AENEAS


POEM VON TORSTEN SCHWANKE


Apostelgeschichte 9


32 Es geschah aber, als Petrus überall im Land umherzog, dass er auch zu den Heiligen kam, die in Lydda wohnten. 33 Dort fand er einen Mann mit Namen Aeneas, der hatte acht Jahre auf dem Bett gelegen, er war gelähmt. 34 Und Petrus sprach zu ihm: Aeneas, Jesus Christus macht dich gesund; steh auf und mach dir selber das Bett. Und sogleich stand er auf. 35 Da sahen ihn alle, die in Lydda und in Scharon wohnten, und bekehrten sich zu dem Herrn.



ERSTER GESANG


Den erhabenen Vater geschultert, den Sohn an der Rechten, 

Schritt aus flammender Stadt, geleitet von göttlicher Mutter, 

Aeneas, der trojanische Held, den rettenden Pfad fort, 

Hin zu den Stränden des Meers, wo Idas Gebirge sich neigt nun. 

Dort, in Antandrus' Hafen, versammelten Flüchtige Scharen, 

Männer, Weiber und Kinder, vom Sturm des Krieges vertrieben. 

Führer ward ihnen der Held, zu suchen ein neues Gefilde, 

Doch noch unkund, wo Schicksal und Götter Ruhe gewähren. 

Emsig bauten sie Schiffe mit Balken gesammelter Trümmer, 

Bis mit dem Frühling bereit die schwankenden Flotten zu segeln.


Er, der Greis Anchises, des trojanischen Stammes Erhabner, 

Gab das Zeichen zum Aufbruch und nahm die Heimat in Abschied. 

Wehklag drang aus den Schiffen, als sie die Küste verließen, 

Bis sie dem Blick entschwand, verhüllt in dämmernder Ferne.


Viele Tage hindurch auf rastlosen Wogen getragen, 

Landeten sie nun dort, wo thrakische Ufer sich breiten, 

Einst beherrscht von Lykurg, dem Gegner bacchischer Feste.

Einstmals treue Gefährten, verbunden durch heilige Bünde, 

Doch nun wankte das Band durch schändlichen Frevel des Herrschers: 

Polymnestor verriet den trojanischen Königssohn, jenen 

Jungen Polydorus, den Griechen lieferte er aus. 

Dort an den Mauern Trojas ward er mit Steinen erschlagen.


Nicht doch wusste Aeneas, auf welchem Ufer gelandet. 

Freudig betrat er das Land mit frohgesinnten Gefährten, 

Baute beginnend die Stadt, ihr Name war Anius eigen. 

Doch als er flehend den Göttern Opfer bereiten wollte, 

Nahm er am heiligen Hain von Myrten und Kornellen Zweige.

Dreimal riss er die Stauden, doch schwarze Tropfen der Erde

Traten hervor, als blutend der Boden schrecklich erzittert. 

Schauer fasste den Helden, als aus den Wurzeln der Zweige

Klagend eine Stimme erklang: "Aeneas, was quälst du 

Mich, den Unglücklichen? Hier liegt mein schändliches Ende. 

Ich, Polydorus, war's, verraten dem grausamen Mörder, 

Priamos' Sohn, den die Griechen erschlugen mit steinernen Händen."


Erschüttert kehrte der Held zum Lager der Seinen zurück nun,

Meldete Vaters Geleit und Häuptern des flüchtigen Volkes, 

Dass sie eilend entflohn von entweihter thrakischer Erde. 

Flugs bestiegen sie Schiffe und segelten fort mit den Winden.


Mitten im Meer, da hob sich eine liebliche Insel, 

Delos, geweiht dem Apoll, der dort aus Letos Schoß kam.

Freundlich empfing Anius, der König und Priester des Gottes,

Aeneas samt seinen Mannen mit heiliger Hand und 

Bot gastlichen Schutz in Apollos erhabenen Tempel.


Demütig kniete der Held vor dem heiligen Göttersitz nieder,

Flehte um Führung und Zeichen, um schützendes Obdach. 

Kaum sprach er die Worte, da bebte des Lorbeers Gezweige,

Erdreich erzitterte laut und des Gottes Stimme erklang nun:

Söhne des Dardaners, kehret zum Land eurer Ahnen! 

Dort, wo der Ursprung war, soll euer Geschlecht einst herrschen."


Staunend verharrten die Männer und grübelten über die Worte.

Doch Anchises erhob die Stimme des greisen Verstands nun:

Dort, in Kreta, liegt unser Stammland, heilig und fruchtbar,

Hundert Städte geschmückt mit des Zeus’ ehrwürdigen Tempeln.

Dorthin lenket das Schiff, denn dorther stammte Teukros, 

Dort ruft uns der Wille des Gottes, dem wir nun folgen."


Segel blähten die Winde, die Schiffe glitten in Weite, 

Hoffnung leuchtete hell auf dem Meer, das Kreta verhieß nun.



ZWEITER GESANG


Froh war das Volk der Geflüchteten über dies göttliche Zeichen.

Ehe sie wieder zur See sich begaben, opferten sie noch

Neptun, dem Beherrscher des Meers, und Phoibos Apollon,

ihm, der mit weisem Orakelspruch ihr Herz nun getröstet,

jedem ein Stier als Gabe, den Winden Lämmer zum Danke:

Schwarzes dem Sturm, dem Zephyr ein weißes, sanft und beweglich.

Dann verließen sie Delos’ Hafen, die günstigen Winde

füllten die Segel; die Wellen zerstobten schäumend daneben.

Inseln sah man allüberall aus dem wogenden Meere

steigen, aus blendend weißem Gestein und ragenden Klippen.

Heiter und klar war der Himmel, der ihren Lauf nun begünstigt,

flink durchmaß das Geschwader die Flut, und jubelnd erhoben

alle gemeinsam den Ruf: „Auf, Freunde! Kreta erwartet!

Heimat der Väter, du wirst nun endlich von uns wiedergründet!“


Kaum war die Sonne zum dritten Male aus Osten geklettert,

hatte die Flotte bereits das Lächeln Kretas erblicket,

wie es Anchises geweissagt. Fröhlich betraten

alle das Ufer, und gastlich empfing die Männer die Bürgerschaft.

Aeneas begann mit Eifer die Mauern zu gründen,

strebte, die Stadt, die ersehnt war, nun auf festem Boden zu bauen.

Bald erhoben sich Mauern und Türme, mit flinker Hand schuf

jedes Geschlecht sein Haus, und Pergamus ward es benannt nun,

gleich der Burg von Troja, die einst auf ragenden Höhen

stand; auch hier nun wuchs auf dem Hügel die wehrhafte Feste.

Bürgerliches begann zu gedeihen, Äcker zu teilen,

Ehen zu schließen, Gesetze zu ordnen für kommende Zeiten.

Doch da sandte die Götterhand ein neues Verderben:

Heiß, unerbittlich verbrannte der Sommer Äcker und Halme,

Gräser verdorrten, und Blüten verwelkten, Frucht blieb verborgen.

Selbst die Menschen ergriff ein schreckliches Sterben; die Kranken

schleppten mit mattenden Gliedern sich durch die verödeten Straßen.

Ratlos versammelte sich das Volk in klagender Sorge,

suchte nach Wegen, sich diesem Schicksal zu widersetzen.

Anchises, der Greis, erhob sich mit sorgendem Antlitz,

sprach: „Wir müssen dies öde Land verlassen, ihr Männer!

Auf, zurück in das Meer, um Apollons Spruch zu erflehen,

ihn zu befragen, wohin der Weg nun weiter uns führe.“

Alle stimmten ihm zu, und eilends begannen die Menschen,

alles, was wertvoll war, wieder zurück auf die Schiffe zu tragen.


Als die Nacht nun sank auf das Land und Kretas Gefilde,

lag Aeneas wach auf seinem ruhelosen Lager,

brütete schweigend in Dunkelheit über all seinem Kummer.

Plötzlich erstrahlte der Mond durch die Wolken, silbern und hehr nun,

warfen die Strahlen sein Licht in die dunklen, hallenden Räume.

Und es erschienen in dieser Klarheit, wundersam leuchtend,

jene heiligen Götter, die einst aus Troja gerettet.

Mächtig erhoben sie ihre Stimme und sprachen mit Trostwort:

Uns hat Apollon gesandt, dich, Aeneas, zu leiten.

Fasse Vertrauen zu uns, die dir durch Stürme gefolgt sind!

Wir werden deinem Geschlecht ein herrliches Reich nun bereiten,

Herrschaft verleihen der Stadt, die einst deine Enkel erbauen.

Nicht in Kreta, nicht hier sollst du dein ewiges Heim nun errichten,

ferne noch liegt dir das Land, das Jupiter selber dir zugedacht.

Hesperien ist’s, so nannten die Alten es, fruchtbar an Äckern,

stark durch Waffen und Macht; Önotrer nannten es früher.

Jetzt erst, Aeneas, erkennst du dein göttliches Erbe:

Dardanus stammt aus jener Erde, von dort auch Jasius, Ahnherr.

Zieh nun weiter, berichte dem Vater, was wir dir verkündigt,

denn nicht Kreta sei euch bestimmt, sondern mächtiges Italien!“


Zitternd erwachte der Held aus der schauerlichen Vision,

kühl war der Angstschweiß, doch Trost auch füllte sein Herz nun.

Betend erhob er die Hände und brachte den heimischen Göttern

Weihrauch dar und ehrte die Flammen des heiligen Herdes.

Dann zu Anchises, dem Alten, eilte er frohen Gemütes,

sprach ihm sein nächtlich Gesicht und die göttliche Mahnung.

Anchises horchte betroffen und neigte sinnend das Haupt nun:

Ja, mein Sohn, nun erst erkenne ich Wahrheit im Schicksal.

Kassandra sah es voraus, doch wir verkannten ihr Wissen!

Hesperien rief sie uns oft, doch hörte sie niemand.

Jetzt ist es Zeit, dem Götterwort endlich Folge zu leisten,

Italien ist unser Ziel! Lasst uns die Segel nun setzen!“


So sprach Anchises. Indessen versammelte alles sich eilig,

Da sie nach Delos bestimmt zur Abfahrt rüsteten eilig.

Doch als neuvernommnen Befehl der Götter sie hörten,

Jauchzten sie laut empor mit freudigem Jubel.

Eilig ward nun gerüstet, nur wenige Kranke verweilten,

Die, noch genesend, in neuem Gefilde blieben zurück dort.

Durch sie blieb die trojanische Siedlung bestehen; doch später

Blühten auf Kreta die Mauern von Pergamus herrlich.

Aber die anderen hoben die Segel, und wieder die Flotte

Steuerte kühn durch die wogende, endlose Meere.



DRITTER GESANG


Als kein Land mehr sichtbar, umher nur Himmel und Wasser,

wölbte sich über den Häuptern der Schiffer ein düsteres Grauwerk,

das aus Nacht und Sturm die furchtbare Wut herbeirief und

zitternd erbebte die Flut in schwarz umhüllter Umnachtung.

Plötzlich entfachten Orkane das Meer zu tobenden Wellen,

bergehoch schlugen die Fluten empor, und auseinander

stürzte die Flotte, zerstreut auf gähnenden wirbelnden Abgrund.

Schwarz hing Wettergewölk, das jegliches Tageslicht raubte,

Regennacht brach herein, durchzuckt von lodernden Blitzen.

Drei entsetzliche Tage, drei sternlose Nächte voll Schrecken

tobte der Sturm, und selbst der lenkende kundige Steuermann,

Palinurus, vermochte nicht mehr in dunkler Verwirrung

Ort noch Richtung zu sehn, wo Winde die Schiffe verschlagen.

Endlich, am vierten Tag, da legte der Sturm sich allmählich,

fern am Rande des Meers erhob sich schattenhaft Berge.

Hoffnung kehrte zurück, die mutlosen Herzen erwachten.

Näher kommend ans Land, da zogen sie Segel und stürzten

kräftig ins Ruder sich, wühlten das schäumende Meer auf.


Doch das unwirtbare Land, das ihnen Schutz nun gewährte,

war der Strophaden eins, die weit im ionischen Meere

liegen, Pelops’ Reich gegenüber, von Schrecknissen heimgesucht.

Hier, auf grausem Gestad, wo kein Erbarmen sich zeiget,

hausten mit Hunger verzerrt die geflügelten Geister der Harpy’n,

die, vom Tische des Phineus verjagt, nun haßvoll

über das Ufer hin kreischten, das ihnen Zuflucht geboten.

Jungfraugesichter besaßen die furchtbaren Geister,

bleich vor ewiger Gier und grausam anzusehen waren.

Krallen tragend an Händen, rissen sie schnaubend die Beute,

die sie im Fluge erhaschten, und machten jeglichen Boden

schauderhaft unrein mit eklem, pestendem Unrat.


Nichts von solchem Unheil ahnten Aeneas und die Seinen.

Fröhlich betraten sie Land, als sicherer Boden erschienen,

Herden von Rindern und Ziegen, die friedlich weideten, ohne

Hirten weit und breit, ein Anblick trügerisch friedlich.

Hunger, von Mühsal gepeinigt, trieb sie zum schnellen Beschlusse,

und mit blinkenden Schwertern stürzten sie mutig ins Weidfeld,

Jupiter opfernd zuvor und den himmlischen Göttern zum Danke.

Kaum jedoch saßen sie froh an der üppigen Tafel,

kam von den Hügeln her dumpf rauschender Flügelschlag nieder.

Stürmisch, wie Wolken getrieben vom Winde, erschienen

plötzlich die Harpy’n, stürzten sich wild auf die Speisen,

rissen, befleckten das Mahl mit schaudererregender Pestluft,

grässlich ertönte ihr Ruf, und ekler Gestank wehte drüber.

Fliehend mit Speis und Altar entflohen die Männer ans Ufer,

suchten im Felsen Schutz, umringt von schattigen Bäumen,

richteten neu das Mahl, entfachten lodernde Flammen.

Abermals rauschte es laut von verborgenen Höhen,

wieder mit Krallen die Schar sich senkte, die Beute zu rauben.

Da, mit Schwertern gerüstet, schlichen sie lauernd ins Gras hin,

deckten mit Schilden sich zu, verborgen im Dickicht des Ufers.

Kaum daß die Vögel sich kreisend von neuem gesenket,

brach aus dem Hinterhalt tobend der zornige Angriff.

Doch kein Eisen durchdrang die schimmernden Federn der Ungetreuen,

keine Wunde vermochte, den grausen Wesen zu schaden.

Hastig entflohen sie wieder, nur eine blieb noch zurück nun,

Celäno mit Namen, die düster am ragenden Fels hing,

fluchend den zitternden Männern das dunkle Geschick nun enthüllend:

Trojas Kinder, ihr mordet das Vieh, das frei euch geweidet,

raubt uns, unschuldige Harpy’n, auch noch das heimatliche Ufer?

Höret das Wort des Phöbos, das mir, der Rachegöttin, vertraut ward:

Ja, nach Italien ziehet ihr, ja, es wird euch empfangen.

Doch nicht eher, so wisset, erbaut ihr ragende Mauern,

bis ein schrecklicher Hunger euch zwingt, von den Tischen zu speisen,

die eure Hände gebaut, und selbst sie zu nagen gezwungen!“

Sprach’s und erhob sich, schwirrte hinweg in schattige Wälder.


Schauder ergriff die Schar, entsetzt stand jeglicher Krieger,

wußte nicht, ob Götter sie strafend verfolgt oder Unhold.

Endlich erhob sich Anchises, die Hände zum Himmel,

flehte, das Unheil zu wenden, die Götter gnädig zu stimmen.

Dann, zu Aeneas gewandt, befahl er, eilends zu fliehen,

fort von verfluchtem Gestad und wieder die Segel zu spannen.



VIERTER GESANG


Nach so mancher Gefahr und nach langen, umherirrenden Fahrten

Sahen sie dämmernd im Ost die küstigen Hügel Italiens.

Italien!“ rief der Held Achates, der Erste, der’s schaute,

Italien!“ jubelten laut die frohlockenden Freunde.

Anchises, der Greis, umkränzte den weiten Pokal sich,

Füllte mit funkelndem Wein ihn randvoll bis an die Ränder,

Stand auf dem hintersten Deck und flehte zu Neptuns Gewalten,

Möchten sie günstig den Wind ihm senden und leichte die Wogen.

Sieh! Da erhob sich sogleich die ersehnte, belebende Brise,

Näher flog nun das Schiff dem sich öffnenden, schützenden Hafen.

Droben vom Hügel des Landes winkte Minervas erhabner

Tempel, den hohen Gestühl von Säulen und Marmor umschlossen.

Eilig rollten sie nun die Segel zusammen und drängten

Schnell die Schiffe zum Strande, voll Hoffnung und heiliger Ehrfurcht.


Weithin ragte der Port in den Fels von den Wellen gehöhlt,

Brandung sprühte empor von zerschellenden Klippen des Ufers,

Rechts und links sank nieder die ragende Mauer der Felsen,

Tief ins schimmernde Meer die weit ausgestreckten Arme.

Mittig im Bogen des Hafens, im dunklen, zurückliegenden Raume,

Stand das heilige Haus, der prächtige Tempel der Göttin.

Doch auf den grünenden Matten, die Ufer mit Frische belebend,

Weideten vier schneeweiße gewaltige Rosse im Grase.

Kriege bedeuten die Ross’!“ rief Anchises in Sorge,

Kriege verheißt uns dies Land, so gastlich es scheinet!

Lasst uns Minerva verehren, die segnend auf uns herniederschaut,

Dann mit geschwinder Fahrt aus diesem Gestade entweichen!“


Hastig folgten sie ihm und flogen zurück in die Wellen.

Weiter schifften sie nun entlang an Italiens Küsten,

Tarents Meeresbucht und Krotons Junotempel vorüber,

An das Felsengetürm der steilen, gefährlichen Klippen.

Schon aus fernem Gewoge erhob sich ragend Sizilien,

Schon vernahmen sie laut das unbändige Brausen der Brandung,

Hörten das donnernde Tosen und schäumende Gischt aus der Tiefe.

Schauet, dies ist Charybdis, das grässliche Riff und Verderben!“

Rief der erfahrene Greis Anchises mit bebendem Herzen,

Greift an die Ruder, ihr Freunde, entreißt uns dem stürmenden Abgrund!“

Kräftig lenkten sie nun nach links in die schäumende Woge,

Palinurus voraus mit dem splitternden Kiel seines Schiffes.

Hoch erhoben die Fluten die Boote gen Himmel hinauf,

Sanken hernieder sodann in klaffende schreckliche Tiefen,

Dreimal erlitten sie dies, bis sie der Strudel entließ.


Treibend gerieten sie nun an die Küsten der Zyklopen,

Wo ein geräumiger Hafen die flüchtigen Schiffe empfing.

Aber es dröhnte der Ätna, der Flammen speiende Riese,

Schleuderte pechschwarzen Rauch und glühende Asche zum Himmel,

Steine von feurigem Schmelz aus innerster Höhle des Berges.

Denn es liegt, so erzählen die Alten, tief unter den Gründen

Enceladus’ mächtiger Leib, von Jovis Blitzen versengt,

Und der gewaltige Ätna, darüber geworfen als Grabmal,

Speit den zornigen Atem des Riesen aus finsterem Schlunde.

Wann er, gepeinigt von Last, sich wälzt in brennendem Schmerz,

Bebt und erzittert die Erde, und Rauch verhüllt den Äther.


Nächtens erreichten Aeneas und seine Genossen die Küste,

Dunkel umschloss sie der Berg, und finster verhüllte die Wolken

Mond und Gestirn, so dass keiner das grauenvolle Getöse

Sah oder ahnte, was drohend im Innern des Berges entbrannte.

Endlich erhob sich Aurora und jagte die Schatten des Morgens,

Als sie am Strande gelagert, ein fremdes, seltsames Wesen

Hervortrat aus dem Walde, mit Lumpen bedecket die Glieder,

Händeringend und bleich mit flehender Stimme rufend.

Schmutz und Dornen umhüllten den halb entblößten Verzagten,

Wirres Haar flog wild im stürmenden Winde dahin,

Und doch erkannte sogleich man die Zeichen des Griechen,

Einen der Feinde, die einst vor Trojas Mauern gestritten.

Zögernd blieb er zunächst, als er sah die rüstigen Männer,

Dann aber stürzte er vorwärts, ergriff die Knie des Aeneas:

Bei den Göttern des Himmels, bei allem, was heilig auf Erden,

Flehe ich flehentlich euch an, Trojaner, rettet mein Leben!

Führt mich fort von dem Ufer, wohin ihr auch immer nun segelt!

Denn ich weiß, ich bin einer des feindlichen Heeres gewesen,

Eurer Stadt Verderben – doch lasst mich nicht schmachvoll verderben,

Lasst mich, wenn Zorn euch noch drängt, doch sterben von menschlicher Hand!“


Jammergebeugt umklammerte er die Knie des Helden,

Schmiegte sich eng an ihn an und wartete bang auf Erwiderung.

Da beschworen die Männer den Fremden, sein Schicksal zu nennen,

Und der ehrwürdige Anchises reichte ihm helfend die Rechte.

Langsam erholte sich jener und sprach mit bebender Stimme:

Stammt aus Ithaka ich, und ich folgte dem listenreichen

Odysseus nach Troja, vom Hunger der Armut getrieben.

Doch als der listige Führer entfloh aus den Höhlen des Unholds,

Mich, den kranken und schwachen, vergaß er im Schatten der Felsen.

Ich aber sah, wie grausam das Ungeheuer die Meinen

Fraß mit gieriger Lust und schrecklichem Magen verschlang.

Doch ich selbst entkam, von den Göttern gnädig gerettet,

Lebte in Furcht unter diesen barbarischen Riesen umher.“

Höret, ihr fremden Gesellen! Wenn ihr dem grausigen Stamme

Nicht zur Beute verfallt – denn hunderte irren wie Polyphem

Durch die Felsen umher – so besteigt nun eilig die Schiffe,

Löset die Seile vom Strand und entflieht aus tödlicher Öde!

Dreimal zählte der Mond den Wandel, seit ich gefangen

wischen Höhlen und Lagern mein Leben schleppend ernähre,

Wurzeln und Beeren nur speisend, stets auf der Lauer verborgen,

Zitternd vor tönenden Tritten des wüsten Geschlechtes der Riesen,

Das mit gewaltigem Brüllen das Felsental widerhallen lässt.

Als ich die Flotte nun nahen sah dem Gestade,

Brachen die Bande der Furcht, und ich eilte herbei mich zu fügen,

Wessen Volk es auch sei, das mich rettet aus grausigem Elend.“


Kaum so sprach er, da sahen die trojanischen Männer vom Hügel

Schon den gewaltigen Riesen mit finster geblendeter Höhlung,

Schreitend durch Herden von Schafen, den einzigen Trost seiner Klage,

Lehnend auf ragendes Holz, ein Fichtenstamm in den Händen.

Bis zum Gestade hinab trat er, ins wogende Wasser

Drang er mit riesigem Schritt, doch reichten die flutenden Wellen

Kaum bis zur Hüfte des Mannes von fürchterlicher Gestalt.

Dort nun beugte er nieder sein Haupt und spülte die Wunde,

Waschend das strömende Blut aus der tief ausgehöhlten Augen,

Stöhnend und knirschend vor Grimm, ein Anblick schrecklicher Kunde.


Eilend die Flucht, die Trojaner; sie nahmen den jammernden Fremdling,

Ob er gleich Feind einst war, der Priams Stadt mit zerstörte,

Hoben ihn eilend hinauf und lösten die Taue vom Ufer.

Doch nun vernahm der Gigant das Rudergeräusch in den Wellen,

Wandt in der brandenden Flut sich hastig dem Klange entgegen,

Griff mit gewaltiger Hand ins Leere und fand nur den Ozean.

Schäumend vor Wut nun erhob er ein donnernd hallendes Brüllen,

Dass Ätnas Klüfte erbebten, die Erde mit Schrecknis erzittert’.

Schon nun stürmte das ganze Geschlecht von ragenden Riesen,

Eilend von felsigen Höhn hinab zum bebenden Strande.

Wie hohe Zypressen und Eichen die Häupter emporstrecken,

Wogten sie drohend gen Himmel und sandten flammende Blicke.


Rückwärts steuerten sie, der Skylla und Charybdis entgehend,

Lenkten den flüchtigen Kiel entlang an der Küste Siziliens,

Geleitet von Achämenides, kundig des Pfades mit Odysseus.

Doch in der Fahrt nun erreichte den Helden schreckliches Unglück:

Anchises, der greise Vater, ermattet von Leiden und Mühsal,

Durft’ nicht mehr Italien sehn, das Land der verheißenen Ahnen.

Schwächer ward er von Stunde zu Stunde, die Sinne versanken,

Und als die Schiffe gelangten ins ruhige Hafenbecken

Drepanums, starb er hin, vom Sohne weinend umfangen.

Ehrenreich nun feierten sie die traurigen Leichengebräuche,

Doch nicht lange verharrt’ Aeneas im Dunkel der Trauer,

Denn der Götter Gebot und Verheißung drängte zum Aufbruch,

Führend das Volk der Trojaner dem Erbe der Ahnen entgegen.



FÜNFTER GESANG


Kaum war Siziliens Gestade entschwunden den fliehenden Schiffen,

Freudig segelten sie durch die Wogen der schäumenden See hin,

Als von Olympus herab die zürnende Juno hinabblickt,

Feindin der Trojaner seit je, und grimmig begann sie:

Sollte mein Wille erlahmen, mein Zorn nun endlich versiegen?

Blieb nicht Troja zerstört? Doch lebt sein Geschlecht noch in Stärke!

Muß der Eidam des Priamos wirklich Italiens Lande

Betreten und dort sich gründen ein neues erhabenes Königreich?

Konnte Pallas allein der siegreichen Griechen Geschwader

Zersprengen und Sturm entfesseln, die Wogen zu Bergen erheben,

Weil der Frevler Ajax die Göttin geschändet mit Frevel?

Und ich, die Herrin des Himmels, des Donners Gebieterin, kämpfe

Jahrelang ohne Erfolg mit einem verhassten Geschlechte?“

Rasend sprach sie’s und flog zu der stürmischen Höhle des Äolus.

Juno beschwichtigte ihn mit verführerischen süßen Versprechen,

Löste den Riegel der Winde – da stürzten sie heulend hervor nun,

Wirbelten heftig umher, zerrissen die Fluten des Ozeans,

Peitschten den Süd und den Nord und den Westen gegeneinander.

Drinnen im Wogengetos erscholl der jammernde Aufschrei,

Striemten die Taue, es zuckten die Blitze, es rollten die Donner.

Aeneas bebte und wünschte, vor Trojas ragenden Mauern

Hätt er den Tod schon gefunden durch Tydens mächtige Lanze,

Oder gefallen von Hektors und Sarpedons Seite,

Dort, wo Achilles wütete, schrecklich mit schimmerndem Speere.

Doch sein Seufzen verwehte der Sturm, der mit tobenden Böen

Segel und Masten zerriß, die schwankenden Schiffe hinaufschob

Hoch zu den Wolken und sie in den gähnenden Abgrund hinabstieß.

Mast brach, Ruder zersplitterte, Meerflut stürzte in Fluten

Über die Decks, und die Kiele, sie schwankten und sanken zur Seite.

Drei von den Schiffen warf auf verborgene Klippen der Südwind,

Drei schleppte der Ost durch brandende Wogen auf Sandbänke nieder.

Eine gewaltige Welle begrub Orontes’ Gefährten,

Schlug ihn hinab in das Meer – sein Schiff drehte dreimal

Wirbelnd im Kreise sich um, dann schluckte der Abgrund es gänzlich.

Auch das gewaltige Schiff des Ilioneus und des Achates,

Jenes des Abas zugleich und das schnelle Schiff des Aletes

Brach der Sturm, und durch leckende Fugen drang wütend das Meer ein.


Jetzt, da Neptun aus dem brausenden Aufruhr der Wellen

Haupt erhob und erstaunt die entfesselten Orkane schaute,

Rief er den Ost und den West und sprach mit donnernder Stimme:

Welch vermessener Trotz hat euer verweg’nes Geschlecht nur ergriffen?

Dürft ihr es wagen, mir ohne Befehl hier Himmel und Erde

Zu mischen und wütende Wogen bis hoch zu den Sternen zu türmen?

Weichet hinweg! Gehet zurück in die Hallen des Äolus!

Ihm sei das Reich der Winde, mir aber gehört die Gewässer!“

Also sprach er und rief die wogenglättenden Geister,

Bändigte tobende See, verscheuchte die drohenden Wolken,

Strahlende Sonne erschien, und das tosend Getümmel erstarb bald.

Schiffe, die krachten an Felsen, stieß er mit Dreizack zurück nun,

Richtete sie auf den Sandbänken auf, daß sie schwimmend entkamen,

Lenkte den Wagen geschwind durch ruhig gewordene Fluten.


Endlich erblickten die Männer die lang ersehnte Gestade,

Zogen die Schiffe ans Land, durchsonnt von friedlichen Hügeln.

Wälder umstanden die Bucht, und zwischen den Felsen verborgen

Sprudelten Quellen hervor, umhüllt von moosigen Bänken.

Dorthin lenkte Aeneas den Rest von sieben Galeeren.

Achates entfachte mit Kieseln rasch eine Flamme,

Trocknete Äste, um Glut in rasendem Wehen zu nähren.

Eifrig luden die Männer das nasse Getreide von Bord ab,

Schufen sich Brot, um die nagenden Schmerzen des Hungers zu stillen.


Unterdessen erklomm Aeneas die ragende Klippe,

Schaute hinaus auf das Meer, ob nicht irgendwo noch die Freunde

Treibe im weiten Gewog – doch Antheus’ Schiffe und Kapys,

Kaïkus’ Flagge erblickte sein sehnender Blick nicht.

Dafür weidete unten am Strande ein Rudel von Hirschen,

Angeführt von dreien, gewaltig an wuchtigem Geweihe.

Rasch entbot er den Bogen, und einer nach dem anderen

Fiel von den Tieren, bis sieben erlegt auf der Erde da lagen,

Ebenso viele, wie Schiffe von Trojas Flotte gerettet.

Dann kehrte er heim zu den Seinen, und Wein ward geschüttet,

Jener, den ihnen einst ein Gastfreund aus Sizilien sandte.

Wort erhob da der Held, den Gram in der Seele verbergend:

Freunde, schon Schlimm’res ertrugen wir, laßt uns ertragen!

Einst wird die Zeit uns lächeln, wo jetzt uns Kummer bedrücket.

Möge das Schicksal uns führen zu jenen Ländern Italiens,

Wo einst Troja erneut erblüht und unser Geschick ruhet!“

Also sprach er, doch Gram tief nagte an seinem Herzen.

Während sie saßen am Feuer, das Wildbret brieten in Flammen,

Hofften, bangten und dachten der Freunde, die fehlten im Sturme.



SECHSTER GESANG


Hoch auf ragender Zinne des hehren Olympos gewaltig

Stand der Göttergebieter, der Herrscher der Himmlischen, Jupiter,

Blickte weit über Länder und Meere, das Volk der Sterblichen,

Lenkte dann seinen Blick auf Libyens Küste hernieder,

Dorthin, wo Dido regierte und eben Aeneas gelandet.

Da trat Venus heran, die traurige Tochter des Vaters,

Tränen schwammen ihr hell in den strahlenden himmlischen Augen,

Und sie begann mit klagender Stimme zu flehen und sprach so:

Vater, was hat dir Aeneas getan, der Dulder der Stürme?

Warum bleibt ihm die Erde verschlossen, Italiens Halme?

Hast du nicht selbst mir verheißen, dass einst aus trojanischem Blute

Rom erstehe, das mächtig gebieten soll über die Völker?

Nur durch dieses Versprechen ertrug ich das brennende Troja –

Sag, warum hast du, Vater, den Sinn so plötzlich gewandelt?“


Sanft nun lächelte Jupiter ihr, der Wolkenverscheucher,

Drückte die Tochter ans Herz und sprach mit donnernder Stimme:

Bleibe getrost, mein Kind, es bleibt, was das Schicksal beschlossen.

Längst ist Lavinium ihm bestimmt in Italiens Lande,

Dort wird siegreich Aeneas im Krieg die Völker bezwingen,

Ordnung stiften und herrschen drei Jahre im weiten Lateinland.

Askanius, sein Sohn, wird Laviniums Sitze verlassen,

Alba Longa erbaut er und führt dort herrschende Zepter,

Dreihundert Jahre waltet das trojanische Königsgeschlechte,

Bis die Vestalin geweiht dem Kriegsgott Zwillinge schenket.

Romulus, von der Wölfin gesäugt, wird Mauern errichten,

Mars geweiht und bestimmt zum Sitz der römischen Völker.

Ewige Herrschaft verleih ich dem Volk, das ich hebe,

Juno selbst wird gnädig sein diesen, den Enkeln des Dulders,

Und aus dem edelsten Stamme wird Julius kommen,

Herrlich, gewaltig im Ruhm, bis zu den leuchtenden Sternen.

Friede kehre dann ein, die Pforten des Krieges verriegelnd,

Und in eisernen Banden gefesselt wird Zwietracht vergehn.“


Also sprach er und sandte den eilenden Götterboten,

Merkur, nach Karthago, den Flüchtlingen Obdach zu schaffen.

Denn dies Land war seit je den Phöniziern Stätte und Heimat,

Und mit liebender Hand beschirmte die Göttin es, Juno.

Dido herrschte hier nun, die Witwe des Fürsten Sychaeus,

Hatte die Stadt mit Mauer und hohen Türmen umgeben.


Morgenrötlich erglühte der Tag, da Aeneas voll Mut nun

Mit dem Freund Achates im Arm, mit Wurfspieß gerüstet,

Durch die Wälder des fremden, geheimnisumwobenen Landes

Wanderte, suchend zu schaun, wo Not und Schicksal ihn führten.

Dort erschien in jagender Eile die göttliche Mutter,

Gleich den spartanischen Mädchen, die stolz durch die Berge sich schwingen,

Flatternd wehte ihr Haar, an den Schultern glänzte der Köcher.

Habt ihr Jägerinnen gesehn, die so durch die Fluren

Laufen, mit Pfeil und Bogen bereit zum heiligen Wilde?“

Doch Aeneas entgegnete schnell: „Nein, edle Gebieterin,

Aber, wer du auch seist, in dir ist Göttliches leuchtend,

Sag uns, wo wir gelandet, von wannen die Winde uns trieben?“

Lächelnd sprach da Venus: „Ihr seid in Tyriers Lande,

Nahe der Stadt Agenor, in Libyens wildem Gefilde.

Dido, die Herrscherin, stammt aus Tyrus, der mächtigen Festung.

Doch ihr Bruder, der König, ermordete einst ihren Gatten,

Gier nach Gold verführte ihn, heiliges Recht zu entweihen.

Dido floh mit Schätzen beladen, von Freunden begleitet,

Landete hier, wo jetzt die Türme von Karthago prangen.

Mit einer Stierhaut umschloss sie das erste erworbene Erdreich,

Byrsa hieß fortan die Burg und wuchs zu der mächtigen Stadt hier.

Nun kennt ihr die Heimat, in die euch Stürme verschlugen –

Doch, ihr Männer, wer seid ihr, aus welchem Geschlechte geboren?“


So entlockte sie Worte dem Herzen des trojanischen Fürsten,

Der von Leiden und Flucht aus Trojas brennenden Mauern

Ihr erzählte – doch Venus, die Mutter, erhob sich bald wieder,

Rings ihr leuchtender Nacken umstrahlt von göttlichem Glanze,

Himmlischer Duft entquoll den wallenden, duftenden Locken.

Und Aeneas erkannte die Göttin, rief, doch vergebens.

Nebelschleier umhüllten die Männer, die Stadt zu betreten,

Unerkannt durch das Land der Phönizier schreitend in Frieden.



SIEBENTER GESANG


Rüstig schritten die beiden im Nebel dahin auf dem Pfade,

Stiegen den Hügel hinan, der ragte hoch über der Stadt hin,

Sah auf die Burg, die droben dem Tal und den Mauern gebot nun.

Staunend betrachtete dort Aeneas die mächtige Festung,

Wo noch vor Zeiten nur arme Gehöfte der Bauern gestanden,

Sah das gewaltige Tor und die breiten gepflasterten Straßen,

Hörte das lärmende Treiben der Menge in wogenden Gassen.

Emsig erbauten die Männer die Mauern, errichteten Türme,

Schleppten mit Kräften die Steine empor auf ragende Höhen.

Andere maßen die Plätze der Häuser, die künftig sie bauen,

Wählten die Richter, den Rat, und fassten Gesetze zusammen.

Andre vertieften die Häfen, errichteten herrliche Bühnen,

Hieben aus felsigem Grund die gewaltigen Säulen der Bühne.

Gleich wie ein schwärmender Bienenstock summte das rüstige Volk hier.


Mitten hinein in die lärmende Menge begaben sich jene,

Unsichtbar schritten sie fort im Nebel, verborgen den Blicken.

Tief in der Stadt nun grünte ein schattiger heiliger Hain dort,

Wo nach den Stürmen des Meeres die Pöner das Zeichen gefunden,

Junos Geheiß: ein schimmerndes Pferdehaupt aus der Erde,

Zeichen des Krieges und künftigen Glücks, das dem Volke gesandt ward.

Hier nun errichtete Dido der Göttin den prächtigen Tempel,

Tore von glänzendem Erz und Stufen von schimmerndem Marmor.

Hier nun fasste sich Mut der Held Aeneas im Herzen,

Sah auf die herrlichen Bilder, die Kunst hier prächtig erschaffen,

Staunte, als er die Kämpfe von Troja gemalt vor sich sah nun:

Priamus, Atriden, Achill, und Rhesus gefallene Krieger,

Troilus, schleifend das Ross, und die trojanischen Frauen,

Hektor geschleppt an den Wagen, die Königin Penthesilea.

Alles erkannte der Held, und dann erspähte er selbst sich,

Wie er den mächtigen Felsen den Feinden von oben entgegenschleudert.


Staunend schaute der Mann auf all diese Bilder der Ahnen,

Schmerz und Freude durchzuckten sein Herz beim Anblick der Kunst hier.

Während er staunte, erschien in der Pracht ihrer Schönheit

Dido, umringt von tyrischen Jünglingen, strahlend und würdig,

Setzte sich hoch auf den Thron in der Halle des prächtigen Tempels,

Teilend die Arbeit des Volkes gerecht nach Schätzung und Losung.

Recht sprach sie, ordnete klug die Gesetze des neuen Gemeinwesens.

Plötzlich sah Aeneas die lang schon vermissten Gefährten,

Sah Sergestus, Kloanthus und viele der teukrischen Männer,

Die durch die Stürme getrennt an fremde Küsten verschlagen.

Freude wie Angst ergriff sein Herz beim ersehnten Erkennen,

Gerne gestrebt’ er, die Freunde zu grüßen mit inniger Rechten,

Doch noch zögerte lang er im Nebel der göttlichen Hülle,

Hoffend, des Schicksals Fügung bald aus ihren Mündern zu hören.


Als nun die Männer hervor aus der Menge zur Königin traten,

Wort erhielt ihr Anführer Ilioneus und begann nun:

Göttliche Herrscherin, siehe, wir sind nur umherirrend’ Fremdlinge,

Trojische Männer, verschlagen von Stürmen auf wogende Meere.

Nach Italien trieb uns der Wunsch, doch tobende Stürme

Rissen uns fort und warfen uns hier an die klippenumgürteten Küsten.

Viele von uns sind gefallen, zerschmettert die Schiffe im Meere.

Übrig blieben nur diese, die hier an euer Gestade gelangten.

Doch was sind das für Völker, die drohend die Fremden empfangen?

Bietet ihr Gastrecht nicht an, noch scheut ihr die Götter des Himmels?

Unser Gebieter war Aeneas, gerecht, fromm, edel wie keiner.

Ist er gerettet, dann wird euch die Gunst, die ihr zeigt, nie gereuen.

Lasst uns die leckenden Schiffe am Strande zur Heilung erheben,

Schaffet uns Balken und Ruder aus Wäldern, um weiterzufahren.

Findet sich unser Gebieter und rufen die Zeichen zum Aufbruch,

Folgen wir froh nach Italien weiter dem göttlichen Willen.

Ist er verloren im Meer und sind unsre Hoffnungen gänzlich

Weggenommen, so bitt’ ich um Schutz, o mächtige Herrscherin,

Dass wir zurückkehren dürfen zu gastlichen Küsten Siziliens.“


Doch die Königin senkte den Blick zur Erde hinunter,

sprach dann leise und sanft: „Vertreibt die Furcht aus den Herzen!

Troer, höret mein Wort! Mein Schicksal ist bitter und härte,

jung mein Reich, und gezwungen bin ich, mit wachsamen Wachen

Grenzen zu schützen ringsum vor Feindeslist und Gefahren.

Doch nicht fremd ist uns Troja! Wir kennen der Stadt und des Volkes

Leid und Verderben, die Helden, den Ruhm ihrer mächtigen Waffen,

sahen den Untergang nahn und hörten vom Sturz ihrer Mauern.

Nicht so fern ist mein Land, dass uns kein Bote erreichte,

nicht so hart unser Sinn, dass Schmerz uns nicht rühren vermöchte.


Wählt ihr Hesperiens Flur als Wohnstatt oder Siziliens

reiche Gefilde, so nehmt von mir Hilfe und Gaben!

Reichet die Hände mir dar, ich will euch rüsten zum Weitziehn.

Bleibt ihr lieber hier, so sei euch die Stadt und das Land wohl

offen, um Heimat zu gründen mit gleichen Rechten wie Bürger.

Denn nicht minder als euch bedrückten mich Schicksal und Stürme.

Euren König indes will ich mit sicheren Boten

suchen in Wäldern und Fluren: Vielleicht, dass er irrend

irgend gestrandet umher noch weilt in libyschen Städten.“


So vernahm in der Wolke die Rede der Königin jener,

den die Sehnsucht verzehrt, den Schleier endlich zu lüften.

Hörst du es, Sohn der Göttin?“ so sprach Achates mit Flüstern,

Schiffe und Freunde sind heil – nur einer, den Wogen verschlangen,

fehlt uns. Doch Mutter sprach, was jetzt sich vor Augen uns zeiget.“

Kaum war das Wort verklungen, so teilte der Nebel sich schwindend,

öffnete lichte Gefilde, und Aether umfing sie in Klarheit.

Da nun stand Aeneas, im Glanz wie göttliche Wesen,

strahlend von Schultern und Haupt, von göttlicher Schönheit umgeben.

Locken gab ihm die Mutter, gewunden in glänzende Wellen,

rosig leuchtete Jugend ihm zart auf Wangen und Stirne,

Huld in den Augen ein Strahl, ein Glanz aus himmlischen Höhen.


Staunend blickten sie auf ihn; doch er wandte sich edel

hin zur Königin nun und sprach mit erhabener Stimme:

Sieh, da bin ich, der Trojaner, den du verlangtest,

gerettet aus Libyens Flut, Aeneas, Anchises’

Sohn! O Königin hoch, die du Mitleid zeigst den Bedrängten,

gnädig aufnimmst die Trümmer des unglückseligen Volkes –

ewig wird Ruhm dir strahlen! Es lohne der Himmel dein Walten!

Selig die Eltern, die dich erzeugt in erhabenen Tagen!

Nie wird dein Name vergehn, so lange die Erde noch stehet!“


So sprach er, und eilend umarmt’ er die zitternden Freunde,

beide Hände zugleich ihnen reichend mit glühendem Herzen.

Dido, vom ersten Staunen erwacht, erhob ihre Stimme:

Bist du also Aeneas, den einst Anchises, dein Vater,

an des Simois Flut mit Venus als Mutter empfing?

Vieles vernahm ich von euch aus Väters Mund, als in Zypern

kriegerisch kämpfte Belus, und Teukros kam zu ihm eilend.

Dieser erzählte von euch und euren erhabenen Taten,

rühmte die Ahnen zugleich, da auch er von Teukros entsprossen.

Kommt nun, tretet herein in die Hallen der gastlichen Stadt mir!

Auch ich floh aus der Heimat, ein Schicksal wie eures bedrückte

mich, und ich lernte am Leid, wie Leidenden Hilfe zu bringen.“


Also sprach sie und führte den Helden hinauf zu Palästen,

wo in prunkender Pracht schon Tafeln und Speise bereitet.

Tempel geschmückt mit Girlanden, und goldene Becher erstrahlten,

Tische von Silber erfüllt, und Purpur zierte die Wände.


Dennoch brannte im Herzen des Helden väterlich Sorgen.

Achates schickte er eilig zur Flotte, zu rufen

Askanius, den Sohn, und freudige Botschaft zu bringen.

Auch Geschenke befahl er zu holen, gerettet aus Troja:

Mantel mit goldenen Fäden gewirkt, den Schleier der Helena,

wundersam schönes Geschmeid’ aus Sparta, Geschenk ihrer Mutter,

Zepter der Ilione, Priamus’ ältester Tochter,

schimmerndes Gold mit Perlen besetzt und glühenden Steinen.

Schnell nun eilte Achates den Pfad hinab zu den Schiffen.



ACHTER GESANG


Doch nicht ruhte mit Frieden die himmlische Mutter der Liebe,

Venus, die Sorge der Heldin umschlang ihr besorgtes Gemüthe;

Fürchtete doppeltgesinnte Tyrer, das tückische König-

Haus, und Juno, die feindliche Schutzfrau des hiesigen Landes.

Also ersann sie mit listigem Sinn ein gänzliches Neues:

Daß ihr Sohn, der schöne Cupido, Gestalt des Askanius

Nehme und an dessen statt in die prächtigen Hallen

Karthagos schreite. Sobald die königliche Dido

Ihn auf dem Schoße wiegt in der Gastmahls festlicher Runde,

Ihn holdherzig umfängt und mit küssendem Munde liebkost,

Soll er heimlich das brennende Gift der Liebe ihr hauchen.


Willig gehorchte der Sohn dem Befehl der strahlenden Mutter,

Schwungen entledigt, eilend die täuschende Rolle genössend,

Gleich an Gestalt dem edlen Julus, geführt von Achates,

Trog er den ahnungslosen Gefährten. Indessen entrückte

Venus den echten Askanius sanft in den Hain Idaliens,

Wo er im duftenden Schatten der kühlen Majoranblüten

Schlummernd lag, von göttlicher Ruh' und Wonne umfangen.


Also betrat der trügende Gott mit Achates die Hallen,

Wo auf goldenem Thron, von köstlichen Teppichen prangend,

Dido thronte; die Helden des trojanischen Volkes

Kamen herbei und lagerten rings sich purpurner Kissen.

Wasser zum Reinigungsbrauch und Tücher reichten die Diener,

Brote aus Körben; fünfzig emsige Mägde in langen

Reihen beschäftigten sich am dampfenden Herde der Küche;

Hundert weitere hoben die prächtigen Speisen zu Tische

Auf, und goldene Becher, geziert mit Edelgesteinen.

Tyrier strömten hinzu und nahmen an Tafeln die Plätze,

Staunend bestaunten die Schätze des tapferen fernen Gastes.

Doch bald schauten der Blicke mit glühender Sehnsucht auf jenen,

Der als Julus erschien, mit geheuchelten Küssen den Vater

Umfing und kluge, bezirzende Worte mit listigem Munde sprach.

Doch Dido, gefangen in göttlichem Zauber, versank schon

Tief in den Blick des Knaben und glühte in schwankender Seele.


Endlich sprang der Gott von den trügenden Armen des Vaters,

Drängte zur Königin hin und schmiegt' sich an ihre Brust nun.

Arglos nahm sie ihn auf und herzte den liebreichen Knaben,

Spürte nicht, welcher himmlische Macht sich innig ihr dränge.

Doch er vermengte mit schlauer List das Bild des entschwundenen

Gatten mit neuer Glut und weckte versiegte Gefühle.


Als sich das Mahl dem Ende geneigt, die Tische geleeret,

Füllten die Diener die Krüge mit weinroter Flut aufs Neue.

Lautes Getöse hallte durch goldgeschmückte Gemächer,

Nacht war hereingebrochen, und glänzende Lichter erhellten

Prachtvoll hängend herab die prunkenden Deckengefache.

Dido erhob sich und faßte mit herrlicher Hand eine Schale,

Reich an Golde gewärzt und geziert mit funkelnden Steinen;

Hoch hielt sie sie, sprach mit feierlich ehrendem Rufe:

"Jupiter, heil'ger Beschirmer des gastlichen Bundes,

Segne die Tyrier heut' und die trojanischen Freunde!

Spätere Enkel mögen mit Lust noch dieses gedenken!

Bacchus, Freudenschenker, und Juno, segnende Göttin,

Seid uns hold in dieser festlichen Stunde!"

So sprach sie,

Goss das Opfer hin aus, dann nippt' sie vom schimmernden Becher,

Reichte dem führenden Hauptmann der ehrbaren Tyrier diesen.


Bald kreiste der Pokal in den Reihen der fremden Gefährten,

Lieder erschollen, besungen ward Ursprung der Menschen,

Tiere und Welt in klingenden Weisen zur goldenen Zither.

Dido indes hing an den Worten des kühn erzählenden Helden,

Hörte mit klopfendem Herzen der Leiden furchtbare Kunde,

Schlürfte in langen Zügen das Gift der entflammenden Liebe.



NEUNTER GESANG


Tief ins Herz der Königin drangen die Mienen, die Worte,

Die der Held ihr sprach; und als längst aus dem Saal die Gäste

Heimgeschritten, verbrachte sie Stunden des Kummers im Lager,

Schlaflos grübelnd. Doch endlich erhob sie sich, suchte die Kammer

Ihrer geliebtesten Schwester, der traulich vertrauten Gefährtin,

Öffnete ihr das Herz und begann mit zitternder Stimme:

»Anna, o Schwester, mich quälen seltsame Träume des Nachts.

Welch ein wundersam Gast betrat die erhabenen Hallen!

Welche Waffen er trägt, welch Mut in den leuchtenden Blicken!

Sicher entstammt er den Göttern, das zeugt seine hohe Gestalt mir!

Welche Stürme durchmaß er, wie viele Gefahren bestanden!

Wahrlich, wär' ich nicht fest in mir selbst und hätte geschworen,

Keinen Gatten zu nehmen, nachdem mein erster mir starb,

Könnt’ ich vielleicht in die süße Versuchung der Liebe geraten.

Eher möge die Erde mich schlucken, der Blitz mich zerschmettern,

Ehe ich Treue breche dem Mann, der mich innig geliebt hat!

Mit ihm nahm er mein Herz, und er soll es im Grabe bewahren!«

Also sprach sie und weinte; die Stimme versagte dem Munde.


Sanft erhob nun Anna ihr Wort und blickte sie mitleidsvoll an:

»Dido, geliebte, warum vergeudest du Jugend in Trauer?

Meinst du, der Staub deines Mannes achte auf deine Entsagung?

Blick umher, wo du lebst: dich umringen wilde Numider,

Gätulischer Kampfesmut naht und die dürren Gefilde,

Feindliche Scharen von Tyrus, der Bruder voll grimmiger Zwietracht!

Glaube mir, nicht umsonst führten die Götter die Schiffe

Jenes Helden hierher, von Juno begünstigt und sicher.

Welche Macht, wenn ihr beide euch eint, entstünde der Stadt hier!

Wie das Reich der Pöner sich stolz mit Trojas Ruhm krönte!

Opfre den Göttern, erweise die Gastfreundschaft mit List ihm,

Finde Verzögerung, halt ihn zurück mit schmeichelndem Zaudern,

Bis sich die Stürme gelegt und die Flotten zur Fahrt sich bereiten.«

Also sprach sie und schürte das glühende Feuer im Herzen,

Nahm ihr jegliche Scheu, und Dido begann sich zu regen.

Tempel betraten sie nun und brachten Opfer den Göttern,

Dann durchschritt mit dem Helden die Königin prunkvolle Straßen,

Zeigte die Pracht ihrer Stadt und feierte prunkvolle Feste,

Herzte Ascanius zärtlich, das Bild seines Vaters betrachtend,

Konnte sich nimmer sätt’gen am Leid der fallenden Troja.


Dieses sah von den Höhen die göttliche Juno des Himmels,

Wähnte den rechten Moment, um Aeneas zu binden

An diese fremde Gefilde, ihm fern das verheißene Reich zu.

Rasch nun suchte sie Venus, begann mit freundlicher List ihr:

»Wahrlich, du hast gesiegt, dein Sohn hat Didos Herz nun!

Doch warum länger im Zwist? Warum nicht Frieden beschließen?

Lass uns die Völker vereinen, ein Bündnis in Ewigkeit schließen!

Dido liebt deinen Sohn – welch herrliche Fügung der Schicksals!

Lass sie Gattin ihm sein, und Tyros sei seine Mitgift!«

Sanft entgegnete Venus, doch merkte sie wohl die Betrügerin:

»Wie, könnte ich es verwehren, wenn Juno es selbst schon beschlossen?

Doch fürchte ich sehr, dass Jupiter solches missbilligt.

Du bist seine Gemahlin – du wirst es mit Bitten erzwingen!«

Freudig erwiderte Juno: »Dies sei mir überlassen!

Einzig den Bund will ich jetzt mit schicksalhafter List nun vollenden!«

Nickend schien sie zu fügen, doch spottete Venus im Innern.


Morgens sodann begann die königliche Jagd durch die Fluren,

Herrlich versammelt das Volk, mit Speeren und Netzen bewehrt sich.

Prunkvoll stand an den Toren der Zelter der herrlichen Dido,

Goldgeschmückt und mit Purpur behangen, schäumend am Zaume.

Endlich trat sie hervor in gesticktem Gewand aus Sidon,

Goldenes Diadem um die Stirn, und Purpur umschloss sie,

Von der Schulter herab hing ihr glänzender köcherner Bogen.

Vier der Trojaner geleiteten sie, mit Julus dem kühnen,

Endlich gesellte sich auch der Schönste der Helden, Aeneas.


Weithin jagten sie nun durch Berge, Schluchten und Täler,

Wild floh aufgeschreckt in die offene Flur hinab.

Julus, der Knabe, sprengte verwegen mit stürmischem Rosse,

Sehnsucht trieb ihn zum Kampf mit gewaltigen Löwen und Ebern.

Doch im Wahn der Jagd vernahmen sie nicht das Grollen

Drohender Himmel, nicht sahen sie Wolken sich ballen,

Bis ein sausender Sturm durch Wälder und Fluren entbrannte.

Tyrier flohen, mit ihnen zerstreuten sich Trojas Gefährten.

Als nun strömende Bäche die Pfade durchrissen,

Fand sich Dido allein mit dem Helden in felsiger Grotte.

Dort nun tobte das Wetter, es dröhnten Blitze und Donner,

Juno verband nun die Seelen mit trügischer göttlicher List.

Dido, berauscht von der Glut, vergaß ihre Furcht und ihr Zögern,

Ließ sich treiben vom Feuer, das brannte in wallender Liebe.

Aeneas, betört von der Leidenschaft, sank in die Arme,

Schwor ihr mit schwankendem Eide die ewige Treue der Herzen.



ZEHNTER GESANG


Kaum war das Ungewitter verrauscht, da fanden sich wieder

Jäger und Fürstentross; an der Seite der schönen Dido

Kehrte der Sohn des Anchis’ in die glänzende Stadt und Paläste.

Feste folgten auf Feste, der Abschied war nicht zu bedenken,

Winter kam schon heran – und Aeneas weilte noch immer.


Doch nun regte sich Fama, die Göttin des tückischen Rufes,

Hastete schwirrend umher durch Libyens Städte und Länder.

Seltsam wandelbar war sie, geboren von mächtiger Erde,

Jüngste der Schwestern der riesigen Söhne des Himmels.

Schüchtern zuerst und klein, doch wachsend mit jeglichem Schritte,

Schwillt sie empor und streckt ihr Haupt in die finsteren Wolken,

Gleitend mit flinkerem Fuß als der Wind über Felder und Dächer.

Schrecklich anzusehen ist sie, mit flaumigen Federn bedecket,

Zungen besitzt sie so viele wie Augen, die funkelnd

Blicken in alle Welt, und ebenso zahllose Ohren.

Nächte durchstreift sie wach, nie schließt sie die lodernden Lider,

Rauscht durch die Schatten der Welt, ein nächtliches, rastloses Ungetüm.

Tagsüber aber, gelauert auf Giebel und ragende Türme,

Kräht sie und schreckt mit Gekrächz die Städte, die Völker, die Lande,

Wahrheit verkündend zuweilen, doch ebenso Lug und Verleumdung.


Jetzt erfüllte sie schon die Gefilde des weiten Libyens,

Breitete freudig den Schall: „Ein fremder Held ist gekommen,

Trojas Sohn, ein Aeneas genannt, und Königin Dido

Liebt ihn, hat ihn zum Gatten erkoren, vergaß ihre Pflichten.

Hin ist das Reich, und entglitten sind ihr die Zügel der Krone!

Winter vergeuden die beiden in üppigem Rausch und in Schwelgerei!“

Solche Worte entströmten dem Munde des schrecklichen Weibes.

Dann aber lenkte sie eilends den Flug nach Numidiens König,

Jarbas, den jüngst Didos Verachtung mit Schmerz noch getroffen.

Ihn nun entflammte ihr Wort und fachte den Zorn in ihm lodernd,

Denn er, Jupiters Sohn, ein Herrscher mit heiligen Tempeln,

Hatte dem Vater geweihte Altäre geschmückt und mit Blumen

Kränzte die Hallen, erfüllt von den Flammen der ewigen Opfer.

Jetzt, von dem hässlichen Ruf ergrimmt, erhob er die Hände,

Flehte zum Vater im Zorn und rief zu den ewigen Himmeln:

Hörst du dies, allmächtiger Gott, und schleuderst die Blitze nicht nieder?

Dido, die Landflüchtige, sie, die von mir das Gefilde

Nahm zum Pflügen, das Reich zum Herrschen – verachtet mich schamlos,

Schenkt dem feigen Trojaner ihr Herz und ergötzt sich in Wollust?

Wir aber, törichte Toren, wir füllen die Tempel mit Opfern,

Glauben an dich und hoffen vergebens auf deine Gerechtigkeit!“


So sprach er, und faßte den heiligen Altar des Gottes.

Jupiter hörte den Sohn, und sein Blick durchmaß die Gefilde,

Sah auf Karthago herab, und befahl nun eilend Merkur:

Was treibt Aeneas dort? Ich rettete ihn aus den Stürmen,

Riss ihn heraus aus dem Fall von Troja, den blutigen Kämpfen,

Gab ihm die Bürde des Reichs, dass Rom durch ihn werde gegründet!

Eil ihm entgegen, gebiete, dass schleunig er aufbricht von dannen!“


Blitzschnell schnürte Merkur die geflügelten Sohlen und rauschte

Nieder zur Stadt, wo er fand den Helden bei prunkenden Bauten,

Glänzend das Schwert, und der Mantel, den Dido gewoben,

Leuchtete purpurn herab von den Schultern des strahlenden Mannes,

Mehr wie ein Fürst der Tyrer, nicht länger ein Sohn aus dem Stamme Trojas.

Nahe trat ihm der Gott, den Blick nur Aeneas enthüllend,

Zischte mit scharfem Wort ins bebende Ohr des Erstaunten:

Weichling, willst du in fremden Palästen verweilen und träumen?

Weißt du nichts mehr von deinem Geschlecht, von Askanius’ Zukunft,

Von dem Reich, das aus deinen Taten erstehen soll, Rom?

Schnell sollst du fort von hier! Dies spricht der Vater des Donners!“


Kaum war der Götterbote entflohn, da starrte Aeneas

Lange verstört und tief in den Wirbel der drängenden Sorgen.

Doch das Gebot des Himmels entbrannte in seiner Gedanken,

Nichts mehr vermochte die Seele zu lenken als eilende Flucht.

Heimlich berief er die Getreuen und gab das Gebote:

Rüstet die Schiffe sogleich, versammelt die Männer am Strande,

Haltet bereit die Waffen, doch wahret die höchste Verschwiegenheit!“

Selbst indes ersann er die Stunde, wie sanft er der Königin

Künden könne den Spruch des himmlischen göttlichen Willens.


Aber wer könnte sich je dem liebenden Herzen verbergen?

Dido, sie ahnte die List, sie bebte vor banger Vermutung,

Hatte die tückische Fama doch längst das Unheil geraunet.

Rasch nun irrte sie, wild vor Gram, durch Straßen und Gassen,

Stürzte zuletzt vor den Mann, den einzig sie liebte, und flehte:

Treuloser! Dachtest du wirklich, zu fliehen im Dunkel der Nächte,

Heimlich, entziehend den Blicken, verborgen vor meinem Erbarmen?

Hält dich nicht Liebe zurück, nicht meine Tränen, mein Elend?

Mitten im Winter ziehst du davon, vor Stürmen erschrecklich?

Lieber dem grausamen Nordwind verfallen als in meinen Armen?

Warum fliehst du mich, Aeneas? Bei allem, was einst dich mir einband,

Bitt’ ich dich flehend: O bleib! Erbarm’ dich des sterbenden Hauses!

Meinetwegen hassen mich jetzt die Stämme Libyens alle,

Ja, auch Tyrer verachten mich schon um deinetwillen.

War ich einst unsterblich, nun bin ich versunken im Abgrund,

Gastfreund, denn Gatte bist du mir nicht – wem lässt du die Sterbende?

Soll ich harren, bis Pygmalions Schwert mich zerfleische,

Bis Numidiens König mich knechtet und fesselt mit Ketten?“


So sprach Dido, verzweifelnd; doch Aeneas, gewarnt schon

Von Jupiter, stand unbewegt und preßte die Schmerzen

Tief in das Herz hinab. Dann sprach er endlich mit Kürze:

Solang ich mich kenne, o Königin, solang mein Geiste

Lebt in den Gliedern, vergeh’ ich nicht Didos Erbarmen.

Denke nicht, daß ich mich feig in der Nacht davonschliche!

Nie warst du mein Weib, kein Ehebund hat uns einen,

Niemals rief ich das Licht der bräutlichen Fackel herbei.

Dürft’ ich nach eigenem Willen mein Schicksal selber gestalten,

Troja würd’ ich erneut und Priamos’ Hallen erheben!

Aber nach Italien ruft mich Apollo zu steuern,

Dort ist mein Herz, mein Schatz, dort meine väterliche Erde.

Sollt’ ich Ascanius je um sein Königreich betrügen?

Jupiter selbst befiehlt, und Merkur mahnte mich leibhaft.

Quäle dich nicht und mich mit vergeblichen Klagen!

Nicht aus eigenem Willen folg’ ich dem rufenden Schicksal.“


Seitwärts gewandt, schon lange, mit rollenden Augen,

Maßt’ ihn Dido vom Fuß bis zum Scheitel im schweigenden Grimme,

Dann brach zürnend sie aus: „Nicht göttliche Mutter gebar dich,

Nicht Dardanus zeugt’ dich, aus Felsen des Kaukasus sproßest

Du, und hyrkanische Tiger tränkten dich mit ihrer Milch!

Weint’ er bei meinen Tränen? Fühlte er inniges Mitleid?

Nahm er den scheidenden Blick zur Lebenden einmal noch auf sich?

Schiffbrüchig kam er, arm, zu meinen Küsten getragen,

Gab ihm nicht meine Hand Gefährten und Flotte zurück?

Hob ich ihn nicht zu meines Thrones strahlender Höhe?

Nun, da ein Orakel und Götter ihn mahnen zur Reise,

Fühlt er nicht Scham, Verrat mit Heiligem Wort zu bemänteln?

Fahre nun hin, ich halte dich nicht! In den Stürmen

Suche dein Italien – doch meine Rache wird finden!

Schattenhaft folg’ ich dir nach, und büßest du einst, so vernehme

Tief ich im Hades dein Leid und lache im düsteren Reiche!“

Sprach’s, und die Stimme versagte; entkräftet und atemlos sank sie

Nieder, von liebender Dienerinnen Armen gehalten.


Tief im Innersten fühlt’ Aeneas das Leid der Verlass’nen,

Zog sich doch strenger zurück, dem Göttergebot nur gehorchend.

Eilig rüstete sich die Flotte zum günstigen Winde,

Dido erblickte vom höchsten Turm die geschäftigen Ruder,

Horchend dem Rauschen der Segel, dem Schall der rufenden Schiffer.

Anna,“ sprach sie erregt, „sieh dort am Gestade das Treiben!

Hörest du nicht, wie flatternd die Segel im Winde sich blähen?

Alles ist fertig, o Schwester! Hätte mein Herz es geahnet,

Leichter noch trüg’ ich’s! Doch eile, versuch ihn zu rühren!

Dich hat er stets geehrt, dir seine Sorgen vertraut.

Gehe, beschwöre ihn, frage, ob jemals ich Troja

Schädigte, Griechen gleich, in Aulis Ränke geflochten,

Ob ich des Vaters Asche entweiht und frevelnd verstreut hätt’?

Bleibe nicht hier, doch schenke mir Zeit für mein Leid,

Raum für den Schmerz, bis meine Seele das Schicksal ertrage!“


Flehentlich sprach sie, und Anna geängstigt begab sich

Eilig zum Helden, doch unbeweglich blieb sein Entschluß schon,

Gottverschlossen sein Ohr, so schmerzlich auch innig sie bat.

Wie wenn stürmische Nordwinde an mächtiger Eiche

Rütteln, doch tief in die Erde gegraben wurzelt der Stamm fest,

Seine belaubten Wipfel im Winde rauschend erzittern –

So stand fest der Held, ob auch das Herz ihn bewegte.


Dido erkannt’ ihr Geschick und wünschte sich sterbend zu sinken,

Mocht’ nicht mehr sehen den Himmel, noch atmen das Licht.

Schrecklich ein Zeichen erschien ihr beim heiligen Opfer:

Blut ward der Wein, den funkelnd sie goss in die Schale.

Niemandem sprach sie’s aus, auch nicht der liebenden Schwester.

Dennoch erschien sie in Heiterkeit, Hoffnung im Auge,

Trat zu Anna heran und sprach mit leiser Verstellung:

Juble mit mir, o Schwester! Denn endlich hab ich ein Mittel,

Welches den Flüchtigen mir zurückbringt oder mich heil macht.

Eine Äthiopierin, aus Hesperidengärten entsendet,

Kennt den Zauber, der Herzen zwingt und Fesseln der Liebe

Löst, und ihr Ritus verlangt ein geheimes Opfer.

Darum errichte mir still im Hof einen Scheiterhaufen,

Leg’ darauf die Gewänder, die Waffen des treulosen Mannes,

Alles, was von ihm bleibt, auf dass ich mich löse von ihm!“


Dido sprach und verstummte, ihr Antlitz bedeckte die Blässe,

Totenblässe, die leis' sich auf ihre Züge gesenket.

Anna, die Schwester, erkannte nicht, welcher Entschluss sie bewegte,

Sah nicht das Opfer als Zeichen der Tat, die ihr Leben beschließen

Sollte, noch ahnte sie Wahnsinn und Schmerz im Herzen der Schwester.

Nichts fürchtete sie, als einst bei des ersten Gemahles Hinscheiden,

Tyrier Sychäus, und eilte, den Auftrag getreulich zu enden.


Hoch nun ragte der Holzstoß, errichtet aus Kien und aus Eichen,

Und die Königin kam, umrankte ihn feierlich, schmückte

Zypressenzweige daran und Blumenketten gewunden.

Dann das Gewand und das Schwert, das Bild des hehren Aeneas,

Legte sie still auf den Scheit, und rings erhoben sich Altäre.

Rauschend das Haar, begann die Seherin dunkle Beschwörungen,

Rief die Götter herbei, die unter der Erde gebieten,

Goss den Höllentrank aus auf die Flammen des lodernden Scheiters,

Kräuter, geschnitten im nächtlichen Glanz der mondenen Sichel,

Warfen sie darauf mit dumpfem Murmeln geheimer Beschwörungen.

Dido indes zog heim, zur letzten Ruhe des Lebens.


Doch auf dem hohen Verdeck, da lag Aeneas im Schlummer,

Tief in die Träume gesenkt, denn fest stand seines Bleibens

Ende beschlossen. Doch siehe, es naht ihm im Traume der Götter

Flügelschneller Bote, der eilig ihn mahnend ergreifet:

Sohn der Göttin, erwache! Was schläfst du in tödlicher Stunde?

Nicht siehst du die drohenden Zeichen, die Rache, die Treulos?

Horch, wie günstig die Winde dir rauschen! Fliehe, solange

Noch dir die Flucht gegeben, denn Arglist spinnt ihre Netze!“

Erschrocken fuhr er empor und rief seine mutigen Männer,

Trieb sie hastig zum Schiff und drängte zum eilenden Aufbruch.


Früh nun dämmert' der Morgen, die Königin stand auf dem Söller,

Sah das verlassene Ufer, die Segel, die ferne verschwanden.

Schmerzlich zerriss sie die Locken, die blonden, schlug an die Brust sich,

Rief nach der Amme, befahl, die Schwester solle erscheinen.

Doch als sie einsam war, da stürmte sie, rasend vor Wahnsinn,

Hin zum Scheiterhaufen, bestieg ihn mit bebenden Schritten,

Griff nach dem Schwert, das einst ihr treuloser Liebender schwang,

Warfen sich hin auf das Bett, das Kleid, das Zeichen des Helden,

Sprach mit sterbender Stimme ihr letztes Wort in die Lüfte:

Süße Reliquien, Zeugnis vergangener Tage,

Nehmt dies Leben von mir, befreit mich von quälender Sehnsucht!

Dido hat ausgekämpft, ihr Schicksal hat sich erfüllet.

Nicht als ein Schatten nur steig’ ich hinab in die Tiefe!

Stadt hab’ ich gegründet, erblickt die ragenden Mauern,

Rächte den Gatten und strafte den feindlichen Bruder.

Alles wäre vollbracht – doch landete Troja nicht hierher!“

Schweigend sank sie dahin, ins Lager gedrückt das Antlitz,

Stieß sich das schneidende Schwert in bebender Brust und verschied.


Schreie ertönten im Palast, die Mägde verstummten

Erschrocken, da sahen sie Dido am Boden zusammen-

Sinken, vom blutigen Stahl durchbohrt, die Hände gerötet.

Stöhnend lief durch die Hallen ein heulendes Jammergeschrei,

Und die erzitternde Stadt erbebte im Weh der Getreuen.

Anna, die Schwester, vernahm auf dem Wege zum Opfer

Schrecklich die Kunde, zerriss sich die Wangen mit Nägeln,

Stürzte durch tobendes Volk, durch wirbelnde Reihen der Menge,

Sah die Vergehende, rief mit klagender Stimme zum Himmel:

Schwester, was hast du getan? Warum mich nicht mit dir genommen?

Hast du mich hintergangen, mein Herz in den Abgrund gerissen?

Ach, du mordetest Stadt und Volk und Väter und Ahnen!“

Rasch stieg sie auf den Holzstoß, umarmte die sterbende Königin,

Die noch mit schwankendem Blick zur Schwester flehend erhob sich.

Dreimal strebte sie auf, dreimal sank sie zurück in die Arme,

Atmete aus den Geist und sank in Umarmung von Anna.



ELFTER GESANG


Aeneas musste, von göttlichem Willen getrieben, die Strafe

tragen für Didos Tod, den sein Leichtsinn selbst herbeigeführet.

Neuen Irrfahrten, wiederholtem Unglück erlag er:

Stürme verschlugen ihn rückwärts hin zu den Küsten

Siziliens, wo ihn gastlich empfing der edle Acestes,

dessen Mutter aus Troja stammte. Hier, an den Gräbern,

feierte feierlich er des Anchises' schattige Seele,

den er ein Jahr zuvor im Sand von Drepanum bettete.


Aber indes, von der Botin Junos – Iris – verleitet,

zündeten feuerwild fluchend die müden trojanischen Weiber

Schiffe in Flammen, sodass vier herrliche gänzlich verbrannten.

Jupiter selbst erhörte Aeneas‘ Bitten und sandte

plötzlich Regenguss nieder, die übrige Flotte zu retten.

Nächtlich erschien ihm Anchises, der väterlich ratend

sprach, dass er Schwache, Greise, die wehrlosen Alten

lassen solle zurück, nur mit mutigen Männern gen Latium

segeln, geführt vom göttlichen Ruf des schicksalsgeleiteten Vaters.


Folgend dem Wink, so gründete dort er die Stadt Acesta

und besiedelte sie mit den Frauen und Greisen der Flotte.

Dann mit den Kräftigen brach er erneut auf hoherem Meere.

Neptun, vom Flehen der Göttin der Liebe bewegt, gewährte

ruhvollen Fahrtwind und segnete friedlich die Wasser.

Nacht kam, und sorglos schlummerten selbst an den Rudern

kräftige Männer, von sanfter Brise gewiegt in den Tiefschlaf.

Schlaf, der tückische Gott, sank nieder vom funkelnden Äther,

nahte, Phorbas' Gestalt sich nehmend, dem wachsamen Steuermann,

Palinurus, und sprach mit leiser, schmeichelnder Stimme:

Sohn des Jasius, sieh, wie das Meer die Schiffe schon selber

trägt, wie sanfte Lüfte dich mahnen, Ruhe zu nehmen!

Lege das müde Haupt, erquicke die blendenden Augen;

komm, ein Stündlein nur will ich dein Steuer bewachen!“


Palinurus, die Augen, vom Schlummer schon schwer, erhob sie,

sprach noch kämpfend: „Ich soll mich dem trügerischen Gewässer

anvertrauen? Mich, den so oft der himmlische Schimmer

trügend verführte?“ So sprach er und hielt sich fest an dem Ruder.

Doch da netzte des Schlafes Zweig ihn mit tropfendem Lethe,

schloss seine Lider, ließ ihn in tiefen Schlummer versinken.

Plötzlich brach das Steuer, und taumelnd fiel der Verderbte

kopfüber ins Meer, von Wogen verschlungen, vergeblich

rufend Genossen, die selbst im süßen Traume versanken.


Doch die Schiffe glitten geführt vom göttlichen Meereswächter,

weiter bis endlich Italiens Küste die Blicke erhellte.

Angekommen, erblickte Aeneas des Tiber gewaltig

gelbflutendes Wasser, umrauscht von schwebenden Vögeln.

Hier am Gestade begrub er in Ehre die treue Amme,

Kajeta genannt, und gab der Stätte den bleibenden Namen.


Dort in Latiums Land, das dem Greise Latinus gehörete,

breiteten Städte und fruchtbare Äcker sich friedvoll.

Einen Sohn hatte der König nicht, doch eine Tochter,

Lavinia, die schönste, umworben von mächtigen Fürsten.

Turnus, strahlender Jüngling, begehrte ihr liebliches Antlitz,

doch die Götter erregten mit Zeichen Unheil und Zwietracht:

Lorbeer ragte, geheiligt dem strahlenden Phöbus,

plötzlich ein Schwarm von summenden Bienen umklammerte Äste,

hängend in schwerer Traube vom Gipfel des grünenden Wunders.

Weise deuteten Seher: „Fremde von drüben kommen,

fremder Fürst wird herrschen im Hause Latinus’!“

Schrecklicher noch das Omen, als Lavinias Locken

flammend aufloderten, gleißende Glut durch den Saal warf!

Volk erschauerte tief, denn brennende Zeichen verkünden

Krieg und Verderben – ihr aber leuchtete himmlisches Schicksal.


Und Latinus ratlos befragte die Götter des heiligen Vaters.

Antwort ward ihm: „Nicht einheimischen Freiern, nur Fremden

gehört Lavinia! Jener, der kommt aus der Fremde und Ferne,

wird ein mächtiges Volk und ein Reich ohne Ende begründen!“


Am Ufer des Tibers lag Aeneas, der Held aus der Ferne,

Mit Julus, dem Sohn, und den tapfer bewährten Gefährten.

Schattender Baum umhüllte die Männer mit kühlendem Dunkel,

Dort nun rüsteten sie sich ein Mahl nach mühevoll’ Fahrtzeit.

Eilig bereitend, vergaßen sie jegliches Schiffgerät unten,

Buken statt Tischen und Tellern sich breite, duftende Fladen,

Legten darauf die Speisen, die dürftig das Land ihnen boten.


Als nun alles verzehrt, was sie führten aus trojanischer Erde,

Blieb doch der Hunger; da griffen sie lachend zu Brot und zu Tischen,

Bissen hinein mit Eifer und stillten die nagenden Mägen.

Schalkhaft sprach da Julus: »Wir essen die Tische, o Vater!«

Schweigend standen die Männer, betroffen vom seltsamen Worte,

Tief in den Ohren erklang es mit schicksalsträchtigem Nachhall.

Plötzlich sprang Aeneas empor von dem schattigen Boden,

Rief mit erhobener Stimme: »Gegrüßet, ihr seligen Ufer!

Hier ist das Land, das uns heilige Schicksalsmächte verhießen!

Nicht mit Schrecken, wie einst uns die Harpyie Celäno verkündet,

Hat sich erfüllt der Spruch, doch vollendet ist nun die Mahnung:

Hunger, so krächzte sie wild, soll zwingen die Söhne des Troja,

Selbst ihre Tische zu speisen an fremd und unbekannten Küsten.

Nun ist es geschehen! Der Schwur ward wahr, den Anchises,

Mein vielwissender Vater, mit ernstem Munde verkündet:

Wenn ihr genötigt vom Schicksal die eigenen Tische verschlinget,

Endet die Fahrt; dann gründet mit Mörtel die ragenden Mauern!‹«


Froh nun schritten die Männer und suchten im fruchtbaren Lande,

Wo ein Volk hier wohne, wo ragten die Burgen der Herrschaft.

Bald schon sandten sie eilig Gesandte zum Könige Latin,

Der in Laurentum herrschte, geweiht von väterlich’ Ahnen.



ZWÖLFTER GESANG


Anchises’ Sohn erwählte aus allen Schiffen des Heeres

Hundert Männer, geübt im Wort und geschickte Gesandte,

Die zu dem König der Laurenter hinüber sich wandten.

Diese trugen den Ölzweig, bebändert, gleich Schutzflehenden,

Schritten dann eilends voran und erreichten die Stadt der Latiner.


Jenseits der Mauern erblickte man Latiums Söhne beim Spiele,

Rasten zu Pferd und zu Wagen umher, warfen den Speer weit,

Spannten den Bogen und trafen mit Pfeilen das fernste der Ziele,

Rangen im Faustkampf und maßen sich schnell in rennenden Wettlauf.

Plötzlich erschien nun der Fremden Schar, und ein eilender Bote

Ritt in die Stadt, um dem König die Kunde zu bringen, dass Männer,

Edlen Geschlechtes und stattlich an Wuchs, in Frieden sich nahten.

Dieser gebot unverzüglich, sie ladend, ins Haus einzuführen,

Sammelte rings sich die Seinen und saß auf dem Thron seiner Ahnen.


Prachtvoll ragte des Königs Palast auf ragender Feste,

Hundert Säulen umstanden ihn dort, und ein heiliger Hain stand

Dicht ringsum mit ehrfurchtgebietenden ragenden Bäumen.

Dort, in der Halle, saß auf dem Thron der greise Latinus,

Wies die Gesandten heran und sprach mit wohlwollendem Antlitz:


»Eures Geschlechtes Ruhm ist mir wohlbekannt, o ihr Dardaner,

Lang schon kündeten Zeichen mir euer bevorstehend Kommen,

Seit ihr unstet die Meere durchzogt und unstete Küsten.

Mögt ihr durch Stürme verschlagen hier sein oder mit Absicht:

Wisset, dass euch nicht feindliche Lande empfangen, o Fremde!

Kennt in den Latinern das friedliche Volk des Saturnus,

Das ohne Zwänge des Rechts und Gesetz in Milde regieret,

Frommer Sitten gedenkt und in edler Freiheit sie wahret.

Dardanus selbst, so kündet die Sage, entstammte den Landen,

Die wir bewohnen, und kehre durch euch in die Heimat zurück nun.«


Darauf begann Ilioneus, der zum Sprecher erkorene:

»Nicht durch Orkane verschlagen, nicht fehlgeleitet vom Sterne

Sind wir, erhabener Sohn des Faunus, ans Ufer gekommen.

Freien Willens betraten wir dies dir gehörende Land hier,

Suchend den Boden, den Göttergebot uns befahl zu betreten.

Wir sind Flüchtlinge nur aus herrlicher, mächtiger Heimat,

Jupiter selbst ist Ahnherr des edlen trojanischen Stammes,

Aeneas, Sohn der Göttin, entsendet uns vor dein Antlitz.

Aller Welt ist das Schicksal von Troja bekannt und sein Ende,

Auch an dir, großer König, ging diese Kunde nicht vorüber.

Daher flehn wir um friedliche Rast und ein Stück dieses Bodens,

Dass wir die Götter, die wir gerettet, hier wieder erheben.

Nimmer wird es Italien reuen, uns aufzunehmen,

Stammt doch Dardanus selbst aus diesen fruchtbaren Landen!

Darum gehorchten wir willig den göttlichen, heiligen Mahnungen.

Um dir zu zeigen, dass wahrhaftig wir sind, die wir sagen,

Bieten wir Gaben dar aus trojanischer hoheitlicher Schätze:

Priamus’ Königsmantel, den er im Rat einst getragen,

Sowie das Zepter und Schmuck aus trojanischer Frauen Geschicklichkeit,

Und diesen Becher, aus dem Anchises Opfer geweiht hat.«


Während er sprach, saß sinnend der Greis und neigte die Stirne,

Wenig achtend der Gaben, die reich vor dem Throne sich häuften,

Tief im Herzen erwog er den Spruch seines Vaters Faunus:

Aeneas selbst sei der Bräutigam, der ihm verheißen,

Jener, der herrschen werde mit seiner geliebten Lavinia,

Jener, aus dem das Geschlecht entsprieße, das Welten beherrsche.

Da erhob er sein Haupt, und sein Antlitz erstrahlte in Freude,

Freundlich blickte er auf und begann mit gewichtigem Worte:


»Mögen die Götter ihr Wort und unser Beginnen nun segnen!

Euren Bitten gewähre ich gern und nehme die Gaben,

Doch soll Aeneas selbst zu mir kommen, zu eigenem Schauen.

Bringt ihm die Botschaft von mir, und sagt ihm, dass meine Tochter

Nicht einem Manne des Landes vermählt sein wird nach dem Spruche,

Sondern dem Fremden, den göttliche Zeichen verkündeten!«


Darauf befahl er sogleich aus dem prunkvollen Stalle

Rosse zu holen, dreihundert standen an goldenen Krippen,

Jedes bedeckt mit purpurnem Stoff, mit schimmerndem Zaume,

Goldene Ketten umhingen die Brust der gewaltigen Tiere.

Aeneas selbst aber sandte er einen Wagen mit Doppelgespann,

Schnaubende Rosse, entstammt aus unsterblichem Gottegezüchte.



DREIZEHNTER GESANG


Dieses Glück des Aeneas ertrug nicht die eifersüchtige Juno,

Sah mit zornigem Blick hinab auf Italiens Frieden.

Rief aus tiefster Nacht die Furie, Alekto, herauf ihr,

Dass sie Zwietracht sä’ in Latiums blühendem Lande.

Schwebend flog die Furie schnell in Amatas Gemächer,

Wo die Königin lag, von Sorgen geplagt in Gedanken,

Denn die Ankunft Trojas Füglingen naht' ihr mit Ängsten,

Und die geplante Vermählung von Lavinia schmerzte.

Heimlich warf aus dem Haar sie eine giftige Natter,

Dass das Scheusal sich tief in ihre Brust hineinbiss

Und ihr Herz durchschlich mit düsteren wilden Gefühlen.

Schnell verwandelte sich das Gift in schimmernden Schmuck ihr,

Kränzte schlangengleich sich in Schleier und goldene Locken,

Drang durch alle Glieder und träufelte Gift in die Adern.

Noch war nicht ihr Mark durchtränkt von der grausigen Hitze,

Doch schon wogte ihr Herz in klagender mütterlicher Sorge:

Grausamer Gatte, so schenkst du die Tochter den Fremden?

Weißt du nicht, wie oft du Turnus die Hand hast gereichet?

Nun verstoßt du den Freund und preisest die heimatlos Irrenden?“


So mit Jammern sprach sie und klagte dem Gatten die Schmerzen,

Doch er blieb entschlossen und hielt an seinem Beschlusse.

Da erst füllte das Gift der Furie völlig ihr Inn'res,

Riss sie tobend hinab in den Strudel des rasenden Wahnsinns.

Jubelnd floh nun Alekto hinfort aus dem Hause,

Schwang sich eilig empor zu Ardeas ragenden Mauern,

Wo der Jüngling Turnus in tiefem Schlummer noch ruhte.

Dort entledigte sie der finsteren Furienkleider,

Schien als Greisin nun, mit Runzeln bedeckt und mit Schleiern,

Hager das Haar, umschlungen von welkem Olivengeflechte.

So erschien sie ihm gleich der Priesterin Calybe ähnlich,

Trat vor Turnus hin und flüsterte Worte des Zornes:

Siehst du, Turnus, in Schmach dein Königreich an die Fremden

Ausgehändigt? Erwach! Entflamme das Volk in den Waffen!

Brenn’ die Schiffe der Feind’ und fege die Trojaner hinweg nun!“


Doch nur lachend erwiderte Turnus die düstre Erscheinung:

Alter, dein Geist wird irre und täuscht dich mit wahnhaften Bildern.

Krieg ist Männersache – du kümmre dich um die Altäre!“

Doch erzürnt entflammte die Furie, schüttelte zischend

Schlangenhaar und ließ ihr glühendes Feuer ihn packen.

Plötzlich warf sie die Fackel, die finster flackernd in Flammen

Tief in seine Brust sich brannte, mit loderndem Wahnsinn.

Schweiß umströmte sein Glied, sein Herz erbebte in Flammen.

Rasend sprang er empor und rief nach leuchtenden Waffen,

Schleuderte Worte der Wut und glühte in kriegerischer Gier schon.

Morgen kaum war erwacht, da rief er sein Volk in die Waffen,

Hieß es, kampfbereit wider Latinus und Troja zu rüsten.


Doch noch eilte Alekto zum Tiberstrand in den Wäldern,

Wo mit Jagdspiel Julus den Flussuferforst durchstreifte.

Dort entfachte sie Wut in hetzenden, gierigen Hunden,

Träufelte dunkles Feuer in Nasen und schärfte die Sinne.

Auf ein herrliches Wild, ein Hirsch mit ragenden Geweihen,

Trieb sie wütend die Meute, dass heulend sie folgte den Spuren.

Doch der Hirsch war gehegt und lebte als Freund in den Wäldern,

Aufgezogen am Hofe, geliebt von den Hirten des Königs.

Silvia, Tyrrhus’ Tochter, pflegte ihn sanft mit den Händen,

Kämmte sein Fell, umschlang mit Blumen die schimmernden Hörner.

Sanft war sein Herz, es ruhte in Frieden bei Menschen,

Freudig kehrte es heim am Abend zur Hütte des Hirten.


Auf der Fährte des Hirsches, des schönen, des zahmen, da hetzte

Furiengleich Askanius’ Hundemeute die flüchtige Beute.

Eben verließ das Tier den glühenden Sand an dem Ufer,

Lechzend nach Kühlung, und tauchte hinab in die Strömung des Tibers.

Doch da erblickte der Jüngling das herrliche Wild und er spannte

Biegend den Bogen, entsandte den Pfeil in die Eingeweide.

Auf fuhr stöhnend das Tier aus den Wellen, mit blutenden Flanken

Wankte zur Hütte des Herrn und schleppte sich sterbend zum Stalle,

Winselte kläglich um Gnade, erfüllte mit Wehklag das Haus.

Silvia hörte zuerst sein Seufzen und rief mit Geschrei nun

Bauern der Flur herbei, die eilend mit Knüppeln und Pfählen

Kamen, bewaffnet zum Kampf; auch Tyrrhus selbst war gerufen,

Der mit gewaltigem Beile den Stamm einer Eiche gespalten.

Doch als Alekto die Stunde ersah, die Verderben verhieß,

Stieg sie empor auf den Giebel des Hofs und blies mit dem Hornlaut

Dröhnend den Ruf in die Weiten, dass rings die Gefilde erbebten.

Auf kam wütend das Volk, die Landmänner rannten in Haufen,

Doch auch den trojanischen Jünglingen kam eine Schar nun

Freunde zu Hilfe geeilt, und bald erhob sich ein Schlachten.

Erst waren Prügel zur Hand, dann blitzten in flammendem Zorn schon

Schwerter gezückt, und Bogen gespannt in den Händen der Krieger.


Zuerst flog aus trojanischem Bogen der pfeilende Todstrahl,

Traf in die Kehle den ältesten Sohn des Tyrrhus, den Almo,

Dass ihm die Stimme versagte und sterbend das Leben entfloh.

Blutig begann das Gemetzel, es fielen die Hirten in Haufen.

Selbst der ehrwürdigste Mann des Latinerlands, der gerechte

Güterreiche Galäsus, der hundert Pflüge geboten,

Fünfmal Schaf- und Rinderherden besaß auf fruchtbarem Grunde,

Trat in die Reihen der Wütenden, Frieden zu flehen – vergeblich.

Denn in den Pfeilregen fiel er, und blutend versank er ins Dunkel.

Bauern, besiegt und verwirrt, entflohen nun hastig den Äckern,

Trugen die Leichen hinweg, den Almo, den alten Galäsus,

Klagen erschollen, und flehend erhob sich der Ruf zu den Göttern.

Strömend drängten die Scharen heran zu Latinus dem Könige,

Riefen um Rache und Recht, mit tobender Stimme Turnus

Schrie, dass das Reich dem Trojaner verraten, verkauft sei.

Lärm erfüllte den Saal, und dröhnend erbebte die Halle.

Doch Latinus verharrte, ein Fels in des stürmenden Meeres

Brandender Flut, doch endlich entrang sich klagend die Stimme:

Wehe mir, wie der Sturm mich fortreißt! Ach armes Latiner-

Volk, du kämpfst gegen der Himmlischen Willen und büßest mit Blute!

Turnus, auch du wirst nimmer der Rache des Himmels entrinnen.

Schon wähnt’ ich den Hafen erreicht, nun stürzt ihr in Stürmen

Mir noch den Frieden dahin – nicht einmal sterben in Ruhe!“


Doch der erbarmungslosen Juno, der Feindin von Troja,

Dauerte zögerndes Zaudern zu lang, sie flog aus den Wolken,

Nieder zur Stadt, wo der alte geheiligte Tempel des Krieges

Stand, mit ehernen Riegeln verrammelt, gehütet von Janus.

Denn wenn die Ältesten Roms zum rächenden Kampfe gerüstet,

Öffnete feierlich selbst der König die Tore mit Händen.

Drängend rief ihn das Volk – doch Latinus verweigerte bebend

Schrecklichen Dienst und barg sich im tiefsten Schatten des Hauses.

Juno jedoch mit göttlicher Hand die ehernen Pfosten

Stieß aus den Angeln, und donnernd aufsprang die Pforte des Krieges.



VIERZEHNTER GESANG


Ganz Italien, so friedlich zuvor und in Ruhe gebettet,

Flammte gewaltig empor und stürzte sich jählings in Kriege.

Schilde wurden geglättet in Häusern, die Speere gespitzt schon,

Äxte gewetzt auf dem Stein, und die Hörner riefen zum Marsche.

Fahnen flatterten hoch, es griffen die Männer zu Waffen:

Jene zu Fuße bereit, in den Staub die Wege zu wirbeln,

Andere schwingend sich hoch auf rossigen Rücken zum Sturme.

Wagen rollten einher mit gewaltigem Donner der Räder,

Gold und Eisen erglänzte in Strahlen von Panzer und Klinge.


Aus den Städten des Landes erschienen die Helden des Altertums,

Söhne von Göttern gezeugt und gepriesen als Sprösslinge Höchster.

Allen voran in erhabener Schönheit wandelte Turnus,

Waffen erstrahlten in Händen, und ragend um einen Scheitel

Über die andern erhob er sich hoch mit dreifachem Helmbusch.

Oben auf goldener Kuppel der fauchenden Chimära Zeichen,

Wuchtig geprägt auf dem Schild war die leidende Io zu schauen,

Eben verwandelt zur Kuh, Argus bewacht sie mit Blicken,

Vater Inachus gießt den Strom aus der himmlischen Urne.

Dicht ihm folgend in Reihen gedrängt, die tapferen Krieger:

Rutuler, Latiner, Sikaner, Aurunker, Ausonens

Helden in Scharen, und Mezentius kam mit dem Sohne,

Lausus, der mutige Jüngling, verehrt und geliebt von den Seinen.

Aventinus, Herkules' Sohn, aus ehrwürdiger Mutter,

Katillus und Koras, der Brüder geschwisterlich Ehre,

Tiburtus' Söhne aus Tibur, und viele andere Krieger.

Hoch zu Roß kam die Volsker Heerschar glänzend in Erze,

Angeführt von der Jungfrau, der edlen Kamilla, der Fürstin.

Hände von Frauen geformt zum Schaffen an Rocken und Webstuhl

Hatte sie nie, doch erzogen zum Kampf in den rauhesten Stürmen.

Flüchtigen Rosses gewandt durchstürmte sie wogende Saaten,

Ohne ein Hälmchen zu beugen, die Ähren im Tanze geschont noch.

Schimmernd und prächtig erschien sie in königlichem Purpur,

Locken gefasst mit goldener Nadel, den Köcher geschultert,

Bogen in Händen und scharf war die Lanze zur Seite geschmieget.


All dieses Waffengeklirr, die Kriegsheere wogen in Strömen,

Sorgten Aeneas schwer, den Helden und seine Gefährten.

Doch in der Nacht, in den Träumen, da stieg aus den Fluten

Tiberinus, der Gott des Stroms, in meerblauem Kleide,

Schilf um sein Haupt, ein Greis mit ehrwürdiger Stimme.

"Sorge nicht, göttlicher Held, denn vergangen ist aller Götter

Zorn wider dich! Und ein Zeichen dir kündigt die Wahrheit:

Jene Eiche am Ufer, sie birgt eine schneeweiße Mutter,

Sau mit dreißig Jungen, die dort am Boden gelagert.

Dort wird Askanius einst, in dreißig Jahren vergangen,

Alba Longa erbauen, die Mutterstadt Roms in den Hügeln.

Jetzt aber eile sogleich, zu wahren dich vor Gefahren!

Jenseits des Stromes, in Tuskerland, hausen die Pelasger,

Arkaden, Pallas entstammt ihr uralter König.

Freunde sind sie dir, wiewohl sie dem Stamme der Griechen entsprossen.

Bündet mit ihnen das Schicksal! Sie werden dir treulich zur Seite.

Opfre der mächtigen Juno, versöhne sie gnädig durch Demut,

Dann begib dich getrost zu Euander, dem herrlichen König."


Als er so sprach, da verschwand er. Erwachend befolgte

Schnell Aeneas den Rat, erwählte zwei Schiffe mit Freunden,

Lenkte zum Ufer den Blick, und siehe, die Weissagung wurde

Wahr, denn am Rande des Waldes, umrauscht von mächtigen Eichen,

Lag die Sau mit den Jungen, schneeweiß erglänzend im Morgen.

Sogleich ergriff er das Messer, zu opfern der Himmlischen Hoheit,

Juno die mächtig und streng, ihr Herz mit Gaben zu mildern.


Dann bestieg er die Schiffe, die Tiber war spiegelnd und ruhig,

Still wie ein See lag das Wasser, die Fluten gebändigt vom Gotte.

Wundernd schauten die Wellen hinauf zu den rudernden Männern,

Staunend die Ufer im Dunkel, da bunte Verdecke sich hoben,

Schilde im Licht hell glänzten, im leichten Schwung sich bewegend.

Fuhren sie Tag und Nacht durch das grüne gewundene Tal hin,

Endlich am Morgen erblickten sie Mauern, die ragten auf Höhen.

Berge, die Stadt Pallanteum bewahrten auf mächtigem Gipfel,

Dort hin lenkten sie steuernd das Haupt der rüstigen Schiffe.


Gerade da opferte feierlich Euander, der König,

Herkules heiliges Mahl mit Sohn und ritterlich Jüngling.

Rauch aus Altären erhob sich, Blut dampfte von Opfern.

Plötzlich erblickten sie Schiffe, die schimmerten hoch in den Wellen,

Schweigend, doch schnell im Ruderschlag nahten die fremden Gestalten.

Erschrocken erhob sich das Volk, das Mahl zu verlassen begierig,

Doch mit beherztem Gebot sprach Pallas, der mutige Jüngling:

"Haltet, Freunde, und lasst nicht stören des Festes heiligen Frieden!"

Selbst ergriff er den Speer und eilte mit Sprüngen den Fremden

Mutig entgegen, den Hügel hinab mit dröhnenden Worten:

"Männer, wer seid ihr, was sucht ihr auf unerforschten Gewässern?

Bringt ihr Frieden und Licht oder Krieg, um uns zu verderben?"


Doch aus dem Schiffe erhob sich Aeneas, schimmernd die Rüstung,

Olivenzweig in der Hand, als Zeichen des ehrlichen Friedens.

"Trojaner sind wir, und suchend nach Freunden in drängender Notzeit,

Kommen wir her zu Euander, auf dass er uns Hilfe gewähre.

Denn aus Latiums Fluren vertreiben mit Waffen die Feinde

Friedlose uns, die Flüchtigen, rauben uns Heimat und Frieden."


Staunend hörte der Jüngling den Namen des ruhmreichen Volkes,

Freudig rief er empor: "Willkommen, edler Gefährte!

Komm mit uns, du bist unser Gast, mit Freude geleiten wir gerne

Dich zu meinem Vater, auf dass du willkommen ihm seiest!"


Pallas empfing den entstiegenen Mann mit herzlichem Handschlag,

dann erhob bald wieder der Held sein bittendes Anliegen

vor dem König Arkadiens, doch nannte sich selber er nicht.

Jener jedoch betrachtete scharf die Augen, die Züge,

prüfte Gestalt und Stimme des Sprechenden lange,

sprach dann endlich: „Gern nehm' ich dich auf, tapfrer Troer,

denn nicht bergen dein Volk und dein Name sich meinem Erkennen.

Wort und Stimme verraten den Sohn des herrlichen Vaters,

Anchises tritt mir erneut in lebendiger Klarheit vor Augen.

Wohl entsinne ich mich noch des Fürsten, Priamos' Bruder,

als er gen Salamis zog mit seinen erlesenen Helden,

Hesiones Reich, seiner Schwester, der Gattin des Telamon,

dort zu besuchen und auf dem Weg auch Arkadien sah.

Damals sprosste mir erst der jugendlich zarte Flaum auf

Wangen, und voller Ehrfurcht schaute mein staunendes Auge

Priamos selbst und das Volk, das ihm folgte mit hohem Gebaren,

doch vor allen den strahlenden Anchises. Ich konnte

kaum mein Verlangen bezähmen, ihn anzureden, die Rechte

ihm zu bieten zum Gruß. Er nahm mich gastlich auf,

folgte mir willig ins Haus, und beim Abschied schenkte er Gaben:

Köcher mit Pfeilen, durchwirkt mit glänzendem Golde,

dazu einen prächtigen Mantel aus Kriegsstoff, golden gewebet,

ferner zwei gezäumte, vergoldete Hengste, als Gabe.

Diese besitzt nun mein Sohn, der tapfere Pallas.

Darum haltet ihr euch als meine Verbündeten sicher;

morgen schon, mit unserer Hilfe gestärkt, sollt ihr eilen

hin zu dem Lager zurück. Nun aber begehen wir freudig

dieses heilige Fest, das keinen Aufschub mehr duldet.“


Sprach’s und gebot, dass Wein und Speisen zurückkehrn,

Trojas Söhne auf Rasenbänken sich lagern.

Aeneas selbst ergriff er bei Hand und führte zum Sitze,

hoch von Ahorn geschnitzt, mit Löwenfelle bedecket.

Priester und Jünglinge trugen geröstete Stücke der Opfertierherden,

füllten die Körbe mit Brot, und funkelnde Becher

reichten von Hand zu Hand im festlichen Mahle.


Würzend den Schmaus begann der König Euander zu sprechen,

wies mit Fingern den Gästen die Felsenkluft dort am Abhang,

wo der schreckliche Kakon, der Sohn des feu’rigen Vulkans,

hauste, der einst dem Herkules Rinder geraubet.

Jener jedoch bezwang das Ungeheuer mit Macht,

drum bringen Arkadiens Männer noch immer ein Opfer

Herkules dar, dem göttlichen Schützer des Landes.


Während der Worte sank die Sonne im Westen,

Nacht brach an, und die Männer begaben sich ruhend zur Stadt.

Klein war sie zwar, doch wer hätte vermocht es zu ahnen,

dass einst Rom, die Weltstadt, an dieser Stelle entstünde?

Hirtenvolk war das arkadische Volk, nicht mit Schätzen

kamen sie her, doch boten sie Mute und kräftige Arme.

So gefiel es Aeneas im Hause Euanders,

das mehr Hütte als stolzer Palast ihm schien,

und er sank auf ein weiches Lager von Blättern,

drauf das zottige Fell eines Bären gebreitet,

schlief sanft ein im Schutz der gastlichen Mauern.



FÜNFZEHNTER GESANG


Mittlerweile betrat nun Vulkanus, von Venus gebeten,

Ätnas gewaltige Kluft, wo die Zyklopen, die rußigen Schmiede,

Aeneas’ Waffen bereiteten, jene, die einst ihm

Sieg über Latium brächten in blutigen, rüstigen Kämpfen.

Dort in der donnernden Höhle, von lohenden Feuern durchflammt schon,

Hallten die Hämmer gewaltig auf Ambossen dröhnend und gellend,

Stahlflocken sprühten in Bogen, die Schmelzöfen atmeten Gluten.

Tag und Nacht im Gehäuse, mit bloß aufgestülpten Armen,

Schmiedeten dort die Zyklopen das Eisen, Brontes und Steropes

Neben dem kräftigen Pyrakmon samt ihren schuftenden Knechten.

Eifrig waren die einen bemüht um den Blitzstrahl des Höchsten,

Halb nur vollendet das Werk, doch schon mit zwölfzackiger Spitze,

Schweißten sie mächtig daran die gewaltigen Flammen und Winde,

Dreifach des Hagels Gewalt, dreifach des Regens Gewitter,

Dreifach des Glutsturms Glüh’n, dreifach der stürmenden Böen,

Mischten in wirbelnder Wut die entfesselten Schrecknisse drunter.

Andre belebten den Wagen des Mars und die donnernden Räder,

Andre erschufen aus Golde, geschuppt wie die Haut eines Drachen,

Athenas Schild, das furchtbar die Schreckensgestalt der Medusa trug.


Haltet inne!“ so rief nun Vulkanus und schritt durch die Höhle,

Laßt das Werk, das ihr schafft, nun ruh’n! Ein Größeres ruft euch!

Heldenhände verlangen nach Waffen – drum eilet zum Werke!

Kunst, Erfahrung und Kraft – nun zeigt mir, was ihr vermöget!“

Kaum hatte dieser gesprochen, da regten sich flinken Geistes

Rasch die Zyklopen – gewohnt an den strengen, gebietenden Meister.

Gold und das leuchtende Erz in flüssigen Strömen zerschmolzen,

Gleißend loderte Stahl in den Öfen und wartete Formung.

Schild ward geschlagen, gewaltig, in siebenfach schimmernden Schichten,

Rasch durchwühlt’ es die Zange, geschwungen von schaffenden Armen.

Bälge erbebten, die Hämmer zerschmetterten donnernd die Höhle,

Glühendes Eisen versank zischend im kühlenden Wasser.


Morgen dämmert herauf – und greiser Evander der weise

Gibt in des Trojaners Schutz vierhundert Reiter,

Arkadiens Söhne, dazu den Sohn, der ihm teuer,

Pallas, die Hoffnung des Alters. Und Aeneas empfängt sie,

Ross’ um Ross noch geschenkt, doch ihm selbst ein gewaltiges, leuchtend,

Trug ein gelöwtes Fell, und die Klauen vergoldete Kunstwerk.

Langsam zog nun der Heerzug hinaus durch die weit offnen Tore,

Aeneas schritt ihm voran, mit ihm tapfere Männer,

Andre ließ er zurück, mit den Schiffen am Strom zu verweilen.

Als sie ein dunkles Tal mit ragenden Tannen durchzogen,

Senkte sich Venus herab aus den lichten Gefilden des Äthers,

Hält die Waffen in Händen, dem Sohne legt sie sie nieder.

Schau, mein Kind, was mein Gatte in göttlicher Gunst dir bereitet!

Furcht ist nicht mehr vonnöten, jetzt ford’re den wilden Turnus!“

Staunend blickt Aeneas und wendet in Händen die Schätze,

Rührt den flammenden Helm, das blinkende Schwert von Gediegenem,

Schaut auf den Schild, in dem glühend sich Sonnenlicht bricht.

Lang verweilt sein Blick auf dem kunstvoll erhabenen Meisterwerk,

Szenen der Zukunft geformt mit unsterblichen Händen des Schmiedes.

Mitten im Bilde die Wölfin, die huldigend säugt ihre Zwillinge,

Liebkosend mit ihrem Hals die spielenden Knaben umschlingend.

Romulus, Remus – so wüßt’ es ein jeder der Kinder der Zukunft.

Roms urzeitliche Gründung, der Raub der Sabiner war sichtbar,

Bündnis durch Opfer geweiht von Romulus, Tatius an Altären.

Tullus schleift Mettius hin, und die Brücke verteidigt

Horatius einäugig, Klölia stürzt in die Fluten.

Drohend am Ufer Porsenna, während die Gänse des Hügels

Warnen vor Galliern, wache Manlius tapfer hernieder.

Weiter zur späten Geschichte, Catilina, Cäsar, Augustus –

All das sah Aeneas und kannte es nicht, doch bewundernd

Hielt er den Schild und freute sich kindlich am göttlichen Werke.

Dann ergriff er den Speer, ließ seine gewaltige Stimme

Klingen im Heer, und schreitend mit Schilde, gegürtet mit Waffen,

Reihte sich mutig der Held in die Reihen der rüstigen Kämpfer.



SECHZEHNTER GESANG


Während dies in Tuskien geschah, da sandte die zürnende Juno

Iris herab, die Botin, mit hastigem Flug zu den Feinden.

Turnus vernahm ihr Wort: Aeneas verließ seine Freunde,

Lager und Flotte zugleich, um fern zu Euanders Gefilden

Hilfe zu werben. Drum eile, die Mauern des Feindes zu stürmen!


Turnus gehorchte sogleich und rief die Gefährten zum Zuge.

Messapus schritt voran, ihm folgten die Söhne Tyrrhus’;

Turnus selbst mit der Mitte des Heers durchschritt die Gefilde,

Strebend zum Ufer des Tibers. Derweil erspähte vom Walle

Kaïkus den wirbelnden Staub und rief mit erschreckter Stimme:

»Brüder, herbei! Schon deckt sich der Himmel mit finsterem Dunkel,

Feindliche Scharen nahn! Zu den Waffen! Eilt auf die Mauern!«

Schnell nun flohen die Seinen herbei, von den Feldern ins Lager,

Schlossen die Tore zugleich und warteten trotzig der Feinde.


Turnus jedoch, ungeduldig, dass langsam die Krieger ihm folgten,

Ritt mit auserlesenen Scharen, mit zwanzig erles’nen

Helden voraus, ein strahlendes Ross von thrakischem Blute

Trug ihn voran. Er rief: »Wer wagt es, zuerst auf die Feinde

Speere zu schleudern?« Und hoch durch die Lüfte flog seine Waffe.

Jubelnd taten es alle ihm nach, und sie höhnten die Feigen,

Die sich hinter den Mauern verbargen und nicht in die Weite

Wagten zu treten zum Kampfe. Allein mit loderndem Zorne

Schritt Turnus umher und späht’ nach verborgenen Pfaden.

Wie ein hungriger Wolf, der im Sturm um den Stall sich herumtreibt,

Schäumend die Lämmer belauscht, die sicher im Innern sich drängen.


Plötzlich erblickt er die Flotte, die, rings von Wällen umgeben,

Sicher am Strande des Lagers geruht. Da jauchzt er und ruft laut:

»Schiffen wir Feuer nun zu! Entzündet die flammenden Brände!«

Selbst ergreift er die Fackel zuerst, und sogleich in den Händen

Brennen die Scheite der Krieger, entwendet den ländlichen Hütten.

Und die Schiffe der Trojaner, sie wären zum Opfer gefallen,

Hätt’ nicht göttlicher Wille das Feuer hinweg von ihnen gewendet.


Einst, als Aeneas die Flotte gezimmert am Fuße des Ida,

Flehte Cybele, die Mutter der Götter, zum höchsten der Himmel:

»Sohn, o verleihe den Schiffen den Schutz, den die Wälder genossen!

Diese Bäume, gehegt von mir selbst, nun sinken sie nieder,

Dienen dem fremden Manne zur Fahrt durch tobende Stürme.

Schenk ihnen ewige Ruhe, bewahr sie vor wütender Brandung!«


Jupiter sprach: »Kein sterbliches Werk kann ewig verweilen,

Doch wenn sie einst in den Hafen gelangen, die müden Galeeren,

Will ich sie lösen vom Dasein der Menschen und tauchen in Wellen;

Nereus’ Töchter gleich, als Göttinnen sollen sie schweben.«


Dies nun ward nun erfüllt, als Turnus die Flammen ergriff schon.

Himmelslichter erstrahlten, es donnerte laut aus den Lüften,

Schaudernd zuckten die Scharen zurück. Ein dröhnendes Echo

Rief: »Trojaner, verzaget nicht mehr! Nie wird der Flamme

Opfer die Flotte! Vielmehr ins Meer entsteiget, ihr Schiffe,

Lebt nun fortan als Nymphen des Meers! Die Göttin gebietet!«


Plötzlich, ein Wunder! Die Seile zerrissen, die Bogen erbrachen,

Schnäbel der Schiffe versanken hinab in die gähnenden Tiefen,

Und empor aus den Fluten stiegen nun schimmernde Jungfraun.

Schrecken erfasste die Feinde, Messapus zuckte zusammen,

Selbst der Tiber zurück wich mit bebendem Wasser zum Meere.


Doch nicht Turnus verlor seine Hoffnung. Mutig erhob er

Wieder die Stimme und rief: »Ihr seht, wie die Zeichen sich wenden!

Ihnen entrissen die Götter den Weg in die fernere Heimat.

Nimmer bedarf es der Brände! Das Land ist unser geworden!

Tausende rüsten sich, uns zu erheben, in mächtigem Heere!

Mir ward Kampf bestimmt, nicht Götterspruch soll mich erschüttern!«


Rasch nun befahl er den Seinen, das Lager zu gänzlich umringen,

Messapus führte die Wachen, die Feuer entzündet ringsumher.

Hundertschaften von Männern mit strahlenden Helmen und Lanzen

Hielten die Runde umher, und andere lagerten trunken.

Doch von den Mauern herab mit scharfen, lauernden Blicken

Sahen die Trojaner hinab, auf Brücken mit Waffen bewehret.

Mnestheus und Serestus führten mit ruhiger Klugheit

Alle Befehle des Führers aus und wachten die Nacht durch.

Schweigend waltete Ruh’ in den Reihen des Lagers der Dardaner.



SIEBZEHNTER GESANG


Unter dem trojanischen Heer zwei tapfere Jünglinge waren,

Nisus, der Hyrtakid', ein Meister im Werfen der Lanze,

Scharf mit dem Bogen zugleich, entstammt' er Idas Gefilden,

Folgte den Helden der Flucht aus der brennenden Stadt in die Weite.

Schönster der Knaben indes von trojanischem Blute war einer,

Euryalus, zart, erst sprosste der jugendliche Flaum ihm,

Innig verbunden mit Nisus in kämpferischer Erhitzung,

Stürmten sie oft in die Schlacht und standen gemeinsam auf Wache.


"Sag, ist es göttlicher Trieb, der brennende Tatenlust schenket,

Oder ist blinde Begierde ein jeder sein eigener Antrieb?"

Sprach da zuerst mit hastigem Munde der eifrige Nisus.

"Lästig ist mir die Ruh', es drängt mich lodernde Seele,

Eines zu tun, das den Wagemut lohnt und Herrlichkeit bringet.

Schau, wie die Rutuler ruhn im trunkenen, sorglosen Schlummer,

Nur von den Mauern her flackert ein spärliches Feuer.

Lausche nun, Freund, was sinnend in mir für Gedanken entstanden:

Aeneas soll nach der Heimat gerufen werden mit Boten,

Boten, die sichere Wege ihn eiligst wieder uns führen.

Wenn ich nun selbst in das Lager der Feinde mich wagte, verborgen,

Hingeschlichen des Nachts, um Pallanteums Höhen zu suchen?"


Euryalus horchte erstaunt und lodert' in eifriger Glut auf,

Denn auch ihn erfüllte der Wunsch nach glänzenden Taten.

"Wolltest du wirklich, o Freund, mich, den bartlosen Knaben,

Nicht zum Gefährten erwähl'n in herrlich glänzendem Ruhme?

Denkst du, ich ließe dich einsam in nächtliche Schrecken dich wagen?

Nimmer, so lehrte mein Vater, der edle Opheltes, zu handeln.

Nie war es Sitte in mir, mit furchtsam sinkendem Herzen

Tapferem Freund den gefährlichen Pfad allein zu beschreiten."


"Freund, ich besorgte dies nicht", so rief da lächelnd der Nisus,

"Aber wenn Götter mich fordern, ein grausames Schicksal mich raffe,

Wünsch' ich, dass du überlebst, ein Licht für das kommende Leben.

Jünger bist du, verdienter des Glücks und des Wohlergehens.

Auch wer, wenn ich fiele, mich birgt in der heiligen Erde,

Oder, wenn das Geschick es verweigert, mit Riten gedenket?

Wie sollt’ ich deiner Mutter, die einzig im trojanischen Weibe

Uns gefolgt über das Meer, solch grimme Trauer bereiten?"


Doch da entgegnete trotzig und feurig der kühne Gefährte:

"Sprich mir nicht länger umsonst von wankenden, nichtigen Gründen!

Eilig lasst uns fort!" So sprach er und weckte die Wächter,

Gab ihnen rasch das Amt und eilte mit Nisus zum Rate.


Dort, im Kreise der Helden, in nächtlicher Sorge versammelt,

Redeten Fürsten beratend von allem, was Troja noch nütze.

Mutig traten heran die beiden glühenden Jüngling,

Forderten Eile zum Wort, bis Askanius nickte, gewährend.

Nisus sprach: "O ihr Fürsten, vernehmt, was wir euch nun darlegen:

Draußen im Lager der Feind' ist Lücke in lodernden Feuern,

Dort ist ein Pfad, um heimlich in Stille zu schleichen zum Walde.

Dürft ihr uns senden, so woll’n wir Aeneas Botschaft entrichten,

Bald mit Siegesgeschenk und Gefangenen ruhmreich euch nah'n."


Huldigend schauten die Helden, vom Mut der Jünglinge staunend.

Aletes rief: "O ihr Götter! Ihr habt uns gnädig erhört noch!

Denn so kühne Begeisterung wohnt in trojanischen Seelen."


Askanius trat nun vor, von Rührung im Herzen ergriffen:

"Liebster Euryalus, edler Gefährte des tapferen Nisus,

Euch vertrau ich mein Glück, mein Schicksal und jegliche Hoffnung.

Wenn ihr Aeneas bringt, so fürchte ich weiter kein Unglück.

Reicht euch die Schätze: Becher von Silber und goldene Dreifüße,

Talente Golds, die Gabe der Dido aus edler Vergangenheit.

Doch wenn der Sieg uns lacht, sollt ihr noch Herrlicheres schauen:

Nisus, dir geb' ich das Roß, das Turnus führt in den Kämpfen,

Rüstung aus Gold, die prangt in strahlender Kriegszier am Helden!"


Euryalus nickte und sprach: "Ein Preis nur ist mir begehrlich.

Julus, ich bitte allein: Mein Mutter, königlichen Blutes,

Folgte mir weit in die Fremde, mit mir verließ sie ihr Vaterhaus.

Nun verlass' ich sie hier, ohn’ Wort, denn zu schmerzlich das Scheiden.

Nimm dich ihrer an, sei Vater ihr, wenn mich die Götter verwehren!"


Weinend lauschte Julus, gerührt von treuer Gesinnung.

Helden ergriffen den Jüngling und boten ihm Waffen zur Rüstung,

Mnestheus reichte das Fell des Löwen, das mächtig ihn schütze,

Aletes gab seinen Helm, und Julus bot ihm sein Schwert dar,

Gold war der Griff und Elfenbein prangte an schimmernder Scheide.


So gerüstet geleitet von Edlen, von Jünglingen, Greisen,

Bis ans ragende Tor, nun schritten die beiden gen Ausgang.

Rasch nun querten sie Gräben und kamen im Dunkel der Nächte

Dorthin, wo auf dem Rasen die schlafenden Wachen der Feinde

Lagen, trunken vom Wein, zerstreut bei Waffen und Riemen,

Zwischen Wagen umher, auf wogenden Rädern gebettet.


Leise flüsterte Nisus: "Die Stunde ruft uns, o Freund nun!

Halte mir nur den Rücken, ich schlag eine Gasse uns frei hier."

Sprechend hob er das Schwert und hieb den Wächter, der ahnungslos ruhte,

Rhamnes, den Vogelschauer des Königs Turnus, vom Leben.

Mit ihm sanken zugleich drei Knechte sorglos ins Dunkel,

Dann auch fiel durch seine Hand der tapfre Waffenträger,

Remus' Diener, den Rossen zur Seite erschlagen, sein Haupt fiel

Tief gesenkt in das Blut, auch Remus selbst war nicht sicher.

Euryalus tobte mit ihm, gleich lodernden Löwen im Stalle,

Richtete wütend und wild sein Mordwerk unter den Wächtern.


Schon an den Flammen der Wacht, die schwach noch loderten, nahte

Euryalus, wo Messapus' Rosse ans Gras sich geweidet,

Doch da rief ihn der Freund: "Siehst du nicht, wie dämmernd der Morgen?

Rache ist genommen, die Bahn ist frei, nun entfliehe!"

Also ließen sie Beute zurück, nur Euryalus nahm sich

Rhamnes' prächtigen Schmuck und gürtete Schwert an die Schulter,

Setzte voll Freude den Helm des Feldherrn Messapus aufs Haupt sich,

Passte ihm schimmernd genau, gefund‘en bei flackernden Feuern.


Kaum das Lager verlassend, da zog aus den Toren der Feinde

Volscens mit seiner Schar, drei hundert Reiter in Waffen,

Schildgerüstet zum Heer, um Botschaft Turnus zu bringen.

Näher kamen sie schon dem Wall, als dämmernd im Frühlicht

Sahen die Krieger von fern zwei eilende Schatten dahinhusch’n.

Euryalus' Helm, der blinkend im Morgenscheine verräterisch schimmerte,

Gab ihn dem Feind preis. "Halt! Wer seid ihr? In Waffen?"

Schrie da Volscens laut. Sie hörten den Ruf, doch entflohen

Schnell in das Dickicht des Waldes, der Dämmerung schützend vertraut sie.


Doch die Reiter, erfahren im Land, durchschwärmten die Wege,

Sperrten die Ausgänge ab und hielten das Gehölz nun umstellt schon.

Euryalus, schwer mit der Beute, verfehlte den rechten

Pfad, und Angst betrog den Flüchtenden weiter.

Nisus aber entrann und stand schon am Albano-See fast,

Blickte zurück und suchte den Freund, doch nirgends erblickt er

Euryalus mehr. "O Freund, o armer Genosse, wo weilst du?"

Klagte er laut, dann stürzte sich tapfer erneut in das Dickicht.


Bald schon hörte er Lärm, vernahm das Stampfen der Rosse,

Hörte das Dröhnen der Reiter, sah ihre blinkenden Waffen,

Euryalus, übermannt, war Beute der wütenden Feinde.

Was nun tun? Ihn retten? Sich selbst in den Schwertern verlieren?

Hoch dann hob er den Speer, den Blick zur mondigen Herrin:

"Göttin des Waldes, Latonas Tochter, sei meiner Gesinnung

Gütig! Wenn je mein Vater dir Opfer gebracht in den Nächten,

Lenke den Wurf nun mir!"


So sprach er und schleuderte heftig

Seinen Speer: Sulmo, den Rutuler, traf er im Rücken,

Riss ihm die Brust auf, nieder stürzte der Krieger,

Zuckend wälzte er sich. Ein zweiter Wurf dann durchbohrte

Tagus, der röchelnd versank. Doch Volscens, vom Zorne

Tobend, schrie: "So zahlst du mit Blut für beide, Gefangener!"

Sprach's und stürzte mit blankem Schwert auf Euryalus.


Da brach Nisus hervor: "Nicht ihn, mich, mich nur erschlaget!

Mein ist die Schuld, nur Liebe zum Freund zog ihn ins Verderben!"

Doch zu spät war sein Flehn, schon fuhr das Schwert durch die Brust ihm,

Blutend sank er dahin, das Haupt zur Schulter sich neigend,

Wie wenn der Mohn in den Äckern vom Tau sich schwer in die Erde

Senkt, von der Sense getroffen, so neigte der Jüngling

Leblos das schöne Gesicht, nun bleich von rinnendem Blute.


Da sprang Nisus hervor, durchbrach die Feinde mit Klingen,

Furchtlos stürzte sich auf Volscens, rammte die Schneide

Mitten hinein in den Mund, dass sterbend vom Rosse der Krieger

Stürzte. Doch selbst sank er dahin, von Speeren durchbohret,

Über den Freund sich werfend, im Frieden des Todes gefunden.


Später sah man die Häupter der Jünglinge, aufgespießet,

Tropfend von Blut, an den Türmen der Trojaner gehangen.

Und da vernahm die Mutter des Euryalus schreckliche Kunde,

Fiel ihr das Schifflein vom Stuhl, und rufend, die Haare zerraufend,

Stürzte sie, trauernd wild, zu den Wällen, die Krieger erschütternd.

Endlich ergriffen sie weise Greise und hielten

Ihre Klage zurück, geleiteten sanft sie von dannen.



ACHTZEHNTER GESANG


Schmetternd ertönten die ehernen Trompeten der Feinde,

Aufbrand scholl durch das Lager, es hallten die Berge im Widerhall.

Eilends stürmten heran von allen Seiten die Krieger,

Rückten vor unter Schutz der gewölbten, gewappneten Schilde,

Mühten sich, mit der Erde die tiefen Gräben zu füllen,

Rissen mit eisernem Griff die gewaltigen Schanzen herunter,

Und sie legten bereits an schwächeren Stellen der Mauern

Leitern, um auf die Zinnen zu dringen und Einlass zu finden.


Doch die Trojaner, geübt in der langen Verteidigung Trojas,

Streuten von oben herab in Menge Geschosse hinunter,

Rollten Felsen herab auf die schützenden Dächer der Feinde,

Stießen mit kraftvollen Stößen die Kletternden nieder.

Schon zögerten nun die Feinde im blinden Kampfe,

Wichen zurück von der Mauer, vertrauten dem Speerwurf alleine,

Um von ferne die tapferen Teukrer hinweg zu vertreiben.

Endlich lenkten sie all ihre Wut auf ragende Türme,

Diese zu brechen, vereinten sie jegliche kriegerische Kraft nun.


Hoch hinauf in den Lüften erhob sich ein türmender Bau noch,

Fest vereint durch Brücken mit schützender Mauer des Lagers.

Diesen zu stürmen bestürmten sie alle mit glühendem Eifer,

Doch die Trojaner, entschlossen, verteidigten mutig die Stätte,

Schleuderten nieder von Scharten die todbringenden Pfeile,

Stürzten Gestein von den Höhen auf feindliche Helme und Schilde.


Endlich schleuderte Turnus, der wilde, eine Fackel,

Flammen fraßen sich gierig ins dürrer gewordene Holzwerk,

Loderten auf in der Höhe und rissen den Bau in den Abgrund.

Stürzend brach er zusammen mit tosend krachenden Balken,

Mit ihm sanken die Männer, von eigenen Waffen durchbohret,

Andere spießten sich auf an zerschmetterten Trümmern des Holzes.

Viele, die unverletzt sich gewahrt, umringten die Feinde,

Schwertgewaltig erschlagen, ein Opfer der Wut des Latiners.


Jetzt noch wehrten die Teukrer den feindlichen, drängenden Horden.

Askanius, des Aeneas Sohn, noch jünglinghaft unerprobt war,

Nur an jagenden Tieren erprobte zuvor seinen Pfeilschuss.

Doch nun spannte er mutig den Bogen, den sicheren Sehnen,

Zielt' auf Remulus' Stirn, den prahlenden frechen Verhöhner.

Tief in die Schädeldecke des kühn sich rühmenden Kriegers

Fuhr das Geschoss, und tobend sank er getroffen darnieder.


Freudig jauchzten die Troer, verstummten die Feinde mit Schaudern.

Julus wollte dem Rückzug der Feinde mit Eile nachstürmen,

Doch ein Gott trat ihm näher, in Anblick und Stimme verwandelt

Dem getreuen Begleiter des alten Anchises, dem Wächter,

Hielt ihn zurück und sprach mit göttlichem, mächtigem Willen:

"Sohn des Aeneas, genieße die Ehre des ersten Triumphes.

Mehr sei dir nicht vergönnt, noch fern ist der Kampf des Helden."


Staunend hörten die Führer von Troja des Gottes Gebot an,

Brachten den Jüngling hinweg und riefen die Krieger zum Sturme.

Laut erhob sich von neuem der Schlachtruf rings an den Mauern.


Innerhalb des Tores, das ihnen der Führer vertraut hat,

Warteten Pandarus und Bitias, sprösslich von Ida,

Hochgewachsen wie Tannen, von unbezwinglicher Stärke.

Sie beschlossen, im Übermut, mutig die Flügel zu öffnen,

Um das feindliche Heer zu verlachen, den Ansturm zu reizen.

Strahlend standen sie da, mit blinkenden Schwertern zur Seite,

Nickten hoch von den Helmen die wehenden Büsche der Federn.


Rasch erblickten die Rutuler nun das sich öffnende Tore,

Stürmten hastig hinein in erhoffter, siegreicher Eile.

Doch sie fanden Verderben, die Klingen der Hüter zerschmetterten

Vier oder fünf samt ihrem gesamten Gefolge von Kriegern,

Jene, die flohen, verfolgten sie bis zu den offenen Toren.


Jetzt begannen die Trojaner, geschlossen sich dichter zu sammeln,

Kämpften mit festerem Halt, es wogte der Schlachtstrom,

Rückwärts wichen die Feinde, getrieben von kampfesmütigen Teukrern.

Als Turnus, der kühne, vernahm den gewandelten Ausgang,

Stürzte er, wutentbrannt, mit auserwählten Gefährten

Mitten hinein ins Getümmel, vorbei an gefallenen Kriegern.

Rasch, mit gewaltigem Arme, entbot er seine gewaltige Lanze,

Durchbohrte Bitias' Brust, dass bebend der Boden erschütterte.


Schreckensbleich flohen die Teukrer zurück durch die Tore,

Rutuler drangen nach, mit Triumph und mordendem Wahnsinn.

Da faßte Pandarus eilig den Entschluss in Verzweiflung,

Riegelte töricht die Flügel zurück, die Angeln verriegelnd,

Nicht bedenkend, dass Turnus, der furchtbare, innen gefangen.


Wie ein Tiger im Stalle erkennt seine wehrlosen Opfer,

So stand Turnus, furchtbar, von Grauen gepackt die Trojaner.

Nur Pandarus selbst, hochragend und stark wie sein Gegner,

Wagte den Kampf, von brünnender Wut umbrodelt das Herz ihm.

"Hier nicht stehst du in stolzem Pallast der Latinerkönigin,

Hier ist Feindesland, und nimmer entgehst du dem Tode!"

Doch Turnus lachte nur leise und sprach mit Verachtung:

"Binde dein Schwert, wenn du wagst, und finde dein Ende,

Denn wärst du ein Hektor, so findst du hier deinen Achilles!"


Warf sein Speer, doch Juno lenkte den tödlichen Pfeil ab.

Dann sprang Turnus herbei und schwang sein tödliches Eisen,

Spaltete Stirn und Schädel in gleiches Hälften hinunter,

Sank Pandarus tot, sein Haupt fiel gespalten zur Erde.


Zitternd zerstoben die trojanischen Krieger, doch wäre

jetzt dem Sieger gekommen der sinnige Plan, das gewalt'ge

Tor zu öffnen und treue Gefährten hinein zu geleiten,

wäre dem neuen Troja Verderben in Schrecknis gefolget.

Aber berauscht von mordgieriger Lust und den Feuern

wilder Gewalt, durchbrach er die Reihen der Feinde und drang nun

tief in des Lagers Gemäuer, ein Flammensturm seiner Siege.

Schon war der Schreck bis Mnestheus gedrungen, zu Serestus,

die in der Mitte der Mauern mit fester Hand geboten.

Dort nun rief Mnestheus den fliehenden Freunden entgegen:

»Torheit treibt euch dahin! Was sucht ihr für Mauern, für Burgen?

Kennt ihr nicht mehr die Heimat, die Väter, die Götter des Landes?

Aeneas, unser Gebieter, vergaßt ihr in Schande so schmählich?

Sollte denn einer allein, inmitten der feindlichen Wälle,

ungestraft hier wüten und euch niedermetzeln in Massen?«

Also sprach er und rüttelte auf die verzagenden Männer.

Dicht aneinandergedrängt nun fassten sie Mut und bestanden.


Turnus jedoch, vom Ringen ermüdet, begann nun zu wanken.

Hoffen konnte er nicht mehr, zurück noch zu dringen zum Tore,

darum kämpfte er mühvoll weiter zum Flusse, wo offen

lag das Lager und keines der Mauern es dort noch beschützte.

Endlich erreicht er den Rand der schilfbedeckten Gestade,

kehrt sich rasch und entweicht, doch flüchtet er nicht vor den Feinden.

Drängen sie nach, so schlägt er sie immer noch siegreich zurücke.

Aber von fern nun hagelten Speere und Steine in Massen,

hallend erklang der Helm von den Schlägen, zerrissen der Helmbusch,

schwer ward der Schild in der Linken, durchbohrt von wütenden Waffen.

Schweiß floss strömend von ihm, wie siedendes Pech auf den Gliedern.

Da nun stürmte Mnestheus heran mit blitzenden Waffen.

Turnus erschrak, und das erste Mal wandte er flüchtig

sich vom Kampfe hinweg und stürzte sich mutig ins Wasser.

Willig empfing ihn der Tiber, der große, mit friedlichen Wellen,

wusch ihm Blut und Staub von der mächtigen Brust und geleitete

sanft ihn hinaus ans Gestade, wo sicher die Seinen ihn fanden.



NEUNZEHNTER GESANG


Jupiter saß auf dem Thron und horchte den Worten der Götter,

Junos Klagen vernahm er und Venus' flehende Bitten.

Doch er beschloss, dass das Schicksal allein nun walten solle,

fern von himmlischem Eingriff der Kampf um Trojas Siedlung.

Also währte die Schlacht um Mauern und weite Gefilde,

wo die Rutuler stritten mit Troern um Leben und Ehre.


Aeneas indes mit kräftigen Scharen von Kriegern,

arkadischer Reiterei und den Waffenmächten der Toskern,

betrat die blühende Stadt, die Agylla im Tale geheißen.

Jene, des fürchterlich' Joch von Mezentius schwerlich ertragend,

hatten den grausamen König verbannt und Turnus als Helfer

gesehen, der nun den Verstoß'nen zu sich genommen.

Feindlich standen die Städte der Latinervölker den Toskern.

Tarchon, der König, empfing mit Ehren den fernen Gefährten,

als er von Herkunft und Namen vernahm und den Kämpfen,

die Turnus rüstete während der Lande mit Mezentius.

Nicht nur schloss er ihn ein in die Reihen der mächtigen Scharen,

auch rief er die Bundesgenossen der Etrusker zusammen.


Bald durchschiffte der Held mit ragenden Masten das Meere,

nachdem auf Pfaden des Landes vorangezogen die Reiter,

dreißig Schiffe gehorchten dem Steuer, das er nun führete.

Nacht war's, und er saß mit wachendem Blick an dem Ruder,

als aus dem Wellengekräus' ein Chor von Nymphen emporsprang,

tanzend umringten sie leicht das Schiff mit glänzenden Gliedern.

Einstens waren sie Fichten des Ida, die Mutter Kybele

hatte den Schiffen des Helden ihr heil'ges Leben gespendet,

fern von des Feindes Brand, der Turnus' Fackeln entzündet.


Eine der Göttinnen nahm sein Steuer mit blendender Rechten,

rief mit melodischem Laut die weisenden Worte zu ihm hin:

"Wachst du, Aeneas? Wach auf, du Sohn der Himmlischen, wache!

Schnell laß den Wind in die Segel, dem Ziel entgegen zu eilen.

Wir, die Schiffe von einst, sind nun belebte Gefährtinnen,

Mutter Kybele selbst hat uns in Meeresgöttinnen wandelt.

Eile, dein Sohn Askanius harrt von Feinden umzingelt,

Rutuler stehen an Mauern, der Krieg tobt heftig am Walle.

Doch deine Reiter, sie sind nicht fern, doch Turnus erkennt es,

denkend, das Kriegsvolk zwischen die Scharen zu werfen.

Schnell nun, beflügle den Lauf, wenn anbricht der frühlichte Morgen,

wirst du die Tibermündung erreichen und strahlend erheben

den goldglänzenden Schild, den Vulkan dir einstens geschmiedet.

Siege verheißt dir der Tag!" So sprach's und tauchte hinunter,

mit ihr stieß sie den Kiel, dass es geschwinder als Pfeile,

fliegend durchwogte die Flut, und eilend folgten die andern.


Morgen dämmerte kaum, da sah er leuchtend die Ufer,

und des Befehles gedenkend der Nymphe, trat er entschlossen

auf das Verdeck, den Schild in funkelnder Strahlkraft erhoben.

Weit erglühte das Gold, wie eine gleißende Sonne,

Troern erschien er als Licht in den Stürmen der nahenden Kriege.

Jubel erhob sich, gellend hallten die Waffen der Helden.

Doch den Rutulern und Turnus erfaßte Erstaunen,

während das Meer sich füllte mit Segeln, dem Ufer entstrebend.

Feurig leuchtete dort Aeneas, gleich einem Kometen,

strahlend in göttlichem Glanz, mit glühender Helmzier geschmücket.


Dennoch verzagte Turnus nicht, voll kühnem Entschlusse

rief er die Krieger zum Kampf: "Nun ist die Stunde gekommen,

welche ihr lang ersehnt! Der Kriegsgott gibt uns die Feinde!

Denkt an die Mütter daheim, an Kinder, Gattinnen, Ahnen!

Stürmt auf sie los, eh' sicher sie stehen auf festem Gefilde!

Fortune begünstigt die Kühnen!" So sprach er und eilte.


Landen die Trojaner nun, gesandt auf Brücken ans Ufer,

andere sprangen mit Rudern hinab in schäumende Wogen,

rettend das Land, das Kampfesglück und die Flotte zugleich nun.

Tarchon, König der Toskern, erwog die Küsten der Mündung,

wählte den stillen Gestad, wo Wellen sanfter sich wälz' ten.

"Rudert!" rief er den Freunden, "durchschneidet kühnlich das Ufer!

Mögen die Schiffe zerbersten, gewannen sie festen Boden!"

Donnernd stürmten sie an, bis sicher die Kiele versanken,

nur Tarchons eigenes Schiff zerschellte an heimlicher Sandbank,

kränkelnd wankte es lang, bis heulende Wellen es schlugen,

Ladung und Krieger zugleich in schäumende Tiefen verstoßend.

Mühsam erretteten sich die Männer ans rettende Ufer.



ZWANZIGSTER GESANG


Als nun Turnus erblickte die Feinde, gelandet am Ufer,

Ließ er die Mauer im Stich und raffte die Krieger zusammen,

Stellte sie eilends geordnet entlang den wogenden Stranden,

Lies die Trompeten erschallen und stürmte zum Angriff.

Auch der trojanische Held, der tapfere Aeneas,

Ordnete hastig die Seinen, Gefährten und Bundesgenossen,

Stürzte sich dann in das Schlachtfeld, begann das ritterlich' Ringen,

Fiel mit gewaltiger Hand auf das Volk der Latinischen Hirten,

Säte Verderben und Tod in den Reihen der fliehenden Krieger.

Bald aber wandte sein Blick er den Helden der feindlichen Heere,

Kämpfend mit mutigem Geist, und grausam tobte die Schlacht nun:

Heer gegen Heer, Mann gegen Mann, und Fuß an Fuß stand.


Abseits, dort wo der Strom entwurzelte Bäume verschleudert

Und wo zerklüftete Felsen das schlammige Ufer umgürteten,

Stand in der Mitte des Streits der junge Pallas, der Königs-

Sohn aus Arkadien, mutig gesellt zu den tapferen Kriegern.

Unwegsam war das Gefild, es erlaubte den Rossen nicht Einhalt,

Fußkampf kannten sie nicht, und bebend wichen die Recken,

Rückten zurück vor den Scharen der Latiner und Rutuler Krieger.

Doch nicht lange: denn laut erschallte des Führers Stimme:

"Männer, haltet den Stand! Ich schwöre bei Siegen des Vaters,

Auch bei der Hoffnung des Ruhms, der mir in der Zukunft erblühet:

Setzet Vertrauen ins Schwert, nicht aber ins fliehende Antlitz!

Wahl gibt es keine: vorwärts zum trojanischen Lager

Oder zurück in die See, wo nimmer der Retter euch schirmet!"

Sprachs und stürmte erneut auf die Feinde mit loderndem Kampfe,

Riss aus der Scheide das Schwert und streckte die Gegner darnieder.


Rings um den tapferen Jüngling versammelten mutige Streiter,

Rangen mit wachsendem Mut um die Erde, die feindlich besetzt war,

Bis der gewaltige Lausus, Mezentius' ruhmreicher Sprössling,

Einhalt tat mit der Kraft der streitenden mutigen Hand ihm.

Rasch zogen Arkadier sich zu den Freunden, den tapferen Truppen

Trojas und Etruriens, doch wütend fuhr durch die Reihen

Lausus, der kühnste Held, und streckte die Kämpfer mit Eisen.


Nun erblickte von ferne den Zwist der heldische Turnus,

Rasch fuhr er her durch die Schlacht auf rötlich fliegendem Wagen,

Hielt mit gewaltiger Stimme den Streit und rief von der Ferne:

"Ich allein bin dein Gegner, o Pallas! Mir ist dein Leben

Heute bestimmt: Möge dein Vater den Sturz deines Hauptes erblicken!"


Lang stand Pallas erstaunt, doch furchtlos blickte sein Auge

Auf den trotzigen Feind und sprach mit feurigem Munde:

"Ruhm oder Tod ist mein Los: dem Vater soll beides willkommen!

Drohen magst du nicht mehr, denn Tapferkeit fällt nur den Helden!"

Sagte, und eilte sogleich auf die Bahn, die Turnus ihm bot nun,

Schleuderte blitzend den Speer, doch streifte die riesige Brust nur.

Turnus wog nun den Wurf, das Eisen blitzte im Fluge,

Fuhr in das Herz des Jünglings, und warm aus der Wunde entströmte

Blut mit entschwebender Seele, und laut erklirrten die Waffen.

Fuß auf die Brust des Gefall'nen setzend, riß er den prächtigen Gürtel,

"Gebt ihm den Vater zurück!" so sprach er mit kaltem Verhöhnen,

Warf sich aufs rollende Fuhrwerk und flog durch wirbelnde Schlachten.

Weinend trugen die Freunde den Toten, den lieblichen Jüngling,

Rückten zurück in die Reihen der Fliehenden, stumm vor Entsetzen.


Da, als Aeneas die Kunde von weichen Kriegern erreichte,

Riss er mit zündender Wut das scharfe Schwert aus der Scheide,

Stürmte mit glühender Brust, wie ein Sturmwind wütet im Walde.

Denkt an Euanders Haus, an des Vaters rinnende Tränen,

Rasend vor Zorn sucht er Turnus, den Feind des gefallenen Jünglings.

Niemanden schont er mehr, kein Flehen vermag ihn zu rühren,

Vier von Sulmo, vier von Ufens tapferen Söhnen

Häuft er als Opfer auf für das Blut, das Pallas vergossen.


Gleichzeitig aber erhob sich auch aus dem trojanischen Lager

Mutig der Jüngling Askanius mit seinen kühnen Gefährten,

Ersah den günstigen Tag und brach aus wirbelnden Toren.



EINUNDZWANZIGSTER GESANG


Fast war verloren der Stamm der Rutuler, hätt’ nicht im Himmel

Juno dem Göttervater mit flehendem Worte gebeten,

Turnus zu retten aus Aeneas’ siegreicher Klinge

und ihn hinweg aus der blutigen Schlacht zu führen.

Doch sprach Zeus: „Wenn du Aufschub des Todes verlangest, so sei es!

Doch nicht änderst du hiermit den Lauf des schicksalhaften Krieges.

Hegst du die Hoffnung darauf, so ist sie vergebens.“

Weinend entgegnete Juno: „O würdest du, Vater,

geben, was mir dein Mund verweigert! Soll denn mein Schützling

elend enden? Doch Dank sei dir für gnädigen Aufschub!

Vielleicht lenkt dich noch Milde zum günstigeren Urteil!“


Juno, vom stürmenden Wind durch die Lüfte getragen,

nahte den Mauern der Laurenter. Dort aus Gewölken

schuf sie ein trügerisch wesenlos Schattengebilde,

ähnlich an Gang und Gestalt dem erhabenen Aeneas,

stattete aus es mit schimmernder Rüstung und Waffen,

Helm, Panzer und Schild des göttergeborenen Helden,

fügte noch hinzu den Klang der Stimme, doch ohne

seine Seele und listig betrog sie das Aug’ und das Ohr ihm.

Schnell nun flog das Trugbild zur kämpfenden Front und erregte

Turnus, den Helden, durch Speere und freche Herausforderungen.

Jäh nun sprang er heran, nach der Trügenden seine Lanze

schleudernd; doch diese floh, und wandte eilend den Rücken.

Wutentbrannt, mit gezogenem Schwert, verfolgte der Kämpfer

blind die Gestalt und bemerkte nicht, wie er in Eile

abseits von wogender Schlacht sich entfernte zum Ufer.

Dort am Gestade lag eines der Schiffe der Etrusker.

Eilig sprang nun das Schattenbild dorthin und verbarg sich

scheu in den tiefen Verstecken des Schiffs. Da folgte der Krieger

nicht minder rasch, und sprang auf das Deck mit flammendem Zorne.


Juno, die Göttliche, hatte erreicht, was sie wünschte:

Kaum dass Turnus das Deck des Schiffes betrat, da zerriss sie

rasch die gespannten Seile und gab ihn der Welle zum Opfer.


Während die Schlacht noch tobte, verlangt Aeneas den Gegner,

doch sein Schattenbild schwand, unbemerkt von Turnus, in Lüfte.

Jener indes, vom rollenden Meeresstrudel gefangen,

schaute verzweifelt zurück auf die rettenden Ufer.

Allmächtiger Vater!“ so rief er, die Hände gen Himmel,

hieltst du mich dieser Schmach für würdig? O öffne der Abgrund

mir sich, dass die Winde mein Schiff an Klippen zerschmettern!“

Schon erhob er sein Schwert, um selbst sich das Leben zu rauben,

aber er sann, zu den Seinen zurück noch einmal zu kehren.

So sprang er, gerüstet, ins Meer, doch Juno bewahrte

ihn durch wogende Wellen, die gnädig den Flüchtling geleiteten,

fern bis zur Stadt des Vaters Ardea spülten sie ihn fort.


Noch immer wütete rings um die Mauern der Kampf, doch die Trojaner

standen im Siege, jauchzten laut in hoffendem Mute.

Da, aus der Ferne, erhob sich schrecklich Mezentius,

König der Flüchtigen, Feind der Etrusker von jeher,

sprach nicht ein Wort, doch schritt wie ein Fels in das Getümmel.

Mächtig warf er die Feinde zu Boden, er wankte noch immer

nicht, als stürmend die Etrusker mit Lanzen umschwirrten.

Gleich stand der Kampf, die Trojaner wichen zurück vor dem Schrecken.


Doch als Aeneas gewahrte den wütenden König,

schritt er heran, ließ ab vom Ringen mit schwächeren Feinden,

Turnte zu ihm und griff in flammender Wut nach der Waffe.

Hoch nun erhob Mezentius die Lanze mit Worten:

Schau, mein Arm, du warst stets meine einzige Gottheit!

Sohn, Lausus, du sollst in der Rüstung des Helden erstrahlen!“

Sprachs und schleuderte mächtig den Speer, doch Aeneas

hob seinen Schild und der Wurf prallte ab, traf Antores,

der, aus Argos gekommen, nun sterbend seufzte zur Heimat.

Nun auch schleuderte Aeneas den Speer, und er durchdrang

dreifachen Erzschild, drang tief in die Weiche des Feindes.

Blut strömte hervor, und Aeneas riss sein Schwert von der Hüfte,

eilte, wutentbrannt, um den wankenden Feind zu besiegen.


Doch Lausus, der Sohn, sah das Bluten des Vaters und eilig

stürzte er vor, mit Schild und Waffe den Schutz ihm zu bieten.

Seine Gefährten folgten mit lautem Geschrei, und es hagelten

Speere auf Aeneas, der mühsam sich deckte mit Schilde.

Wahnsinn treibt dich zum Tod, unglücklicher Jüngling!“ so rief er.

Doch Lausus wich nicht; da schäumte des Helden der Zorn auf.

Tief in die Brust nun tauchte das Schwert und durchdrang ihn,

leicht durch den schimmernden Panzer, ein Werk der sorgenden Mutter.


Doch als Aeneas den sinkenden Jüngling erblickte,

durchbebte ihn Mitleid, er fasste das bleiche Gesicht an.

O du Unglücksel’ger, ein besseres Ende verdienest

du, doch nimm dies Geschenk: Dein goldner Panzer verbleibt dir!

Unversehrt sollst du ruhn bei den Vätern, ein Zeichen der Ehre.

Wisse, du sankst nicht durch einen geringen Bezwinger!“

Sprachs, und hob mit den Händen den edlen Leib aus dem Blute,

dass weder Staub noch Blut die schimmernden Locken befleckte.


Fern am Ufer des Stroms, wo Tiber die Wellen hinabsenkt,

Saß der verwundete Held, gelehnt an ragende Stämme,

Stillte das strömende Blut mit kühlendem Wasser des Flusses.

Nah an den Ästen des Baums hing glänzend der eherne Helm schon,

Rüstung schwer lag im Gras, umstanden von kämpfenden Freunden.

Selbst mit zitternder Hand das schwankende Haupt er erhoben,

Keuchte in tiefer Qual, sein Bart hing sinkend zur Brust hin.

Oftmals fragte sein Mund, wo Lausus, der Sohn, sich verweilte,

Boten entsandte der Mann, ihn eilends wiederzurufen.


Doch nun nahten sie schon, die trauernden Freunde des Jünglings,

Trugen den leblosen Leib mit klaffender, blutender Wunde.

Fern schon hörte der Greis ihr Wehklagen, ahnend das Unheil,

Sank, als sie kamen heran, mit Staub auf silbernes Haupt hin,

Hob zu den Wolken die Hand, umfing dann bebend den Sohn fest:


"Sage, wie konnte, mein Kind, dein Leben mir weichen, o Lausus?

Ward ich von gierigem Wunsch nach irdischer Lust so verblendet,

Daß ich dich sandte zum Feind, anstatt mich selbst zu ereilen?

Muß denn dein Tod mir Leben bedeuten? Wehe dem Alter!

Erst jetzt spüre ich wahr, wie bitter das Los der Verbannten,

Erst jetzt brennt meine Wunde mir heißer im schmerzenden Herzen!

Leb ich noch immer? Ertrag ich des Lichtes schrecklichen Anblick?

Nein, ich ertrag es nicht!"


So sprach er und richtete auf sich, hob sich trotz schmerzender Glieder,

Forderte flammenden Blicks sein mutiges, treues Gefährten,

Welches ihn stets aus den Schlachten siegreich zurück in die Heimat

Trug. Doch traurig stand es, gesenkt war zitternd das Haupt ihm,

Regungslos hing ihm die Mähne, verhüllt von schmerzender Klage.

"Rhöbus, Gefährte, so lang wir lebten, warst du mir treu stets,

Doch nun trachten wir beide nach Rache für Lausus zusammen!

Siegreich kehren wir heim mit Helm und Rüstung des Mörders,

Oder wir fallen zugleich, denn niemals trägst du den Feind mir!"


Rasch erhob sich der Greis, so gut es schmerzende Wunden

Ließen, und legte die Wehr an, grimmig funkelte Helmes

Erz, und hoch in den Lüften flatterte schweifender Roßschmuck.

Speere umklammert die Hand, und wutentbrannt in den Kampf stürmt

Schmerz und tobender Mut, ihn treibt der brennende Wahnsinn.


"Götter gewähren es mir!" rief freudig Aeneas,

"Daß du erneut dich wagst zum letzten Kampfe mit mir nun!"

Rasch erhob er den Speer und stürzte entgegen dem Feinde.

Doch mit donnernder Stimm' begann der zürnende Mezentius:

"Glaubst du, mich schrecken zu können? Mein Sohn fiel durch deine

Hand – und sollt' ich verzagen? Ich fürchte nimmer den Tod mehr!

Doch nimm, du Frevler, dies Zeichen!"


Also rief er und schleudert' den ersten, den zweiten, den dritten

Speer, indem rings er das Roß zu schnellen Kreisen herumtrieb.

Doch Aeneas gewandt hob schützend den schimmernden Schild hoch,

Sicher fing er den Sturm der zischenden, tötenden Waffen.

Dann sprang er wütend hervor und schleuderte tödlich die Lanze,

Die in des Streitross' Schläfe sich bohrte mit zischendem Aufprall.

Bäumend stürzte das Tier, hoch streckt es bebend die Hufe,

Schleudert' den Reiter zu Boden, begrub ihn stöhnend am Rücken.

Aufschrei hallte empor aus beiden kämpfenden Heeren.


Eilend trat nun Aeneas heran, zog blitzend das Schwert aus

Scheide, mit finstrem Hohn sprach er zu fallendem Feind hin:

"Wo nun ist dein Trotz? Wo Mezentius' stolze Verwegenheit?"


Jammernd sah ihn der Greis, vom Boden seufzend erhoben:

"Grausamer Feind, willst spotten du noch in der Stunde des Sterbens?

Sterb ich den ehrenvollen Tod in der tobenden Schlacht nun.

Doch nur eines gewähre: Verwehre nicht feindlicher Bosheit,

Daß sie mir Schmach antun, gönn mir ein Grab mit dem Sohne!"


Also sprach er und bot sein keckes Genick dem Geschick dar,

Blutquell strömte herab auf glänzende, eiserne Rüstung,

Lebensodem entfloh – und dunkel sank ihm das Licht hin.



ZWEIUNDZWANZIGSTER GESANG


Morgenröte erhob sich hoch über das blutige Schlachtfeld,

Das die trojanische Schar mit Sieg und Waffen beherrschte.

Aeneas stellte sodann auf ragendem Hügel zum Zeichen

Einen gewaltigen Stamm, von jeglichen Ästen entblößet,

Kleidete ihn mit der Wehr des Feldherrn Mezentius, funkeln

Sahen die Rüstung umher die Helden des kühneren Volkes.

Rechts der blutige Helm, von buschigem Haar umwogen,

Zerbrochene Speere des Feinds und die stahlharte Rüstung,

Die, vom Geschoß durchbohrt, wohl zwölfmal bebte im Kampfe.

Links ward der ehrne Schild und das Schwert an dem Gürtel

Aufgehangen, gebettet in Elfenbein schimmernder Scheide.

Rings umdrängten die Führer der Troer das heilige Denkmal,

Flehenden Ruf an den Gott des Sturmes der Schlachten erhob er.


Drauf zur Lagerstatt kehrten sie heim, wo der greise Akötes,

Waffenträger dem Sohn des Euander, den leblosen Jüngling

Hütete, rings von trauernden Männern und weinenden Weibern

Still umstanden, das Haar in tiefem Jammer gelöset.

Unter der Halle geborgen lag er auf prunkender Bahre.

Kaum betrat Aeneas die Schwelle des fernen Gemaches,

Jäh erhob sich ein Klagelaut, und jammerndes Weinen

Dröhnte im Hallenbau, da die Fäuste sich schlugen auf Brüste.

Und als Aeneas nun erblickte das Antlitz des Knaben,

Bleich auf ruhendem Kissen gelagert, die Wunde der Lanze

Tief in der jugendlichen Brust, da strömten die Tränen

Flutgleich nieder vom Aug' und seufzend begann er zu sprechen:


"Ach, unglücklicher Sohn, hat trügerisches Geschicke,

Das dir schmeichelnd erschien, dich töricht getäuscht in der Hoffnung?

Nicht das Reich, das du gründetest deinen Getreuen, erblickst du,

Nicht als Sieger kehrst du zur Heimat, von Ehre begleitet!

Nicht dies sagte ich einst zu deinem Vater Euander,

Als er weinend mich bat und sprach mit bebender Stimme:

'Hüte dich wohl, du ziehst in Kampf mit streitendem Volke!'

Weh uns, während wir hier nun dein lebloses Wesen beweinen,

Opfert vielleicht der Vater den Göttern und fleht um dein Leben!"


Also sprach er und gab den Befehl, auf das Lager der Ranken

Eichenholz zu betten den Leichnam und trugen ihn fort dann.

Dort auf grasiger Höh' ward sanft der Knabe gebettet,

Wie ein gepflücktes Veilchen, dem leuchtende Farbe noch anhäuft sich,

Oder Hyazinthe, die sinkt, doch schimmernd noch atmet.

Selbst Aeneas trug zwei purpurne, goldene Kleider,

Die von Didos Hand gewoben in kunstvollem Schimmer.

Eines hüllte den Leib des Jünglings, ein anderes schlang er

Zierlich um Locken und Haupt, und schickte den Sohn dann,

So geschmückt, zum trauernden Vater nach Pallanteum.


Ihnen schlossen sich an gefangene Feinde mit Ketten,

Pferde, beladen mit Waffen, der Greis Akötes, der Alte,

Raufte das Haar und schlug mit Fäusten tobend die Brust sich.

Ihnen folgte sodann das Streitroß des edlen Gefallnen,

Athon, mit tränendem Aug' und gesenktem Haupte,

Menschengleich in Trauer gestimmt.

Drauf die Etrusker führten die Schar, Arkadier folgten,

Männer aus Troja, gesenkt die Waffen und schweigend.

Aeneas sah mit bangendem Blick dem Zuge der Trauer

Nach, bis langsam im fernen Staub die Schatten verschwanden.


Nun mit Ölzwei' in Hand aus Latinus' ragender Stadt kam

Bittend ein Zug, zu bestatten die Toten, die fielen im Kampfe.

Huldreich sprach Aeneas, gewährte die Bitte mit Milde:

"Welch ein Wahnsinn, Lateiner, hat euch in blutigen Zwist so

Töricht gestürzt? Um Frieden ihr fleht nun für eure Toten?

Lebenden hätt' ich ihn gärn! Und nimmer, Lateiner,

Kämpft' ich mit euch, hätt' nicht das Geschick mich getrieben.

Nicht mit eurem Volk, mit Turnus allein ist mein Zwist nun.

Will er den Krieg mit der Faust entscheiden, soll er mir folgen

Rüsten zum Kampfe und prüfen, wem Götter das Leben gewähren.

Nun aber kehret zurück, und ehret die Toten mit Scheiterhaufen."


So er sprach, und Schweigen umfing die hörende Menge.

Endlich erhob sich Drances, Gegner von Turnus,

Lobte die Tugend des Troers und dankte mit ehrlichen Worten.

Zwölf Tage währte der Frist des Friedens, und Troer mit Latiern

Mischten sich friedlich, die Axt sank fällend die Esche,

Zedern und Buchen und Fichten, und Wagen mit Seufzen

Rollten schwer mit Hölzern beladen zur ragenden Stadt fort.


Indes flog schon das Gerücht durch Euanders ragende Hallen,

Pallas sei tot, der Sohn, den er glanzvoll sah in Triumphen.

Wehschrei tönte durch Stadt und Mauern, Arkadische Bürger

Stürzten mit Leichenfackeln dem Zuge des Toten entgegen.

Weithin flammte der Zug und leuchtete düster den Pfad auf.

Ihnen kam auf der andern Seite die Schar der Phrygier

Klagend entgegen, die Bahre des Helden, den Tod schon umfangen.


Als die Weiber des Volkes die düstere Schar sich nähern

Sah'n, erschollen die Gassen vom klagenden Weinen der Menge.

Niemand hielt den greisen Euander, dem Leid nun entbrennen.

Eilend trat er hervor, als niedergelegt ward die Bahre,

Stürzte sich seufzend darauf und brach in klagendes Weinen.



DREIUNDZWANZIGSTER GESANG


Trojaner und Latiner bestatteten trauernd die Toten,

Opfernd und weinend; doch lauter erklang die Klage der Letztern.

Mütter, die Witwen, die Schwestern, die Knaben, die Väter verloren,

Wandelten irr durch die Stadt, verwünschten den Krieg und den Bund noch

Turnus' mit Aeneas' Geschlecht. Die Klage erscholl durch die Gassen.

Drances verstärkte den Unmut, denn stets warb er wider den Turnus,

Sagte, nur er sei der Grund und nur er solle kämpfen im Zweikampf.

Doch auch Turnus gewann seine Stimmen, denn Königin Amata

Hielt zu dem Helden, und Ruhm wie errungene Siege erhoben

Ihn in den Augen des Volks, das noch an den Führer da glaubte.


Doch in der Mitte des Zanks kam Botschaft, die Hoffnung vernichtend.

Unten in Daunien weilte, von heimischer Flur einst verbannt noch,

Tydeus' Sohn, Diomedes, der große Held der Achäer.

Argyripa hatte er dort als Stadt in der Fremde gegründet.

Dorthin sandte nun Turnus den Venulus, flehend um Beistand.

Diomedes, alter Feind der Trojaner, solle mit Waffen

Latium helfen im Krieg, denn Aeneas drohe mit Troja.

Jetzt aber kam der Gesandte zurück mit unerfreulichen Worten:

Hilfe gewährt ihm kein Grieche, der König verweigert die Waffen.

So sank Latinus' letzte Hoffnung dahin in den Schatten,

Niedergebeugt von Gram, berief er das Volk in den Palast ein,

Setzte sich düster zu Thron, ließ Botschaft erstatten dem Volke.


Bürger,“ so hob nun Venulus an, „wir schritten hinüber,

Sahen den großen Fürst, wo Argyripa raget am Höhenrand,

Unter den Eichen des Berges Garganus ragte die Feste.

Als wir ihm Namen genannt und Gaben ihm dargebracht hatten,

Sprachen, wer uns bedroht, da gab er mit Lächeln zur Antwort:


'Glückliche Völker des Landes, o ihr, die Saturnus beschirmet,

Welch ein Verhängnis ergriff euch, dass ihr nun den Frieden verlieret?

Wir, die Besieger von Troja, wir sind die unglücklichsten alle!

Ajax ertrank in den Fluten, Agamemnon fiel in der Heimat,

Odysseus irrte umher, und Menelaos in Ägypten.

Auch mir versagten die Götter den Heimweg, gönnten mir nicht ihn.

Ach, was erzähl ich von Leid? Seit Troja fiel, bin ich keiner,

Keiner, der kämpft wider Troja! Die Taten, die ich einst begangen,

Dienen mir nicht zur Lust; so bietet den Frieden, noch ist Zeit!'"


Kaum hatte Venulus geendigt die schweren Berichte,

Brauste das Volk mit Getön, gleich rauschenden Flüssen im Felsen.

Als dann die Stimmen verebbt, da hob sich Latinus zu Rede:

Führen ein hoffnungslos Werk wir, ihr Bürger, gegen die Götter.

Höret mein Wort und beherziget dies, was nun ich euch rate.

Nahe dem Tiber besitze ich Land, das fruchtbar in Grenzen

Rutuler bebauten bisher; das will ich den Trojanern

Geben, auf dass sie sich dort ihr ewiges Reich nun begründen.

Möchten sie lieber ziehen in fernere Lande, so sollen

Schiffe wir rüsten zum Zug und Erz und Holz ihnen liefern,

Fünfzig Schiffe gar wohl, und hundert Gesandte entsenden,

Friedenszweige in Hand, mit Gold, Elfenbein und dem Thronsitz."


Drances, der neidische Greis, erhob sich und rief in die Menge:

König, vortrefflich dein Wort! Doch füg' eine Gabe noch hinzu:

Gib deine Tochter dazu, auf dass nun der Frieden gesichert!"

Zornig sprang nun Turnus empor, der eben gekommen,

Laut rief er auf aus der Brust: „O Drances, immer mit Worten

Schmetterst du mächtig im Rat, doch fern bist du stets in der Schlachtzeit!

Hier aber drängt uns der Feind! Was hilft uns Diomedes' Weigerung,

Wenn unser eigenes Volk, die Volsker, die Stämme von Latium

Ruhmreich streiten für uns? Wenn aber mein Leben alleine

Allen genügt, so sei's: ich bin Turnus, er wird mich erblicken!"


Und in dem Zwiespalt der Latiner kam aus den Wäldern

Aeneas her mit Macht, und bebend hallte die Kunde:

Trojaner nahen mit Etruskern, marschieren zum Kampfe!“



VIERUNDZWANZIGSTER GESANG


Die Versammlung zerstob in den Winden, es eilte von allen

Straßen der Menge Gewirr hinauf auf ragende Mauern.

Tore der Stadt verschanzten die Männer mit tiefen Gefilden,

rollten Steine herbei, und die Pfähle versenkte die Erde.

Schmetternd erklang das Horn, und Mütter mit kämpfenden Gatten

stellten sich mutig gereiht am schützenden Mauerumfange.

Auf einem Wagen, erhoben, erschien nun Königin Amata,

führend Lavinia mit sich, der Leiden Ursache dunkler.

Niedergesenkt ihr Blick, und sie wandelte schweigend zur Feste,

wo in dem Tempel der Göttin Minerva Gebete sie murmelnd,

Opfer darbrachte dem Heil der verzweifelnden Väter und Mütter.


Turnus indes umgürtete hastig den leuchtenden Panzer,

legte das Gold um die Schien' und griff sich das herrliche Schwert an,

dann auf das Haupt den glänzenden Helm mit strahlendem Kamme,

funkelnd trat er hervor und jubelte siegesbewusst schon,

schritt von der Höhe herab zur weiten Pforte der Königsburg.

Dort ihm begegnete jung, von Scharen der Volsker begleitet,

Kamilla, die mutige Maid. Sie ersah den Kämpfer, da sprang sie

leicht von dem Roß herab, ihr folgten scharenweise die Krieger.

Rasch nun redet' sie kühn zu dem Helden, dem rüstigen Turnus:

"Wenn es dem Starken erlaubt ist, auf mächtigen Arm sich zu stützen,

dann heut, o Fürst, gelobe ich dir, mit mutigen Reitern

Aeneas Scharen zu trotzen und ihm mich entgegenzustellen!"


Turnus empfing sie erfreut und sprach mit erhobener Stimme:

"Mädchen, dein Mut erhebt dich über das Schicksal der Frauen,

hoch in den Kreis der Männer soll heut dein Name erstrahlen.

Diesen Kampf willst du teilen mit mir? Dann zieh an die Spitze!

Bald schon kommen die Reiter, die Aeneas sandte in Eile;

doch er selbst mit dem schwereren Heer naht schrittweise der Feste.

Dort in den Wäldern, verborgen in tiefem, schluchtigen Hohlweg,

will ich den Hinterhalt legen und eng die Pässe besetzen.

Dir aber sei die Reiterei anvertraut, du sollst sie führen:

Messapus mit Scharen der Latinier sei dir zur Seite,

so dass du mächtig die Feinde empfängst mit loderndem Ansturm."


Drauf mit hastendem Schritt zog Turnus zu waldigen Pfaden,

schmale Wege entlang, von finsteren Felsen umstanden.

Hoch auf ragender Bergesstirn, verborgen im Dickicht,

lag eine lichte Flur, dort bot sich ein sicherer Hinterhalt.

Dorthin schritt er mit Scharen, bereit, aus der Höhe zu stürzen.


Nahe inzwischen den Mauern schritten die Trojaner mit Heereskraft,

Rosse stampften im Felde, ein Regen von Speeren erkrachend.

Dort aus der Stadt erschien nun Messapus mit mutigen Kriegern,

Volsker folgten der Führerin Kamilla in glänzender Rüstung.

Kaum war der Raum auf Speerwurfweite geschwunden, da standen

starr die Heere einher, dann brach das Getöse hervor schon.

Ross um Ross sprengte vor, und Geschosse verdunkelten jeglich

Licht in der Luft, gleich wirbelndem Schnee, wenn Winter ihn streuet.


Zweimal wankte die Schlacht, und zweimal floh sie zur Mauer,

um sich erneut zu wenden wie wogende Ebbe zur Flut hin.

Doch zum dritten Male verstrickt in wirrenden Kämpfen

standen die Heere gefaßt und wählten sich Mann gegen Mann nun.

Waffen klirrten im Blut, es wälzten sich sterbende Rosse,

Leiber gestürzt und gepresst von feindlichen Lanzen zerschmettert.

Mitten im Morden, stolz wie die Amazonen im Kampfe,

stand Kamilla, die Volskerin, sandte den Pfeil aus dem Bogen,

donnerte Lanzen voraus und schwang die blitzende Streitaxt.

Goldne Köcher erklangen, ihr folgte ein mutiges Jungvolk.

Larina, Tulla, Tarpeja, die Kriegergespielinnen tapfer,

standen ihr treu zur Seite in Frieden und in den Gefahren.


Viele Trojaner fielen dem Streich der rüstigen Kämpferin.

Endlich trat ihr entgegen ein starker Sohn des Apennin,

einer der mutigsten dort, als sie Orsilochus’ Leben

mit einem Hieb aus dem Helm hinaus in das Dunkel gesendet.

Sehend die Furchtbare nahen, sann der listige Krieger

heimlich auf Flucht und trachtete mit einem Trug nach Entweichen.

"Rühme dich nicht, wenn du sicher auf Rossen entfliehst, o Kamilla,

steige herab und bestehe den Kampf mit mir auf der Erde!"


Glühend vor Zorn sprang nieder die Maid, doch tückisch der Gegner

wandte das Ross und floh, die Sporen tief in die Flanke

treibend hinweg, um List durch Flucht zu erlangen.

"Törichter Lügner!" rief Kamilla voll wütenden Zornes,

"Dich führt keine List mehr heim zu betrügerischem Aunus!"

Sprechend, jagte sie nach mit fliegenden Sohlen der Flücht'gen,

fiel in die Zügel des Rosses und stieß ihm den Speer in die Brust hin.


Doch auf der Gegenseite erhob sich ein herrlicher Kämpfer,

Tarchon, König der Etrusker, gewaltig an Stärke und Kühnheit.

Scharen trieb er vor sich, die flohen, und rief die Genossen,

nannte sie bei ihrem Namen, ermunterte, rief sie zum Sturme,

trieb, unbekümmert um Tod, sein Ross in die Mitte der Schlacht nun.

Dort erspähte er Venulus bald, da stürzte er auf ihn,

riss ihn herab vom Pferd, umschlang ihn mit mächtigem Arme,

trug ihn hinweg auf dem eigenen Ross in sausendem Fluge.


Staunend blickten die Seinen ihm nach, doch eilte der Reiter,

während er, furchtlos, dem Feind mit der abgebrochenen Lanze

tödlich zwischen die Fugen der Rüstung die Wunde zu schlagen

suchte. Doch Venulus wehrte sich wild, erhob seine Rechte,

deckte die Kehle sich schützend, im Ringen um Leben und Sterben.

So erschien das Paar wie der Adler, der durch die Lüfte

hoch die Schlange entführt; sie windet sich, bäumt sich und zischt noch,

während der königliche Vogel sie fest in den Krallen gebändigt

trägt und mit mächtigem Flügelschlag die Lüfte durchpeitscht ihm.

So auch stürmten erneut die Etrusker, entbrannt von dem Beispiel.


Auch Kamilla traf nun auf einen gefährlichen Gegner.

Arruns, mutiger Krieger, umschwärmte die kühne Amazone,

folgte ihr immer und wich ihr nicht, wohin sie sich wendete.

Nun verfolgte Kamilla den Priester des phrygischen Heiligtums,

Chloreus, dessen Gewand mit goldenen Fäden geschmücket,

strahlend prangte sein Helm, und schimmernd klang ihm der Köcher.

Pfeile entsandte sein Bogen, ein tödliches, flammendes Eisen.

Seine erglänzende Rüstung entfachte in Kamilla Begierde,

sei es, um sie als Siegestrophäe dem Tempel zu weihen,

sei es, um selbst in dem herrlichen Schmucke zu glänzen.

Doch als einzig auf ihn nun ihr Aug’ und ihr Denken gerichtet,

hatte sie Arruns vergessen, der, flehend zu Phoebus,

rasch und sicher den Speer entsandt in den Äther. Der Gott nur

halben Gewährte den Wunsch: dass sie sterbe, doch ohne den Ruhm ihm.

Rasch durchschoss die Lanze die Lüfte, und rings um die Jungfrau

horchten die Volsker erschrocken und suchten mit Blicken die Herrin.

Doch sie ahnte kein Unheil, bis tief in der Brust sie das Eisen

fühlte, das blutig hervorbrach, die Kräfte vergehend in Röte.

Zitternd eilte die Schar ihr zur Seite, sie fassten die Wankende,

während Arruns, erschrocken vor seinem eigenen Treffer,

flüchtete angstvoll, wie Wölfe, die nach dem tödlichen Raube

schleunigst fliehn in das Dickicht, bevor sie die Jäger erhaschen.


Sterbend rang nun Kamilla am Speer, der tief sich gesenket,

schwand ihr Licht aus den Augen, erblasste die glühenden Wangen.

Akka“, hauchte sie schwach, „o flieh! Und bringe dem Turnus

meine letzten Befehle, denn rings um mich dämmern die Schatten.

Er soll kämpfen fortan, um das Volk vor den Feinden zu retten!“

Also sprach sie und sank aus dem Sattel, noch ringend mit Letztem,

bis sie die Erde empfing und das Leben entwichen mit Seufzen.


Schreie der Klage erhoben die Volsker, die Schlacht nun entbrannte

wilder als je, und den Mörder der Jungfrau, den flüchtigen Arruns,

traf unsichtbar ein Pfeil: es war die Rache Dianas.

Leblos sank er zur Erde, vergessen im Staube des Feldes.

Bald nun flohen die Scharen, die Krieger Kamillas zuerst nun,

ihnen die Rutuler nach, und wirbelnd stieg eine Wolke

Staubes empor, die Stadtmauern hin drängte der Aufruhr.

Mütter schrien von den Zinnen, der Feind war bereits vor den Toren,

Männer verschlossen die Tore, die Flüchtenden draußen verderbend.


Doch zur selben Zeit, im verborgenen Hain noch verweilend,

drang die Kunde zu Turnus, von Akka, der treuen Gefährtin.

Zerrissen von Gram und Zorn verließ er das Dunkel der Wälder,

eilte hinab auf die Ebene, brannte vor Wut auf Vergeltung.

Kaum verließ er sein Lager, da kam von den Bergen Aeneas,

sorglos drang er herab, bald sichtbar im Lichte der Felder.

Turnus erkannte den Feind und stellte sich mächtig entgegen,

bereit zum entscheidenden Kampfe – doch sank schon die Sonne.

Hätte sie länger gewährt, so wäre der Tag nun

letztlich geworden der letzte für beide gewaltigen Heere.



FÜNFUNDZWANZIGSTER GESANG


Als nun Turnus ersah, wie die Seinen von Feinden gedemütigt

Sich auf ihn alle gewandt, ihr Vertrauen und Hoffen nur ihm galt,

Wallte die Scham ihm empor, es rötete glühend die Wangen,

Hoch und mächtig erhob sich sein Herz in der mutigen Brust nun.

Wie ein Löwe, der tief von dem Speer eines Jägers getroffen,

Furchtlos aufspringt, noch einmal die zottige Mähne geschüttelt,

Knirscht mit blutigen Zähnen und bricht sich das eisene Wurfholz,

Also entbrannte erneut der erhabene Mut des Jünglings.


Rasch nun trat er hervor, vor Latinus, den ehrwürd'gen König,

Sprach mit donnernder Stimm': "Nicht harret der Schuld an mir, Vater,

Sollten die Feigen von Troja das Wort ihres Eides nun brechen!

Opfertiere befiehl herbeizuführen, Latinus,

Schließ den Bund! Entweder wird heut' mein Arm ihn bezwingen,

Sendet den Flüchtling Asiens hinab in die Schatten des Orkus

Oder er siegt, dann mag er Lavinia heim sich geleiten."


Sanft doch, sinnend und weise, begann nun Latinus zu sprechen:

"Turnus, herrlicher Held, du ragst durch Mut und durch Tapferkeit

Hoch hervor vor den Männern; doch rate ich, höre mit Klugheit:

Groß ist dein Reich, das dir Daunus, dein Vater, vererbt hat,

Viele Städte gewann dir dein Arm in siegreichen Kämpfen.

Gold und Gunst gewähr' ich dir gern; in Latium wohnen

Viele Bräute, die glänzen an Adel und edler Geburt noch.

Doch sollst du die Wahrheit vernehmen, so hart sie dir scheine:

Nicht aus freiem Entschluss gab ich je meine Tochter den Freiern.

Götter und Menschen warnten mich schwer, und dennoch, von Tränen

Meiner Gemahlin bewegt, und getrieben von Blutsverwandtschaft,

Gab ich dich willig zum Eidam und zog in den unheil'gen Krieg ein.

Siehe das Unglück, das uns umhüllt! Du allein nun, Turnus,

Bist es, der Frieden verhindert. Entsage Lavinia, räch dich

Nicht im zweifelnden Kampf, was du mir nun als sicher gewährtest!

Denk an das unstete Kriegsglück! Denk an den Gram deines Vaters,

Der in Ardea weilt und um dich im Kummer verzehret!"


Doch kein Wort konnte Turnus erweichen, es loderte heftig

Weiter sein Mut; nicht Tränen, nicht Bitten der Mutter vermocht' es,

Noch Lavinias Glut, die über die Wangen errötend

Floss in perlenden Tropfen herab. Wie Elfenbein, das

Sanft von Purpur durchschimmert, wie Schnee, der von Rosen bestrahlt wird,

Strahlte das Antlitz der Jungfrau; Turnus, betroffen, betrachtete

Lange ihr Bild, doch flammte erneut in der Brust ihm der Zorn auf.

Dann zur Königin sprach er mit fester, gewaltiger Stimme:

"Mutter, bedränge mich nicht mit Tränen und bangen Ahnungen!

Turnus hat keine Wahl!" Dann rief er zu seinem Gefährten:

"Idmon, eile geschwind und künde dem trojanischen Führer:

Morgen kämpfen nicht Heere noch Scharen auf blutigem Felde,

Sondern er selbst und ich entscheiden den Krieg mit dem Schwerte;

Einer von uns nur soll Lavinia heim sich geleiten!"


Schon nun rüstete Turnus sich eilig, befahl seine Rosse,

Wuchtig anlegend das Eisen, ergriff die gewaltige Lanze,

Schimmernd vor Zorn und begierig, den Feind in der Schlacht zu begegnen.

Auch der trojanische Held, der sich froh des Wortes des Feindes,

Wappnete sich, umhüllt von der himmlischen Rüstung der Götter.


Kaum mit Strahlen die Sonne die Gipfel der Berge berührte,

Strömten herbei die Scharen, das Feld ward gemessen zum Zweikampf,

Stille ruhten die Waffen; es bauten inmitten des Platzes

Opferaltäre die Priester und weihten das heilige Feuer.

Dann mit Kränzen geschmückt, mit den Tieren, mit Wasser und Flammen,

Nahten die Männer, um feierlich heilige Schwüre zu sprechen.


Schon nun eilte Latinus einher auf dem prächtigen Wagen,

Glänzend im goldenen Diadem, das mit Strahlen erglänzte.

Turnus folgte darauf, mit den Rossen von blendender Weiße,

Wurfspieße schüttelnd in kraftvoller Hand. Aus dem Lager

Aeneas stieg hervor, mit dem Schild, der wie Sterne erstrahlte,

Neben ihm Askanios, wachsend an Jugend und Kräften.

Nun die Opfer gebracht, mit gesalzenem Mehle bestreut sie,

Gossen das heil'ge Gebet auf den Altar und hoben die Stimm' an.


Dann erscholl des Vertrages Beschluss, den Latinus verkündet:

"Wenn Aeneas besiegt, soll Julus mit Troja entweichen,

Fliehen gen Pallas' Stadt und die Fluren von Latium räumen.

Doch wenn Aeneas siegt, so sollen in treuem Bunde

Troja und Latium sein, in selbstständiger Eintracht vereinet,

Aeneas Lavinia führn und eine gewaltige Stadt baun,

Die für immer hinfort nach Lavinia's Namen benannt sei."


Also beschlossen sie feierlich rings und harrten des Kampfes.


Lange erschien schon der Kampf den Rutulern als ungleicher Streit,

Gärende Herzen erglrende Herzen ergl\u00fhten in ungeduldiger Sorge;

Denn die gewaltige Heldenkraft Aeneas’ bedrückte

Tief ihre Seelen und machte den Ausgang dunkel und schwankend.

Mehr noch wuchs ihr Bekümmernis, als sie den führenden Helden

Blass von Antlitz und hohl in den Wangen, schweigend erblickten,

Wie er gesenkten Haupts an des Altars Stufe verweilte.

Juturna, seine Schwester, die sterbliche Nymphe, erkannte

Bald die bedrohliche Stunde, verwandelt nahm sie die Züge

Kämpferischen Kamers an, der hohem Geschlechte entsprossen

Ruhmreich lebte und hohes Ansehen fand bei den Seinen.

Mitten im Heer nun wandelnd, sprach sie mit drängender Stimme:


Rutuler! Schämt ihr euch nicht? So viele tapfere Männer,

Die ihr im Kampfe geübt seid, sollt einer Seele den Tod weihn?

Gleichen wir nicht an Kraft den Feinden? Zählt doch die Krieger:

Trojaner, Arkadier, Etrusker, zählt sie nur alle!

Würden wir Mann gegen Mann uns stellen, kaum wär' ein Gegner

Jedem von uns bestimmt, und wir wären ihnen nicht unter!

Ruhmvoll steigt unser Turnus empor, wenn er fallend den Göttern

Naht am Altar; doch wir? Wir büßen das Vaterland ein

Und werden Knechte dem Trotz der bezwingenden Herren.

Zurecht träfe das Los uns, saßen wir träge im Grase,

Wo wir doch mutig mit Waffen für unsre Freiheit gerungen!“


So sprach Juturna, doch tat sie noch mehr: ein bedeutsames Zeichen

Sandte vom Himmel sie nieder, das kühn die Gemüter entflammte.

Goldener Jupiters Adler durchflog die erstrahlenden Lüfte,

Scheuchte die Vögel des Stroms auf, stürzte herab zu den Wellen,

Packte mit klirrenden Klauen den schimmernden Schwan aus dem Flusse.

Doch in den Höhen vereinten sich Vögel in dunkler Versammlung,

Kreisten den Adler und zwangen mit mächtigem Schwarm ihn zur Flucht hin.

Schließlich verlor er die Beute, die Last fiel zurück in die Fluten.

Freudig erscholl das Geschrei, es rauschten die Schwerter aus Scheiden,

Rutuler und Latiner gehorchten dem mächtigen Seher,

Tolumnius rief zur Schlacht und schleuderte wüthende Waffen.


Laut brach Lärm aus und stürmische Schreie erschollen im Heere,

Wildes Getümmel entstand, die brünnigen Reihen zerstoben.

Gegen ihn standen neun junge Brüder, schön von Gestalte,

Gylippus’ Söhne, geboren aus edler etruskischer Mutter.

Einer, von Tolumnius’ Speere getroffen, stürzte zur Erde.

Plötzlich, entbrannt in Rache, die acht verbliebenen Brüder,

Schwangen die Speere, die Schwerter gezückt, zum Kampfe entschlossen.

Rutuler drangen heran, die Reihen durchbrach wilder Ansturm,

Altäre wankten im Sturm, ein Hagel von Speeren ergoß sich,

Latinus entfloh mit den heiligen Bildern der Ahnen.

Rosse bestiegen die einen, die andern ergriffen die Wagen,

Wiederum stürzten die Männer mit blinkenden Schwertern ins Handwerk.

Fürchterlich tobte die Schlacht, ein wüthendes Morden erhob sich.


Aeneas hob indes seine händerechte zum Himmel,

Drängte sich vor zu den Seinen, entblößt und rufend:

Freunde, wohin? Was treibt euch zur plötzlichen, wüthenden Zwietracht?

Haltet den Zorn doch zurück, der Bund ward festlich besiegelt,

Keiner verwehre den Führern den Kampf!“ So rief er und mahnte.

Doch kaum schwand seine Stimme, ein pfeifender Pfeil aus der Ferne

Drang durch die Lüfte heran und traf den erhabenen Helden.


Als Turnus sah, dass Aeneas vom Felde geräumet,

Fordert' er Ross und Wagen, und kühn in die Flucht fuhr sein Angriff.

Räder zertraten die Feinde, die Speere durchbohrten die Brüste.

Schlachtengetöse erscholl, die Felder bedeckten die Toten.


Während indes der Verwundete stützte den Gang auf die Lanze,

Mnestheus, Achates und Askanius' treue Gefährten

Führten ihn blutend zurück in das sicher geschützte Gezelte.

Seufzend versuchte der Held, den haftenden Pfeil zu entwinden,

Flehte den Arzt Japyx an, die Wunde zu lösen,

Doch nicht die Zange, nicht kühnes Geschick konnte helfen.


Während er rünnend sich mühte, erschien aus der Ferne

Dunkel die Staubwolke feindlicher Reiter, der Lärm der Gefechte

Näherte sich, und drohend umwogten die Dämme die Feinde.



SECHSUNDZWANZIGSTER GESANG


Da erbarmte die Göttin sich nun des gefährdeten Sohnes,

Pflückte vom Ida-Gebirg auf Kreta das heilige Kraut sich,

Diktamnum, das mit purpurnen Blüten leuchtete prächtig,

Blätter saftig und frisch, und hüllte sich ein in die Wolke.

Ungesehen betrat sie das Lager und träufelte leise

Heilenden Saft in den Kessel, worin schon brodelnd die Kräuter

Dampften, die kundige Hand des Arztes sorgsam bereitet.

Ambrosia mischte sie ein und das duftende Kraut Panakeia.

Nichts ahnte Japyx davon, doch als er erneut die Wunde

Wusch mit heilendem Saft, entfloh sogleich allen Schmerzen

Jegliche Spur aus dem Leib des Helden; im Innersten stockte

Blut an der Wunde, der Pfeil entglitt der berührenden Hand schon

Mühelos, freiwillig sprang er aus dem verwundeten Körper.

Kraftvoll stand Aeneas, der Held, in glänzender Stärke.

Was zögert ihr?“ so rief da freudig der heilende Meister.

Schnell, bringt Waffen herbei! Nicht war es menschliche Macht, die

Solches vollbracht, kein Wissen der ärztlichen Kunst hat gewirkt hier,

Göttlicher Wille gebot es, dich, König, zu Größerem treibt er!"


Nicht verweilte der Held, voll Sehnsucht nach glühendem Kampfe,

Schien' um die Beine gelegt, den Panzer rasch an die Brust geschnallt,

Zornig ob jeglicher Zögerung griff er den Helm mit Entschlossenheit,

Hob ihn aufs Haupt, und mit starker Faust nun schwang er die Lanze.

Fertig gerüstet umarmte den Sohn er, Ascanius, innig,

Küsste mit streifendem Mund durch Gitter des Helmes die Wange,

Lerne von mir den Mut, mein Kind, und standhafte Treue,

Glück aber lerne von andern!“ So sprach er und schritt nun

Mächtig aus dem Tor des Lagers, gefolgt von Antheus,

Mnestheus und zahlreicher Schar, in dichter Reitergestalt nun.

Auf aus dem Lager strömten die Krieger, und staubige Wolken

Kündeten Turnus die nahenden Feinde, es schauderte tief ihn.

Zitternd ergriff ihn die Angst, und Juturna, die göttliche Schwester,

Trieb ihn zur eilenden Flucht, denn der trojanische Held schon

Tobte wie wütende Windsbraut mitten im brennenden Kampfe.


Erster fiel Tolumnius, Seher, der Feinde zu Boden,

Der das Geschoss als erster geschleudert ins feindliche Heer einst.

Juturna, des Turnus Schwester, erkannte die drohende Stunde,

Stieß von dem Sitz den Wagenlenker, Metiskus, zur Erde,

Selbst nun schwang sie sich hoch in den Sitz und lenkte den Wagen,

Lenkte die Rosse gewandt, bald hierhin, bald dorthin den Bruder

Führend, sodass ihn kein Feind im stürmenden Kampfe erreichte.

Aeneas jagte ihm nach, rief laut durch zersprengte Geschwader,

Fordert‘ zum Kampf ihn heraus, doch Juturna lenkte den Wagen,

Immer zur Seite gewandt, und täuschte des Kämpfers Verfolgung.


Plötzlich erschien Messapus, der Krieger, ein Speer in der Linken,

Schleuderte sicher ihn fort, und knapp nur verfehlte der Wurf ihn.

Aeneas duckte sich tief, der Speer jedoch riss ihm vom Helme

Busch und Kamm, nur wenig am Haupte vorbei durch die Lüfte.

Da rief Aeneas die Götter zu Zeugen des Treubruchs,

Rannte mit zürnender Faust in die dichten Reihen der Feinde.


Doch da kam seiner Mutter Venus göttliche Weisung,

Nicht mehr den Turnus zu jagen, vielmehr die Mauern der Feinde

Plötzlich zu stürmen und Not über ungeschützte Gefilde

Bringen, dass Schrecknis und Angst in die Reihen der Gegner sich mischten.

Kaum sah Aeneas die Stadt in stiller Ruhe gelagert,

Rief er Mnestheus und Sergestus herbei mit Serestus,

Stellte die Höhen sich auf und fasste den finsteren Vorsatz.

Ohne Verzögerung drängten die Männer, die Stadt nun zu stürmen.

Fackeln flogen empor, die Leitern hingen an Mauern,

Tore erzitterten schon, und Lanzen flogen von oben.

Hoch in der Mitte erhob Aeneas mächtig die Stimme:

Eilt, meine Helden, vollzieht das Walten Jupiters! Heute

Soll diese Stadt mir verfallen, ihr Giebel in Flammen vergehn!

Soll ich denn warten, bis Turnus zum Kampfe sich würdigt?

Nein, hier liegt das Ziel des Krieges, flammt ihnen Bündnis ins Antlitz!“


Schnell formierte sich nun das Heer zu einem Geschwader,

Drängte sich dichter heran und stürmte die feindlichen Mauern.

Stadt ward erschüttert, die Wachen stürzten im lodernden Brande,

Pfeile regneten nieder, die Lanzen schwirrten von oben.

Mitten im Heere stand Aeneas und rief zu den Göttern,

Schob auf Latinus allein die Schuld des gebrochenen Eides.


Unruh ergriff die erschütterte Stadt, der Bürger versammelte Scharen.

Jene verlangten, den Frieden zu schließen und Tore zu öffnen,

Andre trugen die Waffen herbei und rüsteten Mauern.

Amata jedoch, die Königin, sah von ragendem Dache

Flammen und Sturz der Stadt, die trojanische Wut in den Straßen,

Sah nicht Turnus nahn, kein Heer der tapferen Rutuler.

Riss sich in tiefer Verzweiflung den Purpur und wählte den Freitod,

Schlang sich das Tuch um den Hals und starb im eigenen Hause.

Schrei und Wehklagen drang aus den Räumen der trauernden Frauen,

Lavinia raufte ihr Haar, zerschlug sich die schimmernden Wangen.

Bald war der Ruf des Kummers durch all die Gassen gedrungen.

Latinus, der König, erkannte zu spät seinen Irrtum,

Riss sein Gewand und klagte die Torheit verzagenden Herzens,

Hätte er doch den Helden Aeneas eher empfangen!


So nun bebte die Stadt, im Innern und außen erschüttert,

Bis sich entschied in der Schlacht, wem Götter den Sieg nun gewährten.



SIEBENUNDZWANZIGSTER GESANG


Turnus jagte derweil auf äußerstem Rande des Schlachtfelds

Noch den Flüchtenden nach, doch langsamer wurden die Rosse,

Müder stampften sie fort, da scholl von fern ihm entgegen

Wirres Geschrei aus der Stadt, zerbrochene Stimmen des Jammers.

Plötzlich ahnte sein Herz, daß drinnen ein schreckliches Unglück

Sich begeben, und schaurig zog er ruckhaft die Zügel,

Hielt betäubt die Rosse zurück. Doch Juturna, die Göttin,

Immer noch schien sie Metiskus, der Lenker des Wagens, zu sein,

Sprach in ärgerlichem Ton: "Was sinnst du noch, Turnus?

Willst du stocken im Lauf, wo der Sieg auf Seiten dir winket?

Laß uns weiterjagen, die Trojaner vernichten!

Mögen andere selbst um die Häuser kämpfen und sorgen!"


Lange blickte er staunend sie an, dann sprach er mit Ernstmut:

"Täuschte mich doch mein Geist nicht gänzlich! Längst schon erfaßte

Mich der Argwohn, nicht sei es Metiskus, der Wagen mir lenket,

Sondern du, geliebte Schwester, mit göttlichem Scheine!

Ja, ich erkannte dich schon, als deine List mich umgarnte,

Als du löstest das Band des Bündnisses mächtiger Könige!

Nun auch birgst du dich mir umsonst, o himmlische Schwester!

Sag, wer sandte dich ab vom Olymp, zu tragen die Sorgen,

Die der Sterblichen Los? Mußt du des Bruders Verderben

Schauend nahn? Denn was für ein Schicksal bliebe mir übrig?

Sah ich nicht tapfere Rutuler rings um mich fallen?

Soll ich nun weiter zusehen, wie Stadt und Mauern zertrümmert?

Und ich sollte die Schmach von Drances’ Worten nicht rächen?

Soll ich schimpflich fliehn, mich bergen dem Kampfe?

Soll mein Volk, mein Vaterland mich fliehend erblicken?

Ist denn der Tod so furchtbar ein Ende? Ihr Schatten der Tiefe,

Nehmt mich gnädig auf, denn die Himmlischen hassen den Turnus!

Ehrlos, ruhmlos soll nicht mein Leben enden!

Rein von Makel, würdig der Ahnen, steige ich nieder!"


Kaum verhallte das Wort, da stürmte von blutendem Antlitz

Saces, der Rutuler, durch feindliche Lanzen mit Rufen:

"Turnus, eil! Du allein bist unsere letzte Rettung!

Aeneas steht in der Stadt, die Mauern erzittern,

Brände fliegen empor, der König schwankt in der Wahl nun,

Wen er als Eidam nimmt; die Königin starb durch die eigene Hand schon.

Nur noch Messapus und Atinas wehren den Toren!"

Turnus starrte, verharrte, im Innern zerrissen von Zweifel,

Zwischen Scham und Kummer, und brennender, wütender Liebe.

Blicke irrten umher, dann fielen sie endlich zur Stadt hin.

Sieh, von hölzernem Turm, vom höchsten der ragenden Mauern,

Wälzte lodernd empor die Flammensäule des Brandes,

Jenes Turmes, den einst er selbst mit mächtigen Balken

Hatte gezimmert, auf Räder gestellt und mit Brücken verbunden.

"Nun, o Schwester, nun hat das Geschick uns besieget!

Halte mich nicht zurück! Wo die Götter mich rufen, da folge!"


Sprach's und sprang vom Wagen zur Erde, stürmte durch Lanzen,

Hinter ihm trauernd die Schwester, brach durch die Reihen der Feinde.

Wie ein stürzender Fels von ragendem Gipfel gelöset,

Rollend tosend hinab durch Wälder, Weiden und Herden,

So durchbrach er die Scharen der Reiter, stürmte zur Mauer,

Wo am heftigsten tobte das Ringen. Hoch hob er die Rechte,

Rief mit gewaltiger Stimme: "Rutuler, hemmet die Waffen!

Latiner, schont der Geschosse! Ich will mit dem Schwerte

Selber entscheiden, wem das Bündnis gebühret!"


Staunen ergriff das Heer, und Aeneas, vernehmend den Ruf nun,

Stürmte mit brausenden Waffen, verließ die Höhen des Kampfes,

Jubelnd zog er heran, und Latinus, der greise Monarch, stand

Still und staunte, als beide gewaltige Männer sich nahten,

Fern aus verschiedenen Landen, um nun mit dem Schwerte

Endlich den Hader zu lösen, den Götter und Menschen entfachten.


Mitten im Felde, wo sich die Scharen zurück nun gewichen,

Stürmten sie heftig heran, die Speere mit Macht sich werfend.

Schild schlug gegen Schild, und donnernd erbebte die Erde.

Hieb folgte auf Hieb, und beide riefen den Göttern.

Endlich, mit mächtigem Schwung, da reckte Turnus den Körper,

Wollte, sicher des Siegs, den streckenden Streich ihm versetzen.

Doch Trojaner und Latiner erschraken, entsetzt von dem Anblick,

Denn die treulose Klinge, sie brach im Schlage entzwei ihm!


Turnus wich, doch rings umschlossen die Feinde den Fliehenden,

Hier die Trojaner, dort ein Sumpf, und die Mauern erhoben

Ihren unnahbaren Wall. Doch Aeneas verfolgte

Ihn, ob von Wunde geschwächt, mit ehernem Schritte.

Schreie tobten empor, die Heere erhoben den Ruf laut,

Hügel und Ufer erdröhnten, der Himmel hallte vom Echo.

Turnus, geängstigt, rief mit flehendem Tone die Seinen,

Blickte nach seinem Schwert, doch keines erschien ihm im Nahkampf.

Aeneas aber schreckte mit Donnerwort jeden,

Der ihm nahen wollt’, mit fürchterlicher Verderbnis,

Drohte, die Stadt zu zerstören, das Volk zu zerschmettern.


Fünfmal kreisten sie so um die Bahn, denn es galt nicht ein Spiel hier,

Nicht ein geringer Preis war zu holen im ritterlichen Kampfe.

Mitten im Kampfplatz ragte ein Ölbaum, alt und gewaltig,

Faunus' heiliger Baum, geweiht von schiffenden Helden,

Die nach glücklicher Fahrt ihm hängten gelobte Geschenke.

Tief in der Wurzel gefangen, vom ersten Wurfe des Kampfes,

Stak der Speer des Aeneas, den er Turnus entgegen geschleudert.

Jener, im Laufen gefaßt, ersann sich den hehren Entschluss nun:

Ruckend den Speer aus dem zähen Geäst zu reißen, den Feind dann,

Den er im Laufe vergeblich jagte, mit Wurf zu erhaschen.

Turnus sah's und erbebte vor Angst, mit flehenden Worten

Rief er zu Faunus hinauf und zur Göttin des heiligen Bodens:

"Faunus, italische Herrin, die Fluren segnend umwandelt,

Habt ihr je mich gerecht und fromm euch Opfer gebracht hier,

Haltet den Speer des Feindes fest in der Wurzel des Baumes!"

Hörten die Götter sein Flehn und hemmten den Speer in dem Stamme.

Rüttelnd versuchte Aeneas vergeblich, das Eisen zu lösen.

Juturna, die Nymphe, des Turnus' Schwester, erschien ihm,

Schlüpfend erneut in die trügerische Gestalt Metiskus,

Reichte dem Bruder das heilig geweihte, gewaltige Schwert nun.

Venus jedoch, die Göttin, erzürnt ob solchem Betrug schon,

Nahte herbei und half dem Sohn, die Lanze zu fassen.


Frisch nun standen sie da, mit neuer Waffe gerüstet,

Keiner der beiden wich, der eine schwang sein gewaltig

Schwert, der andere bäumte sich hoch mit ragender Lanze.

Jupiter sah von der Höh' und sprach zu der göttlichen Gattin:

"Nun, o Schwester, genug! Laß endlich das Ende des Krieges

Werden, da Aeneas' Geschick zur Höhe des Himmels bestimmt ward.

Warum bestärkst du den Feind, warum verleihst du Juturna

Mut und Kraft, ihm erneut sein verlorenes Schwert zu gewähren?

Hast du nicht Land und Meer in Flammen für Troja entbrannt schon,

Kriege geschürt, den Palast in Wehmut und Jammer versenket?

Nun sei's genug! Ich verbiete dir weit'res Einmischen!"

Juno senkte das Antlitz und sprach mit zögerndem Munde:

"Nicht aus Lust an Zwist und Streit verharrte ich hier noch,

Zwang nur dein heilig Gebot mich ab von der Erde und Turnus.

Doch nun sei mir vergönnt, o Vater des Göttergeschlechtes,

Eine letzte Bitt' zu gewähren dem fallenden Helden!

Laß mir Latiums Volk den Namen, die Sitten und Sprache,

Niemals zwinge sie du, mit trojanischem Namen zu leben!

Troja sei untergegangen, mit Namen und Herrschaft!"

Lächelnd erwidert' ihr Zeus: "O Schwester, getreue,

Ehre sei dir! Was du forderst, soll feierlich gelten.

Latium soll sein Wesen bewahren, seine Gebräuche,

Nicht durch trojanische Sitten und Namen verändert.

Doch aus dem Blute der Teukrer und Italer wachse

Neues Geschlecht, das der Römer genannt, dir, Juno, stets opfert."


Jupiter sandte vom Olymp die Diren der Rache,

Fliegend zur Erde hinab mit windentfesselten Schwingen.

Kaum sah Turnus den Vogel, ein Käuzchen, fliegend im Kreise,

Fühlte er Angst sich regen, die Glieder erzittern im Leibe.

Juturna erkannte das Zeichen und schluchzte in Klagen,

Hüllte sich tief in den Fluten des grünwellenden Tibers.


Rasch nun stürmte Aeneas mit lanzenbebender Rechte:

"Warum zögerst du noch? Dies ist kein Spiel, sondern Waffengang!

Nutze die Kraft, die du hast, den Mut, der dir innegeboren!"

Turnus antwortete nicht, doch griff er zitternd zum Steine,

Wollte ihn schleudern, doch Kraft verließ ihm die schlotternden Glieder.

Fühlte sein Blut erstarren, den Arm ihm erlahmen im Schwunge.

Nimmer erreichte der Stein das Ziel, das er treffen gewollt hatt',

Sank aus schwankender Hand dumpf nieder ins Staubreich des Ackers.

Turnus erkannte das Ende und sah sich zögernd nach Rettung,

Rings umfangen von Feindeshand und den Mauern der Stadt nun.


Aeneas zauderte nicht, er schleuderte grimmig die Lanze.

Fahrend wie Blitz durch Luft und Raum, durch Schild und durch Panzer,

Drang sie tief in die Hüfte des Rutulerhelden und riss ihn

Hart in die Knie; er stürzte gebrochen zur staubigen Erde.


Die Rutuler ächzten gewaltig, daß ringsum der Wald widerhallte,

Turnus lag stumm auf der Erde, gedemütigt, zu Füßen des Siegers.

Flehentlich hob er die Rechte, zum flehenden Bittenden ward er,

sprach: „Ich habe verdient, was mir widerfährt, und ich flehe

nicht um mein Leben – gebrauche dein Glück, doch gedenke

meines betagten Vaters, wenn Mitleid dein Herz noch erweichen

kann – denn Daunus ist mir, was Anchises dir war in den Tagen.

Gib mich zurück den Meinen – verweigerst du mir das Letzte,

gib doch wenigstens ihnen den leblosen Leib meines Körpers!

Ich bin besiegt; Lavinia sei nun dein; doch verschone,

setze der Feindschaft ein Ziel und erbarme dich meiner!“


Aeneas stand mit erhobener Faust und hielt in den Blicken

zürnenden Grimm; doch hielt er die Rechte bewaffnet in Zügeln.

Schon begann sein mitleidiges Herz, sich milder zu neigen,

doch dann sah er das Wehrgehenk, das die Schulter des Feindes

trug – es war einst Pallas, dem holden, entrissen, dem Jüngling,

den Turnus tückisch erschlug, und die Wunde noch brannte im Herzen.

Zürnend erhob er die Stimme, von rasender Wut überwältigt:

Sollst du entrinnen, der pranget im Raub meiner Freunde, du Frevler?

Nein! Mit diesem Stoß sei Pallas gerächt! Ja, Pallas,

Pallas bringt dich zu Fall und fordert dein ruchloses Leben!“

Jäh durchbohrte das Schwert die entblößte Brust des Besiegten,

Turnus sank zu Boden, das Leben entfloh ihm im Hauche,

kalt durchrieselte Tod seine Glieder, und tief in die Schatten

fuhr sein wankender Geist hinab in die Hallen des Orkus.