NEBUKADNEZAR


von Torsten Schwanke



ERSTER GESANG


Nebukadnézar, der Erste, der Kaiser der mächtigen Chaldäer,

Sohn des Nabopolássar, der einst von Sarakos Gnaden

Führer ward in dem Heer der gewaltigen Assyrerkönige,

Nimmt sich das Reich in Besitz, da Sarakos Leben verloschen.

Einundzwanzig Jahre regiert er die Länder Chaldäas.

Astyágēs zugleich, des Kyaxáres leiblicher Erbe,

Ward zum Statthalter von Mederland durch seines Vaters

Willen gemacht, und zum Bund der Familie trat er

Ein mit dem Haus Babylons: Er gab seine Tochter Amytis

Nebukadnézar, dem Sohn des Nabopolássar, zur Gattin.

So vereint in der Macht, zogen sie gegen Niniveh weiter,

Stürzten Sarakos Thron und setzten dem Reich einen Statthalt’r.


Kaum war das Bündnis gefestigt, da regte sich Aufruhr im Westen.

Denn der Statthalter von Phönizien, Herr von Kelo-Syrien,

Wagte den Aufstand und rief seinen Sohn ihm zur Seite:

Nebukadnézar, den er zuvor mit dem Vater verbündet,

Schickte er aus mit gewaltiger Macht gegen Babylons König.

Dies geschah in der Zeit, da Jojakím herrschte in Juda,

Ende des dritten, Beginn des vierten Regierungsjahres,

Wie der Prophet Daniel schreibt und Jeremia bezeuget.


Doch noch lebte der König, Nabopolássar, in Ehren,

Als sich der junge Prinz Nebukadnézar rüstete tapfer

Zu der ersten Tat, die dem Seher Jeremia erschien:

Nämlich Ägyptens Fall durch den König der neuen Gewalten.

Erst am Strom Euphrat schlug er die Völker des Pharao nieder,

Später dann auch im Land, wo die Nilflut die Äcker umspült.

Jene erste Schlacht schlug er im vierten Jahr Jojakíms

Gegen Nĕchōs Heer, das bei Karkemisch stand in den Feldern.

Später, nach Tyrus’ Fall, im siebzehnten Jahr der Gefangenschaft

Jechonías, schlug er erneut am Gestade des Stromes,

Wie es der Seher Hesekiel schrieb in seinem Berichte.


Im dritten Jahre der Herrschaft Jojakíms zog er gen Süden,

Nebukadnézar, des Königs Sohn, mit mächtigem Heere,

Während der Vater noch lebte, und kam nach Juda,

Legte Jerusalem ringsum mit Schanzen und Wällen in Fesseln.

Schnell eroberte er’s und zwang den König zum Vasallen,

Jojakím, der zuvor durch Pharao Necho erhoben,

Ward nun Knecht des Chaldäers, der ihm den Schwur abverlangte.

Aus dem Tempel nahm er Schätze, doch nicht in der Fülle,

Denn noch eilte Necho heran mit seinem Heere zur Hilfe,

Hoffend, dem König von Juda zu helfen im Kampf um die Freiheit.


Doch Nebukadnézar, klug und besonnen im Raten,

Scheute den offenen Krieg mit Ägyptens erprobten Legionen,

Denn ihm war Juda verhasst und das Land ein verwünschter Gefilde,

Bergig und heiß, ihm fremd und fern seinen Stätten der Stärke.

Rückzug nahm er daher, wohl wissend: Die Zeit wird ihm dienen.

Hatte er doch Reiterschwärme aus skythischen Reichen bei sich,

Doch war die Heimat weit – er gedachte der sicher’n Zuflucht.

Wie es das Schicksal so fügte, geschah zu derselben Stunde

Seines Vaters Tod: So rief ihn das Reich, das sein Erbe geworden.


Nebukadnézar kehrte zurück, um das Erbe zu nehmen,

Setzte sich fest in Babels Palast, als König gekrönet,

Eh er erneut das Feld mit entschlossener Kraft nun betrat.

Denn die Ägypter, noch voller Groll über frühere Schmach,

Rüsteten sich zum Zug, um erneut ihm das Land zu entreißen.

Doch als das neue Jahr kam, das vierte des Königs Jojakím

Und das erste, da Nebukadnézar herrschte als Kaiser,

Letztes zugleich für Necho, den König am Nil in Ägypten,

Stellten die Truppen sich bei den Ufern des mächtigen Stromes,

Dort, wo der Euphrat fließt durch Syriens flimmernde Weite.


Necho kam an mit seinem Heer, doch Babels Soldaten

Waren bereit – es entbrannte ein grausamer Kampf zwischen beiden.

Heer auf Heer stürzte sich vor, in dem Donnern der Wagen,

Schlachtenlärm hallte rings durch das Tal, wo der Strom sich ergießt.

Endlich fiel Necho, erschlagen vom stürmenden Mut der Chaldäer.

Sein Geschwader zerfiel, die Soldaten wichen in Hast,

Retteten, was noch blieb, in fliehenden Zügen gen Süden,

Viele jedoch ließ der Tod auf dem blutigen Felde zurück.


Nebukadnézar, von Sieg und vom Sturm seiner Waffen getragen,

Nahm sich das ganze Gebiet, das die Ägypter besessen

Jenseits der eigenen Grenzen, im nördlichen Syrienlande.

So war das Land nun befreit von Ägyptens herrischer Fessel.

Doch in Juda verhielt sich Jojakím still und verborgen,

Tat, als sei er dem Sieger gewogen, im Innern jedoch

Hing sein Herz noch immer an Ägyptens gescheiterten Träumen.

Denn er hatte, obgleich er den Bund mit Babel geschlossen,

Nie ganz gelöst sich von jenen, die einst ihn erhöhten.

Doch Nebukadnézar, gesättigt vom Ruhm seiner Siege,

Zog sich zurück, verlangte kein schweres Tribut von den Juden,

Denn es genügte ihm, Ruhm und Gewinn dort leicht zu gewinnen.


Doch der verräterisch kühle Betrug des judäischen Königs

Warf schon bald dunkle Schatten auf beide, die zögernden Herzen.

Denn in Ägypten war Nechos Nachfolger zum Denken gekommen:

Psamnis, der König, sann auf den alten Plan der Erhebung.

Joahas, der einst von Necho nach Memphis entführt ward,

Wollt’ er erneut ins Spiel bringen, als Widersacher dem Bruder.

Doch Jojakím, erfahren im Rat seiner Väter,

Sah die Gefahr und wählte das Mittel der alten Könige Judas:

Machte den Sohn Jechonía, achtjährig, zum Mitregenten

Schon im zweiten Jahr seines eigenen thronenden Wirkens.


Denn wie das Volk zu raunen begann von der Rückkehr des Joahas,

Sprach der Prophet Jeremia, vom Geist Gottes geleitet:

Nicht wird er heimkehren mehr in dies Land seiner Väter.

Wo er gefangen ward, dort wird er sterben in Ferne,

Nicht wird sein Auge das Land mehr schauen, das ihm einst gehörte.“

So geschah’s, wie der Seher geweissagt in göttlicher Klarheit:

Joahas blieb in Ägypten, verloren der Heimat auf ewig.

Jojakím aber herrschte noch Jahre in trügerischem Frieden,

Bis auch ihn der Zorn des Himmels und Babels Rache ereilte.


Nicht mehr ragte das Schwert der Ägypter in glühender Stärke:

Denn sie verloren das Heer der bezahlten, fremdländischen Kämpfer,

Und bei Karkemisch litten sie jenen verhängnisvollen Zusammenstoß.

Gold blieb übrig, doch keine Klinge, die Schrecken verbreitete;

Denn ohne Hilfe der andern ist Gold nur schwacher Gefährte.

Nicht wie einst war Nechos Tapferkeit wiedergeboren

In Psamnis Apries, der nach dem Zorne des Vaters

Einmal wähnte, in Syrien keck sich zeigen zu dürfen.

Doch kaum warf er den Blick in das Land, da floh er voll Freude,

Denn er war glücklich, entkommen zu sein der Gefahr einer Schlacht.

Darum kämpfte das sinkende Volk nur mit Worten der Kühnheit,

Prahlerisch rühmten sie Taten von einst – so sprechen die Müßigen,

Die, nichts wagend, sich schmücken mit Glanz von gestorbenem Ruhme,

Mit Josias und Joahas kämpften sie einst – doch das war gewesen.


In solcher Zeit und bei solcher Gelegenheit schien es dem König

Jojakim leicht, zu gefallen und Gunst sich zu sichern den Ägyptern.

Freundlich zeigte er Treue, wie später das Handeln bewies.


Nebukadnezar jedoch schritt tatkräftiger weiter:

Denn er sandte Befehl, der Jojakim drängte zur Eile,

Nicht sich zu zieren mit Worten, vielmehr sich zu beugen dem König,

Ihn zu erkennen als Herrn und Tribut ihm pflichtig zu leisten.

Dazu kamen die Drohungen, schrecklich, wie niemals vernommen –

Da vergaß bald der Judäer die Hoffnung auf Pharaos Hilfe

Und tat, was der Mächtige wollte, gezwungen vom Schicksal.


So war Jojakim drei Jahre lang gehorsam dem Herrscher.

Während dieser Zeit rief Jeremia, der Prophet, aus

Wider die Schuld des Volkes mit unermüdlicher Mahnung.

Dreiundzwanzig Jahre schon hatte er Buße gepredigt;

Doch das Volk hatte verstopft seine Ohren dem Wort Gottes.

Darum verkündete er, zusammen mit anderen Sehern,

Dass das Joch der Gefangenschaft nahe, der Knechtschaft der Fremden,

Und siebzig Jahre lang sollte dies schwere Joch sie bedrücken.

Gleiches drohte er auch allen Völkern der Nachbarschaft an:

Ägypten, Moab und Ammon, auch Edom mit seinen Gefilden,

Und die übrigen Stämme – sie alle sollten vom Kelch

Babylons trinken, den Zornwein des Herrn in tiefen Zügen.

Und nach den Jahren der Knechtschaft, so sprach er, werde der Kelch

Auch die Babylonier treffen, durch Meder und Perser vernichtet.

Dann erst werde das Volk der Juden heimkehren ins Land,

Wieder errichten die Städte, die heil’ge Stätte Jerusalem.


Jenes erste Gefängnis Jeremias fiel in das vierte

Jahr Jojakims; da schrieb Baruch, des Sehers Gefährte,

Alles, was jener gesprochen, mit sorgsamer Hand auf die Rolle,

Die er verlas dem Volk, gesandt von des Propheten Munde.

Bald gelangte die Schrift auch vor die Fürsten des Hofes,

Und sie wagten, sie dem König zu zeigen, doch zitterten alle.

Darum ließen sie Baruch und Jeremia entweichen,

Und sie verbargen sich beide im Schutz der göttlichen Obhut.


Als man dem König das Buch verlas und die Worte des Unheils,

Nahm er es, schnitt es in Stücke und warf es voll Zorn in das Feuer.

Doch Jeremia schrieb es erneut mit dem gleichen Inhalt –

Und mit dem Zusatz: Der Leib des Königs, Jojakim, werde

Ohne Begräbnis verworfen, von Hitze und Frost überfallen.

Keiner von seinen Nachkommen solle auf Davids Thron herrschen.


Zeit verging, und der König schien sicher trotz aller Gefahren,

Denn er bezahlte den Tribut, und die Ägypter schwiegen.

Doch zu der Zeit erhob sich die mächtige Stadt, das getürmte

Tyrus, voll Stolz, und verachtete alle Belagerung.

Siebzig Jahre der Träne waren vom Himmel verhängt –

Für Jerusalem, Tyrus, die Völker, die Städte des Landes.

Drum, wer das neunzehnte Jahr Nebukadnezars

Als das Jahr der Einnahme nennt, der hat guten Grund und Beweise;

Denn im siebten begann er die Stadt mit Gewalt zu belagern,

Und dreizehn Jahre vergingen im harten Ring dieser Umklammerung.


Hier ist’s recht, noch etwas zu sagen vom Anfang des Herrschers:

Drittes Jahr war es, da endete Nabulsser, der Vater,

Sorglos nun, schickte er seinen Sohn in das syrische Land,

Weil der Pharao dort sich wider ihn aufgelehnt hatte.

Nebukadnezar siegte – und Daniel kam nach Babel,

Wie er selbst schreibt im Buche (Daniel, Kapitel das erste).

Und das vierte Jahr Jojakims ward das erste des Königs,

Nebukadnezar genannt – so steht es im Buche Jeremia.

Von da rechnen wir alle Zeit und Taten des Fürsten.

Im dreiundzwanzigsten Jahre fiel Ägypten ihm völlig,

Denn kein Feind mehr wagte den Aufstand gegen den Mächtigen.

Und in dem zweiten danach sah Daniel das Bild in Visionen,

Aus vier Metallen gemacht – das Sinnbild der Weltreichefolge.


Doch nun zurück zu dem starren, belagerten Tyrus:

Im siebten Jahr des Königs begann die Umzingelung Tyrus’,

Und dreizehn Jahre vergingen in rastloser, zäher Belagerung.


Stattlich erhob sich Tyrus, die Stadt, auf insulischem Boden,

Ganz von dem festen Land durch das tiefere Meer abgetrennet.

Chaldäische Macht besaß nicht Schiffe noch seemännisch Können;

Doch waren die Tyrier kühn, geübt in der Kunst der Navigation,

Mehr als die Völker ringsumher: mit zahlreichen Schiffen,

Rüstig gebaut und gelenkt, durchfurchten sie wechselnde Strömung.

Jeder Wind, von woher er wehte, trug ihre Bedarfe

Sicher heran, und Nahrung und Güter ergossen sich ständig

In die beredte Stadt, die Welthauptstadt über den Wassern.

Weder durch Hunger noch Macht konnt’ je dieser Ort bezwungen

Werden; doch hatten Propheten des Herrn ihn verdammet und angeklagt,

Isaias, Jeremias, Ezechiel, Droher des Jüngsten,

Sprachen das Urteil, und Gottes Gerechtigkeit rief seine Rache.

Nebukadnezars Entschluss, durch göttliche Mahnung bekräftigt,

War, die prahlende Stadt mit gewaltiger Hand zu vernichten.


Nicht zu besiegen mit Waffen allein, noch durch Hunger zu bändigen,

War die Entscheidung gefällt, das Meer zu füllen mit Erde,

Welches die Insel bewahrte als schützende Festung im Wasser.

Tyrus, die alte, stand gegenüber dem neuen am Festland,

Und aus dem nahen Libanonwald mit den herrlichen Zedern,

Stolz und hoch in die Luft, mit reichlicher Fülle gesegnet,

Wurden die Bäume gefällt und gezogen zur künstlichen Dammung.

Dreizehn Jahre verrann in mühevollem Beginnen,

Ohne Gewinn, in der Arbeit, die hoffnungslos scheinen musste.

Später, da Alexander, der Sohn des blitzenden Zeus,

Kommend mit mächtiger Flott’, die begonnene Mauer ergänzte,

Dauerte selbst mit Gewalt, mit all seiner Kunst und Unterstützung,

Sieben Monate lang, bis er Tyrus’ Schutz überwunden.

Wenn schon das Meer mit tobender Flut dem Mazedonier

Täglich das Werk zerschlug, das kaum der Damm noch bedeckte,

Wie viel mehr konnte es rauben, was Nebukadnezar schuf,

Dessen Fundamente tief auf den Grund des Meeres gelegt waren –

Gleichsam begierig, den Bauch des gierigen Vogels zu füllen,

Während der Sohn Makedoniens kaum seine Kehle verstopfte.

Gott, dem Allmächtigen, wär’s ein leichtes gewesen, den Ort

Selbst zu zerstör’n, durch Wunder, durch Erdbeben oder Orkane;

Doch, wie so oft, will er durch Menschenhand das Gericht vollführen –

Selbst durch die Mühsal derer, die seinem Willen nicht dienen.

Also ward jenes Wort erfüllt, das Ezechiel kündet:

Jeder Haupt wird kahl, jede Schulter bloß und zerschunden.“

Doch Nebukadnezar ließ nicht ab, bis er die Stadt überwand.


Als er getrieben ward zu dem Werk, so trotzig und hoffnungslos schien es,

War’s wohl durch Rückschlag geschehen, Verluste, Verrat in den Reihen,

Oder durch Kunde, dass Ägyptens Stärke heranwuchs.

Böse Gemüter im Land, von Mutwillen, Hoffnung erfüllt,

Rührten zum Aufstand sich gegen des Königs gewaltige Ordnung.

Jojakim selber, der einst sich dem Joch unterworfen,

Wagte, in Treue zu brechen und andres Geschick zu erhoffen.

Doch Nebukadnezar, erbost, mit rascher Entscheidung,

Zog mit Teil seiner Macht durch Juda, das staunend erbebte.

Denn kein Widerstand ward ihm geboten: die Ägypter,

Die sich zuvor mit Schwüren verbanden, flohen wie Schatten.

Also betrat er Jerusalem, band seine Hände,

Jojakim, den König, den falschen, und hatte vor, ihn zu senden

Hin nach Babel; doch bald bereute des Königs Erbarmen

Jene Gnade, ließ ihn erschlagen und ließ ihm das Grab

Eines Esels, dass wilde Bestien ihn zerrissen,

Wie es der Spruch des Propheten zuvor verkündet in Zornesworten.

An seiner Statt ließ er zurück Jechonja, den Sohn,

Doch nicht lang – denn nach drei Monden und Tagen zehn

Setzt’ er ihn ab und verbannte ihn nach dem Osten,

Führte ihn weg nach Babel, mit Ezechiel und mit Mardochai,

Auch Josedek, den Hohenpriester, entriss er dem Lande.


Auch die Mutter Jechonjas, mit Dienern, Eunuchen und Meistern,

Die Besten des Landes, die kunstvollsten Hände in Juda,

Wurden gefesselt und fortgeführt mit dem jungen Regenten.

Dieser Jechonja jedoch, vom Geist Jeremias geleitet,

Widersetzte sich nicht, ergab sich dem König mit Demut,

Was vor Gott wohlgefiel, und selbst ihm dienlich gewesen,

Obwohl das Elend ihm bitter erschien und das Unglück gewichtig.

Diese Tat allein ward in der Schrift ihm zum Guten gerechnet –

Doch war auch er nicht rein, ein Teilhaber an seines Vaters

Sünden, wenn auch in Gnade gewillt, sich Gottes Urteil zu fügen.

Denn so steht's: Auch er tat, was dem Herrn missfiel,

Wie sein Vater vor ihm. Und Nebukadnezar erhob nun

Mattanja, den Onkel, zum König, und nannte ihn Zedekia.


Denn wie Necho, Ägyptens König, einst Joahas bannte,

Nachdem er Josias, des Königs Vater, erschlagen,

Und einen andern zum König bestimmt, den Jojakim nannte,

So kam nun auch der Chaldäer, schlug Jojakim nieder,

Dessen Hoffnung auf Ägypten gebaut, und entriss ihm das Reich.

Dann, nachdem Jechonja als Knecht nach Babel geführt ward,

Gab er das Reich Zedekia, Joahas Bruder, zum Lehen,

Und er verlangte von ihm einen Eid, zu bleiben in Treue.

Zedekia schwur und rief den lebendigen Gott als Zeugen,

Dass er dem König von Babel ergeben, untertan bliebe –

Chronika meldet dies, und auch Hesekiel bekräftigt’s.


Aber Zedekia, der Eidmann, vergaß bald den Schwur,

Welchen er rief bei dem Namen des ewigen, heiligen Gottes.

Frevelnd brach er das Wort, das er mit Lippen geschworen,

Trat mit Füßen den Schwur, der in des Höchsten Ohren erklungen.

Und er sandte Gesandte hinab zu Ägyptens Pharao,

Suchete Hilfe im Süden, verriet des Nordens Vertrauen.

Da zürnte der Herr, und sprach durch den Mund Ezechiels:

Wahrlich, lebt mein Name, den dieser Schwörer missachtet –

Nicht entkommt er dem Netz, das ich um ihn geworfen:

In Babel soll er sterben, am Hof, der ihn König gemacht hat.“


Und es erhob sich Babels König erneut mit Heeren.

Nebukadnezar zog heran, wie ein Sturmwind vom Osten,

Gegen das Volk, das den Eid missachtete, höhnte den Höchsten.

Judäa ward belagert, Jerusalem eingeschlossen,

Zehn Jahre lang in Not, in Hunger, Pest und Verzweiflung.

Die Mauern barsten, das Herz des Volkes erstarb in der Enge,

Der Tempel erbebte, der einst von Salomo stiftlich geweiht ward.

Und der Altar des Herrn ward entweiht, das Gold ward geraubet,

Die heiligen Geräte entführt in chaldäische Kammern.

Die Priester wurden geschlagen, die Sänger verstummten in Asche,

Die Bundeslade verschwunden, das Licht aus dem Allerheiligsten.


Zedekia floh bei Nacht, durch dunkle Gärten entkommen,

Doch die Chaldäer verfolgten ihn rasch und fassten ihn bald.

Vor Nebukadnezars Thron ward er gestellt, gefesselt,

Und zur Strafe für Treubruch ließ man ihm nehmen das Augenlicht –

Doch nicht, bevor er den Tod seiner Söhne geschaut,

Die vor ihm geschlachtet, zur Qual vor den letzten Bildern des Lebens.

Dann ward er in Ketten nach Babel geführt, in Schande,

Und Juda lag am Boden, vernichtet, erniedrigt, verlassen.


So erfüllte sich, was Propheten mit Trauerruf klagten:

Isaias hatte gewarnt, Jeremia flehte um Gnade,

Doch das Volk hörte nicht, und das Gericht ging vollendet.

Jeder Kopf soll kahl sein, jede Schulter bloß“,

Sprach Ezechiel – und die Worte wurden zu Wunden,

Denn was der Herr verkündet, das bleibt, auch wenn’s langsam geschieht.


Im ersten Jahre des Zedekia, dem König von Juda,

Sah der Prophet Jeremia im Geiste zwei Feigen:

Eine war reif, von lieblichem Duft und guter Erscheinung,

Doch die andere war verdorben, faul und zum Essen

Nicht mehr geeignet, von Würmern zerfressen und düster.

Solches bedeutete dies: Die einen, gefangen gen Osten

Wurden geführt schon hinweg, bewahrt zum künftigen Leben;

Doch die Zurückgebliebenen, stolz in ihrer Verblendung,

Sollten verderben durch Hunger und Schwert und Seuchen der Straße.

(Jeremia neunundzwanzig, Vers siebzehn bezeuget dies deutlich.)


Und im vierten Jahr des Zedekia, sandte der Seher

Schriftlich das Wort, das Unheil Babylons kündete, nieder:

Alles das Übel, das fallen wird über das mächtige Babel,

Schrieb er in Buchrollen ein und übergab sie Seraja,

Der mit dem König zugleich nach Babel reisen sollte,

Wo er die Botschaft den Brüdern im Exil vorzutragen

Hatte – und danach, mit Stein an das Buch festgebunden,

Warfen sie’s nieder in Ströme des tiefen Euphrates Wassers,

Sprechend: „So sinkt auch Babel und wird sich nimmer erheben

Von dem Verderben, das Gott über sie verhängt mit dem Spruche.“


Diese Reise des Königs nach Babel galt wohl als Besuch nur,

Denn er erschien vor dem Thron des gewaltigen Herrschers Chaldäas,

Brachte ihm Gaben wohl dar – vielleicht auch Bitten und Bitten.

Doch man vermutet, dass Nebukadnezar, der König,

Nicht ihm gewährte, worum er bat in ehrfürcht’gem Flehen,

Und ihn ungnädig entließ; denn als er wiedergekommen,

Sandten die Fürsten ringsum von nahen Ländern Gesandte

Zu ihm, den König von Juda, gleichsam in heimlicher Hoffnung,

Jenen zu reizen zu Kampf und Bündnis gegen den Feindstaat.

Jeremia mahnte ihn ernst, doch Zedekia verachtete

Rat und Prophet. Da nahm der Gesalbte des Herrn sich ein Jochholz,

Trug es als Zeichen der Knechtschaft auf seinem Nacken zur Warnung,

Schickte durch Boten aus Edom, Moab, Ammon, Tyros und Zidon

Andere Joche zu jenen fünf fremdländischen Königen,

Die mit Gesandtschaften kamen zum Hofe Jerusalems.

Und er verkündete klar durch Gottes Macht und Befehle:

Wenn ihr euch willig beugt dem König von Babel, dem Herrscher,

Bleibet ihr Herren der Länder, des Erbes eurer Altväter.

Widersetzt ihr euch aber, so sollt ihr gewisslich verderben –

Durch das geschärfte Schwert, durch Hunger und tödliche Seuchen.“


Auch verkündete er, dass jene Gefäße des Tempels,

Die noch verblieben in Zion, einst nach Babel verschleppt würd’n,

Doch in der Zukunft, wenn Gnade sich neigte, zurückkehren sollten.


Doch in demselben Jahr trat auf der falsche Prophet,

Hananja, Sohn des Azur, im Tempel vor aller Gemeinde,

Nahm Jeremias das Joch vom Hals und zerbrach es in Stücken,

Rühmte mit prahlerisch Wort, in zwei Jahren würde der Höchste

Babel bezwingen und Jechonja und all seine Brüder

Heimführen samt den Gefäßen des goldenen Hauses des Tempels.

Doch Jeremia sprach nicht wie jener aus eigenem Dünkel,

Sondern im Auftrag des Herrn: Er trug statt des Jochs aus Holz nun

Eines aus Eisen zur Warnung und sagte voll göttlicher Klarheit,

Dass der Prophet Hananja ein Lügner sei und dem Volke

Trügerisch Hoffnung gemacht, weshalb er bald sterben werde.

Und so geschah’s: Im siebten Monat fiel er dem Tode zum Opfer.


Lange gespalten im Geist, von Glaube und Eigensinn schwankend,

Fasste Zedekia Mut im achten Jahre der Herrschaft,

Wagte den Aufstand erneut mit Nachbarn, die rings ihn umgaben:

Edom und Moab, Ammon und Tyrus, die Städte am Meere,

Hofften gemeinsam mit ihm auf Ägyptens gewaltige Hilfe,

Denn Pharao Hophra versprach, mit mächtigen Heeren zu kommen.

Darum entschloss sich der König, das drückende Joch der Chaldäer

Endlich zu brechen – doch Nebukadnezar vernahm diese Kunde,

Sammelte eilig sein Heer, und trotz der Kälte des Winters

Zog er mit Lanzen und Schilden heran nach dem Lande der Väter,

Lag vor der Stadt Jerusalem und umringte die Mauern.

Jeremia aber ermahnte den König: „Gib auf, sei ergeben!

Gib dich und öffne die Tore! Es wird nicht anders geschehen.

Schilo wird kommen, wie einst es Jakob gesprochen im Alter

(Genesis neunundvierzig, Vers zehn, kündet das Wort).“

Doch er verachtete diesen ernsten und heiligen Mahnruf,

Warfen den Seher ins Loch und schlossen ihn ein in der Tiefe.

Denn er verkündete klar, was kommen würde mit Sicherheit:

Dass die Stadt brennen werde in Feuer, dass keiner entrinne,

Dass auch der König selbst gefangen und elend gezogen,

Lebend, doch ohne zu sterben durch Schwert, nach Babel geführt sei,

Dort einst sterben solle in Ruhe, wenn alles vollendet.


Und das Jahr darauf wurde die Stadt umzingelt von Feinden.

Strenger als je zuvor wurde Belagerung nun vollzogen.

Pharao Hophra zog aus mit seinem Heer nach Judäa,

Kam um zu helfen dem König, den er selbst zum Widerstand trieb.

Doch Jeremia warnte das Volk: „Vertraut nicht auf Ägypten!

Sie werden scheitern und flieh’n, sie werden euch nicht erretten.“

So kam es auch: Als die Chaldäer sich wandten den Ägyptern entgegen,

Wichen die stolzen Verbündeten bald aus dem Staube des Krieges,

Nahmen zwar Gaza im Flug, doch kehrten dann heim in ihr Land,

Als ob schon genug gescheh’n – und ließen Jerusalem einsam,

Armselig, hungernd, verzweifelt zurück in den Händen des Feindes.


Jene, die einst in der Notzeit, als alles verloren erschien,

Hebräische Sklaven gemäß dem Gebot des Gesetzes entließen,

Ließen sie frei im Jubeljahr – auf dass sie zum Kampfe sich stärkten –

Reuten ihr Tun, als bald das Heer der Chaldäer verschwand,

Dachten, die drohende Gefahr sei gänzlich vorüber,

Hielten die Sklaven nun fest mit gewaltsamer Hand

Und zwangen sie wieder zurück in das alte Joch der Gefangenschaft.

Doch nicht lange verweilt das Verhängnis: die Feinde, erneut,

Kehrten zurück, um Jerusalem streng zu belagern.

Jeremia, Gottes Prophet, erhob in der Stadt seine Stimme.

Zedekia, der König, vernahm seinen Ruf zur Ergebung,

Denn der Prophet versprach: Wenn du dem König dich beugst,

Wirst du dein Leben bewahren, auch wird die Stadt dir erhalten.

Aber das Herz des Königs war hart, er verschloss seine Ohren,

Führte sein Volk in das Elend, das Gott ihm zum Strafgericht sandte –

Untreu, meineidig, und gänzlich dem Höchsten entfremdet.


Dreiundzwanzig Monate lang lag das chaldäische Heer dort,

Schloss die Stadt mit Gewalt, sie errichteten Türme und Wälle,

Sodass kein Mensch mehr hinaus- noch hineingelangen vermochte.

Josephus berichtet, wie hoch die Belagerungstürme emporragten,

Auf den Hügeln erbaut, sodass sie die Mauern durchschlugen,

Und mit gewaltigen Maschinen die Stadt zur Übergabe zwangen.

Zwar errichteten auch die Juden Verteidigungswerke,

Doch der gewaltige König Nebukadnezar vermochte

Alles zu stürzen mit Macht: denn Wälder und Flüsse

Standen ihm offen, er herrschte mit Zepter und Macht über alles.

Was die Belagerten bauten, zerstörte sein Heer schon am Tage.

Seine Geschütze, von außen geschützt, trafen das Herz der Befestigung.

Hunger und Seuchen begannen, die Menge im Innern zu töten,

Denn die Belag’rung verschloss alle Wege für Nahrung und Hilfe.

Als nun die Stärke und Zahl der Juden zu sinken begann,

Rissen die Feinde die Mauern, erzwangen den Einbruch mit Wucht,

Drangen ein durch das Tor und setzten sich mitten im Herzen

Jerusalems nieder als Herren und Fürsten des Sieges.


Zedekia, der König, erblickte das schreckliche Schauspiel,

Sah die Chaldäer im Tor und den Fall der Stadt vor sich liegen.

Mutlos, verlassen vom Trost, verließ ihn Hoffnung und Stärke.

Mitten in nächtlicher Stunde, begleitet von Frauen und Kindern,

Mit den Prinzen des Reichs und den Edlen, floh er in Eile

Durch ein verborgenes, unterirdisches Gangsystem fort.

So ließ er sein Volk, das ihm treu und doch ohne Führung,

Hinter den Mauern zurück, den Schwertern der Feinde preis.

Er, der den Rat Jeremias verschmähte, das Wort des Allmächtigen,

Der sich nicht neigte vor Gott noch vor Nebukadnezars Gewalt,

Ergriff nun das letzte und jämmerlichste aller der Mittel,

Das man ein schimpfliches, trauriges Zögern zu nennen gewohnt ist.


Durch das geheime Gewölbe entkam er ins düstere Dunkel,

Stahl sich bei Nacht durch die Wüste bis hin zu den Feldern von Jericho.

Doch seine Schar, sie war groß, und jeder nahm mit sich die Seinen –

Lieblinge, Frauen und Kinder, mit denen er teilte die Flucht.

Bald schon spürte die feindliche Reiterei ihre Bewegung,

Und die Getreuen des Königs, kaum sahen sie nahende Feinde,

Flohen, verstreuten sich eilend in alle Richtungen ringsum,

Retteten nur sich selbst, vergaßen des Königs Geschick.

Wen Gott verlassen hat, dem bleibt kein menschlicher Helfer.

So wurde Zedekia selbst, von den Dienern des Zorns Gottes,

Lebendig gefangen genommen, mitsamt seinen Kindern und Fürsten,

Führte man ihn nach Ribla, dem Ort in Nephthalims Weiten,

Zwischen Tyrus und heil’gem Jerusalem war er gelegen,

Denn an beiden zugleich hatte der König zu handeln gehabt.


Nebukadnezar, der König, war gegen ihn zornig entbrannt,

Führte ihm vor, was für Güte und Gnad’ er ihm einst erwiesen,

Wie er durch Treue und Eid so treulos und falsch ihn betrogen.

Da befahl er: Man töte die Kinder des Königs vor Augen,

Auch seine Fürsten und Freunde, die ihm zur Seite gestanden.

Dies war das Letzte, was Zedekia je auf Erden erblickte:

Denn man ergriff ihn sodann, und stach ihm die Augen aus beiden,

Führte den blinden, gefesselten König hinweg nach Babylon,

Wo er das Ende vollbrachte im Dunkel der ewigen Haftzeit.

So ward erfüllt, was einst durch Ezechiel Gott hatte gesprochen:

Führen will ich ihn fort nach Babylon – doch wird er sie nicht sehen.“


So im elften Jahr, das das letzte des Zedekia war,

Und das achtzehnte regierende Jahr Nebukadnezars,

Drangen die Heere der Chaldäer gewaltsam ein in Jerusalem.

Mitleid kannten sie nicht, verschonten weder die Greise

Noch die Jünglinge, weder die Mütter noch ihre Kinder –

Alles, was lebt, ward dem grausamen Schwert überlassen.


Im folgenden Jahr, als das Feuer den Himmel berührte,

Kam Nebusaradan, der Feldhauptmann Babylons,

Und verbrannte den königlichen Palast mit der Stadt,

Jerusalem selbst, samt Häusern und hohen Gemäuern.

Sieben Tage und drei stand lodernd das brennende Feuer,

Dann sank auch der Tempel – der Tempel des Höchsten – in Trümmer.

Vierhundert Jahre und dreißig und eins war er gestanden,

Herrlich und reich, ein Wunder dem Auge der ganzen Völker.


Doch noch war nicht genug dem Schwert und der blutigen Rache.

Bei einer weiteren Suche ließ Nebusaradan

Zweiundsiebzig edle Männer aus ihren Verstecken hervorziehn –

Priester zuerst, den ersten und zweiten des Tempels,

Zwei der Kriegsobersten, Knechte des Hauses des Königs,

Fünf seiner Diener, dazu noch weitere Männer,

Welche das Volk als die Weisesten ganz Judäas erkannte –

Sie alle wurden getötet durch babylonisches Urteil.


Die übrigen führte er fort in die fremden Gefilde,

Alle, die tüchtig im Handwerk und stark im Leibe geblieben,

Führte er weg nach Babel, fern von des Heimatlands Erde.

Nur die Ärmsten des Landes, die nichts besaßen als Hände,

Ließ er zurück in Judäa, damit sie den Boden bebauten.

Über sie setzte er, klug, Gedalja, den Neffen des Schaphan,

Jenen Reformator einst, der Josia gedient.


Gedalja war ein Jude von Geburt, und zum Anfang des Krieges

Hatte er Zedekia schon leise und weise verlassen.

Nun war er willig zu leben nach Jeremias Gesetzen,

Denn er erkannte, wie recht der Prophet vom Höchsten gesprochen:

Dass sich zu beugen dem König von Babel das Richtige sei,

Denn dieser war Gottes gerechtes Werkzeug im Strafgericht.


Jeremia selbst ward frei, nach eigner Wahl zu verbleiben,

Wo es ihm wohlgefiel; so bat er, bei Gedalja zu wohnen,

Dem ihn der Hauptmann einst, Nebuzaradan, empfohlen.

Freundlich empfing ihn jener mit offenen, gastlichen Händen,

Tröstete ihn mit Güte, mit Trost auch die übrigen Juden,

Welche geblieben waren in seiner Obhut und Pflege.

Freiheit verhieß er ihnen, solange sie friedlich gehorchten

Dem, der von Gott gesetzt: Nebukadnezar, dem König,

Der ihn, Gedalja, berief zum Statthalter seines Geblütes.


Doch ehe das Jahr verfloss, da kam ein Fürst aus dem Hause

Königlicher Geschlechter, entfloh’n mit dem König der Ammon

Während der letzten Belagerung, jenem Sturm auf Jerusalem.

Dieser, Ismael genannt, erschien mit auserwählter Gefolgschaft,

Zehn an der Zahl, als Gäste geladen zur festlichen Tafel,

Da Gedalja bewirtete in seiner Stadt, der Residenz Mizpa.

Jene erhoben das Schwert im Verrat und erschlugen ihn heimlich,

Töteten ihn mitsamt den Chaldäern, die bei ihm weilten,

Auch mit den Juden, die friedlich zu seiner Seite verweilten.


Fliehend entkamen sie dann, doch unterwegs trafen sie Männer,

Achtzig an Zahl, die kamen mit Gaben und Zeichen des Opfers,

Zogen heran, um zu ehren Gedalja, den milden Statthalter.

Diese erschlugen sie auch, verschonten allein ein paar Seelen,

Die versprachen, vergrabenes Gut in den Feldern zu zeigen,

Schätze, verborgen zur Zeit des Kriegs, in der Angst vor dem Feind.

Auch eine Tochter Zedekias nahmen sie mit sich,

Die einst Nebukadnezar Gedalja zu hüten befohlen.

Obwohl Johanan, ein Führer der letzten getreuen Judäer,

Ihm den Verrat offenbart – Gedalja wollt’ ihm nicht glauben.


Nun war Judäa verwaist, denn der Statthalter war gefallen;

Ismael floh vor der Schuld, nahm nicht das Amt auf die Schultern,

Sondern entfloh in Hast zu den ammonitischen Freunden.

Da fassten die Übriggeblieb’nen im Land einen finsteren Vorsatz:

Weil nun die Chaldäer mit Zorn uns strafen für diese

Missetat werden, so fliehn wir gen Süden, zum schützenden Nilstrom.“

Also begaben sie sich zu dem Propheten des Höchsten,

Baten den Mann, der stets inmitten des Feuers gewandelt,

Bitte den Herrn, dass er uns den Weg offenbare zum Heile,

Wo wir sicher noch wohnen und Gunst bei den Völkern genießen.“


Jeremia betete ernst, und ihm ward göttliche Kunde:

Bleibt ihr im Land, so wird euch mein Segen erhalten,

Ich will bauen, nicht brechen, euch pflanzen, nicht ausreißen wieder.

Doch wenn ihr fliehet hinab in Ägyptens trügerisch Hausung,

Wird euch das Schwert verfolgen, der Hunger und tödliche Seuche;

Niemand entrinnt, der sich diesem Pfad zu entrinnen vermesset.“


Aber das Volk war trotzig und hörte die Stimme nicht weiter,

Missachtete göttlichen Rat, verwarf das heilige Orakel,

Zwangen den Jeremias und Baruch, seinen Gefährten,

Mit ihnen zu ziehen durch Wüste und Sand bis zu Pharaos Grenzen.

In Taphnes schlugen sie Zelte, mit Pharaos Gunst sich begnügend,

Doch dort trat Jeremia auf, mit donnernden, bitteren Reden,

Tadelte sie für den Götzenkult, den sie neuerlich übten,

Weissagte ihnen Verderben – und auch der Ägypter Vernichtung.

Dort, von den eigenen Landsleuten, verstockt und hasserfüllt,

Wurde er schließlich gesteinigt, doch von den Ägyptern begraben

Neben den Gräbern der Könige, hoch in Ehren gehalten.


Im neunzehnten Jahr der Herrschaft Nebukadnezars,

Ward die herrliche Stadt Jerusalem gänzlich zerstöret.

Feuer verzehrte die Häuser, der Tempel des Höchsten zerbrach nun,

Beute ward er dem König, der sich daran herrlich bereicherte,

Und durch dies schreckliche Zeichen erschreckte er alle Nationen,

Die es gewagt, seinem Willen zu trotzen in stolzem Verwegen.


Nicht ruhte der König sodann, doch erweiterte mächtig sein Reich noch,

Denn bis zum dreiundzwanzigsten Jahr der gewaltigen Herrschaft

Zog er gen Edom, gen Moab, gen Ammon und Sidon und Tyros,

Gegen Ägypten auch, das Schwert Gottes tragend im Auftrug,

Denn der Allmächtige selbst gab Völker dem König zum Knechte.

Viele dienten schon ihm, doch jetzt vollendete er’s völlig:

Die, die in Zion einst wohnten, dienten nun Babylon drüben,

Und seine Wut verbrannte die Städte, die widerspenstig geblieben.


Doch die stolze Stadt Tyrus, auf Felsen gegründet im Meere,

Spottete aller Gefahr und verlachte des Königs Umzinglung.

Denn sie bewohnten die Insel, geschützt vor dem Zugriff der Heere,

Und ihre Flotte war stark, beherrschte die Wellen mit Stärke.

Sie erschraken nicht vor dem Fall des benachbarten Zions,

Sondern frohlockten gar und verspotteten Judas Verderben.

Aha!“, riefen sie, „nun ist das Tor aller Völker gefallen;

Leer liegt die Stadt – nun wendet sich aller Verkehr zu uns über!“


So vernahm es der Herr, durch den Mund des Ezechiel kündend,

Dass auch Tyrus zerbrechen wird, ob sie sich sicher wähnen.

Denn was auf Erden steht, sei es je so mächtig gegründet,

Fällt, wenn es trotzt dem Gebot des Herrn, der Himmel und Erde

Lenkt mit weisem Ratschluss, durch Völker wie König Nebukadnezar.


Nebukadnezar, der König, vernahm die Worte des Spottes,

Und sein Herz entbrannte mit glühender Rachebegierde.

Zwölf lange Jahre versuchte sein Heer, die Stadt zu bezwingen,

Doch das Meer schirmte die Mauern, und trotzig blieben die Bürger.

Dann, im dreizehnten Jahr der Belagerung, war die Entscheidung:

Jetzt soll fallen die Stadt, die auf Felsen den Hochmut gegründet.


Königlich war sein Entschluss: Er ließ durch das Meer einen Damm schütten,

Steine und Erde und Balken vereinten das Wasser mit Festland.

Männer mit Hacken und Schaufeln, mit Pflug und mit Harke bewaffnet,

Schafften den Weg durch die Flut, und all ihre Schultern entblößten

Sich unter Joch und Pein, die der König dem Werk aufgeladen.

Haupt war kahl und zerschunden, das Haar von der Arbeit geschoren,

Und sie verzehrten sich fast in der Last des titanischen Unternehmens.


Doch sie vollbrachten das Werk – und als sie die Mauern erreichten,

Wankte das Volk von Tyrus. Die Bürger verloren den Glauben,

Dass sie bestehen noch könnten, und flüchteten hastig zur Flotte.

Dort auf Zyperns Gestade suchten die Edlen ihr Leben

Und entrannen der Hand, die schon nach ihnen griff mit dem Schwerte.

Aber das arme Volk blieb zurück, der Wut ausgesetzt nun,

Und die Chaldäer erschlugen die Töchter des Landes im Felde.


Grausam war die Vergeltung: Auf offener Straße vollzogen

Sie die Hinrichtung der Männer, die Feinde gewesen im Geiste.

Pferde zertraten den Boden, wo einst Paläste geglänzt,

Wagen rollten dahin, wo vorzeiten der Handel geblüht hat.

So hat Nebukadnezar, wie es geschrieben im Buche,

Jedes Haupt kahl gemacht und jede Schulter entblößet,

Doch keinen Lohn empfangen für all seine mächtigen Mühen.


Dennoch genügte dem König die Ehre, die Stadt zu bezwingen,

Welche die Menschen für ewig und unüberwindlich gehalten.

Denn durch die Kraft seiner Hand war selbst die stolzeste Bürde

Niedergestürzt, und die Götzen des Meeres wurden erniedrigt.


Schrecklich war nun der Klang des Namens der chaldäischen Krone,

Seit er mit flammendem Schwert zwei mächtige Städte vernichtet.

Denn was sein Arm schon errang, das wuchs ihm zum weiteren Vorteil:

Furcht ging vor ihm her, und Ruhm, der Feinden die Herzen erschütterte.

Nutzend den Ruf, den Siege ihm brachten, wollte er mehr nun

Mit geringerer Mühe erreichen – reicher, gewaltiger Beute

Strebte der König nun zu: das fruchtbare, herrliche Ägypten.

Denn wer es sieht, begehrt es; der Fürst, der kühn sich empfindet,

Wird von dem Glanz seiner Felder verlockt, von Lust und von Reichtum.

Selbst wenn’s arm gewesen, hätt’s fallen müssen – denn ohne

Würd Syrien nimmer sicher gehalten, nicht fest ihm geblieben.


Doch vor dem großen Beginne des Zugs in das Nilland, da musste

Alles im Umkreis zittern – in Tränen, in Angst und in Schrecken

Sollten die Nachbarn vergehen, sich fügen dem Willen des Stärkern,

Oder, zum Mindesten, keinen Verdruss ihm bereiten in Taten.

Hier nun stimmte, wie stets in Werken des siegreichen Handelns,

Gottes Beschluss mit der klugen Staatsvernunft eng übereinander.

Denn die Völker ringsum – die Söhne Moabs und Ammons,

Edoms, Damaskus’ Volk, die Söhne von Kedar und Hazor,

Und noch andere Stämme, verdammt durch den Zorn des Allmächtigen,

Sollten ins Joch nun geraten, das Babels Herrscher gespannt hielt.

Denn sie alle nur suchten Gewinn – nicht Treue, nicht Ehre.

Manche, wie Raben, dem Heer der Chaldäer gefolgt nur,

Schwelgten an Leichen, gefallen durch Nebukadnezars Grausamkeit.

Andre nutzten das Elend der Nachbarn, und raubten die Länder,

Die nach dem Sieg des Herrschers nun dessen Eigentum wurden,

Meinten gar dreist, der Zorn des Königs sei bald auch verraucht,

Und er gezwungen, sein fernes Reich wieder heimwärts zu suchen,

Ihnen zurückzulassen, was sie im Schatten gegriffen.

Edom besonders und Philister in feindseligem Neide

Wüteten heftig, als Esek fiel in die Hände des Feindes,

Ob sie auch Gutes getan für den König, scheint nicht zu wissen –

Wenn sie es taten, dann nur für den eignen Gewinn, ohne Treue;

Doch sie betrogen sich selbst in trügerischem Hoffen und Sinnen.


Doch nicht einzig genügten den Ammonitern die Freuden

Über den Fall Jerusalems, über Judas Verderben;

Nein, sie drangen sogleich in das Land, das dem Höchsten geweiht war,

Raubten Besitz, als wären es nicht die Chaldäer gewesen,

Die es erobert – als hätte nicht Juda den Kampf dort verloren.

Jeremia hat’s geschrieben: so dreist war ihr Frevel im Herzen.

Denn es war Baalis, der König der Ammoniter,

Welcher Ismael sandte, ein Spross aus königlichem Blute,

Dass er Gedalja ermorde, den Babel als Statthalter setzte

Über das Volk, das geblieben im Land, und die Schwachen und Armen.

Dieser Ismael erschlug ihn verräterisch, listig und blutig,

Und nahm die Fliehenden mit, das Volk aus Mizpa, in Fesseln,

Führte sie fort ins ammonitische Land mit tückischem Vorsatz.

Denn es war dies ihr Plan: den König von Babel zu zwingen,

Gleichzeitig an vielen Orten sich aufzureiben in Kämpfen,

Dass er ermattet, das Land verlässt und heimwärts sich kehre –

Dann wollten sie greifen, was frei ward, in gieriger Eile.


Solche Gedanken nährten auch Moabs stolze Bewohner,

Welche mit falschem Gesicht sich gaben als Freunde des Friedens,

Doch im Verborgnen mit Ränken und Listen das Unheil bereiteten.

Ihre Verstellung verurteilte Gott – der Prophet hat’s verkündet.

Jeremia rief es laut, in Versen des Zorns und des Gerichts:

Ihre Verschlagenheit stürzt sie selbst in die eigene Grube.


Denn diese Völker, geübt im Raube, in Streifzügen, Tücke,

Wie es gemein ist den Stämmen, die Wüsten umher umgrenzen,

Fanden die Zeit nun geeignet, sich listig zu mehren im Beutezug.

Aber Nebukadnezar, der Herr der Verwüstung, zerschmetterte

All ihre Pläne im Sturm – mit scharfem, gewaltigem Kriege

Traf er sie plötzlich, im Blitz gleich – Verderben kam über sie eilend,

Wie in nur einer Nacht, wie’s Weissagung sprach durch die Seher:

Jesaja, Jeremia, Hesekiel – einmütig im Spruch sie,

Kaum zu unterscheiden in Worten, doch gleich an Bedeutung:

Schnell wird das Elend kommen, die Flamme wird Städte verzehren.


Wer den Anfang erlebte des Zorns, ist schwer zu erkennen;

Doch es scheint, dass Moab das letzte war, das er schlug dann,

Denn die Propheten erzählen: nach dreien der Jahre soll Moab

Fallen, gleich nach der Stadt Jerusalem – als ob das dritte

Jahr darauf sei das Jahr der ägyptischen Expedition.

Und man erkennt es daran, dass alle Städte der Gegend

Niedergebrannt, entvölkert, geplündert und blutig verheert waren,

Menschen erschlagen, verschleppt, versklavt oder geflohen,

Nur eine Handvoll entkam und wagte nicht wiederzukehren

An ihre Häuser zurück – zu groß war der Schrecken des Königs.


Denn sie versuchten nichts mehr gegen Nebukadnezar,

Lebten als Knechte, verarmt, in Jammer, Furcht und in Schwäche,

Bis sich erfüllte das Wort: siebzig Jahre der Öde

Sollten vergehen, wie Juda, so auch das Land ihrer Väter.


Als nun Nebukadnēzar durch Siege Syriens Länder

Unterjocht, mit Gewalt, und die umwohnenden Völker der Wüste,

Araberstämme bezwang, sodass nicht Feind ihm im Rücken

Blieb, noch ein Freund der Ägypter, der hemmen konnt' sein Beginnen

Oder aus seinem Verhängnis Gewinn für sich hätte gezogen:

Wandte sich jener sogleich der gewaltigen Fahrt nach Ägypten,

Dessen Gebiet zuvor den benachbarten Reichen geboten.

Klar bezeugen dies Werk und den Sieg der gewaltigen Reise

Jesaja, Jeremia und Esekiel, große Propheten –

Derer Verkündigung macht, dass kein andrer Bericht mehr vonnöten.

Denn schon lange zuvor hat Jesaja's Stimme verkündet:

»Führen wird Assyriens Herrscher, der König von Babel,

Jung und Alt aus dem Land, in Schmach, mit bloßem Gesäße,

Nackt und barfuß hinweg – ein Spott und eine Beschämung

Wird Ägypten erdulden«, wie steht es geschrieben im Buche,

Zwanzigstes Kapitel, Vers vier – das Zeichen der Strafe.

Doch viel deutlicher noch, weil näher der Zeit der Erfüllung,

Sprachen Esekiel und Jeremia vom kommenden Strafgericht.

Denn Esekiel ruft aus: Ägypten wird ihm gegeben,

Lohn für den Dienst an Tyrus, den Kampf mit der mächtigen Festung.

Klar zählt er Städte beim Namen, die in Trümmer versinken,

Alle gefangen geführt, auch Pharao selbst mit dem Heere

Wird durch das Schwert vertilgt – so kündet der Seher, Kapitel

Dreißig im Buch, und das zweiunddreißigste nennt es erneut.

Jeremia ruft aus: »Ich werde heimsuchen die Menge

Volkes von Noe, den Pharao selbst und Ägyptens Bewohner,

Ihre Götter, die Könige auch, ja alle, die hoffen

Auf diesen König und seinem Schutz sich vertrauend verschrieben:

Sie werden fallen, dem Schwert Nebukadnezars ergeben,

Babels Herrscher, und jenen, die seinem Befehle gehorchen.«

So spricht Jeremia im sechsundvierzigsten Kapitel,

Verse fünfundzwanzig und sechs – das Wort ist gewaltig.


Josephus berichtet sodann, dass im dreiundzwanzigsten Jahre

Seiner Regierung der König von Babel Ägypten bezwungen,

Pharao tötete selbst und einen Statthalter einsetzte,

Der für ihn herrschen sollt’ im besiegten, gefallenen Lande.

Größer als je zuvor ward nun sein Reich und sein Ansehen,

Denn die Siege, die jetzt auf Syriens Eroberung folgten,

Machten ihn mächtiger noch als all seine früheren Kriege.

Auch Esekiel bezeugt im dreißigsten Kapitel die Wahrheit:

Nicht nur Ägypten allein, auch Phut und Lud mit den andern,

Die bis nach Mauretanien reichten, beugten sich Babel.

Solche gewaltigen Taten bezeugen das Werk der Geschichte.


Und mit Staunen erkennt man das Walten des ewigen Gottes,

Denn der Pharao selbst, der in seinem sicheren Lande

Sich unbesiegbar geglaubt, von Mauern und Flüssen geschützt war,

Wurde betört in der Torheit und ließ durch eigne Versäumnis

All seine Freunde verlieren – der Feind stand bald vor den Toren.

Statt in kluger Verteidigung Hemmnis zu schaffen dem Gegner,

Ging er getrost davon aus, dass Wüsten und Wasser genügten.

So kam Babels Heer, gehärtet im Kampf gegen Tyrus,

Nicht ermüdet, vielmehr durch den langen Krieg nur gestählt,

Über die Wege der Wüste, durch sengende Hitze geführt,

Sicher voran in das Land, das auf Nilfluten vertraute.

Und Ägyptens Volk, das sich auf den Fluss und die Wüste

Mehr als auf Tapferkeit stützte, erblasste beim Angriff des Feindes.


Bis zu der Stunde, da Babel mit Macht durch Ägypten gezogen,

Blühte das Reich der Pharaonen seit vierzehnhundert

Achtzig Jahren in Pracht, von Königen göttlich regieret.

Doch von dem Tage an war’s ohne Herrscher geblieben,

Vierzig Jahre geknechtet, bezwungen von babylonischer Ordnung.

Später erst kehrten sie heim in das Land ihrer Väter,

Doch in erniedrigtem Stand, nicht mehr von furchtbarer Stärke.

Denn so spricht Gott durch den Mund Esekiels, seines Propheten:

»Am Ende der Jahre der Knechtschaft sammle ich wieder

Jenes verstreute Geschlecht aus den Völkern, wohin sie geflohen.

Führe zurück sie nach Pathros, dem Land ihrer Wohnung;

Doch nicht mehr werden sie herrschen in prunkvoller Würde.

Nie mehr erhebt sich Ägypten zu Macht unter Völkern;

Denn ich mache sie niedrig, zu einem Geringsten der Reiche.

Und es wird Israel nie mehr vertrauen auf Ägypten,

Das einst Zuflucht ihm bot, doch trügerisch blieb in der Prüfung.«

So Esekiel spricht im neunundzwanzigsten Kapitel,

Verse dreizehn bis sechzehn – ein göttliches, heiliges Urteil.


Denn ob Pharao rühmte: »Ich bin ein Sohn der Altvorderen,

Weiser Geschlechter entsprossen, den Nil hab ich selber erschaffen!«

(Jesaja berichtet dies Wort, Kapitel neunzehn, Vers elf) –

Wahrlich, nun ward er zunicht! Denn die Fürsten wurden zu Toren,

Und der Strom, auf den sie vertrauten, ließ sie im Stich,

Der König fiel, und sein ganzes Geschlecht war verloren.

So verschwand aus der Erde die stolze Dynastie Ägyptens –

Was von den Vätern geblieben, versank in Staub und Vergessen.


Nach der Ägyptischen Fahrt, dem ruhmvollen Zug durch die Grenze,

Las man von Kriegen kaum mehr, die Nebukadnezar geführt hat.

Nur von der Zerstörung Ninives kündete kraftvoll der Seher,

Nahum, der Prophet des Gerichts. Schon war die Stadt früher

Freiheitsberaubt durch Merodoch, der sie samt dem Gefilde

Assyriens unterwarf dem babilonischen Throne.

Doch ward sie gelassen dem König, der tapfer sich auflehnt’,

Wie sich Jehojachim tat und der trotzige Zedekia,

Nebenkönige Judäas, die das Verderben erreichte.

Gleich war das Urteil. Ninive stürzte ins Elend hernieder.

Denn, so der Prophet, wie Ägyptens Stadt Noe gefallen,

Fall’ auch Ninive selbst. Und es sprach in mächtigen Worten

Nahum, der Seher des Herrn, zu der schuldigen Stadt in Assyrien:


Bist du besser als Noe, die wasserumgürtete Feste?

Zwischen den Strömen gelegen, vom Meer in Mauern umfangen?

Äthiopien war ihre Kraft, und Ägypten unendlich,

Put und Libyen dienten ihr willig als Helferscharen.

Trotzdem stürzte sie tief. Sie ging in Gefangenschaft nieder.

Kinder zerschlug man auf Straßen, und Ehrenmänner verloste

Man zu Schmach. Ihre Fürsten in eiserne Ketten geschmiedet.

So wirst du betrunken nun sein, dich verbergen dem Feinde,

Stärke erhoffend vergeblich in deiner zerfallenden Stunde.“


Nachdem dieser Monarch in jüngeren Tagen mit Kriegen

Größere Reiche gewann und viele Länder bezwang,

Nahm er sich Ruhe sodann, um Früchte des Sieges zu ernten.

Er verschönerte Babylon selbst, die kaiserlich' Stadt,

Fügte zur alten zugleich noch eine neue hinzu

Und umgab sie mit Mauern, gewaltig auf dreifacher Strecke,

Durchbrochen von herrlichen Toren mit stattlichem Prunk.

Neben dem ersten Palast ließ er einen weiteren bauen,

Mächtiger noch, mit Mauern aus Stein, gleich himmlischen Bergen,

Und bepflanzte sie reich mit Bäumen aus allen Gefilden.

Auch die Gärten errichtete er, die hängenden, wunderreich schwebend,

Wunder der Welt, geboren auf Bögen, kunstvoll geschichtet.

Viereckig war ihr Bau, vierhundert Fuß jede Seite,

Mit Erde bedeckt, worauf in fruchtbarem Boden gedeihten

Pflanzen und Bäume des Ostens, des Südens, und aller Gefilde.

Bögen erbaut er in Stufen, die höher und höher sich reckten,

Bis sie auf fünfzig Ellen hoch sich erhoben,

Gleich den Bergen der Erde in ragender, herrlicher Pracht.

Aquädukte verbanden das Werk, die schwebend das Wasser

Hintrugen durch luftige Höhen zur labenden Tränkung des Gartens.

Alles, so sagt man, ward in fünfzehn Tagen vollendet,

Stärker und schöner als je assyrisches Werk oder persisches.

Dann errichtete er in der Ebene von Dura ein Standbild,

Ganz aus Gold, sechzig Ellen an Höhe und sechs Ellen Breite.

Allen befahl er, sich niederzuwerfen vor diesem Bilde,

Und zu verehren es ganz als göttliche Macht – wie geschrieben

Im dritten Kapitel des Danielbuchs in der Schrift.


Aber was nützt all dies? Von all seinem Glanz und der Größe

Blieb uns wenig erhalten, als das, was wahrlich von Nutzen:

Seines Hochmuts Fall, den Gott selbst zur Mahnung verhängte.

Denn nicht genug, dass Gott ihn mit Siegen und Glück überschüttet,

Gab er ihm auch noch das Wissen der Zukunft, verbarg ihm

Nicht die Geheimnisse kommender Tage, zeigte in Träumen

Wunderbar das, was geschehen sollt’, und sandte zur Deutung

Daniel, seinen Propheten, der göttlich die Rätsel verstand.

Aber der König vergaß, verachtete Gottes Erbarmen,

Stellte das Bild aus Gold und verlangte göttliche Ehren,

Droh’te mit grausamem Tod denjenigen, die sich weigern,

Und verbrach damit das Gesetz des Königs der Könige selber.

Der, der noch jüngst vor dem Knecht des Höchsten gefallen,

Daniel geehrt als Gott, befahl nun frevelnd,

Sich selbst anzubeten in Form des goldenen Standbilds.

Doch es gefiel dem Herrn, ihn zu rügen durch Zeichen und Wunder,

Durch die drei Männer gesegnet, die in den Ofen geworfen,

Trotzten dem Feuer, befreit von Ketten, von Engeln geleitet,

Blieben sie heil und unversehrt in der flammenden Glut.

Und sie wurden vom König gerufen, geehrt, wieder eingesetzt,

Und ihr Glaube ward groß – zu Schande des Königs der Götzen.


Nebukadnézar, verwundert vom Wunder, verhieß eine Ordnung,

die nun Gottes Ehre bezeugt, den er selbst noch geschändet,

als er das Standbild erhob in vermessener, heilloser Größe.

Doch nicht wurzelte tief in der Seele die neugeborene Weihe,

dass sie Früchte getragen, aus Eifer geborene Werke:

Darum erschien ihm im Traum ein Gericht, das schrecklich hernieder

über dem Haupte sich senkte – Gott warnte den König im Schlummer.

Daniel deutete Zeichen und bat ihn mit weisenden Worten,

dass er die Sünde verlasse, gerecht sich den Armen erweise,

und dass Barmherzigkeit mild seine Missetat lösche – vielleicht so

würde der Friede ihm bleiben, vom Herrn ihm noch gnädig geschenket.

Denn es war offenbar, dass sein Stolz und die grausame Härte

jene Vergehen gewesen, für die nun das Urteil beschlossen.

Aber der König verwarf den prophetischen Rat und den Traum auch,

mochte ihm scheinen ein Trugbild des müßigen, schläfrigen Geistes.

Denn wie sollte ein König, ein Herrscher der Völker und Länder,

aus der Gesellschaft vertrieben, wie Tiere des Feldes nun weiden,

Gräser verzehrend wie Ochsen – das schien unbegreiflich dem Menschen,

darum vergaß er's mit Zeit, als wär’ nie die Warnung gesprochen.


Ein volles Jahr ward ihm noch zur Buße, doch schien es, das Zögern

habe nur weiter entfernt aus der Seele das göttliche Mahnen.

Denn nach dem zwölften Monat, da schritt er auf prächtigen Gängen

seines Palastes in Babel, vom Glück seiner Größe berauschet,

hob er die Stimme empor mit vermessenen, herrischen Worten:

»Ist dies nicht Babel, die große, die ich mir erbaut habe, herrlich,

für mein Königreich, durch Kraft meiner Macht und zur Ehre der Hoheit?«


Doch ehe der letzte der stolzen Gedanken verhallte im Raume,

kam eine Stimme vom Himmel, sie sprach: »Dein Königreich weicht dir!«

Und in derselben Stunde geschah das Gericht an dem Herrscher.

Aus der Gesellschaft verstoßen, nun aß er das Gras wie die Rinder,

Tau benetzte sein Haupt, bis das Haar wie Adlergefieder

wuchs, und die Nägel der Hand wie Krallen der Vögel sich wölbten.


Strafe war’s ohnegleichen und unerwartet, gewaltig –

zwischen den Tieren des Felds und im Walde irrte er umher nun,

nicht wie ein Mensch, sondern gänzlich geworden ein Tier in Gedanken,

da er sich selbst so begriff, und wie Tiere sich nährend, sich wähnte

gleich den Geschöpfen des Feldes – doch blieb ihm die menschliche äuß’re

Gestalt: nur Verstand war verloren, wie Hieronymus deutet.

Denn als nach Jahren sein Geist ihm zurückkehrte, zeigte sich deutlich,

dass er die Form nicht verlor, doch vom Wahnsinn gequält war die Seele.


Sieben Jahre vergingen im Dunkel, im Wahnsinn des Königs,

bis ihm der Geist sich erneuerte, Licht durchbrach wieder das Dunkel.

Da hob Nebukadnezar die Augen zum Himmel empor nun

und er bekannte mit Demut den Herrn, den ewigen Höchsten:

»Preise den Ewigen ich, den Herrscher von Äonen zu Äonen,

dessen Gewalt nicht vergeht, und der ewig regieret in Ehren.

Völker sind Staub vor Ihm, und Er wirkt, was immer Ihm wohl scheint,

unter des Himmels Heer und auf Erden bei Menschen und Mächten.

Keiner vermag Ihn zu hindern, noch kann man zu Ihm jemals sagen:

Was tust du?‘ – Seine Hand ist gerecht, und mächtig sein Wirken.«

So kam Vernunft ihm zurück, und mit ihr auch Herrlichkeit, Ehre.

Wieder umgaben ihn Fürsten und Herren, und suchten den König;

wieder bestieg er den Thron, und ihm ward noch größere Würde.

Und Nebukadnezar sprach: »Nun lobe und preise und ehre

ich den König des Himmels, der wahr ist in Taten und Urteilen.

Denn wer in Hoffart wandelt, den kann Er demütigen völlig.«


Wie lange danach er noch lebte, bleibt finster in dunklen Chroniken,

doch stimmt vieles darin, dass er zwanzig Monate weilte

mit dem Vater als Mitregent, dann drei und vierzig als König.


Doch während Babels Gewalt noch wütete stark über Juda,

richtete Gott schon das Ende – denn hört’ Er den Schrei Seines Volkes.

So wie der Psalmist spricht (Psalm Hundertsiebenunddreißig):

»Tochter Babel, Verwüsterin, selig, wer dich vergelten wird,

so wie du uns angetan hast – selig, wer deine Kinder

nimmt und zerschmettert an Felsen mit heiliger Rache des Höchsten.«


Denn in demselben Jahr, so erzählen die Ahnen und Schriften,

ward Kyros geboren, der Perser, von medischer Mutter.

Vater war Perser, die Mutter aus Medien – göttlich gefüget.

Schon im Sterben noch deutete dies Nebukadnezar prophetisch,

sprach: »Ein persisches Maultier wird kommen, und Dämonen benutzen,

um dich, Babel, zu binden, in Ketten der Knechtschaft zu schlagen.«

Maultier nennt er den Kyros, da zweier Geschlechter er Kind war,

mächtig von Gott ausersehen, des Schöpfers Gerichte zu bringen.



ZWEITER GESANG


Geboren ward er im Lande der Chaldäer, im Süden,

Weit in der Tiefe von Babylon, wo der Euphrat sich windet,

Nabu bewahre den Erstgeborenen – das war sein Name,

So nannten ihn seine Väter, erfüllt von göttlichem Schutzwort.

Nebukadnezar – so nannten ihn später die Söhne Kanaans,

Und unter diesem berühmten Namen bleibt er im Gedächtnis.

Sohn war er Nabopolassars, des streitbaren Feldherrn,

Der in den Wirren der Zeiten die Kron’ von Babylon trug.

Jener erhob sich im letzten Verfall der Macht der Assyrer,

Welche das Land in Gewalt und eiserner Herrschaft regierten.

Ashurbanipal, des Assyrers gewaltiger König,

Sah noch das Reich in Pracht – doch bald begann sein Versinken.

Reiche zerfallen, wenn Größe sich selbst nicht länger erhält.

Nabopolassar, der Kühne, verweigerte einst die Gefolgschaft,

Schickte Gesandte des Nordens mit Spottworten heim zu den Herren,

Und ward zum König gekrönt von Babels frohlockender Menge.


Nebukadnezar, herangewachsen in düstrer Gewitterzeit,

Lernte den Krieg und das Schreiben, die alten Gesetze des Landes,

Wuchs in den Schulen des Hofs und auf den Feldern der Waffen,

Bis ihn die Kunde der Schlacht und des Sieges von Karkemisch rief.

Necho, der Pharao, mächtig und kühn, zog nordwärts im Kriege,

Wollt’ die Gebiete erobern, die einst Assur besessen.

Doch an den Ufern des Euphrat bei Karkemisch stand der Chaldäer,

Nebukadnezar, der Fürst, mit blitzender Streitmacht versammelt.

Dort in der blutigen Schlacht fiel Nechos Heer in die Trümmer,

Und Babylon siegte – der Erbe kehrt heim als der Sieger.


Kaum war der Vater gestorben, da rief ihn das Volk zur Krone.

Also bestieg er den Thron des mächtigen Reiches von Babel,

605 war das Jahr, als er nahm das königliche Zepter,

Und sprach vor dem Tempel des Marduk, dem gnädigen Gotte:


O du Erbarmer, du Hirte des Volks, Marduk, o Lenker,

Segne das Haus, das ich gründete! Lasse mich leben in Fülle,

Langes und leuchtendes Alter gewähr mir mit Segen der Kinder,

Und dass ich Tribut empfange von Völkern aus allen Gefilden!“


Und wie er betete, so geschah’s: Sein Name erstrahlte,

Babylon wurde zum Leuchte der Welt, zu glänzendem Mittpunkt,

Tempel erhoben sich, Mauern wie Sterne, Paläste wie Wunder,

Und über alles erhob sich der König, der Herr über Kriege.


Um sich des Friedens zu freun’ und der Herrschaft Bande zu festigen,

Wählte er klüglich die Tochter des mächtigen Kyaxares,

Amytis, leuchtend an Anmut und klug in der Rede, zur Gattin.

So ward durch Bündnis vereint das Haus der Meder mit Babel,

Stark durch Verwandtschaft im Blut und durch Eide, die Völker verbinden.

Sie war, so sagen die Alten, die Tochter, vielleicht auch die Enkel

Jenes Cyaxares, der Ashur zertrümmerte mit seinen Heeren.

Und um ihr Herz zu erfreuen, das Heimweh trug in der Ferne,

Bauten die Knechte des Königs ein Wunder der hängenden Gärten.


Fern war das Land, aus dem sie kam, voll Hügel und Wälder,

Persiens grüne Gefilde, mit Quellen, vom Wind umweht.

Doch in der Ebene Babels, wo heiß die Sonne erbrennet,

Schuf ihr der König ein Abbild der Heimat, von Göttern gesegnet.

Terrassen stiegen empor wie Stufen zum himmlischen Himmel,

Grün war das Werk mit Palmen, mit Reben, mit duftenden Blüten,

Wasser in Kanälen floss aus verborgenen Quellen,

Hebend aus Tiefen des Palasts bis hinauf in die Lüfte.

So war das Werk vollbracht: ein Hain über Mauern errichtet,

Schwebend im Äther, bewundert von Weitem wie himmlisches Zeichen.


Also verband er das Reich mit der Kraft der dynastischen Ehe,

Band sich die Meder zum Freund und besänftigte östliche Länder.

Und das, was Kyros der Große mit Macht einst später erzielte,

Hatte der König von Babel mit Güte und Klugheit begonnen.


Dann begann er zu baun an gewaltigen, herrlichen Werken,

Dreizehn Städte zuerst, er erneuerte sie in den Mauern,

Hob sie aus Trümmern empor, doch das Größte, was er erschuf, war

Babylon selbst, die berühmte, die Königin unter den Städten.

Denn er musste, so sagt es die Weise Susan als Deutung,

Selber sich krönen als König und groß sich erhalten im Reiche,

Wie es einst Mesopotamiens Fürsten Jahrtausende taten:

Er begann zu erbauen. Und viele der Tafeln berichten,

Wie er die Tempel der Stadt, die geweiht waren Marduk, dem Höchsten,

Neu erstehen ließ, verschönernd mit goldenen Ziegeln,

Einen nach dem andern, in rühmlicher Arbeit des Königs.

Denn das war Marduks Heim, der erhabene Gott der Chaldäer,

Dem sich Nebukadnezar in heiliger Liebe verbunden,

Und in dem Tempelbau feierte sich Babylons Ruhm selbst.


Teil des gewaltigen Plans war der Aufbau der Zikkurat wieder,

Etemenanki genannt, das Fundament zwischen Himmel

Und der Erde – zerstört von Sanherib, König Assyriens,

Mit der Stadt ringsumher, in vernichtender Wut niedergeschmettert.

Asarhaddon, sein Sohn, begann sie von Neuem zu gründen,

Und Nabopolassar, des großen Herrschers gewaltiger Vater,

Trieb sie weiter voran; doch Nebukadnezar vollendet’

Sie mit ehrender Kraft. Der Turm, der zum Himmel sich aufhob,

Galt den Späteren schon als das Bild jenes Turmbaus von Babel.


Um das Jahr sechshundert, so schätzt man, war Babylon glänzend,

Wie ein Mittelpunkt selbst der gesamten bekannten Gebiete.

Nicht nur von denen bezeugt, die darin lebten und bauten,

Sondern auch Fremde bezeugten dies Staunen ringsum die Mauern.

Eine Tafel aus Ton, die man fand in den Ruinen Sippars,

Zeigt uns die Welt rund um Babylon, uralt gezeichnet.

Sie ist im Britischen Haus aufbewahrt, doch stammt aus Chaldäa.

Wie sie nach Sippar gelangte, bleibt ungewiss unter Gelehrten.

Doch man nimmt an: Es war eine unter den vielen, die Städte

Aus Bewunderung hielten für Nebukadnezars Herrschaft.

Michael Kerrigan spricht: „Ein solches Bild ist zugleich auch

Weltanschauung – ein Spiegel der Ordnung im Denken der Zeiten.

Hier mit dem stolzen Gefühl, dass Babylon Mitte der Welt sei,

Offenbart sich der Geist jener Zeit in der Stadt und dem Reiche.“


Tempel und Denkmäler ließ er mit prächtigem Glanze verschönern,

Neue Straßen erschloss er, die führten zum heiligen Zentrum.

Sonderlich sorgte er sich um das Fest zu Ehren Marduks,

Wo man die Statue des Gottes aus heiligem Innern herausnahm,

Durch die Stadt sie geleitet und hinaus vor die Tore getragen.

Dafür schuf er die Straße, die Prozessionen empfing nun,

Einundzwanzig Ellen in Breite, gewaltig im Maße,

Führte vom Tempel hinfort durch das nördliche Ischtartor weiter,

Halbe Meile und mehr, fast ein Kilometer an Strecke,

Links und rechts mit Mauern umgeben, die fünfzig Fuß ragten.

Löwen, Drachen und Stiere, mit Blumen in Gold überzogen,

Schmückten die Wände ringsum in geordneter, ehrender Reihe.


Dieses Tor war des Königs besonderer Stolz, das Ischtartor,

Dort ließ Nebukadnezar die Ziegel in Blautönen brennen,

Darauf herrliche Bilder: von Stieren und Drachen gezeichnet.

Oben bedeckte er Dächer mit mächtigen Zedern aus Libanon,

Legte sie längs über Bögen und Räume, im königlichen Prunk.

Türen aus Bronze verzierten die Torflügel, stolz und gewaltig,

Und in die Tore hinein stellte er Stiere und Drachen,

Fabelhaft anzuschauen, in glanzvoller, göttlicher Pracht.

Dass die Menschen voll Staunen sie sehn“, so berichtet die Inschrift,

Die er selber verfasste als Zeichen des kaiserlichen Wirkens.

Diese Pracht war so groß, dass spätere Weise bezeugten,

Dass das Tor und die Mauern zu zählen gewesen mit jenen

Wundern der alten Welt, der berühmten sieben Gestalten.

Doch ward Babylon einzig vermerkt für die Gärten der Höhe.


Hängende Gärten, berühmt in der alten bewundernden Erde,

Wurden gezählt zum Wunder der sieben erhabenen Werke.

Doch ihr Bestand ist umstritten; kein Stein blieb uns zur Bestätigung,

Keine Ruine bezeugt, dass sie wirklich erbaut worden wären.

Denn nur spätere Schriften berichten vom duftenden Paradies,

Nach dem Fall Babylons, von den Händen der Sieger zertrümmert.

Und die berühmte Inschrift des Hauses East India schweigt still,

Obwohl sie prahlt mit der Pracht, die der König erblühen ließ überall.

Nirgends nennt sie den Garten mit hängenden Beeten und Bäumen.

Jene Inschrift, von Nebukadnezar verfasst, in Majestät,

Ward gefunden im Jahre achtzehnhundert und eins –

Von Gesandten der Insel entdeckt, auf der Suche nach Altertümern.


Doch ein anderer Zeuge, der spätere Diodor, spricht davon,

In der Historica, Buch zwei, zehnte Stelle geschrieben.

Er beschreibt uns die Gärten in reicher, erfundener Weise,

Als ein Geschenk von dem König für seine fremdländische Gattin,

Die aus dem Westen gekommen, aus Medien oder aus Persien,

Und sich sehnte zurück nach den Bergen, den schattigen Höhen.

Darum ließ er errichten auf terrassenartigen Stufen

Übereinander gestaffelt ein künstliches blühendes Hügelreich.

Bäume wuchsen dort oben, und Wasser floss aus verborgenem Brunnen,

Durch geheime Kanäle hinauf zu den Gärten der Lüfte,

Und ein Gewölbe aus Stein trug die Erde, gepresst und durchdrungen

Von den Wurzeln der Bäume, die hoch über Babylon ragten.

Wie ein grünes Gebirge stand es inmitten der Häuser,

Kühl und duftend, als träte der Himmel hinab zu den Menschen.


Da war ferner, so wird gesagt, ein kunstvoll erschaffener Garten,

Hängend genannt, obgleich er nicht von Semiramis stamme,

Sondern gebaut ward später von einem syrischen Könige,

Nur um zu freuen das Herz der geliebten persischen Nebenfrau.

Denn sie sehnte sich sehr nach der heimatlichen Gebirgswelt,

Nach ihren Wiesen voll Duft, in den Tälern Persiens aufwärts,

Bat darum flehend den Fürst, durch künstlich bepflanzte Terrassen

Mild zu gestalten ein Bild der geliebten heimischen Landschaft.


Jeder der Seiten war vier Plethra weit der Park ausgedehnt;

Denn wie ein Abhang senkte sich hin der Zugang zum Garten,

Und die Gebäude stiegen geschichtet, Etage für Etage,

Sodass das Ganze glich dem aufragenden Bau eines Theaters.

Als man die Terrassen errichtete, stützte man unter dem Aufbau

Mächtige Hallen mit Bögen, die lastenden Gärten zu tragen.

Diese erhoben sich schrittweise und folgten dem Anstieg,

Eine auf jener gebaut, mit der obersten fünfzig Ellen hoch.

Dort war die höchste Fläche, die gleich den Mauern der Stadt lag,

Dicht bepflanzt mit Gehölz, das groß an Wurzeln Raum forderte.


Zweiundzwanzig Fuß betrug an Stärke der Mauern Gefüge,

Zwischen den beiden Mauern lief ein Gang von zehn Fuß Breite.

Mächtige Steinbalken trugen das Dach der gestaffelten Räume,

Sechzehn Fuß lang samt Überstand, vier Fuß war ihre Breite.

Über die Balken gelegt war erst eine Schicht von dem Schilfe,

Dick getränkt mit Pech; dann folgte ein Doppelbelag aus gebrannten

Ziegeln, verbunden mit Mörtel, zur Stärke der ganzen Konstruktion.

Endlich bedeckte man dies mit einer Bleiplatte als Schutzhaut,

Dass nicht Feuchtigkeit eindringe aus dem Garten ins Innere.


Darauf häufte man Erde in solcher Tiefe darüber,

Dass selbst Bäume mit mächtigen Wurzeln genährt werden konnten.

Und der geglättete Grund war bepflanzt mit Gewächsen verschieden,

Solche, die durch Wuchs und Schönheit das Auge erfreuen dem Wandrer.

Jede Terrasse stand vor der andern, empfangend das Sonnenlicht,

So enthielten die Hallen darunter königliche Zimmer,

Prachtvoll gebaut, bequem zum Wohnen in jedem Bereich.

Auch war verborgen ein Gang mit Maschinen, geschickt konstruiert,

Wasser heraufzuführen aus mächtigem Flusse in Fülle,

Doch verborgen der Blick: kein Mensch sah, wie es geschah.


Dieser Garten, so hieß es, war nicht aus alter Zeit stammend,

Sondern ein Werk späterer Zeit – nicht Semiramis’ Baukunst.


Diodor nennt als Erbauer den König der syrischen Länder,

Folgend dem Brauch der Hellenen, die Mesopotamien Assyrien

Nannten und alle Gebiete dort zwischen Euphrat und Tigris.

Manches spricht aber dafür, dass jener Bericht sich bezöge

Nicht auf Babylon selbst, sondern auf Ninive, Assyriens Krone.

Sanherib hatte die Stadt in königlicher Pracht neu erhoben,

Gärten geschaffen so herrlich, dass spätere Zeiten sie rühmten,

Wie es auch Nebukadnezar mit Babylon später erwirkte.

Zahlreiche prächtige Parks bezeugten das Glanzreich Ninives,

Und wegen der zeitlichen Spanne der späteren Nachrichten

Zweifeln Gelehrte daran, ob Babylon je sie enthalten.

Wenn sie bestanden, die hängenden Gärten, wie sagt es die Sage,

Dann vielleicht dort im Norden – im Glanzpalast Ninives selbst.


Diodor erzählt, bei Semiramis sei diese Schöpfung zu finden,

Doch vielleicht flocht er zusammen, was später geschah und was früher,

Nämlich Geschichten der Königin, reichlich bekränzt mit Legenden,

Mit den Berichten von Nebukadnezar und seiner Gemahlin.

Denn es heißt, Amytis, Tochter aus Mederland stammend,

Sehnte sich sehr nach dem Blick in grünende Bergeslandschaften.

Doch trotz all dieser Vermischung der Namen, Zeiten und Länder

Glauben noch viele Gelehrte: Die alten Berichte bezeugen

Wirklich bestehende Gärten, wie Babylon sie einst besessen.


Zwar fand man niemals im Staube der Stadt physische Spuren,

Doch ist kein Grund zu vermuten, der König hätt’ es nicht schaffen

Können – er, der die Stadt zu herrlichster Höhe geführt hat.

Paul Kriwaczek schreibt: Nebukadnezar erhob sie zum Ruhme,

Gab ihr den Glanz, wie ihn nie eine Stadt je besessen.

Größer und reicher und stolzer als alle früheren Städte

Ward sie zu einer der größten, die je die Menschheit bewunderte.


Zwar sprachen manche in Ehrfurcht von Babylon, wie sie es sahen,

Doch nicht alle teilten den glanzvollen Blick auf die Mauern.

Denn was blieb, war der Name des Königs in Büchern des Hasses,

Jener der Bibel, geschrieben von Feinden, die einst er bezwang.

Hebräische Schreiber, im Exil durch sein Handeln gefangen,

Schilderten Babylon nur als Ort des Zorns und der Tränen.

Denn als der Tempel zerfiel, den sie als Wohnstatt des Höchsten

Ehrten, da galt der König als Feind und Verwüster des Gottes.

Er, der das Haus des Herrn mit Flammen und Eisen zerstörte,

Schien wie ein Feind der Götter – ein Frevler, von Schuld überladen.


Unter dem König ward Babylon nicht nur schön anzusehen,

Sondern ein Zentrum der Kunst und Gelehrsamkeit aller Bereiche,

War eine Stadt voll Wunder, ein Ort des Wissens und Forschens,

Ort der Paläste und Türme, des Marktes und heiliger Tempel.

Doch in der Schrift der Propheten blieb nur das Urteil der Strafe.

So entschied nicht die Wahrheit allein, was das Urteil der Zeiten,

Sondern der Blick der Verbannten, die ihren Schmerz niederschrieben.


Wie die Systeme der Völker, die göttliche Ordnung begriffen,

War auch Israels Glaube durch „dies für das“ ausgezeichnet.

Wer den Höchsten verehrt, darf auf Schutz und Hilfe vertrauen:

Gott sorgt väterlich dann für das Volk, das ihn ehrt und ihm dient.

Doch als Tempel und Königreich fielen und Scharen der Juden

Fort in das fremde Gefild, in das Land der Chaldäer verschleppt ward,

Stand die priesterlich weise Gemeinde verwirrt und betroffen,

Musste den Trümmern des Glaubens nun Sinn und Erklärung verleihn.


Sie gestanden: Verführt von den Götzen Kanaans und Syrens,

Hatten sie Jahwes alleiniger Ehre nicht Achtung geschenkt.

Also begann nun die Zeit, die als „Zweiter Tempel“ benannt wird –

Seit der Rückkehr vom Exil bis zum Fall Jerusalems wieder –,

Da das Judentum selber reformt ward, ganz in dem Streben,

Einen Gott nur zu ehren und einzig ihm Opfer zu bringen.

Auch die Texte, die einst aus der Mündlichkeit kamen und wuchsen,

Wurden gesichtet, geprüft und dem neuen Bekenntnis angepasst.


Babylon galt nun als Stadt der Sünde, der Bosheit, des Frevels,

Und Nebukadnezar, so oft einst gefeiert in Dichtungen,

Wurde nunmehr verachtet, als König des Stolzes geschildert.

Im Buch Daniel erscheint er, der mächtige Herrscher von Babel,

Starrsinnig, stolz, unbelehrbar, dem Gott Israels feindlich,

Bis ihn ein Wahnsinn erfasst, vom Himmel verhängt als ein Urteil,

Der ihn entmenschlicht und zähmt, ihn zu Reue und Demut bekehrt.


Im Bericht, der in Daniels Kapitel den ersten vier nieder-

Schreibt, erkennt er die Macht des erhabenen Gottes der Juden:

Schadrach, Meschach und Abednago weigern sich standhaft,

Vor dem goldenen Bild sich zu neigen, das er aufgerichtet.

In den Ofen geworfen, doch unversehrt aus ihm schreitend,

Zeigt sich die Stärke des Glaubens, des unsichtbaren Beistands.

Auch die Träume des Königs vermag Daniel klug zu deuten,

Wie den Baum, der gefällt wird – ein Gleichnis für kommende Strafe.


Dann, in der Stunde des Schicksals, da kam eine Stimme vom Himmel,

Sprach: „Du König von Babel, dein Hochmut wird nunmehr bestraft sein!“

Und er verlor den Verstand, ward aus Menschen Gemeinschaft verstoßen,

Lebte wie Tiere im Feld, aß Gras wie ein Rind auf den Weiden,

Tau des Himmels befeuchtete Leib und zerzauste sein Antlitz,

Bis sein Haar wie Adlergefieder, die Nägel wie Krallen gewachsen.

Sieben Jahre vergingen, wie es die göttliche Stimme

Angekündigt, so kam es – und endlich erlangt er Genesung,

Rühmt den Höchsten, bekennt seine Macht und die Hoheit des Schöpfers.


Doch der Bericht, wie er steht, ist ein Werk der bedrängten Gemeinde,

Ohne Bestätigung außen, ein Bild des gedemütigten Königs.

Nicht verwunderlich ist es, dass solch ein Volk, das gelitten,

Jenen Herrscher verurteilt und finsterer färbt seine Taten.

Was jedoch aufgezeichnet, muss nicht mit Wahrheit sich decken;

Nicht was überliefert, ist gleich der Geschichte Geschehen.


Denn in anderen Schriften erscheint Nebukadnezar ehrwürdig,

Als ein König, gerecht, voller Weisheit, ein Baumeister Babels.

Unter seiner Regierung erblühte die Stadt wie noch niemals,

Wurde zum Zentrum der Künste, der Lehre, der Wissenschaft selber.

Frauen genossen dort Rechte, wie sonst nicht im alten Bereiche,

Wenn auch nicht ganz wie im heutigen Sinne der Gleichheit gestaltet.

Schulen gab es in Menge, wo Lesen, Rechnen und Schreiben,

Wo Astronomie, Baukunst und Heilkunst gemeinsam sich bündten.

Auch war Raum für die Götter der Völker, für andere Kulte,

Toleranz und Erkenntnis durchzogen die Mauern der Stadt.


Eine Tontafel zeigt uns das Bild, das die Stadt sich gegeben:

Mitten im Rund der bewohnten Welt stand Babylon glänzend.

Solche Vision hat der König in irdische Wahrheit verwandelt,

Baute die Gärten, die hängend und üppig das Auge erfreuten,

Machte sein Reich unvergesslich, gelobt in späteren Zeiten.

Friedlich endete dann seine Herrschaft nach dreiundvierzig

Jahren auf Erden – doch kurz nur war Babels Erbe noch sichtbar.

Denn im Jahre, da Kyros erschien mit den Perserscharen,

Fiel die Stadt in die Hände der Feinde, zerbrach ihre Ordnung.

Nie mehr stieg sie empor zu der Höhe, die er ihr gegeben.