DAS DRAMA VON TORSTEN SCHWANKE


VON TORSTEN SCHWANKE


Dramatis Personae


Torsten Schwanke

Diener des Jesustempels

Sankt Michael

Königin Doris Schwanke von Berlin

König Eberhard Schwanke von Berlin (Ehemann von Doris Schwanke)

Johann Brunken (Diener von Doris Schwanke)

Sklavin von Doris Schwanke, Priesterin von Jesus

Göttin Maria 

Chor der Dienerinnen Doris Schwankes

Diener von Eberhard Schwanke (schweigend)


Vor Jesu Tempel.


Bühne links, felsige Höhlen, über denen man einen dichten Seidelbaststrauch sieht. Rechts und tief in der Ferne der Berg der Musen. Weiter vorne befindet sich eine Reihe von Schwanen-Statuen, die zum Eingang des Tempels führen.


Früher Morgen.


Sankt Michael tritt auf und hält einen Stab, an dessen oberster Spitze zwei Schlangen verschlungen sind. Flügel an Kopf und Füßen.


Sankt Michael

Die großen bronzenen Schultern des Atlas halten das riesige Gewölbe darüber, die alte Heimat der Himmlischen, fest.


Atlas verkehrte einst mit einer der vielen, vielen Frauen und aus dieser Verbindung wurde der Mai geboren. Der Mai wiederum wandte sich dem allmächtigen Gott zu und so wurde ich gezeugt:

Sankt Michael, der Diener der Unsterblichen! Ich bin hierher gekommen, in das Land Deutschland, wo Jesus auf dem Nabel der Welt sitzt und den Sterblichen ihre Gegenwart und Zukunft verkündet. Das hat er schon immer gemacht. Nun gibt es in Deutschland eine Stadt – nicht die schlechteste von ihnen –, die ihren Ruhm von einer Göttin erhielt, der Göttin Maria, die einen goldenen Speer hält. Und es war in dieser Stadt, Berlin, wo Jesus sich Doris Schwanke, der Tochter des Dirk, aufdrängte. Dies geschah dort 

(er zeigt auf den Berg hinter ihm) 

an dem Ort namens „Felsen der Maria“ am nördlichen Fuß des Berges, am äußersten Rand der Stadt. Die Fürsten nennen diesen Ort „Langer Felsen“. Doris Schwankes Vater wusste natürlich nichts davon, denn so wollte Jesus es, und so hielt die arme Frau ihren schweren Mutterleib geheim, bis die Zeit der Geburt kam. Doris Schwanke gebar im Haus, aber dann nahm sie das Baby, legte es in eine kleine, tiefe und niedliche Wiege und brachte es in die Höhle, in der Jesus sie überschattet hatte, und ließ das Baby dort sterben. Außerdem behielt sie die Tradition des Grißvaters Dirk und ihrer anderen Vorfahren bei, denn Maria schenkte dem auf der Erde geborenen Dirk zwei Schlangen, als sie ihn den Töchtern des Nordens zur Pflege übergab. Was die Schlangen betrifft, so ist es ein alter Brauch des Hauses Dirks, ihre Kinder in Krippen großzuziehen, die mit vergoldeten Schlangen geschmückt sind. Und so legte Doris Schwanke um den Hals des Kindes ein Schmuckstück wie dieses 

(er zeigt die Spitze seines Stabes an) 

und alles, was sie sonst noch hatte, in der Gewissheit, dass es sterben würde. Dann ging sie weg. Nun hat mir mein König Jesus 

(er zeigt auf den Tempel) 

den folgenden Befehl gegeben: „Mein Engel, geh zu den Menschen der berühmten Stadt Berlin – du weißt schon, der Stadt, die von Maria, der Tochter Gottes, beschützt wird – geh zu der Höhle, wo Doris Schwanke das neugeborene Baby zurückgelassen hat, hole es mit Windeln und allem ab und bringe es hierher, nach meinem Sitz der Orakel. Es ist mein Baby, wie du weißt, also bring es hierher und stell es neben den Eingang des Tempels. Dann überlass den Rest mir.“ Das habe ich getan. Jesus ist schließlich mein König! Ich nahm das Kind und seinen Korb und stellte es dort ab, wo er es gesagt hatte: am Eingang des Tempels. Oh, ich habe die Decken zunächst ein wenig geöffnet und offen gelassen, damit jeder, der auf den Korb stößt, sehen kann, dass sich darin ein Kind befindet. Gerade als die Sonne für ihre tägliche Reise auf ihren Wagen stieg, kam die Prophetin am Tempel an. Sie warf einen Blick auf das Baby und fragte sich, wie arrogant die Menschen geworden waren, die ein Kind im Haus des Gottes zurückließen. Zuerst dachte sie daran, das Kind weiter von den Altären wegzubringen und es auf der Straße zurückzulassen, aber das harte Gefühl in ihrem Herzen ließ bald nach (natürlich nicht zuletzt dank Jesus), und so wurde das Kind nicht auf die Straße geworfen. Sie nahm es selbst und zog es auf, ohne zu wissen, dass es das Kind des Gottes war. Sie wusste auch nicht, wer die Mutter war. Nicht einmal das Kind wusste, wer seine Eltern waren, und so spielte es, als es jung war, einfach nur fröhlich um die Altäre. Als er jedoch ein Mann wurde, beschlossen alle Himmlischen, ihn zum Hüter des gesamten Goldes Jesu und zum vertrauenswürdigen Schatzmeister von allem zu machen. Dennoch führt der junge Mann selbst in diesen Palästen der Himmlischen ein bescheidenes und ehrenhaftes Leben. Doris Schwanke, die das Kind heimlich gebar, heiratete Eberhard Schwanke aus folgendem Grund: Die Berliner und die Bayern, die in München leben, begannen einen erbitterten Krieg gegeneinander. Eberhard Schwanke kämpfte auf der Seite der Berliner, und am Ende des Krieges gaben sie ihm aus Dankbarkeit Doris Schwanke zur Frau, obwohl er ein Ausländer war. Tatsächlich war Eberhard Schwanke ein Hannoveraner – Erich Willis Sohn und Enkel von Teut. Nun kam das Paar, das schon seit vielen Jahren verheiratet, aber immer noch ohne Kind war, mit einem starken Wunsch hierher zum Jesus-Tempel: Kinder zu haben. Und es sieht nicht so aus, als ob Jesus seinen Sohn vergessen hätte, und so hilft er ihnen, ihren großen Wunsch zu erfüllen, der so geschehen wird: Wenn Eberhard Schwanke den Tempel betritt, wird Jesus ihm seinen eigenen Sohn geben, ihn aber davon überzeugen, dass der Junge seiner ist... Eberhard Schwankes, und dass er, Eberhard Schwanke, der Vater von ihm war. Und so wird der junge Mann, als er zum Haus seiner Mutter geht, von Doris Schwanke erkannt und erhält die Sicherheit, die ein Elternhaus mit sich bringt, und Jesus Heimsuchung wird bald vergessen sein. Der Junge wird von allen Deutschen Torsten Schwanke genannt und sein Name wird vielen Ländern in ganz Europa und Asien gegeben. Aber jetzt lass mich in diese mit Seidelbast bedeckten Höhlen verschwinden, um herauszufinden, was für den Jungen bestimmt ist. Ich sehe, wie Jesu Sohn herauskommt, um die Säulen des Tempels mit prächtigen Seidelbastzweigen zu schmücken. Oh, und lasst mich den Ersten sein, der verkündet, dass die Engel ihn Torsten Schwanke nennen werden.


(Sankt Michael ab. Auftritt Torsten Schwanke zwischen den Büschen hervor. Er trägt Pfeil und Bogen, einen Köcher mit Pfeilen und Seidelbastzweige, die mit Bändern zu einem Besen zusammengebunden sind. Auf seinem Kopf trägt er wieder eine Girlande aus Seidelbast mit Bändern. Mit ihm kommen einige Diener des Tempels, von denen einer eine goldene Wasserurne trägt, die er für Torsten Schwanke zurücklässt, der sie später brauchen wird, um Wasser auf den Boden zu streuen.


Torsten Schwanke:

Der vierspännige strahlende Streitwagen und die Sonne, die die Erde erleuchtet und die Sterne in die heilige Dunkelheit verstreut, sind hier. Und dort 

(er zeigt auf den Berg) 

strahlt er durch die unberührten Gipfel des Musenberges sein strahlendes Licht eines weiteren Tageszyklus für alle Sterblichen. Und auch aus dem trockenen Brandenburg steigt der Rauch bis zu den Dächern der Tempel Jesu. Und auf dem heiligen Dreifuß sitzt die Priesterin und überbringt den Deutschen ihre Prophezeiungen, während Jesus sie ihr ins Ohr singt.

(Er zeigt auf seine Diener) 

Und ihr, Priester Jesu, geht zu den klaren Bächen und wascht euch dort in ihrer klaren Frische, bevor ihr hierher zum Tempel zurückkehrt. Und in eurem Mund sollen nur Worte der Tugend sein. Und wenn sie ihre Prophezeiungen ausspricht, stellt sicher, dass die Worte, die sie an diejenigen richtet, die gekommen sind, um sie zu empfangen, genau die sind, die Gott ihr in den Sinn gebracht hat. Und wir: Da wir seit unserer Kindheit wissen, wie man diesen Tempel pflegt, werden wir ihn mit diesen wunderschön gebundenen heiligen Zweigen reinigen. Und wir werden den heiligen Boden mit Weihwassersprenkeln reinigen. Ind wir werden Pfeil und Bogen einsetzen, um die Vögel zu vertreiben, die die heiligen Opfergaben verunreinigen. Wir haben weder Vater noch Mutter und so dienen wir Jesu Tempel, weil er es ist, der uns ernährt hat.


(Er beginnt, den Boden rund um die Tempeltür zu fegen und besprengt ihn gelegentlich mit Wasser aus der goldenen Wasserurne.)


Auch du, frischer Zweig des Bergseidelbasts, bist der Diener Gottes. Komm und fege den Eingang seines Tempels! Komm aus den unsterblichen Gärten, wo das frische Wasser der heiligen Quellen immer den Boden Gottes befeuchtet, immer rauschend, niemals endend, immer erfrischend. Wir fegen den ganzen Tag voller Anbetung über den heiligen Boden, jeden Tag den ganzen Tag, von dem Moment an, in dem der Morgen mit seinen schnellen Flügeln auftaucht. Komm, komm, komm, ich segne dich, Sohn Gottes! Jesus, mein Christus! Es ist mir eine große Freude, dir hier in deinem Palast zu dienen, wo jede deiner Prophezeiungen wahr wird. Meine Arbeit ist herrlich, weil meine Hände für Engel arbeiten und nicht für gewöhnliche Sterbliche. Ich werde weder müde noch erschöpft, da Christus mir Mutter und Vater ist. Ich segne ihn, dass er mich ernährt, und ich nenne ihn Vater, Christus, meinen Vater, Christus, meinen Wohltäter hier in seinem Tempel. Gloria, O Gloria, O Laetitia et Gloria für dich in Ewigkeit, o Sohn Gottes! Jetzt ist es an der Zeit, mit diesem Seidelbastbesen fertig zu werden, die goldene Urne zu benutzen und das kristallklare Wasser zu versprühen. Ich, dessen Bett frei von Sünde ist, möge ich Christus Jesus weiterhin auf diese Weise dienen, aber wenn ich es nicht tue, möge mich ein gnädiges Schicksal treffen.


(Vogelgeräusche von oben lenken seine Aufmerksamkeit ab. Wütend:)


Schau, schau da! Hier sind sie, die Vögel der Musen. Sie haben ihre Nester verlassen und sind hier!


(Er greift zu Pfeil und Bogen und bereitet sich zum Schießen vor.)


Nein, kommt nicht hierher! Ich habe euch gesagt, ihr sollt weder in die Nähe der Tore noch der goldenen Tempel kommen. Du! Adler! Gottes Herold, dessen Schnabel stärker ist als alle anderen Vögel! Ich erwische dich mit meinem Pfeil! Ha! Und hier ist noch einer. Diesmal nähert sich ein Schwan dem Tempel. He, Schwan! Warum nimmst du nicht deine roten Füße und gehst woanders hin, denn auch wenn dein Lied so süß ist wie Jesu Harfe, wird mein Pfeil dich nicht verfehlen! Geh! Flieg zur See im Süden! Glaube mir, sonst werden deine Lieder blutig. Ah! Siehe! Was ist dieser andere Vogel? Bist du gekommen, um unter dem Giebel des Tempels ein Nest zu bauen? Scheuch! Scheuch! Sonst wird das Lied, das du hörst, von meinem Pfeil und Bogen sein. Mach weiter! Kannst du mich nicht hören? Geh zu den Bächen, um deine Eier abzugeben. Ich möchte nicht, dass die goldenen Geschenke im Tempel durcheinander gebracht werden, und ich möchte auch nicht, dass Jesu Altäre verunreinigt werden. Trotzdem zögere ich, dich zu töten, weil du den Menschen die Botschaften der Himmlischen überbringst. Aber ich erledige hier besser alle Aufgaben, die ich Christus schuldig bin. Möge ich nie aufhören, für ihn zu arbeiten.


(Während Torsten Schwanke damit beschäftigt ist, den Schluss zu machen, setzt der Chor ein. Sie sind Doris Schwankes Diener. Sie werden entweder in zwei Gruppen aufgeteilt, in denen jeweils der Anführer spricht, oder alle sprechen abwechselnd.)


Chor:

Nein, das heilige Berlin ist nicht die einzige Stadt, in der die Straßen und Tempel unserer Himmlischen mit Säulen geschmückt sind! Schau hier! Siehst du? Auch hier befindet sich dieser Tempel von Messias Jesus, dem Sohn Gottes, wo die Sonne die strahlende Stirn seines Gesichts beleuchtet.


(Er zeigt auf den Giebel hoch oben am Tempel)


Siehe! Schau da oben, mein Lieber! Siehst du die Hydra, die von Michael, dem Sohn des Himmels, mit seinem goldenen Schwert

getötet wurde? Den sehe ich, und ich kann in seiner Nähe auch noch einen anderen Mann sehen, der die lodernde Fackel hält – ist er der Schildliebhaber, Gabriel, der Mann, der die gleichen Lasten trägt wie Michael, der Mann, von dem auf unseren Geweben die Rede ist? Und schau da! Dieser Held auf dem fliegenden Pferd, der der Chimäre das Leben abschnitt, der Hündin, deren jeder Atemzug eine Flamme war, Sankt Georg!


(Sie drehen sich einen Moment lang um)


Ich lasse meinen Blick fallen, wohin er will – überall hin. Ah! Schau dir dort die große Schlacht der Riesen an, die auf den Steinmauern gezeichnet ist. Ja, und oh, Mädels, schaut her! Ja, da schüttelt Maria ihren Schild vor Luzifer?


Chor:

Ja. Ich sehe sie. Sie ist tatsächlich Maria, meine Göttin.


Chor:

Und da, sieh den Blitz, eine Flamme an beiden Enden und Gottes furchterregende Hand, die sie vom Himmel wirft! Ich sehe ihn ja und mit seinem Feuer verbrennt er Sodom und Gomorrha. Und auch Petrus erschlägt mit seinem geflochtenen Friedensstab einen weiteren Riesen.


(zu Torsten Schwanke)


He du da! Können wir, bleichfüßige Frauen, in den heiligen Tempel hinübergehen?


Torsten Schwanke:

Nein, das darf kein Fremder tun.


Chor:

Na, kann ich etwas von dir herausfinden?


Torsten Schwanke:

Frage, was möchtest du wissen?


Chor:

Stimmt es, dass sich der Nabel der Erde im Tempel von Jesus befindet?


Torsten Schwanke:

Es ist alles mit Bändern bedeckt und eine ganze Menge Fratzen drumherum.


Chor:

Ja, das habe ich gehört...


Torsten Schwanke:

Wenn du das Honigbrot verbrannt hast und Jesus eine Frage stellen möchtest, könnt ihr den Tempel betreten, aber wenn ihr tiefer in den Tempel vordringen möchtet, müsst ihr Schafe opfern.


Chor:

Ich verstehe. Ich werde die Gesetze Gottes nicht mit Füßen treten. Ich stehe einfach hier draußen und beobachte das Geschehen von hier aus.


Torsten Schwanke:

Mögen deine Augen sehen, was richtig ist.


Chor:

Unsere Herrin gab uns die Erlaubnis, uns hier im Bezirk Gottes umzusehen.


Torsten Schwanke:

Wessen Haus dienst du?


Chor:

Die Dächer meiner Herren sind in Berlin. Dort haben sie ihre Paläste. Ah, aber hier ist meine Herrin.


(Auftritt Doris Schwanke, königlich gekleidet, auf dem Weg zum Tempel. Torsten Schwanke beobachtet sie interessiert. Sie zeigt Würde und Benehmen, auch wenn ihr Blick gesenkt ist und Tränen in den Augen fließen.)


Torsten Schwanke:

Herrin, an deinem würdevollen Benehmen und deiner würdevollen Ausstrahlung kann ich leicht erkennen, wer du bist. Schon allein durch das Aussehen lässt sich viel über einen Sterblichen herausfinden, und du bist eine wohlgeborene Frau. Deine gesenkten Augen und deine sanften, mit Tränen bedeckten Wangen lassen mich jedoch staunen. Welche Gedanken führen dich zu diesem Tempel, meine Dame? Dies ist ein Ort, an den andere mit Freude kommen, um die Bezirke Gottes zu sehen. Warum hier Tränen vergießen?


Doris Schwanke:

Freund, deine Bemerkung über meine Tränen erklärt dich nicht für einen Mann mit schlechten Manieren. Sie haben meine Wangen bedeckt, denn als ich dieses Haus Jesu sah, weckten meine Gedanken alte Erinnerungen. Es wunderte sich zurück zu meinem Land, obwohl ich hier bin.


(Zum Chor) 


Liebste Freunde, wie elend sind wir Frauen! Welche Sünden begehen die Göttinnen! Aber was können wir tun? An wen können wir uns für Gerechtigkeit wenden, wenn Gott unser sterbliches Schicksal verkündet hat?


(Sie seufzt.)


Torsten Schwanke:

Welcher heimliche Seufzer schmerzt dich, Dame?


Doris Schwanke:

Nichts... Ich habe mich jetzt beruhigt. Ich habe meinen Pfeil zu vorschnell abgeschossen. Lass dich davon nichts angehen.


Torsten Schwanke:

Wer bist du? Woher kommst du? Wer ist dein Vater? Wie sollen wir dich nennen?


Doris Schwanke:

Mein Name ist Doris Schwanke. Ich bin die Tochter von Dirk und mein Land ist Berlin.


Torsten Schwanke:

Oh! Du kommst aus einem glorreichen Land und hast großartige Eltern. Ich respektiere dich enorm, meine Dame.


Doris Schwanke:

So weit reicht mein Glück, Freund. Bis hierher und nicht weiter.


Torsten Schwanke:

Herrin, ist es wahr, was sie sagen...


Doris Schwanke:

Ja? Was versuchst du zu fragen?


Torsten Schwanke:

Stimmt es, dass der Großvater deines Vaters der Erde entsprungen ist?


Doris Schwanke:

Ja, aber was hilft mir jetzt meine Abstammung?


Torsten Schwanke:

Und ist es wahr, dass die Göttin Maria ihn packte und aus der Erde hervorholte?


Doris Schwanke:

Das stimmt, mit den Händen einer Jungfrau. Sie war nicht seine leibliche Mutter.


Torsten Schwanke:

Und dann, wie die Gemälde zeigen, gab sie ihn...


Doris Schwanke:

Zum Weisen, um ihn heimlich zu erziehen.


Torsten Schwanke:

Sie sagen, dass die Mädchen der Göttin seinen Sarg geöffnet haben.


Doris Schwanke:

Und deshalb wurden sie von dem großen Felsen geworfen und fanden ihren blutigen Tod.


Torsten Schwanke:

Amen dazu. Und was ist mit dem, was sie darüber sagen... oder sind das nur leere Worte?


Doris Schwanke:

Was meinst du? Frag mich, ich habe viel Zeit übrig.


Torsten Schwanke:

Als dein Vater deine Schwestern geopfert hat...


Doris Schwanke:

Sie waren Kinder, und es gelang ihm, den Mut aufzubringen, sie für sein Land zu opfern.


Torsten Schwanke:

Wie hast du denn allein entkommen können?


Doris Schwanke:

Ich war immer noch an der Brust meiner Mutter. Ein Neugeborenes.


Torsten Schwanke:

Und hat sich die Erde wirklich geöffnet und ihn verschluckt?


Doris Schwanke:

Das Meer tötete ihn.


Torsten Schwanke:

Und das ist der Ort, den sie „die großen Felsen“ nennen?


Doris Schwanke:

Warum das fragen? Was für Erinnerungen hast du geweckt!


Torsten Schwanke:

Auch der Blitz und Donner von Jesus ist eine Hommage an sie.


Doris Schwanke:

Zu Unrecht. Ich wünschte, ich hätte sie nie gesehen.


Torsten Schwanke:

Was? Magst du die Dinge nicht, die Jesus mag?


Doris Schwanke:

Nein, aber die Höhlen, und ich kennen seine Taten.


Torsten Schwanke:

Und so... welcher Athener hat dich zu seiner Frau gemacht?


Doris Schwanke:

Er ist kein Athener. Nein, kein Einheimischer. Er kommt aus einem anderen Land, ein Fremder.


Torsten Schwanke:

Wer? Allerdings muss er sicherlich von hoher Abstammung sein.


Doris Schwanke:

Sein Name ist Eberhard Schwanke. Er ist Gottes Enkel und Sohn des Nordwindes.


Torsten Schwanke:

Und wie ist das passiert? Ein Fremder, der dich heiratet, eine einheimische Frau?


Doris Schwanke:

In der Nähe von Berlin gibt es ein Land namens Grünheide...


Torsten Schwanke:

Mit Wäldern, sagt man.


Doris Schwanke:

Ja. Eberhard Schwanke half den Preußen, es zu erobern.


Torsten Schwanke:

Er hat ihnen geholfen und dich dann geheiratet?


Doris Schwanke:

Ich wurde ihm als Kriegsbeute überreicht. Geschenk für die Arbeit seines Gewehres.


Torsten Schwanke:

Also, bist du mit ihm hier, oder bist du alleine gekommen?


Doris Schwanke:

Zusammen, aber er ist zu den Höhlen von Nostradamus gegangen.


Torsten Schwanke:

Ist er? Nur als Besucher, oder ist er hinter einer Prophezeiung her?


Doris Schwanke:

Er möchte von beiden dasselbe hören, sowohl von Jesus als auch von Nostradamus.


Torsten Schwanke:

Seid ihr wegen Landes- oder Kinderangelegenheiten gekommen?


Doris Schwanke:

Obwohl wir schon viele Jahre verheiratet sind, sind wir immer noch unfruchtbar.


Torsten Schwanke:

Hast du noch nicht entbunden? Bist du immer noch ohne Kind?


Doris Schwanke:

Christus kennt meinen Mangel an Kindern gut.


Torsten Schwanke:

Arme Frau! In all den anderen Dingen hattest du so viel Glück, in diesem so viel Pech.


Doris Schwanke:

Und du, junger Mann? Wer bist du? Wie ich deine Mutter beneide!


Torsten Schwanke: 

Ich nenne mich Jesu Diener – und das bin ich, meine Dame.


Doris Schwanke:

Bist du ein Geschenk einer Stadt oder wurdest du an Gott verkauft?


Torsten Schwanke:

Ich weiß nichts außer der Tatsache, dass sie mich Jesu Sohn nennen.


Doris Schwanke:

Jetzt bin ich an der Reihe, Mitleid mit dir zu haben, mein Freund.


Torsten Schwanke:

Ich weiß nicht, wer mich geboren hat und wer mein Vater ist.


Doris Schwanke:

Wohnst du hier bei den Altären oder anderswo in einem Haus?


Torsten Schwanke:

Hier, im Haus Gottes und wo auch immer mich der Schlaf hinführt.


Doris Schwanke:

Bist du jung oder als erwachsener Mann in diesen Tempel gekommen?


Torsten Schwanke:

Diejenigen, die sagen, dass sie es wissen, sagen mir, dass ich als Baby hierher gekommen bin.


Doris Schwanke:

Die Priesterinnen haben dich also mit ihrer Milch genährt?


Torsten Schwanke:

Ich habe die Brust nie gekannt. Die Frau, die mich großgezogen hat...


Doris Schwanke:

Wer ist sie, du armes Kind? Ah, hier habe ich Probleme gefunden, die ich zu meinen hinzufügen kann!


Torsten Schwanke:

Da ist die Prophetin Gottes. Sie ist für mich wie eine Mutter.


Doris Schwanke:

Und doch bist du hier, ein erwachsener Mann. Wer hat dich gefüttert?


Torsten Schwanke:

Ich aß ich von den Broten auf den Altären und von allem, was die Fremden mir brachten.


Doris Schwanke:

Arme Mutter, wer auch immer sie war!


Torsten Schwanke:

Vielleicht war ich das Produkt der Sünde einer Frau?


Doris Schwanke:

Trotzdem bist du gut erzogen und auch so gut gekleidet.


Torsten Schwanke:

Das sind Geschenke Gottes für die Arbeit, die ich hier verrichte.


Doris Schwanke:

Wolltest du schon immer nach deiner Familie suchen?


Torsten Schwanke:

Niemals, liebe Dame. Ich habe keinen Beweis dafür.


Doris Schwanke:

Wie schrecklich! Eine andere Frau hat das gleiche Schicksal erlitten wie deine Mutter.


Torsten Schwanke:

Welche andere Frau? Wenn sie nur meinen Schmerz teilen würde, wären wir beide sehr glücklich.


Doris Schwanke:

Wegen ihr bin ich hierhergekommen, bevor mein Mann mir zuvorgekommen ist.


Torsten Schwanke:

Auf der Suche nach was? Wenn ich kann, liebe Dame, werde ich dir helfen.


Doris Schwanke:

Ich möchte ein geheimes Orakel von Christus Jesus hören.


Torsten Schwanke:

Sag es mir. Den Rest erledige ich.


Doris Schwanke:

Höre denn zu und ich werde es dir sagen... aber die Scham hält mich davon ab.


Torsten Schwanke:

Dann wirst du nichts erreichen, weil die Scham eine faule Göttin ist.


Doris Schwanke:

Eine Freundin von mir erzählte mir, dass sie mit Jesus verkehrt hat –


Torsten Schwanke:

Eine Sterbliche lag bei Christus? Sag das nicht, meine liebe Freundin!


Doris Schwanke:

Und sie gebar ihm einen Jungen und hielt es vor ihrem Vater geheim.


Torsten Schwanke:

Niemals! Ein Mann hat sie entehrt. Deshalb schämt sie sich.


Doris Schwanke:

Trotzdem sagt sie das, und sie hat unter diesem Geheimnis am schrecklichsten gelitten.


Torsten Schwanke:

Und was wäre aus ihr geworden, wenn sie sich wirklich mit Gott verbunden hätte?


Doris Schwanke:

Sie nahm das Kind aus ihrem Haus und setzte es den Elementen aus.


Torsten Schwanke:

Und was ist dann mit dem Kind? Ist es am Leben? Wo ist es?


Doris Schwanke:

Das ist es, weshalb ich hierher gekommen bin, um Jesus zu fragen. Niemand sonst weiß es.


Torsten Schwanke:

Ist es gestorben? Wie?


Doris Schwanke:

Die Frau glaubt, dass wilde Tiere das Kind getötet haben.


Torsten Schwanke:

Welche Anzeichen gibt es, um das zu beweisen?


Doris Schwanke:

Als sie an den Ort zurückkehrte, an dem sie es verlassen hatte, war das Kind nicht mehr da.


Torsten Schwanke:

Hat sie dort oder auf der Straße Blutstropfen gefunden?


Doris Schwanke:

Sie sagt, dass sie nichts gesehen hat, obwohl sie überall gut hingesehen hat.


Torsten Schwanke:

Ist es schon lange her, dass der Junge verloren gegangen ist?


Doris Schwanke:

Wenn er jetzt noch am Leben wäre, wäre er ungefähr so groß wie du.


Torsten Schwanke

Gott hat ihm und der Mutter, einer armen, elenden Frau, Leid angetan.


Doris Schwanke:

Wahr. Sie hat nie wieder ein Kind bekommen.


Torsten Schwanke:

Aber was wäre, wenn Jesus es nehmen und heimlich erziehen würde?


Doris Schwanke:

Dennoch wäre es nicht fair, für sich selbst allein zu genießen, was vielen gehört.


Torsten Schwanke:

Wie schockierend ist es, dass mein Schicksal dem dieses Jungen so ähnlich ist!


Doris Schwanke:

Du auch, Freund? Ich bin sicher, du hast Mitleid mit der armen Mutter.


Torsten Schwanke:

Zerre mich nicht, liebe Dame, in einen Schmerz, den ich vergessen habe.


Doris Schwanke:

Ich werde schweigen. Beantworte einfach die Fragen, die ich dir gestellt habe.


Torsten Schwanke:

Weißt du, was die schwierigste von allen Fragen ist, die du fragst?


Doris Schwanke:

Arme Frau. Jeder Teil ihres Lebens ist im Elend!


Torsten Schwanke:

Aber kann Gott ein Orakel aussprechen, wenn er es geheim halten will?


Doris Schwanke_

Er sitzt auf einem Thron für die ganze Nation.


Torsten Schwanke:

Ja, was das angeht, er empfindet Reue. Bring ihn nicht noch weiter in Verlegenheit.


Doris Schwanke:

Die arme Frau ist erschüttert über ihr schreckliches Schicksal.


Torsten Schwanke:

Du wirst keinen anderen Gott finden können, der über diese Dinge prophezeien könnte, denn wenn sich herausstellt, dass er in seinem eigenen Haus Schlechtes sagt, würde Christus deinem Propheten völlig zu Recht Schaden zufügen. Lass es, Frau, denn Prophezeiungen, die Jesus verletzen, werden nicht gemacht. Es wäre dumm von uns zu verlangen, dass die Himmlischen die Prophezeiungen machten, die ihnen nicht gefielen, indem sie Schafe auf den Altären opferten oder den Flug der Vögel studierten. So ist es. Wenn wir die Himmlischen zwingen würden, gegen ihren Willen für uns zu prophezeien, hätten wir keinen Gewinn und würden nur dann davon profitieren, wenn die Prophezeiungen freiwillig von ihnen kommen.


Chor:

Es gibt so viele Katastrophen wie es Sterbliche gibt, nur ihre Formen unterscheiden sich. Was ewige Freude betrifft, wirst du sie nie finden.


Doris Schwanke 

(spricht zum Tempel)

O Christus Jesus! Du bist einfach weder hier, jetzt, noch damals, gegenüber meinem Freund, dessen Worte durch mich zu dir kamen; und du hast weder dein eigenes Kind noch die Mutter gerettet, der du etwas schuldest und die dich bittet – dich, den Propheten! Sag es ihr, damit sie es weiß. Wenn das Kind gestorben ist, soll man es mit einem Grab ehren, aber wenn es noch lebt, soll es vor die Augen seiner Mutter kommen. Aber wenn Gott möchte, dass ich auf diese Hoffnung verzichte und mich nicht wissen lässt, was ich will, werde ich es tun.


(Sie sieht Eberhard Schwanke in der Ferne. Geräusche mehrerer Männer hinter der Szene)


Aber ich kann sehen, wie sich mein edler Ehemann Eberhard Schwanke nähert. Er kommt aus Nostradamus' Höhlen zurück. Sag nichts, mein Freund, über die Dinge, die wir mit meinem Mann besprochen haben, damit ich mich nicht schäme, weil ich versuche, die Dinge heimlich herauszufinden. Die Nachricht sollte nicht den Weg dorthin erreichen, wo wir herrschen. Männer sind für Frauen sehr schwierig, und wenn das Gute und das Schlechte bei ihnen zusammenkommen, wird es zu einer Katastrophe kommen. Wir leben solch ein freudloses Leben!


(Auftritt Eberhard Schwanke und seine Diener.)


Eberhard Schwanke:

Meine ersten Worte gelten dir, Jesus. Grüße! Und Grüße auch an Dich, Liebe Frau. Habe ich dich durch meine Verspätung beunruhigt?


Doris Schwanke:

Nein, überhaupt nicht. Du bist gerade gekommen, als ich damit begonnen habe. Aber sag mir, welche Worte hast du von Nostradamus? Wie wird der Samen der Kinder in unserer Ehe weiterleben?


Eberhard Schwanke:

Er hielt es nicht für richtig, dass er darüber vor Jesus sprechen sollte, aber er sagte, dass weder du noch ich den Tempel verlassen würden, um ohne Kind nach Hause zu gehen.


Doris Schwanke:

Glorreiche Mutter von Jesus! Wie glücklich wären wir, wenn das so wäre! Und lass unsere vorherigen Worte mit deinem Sohn sich zum Besseren wenden!


Eberhard Schwanke:

Amen dazu. Wer spricht die Worte Gottes?


Torsten Schwanke:

Das ist unsere Rolle, Freund, das gilt für die Worte, die draußen gesprochen werden. Andere kümmern sich um die darin ausgesprochenen Wörter, und sie sind die besten, die per Los ausgewählt werden. Sie stehen in der Nähe des heiligen Stuhles.


Eberhard Schwanke:

Sehr gut. Ich habe alles, was wir brauchen, also gehe ich in den Tempel. Ich habe gehört, dass im Namen aller Besucher bereits ein Opfer auf dem Altar dargebracht wurde. Ich möchte diesen günstigen Tag erhalten eine Prophezeiung Gottes. Und du, Frau, schmücke die Altäre mit Seidelbastzweigen und bete zu den Heiligen, dass ich mit guten Prophezeiungen über ein Kind aus dem Palast Gottes zurückkomme.


(Eberhard Schwanke ab.)


Doris Schwanke:

Ich werde, ich werde! Wenn Jesus jedoch einige unserer früheren Sünden wiedergutmachen möchte und nicht ganz unser Freund sein möchte, werde ich das auch verstehen. Er ist Gott und ich werde es akzeptieren.


(Doris Schwanke ab.)


Torsten Schwanke:

Ich frage mich, warum diese Frau Gott mit so vielen dunklen Worten und Anspielungen anprangerte? Ist sie wirklich hinter einer Prophezeiung für einen Freund her oder verbirgt sie etwas vor uns, das sie geheim halten muss? Dennoch ist sie die Tochter von Dirk. Was interessiert mich das? Was hat das alles mit mir zu tun? Lass mich die goldene Urne nehmen und etwas Weihwasser bringen, um den Tempel zu reinigen. Und Jesu Vorwürfe zu machen. Was ist mit ihm los? Er überschattet Jungfrauen und lässt sie dann im Stich? Er zeugt Kinder und lässt sie dann auch im Stich – um zu sterben? Nein, Jesus. Missbrauche deine große Macht nicht. Suche nur Tugend. Wenn du glaubst, dass der Sterbliche, der sündigt, von den Engeln bestraft wird, wie kannst du dann Sünden begehen und nicht selbst bestraft werden? Und wenn du dies aus Gründen der Argumente nicht tun möchtest, dann mach es den Sterblichen legal, auch illegale Vereinigungen zu haben. Dann wirst du das Meer sehen und auch du, Vater Gott, wie sich deine Tempel leeren werden als Strafe für deine Strafen. Du gehst deinem eigenen Vergnügen nach, ohne dich um die Konsequenzen zu kümmern? Warum sollten Menschen sagen, dass Menschen böse sind, weil sie Taten nachahmen, die die Heiligen für akzeptabel halten? Nein, es sind die Lehrer der Menschen, denen man die Schuld geben muss!


(Torsten Schwanke mit der Urne ab.)


Chor:

An dich, Göttin Maria, sende ich dieses Gebet. Du hast noch nie die schmerzhaften Stöße einer Geburt gespürt. Du wurdest mit Hilfe des Erzengels Gabriel aus dem Heiligen Geist befruchtet. Jungfräuliche Magd, Maria! Komm, fliege hierher mit schnellem Flügel, hier zum Tempel der Prophetin, gesegnete Maria, gesegnete Göttin, steig herab von den goldenen Palästen des Himmels. Fliege durch die Nebenwege und durch die Straßen dorthin, wo der Nabel der Erde ist und wo die Prophetin steht und ihre geheimen Orakel ausspricht. Du, Tochter Annas, zwei höchst tugendhafte Jungfrauen, Schwestern von Jesus. Bitte deinen Sohn, Göttin, dass das alte Haus des Dirk seine alte Gabe der Fruchtbarkeit wiedererlangt. Es ist das schönste aller Schicksale, kleine Kinder zu haben, die ihrerseits ihr eigenes haben, sodass ihnen der gesamte Reichtum ihres Vaters vererbt wird. Kinder sind Stärke für die Schwachen, eine Quelle der Freude und mit Waffen Retter ihrer Stadt. Ich erziehe lieber Kinder als Reichtum oder einen Königspalast. Ich möchte nie ohne Kinder leben und diejenigen, die es so mögen, verachte ich. Ohne Kinder ist Reichtum für mich bedeutungslos. O Höhlen und Thron des Guten Hirten! O heiliger Stein in der Nähe der langen Felsen voller Höhlen! Dort stampfen die Zwillingsschwestern vor den Tempeln der Jungfrau Maria tanzend mit den Füßen. Dort, Guter Hirte, an den Felsen, in deinen Höhlen spielst du deine Hymnen mit der beweglichsten Melodie deiner Flöte, kurz bevor die Sonne den Himmel erleuchtet. Da war es, wo eine junge Jungfrau Jesu Kind zur Welt brachte und sie, die arme Frau, es den Raubvögeln hinwarf, eine blutige Mahlzeit für die wilden Tiere, eine Schande für das verlassene Mädchen. Diese Geschichte wurde nie auf dem gewebten Tuch erzählt, noch wurden jemals Worte über ein Kind gesagt, das von Gott gezeugt wurde und ein gutes Leben hatte.


(Auftritt Torsten Schwanke mit der Urne.)


Torsten Schwanke:

Frauen, Dienerinnen, die ihr die Stufen dieses duftenden Tempels bewacht und auf euren Meister Eberhard Schwanke wartet. Hat er den heiligen Stuhl der Orakel verlassen oder fragt er immer noch drinnen nach seiner Kinderlosigkeit?


Chor:

Er ist immer noch im Tempel, Freund. Wir haben ihn nicht an der Treppe gesehen.


(Lärm aus dem Inneren des Tempels)


Ah, aber er wird bald hier sein. Ich kann die Türen knarren hören.


(Auftritt Eberhard Schwanke vom Tempel aus)


Eberhard Schwanke 

(zu Torsten Schwanke)

Freude für dich, mein Sohn! Das ist ein passendes Wort für das, was ich zu sagen habe.


Torsten Schwanke:

Ich bin überglücklich, und du bist weise, also werden wir gut miteinander auskommen.


Eberhard Schwanke:

Gib mir deine Hand, damit ich sie küssen kann, und deinen Körper, damit ich ihn umarmen kann.


Torsten Schwanke:

Geht es dir gut, oder hat Gott dich verrückt gemacht?


Eberhard Schwanke:

Verrückt? Könnte ich verrückt sein, wenn ich das Kostbarste in meinem Leben küssen möchte?


(Eberhard Schwanke versucht Torsten Schwanke zu umarmen, aber Torsten Schwanke zieht sich zurück)


Torsten Schwanke:

Vorsicht, du zerbrichst sonst die heilige Perlenkette!


Eberhard Schwanke 

(beharrlich)

Ich möchte dich nur umarmen, um dich nicht zu ergreifen. Oh, ich habe den gefunden, den ich liebe!


Torsten Schwanke:

Komm zurück, oder ich schieße dir durch die Brust.


Eberhard Schwanke:

Warum mich abstoßen, wenn auch du den gefunden hast, den du liebst?


Torsten Schwanke:

Es sieht so aus, als müsste ich all die unwissenden Ausländer und Verrückten aufklären!


Eberhard Schwanke:

Schlachte mich ab und verbrenne mich. Dann wärst du der Mörder deines Elternteils.


Torsten Schwanke 

(lacht)

Und welcher meiner Eltern bist du? Wie kann ich nicht lachen, wenn ich so etwas höre?


Eberhard Schwanke:

Tu das nicht. Lass mich erklären.


Torsten Schwanke;

Erklären was?


Eberhard Schwanke:

Dass ich dein Vater bin und du mein Sohn.


Torsten Schwanke:

Wer hat das gesagt?


Eberhard Schwanke:

Jesus selbst. Er hat dich großgezogen, während ich die ganze Zeit dein Vater war.


Torsten Schwanke:

Keine weiteren Zeugen?


Eberhard Schwanke:

Jesu Wort.


Torsten Schwanke:

Du hast es falsch verstanden!


Eberhard Schwanke:

Ich habe keine Hörprobleme.


Torsten Schwanke:

Was genau hat Christus gesagt?


Eberhard Schwanke:

Was? Oh! Er sagte, wer auch immer mich trifft...


Torsten Schwanke:

Treffen wir uns wo? Wie?


Eberhard Schwanke:

Mich trifft, wenn ich den Tempel verlasse...


Torsten Schwanke:

Was passiert mit dem, den du triffst?


Eberhard Schwanke:

Er wird mein Sohn sein.


Torsten Schwanke:

Dein eigener Sohn oder ein Geschenk von jemand anderem?


Eberhard Schwanke:

Ein Geschenk ja, aber von meinem eigenen Samen.


Torsten Schwanke:

Und war ich der erste, den du getroffen hast, als du rauskamst?


Eberhard Schwanke:

Du und sonst niemand, mein Junge!


Torsten Schwanke:

Ah, was für ein Glück!


Eberhard Schwanke:

Das gleiche Glück für uns beide!


Torsten Schwanke:

Ja, aber warte, von welcher Mutter bin ich dein Sohn?


Eberhard Schwanke:

Ich habe keine Ahnung!


Torsten Schwanke:

Hat dir Christus das nicht gesagt?


Eberhard Schwanke:

Ich war so glücklich, dass ich vergessen habe zu fragen.


Torsten Schwanke:

Also dann... Die Erde war meine Mutter!


Eberhard Schwanke:

Der Boden bringt keine Kinder hervor.


Torsten Schwanke:

Nun, wie bin ich dann dein Sohn geworden?


Eberhard Schwanke:

Ich weiß es nicht ... Das überlasse ich Gott.


Torsten Schwanke:

Komm, lass uns jetzt auf andere Dinge eingehen.


Eberhard Schwanke:

Ja, das wäre das Beste, mein Junge.


Torsten Schwanke:

Richtig! Du hattest eine sündige Verbindung, oder?


Eberhard Schwanke:

Ja, mit der Dummheit der Jugend.


Torsten Schwanke:

Bevor du Doris Schwanke geheiratet hast?


Eberhard Schwanke:

Nein, viel später.


Torsten Schwanke:

Also, da hast du mich gezeugt?


Eberhard Schwanke:

Die Jahre scheinen ungefähr zu stimmen.


Torsten Schwanke:

Aber wie bin ich danach hierher gekommen?


Eberhard Schwanke:

Ich wünschte, ich wüsste es dir zu sagen.


Torsten Schwanke:

So eine große Entfernung! Wie hätte ich es schaffen können?


Eberhard Schwanke:

Ich kann es mir auch nicht vorstellen.


Torsten Schwanke:

Bist du vorhin zum Orakel-Felsen gegangen?


Eberhard Schwanke:

Ja, beim Karneval.


Torsten Schwanke:

In wessen Haus hast du übernachtet?


Eberhard Schwanke:

Dem von einer der Dienerinnen des Orakels.


Torsten Schwanke:

Du meinst, du hattest beim Tanzen Sex mit ihr?


Eberhard Schwanke:

Das waren wilde Mädchen!


Torsten Schwanke:

Warst du nüchtern oder betrunken?


Eberhard Schwanke:

Ich war tief in trunkener Freude.


Torsten Schwanke:

So wurde ich also gepflanzt!


Eberhard Schwanke:

Das Schicksal wollte es so, mein Sohn.


Torsten Schwanke:

Also, wie bin ich hier im Tempel gelandet?


Eberhard Schwanke:

Das Mädchen muss dich hier zurückgelassen haben.


Torsten Schwanke: 

Ich bin kein Mägdekind, Gott sei Dank!


Eberhard Schwanke:

Und so, mein Kind, akzeptiere jetzt deinen Vater!


Torsten Schwanke:

Wie kann ich Gott nicht glauben?


Eberhard Schwanke:

Du hast vollkommen recht.


Torsten Schwanke:

Was könnte ich mehr verlangen?


Eberhard Schwanke:

Jetzt siehst du die Dinge so, wie sie wirklich sind.


Torsten Schwanke:

Nichts weiter als der Sohn des Sohnes Gottes zu sein!


Eberhard Schwanke:

So sollte es für dich sein.


Torsten Schwanke 

(umarmt Eberhard Schwanke)

Ist das mein Vater, den ich wirklich umarme?


Eberhard Schwanke:

Ja, wenn du wirklich an Gott glaubst.


Torsten Schwanke:

Heil, mein Vater!


Eberhard Schwanke:

Oh, was für freudige Worte gibst du mir!


Torsten Schwanke:

Was für ein heiliger Tag heute ist!


Eberhard Schwanke:

Wahrlich heilig! Ein Tag, der mich gesegnet hat!


Torsten Schwanke:

O, liebe Mutter! Wann werde ich dich vor mir sehen? Jetzt mehr denn je – wer auch immer du bist, ich möchte dich kennenlernen. Aber vielleicht bist du tot und wir können nicht einmal hoffen, dich zu sehen.


Chor:

Die Freude am Palast ist auch unsere Freude, aber ich wünschte, unsere Herrin wäre auch glücklich mit Kindern im Haus des Dirk.


Eberhard Schwanke:

Mein Junge, Gott hat weise gehandelt, damit wir einander finden; ich soll einen Sohn finden und du den Vater finden, den du vorher nie gekannt hast. Ich suche dasselbe wie du: deine Mutter zu finden, die Frau, die dich mir gegeben hat. Aber vertrauen wir der Zeit und vielleicht finden wir sie. Verlasse nun den Tempel und deine Pflichten hier und tue, was dein Vater wünscht: Komm mit mir nach Berlin, denn dort erwartet dich große Freude, viel Reichtum und obendrein das mächtige Zepter deiner Eltern. Und niemand wird sagen können, dass du arm oder unehelich bist...


(Torsten Schwanke reagiert nicht.)


Eberhard Schwanke:

Du bist still, mein Sohn. Warum den Blick so auf den Boden senken? Warum siehst du so besorgt aus? Warum die neu entdeckte Freude deines Vaters in Traurigkeit verwandeln?


Torsten Schwanke:

Dinge sehen unterschiedlich aus, wenn man sie aus der Nähe und aus der Ferne betrachtet. Auch ich empfinde große Freude darüber, dich gefunden zu haben, Vater, aber du musst lernen, was ich in meinem Herzen trage. Sie sagen, dass die berühmten Leute von Berlin in Berlin geboren und keine Einwanderer sind. Ich werde mit zwei Lasten auf dem Rücken dorthin gehen: Mein Vater ist ein Ausländer und ich bin ein Bastard, und mit diesen beiden schändlichen Lasten und der fehlenden Kraft, sie zu tragen, werden die Berliner mich für schlimmer als unbedeutend halten. Und wenn ich eines Tages jemals versuchen möchte, auf den höchsten politischen Thron der Stadt zu klettern und jemand Bedeutendes zu werden, werde ich von denen verachtet werden, die es versucht haben und gescheitert sind, denn so ist es: Der Mann mit weniger Fähigkeiten hasst den Mann, der es geschafft hat hat mehr. Und diejenigen, die intelligent sind und Erfolg haben können, aber nicht versuchen, in die Politik einzusteigen, werden mich auslachen, weil ich der Idiot bin, der es in einem so geschäftigen Land nicht ruhig angehen lässt. Dann gibt es die Politiker, die daraus einen Erfolg gemacht haben. Sie werden ihre Intelligenz und ihr Stimmrecht bösartig gegen mich einsetzen, um meine Wünsche zu vereiteln. So ist es, Vater. Diejenigen, die Macht und Führung haben, werden alle ihre Konkurrenten furchterregend bekämpfen. Und dann, Vater, werde ich dein Haus betreten und nicht meins, und in der Nähe einer kinderlosen Frau sein, einer Frau, mit der du früher ihren Schmerz geteilt hast. Jetzt wird sie diese Last jedoch völlig allein tragen müssen, also wird sie mich natürlich auch hassen, und das zu Recht. Sie wird verbittert sein, mich voller Freude neben dir zu sehen, während sie kinderlos zusieht. Was machst du dann? Entweder musst du mich verlassen, um sie glücklich zu machen, oder du behältst mich und bringst das ganze Haus in Aufruhr. Welche Morde, welche mörderischen Gifte finden die Frauen unter solchen Umständen nicht für die Männer! Und dann tut es mir auch sehr leid für deine Frau, Vater. Sie wird in ihrem Alter keine Kinder mehr haben und das hat sie als Tochter so edler Eltern sicherlich nicht verdient, kinderlos zu sein. Außerdem wird das Königtum überbewertet. Es wird zu Unrecht verherrlicht. Es hat ein süßes Gesicht, aber ein dunkles und turbulentes Herz, denn wie kann man glücklich oder gesegnet sein, wenn man immer Angst vor Mördern oder Menschen haben muss, denen man nie vertrauen kann? Eher ein glücklicher Bürger als ein König, der die Schlauen dulden und die Guten hassen muss, damit sie ihn nicht abschlachten. Du sagst mir vielleicht, dass all diese Sorgen durch Gold besiegt werden, und dass es eine wunderbare Sache ist, reich zu sein, aber ich mag es nicht, wenn meine Ohren mit Verurteilungen gefüllt werden, während ich an Reichtum festhalte, und ich möchte auch keine Probleme haben. Ich bevorzuge bei weitem das mäßige Leben, abgemessen und ohne Bedenken. Vater, höre auf die Freuden, die ich hier habe: Erstens habe ich meinen Frieden – etwas, das jeder liebt. Es gibt kaum Bedenken und niemand stört mich. Außerdem muss ich mir nie Gedanken über die schreckliche Sache machen, meinen Schritt zu halten und über die Straße zu gehen, wenn ich mit gemeinen Wesen konfrontiert werde. Dann bete ich zu den Heiligen und spreche mit den Sterblichen. Ich diene den glücklichen Menschen und nicht den traurigen und freunde mich leicht mit ihnen an. Und wenn einer geht, kommt ein anderer und so rede ich ständig mit Leuten und bin immer glücklich. Außerdem sollten die Menschen darum beten, an meiner Stelle zu sein, auch wenn sie dies widerstrebend tun müssen; ich folge dem Gesetz, ich erfülle meine Pflicht gegenüber Gott und das, weil es zu meiner Natur passt. Also, Vater, lass mich dir sagen, dass ich dieses Leben für weitaus besser für mich halte als das, das du mir bietest. Lass mich alleine leben. Ein bescheidenes Leben zu führen ist genauso schön wie ein großartiges Leben.


Chor:

Du hast weise gesprochen, und es wäre auch der beste Weg für meine geliebte Herrin.


Eberhard Schwanke:

Höre mit diesem ganzen Unsinn auf und lerne, wie man das Glück genießt. Jetzt, wo ich dich gefunden habe, mein Sohn, möchte ich mit dir einen Tisch teilen und all die Opfer bringen, die ich bei deiner Geburt versäumt habe zu bringen. Ich werde dich als Freund und Beobachter zu einem geselligen Fest zu mir nach Hause in Berlin einladen und nicht als meinen Sohn, denn ich möchte meine kinderlose Frau nicht traurig machen, während ich glücklich bin. Wenn es an der Zeit ist, dass ich dir das Zepter meiner Stadt überreiche, werde ich dich ihr als meinen Sohn vorstellen. Ich werde dich Torsten Schwanke nennen, weil es deinem Schicksal entspricht, denn du warst der Erste, dem ich begegnete, als ich aus dem Tempel kam. Rufe jetzt alle deine Freunde an und lade sie zum Opfer ein, bevor du den Ort des Orakels verlässt. Und ihr, Dienerinnen, schweigt und sagt nichts zu meiner Frau, sonst werdet ihr sterben!


Torsten Schwanke:

Ich gehe, aber es fehlt noch etwas an dem, was das Schicksal für mich erklärt hat: Wenn ich die Frau, die meinen Vater zur Welt gebracht hat, nicht finde, wird mein Leben unglücklich sein, und wenn es ein Gebet gibt, das ich sprechen kann, dann dieses: Meine Mutter stammt aus Berlin, so dass ich die Gültigkeit der Berlinischen Staatsbürgerschaft habe. Wer sich in einer fremden Stadt aufhält, bleibt immer ein Ausländer, auch wenn er wortwörtlich ein rechtmäßiger Staatsbürger wird, ihm fehlt die Meinungsfreiheit.


(Eberhard Schwanke, Torsten Schwanke und Eberhard Schwankes Begleiter ab.)


Chor:

Ich kann meine Herrin weinen und bitterlich seufzen sehen, wenn sie ihren Mann mit einem Sohn und sie sich ohne Sohn und allein sieht. Sohn von Maria, Christus Jesus, Prophet! Welches Lied hat dein Mund in der Prophezeiung darüber gesungen? Wer war das Kind, das in deinem Tempel großgezogen wurde, und wer war seine Mutter? Dieses Orakel von dir gefällt mir überhaupt nicht, es ist eine Falle darin verborgen. Ich fürchte, dass uns eines Tages ein großes Unglück widerfahren wird. Gottes Worte sind seltsam und seltsam die Gedanken, die sie mir vermitteln: Dieser Junge kommt ohne Zweifel aus einem fremden Land. Freundinnen, wie können wir das unserer Herrin nicht am deutlichsten zuschreien? Sie war in allem Eberhard Schwankes Freundin und hatte ihre Hoffnungen auf ihn gesetzt, aber er verriet sie und ließ sie verzweifeln! Jetzt ist sie völlig unglücklich, während er sich über sein Glück freut. Hier ist sie, sie verfällt ins graue Alter, aber er kümmert sich überhaupt nicht um seine Freundin. Er kam als Ausländer in unseren Palast und kümmerte sich nur um den Aufbau seines eigenen Reichtums, während er unsere Geliebte vernachlässigte. Er hat sie völlig vernachlässigt, die Elende, die erbärmlich Elende, die Verratene! Möge Gott ihn auch vernachlässigen und seine heiligen Opfer für dieses ganze Jahrhundert ablehnen. Und egal wie viele Opfer er an den Altären darbringt, ich werde ihm zeigen, wen ich in unserem Palast liebe. Hier sind sie nun, der Vater und der neue Sohn, am Altar und bereiten sich auf ein Fest vor. Dort, bei den großen Musen-Felsen, deren Gipfel in den Himmel ragen, wo Der Wahnsinn, die Zwillingsfackeln haltend, mit seinen nächtlichen Mägden leicht in der Nacht tanzt. Möge er niemals die Stadt betreten, sondern lieber in seiner Jugend sterben, denn wenn ein Fremder unsere Stadt betritt, wird er uns viel Kummer bereiten. Das Beste, dass Dirk bleibt, seit er zuerst unser König war.


(Doris Schwanke tritt mit dem alten Mann Johann Brunken ein, der fast blind ist, einen Spazierstock hat und von Doris Schwanke geführt wird.)


Doris Schwanke:

Johann Brunken, Johann Brunken, du warst der Lehrer meines Vaters, als er noch lebte. Geh in den Tempel und frage den Herrn Jesus in meinem Namen, ob er ein Wort über meine Hoffnungen auf Kinder gesagt hat, was uns beiden gefallen wird. Freude ist süß, wenn sie von Freunden geteilt wird. Und wenn uns vielleicht – Gott bewahre – etwas Schreckliches widerfährt, werde ich dennoch Trost in deinen verständnisvollen Augen finden. Obwohl ich deine Geliebte bin, respektiere ich dich genauso, wie du meinen Vater respektiert hast, als er das Sonnenlicht genoss.


Johann Brunken:

Tochter, du bist deiner würdigen Eltern würdig. Du respektierst die Bräuche und Ethik der alten Vorfahren unserer Stadt und hast sie nie beschämt. Komm, hilf mir, die Stufen zum Tempel hinaufzusteigen. Sie sind schwierig für mich, deshalb musst du mich unterstützen.


Doris Schwanke:

Komm, Johann Brunken, und achte auf deinen Schritt.


Johann Brunken:

Hier sind wir. Der Fuß ist langsam, aber der Geist ist flink.


Doris Schwanke:

Halte dich am Gehstock fest und komm auf diese Weise umher.


Johann Brunken:

Sowohl der Stock als auch ich sind halb blind.


Doris Schwanke:

Stimmt schon, aber pass auf, dass dieser Spaziergang dich nicht erschöpft.


Johann Brunken:

Glaubst du, ich will? Verdammte Beine!


(Sie haben die Stufen des Tempels erreicht. Nun wendet sich Doris Schwanke dem Chor zu.)


Doris Schwanke:

Liebe Frauen, die mit mir an meinem Webstuhl und seinem Schiffchen arbeiten; alle treuen Dienerinnen: Was hat Jesus zu meinem Mann über unsere Kinder gesagt? Sprecht, weil wir frohe Nachrichten verdienen.


Chor:

Schreckliches, schreckliches Schicksal!


Doris Schwanke:

Ein schlechter Anfang!


Chor:

Schreckliches, schreckliches Schicksal!


Johann Brunken:

Werden die Orakel für meine Herrin bitter sein?


Chor:

Meine Dame, was sollen wir tun? Was sollen wir machen? Für solche Dinge stirbt man.


Doris Schwanke:

Erzählt es mir, Freundinnen. Was ist das für eine Angst von euch?


Chor:

Sollen wir sprechen? Sollen wir schweigen? Was können wir tun?


Doris Schwanke:

Sagt es mir! Was ist das für eine Katastrophe, die ihr mir erzählen müsst?


Chor:

Ich muss es dir sagen, meine Dame, auch wenn der Tod mich zweimal erwischt. Es ist dir nicht verordnet, Kinder in den Arm zu nehmen oder sie fest an deine Brust zu drücken.


Doris Schwanke:

Oh! Ich wünschte, ich wäre tot!


Johann Brunken:

Tochter!


Doris Schwanke:

Ah, meine Freundinnen! Das ist das Ende meines Lebens! Was für ein schreckliches Schicksal habe ich!


Johann Brunken: 

Ja, meine Tochter, wir sind erledigt.


Doris Schwanke:

Ah! Erbärmliches Schicksal! Elende Frau! Was für eine schreckliche Traurigkeit durchdringt mein Herz!


Johann Brunken: 

Sei stark, mein Mädchen!


Doris Schwanke:

Wie kann ich die Traurigkeit nicht spüren?


Johann Brunken:

Warte, bis wir erfahren...


Doris Schwanke:

Was kann es für mich noch Neues geben?


Johann Brunken:

Lass uns abwarten, ob dein Mann das gleiche Unglück erlitten hat oder ob es nur dich getroffen hat.


Chor:

Johann Brunken, ihm hat Jesus einen Sohn geschenkt und jetzt freut er sich, fern von unserer Geliebten.


Doris Schwanke:

Du bescherst mir eine Katastrophe nach der anderen! Oh, wie kann ich das ertragen?


Johann Brunken

(zum Chor)

Der Sohn, von dem ihr gesprochen habt, von welcher Frau wird er geboren? Oder ist er schon geboren?


Chor:

Er ist bereits geboren und erwachsen. Jesus gab den Jungen hier vor uns Eberhard Schwanke.


Doris Schwanke:

Was hast du gesagt? Unaussprechlich! Die unglaublichen Dinge, die du sagst!


Johann Brunken:

Auch für mich!


Doris Schwanke:

Aber wie geht das Orakel? Erkläre es mir genauer. Wer ist dieser junge Mann?


Chor:

Jesus gab Eberhard Schwanke als seinen Sohn die erste Person, die er traf, als er den Tempel verließ. Dieser junge Mann war er.


Doris Schwanke:

Elend! Das Elend liegt vor mir. Ich werde mein ganzes Leben lang kinderlos in einem verlassenen Haus bleiben. Und was ist mit dem Orakel? Wer war der junge Mann, der vor meinem Mann erschien? Wie und wo hat er ihn zum ersten Mal gesehen?


Chor:

Hast du nicht den jungen Mann gesehen, der hier am Tempel herum fegte? Das war der Junge, der Eberhard Schwankes Sohn wurde.


Doris Schwanke:

Ach, was für ein Schmerz! Wenn ich nur durch die feuchte Luft und weit in die Sterne fliegen könnte, weg von diesem Land, diesem Deutschland!


Johann Brunken:

Welchen Namen gab ihm sein Vater? Wisst ihr es oder ist es ein Geheimnis und unbekannt?


Chor:

Torsten Schwanke, er nannte ihn so, weil er der Erste war, den er sah, als er aus dem Tempel kam.


Johann Brunken:

Und seine Mutter? Wer ist es?


Chor:

Ich weiß es nicht, aber ich sage dir, Johann Brunken, alles, was ich weiß: Eberhard Schwanke ist ohne unsere Herrin zu den heiligen Tabernakeln gegangen, um für die Geburt des Jungen und ihre Freundschaft Opfer zu bringen. Sie werden ohne sie am selben Tisch sitzen und sich freuen.


Johann Brunken:

Wir wurden betrogen, meine Dame, und auch ich spüre deinen Schmerz. Dein Mann hat uns beleidigt und wird mit einer List versuchen, uns aus den Hallen des Dirk zu werfen! Ich sage das nicht, weil ich deinen Mann hasse, sondern weil ich dich mehr liebe als ihn. Er kam als Fremder in unsere Stadt, heiratete dich und erhielt deinen Reichtum, während er die ganze Zeit heimlich mit einer anderen Frau Kinder zeugte. Ich sage heimlich und ich zeige dir wie: Er sah, dass du kein Kind hattest, also wollte er nicht mit dir zusammenleben und das gleiche Schicksal erleiden. So nahm er eine Dirne zu sich und gebar mit ihr ein Kind, das er hier zum Orakel schickte. Der Junge wurde hier vor der Tür des Gottestempels zurückgelassen, um als verlassenes Kind aufgezogen zu werden. Als Eberhard Schwanke endlich erfuhr, dass der Junge erwachsen war, kam er, um ihn zurückzuholen, und erzählte, dass du angeblich hierher gekommen bist, weil du ein Kind wolltest. Die Geschichte, dass der Gott Eberhard Schwanke erzählte, dass er seinen Sohn außerhalb des Tempels getroffen habe, ist eine Lüge. Dies ist eine Geschichte von Eberhard Schwanke und nicht von Jesus. Er ließ das Kind heimlich großziehen. Wenn Eberhard Schwanke gefasst würde, würde er dem Gott die Schuld geben, wenn nicht, hätte er vorgehabt, den Jungen zum König von Berlin zu machen. Sogar seinen Namen, Torsten Schwanke, hatte er schon vor langer Zeit erhalten, nicht erst heute, als hätte er gerade die fröhlichen Silben der Überraschung gerufen: O je!


Chor:

Oh, wie ich die schlauen Männer hasse, die Unrecht begehen und es dann hübsch mit Lügen vertuschen. Ich bevorzuge einen Freund, der langweilig und ehrlich ist, statt eines cleveren Gauners.


Johann Brunken:

Und es gibt noch etwas anderes, das du erleiden wirst, und es ist das Schlimmste. Du wirst einen Mann ohne Mutter, den Sohn einer Dirne und eines Fremden, als Herrscher in dein Haus bringen. Es wäre einfacher gewesen, die Last zu tragen, wenn der Junge von einer edlen Frau geboren worden wäre und Eberhard Schwanke dich davon überzeugt hätte, dass er dieses Kind mit ihr hatte, weil du unfruchtbar warst. Dann würdest du ihm zustimmen, und selbst wenn das für dich unerträglich wäre, hätte er woanders nach einer anderen Frau suchen können, die er heiraten könnte. Komm, meine Tochter, für all das musst du etwas tun. Eine Tat, die zu deiner weiblichen Natur passt. Entweder mit einem Schwert, einem Komplott oder Gift musst du deinen Mann und seinen Sohn töten. Tu das, bevor sie dich töten. Nein, zögere nicht, denn dadurch verlierst du dein eigenes Leben. Das passiert, wenn zwei Feinde im selben Haus leben: Der eine oder andere wird sterben. Ich helfe dir bei dieser Tat. Ich werde kommen und den Jungen erstechen, während sie essen. Auf diese Weise werde ich, wenn ich sterbe, meine Schulden gegenüber meinen Herren zurückzahlen, die mich all die Jahre ernährt haben. Entweder das, oder ich teile ihre Freude. Denn nur eines bringt den Dienern Schande: ein schlechter Ruf, aber wenn der Diener gut ist, dann ist er kein schlechterer Mann als die Herren.


Chor:

Ich auch, meine Dame. Ich möchte das gleiche Schicksal wie er haben. Entweder sterben oder in Ehre leben.


Doris Schwanke:

O meine Seele! Wie kann ich schweigen, und wie kann ich die Schande abtun! Wie kann ich die heimliche Überschattung ans Licht bringen? Was hält mich auf? Wer ist mein Gegner in diesem Kampf der Tugend? Ist es nicht mein Mann, der mich hier verraten hat? Ich habe weder ein Zuhause noch Kinder, und alle Hoffnungen, die ich hatte, die beiden zusammenzubringen, sind nun für immer verloren. Egal wie lange ich die Heimsuchung und die beklagenswerte Geburt geheim gehalten habe, ich habe es immer noch nicht geschafft, es zu erreichen. Aber nein! Ich schwöre beim Sternenthron Gottes und sogar bei der Göttin Maria, der Göttin meiner Hohen Musen-Felsen, und beim Ufer des heiligen Spandauer Sees. Ich werde meine Heimsuchung nicht geheim halten. Ich werde sie verkünden und meiner Brust große Erleichterung bringen. Tränen rollen aus meinen Augen, und meine Seele schmerzt wegen der Taten sowohl der Menschen als auch der Unsterblichen. Wie Gott mir doch Qual zugefügt hat!


(schreit Jesus an)


Jesus! Du und deine zehnsaitige Harfe aus leblosem Gold! Du, der Gottmensch, der die schönen Lieder der Psalmen singt! Du, Sohn von Maria! Dich klage ich an! Dich klage ich bei Tageslicht an! Du kamst mit deinem glänzenden goldenen Haar zu mir, während ich Safranblüten pflückte, um meine Brüste zu schmücken, passend zu meinen goldenen Kleidern. Du hast meine weißen Arme gefasst und mich in die Tiefen der Höhle geführt, zu deinem Bett, und während ich um meine Mutter Paula weinte, hast du mir beigewohnt und Dinge getan, die Aphroditissas Herz höher schlagen lassen. Dann habe ich, die arme Magd, dir einen Jungen geboren, den ich aus Angst vor meiner Mutter an derselben Stelle zurückgelassen habe, an der du mir beigewohnt hast. Auf deinem eigenen Bett, wo du mich heimlich zu deiner Frau gemacht hast!Ich habe kein Glück! Oh ja! Du bist es, Gottes Sohn! Du bist es, den ich anrufe! Du, der du neben deinem goldenen Thron und in der Mitte der Erde Orakel gibst, ich werde dir ein Stöhnen ins Ohr schreien! Böser Liebhaber! Unser eigener Sohn – ja, deiner und meiner! Unser eigener Sohn wurde von den Geiern gefangen, und ich bin eine verlassene Mutter, die seine Windeln in der Hand hält. Schau da, Jesus! Siehe! Ganz Deutschland hasst dich! Der Seidelbast zwischen den sanften Trieben der Palme hasst dich! Schau dort, wo die schwanenweiße Jungfrau im heiligen Bett der Ehe mit Gott lag und dich zur Welt brachte!


Chor:

Was für eine riesige Truhe des Elends öffnet sich weit! Groß genug, um jeden zum Weinen zu bringen.


Johann Brunken:

(schockiert über das, was er hörte)

Meine Tochter, ich sehe dein Gesicht und bin voller Mitleid. Deine Geschichte schickt mich hin und her, und ich verliere den Verstand. In einem Moment versuche ich, unser Schiff von allem Bösen zu befreien, und im nächsten schickst du mir vom Heck her eine neue Welle von Katastrophen. Bei all dem Leid, das du ausschreist, scheint es mir, dass du auf dem falschen Weg bist und in eine neue Menge an Katastrophen gerätst. Was sagst du? Was wirfst du Christus Jesus vor? Welches Kind hast du deiner Meinung nach zur Welt gebracht, und wo in der Stadt hast du es ausgesetzt, damit die Geier es abschlachten? Erzähl es mir noch einmal von Anfang an.


Doris Schwanke:

Alter Freund, ich schäme mich, es dir zu sagen, aber ich werde sprechen.


Johann Brunken:

Wenn du das tust, kann ich deinen Schmerz besser verstehen und teilen.


Doris Schwanke:

Na dann, mein alter Freund, hör zu. Kennst du die Höhle am Felsen an der Nordseite? Wir nennen es die Langen Felsen.


Johann Brunken: 

Ja, ich weiß. Des Guten Hirten Höhle, in deren Nähe sich Altäre befinden.


Doris Schwanke:

Ja, da. Was für einen schrecklichen Kampf ich dort geführt habe!


Johann Brunken:

Schrecklicher Kampf? Wie meinst du das? Deine Worte treiben mir Tränen in die Augen.


Doris Schwanke:

Da drin, alter Freund, habe ich eine Heimsuchung erfahren, eine unfreiwillige Ehe mit Christus.


Johann Brunken:

Oh, meine Tochter! Ist mir das damals nicht aufgefallen?


Doris Schwanke:

Ich weiß es nicht, aber wenn du die Wahrheit willst, lass es mich sagen.


Johann Brunken:

Damals, als du heimlich unter den Geburtswehen gelitten hast?


Doris Schwanke:

Ja. Ich habe damals unter dem gelitten, was ich gerade offenbart habe.


Johann Brunken:

Wie hast du es geschafft, Jesu Heimsuchung geheim zu halten?


Doris Schwanke:

Ich habe geboren. Warte, alter Freund, ich sage es dir.


Johann Brunken:

Aber wo? Wer war deine Hebamme, oder hast du ganz alleine entbunden?


Doris Schwanke:

Allein, ja. In der Höhle, in der er mir beigewohnt hat.


Johann Brunken:

Aber wo ist das Kind? Wir können also sagen, dass auch du ein Kind hast.


Doris Schwanke:

Es ist tot, Johann. Ich habe es mit den Bestien allein gelassen.


Johann Brunken:

Es ist gestorben? Aber warum kam dir Jesus nicht zu Hilfe?


Doris Schwanke:

Er hat es eben nicht getan, und so wächst der arme Junge in der Unterwelt auf.


Johann Brunken:

Aber wer hat das Kind dort gelassen? Sicherlich nicht du!


Doris Schwanke:

Ja, das war ich. Im Dunkeln hatte ich es mit meinem Kleid bedeckt.


Johann Brunken:

Hat niemand herausgefunden, dass du das Kind dort gelassen hast?


Doris Schwanke:

Geheimnis und Desaster sind die einzigen, die es wussten.


Johann Brunken: 

Aber mit welchem Mut hast du deinen Sohn in der Höhle gelassen?


Doris Schwanke:

Was für ein Mut, Johann? Ich hatte viel geweint und geklagt.


Johann Brunken:

Ach, armer Kerl! Was für eine gemeine Seele du hattest, aber Jesus, was soll ich über ihn sagen?


Doris Schwanke:

Wenn du nur sehen könntest, wie das Kind mir seine Ärmchen entgegenstreckte!


Johann Brunken:

Auf der Suche nach Milch oder deiner Umarmung?


Doris Schwanke:

Meine Umarmung. Dennoch quäle ich es zu Unrecht.


Johann Brunken: 

Aber was kam über dich, dass du es weggeworfen hast?


Doris Schwanke:

Ich dachte, Gott würde herabsteigen, um es zu retten.


Johann Brunken

(verhüllt beschämt seinen Kopf mit seinem Gewand. Unter Tränen)

O, was für ein verheerender Sturm hat die Freude deines Zuhauses heimgesucht!


Doris Schwanke:

Johann, warum hast du deinen Kopf bedeckt und warum schluchzt du?


Johann Brunken:

Weil ich dich und deinen Mann im Elend sehe.


Doris Schwanke:

So ist die Welt. Nichts bleibt gleich.


Johann Brunken: 

Aber so viel Kummer, Doris Schwanke, lass nicht zu, dass er unsere Gefühle beherrscht.


Doris Schwanke:

Ja, alter Freund, aber was kann ich tun? Die Unglücklichen zögern immer.


Johann Brunken:

Erwarte zuerst Gerechtigkeit von Gott, der dir Unrecht angetan hat.


Doris Schwanke:

Wie kann ich als bloße Sterbliche mit dem großen Unsterblichen streiten?


Johann Brunken: 

Zünde Jesu heiligen Tempel an!


Doris Schwanke:

Nein, nein, ich habe zu viel Angst davor. Ich habe schon genug Probleme.


Johann Brunken:

Versuche so viel wie möglich. Gib deinem Mann das Messer!


Doris Schwanke:

Er war immer gut zu mir. Ich bring es nicht übers Herz.


Johann Brunken:

Dann mach es mit dem Jungen zwischen euch, dass du ihn mit einem Rohrstock schlägst.


Doris Schwanke:

Wie? Wenn es möglich wäre, würde ich es tun. Das wäre mir lieber.


Johann Brunken:

Bewaffne deine Diener mit Schwertern.


Doris Schwanke:

Ja! Ich bin auf dem Weg, aber wo kann das passieren?


Johann Brunken:

In den heiligen Laubhütten, wo er seinen jungen Freund beherbergt.


Doris Schwanke:

Der Mord wird dort offensichtlich sein, und die Diener sind kleinmütig.


Johann Brunken:

Du meinst, dass du Angst hast! Na, dann fällt dir was ein!


Doris Schwanke:

Gewiss. Ich habe etwas, das sowohl klug als auch drastisch ist.


Johann Brunken:

Ich bin bereit, bei beidem mit dir zusammenzuarbeiten.


Doris Schwanke:

Na dann, hör zu. Kennst du die alte Schlacht der Riesen?


Johann Brunken:

Ja, den Felsen, wo die Riesen gegen die Gottessöhne kämpften.


Doris Schwanke:

Genau! Dort hat die Erde die schrecklichste Fratze geboren.


Johann Brunken:

Damit sie ihren Kindern hilft, gegen die Gottessöhne zu kämpfen.


Doris Schwanke:

Und dann tötete Gottes Tochter Maria sie.


Johann Brunken: 

Das höre ich schon seit Jahren.


Doris Schwanke:

Jetzt trägt Maria die Haut der Fratze auf ihrer Brust.


Johann Brunken:

Sie nennen es den Schutzschild der Jungfrau Maria.


Doris Schwanke:

Sie erhielt ihren Namen, als sie in den Krieg der Gottessöhne sich einmischte.


Johann Brunken:

Welche furchterregende Zeichnung hatte Marias Schild?


Doris Schwanke:

Es ist ein Brustpanzer, der von vielen Schlangen um ihn herum angegriffen wird.


Johann Brunken:

Und ist das, meine Tochter, schädlich für deine Feinde?


Doris Schwanke:

Du musst Dirk kennen, Johann, oder nicht? Natürlich tust du.


Johann Brunken:

Den Mann, den die Erde als deinen Vorfahren hervorgebracht hat?


Doris Schwanke:

Als er geboren wurde, schenkte ihm die Jungfrau Maria…


Johann Brunken:

Was? Es scheint, als gäbe es da noch etwas, das ich hören soll.


Doris Schwanke:

Nun, sie gab ihm zwei Tropfen Schlangenblut.


Johann Brunken:

Und welche Wirkung werden sie auf die Menschen haben?


Doris Schwanke:

Der erste Tropfen dient zum Töten, der zweite zum Heilen.


Johann Brunken:

Und wie befestigte Maria diese am Körper des Babys Dirk?


Doris Schwanke:

Mit einer goldenen Schnur. Dann, später, gab er es meinem Vater.


Johann Brunken: 

Und als dein Vater starb, wurde die Kette an dich weitergegeben?


Doris Schwanke:

Ja, ich trage sie um mein Handgelenk.


Johann Brunken:

Wie funktioniert dieses doppelte Geschenk der Göttin Maria?


Doris Schwanke:

Das Blut, das aus der Hohlvene tropfte…


Johann Brunken: 

Was nützt es? Welche Befugnisse hat es?


Doris Schwanke:

Es beugt Krankheiten vor und nährt das Leben.


Johann Brunken:

Und was ist mit dem zweiten Tropfen? Was macht der?


Doris Schwanke;

Es tötet! Es ist das Gift der Schlangen.


Johann Brunken:

Trägst du sie gemischt oder getrennt?


Doris Schwanke:

Separat. Gut und Böse können sich nicht vermischen.


Johann Brunken:

Na dann, mein liebes Mädchen. Du hast alles, was du brauchst!


Doris Schwanke: 

Damit wird der Junge sterben, und du wirst sein Mörder sein!


Johann Brunken:

Wo? Wie? Sag es mir und ich werde versuchen, zu tun, was immer du sagst.


Doris Schwanke:

In Berlin, wenn er zu mir nach Hause kommt.


Johann Brunken:

Das wäre nicht richtig... und mein Vorschlag gefiel dir auch nicht.


Doris Schwanke;

Was meinst du? Glaubst du, dass ich Angst habe?


Johann Brunken:

Nein, aber sie werden dich seine Mörderin nennen, selbst wenn du es nicht getan hast.


Doris Schwanke:

Du hast recht. Sie sagen, dass Stiefmütter ihre Stiefsöhne hassen.


Johann Brunken:

Lass mich ihn hier töten, wo du den Mord leugnen kannst.


Doris Schwanke:

Ah! Wie glücklich bin ich schon vor der Veranstaltung!


Johann Brunken:

Ja. Du betrügst deinen Mann, indem du ihm das antust, was er dir antun möchte.


Doris Schwanke:

Weißt du, was jetzt zu tun ist? Du nimmst diese goldene Phiole – es ist ein altes Werk der Göttin Maria –, steckst sie unter deinen Umhang und gehst dorthin, wo Eberhard Schwanke heimlich die Opfer darbringt. Sobald sie gegessen haben und Gott das Trankopfer ausschenken wollen, nimmst du sie heraus und leerst sie in den Becher des jungen Mannes, sodass nur er allein es trinken kann. Niemand außer dem, der mein Haus regieren will, trinkt es. Sobald er das getan hat, wird er nie wieder einen Fuß nach Berlin setzen. Er wird dort tot bleiben.


(Sie gibt ihm das Fläschchen.)


Johann Brunken:

Jetzt gehst du zum Haus des Konsuls, wo du betreut wirst, und ich werde gehen und tun, was du mir gesagt hast. Kommt schon, alte Beine, kommt! Werdet wieder jung und aktiv! Trotzt euren vielen Jahren! Geh zum Feind deiner Herrin und töte ihn! Töte ihn und vertreibe ihn aus dem Haus. Es ist eine gute Sache, die Ehrenhaften zu ehren, wenn man Glück hat, aber wenn man seinen Feinden schaden will, gibt es kein Gesetz, das einem im Weg steht.


(Doris Schwanke und Johann Brunken ab.)


Chor:

Oh, Christopherus, Beschützer und Führer der Reisenden, Gottes Kind, Herrscher der Geister des Tages und der Nacht, leite jetzt die Tötungsphiole meiner geliebten Herrin, gefüllt mit Blutstropfen, die aus dem einst abgetrennten Hals der sterblichen Schlange vergossen wurden. Führe es, Christopherus, in den Kelch dessen, der unser Haus betreten will, dass kein Fremder unsere Stadt regiere. Lass seine Herrscher nur die edlen Söhne Dirks sein. Aber wenn die Zeit den Zielen, der Hoffnung und dem Wagemut meiner Herrin den Erfolg verweigert, wird sie entweder mit einem scharfen Schwert oder mit einem Knoten um ihren Hals sterben – und einen Schmerz durch den anderen vertreiben. So wird sie in eine andere Art von Schatten-Welt hinabsteigen. Weil eine edle Frau es nicht ertragen kann, ihre Türme von Fremden regiert zu sehen – nicht solange sie lebt, noch solange sie das Licht der Welt erblicken kann. Ich schäme mich sehr vor dem oft besungenen Wein, wenn der junge Mann in der Nähe der tanzenden Quellen wach liegt und den Geist des Weines nachts mit der Fackel des Festes in der Hand sieht, wenn die von Sternen erleuchteten Nationen des Himmels tanzen und der Mond und die Fünfzig Töchter von Ozeans tanzen im Meer und in den endlosen Strömen der Flüsse – sie tanzen für die Jungfrau mit dem goldenen Kranz und für ihre glorreiche Mutter. Also hofft der Bettler von Christus, die Arbeit anderer grob zu zertrampeln und dort zu herrschen. Schau, du, der du jeder unserer illegalen Liebe all deine höllischen Lieder für unsere Betten singst – schau, wie ich mit Respekt die ungerechte Liebe der Menschen ertrage und nun jedes Lied der Verachtung auf sie fallen lasse und die Musen ihre bösen Zungen auf ihre Betten werfen lasse. Wenn der, der aus der Abstammung Gottes stammt, eine große Respektlosigkeit an den Tag legte und bei meiner Geliebten zu Hause keine Kinder zum Teilen zeugte, sondern die Freude lieber einer anderen Magd Aphrodites schenkte, und gab uns einen Bastard.


(Auftritt von Doris Schwankes Knecht.)


Knecht:

Mägde, wo finde ich Dirks Tochter Doris Schwanke, meine Geliebte? Ich habe in der ganzen Stadt erfolglos nach ihr gesucht.


Chor:

Warum, was ist los, Mitknecht? Welches Bedürfnis beschleunigt deinen Fuß und welche Neuigkeiten bringst du uns?


Knecht:

Wir werden verfolgt. Die Behörden suchen nach ihr, um sie zu steinigen!


Chor:

Was? Was hast du gesagt? Haben sie sie beim Versuch erwischt, Torsten Schwanke zu töten?


Knecht:

Ja, das stimmt und jetzt wirst du eine der ersten sein, die bestraft wird.


Chor:

Aber wie haben sie unseren geheimen Plan aufgedeckt?


Knecht:

Das liegt daran, dass Gott nicht wollte, dass die Gerechtigkeit verunreinigt wird, und so machte er das Unmögliche möglich.


Chor:

Aber... wie hat er das gemacht? Ich bitte dich, komm und sag es uns, denn wenn du uns sagst, dass wir sterben müssen, werden wir das gerne tun – entweder das, oder wir können noch das Licht eines anderen Tages erblicken.


Knecht:

Nachdem Eberhard Schwanke und sein neuer Sohn Torsten Schwanke das Heiligtum verlassen hatten und zum Abendmahl und zur Vorbereitung der Opfer gegangen waren, ging Eberhard Schwanke allein zu dem Ort, wo eine trunkene Flamme des Weins über die Zwillingsfelsen springt. Er wollte Blut als Geburtsopfer für Torsten Schwanke sprengen. Bevor er ging, sagte er zu seinem Sohn: Du bleibst hier, mein Sohn, und lass die Zimmermänner rund um diesen Raum ein hohes Zelt bauen. Wenn ich zu spät von den Opfern zurückkomme, sollen deine Freunde, die hier sind, das Fest ohne mich beginnen. Dann nahm Eberhard Schwanke die Opferbrote und ging. Der junge Torsten Schwanke begann mit dem Aufbau der eleganten Zelte, mit starken Pfosten. Er achtete sorgfältig darauf, die pralle Sonne sowohl zur Mittagszeit als auch in den letzten Flammen des Abends fernzuhalten. Er maß in jeder Richtung ein Quadrat von hundert Fuß ab, damit er alle Einwohner hier einladen konnte. Dann nahm Torsten Schwanke die heiligen, wunderschönen Wandteppiche aus dem Lagerhaus des Tempels, spannte sie über die Pfosten und machte daraus eine riesige schattige Markise, die jeder sehen und bestaunen konnte. Von diesen Wandteppichen platzierte Torsten Schwanke zunächst die Gewänder, die Salomo, der Sohn Davids, dem Tempel gewidmet hatte. Dabei handelte es sich um Beute, die Salomo aus seinem Krieg mit den Amazonen erbeutet hatte, und auf diesen Kleidungsstücken waren die folgenden Bilder eingewebt: Der Himmel sammelte die Sterne zu einem Kreis am Himmel und die Sonne trieb ihre Pferde dem letzten Feuer entgegen, wobei sie die Leuchtenden hinter sich herzog mit dem Licht von Vesper, dem Abendstern. Die Nacht raste in ihrem schwarzen Gewand auf einem Streitwagen mit zwei Pferden am Joch, und neben ihr liefen die Sterne. Die Plejaden flogen durch die Mitte des Himmels und der Schwertkämpfer Orion drehte mit dem Bären darüber seinen Schwanz um den goldenen Pol. Und der strahlende Kreis leuchtete und teilte den Monat in zwei Teile. Die Hyaden, ein klares Zeichen für die Seefahrer und der Lichtträgerin Morgenröte, schickten die Sterne weg. Dann befahl Torsten Schwanke, weitere Wandteppiche auszubreiten, diesmal Werke von Barbaren, auf denen bewegliche, schnelle Schiffe, Feinde unserer eigenen norddeutschen Schiffe und gemischte Tiere aus der Natur, halb Pferd, halb Reiter, die Hirsche jagten oder wilde Löwen jagten, gemalt waren. Dann holte Torsten Schwanke tolle goldene Weinrührschüsseln hervor. Dann rief ein Ausrufer, der auf seinen Zehen stand, alle Menschen rund um den Tempel zu sich, um mit Torsten Schwanke am Fest teilzunehmen. Das Zelt füllte sich sofort und lautstark mit Menschen, die begannen, sich Girlanden auf den Kopf zu setzen und von dem üppigen Bankett zu essen, wobei sie nach Herzenslust aßen. Als die Freude am Essen verflogen war, stand unser Johann Brunken in der Mitte des Banketts auf und löste mit seinen Possen viel Gelächter bei den Bankettgästen aus. Mit großer Begeisterung begann er, den Fröhlichen Wasser zum Händewaschen zu bringen. Dann zündete er Myrrhen-Räucherwerk an und füllte die goldenen Kelche, eine Aufgabe, die er allein auf sich nahm. Dann kam die Zeit zum Singen und zum Trinken aus der Schüssel. Da rief der alte Mann: Nimm diese kleinen Tassen weg und bring die großen hierher, damit unsere Gäste schneller in gute Laune kommen. Die Diener gehorchten und brachten die silbernen und goldenen Becher. Der alte Mann wählte eines aus, als ob er einen ehrenvollen Toast auf den jungen Mann aussprechen wollte, aber er ließ das tödliche Gift aus der Phiole unserer Herrin hineinfallen, bevor er es Torsten Schwanke reichte, in der Hoffnung, den neu gefundenen Sohn zu töten. Niemand hatte dies bemerkt, aber gerade als Torsten Schwanke den Becher in die Hand nahm, stieß einer der Knechte blasphemische Worte aus. Der Junge, der von den Sehern des Tempels in religiösen Angelegenheiten gut erzogen worden war, empfand diese Worte als ein schlechtes Zeichen und schüttete den Inhalt seines Bechers auf den Boden. Dann bat er darum, einen neuen Becher für ihn zu füllen und forderte die anderen auf, dasselbe zu tun. Im ganzen Zelt herrschte Stille. Dann füllten sie alle ihre Becher mit Wasser und mischten es mit dem starken Wein aus Frankreich. Während dies geschah, flog eine große Schar lärmender Tauben in das Zelt. Sie leben glücklich und ungestört rund um Jesu Tempel. Als sie sahen, dass die Becher voll waren, tauchten sie ihre gefiederten Schnäbel hinein und tranken durstig. Für die meisten von ihnen hatte das Trankopfer Gottes keine negativen Auswirkungen, aber eine von ihnen ging und ruhte neben der Stelle, an der Torsten Schwanke seinen vergifteten Wein verschüttet hatte. Der arme Vogel tauchte seinen Schnabel in den Wein und machte sofort ein unverständliches Geräusch und sein Körper zitterte heftig wie der eines wilden Säufers. Alle Bankettgäste waren schockiert über das Leid des Vogels und sahen zu, wie er langsam und qualvoll starb und seine klauenbewehrten roten Beine schlaff wurden. Dann sprang Torsten Schwanke, den Jesus jetzt Eberhard Schwankes Sohn nannte, auf den Tisch und schrie vor Wut mit den Händen über die Ärmel hinaus und schrie: Wer von euch hat versucht, mich zu töten? Sag es mir, Johann Brunken, denn du warst begierig darauf, den Wein zu servieren, und aus deiner Hand habe ich ihn erhalten! Sofort packte er den alten Mann am Arm und durchsuchte ihn, um ihn auf frischer Tat zu ertappen. Als der alte Mann dann dazu gezwungen wurde, gestand er den gewagten Plan von Doris Schwankes mörderischem Getränk. Dann rief Jesu Kind die Bankettgäste nach draußen und ging vor die Herrscher des Tempels und sagte: Ehrwürdige Mutter Erde, irgendein Fremder versucht mich mit deinen Giften zu töten. Die Herrscher stimmten dann sofort mit überwältigender Mehrheit dafür, dass Doris Schwanke durch Steinigung sterben sollte, da sie nicht nur versuchte, einen Mann zu töten, der Gott geweiht war, sondern weil sie damit auch den Tempelbereich entweihte. Jetzt ist der ganze Ort auf der Suche nach unserer Geliebten, einer Frau, die sich entschieden hat, auf so abscheuliche Weise einen so abscheulichen Weg einzuschlagen. Sie kam zu Jesus, um Kinder zu haben, aber jetzt hat sie sowohl die Kinder als auch ihr Leben verloren.


(Der Knecht ab.)


Chor:

Für mich, einen Pechvogel, gibt es jetzt kein Entrinnen mehr vor dem Tod! All dies ist jetzt für alle sichtbar aufgedeckt! Die aus den Ranken des Weinstocks hergestellten Trankopfer vermischten sich in gemeinsamer mörderischer Absicht mit den Tropfen der gleitenden Schlange. Für alle sichtbar aufgedeckt – die Opfer gehen in die Hölle: Mir werden die Unglücke meines Lebens und der Tod meiner Geliebten durch Steinigung kommen. Wie soll ich fliehen? Oder wie soll ich mich in den dunklen Höhlen der Erde verstecken, damit ich nicht mit den Steinen tot umfalle? Soll ich auf einen Wagen steigen? Oder das Heck eines Schiffes? Wenn Gott dich nicht verstecken will, gibt es kein Entrinnen! Was gibt es mehr, meine Dame, was dein Herz leiden kann? Und weil wir anderen Schaden zufügen wollten, schreibt die Gerechtigkeit jetzt nicht vor, dass wir selbst leiden sollen?


(Doris Schwanke überfällt äußerste Angst, sie ist außer Atem.)


Doris Schwanke:

Meine lieben Dienerinnen, wir werden verfolgt! Wir werden getötet! Das Orakel hat mich verurteilt, und sie werden mich dem Tod ausliefern!


Chor:

Wir sind uns bewusst, arme Frau, wie groß dein Leiden ist.


Doris Schwanke:

Wohin soll ich fliehen? Ich bin gerade erst aus meinem Haus geflohen und bin heimlich hierher gerannt, um mich vor meinen Feinden zu retten.


Chor:

Wohin sonst? Zum Altar!


Doris Schwanke:

Was soll das bezwecken?


Chor:

Beter werden nicht getötet.


Doris Schwanke:

Aber das Gesetz hat mich zum Tode verurteilt!


Chor:

Nur wenn sie dich in die Finger bekommen können.


(Unruhe wütender Menschen im Inneren. Doris Schwanke schaut in ihre Richtung.)


Doris Schwanke:

Dort! Seht! Hartherzige Männer rennen mit gezückten Schwertern hierher!


Chor:

Setz dich schnell vor den Altar, und wenn sie dich dort töten, wird der Makel deines Todes auf den Kopf des Mörders fallen. Los, Mädchen! Nur Mut. Es ist dein Schicksal!


(Doris Schwanke rennt und stellt sich an die Stufen des Tempels. Ihre Dienerinnen bilden einen schützenden Kreis um sie. Torsten Schwanke tritt an der Spitze einer Reihe bewaffneter und wütender Männer auf. Er rennt zum Tempel, ohne Doris Schwanke zu bemerken.)


Torsten Schwanke:

O Dirk! Du stiergesichtiger Held und Vater! Du hast eine Viper geboren, einen Drachen, dessen Blick wie eine speiende Flamme ist. Einen Drachen, der alles wagt. Diese Frau ist gefährlicher als das Blut der Fratze, mit dem sie versuchte, mich zu töten. 


(Er bemerkt Doris Schwanke.)


Ha! Da ist sie! Ergreift sie! Ergreift sie und werft sie von den Gipfeln des Musenberges und lasst seine rauen Felsen ihr glattes, makelloses Haar umklammern! Uch hatte das Glück, nicht vor meiner Ankunft in Berlin von einer Stiefmutter ermordet zu werden. Hier, unter meinen Freunden, habe ich das Ausmaß deiner Seele erfahren – wie böse du bist, wie viel Hass du auf mich hegst! Ich weiß, wenn du mich in deinen Netzen gefangen und in deinem Haus eingesperrt hättest, würdest du keine Zeit damit verschwenden, mich in die Hallen der Hölle zu schicken. Aber jetzt werden dich weder Jesu Tempel noch sein Altar retten; und was das Mitleid betrifft! Ha! Das größte Mitleid gebührt mir und meiner Mutter, die zwar körperlich nicht hier ist, aber im Geiste.


(Er trennt den Chor, so dass Doris Schwanke entlarvt wird.=


Schaut hier! Schaut euch diese böse Frau an! Hier webt sie einen Plan nach dem anderen. Sie wird am Altar Gottes knien, um der Zahlung zu entgehen, die ihr für die bösen Taten zusteht, die sie begangen hat.


Doris Schwanke:

Wag es nicht, mich hier zu töten! Komm zurück! Im Namen Gottes, der uns sieht, und in meinem eigenen Namen, komm zurück!


Torsten Schwanke:

In deinem Namen? Welche Gemeinsamkeiten könntest du mit Christus Jesus haben?


Doris Schwanke:

Ich gebe ihm meinen heiligen Körper zum Beschützen.


Torsten Schwanke:

Du hast versucht, den Sohn Gottes zu vergiften!


Doris Schwanke:

Du bist der Sohn deines Vaters, nicht der von Jesus.


Torsten Schwanke:

Aber Jesus ist mein Vater, während Eberhard Schwanke es nicht ist.


Doris Schwanke:

Ja, er war dein Vater, und jetzt ist Jesus mein Vater.


Torsten Schwanke:

Aber du verehrst ihn nicht, während ich es tue.


Doris Schwanke:

Ich wollte den Feind meines Hauses töten.


Torsten Schwanke:

Aber ich bin nicht mit Waffen in deine Stadt gekommen.


Doris Schwanke:

Ja, das bist du. Und du hast versucht, die heiligen Hallen in Brand zu setzen.


Torsten Schwanke_

Was meinst du? Mit welchen Fackeln, mit welchen Flammen?


Doris Schwanke:

Du wolltest in mein Haus kommen und es mit Gewalt einnehmen.


Torsten Schwanke:

Das ist das Land, das meinem Vater gehört und das er mir geben wird.


Doris Schwanke:

Wie konnte es sein, dass Eberhard Land in Berlin besitzt?


Torsten Schwanke:

Eberhard Schwanke eroberte dieses Land mit Waffen, nicht mit Worten.


Doris Schwanke:

Unsere Verbündeten beherrschen nicht unser Land. Kein Verbündeter tut es.


Torsten Schwanke:

Du würdest mich also töten, weil du Angst davor hast, was morgen passieren könnte!


Doris Schwanke:

Ja, falls du nicht zuerst reinkommst und mich zuerst tötest.


Torsten Schwanke:

Du bist neidisch auf meinen Vater, weil du kein Kind hast.


Doris Schwanke:

Und du? Du würdest das Haus einer kinderlosen Frau beschlagnahmen?


Torsten Schwanke:

Habe ich nicht einen Anteil am Land meines Vaters?


Doris Schwanke:

Dein Anteil ist ein Helm und ein Schwert – das ist alles!


Torsten Schwanke:eh weg vom Altar und dem Thron Gottes!


Doris Schwanke:

Geh und gib deiner Mutter Befehle, wo immer sie ist, nicht mir!


Torsten Schwanke:

Du wolltest mich töten und denkst immer noch, dass Gott dich retten wird?


Doris Schwanke:

Wenn du es wagst, mich hier zu töten, ja!


Torsten Schwanke:

Was? Bist du glücklich, unter Gottes Kränzen zu sterben?


Doris Schwanke:

Ja, denn ich werde dem Kummer bereiten, der mir Kummer bereitet hat.


Torsten Schwanke:

Wie schrecklich ist es, dass Gott den Sterblichen so schreckliche Gesetze gegeben hat! Völlig unklug! Er sollte niemals böse Menschen an seinem Altar aufnehmen! Er sollte sie lieber vertreiben. Auch eine böse Hand sollte die Heiligen nicht berühren. Nur die Gerechten. Diejenigen, denen Unrecht widerfahren ist, sollen am Altar sitzen dürfen. Wie könnte es richtig sein, dass beide, die Gerechten und die Ungerechten, vor Gott gleich sind?


(Torsten Schwanke versucht, Doris Schwanke zu schlagen, doch in diesem Moment erscheint die Priesterin aus dem Tempel. Sie hält eine Wiege, die mit Wollbändern festgebunden ist.)


Priesterin:

Warte, mein Sohn! Ich wurde von allen Priesterinnen auserwählt, aus dem Tempel Gottes zu kommen und die Gesetze des Orakels zu retten.


Torsten Schwanke:

Grüße dich, meine liebe Mutter, die mich nicht zur Welt gebracht hat.


Priesterin:

Nenn mich trotzdem „Mutter“. Ich mag dieses Wort.


(Torsten Schwanke zeigt auf Doris Schwanke)


Torsten Schwanke:

Sie wollte mich töten! Wusstest du das? Mit Gift!


Priesterin:

Das wusste ich, aber auch du bist übermäßig hart. Es ist eine Sünde.


Torsten Schwanke:

Habe ich kein Recht, diejenigen zu töten, die mich töten wollen?


Priesterin:

Es geht immer gegen Kinder, die vor der Heirat geboren wurden.


Torsten Schwanke:

Ja, und auch wir empfinden das Gleiche gegenüber Stiefmüttern, wenn sie versuchen, uns Schaden zuzufügen.


Priesterin:

Nicht sein. Wenn du diesen Tempel verlässt, um in deine Heimat zu gehen...


Torsten Schwanke:

Was rätst du mir?


Priesterin:

Ich rate dir, mit einem guten Schicksal und einer reinen Seele nach Berlin zu gehen.


Torsten Schwanke:

Ein Mann hat eine reine Seele, wenn er alle seine Feinde getötet hat.


Priesterin:

Nicht du. Akzeptiere einige unserer Worte.


Torsten Schwanke:

Sag es mir. Deine Worte haben mir immer gut getan.


Priesterin:

Siehst du diesen Korb in meinen Armen?


Torsten Schwanke:

Ja, ich sehe einen alten Korb, der mit Wollbändern zusammengebunden ist.


Priesterin:

Ich habe dich in diesem Korb gefunden. Du warst ein neugeborenes Baby.


Torsten Schwanke:

Was? Das hast du mir noch nie erzählt!


Priesterin:

Ich habe es bis jetzt geheim gehalten.


Torsten Schwanke:

Wie konntest du die Tatsache, dass du mich gefunden hast, so lange geheim halten?


Priesterin:

Gott wollte, dass du ihm im Tempel dienst.


Torsten Schwanke:

Will er mich nicht mehr? Wie kann ich mir dessen sicher sein?


Priesterin:

Nachdem er dir nun gezeigt hat, wer dein Vater ist, schickt er dich weg.


Torsten Schwanke:

Hast du das geheim gehalten, weil er es dir befohlen hatte, oder was?


Priesterin:

Vom ersten Moment an, als Jesus es mir in den Sinn brachte ...


Torsten Schwanke:

Was tun? Komm schon, beende diese Geschichte!


Priesterin:

Um meine Erkenntnisse für mich zu behalten


Torsten Schwanke:

Welchen Nutzen oder Schaden wird dieses Geheimnis für mich mit sich bringen?


Priesterin:

Hier drin habe ich die Babykleidung versteckt, die du getragen hast, als ich dich gefunden habe.


Torsten Schwanke:

Kann ich meine Mutter mit diesen Klamotten finden?


Priesterin:

Gott möchte, dass es jetzt geschieht, also wirst du es auch tun. Natürlich konnte man das vorher nicht.


Torsten Schwanke:

Oh, was für wundervolle Zeichen ich heute sehe!


Priesterin:

Nimm diese jetzt und suche nach deiner Mutter.


(Sie gibt ihm die Wiege)


Torsten Schwanke:

Ja, ich werde ganz Europa und Asien von einem Ende bis zum anderen durchsuchen.


Priesterin:

Das musst du entscheiden. Ich war es, die dich, mein Sohn, nach Jesu Willen großgezogen hat. Jetzt gebe ich dir diese Dinge zurück. Gott erlaubte mir, sie zu nehmen und zu verstecken. Warum wollte er das so? Ich habe keine Ahnung, und kein anderer Sterblicher weiß, dass ich sie hatte oder wo ich sie versteckt hatte. Also lass mich dich jetzt küssen, wie eine echte Mutter ihren Sohn küsst. Beginne jetzt mit der Suche nach deiner echten Mutter, wo immer du denkst, dass sie sein könnte. Sieh zunächst nach, ob es nicht eine der Jungfrauen war, die dich zur Welt brachte und dich dann hier in unserem Tempel zurückließ. Oder vielleicht eine ausländische Frau. Jetzt weißt du alles, was wir und Gott, der sich um dich gekümmert hat, wissen.


(Sie geht zum Eingang des Tempels und bleibt dort stehen.)


Torsten Schwanke:

Tränen füllen meine Augen, wenn ich an die arme Frau denke, die mich in heimlicher Liebe geboren hat. Sie warf mich heimlich beiseite und drückte mich nie an ihre Brust, und so lebte ich namenlos, wie ein Sklave im Hause Gottes. Gott ist gütig, aber mein Schicksal ist schwer. Mir fehlten die Arme meiner Mutter, die Milch ihrer Brust und die Freude der Jugend. Arme Mutter, auch weil ihr das gleiche schwere Schicksal widerfuhr, weil ihr die Freude an ihrem Kind fehlte. Jetzt werde ich diese Wiege Gott anbieten und ihn bitten, mich nicht Dinge finden zu lassen, die ich nicht will, denn wenn meine Mutter eine Sklavin ist, wäre es besser, darüber zu schweigen, als sie zu finden.


(er wendet sich dem Tempel zu)


O Jesus, ich bringe zu deinem Tempel...


(Plötzlich bleibt er stehen.)


Was tue ich? Widerspreche ich den weisen Wünschen Gottes? Er hat all diese guten Zeichen aus dem Leben meiner Mutter gerettet und ich widme sie ihm zurück? Nein, ich muss es wagen, diese Bänder zu lösen und zu sehen, was mein unausweichliches Schicksal ist. Ihr, heilige Bänder und Decken, was habt Ihr für mich versteckt?


(Er sucht in der Wiege)


Schau dir das an! Der Bezug der Wiege ist wie durch ein Wunder noch neu. In all den Jahren hat Schimmel das Gewebe überhaupt nicht berührt.


(Er ist dabei, den Inhalt herauszubringen. Doris Schwanke ist schockiert über das, was sie sieht.)


Doris Schwanke:

Welche Vision sehe ich vor mir?


Torsten Schwanke:

Sei ruhig! Ich habe schon genug unter dir gelitten!


Doris Schwanke:

Ich? Ruhig sein? Wie kann ich? Du kannst mir nicht böse sein, denn ich sehe dort genau die Wiege, in der ich dich als neugeborenes Baby ausgesetzt habe, meinen Sohn. In den Höhlen bei den Langen Felsen. Hier! Ich verlasse den Altar, auch wenn es meinen Tod bedeutet!


(Sie beeilt sich, Torsten Schwanke zu umarmen und ihm die Wiege zu entziehen. Beides gelingt ihr.)


Torsten Schwanke:

Ergreift diese verrückte Frau! Sie sprang vom Altar und der Statue weg. Fesselt ihr die Hände!


(Einige von Torsten Schwankes Männern ergreifen sie, aber sie festigt ihren Griff um Altar und Statue)


Doris Schwanke:

Töte mich, wenn du willst, aber du wirst damit nichts erreichen. Ich habe die Wiege und was darin ist.


Torsten Schwanke:

Was ist das für ein schrecklicher Trick? Sie denkt, sie besitze mich!


Doris Schwanke:

Nein, ich habe meinen liebsten Freund gefunden.


Torsten Schwanke:

Mich? Deinen liebsten Freund? Du wolltest mich heimlich ermorden!


Doris Schwanke:

Ja, den liebsten Freund, meinen Sohn, denn ein Sohn ist der liebste Freund einer Mutter.


Torsten Schwanke:

Genug von deinen Plänen. Jetzt habe ich dich sicher erwischt.


Doris Schwanke:

Genau das wünsche ich mir, mein Sohn, von dir gefangen zu werden, das ist es, was ich will. 


Torsten Schwanke:

Ich frage mich, ob diese Wiege leer ist oder ob sie wirklich etwas enthält.


Doris Schwanke:

Hier sind die Kleider, die du getragen hast, als ich dich an jenem Tag verlassen habe.


Torsten Schwanke:

Kannst du mir also, ohne hinzusehen, einzeln sagen, was sie sind?


Doris Schwanke:

Natürlich kann ich das, und wenn ich es nicht kann, möge ich sterben!


Torsten Schwanke:

Dann sprich! Es ist wirklich etwas Seltsames an deinem Mut.


Doris Schwanke:

Da ist der Stoff, den ich als junges Mädchen gewebt habe.


(Torsten Schwanke schaut in die Wiege)


Torsten Schwanke:

Wie sieht er aus? Junge Mädchen weben viele Stoffe.


Doris Schwanke:

Sagen wir mal, es ist eine unvollendete Leistung meines Schiffchens.


(Er enthüllt das Tuch)


Torsten Schwanke:

Wie ist sein Design? Mit dieser Beschreibung kannst du mich nicht täuschen.


Doris Schwanke:

In der Mitte des Tuches befindet sich das Bild einer Fratze.


(Torsten Schwanke ist schockiert über die Genauigkeit der Beschreibung)


Torsten Schwanke:

Gott! Welches wütende Schicksal verfolgt mich jetzt?


Doris Schwanke:

Und am Rand des Schildes sind Schlangen.


Torsten Schwanke:

Gott! Hier ist es! Das ist genau das Tuch! Ich habe meine Babykleidung gefunden!


Doris Schwanke:

Ah, der Stoff, den ich gewebt habe, als ich ein junges Mädchen war.


Torsten Schwanke:

Ist da noch ein anderes Bild drauf oder ist das alles, was man davon sagen kann?


Doris Schwanke:

Etwas Altes. Zwei Drachen mit goldenen Zähnen. Marias Geschenk an meine Familie. Sie bat uns, Kinder in dieser Kleidung großzuziehen, so wie es der alte Dirk tat.


(Er holt eine kleine Halskette heraus.)


Torsten Schwanke:

Und dieses goldene Ornament? Wofür ist das?


Doris Schwanke:

Wenn es diese Girlande ist, dann ist es die, die ich an diesem Tag für dich gemacht habe. Ich habe sie aus einem Olivenbaum gemacht, den die Göttin Maria auf den Felsen gebracht hat, einem Baum, der immer grün ist und immer wächst.


(Torsten Schwanke ist sich nun sicher, dass Doris Schwanke seine Mutter ist, und umarmt sie nun. Er streichelt ihr liebevoll die Wangen.)


Torsten Schwanke:

Meine liebste Mutter! Was für eine Freude ist es, dich zu sehen und deine Wangen zu streicheln!


Doris Schwanke:

Mein Sohn! Du bist ein helleres Licht als die Sonne. Du zeigst auf den Tempel: Ich bin sicher, Gott wird mir verzeihen, dass ich das gesagt habe. Endlich halte ich dich in meinen Armen. Das ist eine Hoffnung, die ich immer hatte, aber nie gedacht hätte, dass sie in Erfüllung gehen würde. Ich dachte, du wärst tot, in den Hallen unter der Erde bei Lilith.


Torsten Schwanke:

Ich bin jetzt in deinen Armen, Mutter. Ein toter Mann, jetzt lebendig.


Doris Schwanke:

O, brillanter, sich ausdehnender Vater Äther! Was soll ich zu dir rufen? Woher kommt diese Freude? Das ist eine Freude, auf die ich nie hätte hoffen können. Welcher Gott schenkt mir dieses überwältigende Glück?


Torsten Schwanke:

Mutter, ich hätte denken können, dass alles möglich ist, aber nicht dass ich dein Sohn bin!


Doris Schwanke:

Ich zittere immer noch vor Angst!


Torsten Schwanke:

Fürchtest du, dass ich, obwohl ich in deinen Armen liege, nicht dein Sohn bin?


Doris Schwanke:

So viele Jahre sind ohne Hoffnung vergangen!


(Folgendes an die Priesterin weiterleiten:)


Wer hat dieses Kind in deine Arme gebracht? Wessen Hände führten ihn zu Jesu Tempel?


Torsten Schwanke:

Es war Gottes Werk, aber von nun an werden wir unser Glück genauso genießen, wie wir zuvor unser Elend ertragen haben.


Doris Schwanke:

Mein Sohn, deine Geburt verlief nicht ohne Tränen. Du wurdest unter großem Schmerz von mir getrennt, aber jetzt, wo mein Atem deine süßen Wangen berührt, genieße ich das gesegnete Glück.


Torsten Schwanke:

Mutter, obwohl du über dich selbst sprichst, verwendest du meine Worte.


Doris Schwanke:

Ich bin nicht mehr kinderlos und auch nicht unfruchtbar. Unser Haus wird größer, unser Land hat jetzt einen König, und Dirk ist wieder jung!


Torsten Schwanke:

Mutter, mein Vater sollte an dieser Freude teilhaben, die ich dir bereitet habe.


Doris Schwanke:

Was sagst du, Kind? Oh nein! Jetzt werde ich bloßgestellt und blamiert!


Torsten Schwanke:

Was war das? Warum?


Doris Schwanke:

Dein Vater ist nicht der, für den du ihn hältst.


Torsten Schwanke:

O, nein! Bin ich ein Bastard? Hast du mich zur Welt gebracht, als du ein junges, unverheiratetes Mädchen warst?


Doris Schwanke:

Mein Sohn, weder Fackeln noch Tänze begleiteten das Bett, das dich zu deiner Geburt brachte.


Torsten Schwanke:

Also... ich komme aus einer bescheidenen Familie? Welcher, Mutter?


Doris Schwanke:

Der Schrecken der Dämonen, die Göttin Maria kennt es!


Torsten Schwanke:

Was? Was meinst du damit, Mutter?


Doris Schwanke:

Die Göttin Maria, die in den Olivenhainen des Felsens lebt...


Torsten Schwanke:

Mutter, deine Worte sind nicht klar. Sie sind ziemlich rätselhaft.


Doris Schwanke:

Jesus… in der Höhle… in der Höhle, wo die Nachtigallen singen…


Torsten Schwanke:

Jesus? Jesus? Warum ihn erwähnen?


Doris Schwanke: 

Ich erwähne ihn, weil er bei mir war... im Verborgenen...


Torsten Schwanke:

Mach weiter, Mutter. Was du sagst, erfüllt mein Herz mit Freude.


Doris Schwanke:

und als der neunte Monat zu Ende ging, habe ich dich geboren, Jesu Sohn… im Geheimen…


Torsten Schwanke:

Oh, was für süße Worte, wenn sie wahr sind!


Doris Schwanke:

...und wie eine Mutter habe ich dich in diese Babykleidung gekleidet, die Arbeit eines jungen Mädchens, die Fehler eines Schiffchens, das ich früher hatte... und ich habe dich nicht an meine Brust gelegt, um dich zu säugen, noch dich mit meinen eigenen Händen zu baden, aber ich habe dich in einer Höhle zurückgelassen, damit du in den Krallen der Greifvögel sterben und sie sich an dir weiden könnten.


Torsten Schwanke:

Mutter! Was für eine schreckliche Sache du getan hast!


Doris Schwanke:

Meine Angst und nicht mein Wille hat mich dazu gebracht!


Torsten Schwanke:

Ah, aber ich auch! Wollte ich dich nicht auch töten?


Doris Schwanke:

Ja, hart war unser Schicksal damals, und hart ist es auch heute. Wir schwanken ständig von Freude zu Elend, und der Wind ändert sich für immer. Aber genug der Strapazen der Vergangenheit! Sie alle enden hier! Jetzt, mein Sohn, spüre ich, dass ein hilfreicher Wind gekommen ist und uns aus der Katastrophe gerettet hat!


Chor:

Lasst niemanden denken, dass das Schicksal seine Richtung nicht ändern wird, wenn die richtige Zeit gekommen ist!


Torsten Schwanke:

(betet)

O Schicksal! Du, die du ständig das Glück der Sterblichen veränderst! Du schenkst uns in einer Minute Kummer und in der nächsten Freude. Bis zu welcher Grenze meines Glücks habe ich versucht, meine Mutter zu töten und dabei ungerechtfertigt zu leiden? Kann ein Sterblicher solche Ereignisse innerhalb eines Tages beobachten? - - Mutter, als ich dich gefunden habe, habe ich die süßeste Entdeckung gemacht; und deine Abstammung macht mir keine Schande.


(Er führt sie ein wenig vom Rest der Menge weg)


Komm mit mir, Mutter. Ich muss dir viele Dinge erzählen, geheime Dinge, nur für deine Ohren. Damit sie von der Dunkelheit der Stille bedeckt werden. Schau her, Mutter! Könnte es sein, dass du den Fehler jener jungen Jungfrauen erlitten hast, die unerlaubte Liebe betreiben und dann die Schuld auf Gott schieben? Liegt das daran, dass du dieser Schande entfliehen willst, wenn du mir erzählst, ich sei Jesu Sohn, aber in Wirklichkeit ist mein Vater nur ein normaler Sterblicher?


Doris Schwanke:

Ich schwöre bei Maria, der triumphierenden Göttin, die einst Gott mit ihrem Streitwagen im Kampf gegen die Dämonen half. Dein Vater ist kein Sterblicher, mein Sohn. Es ist der Herr Jesus Christus, der dich all die Jahre großgezogen hat.


Torsten Schwanke:

Warum gab er dann seinen Sohn einem anderen Mann weg? Warum sagte er, ich sei Eberhard Schwankes Sohn? 


Doris Schwanke:

Das hat er nicht gesagt. Er hat dich nur Eberhard Schwanke gegeben, so wie jedermann seinen Sohn einem anderen als Erben seines Eigentums geben würde.


Torsten Schwanke:

Hat Gott die Wahrheit gesagt oder waren seine Prophezeiungen nur Lügen? Allein diese Frage beschäftigt mich, Mutter.


Doris Schwanke:

Hör zu, was ich gerade gedacht habe, mein Sohn: Gott tut dir einen enormen Gefallen, indem er dich in ein Adelshaus bringt. Wenn sich herausstellte, dass du der Sohn Gottes bist, würdest du niemals unsere Türme und den Namen unserer Familie erben. Wie könntest du, da ich nicht nur den illegalen Sex geheim gehalten hatte, sondern auch versuchte, dich zu töten? Deshalb gab er dich zu deinem eigenen Besten einem anderen Vater.


Torsten Schwanke:

(beiseite)

Ich akzeptiere das alles nicht so einfach. Ich gehe in den Tempel und frage Gott selbst. Ist er mein Vater oder ist er nicht, und ist mein Vater ein Sterblicher?


(Er geht zum Tempel, wird aber von der Göttin Maria (oder ihrer Vision) am höchsten Punkt der Bühne (dem Theologeion) aufgehalten.)


Ah! Schau dort nach oben! Welche Göttin ist das? Ihr Gesicht ist wie eine Flamme im Sonnenlicht. Mutter, lass uns gehen! Wir sollten nicht auf die Todesengel schauen, es sei denn, die Zeit ist reif.


Maria:

Geh nicht! Ich bin nicht als Feindin zu dir gekommen. Ich bin hier deine Beschützerin und werde in Berlin sein. Ich komme aus einem Land, das meinen Namen trägt. Ich bin die Jungfrau Maria und wurde von Jesus hierher geschickt. Er hielt es nicht für angemessen, vor euren Augen zu stehen, für den Fall, dass irgendein Vorwurf zwischen euch stehen sollte. Also schickte er mich, um seine eigenen Worte auszusprechen: Sie war es, die dich geboren hat, und Jesus ist dein Vater. Er hat dich dem Eberhard Schwanke gegeben, nicht als sein Sohn, sondern damit du in das Haus eines Reichen eingehen kannst. Aber als das alles ans Licht kam und er befürchtete, dass deine Mutter dich und du sie töten würde, beschützte er dich auf andere Weise. Gott wollte das alles geheim halten und in Berlin verkünden, dass Doris Schwanke deine Mutter und Jesus dein Vater ist. Und zum Abschluss meiner Botschaft wünsche ich Ihnen, dass du dir die Orakel anhörst, die du hier empfangen hast, und den Grund, warum ich meinen Triumphwagen angespannt habe. Doris Schwanke, nimm jetzt deinen Sohn und gehe ins deutsche Land, Berlin, und setze ihn auf den Thron. Da er aus dem Hause Dirks stammt, hat er das Recht, in seinem eigenen Land zu herrschen und in ganz Deutschland Ruhm zu erlangen. Er wird fünf Söhne haben, geboren aus einem einzigen Stamm, die den vier Stämmen, die auf meinem Felsen leben, ihre Namen geben werden. Von Eberhard Schwanke wird Doris Schwanke einen Sohn namens Stefan gebären und aus ihm wird die glorreiche Stadt Stephanus hervorgehen. Jesus hat in all dem gut gehandelt. Erstens hat er dir eine schmerzlose Geburt beschert, die du vor jedem verheimlichen konntest. Dann, nachdem du das Neugeborene in seine Babykleidung gesteckt hattest, schickte er Sankt Michael, um es hierher zu bringen und es großzuziehen, damit das Baby nicht sterben würde. Und jetzt sag niemandem, dass er Gottes Sohn ist, damit Eberhard Schwanke ihn als seinen eigenen Sohn annehmen kann. Was dich betrifft, Doris Schwanke, nimm den Segen, der dir gehört, und lebe wohl. Ich verspreche dir, dass deine Sorgen und deine Kümmernisse von nun an ein Ende haben.


Torsten Schwanke:

O Tochter des Herrn Jehova, Jungfrau Maria! Ich glaube deinen Worten, und jetzt besonders, da ich der Sohn von Jesus und dieser Dame hier bin, etwas, woran ich auch früher geglaubt habe.


Doris Schwanke:

Und jetzt hör mir auch zu: Ich preise jetzt Jesus, dem ich zuvor Vorwürfe gemacht habe, weil ich dachte, er hätte das Kind vergessen, das er mir geschenkt hatte. Ich umarme jetzt liebevoll die Tore und den Schrein, die ich einst gehasst habe, und segne sie.


Maria:

Und ich segne dich dafür, dass du deine Meinung über Gott geändert hast. Engel kommen immer spät, aber am Ende sind sie gerecht.


Doris Schwanke:

Mein Sohn, lass uns nach Hause gehen.


Maria:

Ja, tut es und ich werde mit euch sein.


Torsten Schwanke:

Ja, geliebte Göttin Maria, du wirst meine große Beschützerin sein.


Doris Schwanke:

Und eine Beschützerin des deutschen Landes.


Chor:

Lebe wohl, Jesus, Sohn von Gott und Maria. Diejenigen, die ein unruhiges Haus haben, sollten den Heiligen Respekt entgegenbringen und ihnen vertrauen, denn am Ende werden sie belohnt, jeder nach seinem eigenen Wert. Was diejenigen betrifft, die als böse geboren sind, werden niemals glücklich werden.