VON TORSTEN SCHWANKE
CANTO I
Voller Trauer hockte
Diego,
Keiner je war so
voll Trauer,
Alle Tage, alle
Nächte
Dachte er an seine
Schande.
Ach die Schmach des
edlen, alten
Hauses derer von
Lainez,
Das die Inigos an
Ehre,
Die Abarcos
übertroffen.
Tief verletzt und
schwach vom Alter
Ahnte er sich nah
dem Tode,
Doch sein Gegner,
das war Gormaz,
Gormaz aber
triumphierte.
Ohne Essen, ohne
Schlummer
Schlug er seine
Augen nieder,
Trat nicht über
seine Schwelle,
Sprach auch nicht
mit seinen Freunden.
Hörte nicht den Rat
der Freunde,
Wenn sie kamen, ihn
zu trösten,
Denn der Atem des
Verletzten,
Dacht er, stinke
seinen Freunden.
Doch er schüttelte
die Bürde
Ab der Schwermut und
des Grames,
Er ließ kommen
seine Söhne,
Doch er sprach nicht
zu den Kindern.
Und er band der
Söhne Hände
Fest mit unlösbaren
Fesseln,
Alle, Tränen in den
Augen,
Baten ihn um sein
Erbarmen.
Ach er war schon
ohne Hoffnung,
Als der Jüngste
seiner Söhne,
Als Rodrigo seinem
Herzen
Wieder Freude gab
und Hoffnung.
Seine Augen
Tiger-Augen,
Trat er hin zu
seinem Vater.
Vater, sprach er,
nicht vergesse,
Wer du bist und wer
dein Sohn ist.
Hab ich nicht in
meinen Händen
Mein Gewehr von dir
empfangen,
Dann mit einem
scharfen Messer
Strafte ich die
Schmach und Schande.
O da strömten
Freudentränen
Auf die Wangen
seines Vaters!
Und er sprach, den
Sohn umarmend:
Du, Rodrigo, bist
mein Liebling!
Du gibst mir die
Ruhe wieder,
Meine Schmerzen
heilt dein Ingrimm!
Kämpf nicht gegen
deinen Vater,
Sondern gegen meine
Feinde!
Vater, wer sind
deine Feinde,
Sprach Rodrigo, wer
beleidigt
Unsere Familie,
Vater?
Vater, komm, erzähl
geduldig.
CANTO II
Er vernahm die
Schmach des Vaters,
Und Rodrigo voll
Gedanken
Dacht an seiner
Jugend Jahre,
Dachte an die Macht
des Feindes.
In Asturiens
Gebirgen
Gormaz hat wohl
tausend Freunde,
Ist im Königsrat
der Erste,
Ist der Erste auch
im Kriege.
Denkt er aber an die
Schande,
Die dem Vater
zugefügt ward,
Was bedeutet dann
das andre?
Von dem Himmel will
er Rache!
Heldenmut ist er der
Ehre
Schuldig trotz der
jungen Jahre,
Für die Ehre stirbt
im Adel
Selbst der
neugeborne Säugling!
Und er nahm sich
schnell den Degen,
Den Mudarra einst
getragen,
Dieser Bastard voll
der Stärke,
Und der Degen war
voll Trauer,
Musste er im Alter
rosten,
Seines Meisters Tod
beweinen.
Und Rodrigo griff
zum Degen
Und er sagte zu dem
Degen:
Höre dies, du edler
Degen,
Dass ein Arm dich
fasst mit Stärke
Wie der Bastard!
Aber fühlst du,
Dass mir fehlt noch
solche Stärke,
Werde ich doch
niemals fliehen,
Wenn ich dich im
Kriege führe.
Bist von edlem
Stahl, du Edler,
Doch mein Herz ist
besser stählern!
Der, dem du bisher
gedient hast,
Freut sich deines
neuen Meisters.
Wär ich je nicht
deiner würdig,
Sollst du keinem
Mann mehr dienen.
Tief in meine
Eingeweide
Bohrt ich dich! Und
nun ins Offne!
Denn gekommen ist
die Stunde,
Die gerechte Zeit
der Rache!
Heimlich, dass es
keiner merke,
Ging er aus dem Haus
des Vaters.
Eine Stunde später,
siehe,
Traf er seine
stolzen Feinde.
CANTO III
Auf dem Platz vor
dem Palaste
Traf Rodrigo nun den
Gormaz,
Ihn allein, sonst
keiner da war,
Und er sagte zu dem
Grafen:
Kanntest du, o edler
Gormaz,
Mich, den jüngsten
Sprössling Diegos,
Als du ausgestreckt
die Hände
Auf sein ehrenwertes
Antlitz?
Wusstest du denn,
dass mein Vater
Von dem Layn Calvo
abstammt,
Deass nichts reiner
ist und edler
Als sein Blut und
seine Waffe?
Weißt du nicht,
dass, da ich lebe,
Ich, sein Sohn, kein
Mann auf Erden
Und auch nicht der
Herr des Himmels
Straflos meinen
Vater schändet?
Weißt du, sprach
der edle Gormaz,
Was die Hälfte ist
des Lebens?
Ja, Rodrigo sprach,
ich weiß es,
Was die Hälfte ist
des Lebens.
Eine Hälfte ists,
den Edlen
Zu verehren und die
andre
Ists zu strafen
stolzen Hochmut
Bis zum letzten
Blutestropfen.
Abzuwehren ist die
Schande.
Als Rodrigo dies
geredet,
Sah er an den
stolzen Grafen,
Der nun diese Worte
sagte:
Was denn willst du,
junger Hitzkopf? -
Deinen Tod, du
stolzer Gormaz,
Sprach der Cid, ich
habs geschworen. -
Schläge willst du,
junger Knabe,
Sagte Gormaz, eines
Pagen
Schläge du
verdienst, du Knabe. -
O ihr Heiligen des
Himmels,
Wie doch war der Cid
voll Zornes!
CANTO IV
Tränen tropften,
große Tränen
Tropften auf des
Alten Wangen,
Der, an seinem
Tische sitzend,
Alles um sich her
vergessen.
Dachte an des Sohns
Gefahren,
Dachte an des
Jünglings Jugend,
Dachte an des Sohns
Gefahren
Und die Stärke
seines Feindes.
Den Gekränkten floh
die Freude,
Floh den guten Mut,
die Hoffnung.
Diese aber mit der
Ehre
Freudig sind zurück
gekommen.
Noch in tiefen Gram
versunken,
Sah er nicht Rodrigo
kommen,
Mit dem Degen in der
Rechten
Und der Linken auf
dem Busen
Sah er lange an den
Vater,
Fühlte tief im
Herzen Mitleid,
Trat zu ihm und gab
die Hand ihm,
Sagte: Iss nur,
lieber Alter,
Sagte er, zum Tische
zeigend.
Feuriger nun flossen
Diego
Heiße Tränen: O
Rodrigo,
Sagst du zu mir
solche Worte?
Ja, mein Vater, und
erhebe
Wieder nun dein
edles Antlitz! -
Ist gerettet meine
Ehre? -
Ja, getötet ist der
Gegner. -
Setze dich, mein
Sohn und Liebling,
Gerne will ich mit
dir essen.
Wer den Feind
ermorden konnte,
Ist der Erste seines
Stammes.
Weinend neigte sich
Rodrigo,
Küsste seines
Vaters Hände,
Weinen küsste nun
auch Diego
Seines
Lieblingssohnes Antlitz.
CANTO V
Heulen und Geschrei
und Rufen,
Hufetrampeln,
Menschenstimmen
Mit der Lärm der
Waffen schallte
Vor dem Königshof
von Burgos.
Und es trat aus
seiner Kammer
Don Fernando, und
dem König
Folgte seines Hofes
Adel
Bis zur Pforte des
Palastes.
Vor der Pforte stand
Ximene,
Offen trug das Haar
sie, trauernd,
Und in Tränentau
gebadet
Kniete nieder sie
vorm König.
Von der andern Seite
Diego
Kam mit vielen
Edelmännern,
Unter ihnen war
Rodrigo,
Stolz Kastiliens war
Rodrigo.
Jeder ritt auf
seinem Maultier,
Aber er auf seinem
Hengste.
Jeder trug den
feinsten Handschuh,
Er allein des
Reiters Handschuh.
Jeder ging in
Schmuck und Seide,
Aber er im Schmuck
der Waffen.
Einzigartig war
Rodrigo,
Stolz Kastiliens war
Rodrigo.
Und das Volk, die
Ritter sehend,
Und der Hof, an den
sie kamen,
Sagten: Seht euch an
den Jüngling,
Der den Gormaz tot
geschlagen!
Und Rodrigo schaute
um sich
Ernsten Angesichts:
Ist einer,
Den des Grafen Tod
beleidigt,
War er Freund, war
er Verwandter,
Seis zu Fuße, seis
zu Pferde,
Stelle er sich dem
Duelle! -
Aber alle Männer
riefen:
Soll der Teufel mit
dir kämpfen!
Jeder stieg von
seinem Maultier,
All die vielen
Edelknappen,
Ihres Königs Hand
zu küssen.
Aber stolz auf
seinem Hengste
Saß Rodrigo. Komm
herunter,
Sprach der Vater,
deines Königs
Hand zu küssen. -
Gern gehorch ich
Deinetwillen, lieber
Vater.
CANTO VI
Mit zerrissnem
Trauerschleier
Sprach Ximene zu dem
König,
Ihre Augen voller
Tränen,
In der Trauer welche
Schönheit!
Schön wie eine
feuchte Rose
Glänzte sie mit
ihren Tränen,
Schöner blühten
ihre Wangen,
Glühend von
gerechten Schmerzen.
Ihr Worte sagt der
Dichter,
Aber nicht den
Blick, die Seufzer.
König, sprach sie,
frommer König,
Mir zu meinem Recht
verhelfe!
Der getötet meinen
Vater,
Der ist eine böse
Schlange.
Ach, mein Vater ward
ermordet,
Der das Königreich
beschützte.
Tot mein Vater, der
von Helden
Stammte, die mit
ihren Fahnen
Einst Pelagius, dem
König,
Folgten, der gedient
hat Christus.
Tot mein Vater, der
den Glauben
Mutig voller Kraft
beschützte,
Er, der war die
Furcht Almansors,
Er, der Ruhm des
Königreiches,
Edelstein der
Königskrone
War mein edler toter
Vater.
Nein, ich brauche
nicht Erbarmen,
Nach Gerechtigkeit
verlang ich!
Was sind ungerechte
Fürsten?
Nicht soll ihm der
Adel dienen,
Noch die Königin
ihn küssen,
Er verdient sich
keine Küsse!
Ach du wilder Wolf
Rodrigo,
Komm, durchbohre
meinen Busen!
Offen steht mein
Busen voller
Trauer! Komm, mich
tot zu schlagen!
Warum nicht die
Tochter töten,
Der du tötetest den
Vater!
Warum nicht die
Feindin töten?
Ich bin ewig deine
Feindin!
Rache fordert sie
vom Himmel
Und Gerechtigkeit
auf Erden! -
Doch Rodrigo blieb
verschwiegen.
Und er griff des
Hengstes Zügel,
Kehrte aller Welt
den Rücken,
Schaute, ob ihm
einer folge,
Doch da folgte ihm
kein Ritter,
Doch da folgte ihm
kein Krieger.
Und Ximene, dieses
sehend,
Rief mit starker
Frauenstimme:
Rache, starke
Krieger, Rache!
Wer mich rächt,
wird mich gewinnen!
CANTO VII
An dem Tische saß
Fernando,
König im Palast von
Burgos,
Als Ximene, voller
Trauer,
Voller Tränen, vor
ihm kniete.
Mit demütigen
Gebärden
Sprach sie klagend
diese Worte:
König, eine arme
Waise
Kommt, bei dir den
Schutz zu suchen.
Ach, auch meine arme
Mutter
Starb voll Gram, es
ist mein Erbe
Nur die Schande
meines Vaters,
Denn noch lebt der
böse Mörder.
Täglich muss den
Mann ich sehen,
Den voll Hochmut
stolzen Lainez,
Immer ist er mir vor
Augen,
Wenn er mit dem
Falken reitet.
Der erwürgte meine
Tauben,
Junge Tauben, alte
Tauben.
Sieh das Blut auf
meinem Kleide,
Ist das Blut der
jüngsten Taube.
Oft hab ich es ihm
verboten,
Aber was gab er zur
Antwort?
Lies den Brief,
gerechter König,
Den er mir zum Spott
gesandt hat.
An Ximene! Die du
jammerst,
Schöne, reizende
Ximene,
Dass mein Falke
deine Tauben
Täglich komme zu
zerreißen,
Kommt der Herr bald
mit dem Falken,
Will er einmal sehn
die Schöne,
Der vom Schicksal
angekündigt
Wurde und von seinem
Falken.
Als der König das
gelesen,
Stand er auf von
seinem Stuhle,
Sandte einen Brief
an Diego,
Heimlich sendend die
Epistel.
Wissen wollt der
Sohn den Inhalt.
Nein, bei Gott und
seiner Mutter,
Nimmer lasse ich, o
Vater,
Dich allein zum
König gehen.
CANTO VIII
Eingefallen in
Kastilien
Waren Könige der
Mauren.
Ach Verwüstung,
Mord und Feuer,
Vergewaltigung und
Terror!
Burgos war bereits
verwüstet,
Montes D‘Oca,
Belforado,
San Domingo und
Naxara,
Ganz verwüstet alle
Länder.
Fort getrieben
wurden Herden,
Männer, Frauen,
Knaben, Mädchen,
Mädchen weinten,
Knaben fragten:
Mutter, nun wohin
des Weges?
Siegreich sammelten
die Mauren
Schon den Raub,
zurück zu kehren,
Niemand ihnen war
begegnet,
Nicht einmal der
Christen König.
Doch in Bivar auf
dem Schlosse
Hörte von der Not
Rodrigo,
Zählte noch nicht
zwanzig Jahre,
War ein Mann schon
voller Starkmut.
Auf den Renner
Babieca
Stieg er, wie in
Wolken droben
Jahwe reitet auf dem
Cherub,
Und durcheilte seine
Heimat.
Die Vasallen seines
Vaters
Rief er auf zum
Kampf, sie waren
Angelangt in Montes
D‘Oca
Und erwarteten die
Feinde.
O du guter Herr im
Himmel!
Von den aggressiven
Mauren
Da zog keiner mehr
durch Spanien,
Das geweiht dem
König Christus.
Aber die geraubten
Herden,
Männer, Frauen,
Knaben, Mädchen,
Alle gingen ihres
Weges
Froh in neu
errungner Freiheit.
Die gefangnen
Maurenfürsten
Schickte nun zu Don
Fernando,
Zu dem König, Don
Rodrigo,
Die Gefangnen als
Geschenke.
CANTO IX
Auf dem Throne saß
Fernando,
Seiner Untertanen
Klagen
Anzuhören und zu
richten,
Strafend diese, jene
segnend,
Denn kein Volk tut
seine Pflichten
Ohne Lohn und ohne
Strafe,
Denn voll Faulheit
ist der Pöbel,
Leben stets dem
Egoismus.
Da mit langer
Trauerschleppe
Und mit Hunderten
von Knappen,
Voller Ehrfurcht vor
dem König,
Vor den Thronstuhl
trat Ximene.
Vor des Thrones
tiefster Stufe
Kniete sie voll
Demut nieder,
Sie, des Grafen
Gormaz Tochter,
Sie begann mit ihrer
Klage:
Sieben Monde sind es
heute,
Sieben Monde,
frommer König,
Seit von eines
jungen Kriegers
Hand gefallen ist
mein Vater.
Dreimal lag ich dir
zu Füßen,
Dreimal gabst du, o
mein König,
Mir dein Wort, der
du gewährtest
Mir Gerechtigkeit
und Rache!
Noch ist Rache nicht
geschehen,
Jung und dreist und
übermütig
Spottet königlicher
Rechte
Stets Rodrigo dort
in Bivar.
Und du schützt ihn,
edler König!
Wer von deinen
Männern nämlich
Hätte sich des
Kerls bemächtigt,
Übel wär es ihm
bekommen.
Könige auf Erden
aber
Sind das Bild des
Herrn im Himmel,
Denn es setzt die
Weisheit Gottes
Ein die Könige auf
Erden.
Doch die ungerechten
Herrscher
Undankbar sind Gott
im Himmel,
Sie beherrschen ihre
Knechte,
Stiften Spaltungen,
Parteien,
Nähren Hass,
Verfolgung, Feindschaft,
Seufzer und
Verzweiflungsschreie,
Rebellionen unter
Armen
Und das Chaos in dem
Staate.
Denk daran, o guter
König,
Und verzeih dem
Waisenkinde,
Dass die Qual mit
ihren Lippen
Einen Vorwurf macht
dem König.
Was du sagtest, ist
verziehen,
Sprach der König,
doch, Ximene,
Nun genug
geschwätzt, geplaudert,
Nun nicht weiter
leere Worte.
Dir bewahre ich
Rodrigo,
Wie du jetzt
begehrst sein Sterben,
So begehrst du bald
sein Leben
Und dass es ihm gut
ergehe.
CANTO X
Nie erklang ein Ruhm
gerechter
Als Rodrigos große
Fama,
Denn die Könige der
Mauren
Sind von ihm
gefangen worden.
Und er nahm von
ihnen Eide,
Nahm von den
Vasallen Zinsen,
Dann hat er
geschickt die Männer
Wieder heim in ihre
Länder.
Als nach sieben
langen Jahren
Don Fernando nahm
Coimbra,
Die von Mauren einst
besetzt ward,
Weiht er sie der
Mutter Gottes.
Und die schönste
der Moscheen
Wurde zur
Liebfrauenkirche.
Und in diesem Tempel
Gottes
Hielt Rodrigo lange
Wache.
Und mit seinen
eignen Händen
Band der König ihm
das Schwert um,
Und die Königin ihm
führte
Selber zu den edlen
Zelter.
Die Infantin dann,
Uraca,
Band ihm an die
goldnen Sporen.
Mutter, sprach sie,
welch ein Mannsbild!
Einen schönern sah
ich nimmer.
Selig ist das
Bauernmädchen,
Die ihn ohne jeden
Vorwurf
Irgendeiner frechen
Unzucht
Lange anschaut mit
Verlangen.
Seliger ist die
Gemahlin,
Die ihm zugeführt
wird werden
Von den frommen
treuen Mutter,
Ihm, dem schönsten
Mann der Erde!
Also sagte die
Prinzessin,
Aber nicht mit
Rosenlippen,
Sondern in dem Herz
im Busen
Sprach sie ihr Gebet
im Stillen.
CANTO XI
Edler Ritter, Don
Rodrigo,
Jung und schön und
klug und mutig,
Strafe dich der Zorn
des Himmels,
Willst du mir mein
Herz bekämpfen!
Heros! Ohne zu
bedenken,
Wer du bist und wer
da ich bin!
Dass du eine Stadt
erobert,
Maurenkönige
bezwungen,
Du den stolzen
Grafen Gormaz
In der Jugend hast
getötet,
Macht dich das denn
übermütig?
Jeder Spanier tut
das selbe.
Edel bist du ja
geboren,
Zu verüben gute
Werke.
Diese Pflicht ist
nicht die meine,
Dies die Pflicht ist
meines Vaters.
Wenn ein Mangel an
Vermögen
Scheint mich nun dir
anzunähern,
Mich, ich ich vom
König stamme,
Darum über dich
erhöht bin,
Wisse, darum
Königstöchter
Sind so arm an Hab
und Gute,
Weil der Adel ihres
Stammes
Ihnen mehr gilt als
der Reichtum.
Armut ist an mir
kein Flecken,
Ehrlich trag ich
meine Armut,
Sie ist Zeichen
meiner Hoheit,
Dass ich Ehre mehr
als Gold schätz.
Reich an Gütern ist
Ximene,
Darum liebst du auch
Ximene.
Das ist nicht der
Grund der Liebe,
Das will ich nicht
unterstellen.
Und es liebt dich
auch Ximene.
Nun, ihr beiden
liebt einander.
Das ist mir geringes
Leid nur,
Dass der Cid Ximene
lieb hat.
Eines armen Grafen
Tochter
Ist genug dir,
kleiner Ritter.
Ich bin arm, doch
braucht ein reiner
Diamant des Goldes
Flitter?
Du bist herrlich wie
Narzissus
Und wie Salomo so
weise.
Du bist edel, das
sind viele.
Du bist mutig, bist
ein Spanier.
Spanien hat noch nie
erzogen
Feiglinge und weiche
Memmen.
Du bist reich, o Don
Rodrigo,
Reiche sterben wie
die Narren.
Du bist weltberühmt,
wie viele,
Die in ihrem Ruhm
gestorben,
Eingehüllt in
Leichentücher
Und vergessen von
der Menschheit.
Ritter, wenn dein
eigner Spiegel
Zeigt dir deine
eigne Schönheit,
Schau und tritt vor
meinen Spiegel,
Der erniedrigt
deinen Hochmut.
Gehe nur zu
deinesgleichen,
Ritter, geh zur
Grafentochter,
Doch die hohe
Königstochter
Schau nur an mit
tiefer Ehrfurcht!
Eifersüchtig sprach
die Worte
Die Prinzessin, die
Uraca,
Denn sie liebte ihn
von Herzen.
Doch der Cid
verstummte weise.
Als sie ausgeredet
hatte,
Fuhr sie fort, mit
ihrer Nadel
Ihm den Waffenrock
zu nähen,
Was der Ritter nicht
begehrte.
CANTO XII
In dem lichten
Ostermonat,
Da die Erde neu sich
kleidet,
Da die weiß
behaarte Mutter
Wird zur jungen
schönen Nymphe,
Nun der König ging
spazieren
In Kastilien, Don
Fernando,
Er mit seinem ganzen
Hofstaat
In dem schönen Tal
von Burgos.
Und von seinem
ganzen Hofstaat
Nahm er keinen als
Rodrigo
Mit zu einer klaren
Quelle,
Silbern, lichter als
Kristalle.
Mit ihm sprach er an
der Quelle,
Alle Augen sahn ihn
reden,
Aber nicht ein Ohr
vernahm es,
Was zum Cid der
König sagte.
Dieses sagte er: Ich
lieb dich,
Jung bist du und
stark und mutig,
Aber etwas
weltfremd, Ritter,
Weißt zu wenig von
den Frauen.
Stets die Frauen
wollen herrschen,
Und es herrschen
stets die Frauen,
Wir sind nichts als
nur ihr Werkzeug,
Unser Denken stören
Weiber.
So als hätte Gott
der Schöpfer
Eingesetzt in seine
Schöpfung
Nur zum schönen
Schein die Frauen,
Also denken fromme
Männer.
Junger Mann, die
Fraun zu kennen
Ist sehr wichtig,
diese Weisheit
Ist doch mehr als
alles Wissen,
Darum forsche in der
Frauheit.
Doch es soll dir
nicht ergehen
Wie einst einem
alten Weisen,
Weil er es nicht
fassen konnte,
Stürzte er in einen
Abgrund.
Das Geheimnis ist,
der Frauen
Herrschaft über
unsre Herzen
Ist dem Schöpfer
selbst verborgen,
Ein Geheimnis
unerforschlich.
Wenn einst an dem
Jüngsten Tage
Gott die
Frauenherzen richtet,
Sieht er Schuld und
sieht er Unschuld,
Beides eins in Einem
Herzen.
Unermesslich die
Entfernung
Von den Männern zu
den Mädchen,
Was den Mädchen
dient zum Vorteil.
Weißt du auch
warum, mein Jüngling?
Männer nämlich
gehen vorwärts
Und die Mädchen
sehn sie kommen.
Er macht Pläne, sie
begegnet
Seinem Plan. Willst
du es wissen?
Siehe dort die
leichten Vögel,
Wie von Zweig zu
Zweig sie flattern,
So den Vogelfänger
necken,
Welcher sie begehrt
zu fangen.
Vor dem Angesicht
des Landmanns
Vögel naschen rote
Kirschen,
Naschen, weil der
Landmann da steht
Ohne Waffen vor den
Vögeln.
Haben gegen die
geliebten
Frauen Männer Wehr
und Waffe?
Darum herrschen auch
die Frauen
Über waffenlose
Männer.
Keine davon
ausgenommen,
Eine Dame gleicht
der andern.
Junger Mann, es
lehrt die Weisheit,
Nie ein Eheweib zu
nehmen.
Also sprach zum Cid
der König
Don Fernando von
Kastilien,
Der ihn dadurch
prüfen wollte.
Hört, was Cid ihm
gab zur Antwort.
CANTO XIII
An dem Saum der
Silberquelle,
Welche klarer als
Kristalle,
Als der König
ausgeredet,
Da erhob der Cid die
Rede:
Gut, ich bin noch
jung, mein König,
Bin zu jung noch für
die Weisheit,
Aber das Gesetz der
Ehre
Kann verstehen auch
der Jüngling.
Denn aus reinem Blut
geboren
Und erzogen in der
Schule,
Spricht die Ehre mir
die Worte:
Sorg für deines
Stammes Zukunft,
Diene deinem
Vaterlande,
Dien mit Rat und Tat
dem Herrscher,
Sei dem König treu
und gnädig,
Steh ihm bei mit
allen Kräften,
Suche Ruhm und guten
Namen,
Pflanze einen
stolzen Stammbaum,
Dass in seinem
kühlen Schatten
Selbst die Fremden
Rettung finden,
Dien dem Thron und
dem Altare,
Schenk der Mutter
Kirche Kinder,
Dies ist das Gesetz
der Ehre,
Das gebietet mir die
Ehe.
Wer das Sakrament
der Ehe
Böse lästert, der
verleugnet
Christi Ehe mit der
Kirche
Und die treue Liebe
Gottes,
Der zerreißt den
Zaum der Ehre
Und den Bund mit
allen Menschen,
Der ihn knüpft an
seine Ahnen
Und an Kind und
Kindeskinder.
Diesen lästernden
Verräter
Straft der Heiligen
Verachtung,
Jedem Menschen
scheint er nutzlos,
Eine Schande seiner
Sippe.
Was betrifft die
Frauenherrschaft,
So ist meine Meinung
diese:
Sie regieren wie die
Mägde
Über lasterhafte
Herren.
Wer zur Hülle
seiner Sünden
Nicht benötigt
schöne Frauen,
Gegen tausend
Satansmenschen
Steht er fest in
Wehr und Waffen.
In der Frage stolzer
Ehre
Gibt kein Weib dem
Mann Gesetze,
Darf ihm solche auch
nicht geben,
Denn ihr Feld ist
nur die Wollust.
In der Wollust soll
sie herrschen,
Sie versteht sich
darauf besser,
Besser, scheint mir,
als ich selber.
Dies ist meine
Meinung, König.
Was betrifft der
Frauen Gleichheit,
Übernehme ich die
Meinung
Meines Lehrers:
Frauen taugen
Nichts, wenn Männer
auch nichts taugen.
Ich verteidige die
Wahrheit,
Ob zu Fuß, ob auf
dem Pferde,
Ich behaupte, jedes
Weibes
Sünde ist des
Mannes Sünde.
Eine Bitte nur, mein
König,
Vor dem Abschluss
des Gespräches,
Gib zur Gattin mir
Ximene,
Waisenkind des
Grafen Gormaz,
Gib aus königlicher
Gnade
Mir Ximene zur
Genossin.
Also Cid bat Don
Fernando
An dem Saum der
Silberquelle.
CANTO XIV
(Rodrigo)
In der stillen Nacht
zur Mitte,
Wo nur wachen
Schmerz und Liebe,
Nah ich dir, Ximene
weinend,
Bitte trockne deine
Tränen!
(Ximene)
In der dunklen Nacht
zur Mitte,
Ach, wo meine
Schmerzen wachen,
Meine Schmerzen
meiner Liebe,
Wer kommt zu mir wie
ein Geisthauch?
(Rodrigo)
Kann es sein, dass
in dem Dunkel
Feindes Ohren uns
belauschen?
Du eröffne mir die
Wahrheit,
Was du weißt, was
du erkanntest.
(Ximene)
Unbekannten,
Ungenannten
Öffnet sich nicht
meine Pforte
In der dunklen Nacht
zur Mitte.
Offenbare dich! Wer
bist du?
(Rodrigo)
Armes Waisendkind
Ximene,
Tochter du des
Grafen Gormaz,
Kennst du mich
nicht, den Rodrigo?
Ach, erkenne mich,
Geliebte!
(Ximene)
Ach Rodrigo, ja, ich
kenn dich,
Du die Quelle meiner
Tränen,
Der du meinem Stamm
die Krone
Abgeschlagen, meinen
Vater.
(Rodrigo)
Solches Werk
vollbringt die Ehre,
Doch die Liebe will
Versöhnung.
(Ximene)
Gehe fort von mir,
Rodrigo!
Meine Krankheit ist
unheilbar!
(Rodrigo)
Schenke mir dein
Herz im Busen!
Ich will deine Seele
heilen!
(Ximene)
Zwischen dir und
meinem Vater
Soll ich teilen
meine Seele?
(Rodrigo)
Ewig ist der Liebe
Allmacht!
(Ximene)
Benedeite Nacht,
Rodrigo.
CANTO XV
Als der König Don
Fernando
Von Rodrigo und
Ximene
Beider Treueschwur
empfangen,
Zu vergessen alle
Rache,
Sollten beiden vor
dem frommen
Reinen Bischof sich
vermählen
In dem Sakrament der
Ehe,
Da die Liebe schenkt
Vergebung,
Gab der König, um
den Ritter
Gleich zu stellen an
Vermögen
Mit Ximene,
Rittergüter,
Städte, Burgen,
Ländereien.
An dem Hochzeitstag
die Sonne
Herrlich schien, und
Don Rodrigo
Legte ab die
Waffenrüstung,
Legte an das Kleid
der Hochzeit.
Scharlachschuhe,
feines Leder,
Festgehalten von den
Schnallen,
Passten fest sich an
und enge
Seinen kleinen
schönen Füßen.
Und nun zog er an
die Weste,
Eng anliegend, ohne
Spitzen,
Dann die schwarze
Atlasjacke,
Gut gefüttert,
weite Ärmel.
Selten hatte nur
sein Vater
Diese Jacke einst
getragen.
Und nun legt er an
den Gürtel,
Voller Anstand,
breit die Schnalle.
Und ein Netz von
goldnen Fäden
Hüllte ein das Haar
des Hauptes,
Auf dem Hut von
feinem Stoffe
Hob sich eine
Pfauenfeder.
Bis zur Hüfte
schöne Fransen
Trug das Hemd des
Oberkörpers,
Und um seine
Schultern spielte
Weiß der Hermelin
des Adels.
Und voll Heldenmut
der Degen,
Tisonada war sein
Name,
Schrecken aller
Mauren, hängend
In dem Band von Samt
und Seide.
An dem festen
Heldengürtel,
Der war eingefasst
von Silber,
Hing ein
allerfeinstes Schnupftuch,
Schön gefaltet an
dem Gürtel.
So gekleidet, ging
der edle
Cid mit seinen
treuen Brüdern
Zu dem Heiligtum der
Kirche,
Wo der König und
der Bischof
Und die Adligen des
Hofes
Ihn erwarten mit
Ximene,
Mit der reizenden
Ximene,
Seiner Braut zum
Bund der Ehe.
Sittsam trug ihr
Kleid Ximene,
Trug ein Kleid von
weißem Linnen,
Flügel trug sie an
dem Schleier
Aus dem feinsten
Tuch von London,
Von den Schultern zu
den Füßen
Offenbarte ihre
Kleidung
Ihren femininen
Körper,
Bis zu rosanen
Pantoffeln.
Um den Hals trug sie
ein Halsband,
Daran hingen acht
Medaillen,
Und die reichste der
Medaillen
Glich dem Gold-Peru
an Werte,
Drauf Sankt Michael
zu sehen,
Schwer von Perlen
und Juwelen,
Baumelnd zwischen
ihren Brüsten
Nah dem Herzen von
Ximene.
Nun begaben die
Verlobten
Sich zum heiligen
Altare,
Cid sah da mit
Liebesblicken
Zu der
Vielgeliebten, sprechend:
Mädchen, einen Mann
der Ehre
Hab ich leider dir
getötet,
Denn so wollt es
Pflicht und Ehre.
Diesen Mann geb ich
dir wieder,
Und was du mit ihm
verloren,
Vater, Freund und
Minnediener,
Alles gebe ich dir
wieder,
Gebe mich dir hin
als Gatte.
Nun das Schwert aus
schöner Scheide
Ziehend, hob er es
gen Himmel,
Sagte: Gottes Zorn
mich strafe,
Wenn ich das Gelübde
breche,
Dich mein Leben lang
zu lieben
Und die Treue dir zu
halten.
Also nun, o Vater
Bischof,
Segne bitte unsre
Ehe.
CANTO XVI
Vom Altare aus der
Kirche
Zog nun prächtig
die Gesellschaft,
Herrlich an Ximenes
Seite
Ging der König Don
Fernando,
Als der Vormund der
Vermählten,
Cid zur Seite ging
der Bischof,
Der ein Kleriker
voll Keuschheit,
Und es folgte ihm
der Adel.
Durch den Bogen des
Triumphes
Ging man weiter zum
Palaste,
Teppiche an allen
Fenstern,
Rosmarin auf allen
Böden.
Auf den Straßen zum
Palaste
Tönten Chöre zu
Guitarren,
Silberzimbeln auch
erklangen,
Tönten Wonne, Wohl
und Wollust.
Und der beste Freund
des Gatten
Kam, von
Dienerschaft begleitet
Und geschmückt mit
stolzen Hörnern,
Kam in eines
Wildstiers Maske.
Und der zweite
Freund des Gatten
Kam, auf einem Esel
reitend,
Erbsen warf er auf
die Gassen,
Was das arme Volk
erfreute.
Fröhlich lachte da
der König,
Und er gab dem
schönen Pagen,
Der beim Fest den
Teufel spielte,
Eine Handvoll Geld
aus Silber.
So der König Don
Fernando
Führte an der Hand
Ximene
Zu der Königin im
Thronstuhl,
Bei ihr standen
Herrn vom Hofstaat.
Weizen ward man aus
den Fenstern,
Dass die Krone
selbst des Königs
Voll von goldnen
Weizenkörnern
Und der Busen von
Ximene,
Und die goldnen
Weizenkörner
Las der König Don
Fernando
Von Ximenes hohem
Busen,
Sie der Königin zu
weihen.
Und der beste Freund
des Gatten
Rief in seiner
Wildstier-Maske:
Lieber als den Kopf
des Königs
Möcht ich seine
Hand besitzen!
Gebt ihm einen Korb
voll Weizen,
Lachte fröhlich da
der König,
Du, Ximene, sollst
ihm geben
Für den heitern
Scherz ein Küsschen.
Aber von Ximenes
Seele
Ferne war der Narren
Lachen,
Ihrer Seele tiefste
Wonne
Tat sie kund durch
schönes Schweigen.
CANTO XVII
Im Apostelstuhle
Petri
Saß der
hochverehrte Viktor.
Kaiser Heinrich von
den Deutschen
Kniete
ehrfurchtsvoll vorm Papste:
Gegen König Don
Fernando,
Heiligkeit, ich will
nun klagen,
Da die Christenheit
Europas
Mich erkennt als
ihren Kaiser.
Heiligkeit, so zwing
den König,
Huld dem Kaiser zu
erweisen,
Denn so fordert es
der Glaube
Und das Reich von
Papst und Kaiser.
Viktor drohte Don
Fernando,
Einen Kreuzzug ihm
zu senden,
Wenn er nicht dem
Stuhle Petri
Und dem deutschen
Kaiser treu sei.
Lange dachte nach
der König,
Wie die Sache sich
entwickelt,
Riet ihm mancher,
nachzugeben,
Nachzugeben Papst
und Kaiser.
Aber Cid, der tapfre
Ritter,
War nicht da am
Königshofe,
In der ersten Zeit
der Liebe
Lag er an Ximenes
Busen,
Aber als der Cid
vernommen
Von der Botschaft an
den König,
Eilte er zum Thron
des Königs,
Sprach zum König
Don Fernando:
Zu dem Unglück
deines Reiches
Wärest du geboren,
König,
Wenn ein andrer als
der König
Dein Kastilien
beherrschte.
Nimmermehr soll das
Geschehen!
Lange lebe Don
Fernando!
Unsern Herrn von
Gottes Gnaden
Zu beschützen ist
uns Ehre.
Wer was andres rät,
o König,
Der vermindert deine
Ehre.
Du befiehlst als
unser König,
Wir gehorchen, deine
Krieger.
Dies bedenke, o mein
König,
Dein ist dieses
Reich Kastilien.
Eher geb ich hin
mein Leben,
Als dass deine
Feinde siegen.
Nun nahm Cid
zehntausend Männer,
Führte sie zum Fuß
der Alpen.
Ihm entgegen zog
Graf Raimund,
Der Soldat des
deutschen Kaisers.
Cid besiegte Grafen
Raimund,
Machte diesen zum
Gefangnen,
Gab ihn frei, nahm
seine Tochter
Sich zur Geisel für
den Vater.
In der Welt das
schönste Mädchen,
Ward Geliebte sie
des Königs!
Und ihr beider Sohn
und Liebling
Ward ein Kardinal
der Kirche.