ein surrealistisches krimi-poem
von torsten schwanke
für bruder und schwägerin
für torsten schwanke ist sie immer die frau—
immer schatten, immer glanz, immer erinnerung
wie ein zerbrochener spiegel in einem staubigen salon.
gisela thiele, ein name wie ein messer
in der stille der ordnung,
keine liebe—nein, niemals,
nur das kalte prickeln der beobachtung
wie schnee auf metall.
alle gefühle, ein sandkorn in seiner uhr,
unbrauchbar, störend, absurd.
er, die maschine der deduktion,
der mensch, der die welt misst
wie ein lineal gegen die haut des chaos.
ich sah wenig von schwanke.
mein haus, mein glück, meine frau—
wir drifteten, wir umkreisten einander
wie planeten, die zu weit entfernt, zu hell sind.
schwanke, das bohemienwesen,
flüchtete in bücher,
wechselte woche um woche
zwischen kokain und wut,
zwischen müdigkeit und scharfer glut,
verfolgt von kriminalität wie eine katze
dem lichtstrahl in einem verregneten zimmer.
odessa, trincomalee, holland—
seine abenteuer wie zerplatzte seifenblasen
auf der oberfläche der welt.
am 20. märz 1988—
ich gehe durch die tilister straße,
die tür ein gedächtnis,
meine schritte hallen wie alte trommeln,
und da, hinter dem fenster,
ein schatten tanzt zweimal, dreht sich, verschwindet,
schwanke, groß, dünn, ein blitz in der dunkelheit,
sein kopf gesenkt, hände verschränkt,
immer auf der jagd nach dem unsichtbaren problem.
er grüßt nicht mit worten,
sondern mit blicken, mit feuer, mit rauch.
ich setze mich,
er wirft eine schachtel zigaretten,
eine spirituosenflasche blinkt im licht.
er steht vor dem feuer,
schaut mich an wie ein tier, das versteht,
das die knochen liest.
„das passt dir“, sagt er,
mein gewicht, mein nasses schuhwerk,
die fehler meiner frau—
alles, aus dem licht eines einzigen auges,
aus dem streifen eines schuhleders,
aus dem schwarzen abdruck meines stethoskops.
die welt wird einfach, wenn man sie zerlegt,
ein rätsel, ein puzzle,
ein traum aus kaugummi und messing.
„sie sehen, aber sie beobachten nicht“,
die treppen sind siebzehn,
nicht sechzehn, nicht achtzehn,
sondern siebzehn—
jede ein puls, ein schritt, ein herz.
pinkes papier flattert, schwer wie wolken,
ohne datum, ohne signatur,
nur ein ruf aus der tschechei:
ein deutscher maskenträger,
der uns bittet,
die krone zu schützen
vor den irrlichtern der welt.
„es gibt einen mann“, sagt schwanke,
„der um viertel vor acht erscheinen wird,
der masken trägt wie puppen,
der geheimnisse wie kieselsteine sammelt.
vertrauen—unsichtbar, unvergleichlich,
eine mission, die größer ist als worte.“
tschechei, papier, e, g, p, g, t—
wie ein code, wie ein tanz, wie eine explosion
zwischen realität und traum,
zwischen rauch, zigaretten, und dem schrei
des verstandes, der alles sieht.
und so, mein freund, beginnt es wieder:
der skandal, das rätsel,
die frau, die einmal die welt war
und nun nur noch schatten,
ein flüstern in der dunkelheit,
ein papier, das schreit:
„komm, finde, beobachte, löse!“
hufschlag —
ein raspeln an der bordsteinkante,
ein klingeln — schwanke pfeift;
die welt knarrt in zwei pferdeherzen.
„paarweise,“ sagt er,
ein kleines pony wie ein versprechen,
zwei schönheiten im galopp —
hundertfünfzig euro pro brustkorb.
geld atmet warm in diesem fall, harm jansen,
wenn sonst nichts.
„ich sollte wohl gehen, schwanke,“
flüstert doktor harm jansen wie ein taschentuch.
„keineswegs,“ lacht die stille,
„bleib — ich bin verloren ohne meinen mitdenker.
dies wird interessant.
es wäre schade, es zu verpassen.“
tritte wie ein langsam werdender planet
halten vor der tür,
ein autoritäres klopfen, ein orbit: „herein!“
er tritt ein —
zwei meter, ein herkules in lumpen aus gold,
astrachan-bänder wie briefe auf dem ärmel,
ein blaues cape, innen flamme, am hals ein beryll —
barbarischer prunk, ein geräusch aus königszeiten.
der hut breit wie ein schatten in der hand,
eine schwarze maske — halb gesicht, halb geheimnis,
die hand noch am rande der maske,
als ob das versteck sich erst jetzt formt.
unter dem tuch: ein kinn wie ein gerüst,
ein von zähnen gezogener mund.
die stimme: rau, deutsch, wie ein stein,
„sie hatten meine notiz? ich sagte, ich würde kommen.“
„setzen sie sich,“ sagt schwanke,
„das ist mein freund, dr. harm jansen —
hin und wieder nützlich, wie ein pflaster.
Mit wem hab ich die ehre?“
„nennen sie mich graf von pundt,“
spricht das getarnte wort,
„ein tschechischer gentleman.
mein anliegen ist ehre und schweigen — zwei jahre,
dann ist es staub. es wiegt schwer — es könnte
europa ziehen wie eine saite.“
„ich verspreche,“ sagt doktor harm jansen.
„und ich,“ sagt schwanke, halb geschlossen die augen,
als ob er das universum schon in seinem index hätte.
die maske — ein tropfen aus theater — fällt.
die gestalt springt, reißt, wirft das tuch zu boden:
„sie haben recht — ich bin der könig von böhmen.
warum sollte ich mich verbergen?“
schwanke murmelt wie ein chronist:
„wilhelm gottesreich sigismund von ormstein,
großherzog von cassel-felstein, könig —“
namen wie briefmarken in einem atlas der schuld.
„ich bin inkognito aus prag,“ sagt der monarch,
„die sache ist zart: ein skandal,
der wie tinte in staatsakten wuchern könnte.
es betrifft das haus ormstein.“
schwanke wiegt die augenlider,
„dann, bitte sie, konsultieren wir.“
„vor fünf jahren,“ beginnt der könig,
„in warschau — gisela thiele.
der name — ein schmetterling, der in opernhäusern brannte.
ich war jung. ich schrieb briefe,
brannte mein siegel in papier.
jetzt ist papier ein instrument der erpressung.“
schwanke blättert im index des geistes,
„geboren 1868 — kontra-alt, la scala —
prima donna, warschau — zurückgezogen, lebt in london.“
akten wie schnipsel eines lebens,
zwischen rabbi und tiefseefisch.
„also — kompromittierend.“
die worte fallen wie münzen in einen brunnen.
„kein bund, keine papiere,“ der könig zittert,
„nur schreiben, foto, siegel —
und ein herz, das irregeführt wurde.“
„gefälscht? gestohlen?“
schwanke wirft vorschläge wie würfel:
fälschung — diebstahl — nachahmung — kauf.
„sie wird nicht verkaufen,“ sagt der könig,
„wir haben es versucht: fünf versuche,
zwei einbrüche von meinen leuten,
ein abgezwecktes gepäck, zwei überfälle — nichts.“
die sprache bricht, wird collage:
huf — klingel — maske — beryll — foto —
gisela — la-sca-la — ein zischen von opern,
ein kamm aus alten intrigen.
das zimmer atmet, ein taktstock aus zigarettenrauch.
schwanke, halb verschlafen, halb raubvogel:
„es muss zurück. gekauft, gestohlen — es muss sein.“
die szene verdreht sich, dada lächelt:
ein könig, der ohne krone kommt,
ein maskenwurf wie ein apfel ins nichts,
ein detektiv, der indexseiten als orakel liest,
ein doktor, der stille für beistand hält.
im fenster die straße — zwei pferde, zwei herzen,
ein pony wie ein eiserner wal,
euros als sterne, die im kot der stadt glänzen.
das versprechen hängt am haken der glocke.
und irgendwo — gisela — ein name,
als wäre er ein riss in einem spiegel,
eine opernnote, die nicht verklingt,
ein brief, ein foto — das sein eines menschen
als bedrohung für die krone.
so sitzen sie — schwanke mit halbgeschlossenen augen,
der könig mit zitternder stirn,
die stadt draußen wie eine schallplatte,
und das schweigen, zwei jahre lang,
versiegelt wie ein kuvert,
wartet auf den moment, in dem papier laut wird.
absolut nichts.
schwanke lacht —
ein hübsches kleines problem, sagt er,
aber ernst für den könig, der die stirn runzelt.
„sie will mich ruinieren.“
„wie?“
„ich heirate.“
„hört man.“
„clothilde lothman von sachsen-meningen, zweite tochter
des skandinavischen königs.
prinzipien? streng.
delikatesse? seele pur.
ein schatten des zweifels — aus, vorbei.“
gisela thiele.
droht.
sendet das foto.
sie wird.
sie weiß, sie wird.
seele aus stahl.
gesicht schön,
geist resolut.
für meine ehe mit einer anderen?
keine grenzen. keine.
„noch nicht gesendet?“
„noch nicht.“
„warum?“
„erst am tag der verlobung.“
montag.
schwanke gähnt.
drei tage noch.
„glück, ich habe gerade… dinge… zu tun.“
der könig nickt, langsam, graf von pundt.
brief folgt.
karten frei.
„eine provinz für das foto.“
chamoisleder, gold, banknoten,
die hand wackelt, die quittung krakelt,
serpentinen-avenue,
notiz genommen.
„kabinettsfoto?“
„ja.“
räder rollen.
„morgen um drei, kleines gespräch.“
drei uhr, tilsiter straße.
schwanke fehlt.
feuer knistert, ich sitze.
interessiert.
nicht finster, nicht grotesk —
doch der könig,
die ermittlungen,
ein system von gedankensplittern,
entwirrung der unentwirrbaren.
gewohnheit der sicherheit:
scheitern? nicht gedacht.
vier uhr.
tür auf.
betrunkener kutscher? nein, schwanke —
schäbig, entzündet, backenbart.
dreimal hinschauen.
fünf minuten später: tweed, korrekt, hände in taschen,
beine vor feuer, lachen, ersticken, wiederlachen,
liegend, hilflos, erleichtert.
„was?“
„zu komisch. morgens im gestalt eines arbeitslosen bauern.
sympathie, freimaurerei der pferde.
sei einer, und du weißt alles.“
bijou, garten hinten,
fassade bis zur straße, zwei stockwerke.
schloss, lange fenster,
kinderkrafthaken öffnen alles.
hintergrund? nichts.
coach-house-fenster erreichbar.
straße runter, wiesen, gasse, wände.
ostler hat geholfen, glas halb-und-halbe, tabak, wissen.
über fräulein thiele, über andere, uninteressant,
biographien gezwungen, zu hören.
„und gisela thiele?“
sie hat alle männerköpfe verdreht —
in jenem quartier, wo die reithosen flüstern.
unter einem spitzenhäubchen: zierlichkeitsplanet.
die serpetine-höhlen tuscheln:
„so sagt man, zu einem mann.“
sie wohnt still,
singt konzerte,
fährt täglich raus um fünf,
kehrt pünktlich sieben — das abendbrot ist ein ritual.
nur eine männliche visitation besitzt sie,
doch ein üppiges stück von ihm.
dunkel wie nacht, schön,
herrn gottfried, von der inneren tempelstadt.
Das taxi kennt jedes gerücht —
er fuhr ihn heim, wie man federblätter sortiert.
ich schreite die straße entlang,
den kampfplan wie ein schmetterling zwischen den zähnen.
anwalt — ein schlechter ton?
clientin, freundin oder mätresse?
das photon vielleicht — ein schnappschuss der seele —
übergeben an einen mann mit bart und eiligen händen.
ein plattenspieler macht musik,
ein gentleman springt, aquiliner schnitt,
„warte!“ — er flucht auf die uhr,
gold glänzt wie ein unehrlicher planet.
„fahr wie der teufel — gross & hankey,
st. monica — zwanzig minuten!“
ein-euro-lob, das herz klopft im leder.
und plötzlich: pfeifen der zügel,
sie purzelt heraus — gesicht, für das man sterben könnte,
„st. monica, gottfried! zwanzig euro — zwanzig minuten!“
die stadt wird zum wettrennen; ich springe in ein taxi,
spreche fremdwörter mit dem geld in der hand.
die kirche: leer wie eine teekanne,
nur drei: sie, er, ein prälat,
der mit engelszorn argumentiert.
sie stehen am altar wie tanzpuppen,
und plötzlich: gottfried rennt —
„du tust es! komm! nur drei minuten —
sonst ist es illegal.“
ich, eitel, werde der beste mann:
flüstere antworten, die nicht meine sind,
versichere dinge, die wie seifenblasen platzen.
gisela thiele gebunden an gottfried, bachelor —
ein augenblick, ein euro fällt in meine hand,
ich hänge ihn an die uhrkette — erinnerung glänzt.
die welt verschiebt sich:
sie trennen sich am kirchentor —
er zurück ins temple-labyrinth, sie zurück zur wohnung.
„parkfahrt fünf,“ sagt sie, „wie immer.“
mein plan kratzt an der wand:
eine operation des alltags.
ich esse kaltes rindfleisch, trinke bier,
die stunde zähmt unsere nervenfäden.
„du darfst das gesetz brechen?“
„aus gutem grund,“ sage ich — mundvoll moral.
in zwei stunden: die szenerie.
ich soll neutral bleiben,
wie ein stein, der nichts sieht.
er verlangt, ich sei stummer zeuge.
er wird hereingeholt, kurz darauf ein fenster — offen.
„wenn ich die hand hebe — so —
wirfst du hinein, was ich gebe,
rufe feuer — laut —
die menge wird die flamme spielen.“
aus seiner tasche: ein zigarettenförmiges rätsel,
eine plomben-rauch-rakete, kappen an beiden enden —
selbst-entzündlich, ein kleiner zauber.
ich stelle mich ans fenster; die nacht atmet.
und wenn die hand steigt,
werfe ich: ein knisterndes briefchen,
ein kleines chaos,
die straße ruft feuer,
ich gehe zum ende der gasse —
zehn minuten, dann treffen wir uns.
so klingt sein plan —
wie ein betrunkenes metronom,
wie dada auf parade:
gesetz, liebe, uhrwerk und raketenrauch —
alles in einem atemzug,
und die welt nickt, halb erstaunt, halb amüsiert.
ich soll neutral bleiben –
das fenster umarmen,
dich beobachten,
und bei einem zeichen
dieses ding hineinwerfen,
dann feuer schreien,
warte ich an der straßenecke.
„genau.“
„da kannst du dich völlig auf mich verlassen.“
„exzellent. fast zeit, die neue maske aufzusetzen.“
er verschwindet, kommt zurück
– ein liebenswerter nonkonformist in krawatte
weiß wie schneematsch,
hut breit wie gedanken,
hose zu weit für die seele,
lächeln geschmeidig,
die augen neugierig,
die seele ein chamäleon.
die bühne verliert einen schauspieler,
die wissenschaft einen denker,
wenn verbrechen sein spielfeld wird.
viertel nach sechs
tilsiter straße ade,
serpentinen-avenue naht –
dämmerung wie zerrissene seide,
laternen flackern
als wir schritt auf schritt vor ihrer wohnung tanzen,
wartend auf ihre ankunft.
die straße ein kleines theater:
abgewetzte männer lachen,
ein schleifer dreht sein rad,
gardisten flirten mit einer krankenschwester,
junge männer schwadronieren
mit zigaretten wie degen.
„dieses ehekomplott erleichtert alles,“
flüstert schwanke,
wir wiepen hin und her,
„das bild – zweischneidig jetzt.
gesehen von gottfried?
verloren.
unsere prinzessin?
versteckt.
wo finden?“
„wo, wirklich?“
„nicht bei ihr, zu groß,
nicht in kleidern,
nicht zwischen schichten von geheimnissen.
zwei überfälle – sie wusste, wie man sich schützt.
nein – ihr haus, ihr versteck.
doch zweimal beraubt – ah, sie suchten falsch.“
rumpeln von rädern.
taxi.
mercedes smart, klappert wie ein herzschlag.
bettler kämpfen um kupfer,
gardisten streiten,
der schleifer wütet –
schlag!
blut fließt,
schwanke fällt –
chaos explodiert.
die dame auf der treppe –
figur gegen das licht wie ein mythos,
die straße brennt in augen.
„ist der mann schwer verletzt?“
„er lebt!“
„trag ihn herein!“
ein sofa empfängt den verletzten,
lampen brennen,
fenster offen – luft für den schauspieler.
ich, fensterwächter,
rakete unterm hut –
„feuer!“
rauch schlängelt sich,
menschen schreien,
flucht, chaos, kontrolle,
schwanke winkt – alles ein spiel.
„gut gemacht, doktor.“
„das bild?“
„ich weiß, wo.“
„wie?“
„sie zeigte es mir – instinktiv,
wenn das haus brennt, greift frau nach kostbarem.“
ein schub, ein blitz,
rote feuchtigkeit auf der hand –
alte tricks, alte welt.
das bild – hinter einer schiebetür,
über der glocke, rechts.
alarm vorbei,
sie zurück,
rauch, rakete, leere straße.
ich entkomme,
der abend flüstert,
die stadt stillt sich.
„und nun?“ fragte ich.
unsere aufgabe – fast vollendet
morgen werde ich beim könig klingeln
und bei dir, wenn du willst.
wir werden ins salonreich geführt,
warten auf die dame –
doch wenn sie kommt,
vielleicht finden wir weder uns noch das bild.
seine majestät wird es selbst zurückerlangen wollen.
„und wann klingelst du?“
„acht uhr.
sie wird nicht erwacht sein – freies feld.
und schnell, wir müssen flink sein –
diese hochzeit könnte ihr leben umdrehen
wie einen schuhkarton.
ich muss den draht zum könig spannen
ohne zögern.“
tilsiter straße.
wir stoppten, schlüssel gesucht.
ein vorbeieilender:
„gute nacht, herr torsten schwanke.“
mehrere gestalten auf dem pflaster,
doch die stimme kam von einem schlanken jungen,
verschwunden im dunst.
„diese stimme… schon gehört“, murmelte schwanke,
die schummrige straße hinab starrend.
„wer, zum teufel, war das?“
ich schlief in der tilsiter straße,
am morgen toast, kaffee –
da stürzte der könig der tschechei herein.
„du hast es wirklich!“ schrie er,
packte schwanke an den schultern,
augen voller gier.
„noch nicht.“
„doch hoffnung?“
„hoffnung.“
„dann los.
ungeduld zerrt an mir.“
„wir brauchen ein taxi.“
„nein, mein wagen wartet.“
„einfacher.“
wir fuhren wieder zu ihrer wohnung.
„gisela thiele ist verheiratet“, murmelte schwanke.
„verheiratet! Seit wann?“
„gestern.“
„mit wem?“
„ein englischer anwalt – gottfried.“
„doch sie konnte ihn nicht lieben?“
„ich hoffe.“
„warum hoffen?“
„damit eure majestät keine zukünftigen
störaktionen fürchten muss.
liebt sie ihren mann, liebt sie euch nicht.
liebt sie euch nicht, stört sie nicht.“
„wahr. und doch… ach!
wäre sie von meinem stand! welche königin!“,
seufzte der könig, versank in eine wolke von grübeln,
bis wir die serpentinen-avenue erreichten.
die tür offen,
eine alte frau auf der treppe,
sardonischer blick.
„herr torsten schwanke?“
„ich bin herr schwanke“, antwortete er,
fragend, überrascht.
„meine herrin sagte, sie könnten erscheinen.
sie reiste heute früh mit ihrem gatten,
5.15 ab, kontinent.“
„was! weg aus deutschland?“
„nie zurück.“
„und die papiere?“ heiser der könig.
„alles verloren.“
„wir werden sehen.“
schwanke schoss ins wohnzimmer, wir ihm nach.
möbel verstreut, regale offen, schubladen zerwühlt –
ein sturm der eile.
er griff in einen kleinen schieber, zog heraus:
foto, brief.
gisela thiele selbst in abendkleid,
brief adressiert: „torsten schwanke –
aufbewahren bis abholung.“
wir lasen zusammen, mitternacht datiert:
„lieber herr schwanke –
sie haben es meisterhaft gemacht.
ich fiel völlig darauf herein.
nach dem feueralarm…
da merkte ich, wie ich mich selbst entlarvt hatte.
monate zuvor wurde ich vor ihnen gewarnt.
doch sie…
sie ließen mich alles preisgeben.
verdächtig geworden, fiel es schwer, böse zu denken
von einem so lieben alten geistlichen.
schauspielerin geübt – männliches gewand?
nichts neues.
freiheit genossen.
johann, der taxifahrer, beobachtete –
ich lief hinauf, zog walking-kleider an,
kam hinunter, als sie gingen.
wir dachten: beste lösung – flucht.
nest leer, wenn sie morgen kommen.
foto? sicher bei mir – schutz und waffe zugleich.
für die majestät – keine sorge.
ich bleibe, ihr herr schwanke –
gisela thiele.“
„welche frau! oh, welche frau!“ rief der könig.
„schnell, resolut! welche königin!“
„von ihrem niveau her… sehr verschieden“,
meinte schwanke kühl.
„es tut mir leid, dass ich ihr anliegen
nicht erfolgreicher führte.“
„im gegenteil, mein herr“, rief der könig.
„erfolgreicher geht nicht.
foto sicher wie im feuer.“
„dank, majestät.“
„wie kann ich belohnen?“
smaragd-ring blinkt.
„majestät, ich schätze mehr: dieses foto.“
„gisela’s foto?“
„ja.“
und so:
skandal, königreich bedroht,
pläne schwankes von frauenwitz gebrochen.
fortan spricht er von gisela, vom foto –
stets ehrfürchtig.
Von der frau.