SILBER UND STAUB


THEATERSTÜCK IN EINEM AKT


VON TORSTEN SCHWANKE



Personen:


Anna – die Ehefrau, 48 Jahre alt. Sanft, verletzlich, doch innerlich stark.


Martin – ihr Ehemann, 50 Jahre alt. Getrieben von Sehnsucht nach Jugend und Veränderung.


Schwester Klara – Annas jüngere Schwester, Nonne, 44 Jahre alt. Still, aber von tiefer geistiger Klarheit.


Ort:

Ein schlichtes Wohnzimmer, geschmückt mit welken weißen Rosen, Resten einer Feier — die Silberne Hochzeit. Auf dem Tisch liegt ein silberner Kerzenständer, halb abgebrannt.


ERSTE SZENE


(Anna sitzt auf dem Sofa, den Schleier eines grauen Festkleides in den Händen drehend. Man hört draußen den Regen. Martin steht beim Fenster, nervös, mit offenem Hemdkragen.)


Anna:

Warum sagst du es jetzt, Martin? Heute. Heute, wo alles Silber war.


Martin:

Weil es sonst nie ein "richtiges" Heute gegeben hätte. Ich hab zu lange gewartet.


Anna:

(Leise, bitter)

Du wartest also fünfundzwanzig Jahre… und nennst das „Warten“.


Martin:

Anna, sie— sie erinnert mich daran, wer ich war. Bevor wir „wir“ wurden.


Anna:

Sie?

(Mit müdem Lächeln)

Du meinst, bevor du alt wurdest.


Martin:

Vielleicht. Oder bevor ich müde wurde vom Altsein.


Anna:

(Er steht, sie bleibt sitzen. Dann, ruhig:)

Und ich? War ich nur dein Schatten?


Martin:

Nein. Du warst mein Zuhause. Aber manchmal… erstickt einen das Zuhause.


(Ein Schweigen. Nur Regen.)


(Klopfen an der Tür. Anna steht auf, öffnet. Schwester Klara tritt ein – in schlichtem Habit, mit einem Schirm in der Hand. Sie sieht Martin, nickt kaum.)


Klara:

Martin.


Martin:

Klara. Ich… wollte nicht—


Klara:

Das glaube ich dir. Man will vieles nicht.

(Sieht zu Anna)

Ich kam, weil ich wusste, du würdest heute weinen.


(Martin senkt den Blick, nimmt seinen Mantel. Schweigt.)


Anna:

Geh nur.

(Mit leiser Stimme)

Ich halte dich nicht mehr.


Martin:

(Flüstert)

Danke.


(Er geht. Die Tür fällt ins Schloss. Stille. Nur das Ticken einer Uhr.)



ZWEITE SZENE


(Anna sitzt wieder. Klara setzt sich neben sie, legt die Hand auf ihre.)


Anna:

Er war mein Leben, Klara.

Und jetzt... bin ich nur noch das, was übrig blieb.


Klara:

Nein. Du bist, was bleibt. Das ist etwas anderes.


Anna:

Du redest wie eine Nonne.


Klara:

Ich bin eine.

(Atemzug)

Aber glaub mir, auch ich kenne das Sterben der Liebe. Nur dass ich es „Opfer“ nenne.


Anna:

Und hilft das?


Klara:

Manchmal. Manchmal nur der Gedanke, dass Liebe nie verloren geht, sondern sich verwandelt.

Vielleicht liebt er dich jetzt – auf eine andere, armseligere Weise.

Aber Gott liebt dich noch auf dieselbe.


(Anna lehnt den Kopf an Klaras Schulter.)


Anna:

Ich wollte nur, dass jemand bleibt.


Klara:

Ich bin geblieben.


(Pause.)


Anna:

Sag mir, Schwester – warum tut Liebe weh, wenn sie doch von Gott kommt?


Klara:

Weil sie uns an ihn erinnert.

Und weil wir noch nicht so lieben können, wie er.


(Beide schweigen. Der Regen hört auf. Durch das Fenster fällt ein schwacher Sonnenstrahl. Anna hebt den silbernen Kerzenständer, betrachtet ihn.)


Anna:

Silber… es glänzt nur, wenn es Licht hat.


Klara:

Dann zünde die Kerze wieder an.


(Sie tun es. Die Flamme zittert, aber bleibt. Licht fällt auf ihre Gesichter.)


Vorhang.