, verbrennt die Erinnerung an Achilles!
Denn der Krieg, den ich führte, war kein Triumph, sondern ein Fluch.
Möge die Welt einst lernen, die Waffen für immer zu brechen,
Und Frieden zu finden, wo jetzt nur Asche verweilt."
Seine Stimme verklang, doch die Worte hallten durch die Tiefen,
Wie Donner, der von den Bergen widerhallt in die Ferne.
Selbst die Geister der Toten hielten inne, erschüttert von seinem Zorn,
Und der Styx, der stille Fluss, schien für einen Moment zu ruhen.
Achilles stand, die Hände gesenkt, sein Haupt voller Reue,
Und die Schatten der Unterwelt schlossen ihn wieder ein.
Doch in der Finsternis klang noch lange der Klang seiner Stimme,
Ein Fluch gegen den Krieg, der niemals in Vergessenheit sinkt.