HOMERS HYMNE AN CERES


VON TORSTEN SCHWANKE


Nun beginne ich froh, von der silberhaarigen Ceres

Singend zu künden, von ihr, der hehren, erhabenen Göttin,

Und von der Tochter, der strahlenden, mächtigen, ragenden Kore,

Die durch Hades geraubt, nach göttlichem Willen verloren.


Fern von der Mutter, der hohen, die goldene Sichel in Händen,

Wandelt Kore dahin, die herrliche, blühende Jungfrau,

Mit den Töchtern des Meeres, den breithüftigen Nymphen,

Blumen zu pflücken im sanft sich wiegenden, nährenden Grase,

Rosen, Krokus und Veilchen, die leuchtenden Blüten der Iris,

Hyazinthen dazu und Narzissen, von göttlicher Erde

Einst entsprossen durch Zeus’ unermesslich schaltende Weisung,

Blühend zur Zier der Welt – doch schrecklich war jene

Blume,

Denn als heimlicher Strick war sie Kore, der glänzenden,

gestellt.

Wunderbar war ihr Glanz, ein Staunen für Götter und Menschen,

Hundert Blüten entsprangen ihr, und süßeste Düfte

Füllten Himmel und Erde, durchströmten die Fluten des Ozeans.

Und mit leuchtendem Staunen erblickte Kore die Blume,

Schnell mit beiden Händen griff sie nach spielender Freude,

Doch da bebte die Erde in tiefen, gähnenden Spalten,

Und der Herrscher der Toten, mit Rossen donnernder Eile,

Stürmte herauf, der ewige Vater der finsteren Schatten.


Er ergriff sie mit Macht und hob sie auf goldenen Wagen.

Ach, sie schrie mit durchdringender, flehender Stimme

Laut nach dem Vater, dem Höchsten, dem donnernden Zeus hin.

Doch kein sterbliches Ohr und kein göttliches hörte die Stimme,

Selbst die Erde verharrte in schweigender Ruhe des Himmels.

Nur die dunkle Hekate, die mondumflossene Göttin,

Hörte den Ruf, verborgen in schattigem Hause,

Und Hyperion auch, der lichtumwandelte Sehende,

Sah, wie Kore geraubt, hinab in die Schatten gerissen.

Doch der donnernde Zeus, fern thronend, hoch über Göttern,

Hielt im Heiligtum still sein unerforschliches Urteil.

So geschah es, dass Kore, vom Bruder geraubt, in die Tiefe

Fiel, entrissen dem Licht, hinab in das Reich ohne Morgen.


Doch solange ihr Auge noch sah des Himmels Weiten,

Sternenleuchtendes Dach und das fließende, tobende Meer noch,

Hoffte sie, immerdar würd’ sie die Mutter noch schauen,

Würd’ sie den Kreis der Götter erblicken, die ewig bestehen.

Aber sobald der Blick in die düsteren Schatten gesunken,

Erlosch ihr hoffendes Herz, ihr Schmerz umfing ihre Seele.

Und die Höhen der Berge und Fluten des Meeres erschallten,

Laut mit göttlichem Klang, und Ceres, die Hohe, vernahm ihn.


Bitterer Schmerz umfing sie, und von der leuchtenden Stirne

Riss sie den Schleier fort mit zitternden, hastenden Händen,

Und den goldenen Mantel ließ sie zur Erde hinunter

Fallen im Zorn, dann flog sie, gejagt wie die Stürme des Winters,

Über die Felsen dahin und über die brausenden Wogen,

Suchend ihr einziges Kind – doch keiner wusste ihr Antwort,

Kein Unsterblicher sprach, kein Sterblicher bot ihr ein Trostwort,

Nicht einmal Vögel, die Kunde bringen mit Zeichen.

Neun Tage irrte sie rastlos mit brennenden Fackeln,

Aß nicht von göttlichem Nektar, berührte nicht Ambrosia,

Benetzte nicht einmal ihr göttliches Antlitz mit Wasser.

Doch am zehnten Tag, als Eos rötlich erstrahlte,

Nahte sich Hekate, die Göttin, mit flammender Fackel,

Sprach und brachte ihr Kunde, soweit sie die Wahrheit erkannte:


"Ceres, du Königin, Mutter der goldenen Ähren,

Wer von Göttern oder den sterblichen Menschen

Raubte dir Kore, dein Herz zu versenken in Trauer?

Denn ich hörte ihr Jammern, doch sah ich sie nicht mit den Augen.

Aber ich bringe dir Kunde und sage dir, was ich vernahm."


So sprach Hekate. Und Ceres, die Tochter der Rhea,

Antwortete nicht, doch eilte mit lodernden Flammen

Schnell an ihrer Seite zu Helios, Strahlengestalt.

Er, der Herr über Licht, der Schauende, stand bei den Rossen,

Und die leuchtende Göttin sprach zu ihm flehend:


"Helios, du, der du siehst von himmlischer Höhe

Alles, was Menschen und Götter in gleichem Schicksal erleiden,

Schau mich, die Göttin, mit Mitleid, denn stets war mein Wille,

Dich mit heiliger Ehrung zu preisen in frohem Gehorsam.

Doch nun höre mich an, denn ich klage, mein liebstes Geschöpf ist

Fortgerissen von Fremden, vielleicht von einem der Himmlischen.

Nicht sah ich es, doch hörte ich ihren verzweifelten Ruf schon,

Du aber siehst ja alles, was Himmel und Erde erfüllt hat.

Sag mir, wer ist der Täter, der Kore gewaltsam entführte,

Welcher Gott oder Mensch in frevelnder Tat sie entriss mir?"


Alte Mutter, wer bist du, woher, und wie lange geboren?

Warum flohest du weit von der Stadt und bliebst nicht den Häusern

nahe? Denn schattige Hallen bewahren Weiber, die gleichen

dir an Jahren, und andere sind viel jünger als du noch.

Freundlich würden sie dich mit Wort und Tat hier empfangen.


Also sprachen sie. Und es antwortete göttliche Hoheit:

Seid mir gegrüßt, ihr Mädchen, aus edlen Frauen geboren!

Gern erzähle ich euch, es ziemt sich, dass ihr es wisset.

Doso nennt man mich, diesen Namen gab mir die Mutter.

Doch aus Kreta kam ich, des Meeres Rücken durchmessend,

nicht aus eigenem Willen, gezwungen von Mächten der Stürme,

denn Piraten entrissen mich dort dem heimischen Boden.

In Thoricus dann legten sie an, mit hurtigen Rudern,

und die Männer und Frauen betraten das Ufer gemeinsam,

eilten, Seile lösend, zur eiligen Mahl an den Wellen.

Doch mein Herz begehrte kein Brot, kein liebliches Mahlzeit,

und ich floh in die Dunkelheit, heimlich entrann ich

ihren Händen, auf dass sie mich nicht verkauften im Fremden

über die See, wo fremde Geschäfte mich hätten verhandelt.

So nun wanderte ich und kam zu dieser Gefilde,

doch ich weiß nicht, was dies ist und welche hier wohnen.

Göttlicher Rat sei mir gnädig, ihr Mädchen, erbarmet

euch und zeigt mir das Haus, wo Mann und Frau mich willkommen

heißen und eine Arbeit gewähren, die mir gebührt.

Leicht noch könnte mein Arm ein neugeborenes Kindlein

halten und pflegen, auch nähren mit sorgender Hand es,

oder das Haus betreun und die Lager bereiten den Herr’n,

oder den Frauen das rechte Werk in Weisheit lehren.


Also sprach die Göttin. Doch rasch nun hob das Mädchen

Callidice an, die schönste der Töchter des Königs:


Mutter, was uns die Götter gewähren, das müssen wir dulden,

sei es Leid oder Glück, denn größer sind sie als Sterbliche.

Doch nun sage ich dir, wer unter den Edlen hier herrscht,

wer an Ehre ragt und mächtig waltet im Volke:

Triptolemus ist es, klug und weise, dann Dioclus,

Polyxeinus zugleich und der untadelige Eumolpus,

Dolichus auch, und vor allen unser mutiger Vater.

Jeder dieser besitzt ein Haus und eine Gemahlin,

keiner von ihnen würde, sobald er dich sähe, dich schelten

oder verstoßen; vielmehr begrüßten sie dich in Ehren.

Doch wenn es dir besser gefällt, hier bei uns zu verweilen,

werden wir eilen und unsere Mutter Metaneira

bitten, dich aufzunehmen in ihrem reichlichen Hause.

Einen einzigen Sohn hat sie spät geboren, ein Kindlein,

lange erfleht, ein Wunschkind und Licht für ihr Alter.

Würdest du ihn tragen und pflegen bis in die Jugend,

jede Maid, die es säh’, würde dich darum beneiden,

reiche Geschenke gäbe dir Mutter für seine Aufzucht.


Also sprach sie. Die Göttin neigte das Haupt und willigte

leise ein. Dann füllten die Jungfrauen Eimer mit Wasser,

führten sie freudig, hastig zurück zum väterlichen Hause.

Schnell kamen sie heim, und sobald die Mutter vernommen,

was geschehen, gebot sie den Mädchen, eilends zu rufen

die Fremde und lud sie mit freigebigem Lohn zu sich ein.

Wie wenn Rehe im Frühling springen von blühender Wiese,

frisch entlassen zur Freiheit, so liefen sie hurtig

über den Hohlweg, das feine Gewand in Händen gefasst,

und ihr Haar, wie leuchtender Krokus, wallte im Winde.

Dort, wo sie die Göttin verlassen, fanden sie wieder

sie an der Straße und führten sie in das heilige Haus.

Und die Göttin folgte, traurig im liebenden Herzen,

schlug den Mantel zusammen, tief umhüllte das Antlitz,

dass er wallte herab bis zu den zierlichen Füßen.


Bald nun kamen sie an zum himmlischen Hause des Celeus,

Traten hinein in den Hof, wo thronte die königliche Mutter,

Sitzend am Pfeiler des Dachs, mit dem zarten Sohn an der Brust ihr.

Jauchzend liefen die Töchter herbei, doch stand auf der Schwelle

Ehrfurchtgebietend die Göttin: ihr Haupt berührte die Decke,

Himmlischer Glanz durchflutete strahlend die weite Gemäuer.

Ehrfurcht, Scheu und Erschrecken erfasste Metaneira,

Rasch erhob sie sich auf von dem Sitz und rief die erhabne

Ceres, dass sie sich setze. Doch jene, die Spenderin reicher

Gaben, wollte nicht sitzen auf schimmernd bettendem Lager,

Sondern verweilte dort stehend mit niedergeschlagenen Augen,

Setzte sich erst, als gründlich die Glieder sie ordnete, schweigend

Hin, verhüllt in ein silbern schimmerndes Vlies, und so saß sie,

Schleierführend die Hand vor ihr Antlitz, in Trauer versunken.

Lang verweilte sie schweigend und sprach mit niemandem Worte,

Nicht durch Zeichen noch Gruß tat sie kund ihr inneres Sehnen,

Nahm weder Speis noch Trank und lächelte keinem Gesichte,

Denn ihr Herz war erfüllt von der Sehnsucht nach ihrer Tochter.

Doch nach Zeiten begann die erhabene Göttin zu lächeln,

Lachte und jubelte gar inmitten heiterer Scherze.

Metaneira sodann, mit süßem Weine gefüllten

Becher, bot ihn dar der göttlichen Hoheit,

Doch verweigernd sprach die Himmlische: „Roter Wein ist mir fremdlich,

Nicht darf ich ihn kosten. Doch mischet mit Wasser und Minze

Kraut eine Mahlzeit, dies mögt ihr mir geben zu trinken."

Also mischte der Trank Metaneira und reichte der Göttin

Jene erhabene Gabe, wie es die Göttliche wünschte.

So empfing das Opfer die hohe, ehrwürdige Ceres.


Da begann mit freundlichen Worten Metaneira zu sprechen:

Sei gegrüßt, o Dame! Denn wahrlich, edel geboren

Scheinst du mir, denn in deinen erhabenen Augen erstrahlt mir

Königliche Würde, wie sie nur Gerechte bekleidet.

Doch, was auch die Götter uns Sterblichen senden, wir tragen

Willig das Joch, das uns auferlegt ist, freudig wie leidend.

Nun du aber gekommen, so sei willkommen und bleibe,

Sei die Amme des Knaben, den mir die Götter geschenket

In meinem Alter als Trost, als Hoffnung mir, meinem Sohne.

Zieh ihn auf, bis zur reifenden Jugend, dass ihn erwähle

Edle Jungfrau dereinst, die dich dann beneiden wird heftig.

Groß soll werden der Lohn, den ich dir für seine Erziehung

Geben will, denn groß ist die Liebe, die mein Herz ihm bewahret."


Also sprach Metaneira, und Ceres mit langem Gelocke

Gab ihr Antwort darauf: „Dir seien gnädig die Götter!

Gern empfange ich deinen geliebten Sohn an die Brust mir,

Pflege ihn wohl, mit göttlichem Zauber ihn schützend,

Dass kein Zauber ihn treffe, kein Messer ihn je versehre.

Kenntnis habe ich mehr als die weisesten Männer des Waldes,

Zauber zu wirken und Mächte des Unheils zu bannen."


Sprachs, und sie nahm mit göttlichen Händen den Knaben ans Herz sich,

Küsste ihn sanft, und Metaneira war froh in dem Herzen.

So erzog die Göttin im Palaste des weisen Celeus

Demophoon, den stattlichen Sohn der gutgegürteten Mutter.

Rasch wuchs er heran, wie Kinder unsterblicher Ahnen,

Nicht durch irdische Speise noch Milch aus mütterlicher Quelle.

Denn mit Ambrosia täglich salbte ihn langhaarige Ceres,

Wie ein Sohn der Götter ihn hütend auf heiligem Schoße.

Doch in nächtlicher Stunde barg sie den Knaben im Feuer,

Ohne dass es erkannt ward von seinen sterblichen Eltern.

Wunder wirkend, dass schnell der Knabe an Größe erstarkte,

Gleich den Göttern von Antlitz, ein Zeichen des hohen Geschickes.

Wollte ihn göttlich und ewig bewahren, doch ach, in der Nachtzeit

Trat Metaneira herein aus ihrem duftenden Lager,

Sah mit Erschrecken die Tat und brach in Klagen und Weh aus:


Weh mir, weh, mein Sohn! In Flammen versenkt ihn die Fremde,

Taucht ihn tief in den Brand und bringt mir schreckliche Schmerzen!"


So rief sie in Angst, und Ceres, die lieblichgekrönte,

Zorn entbrannte ihr Herz, sie riss aus den Flammen den Knaben,

War ihn zornig und warf ihn, erzürnt, auf die Erde des Hauses.

Sogleich richtete Worte sie an Metaneira, die bebte:


Töricht seid ihr, ihr Sterblichen, stets und voll Überdruss wandelnd,

Sehend, ob Gutes euch naht oder ob das Böse euch heimsucht.

Denn nun ist euch in eurer Torheit die Rettung entschwunden;

Eidlich sprechen die Götter es aus, der Styx ist ihr Zeuge –

Hätte gemacht euren Sohn ich ewiglich unvergänglich,

Hätte geschenkt ihm Ruhm, der niemals vergehet auf Erden,

Doch nun kann er dem Tode nicht mehr entfliehen dem Schicksal.

Dennoch bleibt ihm die unfehlbare Ehre beständig,

Weil er in meinen Armen geruht, in meinen Gezelten.

Doch wenn die Jahre sich drehen im ewigen Kreise der Zeiten,

Dann wird Krieg unter den Söhnen Eleusis beständig sich regen,

Schrecken und Streit, ein unendlicher Zwist wird die Stadt stets zerreißen.

Sehet, ich bin Ceres, die ewig den Ehrenkranz tragend,

Die unsterblichen Göttern und Menschen Freude bereitet.

Darum sollt ihr ein prächtiges Haus mir errichten, ein Heiligtum setzen,

Hoch in der Stadt an der Felswand steil, an dem Hügel,

Der sich über Kallichoros hebt, und darin einen Altar.

Dort will ich selber euch lehren geheime heilige Riten,

Die ihr dann fromm befolgen sollt und gewinnen mein Wohlwollen.


Als sie gesprochen, entfaltete glänzend die Göttin ihr Wesen,

Stieß das Alter von sich und leuchtete göttlich in Schönheit.

Lieblich umwehte der Duft sie, entströmt den duftenden Kleidern,

Und von dem göttlichen Körper erstrahlte leuchtendes Schimmern,

Golden fielen die Locken herab auf schimmernde Schultern,

Also dass ganz das Haus von strahlendem Blitze durchleuchtet.

Also verließ sie den königlichen Palast mit Erhabenheit.


Kaum war sie fort, da bebten die Knie der erschrockenen Königin,

Stumm verharrte Metaneira in ängstlicher Stille,

Lang verharrte sie, unfähig, den sterblichen Sohn aufzuheben.

Doch da vernahmen die Schwestern das klägliche Wehklagen weinend,

Sprangen aus ihren Lagern empor, entsetzt und in Eile.

Eine ergriff das Kind und barg es mit zitternden Händen,

Nahm es an ihren Busen und wiegte es sanft in den Armen,

Eine andere schürte das heilige Feuer von Neuem,

Und die dritte mit eilenden Schritten trug ihn der Mutter.

Aber der Knabe schrie, er ließ sich nicht trösten im Jammer,

Denn viel fester und sanfter Ceres ihn hielt in den Armen.


Die ganze Nacht hindurch im Hause der königlichen Halle

Flehten sie bang die göttliche Hohe zu sanftem Erbarmen.

Doch als leuchtend der Morgen erschien mit strahlendem Antlitz,

Ging Metaneira zum Könige, Celeus, und sprach es:

Wie Ceres, die schön gekrönte, es selbst ihr geboten.

Rasch versammelte Celeus das Volk in ragender Eile,

Hieß es ein stattliches Heiligtum bauen der Göttin Ceres,

Hoch auf dem Hügel, errichtet mit heiligen, prangenden Säulen.

Also gehorchten die Männer sogleich dem ehrwürd'gen Rufe,

Und es erwuchs das Heiligtum der göttlichen Herrin.


Fern von den seligen Göttern saß Ceres in Trauer,

Heiß verzehrte ihr Herz das Verlangen nach zärtlicher Kore.

Da ließ sie auf die Erde herein furchtbare Jahre,

Denn sie verhinderte, dass der Boden die Saaten gebäre.

Ochsen zogen vergeblich den Pflug in den öden Gefilden,

Weißes Gerstegetreide verweigerte fruchtbare Ernte.

So hätte sie fast das Geschlecht der Menschen verderbet,

Hungernd die Opfer verwehret den Göttern des hohen Olympos.

Dieses erkannte der Donnerer Zeus in besorgter Erwägung.

Schnell entsandte er Iris, die goldbeflügelte Botin,

Die Ceres rufen soll zu der Versammlung der Götter.

Rasch gehorchte sie Zeus und stürzte hinab durch den Äther,

Fand die Göttin verborgen im Schatten der Mauern Eleusis,

Trat zu ihr hin und sprach mit flehender Stimme die Worte:


Ceres! Zeus, der ewige Vater, ruft dich von Ferne,

Komm zu den Göttern, du sollst mit ihnen den ewigen Rat pflegen.

Lass nicht ungehört die Botschaft, die Zeus dir gesendet!“


Doch Ceres bewegte sich nicht, noch erhob sie die Stimme.

Wieder sandte der Vater die Götter in ehrlichem Flehen,

Boten ihr schöne Geschenke und Reichtum, unsterblich in Ehren.

Doch sie wies sie zurück, von Grimm und Zorn war ihr Herz voll,

Und sie sprach: „Nie kehre ich heim auf ragenden Olympos,

Noch will ich sprießen lassen der Erde fruchtbare Gaben,

Bis ich mit eigenen Augen die Tochter wieder erblicke.“


Als der Allsehende Zeus dies hörte, der Donnerer, sandte

Er den schnellen Boten, den glänzenden, kundigen Hermes,

Dass er Hades bewege, Persephone zurückzugeben.

Also flog Hermes mit schimmernden Flügeln zum Erebus nieder,

Fand dort Hades, den düsteren Herrn, mit der schüchternen Kore.

Und er sprach mit beredter Stimme gebietende Worte:


Hades, du Herr der Toten, Gebieter der finsteren Schatten,

Zeus befiehlt dir, die Tochter der Ceres heim zu entsenden,

Dass sie die Mutter mit Augen sehe, die trostlos vergeht jetzt,

Denn sie droht, das Menschengeschlecht in Hunger zu tilgen,

Da sie verborgen hält der Erde sprossende Früchte,

Und sie den Göttern versagt die ehrenden, heiligen Opfer.

Lass sie nun ziehen, damit nicht der Zorn sie noch weiter entbrenne!“


So sprach er, und Aidoneus, der Herr der Schatten, er lächelte finster,

Folgte sogleich dem Befehl des gewaltigen Zeus, des Gebieters.

Rasch ermahnte er Kore, die weise, und sprach die Gebote:

"Eile nun fort, o Kore, zur Mutter, die innig dich liebt doch.

Denke mit Wohlwollen an mich: denn wahrlich, du sollst nicht

Immerdar fern sein, niemals herab in die Tiefen entsandt sein.

Denn ich, der Gatte, bin nicht von Göttern der schlechteste wahrlich,

Nicht bei dem Kroniden, dem mächtigen Vater, dem Herrscher.

Hier wirst du walten, regierend, o Kore, inmitten der Wesen,

Alles, was atmet und lebt, was unter dem Himmel sich regt hier.

Ehrfurcht bringen die Götter dir dar und opfern mit Gaben,

Doch wer dich täuschet, wer Opfer verweigert, Gebete,

Der soll ewiglich leiden und niemals dem Schicksal entkommen."


Also sprach er, und Kore, die weise, erfüllte die Freude,

Rasch sie sprang von dem Sitze empor, doch heimlich, bedächtig,

Gab er ihr süße Saaten des Granatapfels zu kosten,

Dass sie nicht völlig entrann aus des düsteren Hades Umarmung.

Dann ließ Aidoneus rüsten den goldenen Wagen, die Rosse,

Spannt' er bereit, die göttlichen, leuchtend im sprühenden Glanze.

Hermes nahm in die Hände die Zügel und peitschte die Hengste,

Eilig dahinflogen sie fort, die mächtigen Pferde.

Nichts hielt auf ihren Lauf, kein Meer und keine Gefilde,

Nicht die Täler des Landes, nicht Hügel, nicht ragende Berge,

Aber sie spalteten luftige Höhen mit donnerndem Fluge,

Bis sie gelangten dorthin, wo Ceres wartend verweilte.


Als nun Ceres erblickte ihr liebes, strahlendes Töchterlein,

Eilte sie nieder, gleich einer Mänade rennend im Walde.

Kore sprang aus dem Wagen heraus und lief ihr entgegen,

Warfen sich liebend um Hals und hielten einander umfangen.

Doch da Ceres ihr Kind in den zärtlichen Armen nun hatte,

Fühlte sie plötzlich den Stich einer furchtbaren ahnenden Ahnung.

Sorgenvoll sie befragt' ihr geliebtes, leuchtendes Kind nun:

"Sprich mir wahrlich, mein Töchterlein, hast du genossen der Speisen,

Dort in den düsteren Hallen des Hades? Verheimliche nichts mir!

Denn wenn du nichts davon aßt, so kehrst du zurück zu den Höhen,

Wohnst mit mir und mit Zeus, dem Vater, den Göttern zur Freude.

Doch wenn du aßest davon, so bleibst du gebunden dem Schicksal,

Drittelt nur sei dein Jahr in der Tiefe, doch doppelt auf Erden.

Wenn aber blühender Frühling das Land mit Blumen umkränzet,

Dann wirst du wieder empor zu den Göttern und Menschen dich heben."


Kore darauf begann mit flehenden, trauernden Worten:

"Mutter, wahrlich, ich sag dir getreulich alles Geschehene.

Denn als Hermes mich rief, der Götter geschicktester Bote,

Sprang ich freudig empor, von Sehnsucht ergriffen im Herzen.

Doch heimlich gab mir der Fürst des Totenreichs in den Mund dort

Süße Speise zu kosten, des Granatapfels Samen,

Zwang mich wider den Willen, und so bin ich nun an ihn gebunden."


Also berührten sie innig einander mit tröstenden Worten,

Fanden sich wieder im Leid, geteilten der Schmerzen Gewichte.

Hekate nahte sodann, die Göttin der nächtlichen Pfade,

Oft umarmten sie Kore, als Freundin und Helferin künftig.


Zeus, der Allsehende, sandte sodann die ehrwürd'ge Rhea,

Trug Ceres die Botschaft des höchsten der himmlischen Götter.

Alle Rechte gewährte er ihr, die unter den Unsterblichen galten,

Doch Kore sollte ein Drittel des Jahres unter der Erde

Leben im Schattenreich, doch zwei Drittel sollte sie oben

Weilen im Licht mit der Mutter und himmlischen göttlichen Mächten.


Also sprach er, und Rhea mit freudigem Eifer gehorchte.

Eilig sie fuhr durch die Lüfte herab zur rharischen Flur hin,

Wo einst goldenes Korn sich wiegte in reifender Fülle,

Doch nun öd lag das Feld, von Ceres verlassen und dürr nun.

Aber als Kore zurückgekehrt war ins strahlende Lichtreich,

Da sprossten die Ähren empor, da füllten sich reifende Halme,

Goldene Garben umspannten die Fluren mit üppigem Reichtum.

Freudig begrüßten sich dort die Göttinnen, heiter im Herzen.

Dann sprach Rhea, die lichtgekrönte, zu Ceres:


Komm, meine Tochter, Zeus, der weitblickende, ruft, 

Der Donnerer, der dich in des Götter Haus ruft, 

Der dir versprochen hat, was Rechte du erlangst 

Unter den Göttern, denen die Unsterblichkeit gelangt. 

Ein Drittel der Jahre musst du in Dunkelheit geh'n, 

In Finsternis verborgen, so wird es gescheh'n. 

Doch zwei Drittel bei uns sollst du hier verweilen, 

Mit den unsterblichen Göttern, den Himmel zu teilen. 

So sprach der große Zeus, und senkte den Blick, 

Und du, mein Kind, gehorche, sei nicht voller Zorn, 

Denn Kronos’ Sohn, der dunkle, ist recht im Tun, 

Er gibt den Menschen die Frucht, Leben und Wohlstand nun.


So sprach Rhea, und Ceres, die Krone getragen, 

Verwehrte nicht, den Frühling heran zu sagen. 

Früchte sprossen, die Erde in Blüten erstrahlte, 

Die weite Welt, von Blättern und Farben umstrahlte. 

Dann ging sie, die Göttin, den Königen kund, 

Zeigte den Königen das heilige Grund, 

Triptolemus, Diokles, der Pferde lenkte, 

Eumolpus, Celeus, die Völker lenkten. 

Ihre Riten, Geheimnisse, lehrte sie leise, 

Erklärte die Mysterien der Erde weise. 

Und Triptolemus und Polyxeinus erhielten Geheimnisse, 

die die Menschheit nie übertreten sollte,

Ehrfurcht vor den Göttern in allem, was geschieht, 

Der, der solche Mysterien erkennt, lebt mit Glück fort, 

Doch wer sich entzieht und ausgeschlossen bleibt, 

Findet im Tod nur Dunkelheit und Flucht vor dem Licht.


Und als sie das Wissen den Königen gab, 

Ging sie zu den Göttern, die oben in Frieden saßen, 

Neben Zeus, dem Donnerer, wohnte sie dort, 

Mit den ehrwürdigen Göttinnen, in heiligem Ort. 

Gesegnet ist der Mensch, der Freiheit erfährt, 

Bald wird Plutus, der Reichtum, ihm erscheinen, unbeschwert,

Senden den Wohlstand, den Menschen zum Leben, 

Plutus, der Geber, gibt Reichtum zu geben.


O Königin Ceres, von Eleusis Land, 

Von Paros und Antron, du gibst den Verstand, 

Die gute Gabe und die Jahreszeiten führst, 

Mit deiner Tochter Kore, die Schönheit verführt. 

Sei gnädig, o Herrin, und segne mein Lied, 

Lass es mit Herz-Jubel in den Himmeln blühn.