Versroman von Torsten Schwanke
in memoriam Karine
ERSTER GESANG
I
Nun also muss mein
Vater sterben,
Denn krank geworden
ist sein Blut,
Nun muss der Reiche
doch verderben,
Lässt anderen das
Hab und Gut.
Lasst alle uns das
Leben segnen
Und freudig unserm
Gott begegnen!
Ach muss ich noch am
Sterbebett
Das Söhnchen
spielen lieb und nett,
Wenn er der
Krankenschwester heuchelt?
Soll Vaterunser
beten fromm,
Und muss doch
denken: Teufel, komm,
Er tat sein Leben
lang dir schmeicheln,
Zieh ihn hinunter in
den Feuersee,
Ich jetzt schon die
Verdammnis seh!
II
So dachte nach mein
junger Heros,
Als er fuhr mit der
Eisenbahn,
Er, der ein Sklave
war des Eros,
Der lebte stets in
wildem Wahn.
Ihr Freunde, die ihr
lest nur Krimis,
Wie eure Muschis,
eure Mimis,
Für euch schreib
ich nicht mein Poem,
Euch wär ein
Kochbuch angenehm.
Ich sing den Josef
Ono einsam,
Der wohnte still in
Oldenburg,
War mit ihm nur der
Demiurg.
Mit dem er lebte
still gemeinsam.
Ich lebte einst beim
kalten Nord,
Da bleibt dir nur
der Eigen-Mord!
III
Sein Vater hatte
Geld gesammelt,
Mit Aktien siegreich
spekuliert,
Hat Mammon stets
sein Lob gestammelt
Und lebte stets mit
Gold verziert.
Mit Josef meint es
gut die Weisheit,
Als Kind in
träumerischer Leisheit
Wuchs er im Arm der
Götter groß.
Die fromme Muse war
sein Los,
Ein frommes Fräulein
sprach von Mose,
Von David und von
Joseph auch,
Ein Pastor sprach
mit frommen Hauch
Von Karitas und
solcher Chose.
Und Josef spielte in
dem Wald,
Bei Kühen auf den
Feldern bald.
IV
Als Josef kam in
seine Jugend,
Wenn aufwacht
Sexualität,
Da ließ er ab von
frommer Tugend,
Ließ ab von Glauben
und Gebet,
Er liebte nun die
Kommunisten
Und nicht mehr die
bigotten Christen.
Von Shakespeare
lernte Englisch er,
Und auch, das Böhmen
liegt am Meer.
Zu der Musik aus San
Francisco
Er tanzte, trunken
von dem Bier
(Und liebte Mädchen
wie ein Tier)
Und von dem Wodka in
der Disco.
Smart nannten ihn
ein Kommunist,
Doch nicht der
feminine Christ...
V
Wir waren alle in
der Schule
Und klecksten mit
dem Tintenfüller,
Uns pries die
Lehrerin Frau Buhle
Den Thomas Mann und
Friedrich Schiller,
Man pries das
Epische Theater
Und seinen geilen
Lügenvater,
Den Berthold Brecht,
den alten Baal,
So singt man heute
den Choral.
Doch Josef, nach der
Lehrer Meinung,
Belesen war und
intelligent,
Die nur der
Eingeweihte kennt,
Er kannte mancherlei
Erscheinung.
Die Mädchen er
verstand sehr tief,
Schrieb manchen
langen Liebesbrief.
VI
Latein ist nicht
mehr in der Mode,
Die Kirche selbst
singt heute deutsch.
Frau Casta sang er
ein Ode,
Er wusste, Casta,
das heißt keusch.
Er kannte Spartakus,
der Sklave
Am Kreuze war, er
kannte Ave,
Er las von Maro ein
Gedicht
Von einem
Kräuterkäsgericht.
Ihn interessierte
die Geschichte
Vor Marx und Engels
aber nicht,
Er sah Utopia im
Licht,
Las kommunistische
Gedichte
Voll sinnlicher
Erotik barsch,
Furunkel an Karl
Marxens Arsch.
VII
Ihm fehlte sehr der
Kuss der Muse,
Er kannte keinen
reinen Reim.
Er schrieb Pamphlete
nur, konfuse,
Er schrieb vom
Obdachlosenheim,
Er sorgte sich nicht
um Trochäen,
Er wollt nicht in
die Psalmen sehen,
Und was, was ist ein
Anapäst?
Er lieber las im
Manifest,
Vom Matriarchate der
Huronen
Und von des Mammonas
Geschlecht,
Vom Klassenkrieg,
vom Weltgefecht,
Sturz den Altären
und den Thronen,
Und lieber als
Novalis Lied
Las er von Mehrwert
und Profit.
VIII
Was alles Josef so
gelernt hat,
Das redet keine
Zunge aus.
Die Weisheit sich
von ihm entfernt hat,
Und wenn er ging ins
Gotteshaus,
So nur, das
Bibelbuch zu stehlen.
Doch konnte nie er
widerstehen
Der Wissenschaft der
süßen Lust,
O Venus mit der
vollen Brust!
So er studierte
Liebeskünste,
Wie sie im Kamasutra
stehn,
Auf Bildern auch im
Buch zu sehn,
Die ganze
Wissenschaft der Brünste,
Die pries Ovid am
Moldaustrom,
Fern Julia und fern
von Rom.
IX
(…)
X
Er wollte Mädchen
gern betören,
Mit Hoffnung und mit
Eifersucht,
Die Mädchen in den
Kirchenchören,
Die Venus an der
Meeresbucht.
Nur dass das Mädchen
mit ihm schliefe,
Schrieb er sehr
lange Liebesbriefe,
Lag er der einen an
der Brust,
Gedachte er bei
wilder Lust
Der andern, die er
lieber hatte.
Was kümmert ihn des
Mädchens Nein?
Ein Nein mag wohl
ein Ja-Wort sein!
Und strotzend stand
ihm seine Latte.
Doch wenn sie nicht
mit ihm gepennt,
So hat er bitter
auch geflennt.
XI
Wie er der Neuen
konnte schmeicheln,
Die schöner als die
Alte war,
Wie konnt er wahre
Liebe heucheln,
Sah er der bloßen
Brüste Paar,
Sah er der Brüste
Kirchenglocken
Im Schleier langer
goldner Locken,
Fast wurde er auch
noch Poet,
Er schrieb dem
Mädchen ein Gebet,
Gleichzeitig liebt
er viele Mädchen,
Doch ging er niemals
in den Puff,
Doch sang er laut im
Wodka-Suff
Und nannte Göttin
gar das Gretchen!
Und alles um ein
Rendezvouz
Mit irgendeiner
blöden Kuh.
XII
Er lernte so, wie
man verführt
Ins Bett die
stadtbekannte Dirne,
Und wenn die Ehefrau
sich ziert,
So trotzte er mit
dreister Stirne.
Die
Einfaltspinsel-Ehemänner,
Die Roboter, die
Bibelkenner,
Die luden ihn zum
leckern Mahl.
Wie spottet er doch
dem Rival
Mit seiner Zunge der
Satire,
So zynisch wie
Diogenes,
Der Gatte aber
unterdes
Befriedigt war wie
faule Tiere,
Zufrieden mit dem
fetten Leib
War er, mit Mahlzeit
und mit Weib.
XIII
(…)
XIV
(…)
XV
Oft, wenn er mittags
lag im Bette,
Drei Briefe kamen
mit der Post.
Es lud ihn ein die
schöne Nette,
Ihr Ehemann war kalt
wie Frost.
Auch ein Geburtstag
eines Knaben,
Der forderte vom
Paten Gaben,
Die Greisin auch bat
zum Besuch,
Und Merde war ihr
steter Fluch.
Er zog sich an den
Bauernkittel,
So wie ihn Lenins
Jünger trug,
Ging auf die Straße,
sah den Trug
Der Werbung für ein
Haarschaummittel,
Die Modells werden
immer schöner.
Er aß bei Hassan
einen Döner.
XVI
Am Abend fuhr er mit
dem Busse
Zur nahen
Herzogsresidenz.
Da harrte mit dem
Musenkusse
Die Gattin, lieblich
wie der Lenz.
Und Eichelberg, sein
Freund und Bruder,
Er sprach vom
nackten blonden Luder.
Dann gab es Kassler,
gelben Mais
Und Käsesauce,
Chinas Reis.
Dann gab es alten
starken Rotwein,
Den südfranzösischen
Bordeaux.
Man witzelte und
sprach: So so,
Du möchtest also
lieber tot sein?
Die Kirschpraline
mit Likör
Dem trunken
Gastfreund mundet sehr.
XVII
Und Glas auf Glas
trank da der Vater
Und seine Tochter
wurde schön.
Dann aber ging es
ins Theater,
Schauspielerinnen
anzusehn.
Man spielte Berthold
Brecht, die Mutter,
Soldaten als
Kanonenfutter.
Doch Josef dachte:
Lieber seh
Ich Sophokles,
Antigone.
Die Leute schrieen
laut hysterisch,
Ich glaube, Pathos
nennt man das.
Hanns Eisler
musizierte, was
Klang infernalisch
mehr als sphärisch.
Die Narren
klatschten laut Applaus,
Die Spießer in dem
Musenhaus.
XVIII
Theater! Räuber ihr
von Schiller,
Penthesilea du von
Kleist,
Der alte Faust ward
immer stiller,
Empedokles sei
lobgepreist,
Lysistrata von
Euripides,
Du Krone femininen
Liedes,
Ihr Hexen von
Macbeth im Sturm,
Miranda, Caliban im
Turm,
Dazu Antigone,
Johanna,
Dazu auch der
verrückte Lenz,
Und Colombines
Transparenz
Und Don Juan und
Donna Anna
Und Harlekin, sein
Freund Pierrot,
Doch nimmer Warten
auf Godot!
XIX
O meine Göttinnen,
o Musen!
Wohin seid ihr
gegangen wohl?
Muss ich nun feiern
neue Busen,
Statt euch ein
jüngeres Idol?
Wer kann sich je mit
euch vergleichen?
Ihr bleibt die
Ewig-Ohnegleichen!
Doch im modernen
Musenhaus
Geht mir die gute
Laune aus,
Ich muss vor
Langeweile gähnen,
Ich seh die neuen
Musen, dumm,
Vor genialem Denken
stumm,
Die Narrheit
plappert auf den Szenen!
Ach Musen! Wär ich
wieder jung!
Nun bleibt mir nur
Erinnerung...
XX
Und nun die jungen
Tänzerinnen,
Geschminkte Modells
pittoresk,
Sie tragen nicht der
Tugend Linnen,
Nein, nur ein
Négligé burlesk.
Begeistert junge
Mädchen gröhlen,
Fanatisch dröhnen
ihre Kehlen,
Nun Britney Spears
im Evaskleid,
Die Hure nackt, der
Pöbel schreit,
Sie führt die
Schlange an die Lippen
Und schaukelt mit
des Beckens Schwung.
O Torheit! O wie
bist du jung!
Dir dienen alle
Menschheitssippen!
Dann schwebt sie auf
mit dem Ballon,
Die nackte Göttin
ist davon.
XXI
Applaus erklingt im
Musentempel.
Und Josef Ono sieht
sich an
Die Mädchen mit der
Torheit Stempel
Und manchen
geistentleerten Mann.
Wie lieben sie die
eitle Mode,
Verachten aber
Klopstocks Ode!
Die Frau fast nackt,
der Mann mit Schlips,
Und vom Champagner
einen Schwips.
Und das nennt man
Musik der Musen?
Dem Josef scheint
das öde, leer,
Die böse Schwermut
plagt ihn sehr,
Nur Brüste, doch
kein Herz im Busen!
Und über alle Maßen
schlecht
Sind Heiner Müller,
Berthold Brecht.
XXII
Dann Eros, Lilith
und die Schlange!…
Es leert sich das
Theaterhaus.
Die Menschen stehn
und schwatzen lange,
Geht mancher in die
Nacht hinaus.
Die Damen gehen in
den Pelzen,
Nun Massen sich an
Massen wälzen,
Ein Husten,
Klatschen und Gezisch,
Man raucht, zur
Nacht die Luft ist frisch,
Verschwunden sind
die Musenschwestern,
Mondäne Damen
blieben noch,
Ist jede Frau ein
schwarzes Loch,
Wie Physiker
verspottend lästern.
Und Josef Ono fährt
nach Haus
Und zieht die feinen
Sachen aus.
XXIII
Was trug denn Josef,
welche Mode?
Nur abgetragnes
Lumpenzeug!
Kein Thema für die
hohe Ode,
Nun Muse dich zur
Erde neig:
Pullover trug er von
der Mutter,
Daran ein kleines
Bild von Buddha,
Und immerdar die
gleiche Jeans,
Wie Venus in blue
jeans, so schiens,
Und abgelaufene
Sandalen,
Mit bloßen Füßen
darin meist.
Den Mao-Kittel dann,
das heißt,
Proletenjacke. So zu
malen,
Ist nun genug am
Musenhof,
So ging der junge
Philosoph.
XXIV
Aus Istanbul die
Wassserpfeife
Stand qualmend da im
dunklen Raum,
Da lag die
unbenutzte Seife,
Da war
Lavendel-Badeschaum,
Von Porzellan zwei
China-Damen,
Die lächelnd ihn
gefangen nahmen,
Die Schere für den
jungen Bart,
Der Kamm fürs Haar,
doch oft gespart,
Dazu die scharfe
Nagelschere,
Doch trug er unter
Nägeln Dreck,
Am Finger einen
Tabakfleck,
All dies gereichte
wohl zur Ehre
Dem Zyniker in
seinem Fass,
Das wälzt er ohne
Unterlass.
XXV
Warum soll sich ein
Mann des Denkens
Um Fingernägel
kümmern nur?
Die Welt des Nehmens
und des Schenkens
Ist doch natürliche
Natur.
Ein Künstler er aus
der Boheme,
Wie ich ihn mir zum
Thema nehme,
Verachtet nur die
eitle Welt,
Der Schmuck und
Schminke nur gefällt.
Und was er hatte an
Parfümen,
Was half das gegen
Fuchsgestank?
Die Zähne gelblich
mehr als blank.
O Venus mit intaktem
Hymen,
Kannst lieben du
denn solchen Mann?
Schau dir den
Taugenichts doch an!
XXVI
Die ihr Geschmack
habt, den modernen,
Verzeiht mir meinen
Bettlerstil.
Wie Venus nackig
unter Sternen,
So liebe ich das
Modespiel.
Was soll ich reden
von dem Mini,
Vom Négligé und
vom Bikini,
Von
Spitzenunterhöschen weiß,
Vom Perlen-Tanga um
den Steiß,
Von Büstenhaltern,
Körbchengröße,
Und was die Frauen
tragen nun,
Die sich wie Eva
kleiden tun,
Um zu entblößen
ihre Blöße?
Genug, ihr Musen,
nun davon,
Und von der Reime
Lexikon.
XXVII
Das sind nicht
Themen für Poeten,
Die keuschen Musen
dienen nur.
Was liebt ihr heute
für Propheten,
Die reden von der
Gottnatur
Als einer
splitternackten Göttin,
Der Muttergöttin,
Gottes Gattin!
Genug. Nun Josef
will zum Tanz,
Zur Discothek im
Lichterglanz,
Da zucken blaue
Lazerstrahlen,
Da auf dem
spiegelnden Parkett
Sich räkeln Weiber
wie im Bett,
Die taten ihren Mund
bemalen
Mit scharlachrotem
Lippenstift,
Da tanzte wild ein
blondes Gift.
XXVIII
Fuhr Josef mit dem
Omnibusse
Zur City in die
Discothek,
Die Frauen dort im
Überflusse
Stehn, Ketten
rauchend, ihm im Weg,
Da bietet eine
Blonde, Nette
Ihm lächelnd eine
Zigarette,
Da Beine tanzen in
blues jeans,
Wohl eine
Gottestochter schiens,
Mit jener wollt er
gerne flirten,
Die Christin Bella
aber ging,
Ach, ohne dass sie
Feuer fing,
Die Männer laute
Bässe hörten,
Die Männer
stampften wild zum Takt,
Die jungen Frauen
beinah nackt.
XXIX
Ich auch in meiner
Jugend tanzte,
Im Rausch von Wodka
und von Bier,
Nun sitz ich hier
mit fettem Wanste
Und trinke schwarzen
Kaffee hier.
Und nun moralische
Lektionen
Verkünde ich, um
euch zu schonen.
Gebt, Mütter, auf
die Töchter acht!
Mit sechzehn Jahren
in der Nacht
Sind Lustobjekte sie
den Männern.
Ich würde selber
auch wohl gern,
Doch steht mir
Jugendtorheit fern,
Mit Weisheit ich von
Alleskennern
Ich rat dem alten
Mütterlein:
Sperr deine hübsche
Tochter ein!
XXX
Bei allen diesen
Jugendsünden
Hab ich verplempert
meine Zeit.
Kann denn der Mensch
nichts Bessres finden,
Ist denn der Mensch
nicht Gott geweiht?
Doch lieb ich auch
noch heute Jugend,
Die Schönheit
scheint mir eine Tugend,
Mich überkommt
Begeisterung,
Seh ich ein Mädchen
schön und jung!
Seh ich ein Weib mit
schönen Brüsten!
Doch gibt es das in
Deutschland noch,
Dem Höllenpfuhl,
dem Sündenloch?
Nach Brüsten tut es
mich gelüsten,
Wie ich sie einst in
Frankreich sah!
Wie war ich doch
glückselig da!
XXXI
Doch wo bist du nun
hin, o Busen?
Mein Herz vergisst
dich nimmermehr!
Stimmt hohe Hymnen
an, ihr Musen,
Wo badet sie, in
welchem Meer?
Wo lebt sie nun, in
welchem Süden?
Ach, kalt und
finster ists hienieden,
Wo nicht der Brüste
Sternbild strahlt,
Wie Botticelli sie
gemalt.
Ich aber will dich
singend rühmen,
Und darum gab mir
Gott den Reim,
Ich bin an deiner
Brust daheim,
Ich preise Venus,
preise Hymen,
Ich traure nach der
Jugendlust,
Da lag ich an der
Venus Brust!
XXXII
Dianas Augen sind
wie Monde
Und Floras Kleid ist
bunter Lenz,
Das alles nur mit
Leiden lohnte.
Doch in des Kleides
Transparenz
Ich selig sah der
Venus Busen,
Ja, da erst sangen
meine Musen,
Da fand ich erst den
Hymnenton,
Da wurde ich zum
Göttersohn,
Da wurde ich zum
Sohn der Sonne,
Als ich an diesem
Busen lag,
Das war der erste
Schöpfungstag
Auf braunem Boden
der Garonne,
Wo ich gebadet im
Bordeaux!
Wo war ich sonst
noch glücklich, wo?
XXXIII
Ich denke gern an
die Kanaren,
Sie lag im schwarzen
Lavasand,
Wo schäumend hohe
Wellen waren,
Die sie bespülten
an dem Strand,
Da Gischt gespritzt
ist um den Felsen,
Da wir uns in der
Brandung wälzen,
Da tauchte Venus aus
dem Schaum,
In Wirklichkeit, das
war kein Traum,
Da lag ich an der
Brust gebettet
Und sog die Milch
als Säugling ein,
O Land von Milch und
Honig mein,
Wie du mich von dem
Tod gerettet,
Wie freudig deine
Brust gebebt,
Wo ich in Wahrheit
hab gelebt!
XXXIV
Ein andrer Ort, ich
sehs noch heute,
Du saßest in dem
Gartengrün,
Da waren keine
andren Leute,
Da ward ich lüstern,
wurde kühn,
Da saßest du in
weißer Seide,
Des nackten Busens
Augenweide
Sah durch des
Kleides Transparenz
Ich blühen, schöner
als der Lenz.
Doch nun genug vom
Leib der Leiber,
Was soll denn
schöner Verse Tanz?
Ja, wenn sie hätten
einen Schwanz,
Zufrieden wären
alle Weiber!
Sie brauchen keinen
Lorbeerkranz,
Den Ruhm von
Aphrodites Glanz!
XXXV
Und Josef Ono? Wie
im Schlummer
Er flieht das Fest
und geht ins Bett.
O Mutter Nacht, o
still den Kummer,
Mach all die eitle
Torheit wett!
Doch Oldenburg will
nun erwachen,
Die Automobile wie
Drachen
Schon donnern über
den Asphalt,
Die Angestellten
fahren bald
In ihr Büro an die
Maschine,
Der bunte Supermarkt
macht auf,
Da gibts ein
Allerlei zum Kauf,
Der Bäcker auch mit
ernster Miene
Schon backt das
Brötchen und das Brot,
Aurora kommt, das
Morgenrot.
XXXVI
Vom Lärm des Festes
ziemlich müde,
Verschläft den
ganzen Morgen er,
Schon bellt des
Nachbars großer Rüde,
Doch Josef bleibt im
Bette schwer.
Er steht erst
Mittags auf vom Bette,
Er liest im Bette
schon Sonette,
Raucht Zigaretten,
trinkt Kaffee,
Gedenkt wohl einer
fernen Fee.
Das gleiche Spiel an
jedem Morgen,
Des Alltags graues
Einerlei.
War er denn
glücklich, war er frei,
War er befreit von
Alltagssorgen?
War er erquickt und
frisch und reg,
Wie nachts in heller
Discothek?
XXXVII
Nein, das Gefühl
war ihm vergangen,
Der er war der
Gesellschaft müd.
Die Damen mit den
Lockenschlangen
Kaum hoben ihm das
Augenlid.
Nicht lange war er
treu den Frauen,
Er mocht nicht stets
die gleiche schauen,
Er traute auch nicht
mehr dem Freund,
Der schien ihm ein
verkappter Feind.
Was ist das denn,
die Männerfreundschaft?
Da muss man abends
beim Bordeaux
Anhören zynische
bon-mots,
Geplagt von
närrischer Gemeinschaft.
Wie sinnlos selbst
die Eifersucht
Auf tugendhafte
Gatten-Zucht!
XXXVIII
Die Krankheit aber,
die ihn plagte,
Madonna Melencolia,
Das war der Spleen,
wie weiland sagte
Schon seine Oma,
immer da
War diese
abgrundtiefe Schwermut,
Stand über ihm das
Sternbild Wermut,
Das war vielleicht
die schwarze Milz.
Gibt es dagegen
einen Pilz
In Hildegardis
Apotheke?
Da hilft wohl nur
der klare Gin!
Da ist nur Sterben
ein Gewinn!
Da stehst du
taumelnd an der Theke
Und dann in Bogen
und in Bausch
Verschläfst bei
Weibern du den Rausch...
XXXIX
(…)
XL
(…)
XLI
(…)
XLII
Ihr wart die ersten,
keusche Damen,
Die gab er auf, die
er vergaß.
Wie diese Damen
schweigend kamen,
Wenn er vor seinem
Rotwein saß,
Und sprachen sie vom
Seelenheile,
Ergriff ihn öde
Langeweile,
Und wenn vom
weltlichen Roman
Sie flüsterten zu
ihm, dem Pan,
Dann wünscht er
ihnen wieder Stummheit.
Wie öde ihre Tugend
keusch,
Wie leer der Geist,
wie kalt das Fleisch,
Ein stiller Teich
voll tiefer Dummheit,
Für diese Venus so
frigid
Erwacht im Sänger
selbst kein Lied!
XLIII
Und dann vergaß er
auch die Mädchen,
Die immer
quicklebendig, reg,
Die Nacht hindurch
in jedem Städtchen
Sich zeigen in der
Discothek.
Nun Josef Ono lebte
einsam,
Nur mit dem zweiten
Ich gemeinsam,
Nun floh er in die
Bücherwelt
Von Liebesgöttin
oder Held,
Versuchte selbst
sogar zu kritzeln.
Er war kein David,
er war Saul,
Zur Dichterarbeit
viel zu faul,
Zu traurig auch für
Heines Witzeln,
So wurde er kein
Dichter-Narr,
Wie ich es schon als
Knabe war.
XLIV
Die öde Leere
seiner Seele
Verfolgte ihn wie
Gottes Fluch.
Ob man sich Weisheit
da erwähle,
Studiere manches
alte Buch?
Von Dialektik sprach
da Hegel,
Von blauer Blume
sprach da Schlegel,
Er las in jener Zeit
Rimbaud,
Las Lao Tse vom A
und O.
Doch immer nur auf
Lettern schauen,
Erregte schließlich
Überdruss,
So wie er voll war
von Verdruss
Bei jungen Mädchen,
reifen Frauen.
Nun war er allen
Worten taub.
Auf Büchern häufte
sich der Staub.
XLV
Ich auch verließ
der Menschheit Orden
Und floh vor der
sozialen Last,
Da bin ich Josefs
Freund geworden,
War öfter tags bei
ihm zu Gast.
Ich mochte seine
wilden Träume
Und seines Geistes
Bildungsräume,
Ich mochte diesen
Sonderling,
Der oftmals sprach
von dem I Ging,
Ich mochte seine
ernste Schwermut
Und seinen
bitterbösen Geist,
So Kerberus im Hades
beißt,
Wenn er betrunken
war vom Wermut,
Und wie er sprach
vom Liebesgott
Und Frauen übergoss
mit Spott.
XLVI.
Wo Weisheit ist, da
ist viel Grämen,
Wo Denken ist, ist
dunkle Qual.
Wir müssten uns der
Torheit schämen,
So fern von dem
Ideensaal.
Und heute ich mich
noch dran freue,
Wie er gesprochen
von der Reue,
Die Existenz, die
größte Schuld,
Die fand nicht
seiner Seele Huld.
Wie bitter sprach er
in Satiren
Von den
Maschinen-Männern, die
Im Herzen keine
Sympathie,
Und von den
Püppchen, von den Tieren,
Die welken wie im
Herbst das Laub
Und sind nur Asche,
sind nur Staub.
XLVII
Und einst in einer
Nacht im Sommer
Der Himmel über
Oldenburg
War wie ein
hocherhabner Frommer
Und war erfüllt vom
Demiurg,
Da dachte ich an
Marianne,
Die Plagegöttin
einem Manne,
Da war von Wehmut
ich erfüllt
Vor ihrem
Muttergottesbild.
Da haben Segen wir
getrunken
Und über dem
Champagnerschaum
Erschien die Liebe,
schön wie Traum,
Wir bis zum letzten
Seelenfunken
Die Seelenkräfte
gaben aus
Der Schönheit in
der Liebe Haus.
XLVIII
Sein Herz war aber
voll Bedauern,
Voll Schwermut und
voll bitterm Zorn.
Wir standen unter
Regenschauern
Still bei des Knaben
Wunderhorn
Vorm Oldenburger
Schloss beim Park, ah,
Wir sprachen freudig
von Petrarca,
Und wir beschlossen
eine Fahrt,
Die uns Italien
offenbart,
Da war das Schicksal
uns wohl gnädig,
Wir fuhren mit dem
Omnibus
Und suchten einen
Musenkuss
Der jungen Venus von
Venedig,
Die Goethes Augen
trunken sahn
Und die gemalt hat
Tizian.
XLIX
O Brenta mit den
klaren Wellen!
O Cybele der Adria!
Wir waren in dem
sonnenhellen
Venedig unterm
Himmel da!
Fern war der Nord
mit grauem Grimme,
Wir hörten nun der
Muse Stimme,
Wie Schillers
Geisterseher sprach,
Und der Armenier
gemach
Verfolgt uns zur
Rialto-Brücke,
Der Regenbogenbrücke
bunt,
Von Engeln oft
betreten und
Wir sahen auch die
Seufzerbrücke,
Venedig sehen, dann
der Tod!
Nach dunkler Nacht
das Morgenrot!
L
Wie liebe ich den
Süden, Götter!
Wie süß war mir
Italia,
Wie himmlisch war
der Sonne Wetter,
Wie wunderschön
Venezia!
Was in dem Lande der
Germanen
Bin ich gegangen
dunkle Bahnen,
So faustisch,
tragisch und so deutsch!
Italiens Madonna
keusch
Hat mir gegeben süße
Wonne,
Mit Marco Polo
wollte ich
Nach China reisen,
Weisheit, dich
Zu suchen dort, des
Ostens Sonne!
Dumpf hock ich in
Germania,
Die ich als blonde
Mutter sah.
LI
So Josef wollte mit
mir reisen
Nach China in das
Morgenland.
Wir wollten lesen
dort die Weisen
Im lächelnden
geliebten Land.
Doch seine Tante war
gestorben,
An Lebensmüdigkeit
verdorben,
Er musste zur
Beerdigung,
Da lag der Leichnam
in dem Dung.
Und nun der böse
Streit ums Erbe,
Sein Vetter nahm das
ganze Geld.
Und Josef Ono in der
Welt
Ward nur das
Todesleid, das herbe.
Doch wird sein Vater
sterben bald,
Dann erbt er dessen
Aufenthalt.
LII
So kam ein Brief in
seinen Kasten,
Sein Vater schon im
Sterben lag.
Nun musste er nach
Friesland hasten
Zu seines Vaters
letztem Tag,
Noch einmal seinen
Spott zu hören,
Noch einmal Mammons
Weisheitslehren.
Da kam er an im
Krankenhaus,
Da ging des Vaters
Atem aus,
Da fiel der Vater
noch ins Koma
Und starb dann an
der Leukämie.
Voll Wut sein Sohn
gen Himmel schrie:
Vergebe mir der
Papst von Roma,
Ich bin so voll von
heißem Hass!
Den Vater holte
Satanas.
LIII
Bei der Beerdigung
gepredigt
Hat gottlos dann ein
Humanist,
Sich lieblos seiner
Pflicht entledigt,
Kein Wort von Gott
und Jesus Christ.
Dann gab es Kuchen
und Geschichten
Und das Geschwätz
der hübschen Nichten.
Dann ward das Erbe
ausgeteilt.
Und Josef in sein
Erbteil eilt,
Ein Landhaus in dem
Land der Friesen.
Er ging spazieren in
dem Wald,
Jedoch sein liebster
Aufenthalt
War an der Nordsee
Deich. Gepriesen
Sei ewig Christus
Kyrie,
Komm zu uns, Liebe,
auf der See!
LIV
Drei Tage war es
alles herrlich,
Die Wiese mit der
Mutterkuh,
Der Wald, der
Vogelsang war ehrlich,
Und der Kanal, das
Meer dazu,
Dann aber kam das
alte Stöhnen,
Er musste vor der
Schöpfung gähnen,
Was soll ihm Taube,
Eichenblatt,
Er sehnte sich
zurück zur Stadt,
Zu ihren
Antiquariaten,
Zu ihrer
Universität,
Zur City, wo ihr
Mädchen seht,
Nicht immer nur die
grünen Saaten,
Dann lieber Knaben
und subtil
Die Mogelei beim
Kartenspiel.
LV
Ich aber liebe sehr
die Nordsee,
Die See ist meine
Seemannsbraut,
Der blanke Hans, die
grause Mordsee,
Das ists, was gern
mein Auge schaut,
Und Tauben im
Kastanienbaume
Mit Pavillon von
Blütenschaume,
Im Garten die
Vergissmeinnicht,
Und über Tannen
Morgenlicht,
Auf Wiesen Rehe oder
Hasen,
Die Herde Schafe auf
dem Deich,
Die Möwen auch, den
Ratten gleich,
Die kleinen Füchse
auf dem Rasen,
So hab ich einst
allein gelebt,
Für eine Traumfrau
fern gebebt.
LVI
O Blumen, Liebe,
grüne Felder,
O Blumengarten,
Müßiggang,
Spaziergang durch
die Tannenwälder,
Und Taubengurren,
Vogelsang!
Ich bin ja nicht dem
Josef ähnlich,
Wie Dichter singen
sonst gewöhnlich
Ihr kleines
lyrisches, ihr Ich.
O Muse, von was
anderm sprich,
Als ewig nur von
meinen Sünden,
Du singe Frauen ohne
Spott,
Du singe Weisheit,
singe Gott,
Ich will im Lied von
Liebe künden,
Von Liebe ohne Rast
und Ruh,
Ich singe das
geliebte Du.
LVII
Die Dichter sehen
Venus schäumen
Und singen voller
Phantasie,
Die sie von schönen
Frauen träumen.
Ich lieb die
namenlose Sie!
Ach all die Mädchen,
all die jungen,
Und flutenden
Erinnerungen,
Corinna auf Cytheres
Thron,
Und Amor klein,
Cytheres Sohn!
Nun hör ich fragen
euch, ihr Freunde,
Wen meine Lyra nun
verklärt,
Wen meine Seele heiß
begehrt?
Ich schweig davon,
ihr treuen Feinde,
Kennt ihr denn Unsre
Liebe Frau,
Wie ich sie in
Gebeten schau?
LVIII
Für wessen Lächeln
singst du Lieder,
Und wer ist deine
Muse, sag!
Ich fahr zum
Totenreich hernieder
Und schwebe auf zum
Jüngsten Tag.
Da seh ich meine
Beatrice,
Ich nenne sie
liebkosend Bice,
Der Tod, der ist der
Sünde Sold,
O Herr, zeigt sich
das Jenseits hold?
Glückselig, wer am
Mädchenbusen
Gebettet und im
Mädchenschoß,
Der fühlt sich
männlich, fühlt sich groß,
Ich aber, Muse
meiner Musen,
Ich aus dem Abgrund
meiner Not,
Ich sing die Liebe,
die ist tot!
LIX
Der junge Eros ist
erloschen,
Ich singe nun mein
Lied dem Tod.
Frau Minne hat mich
arg zerdroschen,
Da strömten Tränen
blutig rot.
Nun aber zieh ich
aus die Schuhe
Und schaue in das
Land der Ruhe,
Die, die ich liebe,
ist ein Geist,
Die von dem Leib des
Herrn gespeist,
Die stimmt die
Saiten meiner Leier,
Die trommelt mir der
Verse Takt,
Vom Himmel kommt die
Göttin nackt,
Gehüllt nur in der
Reinheit Schleier.
Halb tot der
Dichter, lebensmüd,
Nun singt das
Nibelungenlied.
LX
Der erste Kantus ist
beendet,
Ich schrieb ihn für
den Himmel nur,
Einst wird er in die
Welt gesendet,
Doch keiner findet
seine Spur.
Ich feire weiter
täglich Messen,
Mein Jesus wird mich
nicht vergessen,
Wie mich die eitle
Welt verschmäht,
Wie die Gemeinde
mich verrät.
Vielleicht liest
jemand mich in Polen,
Ein Eskimo in
Kanada,
Ein Cowboy in
Amerika?
Ich hab die Weisheit
nur gestohlen,
Denn aus mir selber
bin ich dumm,
So schließe ich den
Kantus, stumm.
ZWEITER GESANG
I
Wo Josef seine
Langeweile
Gepflegt, das war
ein schönes Haus.
Der Mensch, der voll
vom Seelenheile,
Der ginge gern hier
ein und aus
Und dankte für sein
Los dem Himmel.
Zwar auf der Weide
stand ein Schimmel,
Doch Josef Ono ritt
kein Pferd,
Ein Tier war ihm nur
wenig wert,
Er glaubte nicht an
diese Götzen.
Er, mit dem
Ellenbogenschorf,
Fuhr mit dem Rad von
Dorf zu Dorf,
Sich an sich selber
zu ergötzen.
Und gern auch seine
Augen sahn
Im Garten den
antiken Pan.
II
Das Haus war von dem
Architekten
Sehr gut geplant mit
großem Geist.
Der Konzeption, der
unbefleckten,
Getreu der Maurer
folgte meist.
Vorm Haus am Maste
Frieslands Fahnen,
Im Haus die Bilder
treuer Ahnen,
Auf blauen Fliesen
waren da
Viel Bilder aus der
Biblia,
Wie es im alten
Friesland Mode.
Das interessierte
Josef nicht,
Ob Prosa oder
Lobgedicht,
Ob freie Verse oder
Ode,
Ob neu, ob alt, war
ihm egal,
Erdhütte oder
Himmelssaal.
III
In diesem Haus, wo
einst sein Vater
Die leere Zeit
verrinnen sah,
Nun auf dem Friedhof
schrie der Kater,
Wo mit der alten
Helena
Er Stubenfliegen
totgeschlagen,
Da lebte Josef in
den Tagen
Wie unter einem
bösen Fluch.
Er fand im ganzen
Haus kein Buch,
Nur eine ausgelesne
Zeitung
Und eine alte
Flasche Wein,
Er schenkte sich den
Weißwein ein,
Er trank kein Wasser
aus der Leitung,
Nun Wasser ward zu
Weißwein und
Es war ein Weißwein
aus Burgund.
IV
Er war ein Seher in
der Wüste,
Der sah das Leid der
Bauernschaft.
Der Bauer seine
Sünden büßte,
Verkürzte seine
Lebenskraft,
Es trieb das Elend
ihn im Norden,
Verzweifelt selbst
sich zu ermorden,
Es war der Knecht
ein trister Knilch,
Es gab kein Geld
mehr für die Milch,
Vergebens war des
Bauern Mühe,
Die Politik Europas
gab
Kein Geld mehr für
die Milch, den Lab,
Fast mussten hungern
auch die Kühe.
Beklagte Josef
dieses sehr,
War er ein
Revolutionär.
V
Erst kamen Nachbarn
ihn besuchen,
Zu plaudern mit dem
netten Mann,
Mit ihm zu essen
Erdbeerkuchen,
Sie blieben aber
ferne dann,
Die alten und die
jungen Dinger,
Man sprach, er sei
ein schlimmer Finger,
Ein Irrer und ein
Idiot,
Er glaube nicht an
Zebaoth,
Er sei ein Freigeist
alter Sorte,
Der treibt mit
frommen Dingen Spott,
Der glaubt nicht an
den lieben Gott,
Sagt Damen keine
netten Wort,
Küsst keuschen
Damen nicht die Hand,
Sei ganz erfüllt
von Unverstand.
VI
Nun war ein andrer
Mann gekommen,
Der wohnte in der
Nähe nun,
War einer von den
stillen Frommen,
Begehrte, in Natur
zu ruhn,
In diesen
Erdenparadiesen,
Der Schöpfung in
dem Land der Friesen.
Sein Name Peter
Schwangensang,
Der einst studiert
fünf Jahre lang
Die Lehre von den
Phänomenen,
Den Hildebrandt, der
war so rein,
Die fromme Jüdin
Edith Stein.
Er liebte hoch
erhabne Themen,
Sah immer fern zum
Horizont,
Blauäugig, groß
gewachsen, blond.
VII
Er kannte nicht die
Welt des Bösen,
Er glaubte an den
frommen Freund
Und dass die Frau
ihn kann erlösen,
Ein Philanthrop, war
keinem feind,
War Unschuld und war
voller Tugend
Und schön in seiner
Mannesjugend,
Er glaubte, dass er
geistig seh
Die hoch-platonische
Idee
Im Körper einer
Makellosen,
Er glaubte nicht der
Venus Schaum,
Nein, an Madonna,
rein wie Traum,
Er sah in allen
roten Rosen
Die eine rosa
mystica,
Die er in der
Erleuchtung sah.
VIII
Er glaubte parallele
Seelen,
Die vor der
Schöpfung waren eins,
Die nach dem
Schicksal sich erwählen
Im Sakramente des
Vereins.
Er glaubte auch an
Freund und Bruder,
Er liebte keine
nackten Luder,
Empfindsam hat sein
Herz geweint
Für den Geliebten,
für den Freund.
Er glaubte an die
Auserkornen
Und glaubte an die
Transzendenz,
Der Menschheit kommt
ein neuer Lenz,
Zu Rosen werden dann
die Dornen
Und tausend Jahre
Frieden ist,
Wo mit Maria
herrscht der Christ.
IX
Gerechter Zorn und
All-Erbarmen,
Die Ganzhingabe an
den Herrn,
Ein Mitgefühl mit
Kindern, Armen,
Maria war sein
Morgenstern.
Er war ein Dichter,
seine Leier
War inspiriert vom
reinen Feuer
Der Prophetie der
Poesien
Von Klopstock und
von Hölderlin.
Er diente nur den
frommen Musen,
Sein Amor war ein
Himmelskind.
Und nicht wie andre
Dichter sind,
Die reimen Musen
stets auf Busen,
Sein Lied war
mystisch-rein, sublim,
Er war mit seinem
Gott intim.
X
Er sang von Liebe,
reiner Liebe,
So voller Unschuld
und so rein
Wie eines Mädchens
Seelentriebe,
Der Schlummer eines
Kindelein,
Der keusche Glanz
der Jungfrau Luna,
Voll reiner Jugend
wie Iduna,
Iduna Henßler meine
ich,
Ihr kennt das
Mädchen sicherlich.
Er sang Adieu und
Liebeskummer,
Er sang von China,
India,
Afghanistan,
Armenia,
Er sang sehr viel
vom Todesschlummer.
In seiner Jugend
Liebesnot
Er sang vom Alter
und vom Tod.
XI
Und Josef war in
dieser Wildnis
Der beste Freund dem
Schwanensang,
Er sah in ihm ein
reines Bildnis
Des Genius voll
Überschwang.
Was waren schon die
andern Leute,
Die klebten nur am
Hier und Heute,
Von Krankheit
sprachen sie, vom Hund,
Von Ehe sprach ihr
Plappermund,
Vom Milchpreis, von
der Unterhaltung,
Vom neusten
Kriminalroman.
Das alles war recht
angetan
Zur Langeweile. Und
die Haltung
Der Weiber war so
ohne Witz,
Die alten Weiber
treff der Blitz!
XII
Und Peter
Schwanensang, alleine,
Ein Junggeselle aus
Prinzip,
Man fragte ihn, wer
denn die Seine
Und ob ihm nicht ein
Mädchen lieb.
Ist glücklich
keiner, wie man sehe,
Der nicht im Hafen
ruht der Ehe.
Zur Kirche solle
kommen er,
Von Mädchen warte
dort ein Heer.
Auf seinen Hof lud
ihn ein Bauer,
Da Julie schön das
Cello strich,
Ein Traum von
Schönheit sicherlich,
Ein Halleluja voller
Trauer,
Dann sang sie mit
der Stimme Schall:
Die Lerche nicht,
die Nachtigall...
XIII
Doch Peter wünschte
nicht die Ehe,
Er wurde Josef Onos
Freund,
Sie trafen oft sich
in der Nähe,
Und Josef hat es gut
gemeint
Mit diesem
träumerischen Dichter,
Dem Josef war ein
strenger Richter.
Unähnlich waren
sich die zwei,
Nicht Zwillinge aus
einem Ei,
Sie waren Poesie und
Prosa,
Sie waren Feuersglut
und Eis.
So findet Freunde
man, ich weiß,
Ich beichtete es oft
sub rosa
Im Stillen einem
Gottesmann,
Nur weil man nicht
allein sein kann.
XIV
Wie unbekannt ist
uns die Freundschaft!
Empfindsamkeit steht
uns sehr fern.
Wir kennen nur die
fromme Feindschaft,
Wenn Wölfe Brüder
sind im Herrn.
Wir bleiben immerdar
die Kühlen,
Die wissen nichts
von Hochgefühlen,
Die Bruderliebe,
ach, was solls!
Wir sind wie
Friedrich Nietzsche stolz,
Die andern haben
einen Sparren,
Nur ich allein bin
wirklich klug,
Wir glauben, dass
nach Recht und Fug
Wir Weise sind im
Kreis von Narren
Und haben nur für
andre Spott
Und unser Ego ist
uns Gott.
XV
Wenn Peter
Schwanensang entledigt
Sein Herz hat vor
dem Bruderherz,
Wenn er von der Idee
gepredigt,
War das für Ono nur
ein Scherz.
War Peter wie
verletzte Tiere,
Hielt Josef sich mit
der Satire
Zurück, er dachte:
Mit der Zeit
Legt sich die alte
Gläubigkeit
Und Schwärmerei von
Idealen.
Die Jugend badet
stets im Born
Von Raserei und
Dichterzorn,
Wo alle sieben
Geister strahlen,
Was solls, dass ich
den Freund ermahn,
Ich lasse ihn in
seinem Wahn.
XVI
Sie saßen oft bei
Diskussionen
Und führten den
Gedankenstreit,
Sie sprachen von
gestürzten Thronen
Und von dem Geist
der neuen Zeit,
Sie sprachen von dem
Volksgewimmel,
Vom Tod, von Huris
in dem Himmel,
Von Leben,
Schicksal, Selbstmord, ach,
Man gar von Lust und
Liebe sprach,
Da sah der Freund
den Dichter schäumen
In der poetischen
Manie,
Er las dann aus der
Edda, die
Er selbst mit allen
Himmelsräumen
Verdolmetscht,
niemand zum Gewinn,
Gebrochne Verse ohne
Sinn.
XVII
Sie sprachen von den
Leidenschaften,
Die beiden Eremiten
dort.
Und zwischen beiden
Männern klafften
Die Weltansichten
immerfort.
Und Josef blieb da
still, gelassen.
Was soll das Lieben,
was das Hassen?
O Liebe! Selig ist
der Mann,
Der sich von dir
befreien kann!
Mehr selig aber sind
die Männer,
Die nie erfahren
deine Macht,
Die still mit ihrer
Frau zur Nacht
Wie alte
Kamasutra-Kenner
Die Pflichten
absolvieren, ach,
Versöhnen so den
Ehekrach.
XVIII
Wir haben eingeholt
die Fahne
Mit ihrer
Leidenschaften Rot,
Wir sind erlöst vom
Liebeswahne
Mit der Musik vom
Liebestod,
Wir spotten über
Minneritter,
Wir sind nun müde,
weise, bitter.
Soll doch die Jugend
nun nach Wunsch
Besaufen sich an
diesem Punsch!
So hören alte
Veteranen,
Was junge Krieger
stammeln so.
Die Jugend stöhne
ah und oh
Und wandle auf der
Torheit Bahnen,
Wir hören still
gelassen zu
In abgeklärter
Seelenruh.
XIX
Ach, die
Begeisterung der Jugend
Verbirgt die
Liebesfreuden nicht,
Die Jugend offenbart
die Tugend
Und auch der Lüste
Menschenpflicht.
So redet stets der
Jugend Narrheit
Und offenbart die
nackte Wahrheit.
So sagte Peter
Schwanensang,
Wie er vor zarter
Liebe bang,
Und Josef Ono hörte
schweigend
Des Freundes
Lebensbeichte zu,
Er blieb in tiefer
Seelenruh,
Als seine
Leidenschaft bezeugend
Der junge Peter ohne
Hohn
Sprach von der Liebe
Illusion.
XX
So liebt man nicht
in unsern Zeiten,
Da heut nur gilt der
schnelle Sex,
Und wenn die Leute
sich dann scheiden,
Dann folgt ein neuer
auf den Ex.
Er liebte in dem
Geist der Minne,
Vergeistigt waren
seine Sinne,
Ihm war die Liebste
sein Idol,
Es war der Wahn der
Liebe wohl,
Er konnte nie den
Schatz vergessen,
Von dem er wie
besessen war,
Da half die Kunst
nicht offenbar
Und nicht Gebete bei
den Messen,
Da half nicht Ebbe,
half nicht Flut,
Da unlöschbar die
weiße Glut.
XXI
Er hatte schon ihr
Herz gewonnen,
Ihn quälte nicht
der Liebespfeil.
Denn Anna, Wonne
aller Wonnen,
Sie war für ihn
sein Seelenheil.
Sie war sein
himmlisches Entzücken,
Die konnte ihn zu
Gott verzücken,
Sie war für ihn der
Sonne Licht,
Das feminine
Angesicht
Des höchsten
liebevollen Gottes!
Sie liebte innig die
Natur,
Sie sah darin des
Gottes Spur,
So war sie fromm,
trotz allen Spottes,
Sie, Gottes Göttin,
Licht vom Licht,
War schön wie ein
Vergissmeinnicht.
XXII
Sie war ihm seine
erste Liebe,
Sie mehrte seine
Lebenslust,
Die Traumfrau seiner
Seelentriebe,
Ihr schlug ein Herz
in ihrer Brust.
Nun hört hier des
Poeten Beichte:
O Jungfrau
Mondengöttin, feuchte,
Ich liebe dieses
mein Idol,
Ich tue alles für
ihr Wohl,
Die mir bestimmte
Seelengattin
Scheint mir Diana
selbst zu sein,
Sie ist wie
Mondenschein so rein,
Sie ist kein Weib,
ist eine Göttin!...
Diana, rosig wie der
Mohn,
Gab ihm die
Absolution.
XXIII
Bescheiden wie ein
stilles Veilchen
Und strahlend wie
der Morgenstern,
Sie weinte manchmal
für ein Weilchen,
Doch hatte sie das
Lachen gern,
Die lachenliebende
Cythere,
Die Schamerfreute
aus dem Meere!
Sie liebte
Dostojewskis Wahn
Und Tolstois
epischen Roman.
Nicht immer von der
selben dichte,
O Muse, schau zur
Schwester auch,
Gedenke ihrer Jugend
Hauch,
Wo sie gelebt im
dunklen Lichte,
Wo sie bezaubert
Josefs Geist,
Die stille Schwester
sei gepreist.
XXIV
Der Schwester Name,
der war Eva,
Wie Milton ihn im
Lied gebraucht.
Gepriesen sei auch
Petrus-Kefa,
Der manche Weisheit
schon gehaucht.
Soll aber ich von
Eva reden,
Muss reden ich vom
Garten Eden.
Man sagt, in meiner
Namenswahl,
Da sei ich kein
Original,
Nur immer Anna, Eva,
Peter
Und Josef. Kennst du
nicht die Schrift,
Wo man so viele
Namen trifft?
Geschlechtsregister
liebt nicht jeder,
Wir lesen in der
Bibel zwar,
Doch manches wurde
uns nicht klar.
XXV
So war der Schwester
Name Eva,
Nicht schön wie
Schwester Anna zwar,
Doch Weisheit lehrte
Petrus-Kefa,
Dass Schönheit mehr
im Innern war.
Ihr fehlten diese
großen Brüste,
Geschaffen zu dem
Spiel der Lüste.
Ich dennoch gerne
Eva seh,
Sie war sanftmütig
wie ein Reh,
War immer still und
melancholisch.
Als Kind war immer
sie allein
Nur mit den Blumen
in dem Hain.
O Quell der Musen
alkoholisch,
Gib ein ein Lied von
dieser Maid,
Vertraute stiller
Einsamkeit.
XXVI
Befreundet war sie
nur mit Träumen,
Ein Engel, kaum noch
inkarniert,
Ihr Geist sich oft
in Sternenräumen
In stiller
Mondscheinwelt verliert.
Sie sah allein Komet
und Schnuppe.
Sie nähte nicht,
und keine Puppe
War Spielzeug ihr,
auf dass sie dort
Schon lernt das
ernste Mutterwort.
Ich kenne Mädchen,
die mit Puppen
Tun das, was Mutter
ihnen tut.
Sie wollen Mütter
werden, gut,
Den Mädchen sind
die Knaben schnuppe,
Sie selbst sind
Püppchen, Gott geweiht,
Prinzessinnen im
rosa Kleid.
XXVII
Und Eva wollte auch
nichts wissen
Vom neusten Klatsch
von Stadt und Land,
Sie folgte einzig
dem Gewissen,
Mehr dem Genie als
dem Verstand.
Sie mochte Märchen
von den Elfen,
Den kleinen
Göttinnen, die helfen,
Sie fürchtete den
Schwarzen Mann,
Den sah sie nur mit
Schrecken an.
Wenn Freundinnen zu
Anna kamen
Und schwärmten
durch den Garten laut,
Hat Eva in die Luft
geschaut,
Sie mochte nicht die
kleinen Damen,
Geschnitzt aus einem
andern Holz,
So jung und so
kokett und stolz.
XXVIII
Sie mochte gern die
die Morgenröte
Und liebte sehr den
Morgenstern.
Sie mochte gern der
Vögel Flöte,
Sie hatte die Natur
sehr gern.
Sie mochte es, im
Morgengrauen
Hyperion von Osten
schauen,
Ihr wars, als ob die
Sonne spricht,
Ihr war Musik das
Sonnenlicht.
Im Winter aber, in
dem Dunkeln,
Sie zündete die
Kerzen an
Und schaute in die
Flammen dann
Und sah dann tanzen
in dem Funkeln
Im Purpurkleidern
schöne Feen,
Die konnte einzig
Eva sehn.
XXIX
Sie las romantische
Romane
Und wollte so
geliebt auch sein,
Wie Goethe schrieb,
der Dichter Ahne,
Von Liebesglück und
Liebespein,
Wie Werther sprach
von seinem Gotte
In der Natur und
seiner Lotte.
Ihr Vater Helmut las
kein Buch,
Er kannte nicht der
Bücher Fluch,
Die jungen Geister
zu verwirren,
Es war dem Vater
ganz egal,
Was Eva aus dem
Büchersaal
Gelesen, was für
Geister schwirrten
Um sie. Der Mutter
Augen sahn
Nur Boris Pasternaks
Roman.
XXX
Die Mutter Evas hieß
Elfriede,
Die Lara liebte,
Tonja auch,
Die wünschte
oftmals Russland Friede,
Die liebte Doktor
Juris Hauch.
Doch selber war sie
keine Lara,
Sie war Noomi oder
Mara.
In ihrer Jugend
liebte sie
Den ersten Gatten,
der war wie
Der Doktor Juri,
Herr Schiwago.
Sie lebte in dem
Dörfchen Bach
Bei Leipzig, bis ihr
Gatte, ach
Verstorben ist. Sie
kochte Sago
Und machte
Götterspeise draus
Zum Totenfest im
Gotteshaus.
XXXI
Dann hat den Helmut
sie genommen,
Der immer sich
gesund ernährt.
Sie haben nicht im
Geld geschwommen,
Das Portemonnaie war
oft geleert.
Elfriede dachte oft
im Schatten
Noch an den ersten,
toten Gatten,
Doch wandte sich der
Erde zu
Und fand im Hause
Seelenruh.
So kann sich eine
Frau gewöhnen
An ihres Mannes
kalten Blick,
Statt dass sie hat
der Liebe Glück
Und Lebensfreuden
mit dem Schönen,
Hat sie der Ehe
Alltag dann,
Gewohnheit wird der
Ehemann.
XXXII
Im Haus regierte
still Elfriede,
Der Mann zum Kampf
ging aus dem Haus.
Im Hause aber war
der Friede.
Sie schimpfte oft
die Kinder aus,
Doch gab sie niemals
Backenstreiche.
Sie war die Sanfte,
war die Weiche,
Voll Sanftmut und
Bescheidenheit,
Voll Demut war sie
stets bereit.
Sie sammelte im
Walde Beeren
Und kochte Marmelade
ein,
Und Samstags bei dem
Vesper-Schein
Die Töchter wurden
trotz Beschweren
Gebadet in dem
heißen Bad,
Was nie der Vater
Helmut tat.
XXXIII
In ihrer Jugend
schrieb sie Verse
In ihrer Freundin
Album ein,
Zwar Hafiz nicht,
der fromme Perse,
Vermochte ihr Poet
zu sein,
Von Schiller kannte
sie die Glocke
(Sie mochte mehr die
Schillerlocke)
Und manches alte
Sprichwort auch:
Studiert nicht gern
ein satter Bauch,
Die Lügen haben
kurze Beine,
Der Schlaf ist gut
vor Mitternacht,
Am besten lacht, wer
schließlich lacht,
Wer einmal lügt,
dem glaubt dann keine.
Französisch,
Englisch sprach sie nicht,
Kaum redet Deutsch,
wer sächsisch spricht.
XXXIV
Den Gatten lernte
sie zu lieben
Und ließ ihm auch
sein Steckenpferd,
Er las sehr gern von
Pflanzentrieben,
Heilkräuter waren
ihm beschert.
Am Sonntag kamen
manchmal Gäste,
Es waren friedlich
stille Feste,
Da man spazierte
durch den Matsch
Und ausgetauscht den
neusten Klatsch.
Dann trat auch an
die Tafel Anna
Und schenkte ein den
Kräutertee,
Mit Sahne, sie, des
Hauses Fee,
Und reichte
selbstgebacknes Manna,
Die Gäste fuhren
abends fort,
Schlaft gut, war
stets das Abschiedswort.
XXXV
Im Hause herrschte
stiller Friede,
Saß man zusammen
beim Spinat,
Den kochte lecker
die Elfriede.
Und was betrifft den
Gottesstaat,
Man ging zur Kirche
in der Weihnacht
Und hoffte da schon
auf die Mainacht.
Karfreitag ward
geweint, wenn ach
Den Tod des Herrn
besang Herr Bach,
Dann zu der schönen
Osterfeier
Gabs keine
Schokolade zwar,
Und da auch nicht
Bescherung war,
Doch gab es bunte
Ostereier,
Wie sie das Häslein
in der Nacht
Ins grüne Osternest
gebracht.
XXXVI
Und wie der Lauf nun
dieser Welt ist,
Der treue Ehegatte
starb,
Und wenn er auch
kein Glaubensheld ist,
Wenns ihm am
Christentum gebrach,
Wir wünschen
herzliches Erbarmen
Und Seelenruh in
Christi Armen.
Er starb an einem
Lungenkrebs,
Dacht bis zum
Schluss: Ich überlebs.
Jetzt liegt er
unterm Friedhofs-Rasen.
Da steht nun auf des
Grabes Stein:
Hier ging zu Gottes
Ruhe ein
Herr Helmut Becher,
(wie wir lasen),
Der Gottes Schöpfung
sehr geliebt,
Bei seinen Kindern
sehr beliebt.
XXXVII
Und Peter wieder
ging nach Hause
Und ging zu Vater
Helmuts Grab,
Zu seiner stillen
Ruheklause,
Da Peter stand an
seinem Stab.
Wir werden alle nach
den Leiden
Des Lebens in dem
Tod verscheiden.
Wer aber wird der
nächste sein,
Den Gott erlöst von
seiner Pein?
Die Schüsse kommen
immer näher,
Ich ahne auch schon
meinen Tod.
Und Peter stand im
Abendrot,
Da überkam den Mann
ein jäher
Kuss seiner Muse und
in Hast
Hat er ein Epitaph
verfasst.
XXXVIII
Dann auch mit heißen
schönen Worten
Schrieb seiner
Mutter er ein Lied,
Die auch lag auf dem
Friedhof dorten,
Die war voll Herz
und voll Gemüt.
Das Menschen Leben
ist wie Heu doch,
Erst wachsen grüne
Gräser neu, doch
Wird alles
schließlich abgemäht,
Der Sensemann durch
Äcker geht.
Doch Kinder werden
stets geboren,
Die Mädchen werden
Mütter dann,
Zum Vater wird der
junge Mann,
Dann treten zu des
Todes Toren
Großmütter
zitternd an dem Stab,
Die Enkel tragen sie
zu Grab.
XXXIX
So carpe diem, sagt
der Dichter,
Das Leben ist voll
Wankelmut,
Einst richten wird
der Totenrichter,
Was Jugend in der
Torheit tut.
Was ist denn wert
das Erdenleben
Und alles nach dem
Ruhme Streben?
Mir scheint das
alles nichts als Kot.
Wir, Ave, sind
geweiht dem Tod.
Doch bin ich hundert
Jahr im Hades,
Mag sein, dann liest
man erst mein Lied.
Von Salomo und
Sulamit
Singt heut das Volk
des Gottesstaates
Noch immer diese
Poesie,
Und niemals geht
verloren sie.
XL
Mein Vers kann dann
die Christin rühren,
Vielleicht in
hundert Jahren auch
Ich werde eine Frau
verführen
Durch meiner
Liebeslieder auch,
Und sie verliebt
sich in den Toten.
Vielleicht vertont
man mich mit Noten.
Vielleicht, o Muse,
auch erlabst
Im Vatikan du einen
Papst,
Der könnte einen
Vers zitieren
In einer
Papst-Enzyklika.
Was soll? Ich bin
dann nicht mehr da.
Der Nachruhm wird
mich dann nicht rühren.
Und droben bei der
Engel Tanz
Fragt keiner nach
dem Lorbeerkranz.
DRITTER GESANG
I
Gehst du schon
wieder weg? O Dichter! -
Ich muss nun gehn, o
Josef mein! -
Ich sprech kein
Urteil dir als Richter,
Doch wo wirst du im
Hause sein? -
Ich bin bei der
Familie Becher. -
O Gott! Was willst
du armer Zecher
Bei dem profanen
Völkchen denn?
Wir selbst uns
Überlebenden,
Was sollen wir beim
Volke nüchtern?
Bei Marmeladebrot
und Tee,
Ich unterm Tisch die
Hunde seh,
Die Töchter lüstern
oder schüchtern,
Gespräche über
Arbeit, Geld,
Die Kinder,
Krankheit, kurz, die Welt?
II
Was ist denn schlimm
an der Familie? -
Die Langeweile, die
ist schlecht! -
Ich aber mag die
keusche Lilie,
Ich ehre das
Familienrecht. -
Oh, singst du
Liebes-Elegieen?
Das sei dir von dem
Herrn verziehen!
Du fährst so
schnell in jenes Haus?
Wie sehen denn die
Töchter aus?
Lass mich mal
Diotima sehen,
Die du besingst wie
Hölderlin!
Nur ruhig deiner
Muse dien
Mit Tränen und mit
großen Wehen! -
Sie laden dich zum
Essen ein!
Tritt friedlich nur
ins Haus hinein.
III
So lass uns gehn! -
Sie fuhren eilig,
Sie wurden auch
recht nett begrüßt.
Die Höflichkeit war
ihnen heilig,
Der Charme doch das
Gespräch versüßt.
Der Kaffee ward
gekocht im Kessel,
Die dicke Mutter saß
im Sessel,
Und man verbrachte
still die Zeit
In friedlicher
Geselligkeit,
Man sprach nicht von
den Religionen,
Man sprach von
Kindern und vom Hund,
Man sprach vom
eignen Gartengrund,
Man träumte, wie
ein Fürst zu wohnen.
Die Zeit verging im
müden Trab.
Die beiden Freunde
gingen ab.
IV
Und heimwärts
fuhren nun die Freunde,
Es war zur
Abenddämmerung.
Was sprachen sie,
die Narrenfeinde?
Diktier mir das die
Muse jung!
Mein lieber Josef,
musst du gähnen? -
Gewohnheit, immer
diese Szenen!
Wie langweilt mich
das Leben doch!
Mich ekelt an dies
schwarze Loch!
Ach Peter, fahr doch
etwas schneller!
Am Himmel dieser
dumme Mond!
Elfriede Becher,
nun, sie wohnt
Mit Töchtern still
und mit dem Beller,
Ich aber trank zu
viel Kaffee,
Ich schon den
Bauchschmerz kommen seh.
V
Wer von den beiden
war denn Eva? -
Nun, die so still
war und verträumt.
So wahr der Papst in
Rom ist Kefa,
Sie hat die
Wirklichkeit versäumt,
Sie saß in der
bescheidnen Demut
In einer
weltentrückten Wehmut. -
Du aber liebst die
Anna mehr? -
Ja, meine Göttin
lieb ich sehr! -
Ach, Peter, wenn ich
Dichter wäre,
Wär Eva eher mein
Idol.
Die Anna ist doch
etwas hohl,
Dem Busen zwar ich
geb die Ehre,
Doch ist sie tot wie
Knidia! -
Und Schwanensang
verstummte da.
VI
Dass Josef zu Besuch
gekommen,
Ließ einen Eindruck
tief zurück.
Die Schwätzer,
Spötter, all die Frommen,
Die sprachen schon
vom Eheglück.
Beim heiligen
Sakraltheater,
Der Josef wär ein
guter Vater,
Der jetzt der Eva
macht den Hof!
Er ist fürwahr ein
Philosoph!
Nur fehlen
Diamantenringe,
Nur fehlt der
Priestersegen noch!
Dass Peter in der
Ehe Joch
Mit Anna eins war
aller Dinge,
Das Schicksal gab
schon das Gebot,
Man sei sich treu
bis zu dem Tod...
VII
Doch Eva hörte das
nicht gerne,
In ihrer Unschuld
war sie keusch.
Was denn befahlen
ihr die Sterne,
Die Herrscher über
Blut und Fleisch?
Doch musste sie an
Josef denken
Und sich in seinen
Geist versenken,
Als wär er selbst
die Transzendenz!
Und dann der Trieb
und dann der Lenz
Und dann um
Mitternacht die Träume!
Und Eva immer war
allein,
Still trank sie da
der Sehnsucht Wein
Und Aphrodites
keusche Schäume,
Da kam der Sehnsucht
Götterglut
Auf Himmelsfreuden
in ihr Blut.
VIII
Sie träumt von dem
Ideenhimmel,
Vom auserwählten
Seelenpaar,
Der Götter
himmlischem Gewimmel,
Wie Hochzeit feiert
dort der Aar
Mit auserkornem
Adlerweibchen,
Wie ewig treu die
Turteltäubchen,
Die in der Eiche
sich gepaart,
Die Schwingen da
gespreizt so zart,
Im Lenz den
Hochzeitstanz die Falter
Beflügelt tanzen in
der Luft,
Wie bräutlich
mischt der Blütenduft
Sich in der
Vogellieder Psalter!
In diesen Träumen
nur allein
Versonnen lebte
Evalein.
IX
Jetzt liest sie gern
in den Romanen
Und lebt in der
Romane Welt,
Da ihre sieben
Seelen ahnen,
Er kommt gewiss, der
Liebe Held!
Da träumt sie von
dem jungen Werther,
So lieben möge ihr
Verehrter,
Da liest sie von
Hyperion,
So wird er sein, der
Menschensohn,
Sie liest von
Heinrich Ofterdingen,
Der sucht die blaue
Blume nur,
Die heilge Seele der
Natur,
So soll auch ihr
Geliebter singen.
In allen diesen
Helden da
Sie die Idee von
Josef sah.
X
Sie sah sich selbst
als neue Lotte,
Die Werthern hatte
umgebracht,
Er sie verglich mit
seinem Gotte
Und stürzte in des
Todes Nacht!
Sie sah sich selbst
als Diotima,
Urania von
Paphos-Ktima!
Sie war die Schöne
Dame Blocks,
Madonna sie des
Minirocks,
Madonna in der
Gottheit Aura!
Die hohe Muse
Raffaels,
Die Venus von
Florenz voll Schmelz!
Sie war die
Minnedame Laura!
Doch Josef Ono, klug
und stark,
Er taugte wenig zum
Petrark.
XI
Im hohen Stil der
Menschheitsjugend
Das Epos pries den
Helden gut
Und schön und
voller frommer Tugend
Und voller Kraft und
hohem Mut.
Es sei Äneas, Sohn
der Venus,
Es sei Ulyss,
Athenas Genius,
Es sei der König
Gilgamesch,
Dem nahte Ishtar
frisch und fesch,
Der Held war immer
der Gerechte,
Der stets das Böse
hat bekämpft,
Ward zwar gemartet
und gedämpft,
Zuletzt jedoch das
Wahre-Echte
Gesiegt hat, da das
Herz war Trumpf,
Das Gute feierte
Triumph!
XII
Jetzt lieben wir des
Bösen Blumen,
Wie Baudelaire sang
Satanas,
Im Wahnsinn preisen
wir das Numen
Und lallen ohne
Unterlass
Im Suff vom Elixier
des Teufels,
Vom Geist des Nein,
vom Geist des Zweifels,
Die Kinder lesen
Buch um Buch
Und lernen
Hexenkunst und Fluch,
Man preist die böse
Hexengöttin
Und ihren Buhlen
Satanas
Und schließlich
dichtet Günther Gras
Sein Prosa-Epos von
der Rättin,
Wenn nach dem
atomaren Krieg
Die Rättin feiert
ihren Sieg!
XIII
Ach Freunde! Wer
will Verse lesen,
Wenn singt im
Wahnsinn der Poet?
Vielleicht
beschließt der Wesen Wesen,
Ich soll nach
göttlichem Dekret
Nicht reimen mehr
auf Amorosa,
Nein, ruhig schaffen
Alters-Prosa,
Den Kommentar zur
Biblia,
Das Buch der
Welthistoria,
Der Völker Mythen,
Völker Märchen,
Der Philosophen ABC,
Vielleicht auch von
der Kindheit Weh,
Vielleicht der
Jugend Liebespärchen,
Dann sagt ihr mir:
Poet! Du bist
Geworden trockner
Prosaist!
XIV
Vielleicht auch den
Roman der Liebe
Muss schreiben ich
als alter Mann,
Wie da erwacht der
Jugend Triebe,
Der Jüngling in der
Venus Bann,
Das Lied vom
sündigen Erkennen,
Das Lied von Buße
und von Trennen,
Das Lied dann von
der Mutterschaft
Und von dem Geist
der Vaterkraft
Und dann das Lied
der lieben Kinder
Und von der Ehe
wildem Pakt,
Da singen wir: Ich
nackt, du nackt!
Das fromme Lied der
Überwinder
Ertönt dann Jahwe
Zebaoth
Und ach, der
Vielgeliebten Tod!...
XV
Ach Eva, meine liebe
Freundin!
Nur Tränen stehn in
deinem Blick,
Der dich behandeln
wird als Feindin,
Das wilde Biest ist
dein Geschick.
Mein Herz, du wirst
zugrunde gehen,
Wirst nicht erfüllt
die Hoffnung sehen,
Geschrieben in des
Schicksals Schrift,
Wird dir statt Honig
Schierlingsgift.
Der Liebe Seligkeit
und Träume
Verfolgen dich des
Nachts im Schlaf,
Die Liebe nur das
Unglück traf,
Entseelt erscheinen
dir die Räume.
Doch dein Versucher
steht dir bei,
Dass dir das Leben
Kummer sei.
XVI.
Verfolgt von bittern
Liebesschmerzen
Zu Fuß geht Eva in
den Hain,
Verwirrt und müde,
krank im Herzen,
Sie stolpert über
manchen Stein.
Ein Weh im Busen,
welcher blühend,
Die Wangen plötzlich
schamrot glühend,
Auf ihren Lippen
stockt der Hauch,
Es rauscht in ihren
Ohren auch,
Die Augen schauen in
den Mondschein,
Nah ihrem Zimmer
singt im Wald
Die Nachtigall ihr
Lied. Und bald
Mit ihrem Amulett
aus Mondstein
Kehrt sie zu ihrer
Oma heim,
Die immer hat den
rechten Reim.
XVII
Großmutter mein,
ich kann nicht schlafen,
Voll Unruh ist mir
meine Brust. -
Was willst du denn
nicht in den Hafen
Des Schlafs und
seiner Träume Lust? -
Ach du, erzähl mir
doch ein Märchen,
Wie Glück gehabt
ein Liebespärchen. -
Mein Kind, mir ist
nichts mehr bewusst
Von Liebesmärchen,
Liebeslust,
Hab früher oft
erzählt den Kindern
Von Reinhard Fuchs
und Herakles,
Von Salomo, sei
sicher des,
Vom Affen, der
geliebt von Indern,
Ihr Sagen alle, wo
ihr bliebt? -
Ach Oma, warst du je
verliebt?
XVIII
Ach Eva, was sind
das für Dinge?
Mein Vater hätte
sich bedankt!
Wie Frauen man zur
Ehe bringe,
Die sind an Geist
und Herz erkrankt,
Das, Eva, kann ich
gar nicht wissen. -
Ja, wolltest du denn
gar nicht küssen
Im Mondschein bei
dem Rendezvous? -
Du bist ein
Närrchen, Eva du!
Mein Dirk, der war
kein Wiedertäufer,
War nicht
empfindsam, hatte Geld,
Das zählt allein in
dieser Welt.
Ich ward vermählt.
Er war ein Säufer.
Als Witwe nur ging
es mir gut,
Denn Gott allein,
das ist genug.
XIX
Ich lebte so mit
meinem Manne,
Ich brachte die
Pantoffeln ihm
Und immer Rotwein in
der Kanne. -
Ach Oma, wart ihr
auch intim? -
Die Zähne biss ich
da zusammen,
Bis da erloschen
seine Flammen,
Ich dachte da an
Deutschland nur. -
Ach, Muttersmutter,
keine Spur
Von dem romantischen
Verliebtsein? -
Mein Kind, das ist
ein Fieberwahn!
Du bist verliebt,
mein Kind? Ich ahn,
Das ist der Grund
für dein Betrübtsein. -
Ach, Oma, dieser
Liebesreiz! -
Großmutter aber
schlug ein Kreuz.
XX
Ich bin verliebt,
ist Evas Klage,
Sie flüstert es und
leise stöhnt.
Ach du bist krank an
diesem Tage,
Die Muttersmutter
spricht versöhnt.
Ach Oma, lass mich
nur alleine. -
So sitzt sie da im
Mondenscheine,
Und Luna auf das
Mädchen glänzt,
Die mit dem
Sternenkranz bekränzt.
Es fließen ihre
schwarzen Haare,
Es schimmert schön
ihr Negligé,
Die vollen Brüste
weiß wie Schnee,
So liegt sie nun,
ist zwanzig Jahre,
Ist Herrin mit der
Sterne Kranz,
Verzaubert von des
Mondes Glanz.
XXI
Und Eva schaut zu
Lunas Schimmer,
Die Seele wandert
durch das All.
Und ein Gedanke
kommt ins Zimmer,
Zu schreiben wie ein
Wasserfall,
Dass sie die
Muttersmutter riefe,
Sie denkt an alte
Liebesbriefe,
Wie Clemens schrieb
an die Sophie.
So will sie selber
schreiben, wie
An Hölderlin
schrieb Diotima,
Sie schreibt, die
Schwanenfeder fließt,
Sie nun des Briefes
Umschlag schließt.
Urania von
Paphos-Ktima,
Du segne die
verliebte Schrift
Und mach den Honig
nicht zu Gift!
XXII
Ich kannte eine
Frau, voll Tugend,
So unberührbar wie
das Eis,
Die ich verehrt in
meiner Jugend,
Die mich nicht
liebte, wie ich weiß,
Fast hing ich an dem
Marterholze
Des Kreuzes wegen
ihrem Stolze,
Die war ein Felsen,
fest und hart,
Ach, sie war von der
Hölle Art,
Die schrieb mir an
der Hölle Pforte:
Lass alle Hoffnung
fahren nun,
In meiner Liebe
auszuruhn,
Fahr du hinab zum
dunklen Orte,
Du Singschwan, sing
dein letztes Lied
Und dann hinab im
Suizid!
XXIII
Ich kannte auch ein
andres Weibchen,
Von Freiern rings
umgeben stets,
Die Liebe gab mit
ihrem Leibchen
Und immer frug den
Mann: Wie stehts?
Die immer war zur
Liebe willig,
Schon in der ersten
Nacht, wie billig,
Sich jedem
hingegeben nackt,
Die immer willig war
zum Akt,
Und wenn der eine
lag im Bette,
Sie schon nach einem
andern schaut,
Die Dorf-Matratze,
jedem Braut,
Die immer niedliche
und nette,
Die nach dem Akt war
immer neu,
Stets willig, aber
niemals treu.
XXIV
Und soll ich Eva
etwa lästern,
Weil sie romantisch
liebte noch?
Weil sie nicht wie
die andern Schwestern
Im Weltall war ein
schwarzes Loch?
Weil sie mit ihrer
Schönheit Reizen
Nicht wie die andern
wollte geizen?
Weil ihre Tugend
immer neu
Und immer rein und
immer treu?
Und weil sie liebte
so phantastisch,
Wie die platonische
Idee?
Weil ich des Engels
Seele seh
In einem Venuskörper
plastisch?
Weil sie noch an die
Liebe glaubt
Und nicht dem Mann
die Seele raubt?
XXV
Nein, Eva gleicht
nicht den Koketten,
Sie liebt sehr ernst
und liebt sehr rein,
Nicht wie die Huren
in den Betten
Bacchantisch mit den
Wollust-Schrein.
Doch andre Frauen
reden küglich:
Wir machen uns den
Freier füglich,
Wir heizen seine
Lüste an,
Dann geht ins Netz
der geile Mann,
Dann weisen wir ihn
ab mit Kälte
Und er wird unser
Sklave so,
Stets traurig ist
er, selten froh,
Im Himmelsbett im
Himmelszelte
Wir liegen in dem
Kleide rot,
Und er begehrt nur
noch den Tod!...
XXVI
Jetzt seh ich aber
Schwierigkeiten,
Es geht um meines
Rufes Ruhm,
Das sind des
Dichters liebe Leiden,
Dient er im
Musen-Heiligtum,
Als ob er schon im
Himmel schliefe,
Denn Eva stets
schrieb ihre Briefe
Auf englisch, wie es
ist modern,
Der deutschen
Dichtkunst Himmelsstern
Schien ihr geeignet
nicht, zu reden
Von Liebe zum
geliebten Mann,
Sie nahm die Sprache
Shakespeares dann,
Ihr England war der
Garten Eden.
Ich muss das
übersetzen nun,
Die Arbeit des
Translators tun.
XXVII
Ich weiß, man will
die Damen lehren,
Dass deutsche
Dichtkunst sie verehrn.
Man will die Zahl
der Musen mehren,
Vergeblich ist das
bei den Herrn.
Doch liebt ihr nicht
bei jungen Mädchen
Aus einem ländlich
stillen Städtchen
Den Plaudermund, das
Kauderwelsch?
Dass man das
Oxford-Englisch fälsch
Und spricht Amerikas
Gebrabbel
Und coole Sprüche
und Jargon?
Ich aber sitz auf
dem Balkon
Und sehe zu der
schlanken Pappel
Und seh der
Mädchengöttin zu
Und sage lüstern:
How are you?
XXVIII
Nein, Leute, bleibt
mir von dem Leibe
Mit der Studentin
Wissenschaft,
Die Germanistik
nimmt dem Weibe
Die Reize junger
Leidenschaft,
Die Frauen aber mit
Diplomen
Von Verben reden und
von Nomen
Und der Grammatik in
dem Bett,
Ach wären sie noch
niedlich, nett,
Doch sind sie so
erhaben trocken
Und ehren schlechte
Dichter nur,
Nichts mehr vom
Zauber der Natur,
Längst
abgeschnitten ihre Locken,
Transsexuelle, einst
bigott,
Man fühlt Natur
nicht und nicht Gott!
XXIX
Jedoch der jungen
Mädchen Plaudern,
Mit Anglizismen
eingestreut,
Das lässt den
Minnesänger schaudern,
Das Kawlakaw ists,
das ihn freut,
Wenn Miss Amerika
singt Lieder,
Bekleidet nur mit
Slip und Mieder,
Wenn Mädchen sagen:
Das ist cool,
Sich räkeln auf des
Bettes Pfuhl,
Gar reden der
Franzosen Zunge,
Oh je ne parle pas
francais,
Wenn ich der Mädchen
Zunge seh,
Dann fühl ich
wieder mich als Junge,
Dann bin ich
überselig so,
Wie Thimothina und
Rimbaud.
XXX.
Mein Konrad, Sohn
der Tochter Babel,
Der alle fremden
Sprachen kennt,
Dem Frankreich war
der Erde Nabel,
Der für die
Jakobiner brennt,
Der Oxford-Englisch
gut geredet,
Amerikanisch nie
gebetet,
Du übersetz mit
Sprachgenie
Den Brief von Eva,
rede wie
Einst Byron in dem
Don Giovanni.
Wo aber bist du,
Konrad, nun?
Wo darfst du von der
Krankheit ruhn?
Bist du im Himmel
nun bei Nanni?
Ach, oder in der
Hölle Pfuhl,
Dass quält dich
dort der Beelzebul?
XXXI.
Doch muss ich selber
übersetzen,
Was Eva hin schrieb
so charmant,
Was sie gebrabbelt
ihrem Götzen,
Die niemals
Klopstock hat gekannt,
Verliebte
Mädchen-Reimereien,
Erfüllt von stummen
Liebesschreien!
Doch meine
Übersetzung, echt,
Die ist so schlecht
wie Berthold Brecht.
So spielen junge
Schülerinnen
Auf ihrer Geige, wie
ich sah
Und hörte auch, das
Gloria
Als wahre Plage
allen Sinnen!
Dem Herrn das
Allerschönste nur,
Allschöner
göttlicher Natur!
EVAS BRIEF AN JOSEF
ONO
Ich schreibe – was
soll ich noch sagen?
Bekennen was in
diesen Tagen?
Ich weiß, du hast
die Macht, mein Gott,
Zu strafen mich mit
deinem Spott.
Mit Mitgefühl
jedoch, dem zarten,
Du möchtest in
Gedanken warten,
Lass mich dem
schlimmen Schicksal nicht.
Mein Herz war still,
doch nun es spricht.
Du hättest nie
gehört, mein Hort,
Von Elend oder Scham
ein Wort,
Hätt ich nur
Hoffnung in den Wehen,
Dich einmal
wöchentlich zu sehen,
Hört ich dich
sprechen Worte, süße,
So sagte ich dir
Segensgrüße,
Willst du die
Gegenwart mir schenken,
Um später drüber
nachzudenken,
Bis zu dem nächsten
Rendezvous.
Doch ungesellig
seiest du,
So sagt man, voll
von Langeweile,
Und wir… zu unserm
eignen Heile
Doch gerne deine
Reden hören.
Was kamest du, um
uns zu stören?
Uns auf dem Land in
Einsamkeit,
Wo ich geträumt in
Nichtigkeit?
Ach hätte ich dich
nie gekannt!
Das Leid blieb mir
erspart im Land.
Vielleicht (wer
weiß?) ich hätt gefunden
In mädchenhaften
Mußestunden,
Und wenn vorüber
wär die Jugend,
Doch einen Heiligen
voll Tugend,
Ich wär sein Land
von Seim und Butter,
Ihm Gattin, seiner
Kinder Mutter...
Ein andrer? Nein!
Kein andrer Mann!
Mein Herz steht ganz
in deinem Bann!
Vom Schicksal mir
bestimmt allein,
Gott Vater will es:
Ich bin dein!
Mein Leben war ja
nur ein Warten,
Bis wir uns trafen
in dem Garten.
Von Gott ich meine
Liebe hab,
Die dauert bis zu
unserm Grab.
Du bist erschienen
mir in Träumen
Ich hörte dich in
innern Räumen,
Noch unbekannt, doch
mir schon lieb,
Dich schaute meiner
Seele Trieb,
Du Herr in meines
Herzens Dom,
Du Lichtgestalt und
du Phantom!...
Du kamst. Ihr
Himmlischen, ihr wisst es,
Es sprach in meinem
Herz: Er ist es!
Stumm meine Seele
Treue schwörte.
Wie oft ich deine
Reden hörte,
Hast doch kein Wort
mit mir gesprochen.
Voll Nächstenliebe
in den Wochen,
In Stunden weinender
Gebete,
Ein Schmerz durch
meine Seele wehte!
Jetzt, hier und
heute auf dem Land,
Bist du es nicht,
den Gott gesandt?
Vision du neben
meinem Bett,
Mir in der Nacht so
lieb und nett,
Der fröhlich Trost
zu bringen schwört,
Und Hoffnung, die
mein Herz ernährt,
Bist du denn nicht
mein guter Engel?
Bist du ein Dämon
voller Mängel?
Bist du ein
Einfallstor dem Teufel?
Mein Gott, zerstreue
meine Zweifel!
Ist alles nichts als
Eitelkeit,
Nur Phantasie der
Dümmlichkeit!
Mein Schicksal du,
das mich entsetzt!
In deiner Hand mein
Schicksal jetzt,
Die Tränen strömen
aus den Augen,
Ich möchte Milch
der Tröstung saugen…
Kein Mensch weiß
auf dem Land zu schätzen
Mein Sehnen, Seufzen
und Ergötzen.
Ich bin voll Qual!
Ich bin allein!
Verdammt zu
grenzenloser Pein!
O wende mir dein
Auge zu
Und schenke meiner
Seele Ruh,
In mir die Hoffnung
zu entbinden,
Nein, wie ein
Alptraum zu entschwinden!
Sprich du das Urteil
meinem Wesen!
Was ich hier
schrieb, will ich nicht lesen.
Ich muss zu einem
Ende kommen.
Mein Herz von Trauer
überschwommen!
Ich wart auf Antwort
voll Geduld,
Ich weih mich deiner
Gunst und Huld.
XXXII
War Eva nun voll
Seufzen, Stöhnen,
Der Zettel noch in
ihrer Hand,
Sie mit der Zunge
leckt, der schönen,
Die Marke, fünfzig
Pfennig Pfand.
Sie neigt den Kopf,
ein Stern singt Lieder,
Das Négligé
rutscht leise nieder,
Bald bringt Aurora
neues Licht.
Noch schimmert Lunas
Mondgesicht.
Der Morgen kommt.
Die Rinderwiesen
Von Silbernebel
glänzen nass,
Die Frösche quaken
in dem Gras,
Die frühen
Bäuerinnen niesen.
Vorbei die Nacht nun
des Geweins.
Für Eva ist es
alles eins...
XXXIII
Sie sieht kaum
kommen die Aurora,
Sitzt immer noch vor
ihrem Brief.
Es kommt die
Matutin, die Hora,
Da Josef noch im
Bette schlief.
Nun ist die Oma
schon zu hören,
Um ihre Enkelin zu
stören,
Sie bringt das
Frühstück, schwarzen Tee
Und Butter-Toast, so
weiß wie Schnee:
Schatz, Zeit ist es
nun aufzustehen!
Ist Gold doch in des
Morgens Mund.
Nun, heute siehst du
aus gesund,
Doch gestern schien
sich umzudrehen
Dein Magen, aber
heute schon
Du blühst wie
Purpur-Poppie-Mohn!
XXXIV
Ach Oma, bitte sei
geduldig. -
Mein Schatz, wenn du
noch etwas ruhst… -
Ach Oma, ich bin
doch nicht schuldig.
Wenn du mir den
Gefallen tust… -
So wahr mir Gott der
Herr ist heilig,
Du sagst ein Wort,
ich tu es eilig. -
Schick doch den
Nachbarsjungen Tom,
Dass er‘s dem
Nachbarn bringe fromm,
Soll meinen Namen
nicht erwähnen. -
Zu wem denn soll nun
dieser Brief?
Gott liebt doch
sehr, was krumm und schief.
Wen meinst du von
den Nachbarn, jenen
Bewohnern dort von
Haus und Haus?
Ach Schatz, ich kenn
mich da nicht aus.
XXXV
Ach Oma, langsam
doch im Denken! -
Mein Liebling, nun,
ich bin schon alt.
Ach Eva, Gott soll
Gnade schenken,
In meiner Jugend
Lichtgestalt,
Mein Gatte brauchte
bloß zu rufen,
Schon eilte ich
hinan die Stufen
Und brachte ihm die
Flasche Bier. -
Ach Oma, ach, was
soll das hier?
Für Josef Ono ist
das Schreiben. -
Ach Eva, junges
Kind, mein Schatz,
Wie mit dem Mäuschen
spielt die Katz,
Das Freien lass du
besser bleiben. -
Liebt Gott nicht
das, was krumm und schief?
Tom überbringe
diesen Brief!
XXXVI
Der Tag verging. Es
kam kein Schreiben,
Der nächste Tag war
auch noch stumm.
Im Dämmerlicht
allein zu bleiben,
War Evas Schicksal,
dumpf und dumm.
Nun Peter
Schwanensang gekommen,
Der Anna in den Arm
genommen:
Sag, wann dein
Freund bei uns erscheint,
Elfriede Becher
leise weint.
Und Eva wurde rot
und bebte.
Ihn hielt wohl etwas
auf die Post. -
Das war für Eva wie
der Frost,
Ein stiller Vorwurf
um sie schwebte.
Nimmt er mirs übel,
dass ich schrieb?
Ich glaub, er hat
mich gar nicht lieb.
XXXVII
Es sinken graue
Dämmerstunden,
Nun auf dem Tische
steht der Tee.
Da ward der Kandis
auch gefunden,
Die Sahne auch, so
weiß wie Schnee.
Und Anna schenkte in
die Tassen
Der Friesen
Zaubertrank, den nassen,
Und Eva sitzt am
Fenster still
Und träumt und weiß
nicht, was sie will,
Eisblumen an der
Fensterscheibe,
Versunken in
Gedanken sie,
Summt leise eine
Melodie,
Dass sie mit Gottes
Finger schreibe,
Wie Sulamith an
Salomo,
Die frommen Lettern
J und O...
XXXVIII
Voll Seelenschmerz
gleicht sie den Kranken,
Die leiden an der
Depression.
Man hört das
Fahrrad näher wanken,
Er kommt, der wilde
Göttersohn!
O Josef! Wie die
Turteltaube
Nun Eva fliegt in
ihre Laube,
Von der Terrasse in
das Grün,
Wo Tannen auch im
Winter blühn,
Dann steht sie an
dem stillen Teiche
Und lässt sich
nieder auf die Bank.
Sie ist verliebt und
seelenkrank,
In Liebe groß, an
Wahnsinn Reiche,
Hier ruht sich aus
die Seele pur
Im Schoß der
göttlichen Natur.
XXXIX
Hier sinkt ihr Herz
zur Ruhe nieder.
O Josef, Josef, oh
mein Gott!
Ihr Busen zittert in
dem Mieder,
Sie fürchtet sich
vor seinem Spott.
Im Büstenhalter, in
dem engsten,
Die Brüste sind
erfüllt von Ängsten,
Voll Hoffnung,
Sehnsucht, dunklem Traum
Sitzt Eva unterm
Tannenbaum.
Sie hört ein Radio
von ferne,
Da junge Mädchen
singen schön,
Der jungen Liebe
Lustgestöhn,
Die Mädchen tönen
wie die Sterne,
So wie der Sphären
Symphonie
Hallt wider Gottes
Melodie.
DAS LIED DER MÄDCHEN
Kommt, ihr jungen
hübschen Mädchen,
Kommt, ihr jungen
Wunderschönen,
O wie schön die
nackten Füße,
Wie sie auf der
Bühne tanzen!
Flattern lasst die
goldnen Locken,
Singt verliebte
Liebeslieder!
Singt von einem
schönen Jüngling,
Tanzt den Bauchtanz,
singt in Chören!
Kommt der
Göttersohn, der Jüngling,
Wollen ihn die
jungen Mädchen
Schmücken mit der
Kirschen Bommeln.
Die ihr lauscht den
Mädchenliedern,
Hört auf die
geheime Liebe.
Aber Mann, was
Mädchen singen,
Ist ja nicht für
dich gesungen!
XL
Und Eva hört die
Mädchenchöre,
Doch sie versteht
die Lieder nicht.
Wenn ich ein Lied
der Liebe höre,
Von Liebe lese ein
Gedicht,
So ist es stets an
mich gerichtet,
Von jungen Musen mir
gedichtet.
Und Eva, wie ein
Schmetterling,
Den sich ein Kind im
Garten fing,
Da er verliert die
Puder-Schminke,
So Eva ist zutiefst
verzagt,
Kaninchen gleich die
scheue Magd,
Seufzt leise, leise:
Ich versinke
In dem Abyss der
Traurigkeit!
Wie einsam fühlte
sich die Maid!
XLI
Die schöne Frau
erhebt sich wieder,
Erhebt sich leise
von der Bank.
Oh Josef, Seele
meiner Glieder,
Du machst mir meine
Seele krank!
Und wie sie sich
erhebt vom Sitze,
Sieht sie wie lichte
Himmelsblitze
Elektrisch zucken
auf das Licht
Von Josefs lichtem
Angesicht!
Doch wie die beiden
sich begegnet,
Geb ich zu andrer
Stunde kund.
Ich muss hinaus, es
bellt mein Hund,
Ich muss hinaus,
obwohl es regnet,
Doch während ein
Poet spaziert,
Wird mit der Muse
meditiert.
VIERTER GESANG
I-VI
(…)
VII
Ach, zeig ich Frauen
keine Liebe,
Wie sehr die Fraun
mich lieben dann!
Dann lockt man wohl
hervor die Triebe,
Dann ist man erst
ein wahrer Mann!
Der Hengst schnaubt
heut aus seinen Nüstern,
Die ganze Welt ist
sinnlich, lüstern,
Der junge Mann, sein
Weib ist geil,
Schert keiner sich
ums Seelenheil,
Man liest erotische
Romane
Und schaut sich
nackte Frauen an,
In Eros‘ und in
Venus‘ Bann
Sie taumeln hin im
trunknen Wahne.
Altmodisch ist die
Keuschheit nun,
Wie Purpur an des
Papstes Schuhn.
VIII
Ach, was für eine
Langeweile,
Der Plattitüden
Plauderei,
Da geht man auf der
Sündenmeile
Und fühlt sich auch
noch fromm dabei!
Wie kalt sind doch
die Wissenschaften,
Der groben Klötze
Leidenschaften!
Wie heilig spricht
der alte Christ
Zur Frau, die
dreizehn Jahre ist!
Und wie verletzend
ist das Wüten,
Der Fundamentalisten
Spott!
Da macht die
Weisheit selbst bankrott,
Schmähn sie des
Geistes schönste Blüten!
Die Ehefraun sind
wundervoll,
Die Männer wie die
Hunde toll!
IX
So meines lieben
Josef Denken,
Der Opfer seiner
Jugend war,
In seiner Jugend zu
verschenken
Sein Leben an die
Frauen gar.
Der Zufall brachte
die Bekanntschaft,
Das Schicksal
brachte die Gesandtschaft,
Das Mädchen schien
Lysistrata,
Madonna Melencholia,
Er war bezaubert,
hingerissen,
Sie schien ihm
heilig, schön und klug,
Und dann ein Dämon
nur, ein Spuk,
Vampirin mit des
Todes Küssen.
So ging ihm seine
Jugend hin
Und Sterben schien
ihm ein Gewinn...
X
Er war geheilt nun
von der Liebe,
Er hielt sich lieber
an den Flirt.
Will sie beglücken
seine Triebe,
Ihn in der ersten
Nacht erhört,
So feiern sie die
Venus-Messen,
Wo nicht, so ist sie
bald vergessen,
Denn aus den Augen,
aus dem Sinn,
Er gibt sich nicht
mehr völlig hin.
Er geht zum Freund
und spielt mit Karten,
Am Abend geht er
froh nach Haus.
Er lebt allein wie
Bruder Klaus,
Nur auf das Ende
noch zu warten
Von dieses Lebens
Lottospiel,
Der Posse ohne Sinn
und Ziel!
XI
Da er nun Evas Brief
erhalten,
War Josefs Seele
doch bewegt.
So geht es selbst
den frommen Alten,
Die noch der Jugend
Traum erregt.
Die mädchenhafte
Art zu schreiben,
Voll stillem Feuer
kühl zu bleiben,
Bewegte seinen müden
Geist.
Was da nicht alles
Liebe heißt!
Er wollte Eva nicht
verletzen,
Sie schien ihm
keusch und fromm zu sein.
So trat er in den
Garten ein,
Sich zu ihr auf die
Bank zu setzen.
Und Luna schaute
blöde zu
Aus ihrer tiefen
Himmelsruh.
XII
Nun zwei Minuten
herrschte Schweigen,
Bis Josef sprach das
Mädchen an.
Du wolltest dich im
Brief mir zeigen,
Ich habs gelesen wie
im Bann.
Und nichts
geleugnet, das war herrlich,
Denn das war wahre
Liebe, ehrlich,
Die Offenheit ist
mir sehr lieb,
So dass kein dunkles
Rätsel blieb.
Ich mach dir keine
Komplimente,
Nein, was du ehrlich
hast gesagt,
Das wird von mir
nicht hinterfragt,
Es war doch keine
Zeitungsente.
Nun höre meine
Beichte an,
Dann sprich das
Urteil du dem Mann.
XIII
Ach, könnte ich je
glücklich werden?
Ein Leben still an
Herd und Heim?
Gemahl und Vater
sein auf Erden,
Mit einer Frau wie
Reim auf Reim?
Und wär die Frau
wie eine Lilie
Und wäre fröhlich
die Familie,
So wie in einem
alten Buch,
So folgte stets mir
doch mein Fluch.
Doch wollte eine
Frau ich haben,
Der reinen Schönheit
Ideal,
Die Venus aus dem
Himmelssaal,
So wollt ich mich an
dir erlaben
In dem Genuss des
Eheglücks
Und treu dir bleiben
bis zum Styx!
XIV
Doch bin ich nicht
fürs Glück geboren!
Das Glück ist für
die Narren nur,
Nach Glück begierig
sind die Toren,
Denn nichtig schuf
sie die Natur.
Nein, das bezeugt
mir mein Gewissen,
Ich werde viel noch
leiden müssen.
Doch schlösse ich
den Ehebund,
Wär eins mit meiner
Venus und
Wär auch ein Amor
schon geboren,
Ich sehnte dennoch
mich hinaus,
Hinauf aus diesem
Erdenhaus,
Ich ginge wie im
Traum verloren
Und plagte dich mit
meinem Schmerz
Und schließlich
bräche dir dein Herz!
XV
Was ist denn
schlimmer auf der Erde
Als eine ungeliebte
Frau,
Und ob der Mann auch
kommen werde
Und Küsschen links
und rechts wie Tau
Und doch die Seele
wär gefangen
In sich und wie von
Feuerschlangen
Gebissen vom
Gewissensbiss,
Er denkt an eine
lovely Miss,
Er plagt die Frau
mit seinen Launen,
Dem Unmut und dem
bittern Gram.
Nein, keinen solchen
Bräutigam
Hast du verdient,
hör auf mein Raunen,
Dass dich die Liebe
glücklich macht,
Erfleh ich von des
Schicksals Macht!
XVI
Von allem kann man
sich erholen,
Doch meine Seele ist
verblüht.
Zwar heute sitzt du
wie auf Kohlen
Und traurig ist dir
dein Gemüt,
Doch schau dir an
die leichten Luder,
Ich lieb dich mehr
noch als ein Bruder,
Wenn eine fast vor
Liebe stirbt,
Weil sie verschmäht
ward, eilig wirbt
Der erste beste Kerl
als Freier
Und weggeblasen ist
das Leid,
Zum Traualtar im
weißen Kleid,
Zum Kusse hebt er
ihr den Schleier,
So eilig liebt ein
junges Ding
Und auf den Finger
passt der Ring.
XVII
Das war nun also
Josefs Predigt,
Die Antwort war ein
Schweigen nur.
Der seiner Weisheit
sich entledigt,
Der sah nun wieder
die Natur
Und in der Welt das
schöne Mädchen,
Ob Kunigunde oder
Käthchen,
Ein Weib im Arm ist
immer schön.
Und sie, mit
seufzendem Gestöhn,
Demütig reichte sie
ihr Händchen,
Spazieren gingen Arm
in Arm
Die Beiden, Eva ward
es warm,
So tut man in dem
Friesen-Ländchen,
Wie andre tun es in
Berlin,
Das wird vom
Liebesgott verziehn.
XVIII
Mein Leser, du wirst
recht mir geben,
Dass Josef hier
gesprochen gut,
Zu Eva freundlich,
ihrem Leben
Nicht ganz zu nehmen
allen Mut.
Hier war er doch mal
ohne Tadel
Und zeigte seiner
Seele Adel,
Sonst redet man ja
schlecht von ihm,
Nur hinterrücks,
und nicht intim,
Die Schwätzer reden
Lästerreden,
Die Spötter haben
feinen Spott,
Er mache doch wohl
bald bankrott,
Das stehe ja schon
in den Veden
Und in der lieben
Bibel auch,
So haucht es aus der
Freunde Hauch.
XIX
Die Freunde! Ja, das
sind Genossen,
Ich kann kaum
schlafen, denk ich dran,
Ob auch die Weine
sind geflossen,
Ob auch gelehrt der
Gottesmann,
Nie bist im Kopf du
ihnen richtig,
Ein Müßiggänger
nur und nichtig,
Ein Irrer und vor
Damen stumm
Und in den
Wissenschaften dumm,
Und betest du zur
Schönen Dame,
So nennen sie es
idée fixe,
Schwörst du bei
Lethe und beim Styx,
Dass einmal wird
berühmt dein Name,
So lachen sie von
Herzensgrund!
Heil, Heil dem
frommen Bruder-Bund!
XX
Wo eben ich vom
Bruder rede,
Wie geht es deinem
Bruderherz?
Ob auch der Bruder
Wind nur säte,
Er erntet Stürme
voller Schmerz!
Du sprichst von Aton
oder Ammon,
Sie aber kennen nur
den Mammon,
Und geht dir mal die
Liebe aus,
So steckt man dich
ins Irrenhaus,
Und mit gespaltner
Schlangenlippe
Man lädt dich ein
zum Weihnachtsfest,
Das ist ein wahres
Otternest,
Der ganzen Atheisten
Sippe,
Wo man den fetten
Truthahn frisst.
Ist besser, dass du
sie vergisst!
XXI
Da ist doch besser
deine Freundin,
Verwandte deiner
Seele, schön!
Nun, die ist deine
treuste Feindin!
Und in verzweifeltem
Gestöhn
Beklagst du, dass
ihr Herz von Marmor,
Dass sie nicht ward
verletzt von Amor,
Dass sie ist eine
Schlange, kalt,
Erst Hure jung, dann
Hexe alt,
Die Mörderin von
deinem Leben,
Die dir die Seele
umgebracht,
Geschickt dich in
die Höllennacht,
Die wollt den
Todesstreich dir geben!
Ach, Frauenliebe,
was ist das?
Ein Spott und Spiel
des Satanas!
XXII
Wen also lieben, wem
vertrauen?
Vertraue deinem
Bruder nicht,
Vertraue nicht den
schönen Frauen,
Dem Freund nicht,
wenn er Frommes spricht!
Die Bäume werden
immer gelber.
Vertraue du dir
lieber selber,
Sei immer gern mit
dir allein,
Du nur verstehst die
eigne Pein,
Geduldig bist mit
deinem Laster,
Du selbst dein
eigner Salomo,
Gehst ja mit dir
allein aufs Klo,
Nur dich stört
nicht der Tabak-Knaster,
Nur du sei dir dein
eignes Lied,
Du selbst dir
Psyche, Sulamith!
XXIII
Und das Ergebnis
ihres Treffens?
Was ward aus diesem
Rendezvous?
Er ging zum
Gastwirt, zu Harm Steffens,
Und füllte sich die
Leber zu.
Doch Eva wurde
voller Trauer,
Wie Erde satt vom
Regenschauer,
Was war sie doch ein
armes Schaf,
Und schon verließ
sie auch der Schlaf,
Vergangen ist ihr
die Gesundheit,
Fast wurde sie im
Kopfe dumm,
Vor lauter Kummer
ging sie krumm,
Von Schokolade wuchs
die Rundheit,
Und Evas Jugend ist
verblasst,
Wie flüchtig ist
der Erdengast!
XXIV
Vorbei ist Evas Zeit
der Blüte,
Sie wurde blasser,
stiller stets,
Verschwiegener in
ihrer Güte,
Sie fragte keinen
mehr: Wie gehts?
Die Bürgern merken
das, die achtbarn,
Die Köpfe schütteln
schon die Nachbarn:
Die müsste haben
einen Mann,
Es ginge ihr viel
besser dann! -
So wird die Welt
doch immer dummer!
Jetzt aber singe ich
die Lust,
Die Liebe und die
Frauenbrust,
Und nicht elegisch
mehr vom Kummer,
Wie Eva hockt so
trist und trüb.
Verzeih, ich hab sie
heut noch lieb.
XXV
Wie Peter
Schwanensang verliebt war
In Annas Schönheit
voller Reiz,
Er liebte sie, die
nie betrübt war,
Ihr Körper kannte
keinen Geiz…
Sie gingen Hand in
Hand spazieren,
Der Venus Spatzen zu
rasieren,
Sie gingen immer
gerne auf dem Deich
Durch Lämmerherden
weiß und weich,
Und sahen gerne auf
die Nordsee,
Und auf der Venus
Wellentanz,
Er sang ein Lied vom
Blanken Hans,
Sie eine Ode von der
Mordsee,
Und ferne klang, o
Gabriel,
Die Perlenschnur,
der Archipel.
XXVI
Und manchmal las er
vor Gedichte,
Doch sie verstand
die Verse nicht,
Doch die prosaische
Geschichte
Doch mehr zu ihrem
Herzen spricht.
Was soll sie mit der
Oden Tiefe?
Geliebter, schreib
mir lieber Briefe,
Doch bitte nicht mit
Maß und Reim,
Ich brauch nicht
diesen Honigseim,
Ich liebe sehr der
Russen Prosa,
Lieb Tolstoi und
lieb Bakunin. -
Ach mächtig das
betrübte ihn,
Der die Fontana
Amorosa
Getrunken und
Kastalia
Und liebte die
Erotica!
XXVII
Und Peter lieh sich
aus ihr Büchlein,
Ihr Album
Mädchenpoesie,
Gehüllt ganz fein
in Seidentüchlein,
Drin Reimerei der
Sympathie,
Drein schrieb er
selber seine Verse,
Nicht etwa frei wie
Saint-John Perse,
Nein, Oden, wie
einst Hölderlin
Und Klopstock
schrieben (sei‘s verziehn
Dem Klopstock, dass
er Reime hasste).
Er schrieb von
Venus‘ Taubenpaar,
Dem Marmorleib, dem
langen Haar,
In Oden er die
Schönheit fasste
Der Anadyomene sein,
Und nichts als Lust,
und nichts von Pein!
XXVIII
Ich kannte selbst
einmal ein Mädchen,
Die Edda, sechzehn
Jahre jung,
Die schönste Blonde
in dem Städtchen,
Mit voller Brüste
vollem Schwung,
Der schrieb ich
erste freie Verse,
Ich war die
Nachtigall, der Perse,
Sie war die Rose in
dem Land.
Schon früh der
Genius verkannt,
Das stand auf meines
Schreibhefts Titel.
Verkannter Genius,
nur Mut,
Schreib, wie es dir
diktiert die Wut
Der Raserei,
gebrauch dein Mittel,
Seis Wein, seis
deine Wodka-Flasch,
In meiner Jugend
wars das Hasch.
XXIX
Die Mädchen lieben
solche Lieder,
Die Liebe schwören
bis zum Tod,
Sie öffnen gerne
dir das Mieder,
Liebst du sie bis
zum Morgenrot
Der Ewigkeit am
Jüngsten Tage!
Sei nicht zu
weinerlich die Klage,
Denn Mädchen haben
so ein Ohr,
Das liebt Esprit und
liebt Humor,
Doch wenn Humor,
dann nicht zu bissig,
Der hohen Göttin
keinen Spott,
Die mehr du liebst
als deinen Gott,
Sonst wird die
Freundschaft brüchig, rissig.
Nun also Peter
Schwanensang
Ein Meister war im
Minnesang.
XXX
Doch aber ihr, ihr
Lyrikbändchen,
Mit eurem lyrischen,
dem Ich!
Da sieht man keine
Mädchenhändchen,
Da liest man kein
Ich-liebe-dich!
Da liest man nur vom
Klassenhasse
Der Arbeiter- und
Bauern-Rasse
Und wie gedichtet
Berthold Brecht
Und Schweinereien
vom Geschlecht
Und dann noch
Bechers Staatsorakel!
Das Schandmal ists
der Poesie!
Wo ist die Muse, wo
ist Sie,
Die Minnedame ohne
Makel?
Die Lyrik heute ist
ein Spott,
Man fühlt nicht
Liebe, fühlt nicht Gott!
XXXI
Nun, Anna las sie
nicht, die Oden,
Die Peter
Schwanensang ihr schrieb,
Der tanzte nicht den
Tanz der Moden
Von Verseschmied und
Herzensdieb,
Er hat sie herzlich
angebetet!
Ihr Musen-Winde
mächtig wehtet!
Wo bist du hin, du
Odenbuch?
Aitmatow im feinen
Tuch
Hat es vielleicht in
seinem Schranke,
Was jung für seine
Kypris sang
Mit Verstanz und mit
süßem Klang
Der gute Dichter
Torsten Schwanke,
Aitmatow gab er das
Lied
Von der
Dschamila-Sulamith.
XXXII
Was schreibst du
deine Elegien,
Wie Menon Diotima
sang,
Und Poesie und
Prosodien,
Wie Klopstock Fanny
schrieb voll Klang,
Und wie Ovid schrieb
für Corinna?
Zum Drama auf und
lern von Minna,
Studiere deinen
Äschylus
Und folge bis zum
bittern Schluss
Antigone und ihrem
Hämon!
Schreib Oden, wie
einst Sappho tat,
Und wie Horaz für
seinen Staat,
Wie Klopstock
schrieb von Frankreichs Dämon,
Alkäus oder
Hölderlin,
Und ehre Schröder
auch, auch ihn.
XXXIII
Schreib wie die
Dichter-Philosophen
Von Epikur und
Seneca
Und für die Mägde
auch und Zofen
Und Königin
Kleopatra!
Nicht immer einsam
in der Kammer
Besing mit Weinen
und Gejammer
Die Jugendliebe, die
dir starb!
Lern, was Ovid sich
einst erwarb,
Wie er Corinna als
Kythere
Gepriesen hat mit
Musenkuss
Und wie Tibull,
Properzius
Gesungen ihrer
Liebchen Ehre
Und nicht vergiss
Catullus da,
Das Haustier nicht
von Lesbia!
XXXIV
Verliebt in Ruhm und
Nachruhms Würden,
Dem Peter schwirrts
in Herz und Kopf,
Schon trägt er jung
des Lehrers Bürden
Und lehrt die Bauern
Tropf an Tropf.
Und ist es schön
nicht, vorzulesen
Das Liebeslied dem
schönen Wesen
Und ihr zu huldigen
im Lied
Als Göttin oder
Sulamith,
Zu loben sie vom
Zopf zur Wade?
Dann aber kann es
dir geschehn,
Das Mädchen wird
dich nicht verstehn
Und denkt nur an die
Schokolade,
Pralinen, wie sie
Belgien schenkt,
Meermuscheln sinds,
woran sie denkt.
XXXV
Ich freilich bin als
Dichter einsam
Und niemand gerne
liest mein Lied.
Die Männer und die
Fraun gemeinsam
Sind klug auf
anderem Gebiet,
Besonders
Kriminalromane
Sie lieben, nicht
Apolls Päane.
Mein Freund bot mir
schon hundert Mark,
Der Kunstbanause
klug und stark,
Wenn ich mit Lyrik
ihn verschone!
So lese ich den
Toten vor,
Gesell mich zu der
Engel Chor,
Wenn preise ich der
Venus Zone,
Und Jesus in der
Messe spricht
Ein Lobwort aus für
mein Gedicht!
XXXVI
(…)
XXXVII
Wie lebte Josef nun
im Sommer?
Ganz wie ein alter
Eremit,
Ganz wie ein Weiser,
wie ein Frommer,
Die Öde Frieslands
sein Gebiet.
Er schlief, bis
mittags stand die Sonne
Am höchsten, dann
zu seiner Wonne
Er trank arabischen
Kaffee
Und dachte noch an
jene Fee,
Von der er träumte
an dem Morgen.
Er las in einem
Weisheitsbuch,
Er las im Lao Tse
genug,
Vertrieb aus seinem
Geist die Sorgen,
Dann schrieb er
einen kurzen Brief,
Der sprach von
Liebe, doch nicht tief.
XXXVIII
(…)
XXXIX
Ein Buch, ein Sitzen
in der Sonne,
Ein Schlummer und
ein schöner Traum,
Und eine Magd, die
eine Wonne,
Demütig fegt sie
durch den Raum,
Dem Herzen schenkt
sie Augenblitze,
Und abends tauschen
Männer Witze,
Und dann zur Nacht
ein Wodka-Glas,
Die Ärztin grad
erlaubt ihm das,
Und Seelenruhe,
Herzensfrieden,
So lebte Josef in
Klausur,
Sein Kloster war ihm
die Natur,
Und herzlich er
vergaß hienieden
Die Freunde, den
mondänen Mob!
Trotz alledem und
alledem und ob!
XL
Der Sommer in dem
Land der Friesen
Ist voll
Gewitter-Regenguss,
Nur in des Südens
Paradiesen
Von Frankreich gibt
das Licht den Kuss.
Ein Blitz, der
Sommer ist vorüber,
Es kommt der Friesen
Herbst, ein trüber,
Da watet Mutterschaf
und Lamm
Und wälzt die Sau
sich in dem Schlamm,
Am Himmel schreien
grell die Möwen,
Die Nebel hüllen
alles ein.
Die Frauen hüllen
dicht sich ein,
Es trägt der Mann
das Fell des Löwen,
November steht schon
vor dem Tor,
Da schaurig tönt
der Toten Chor...
XLI
Aurora kommt in
frischer Jugend
Und trägt den
schwanenweißen Pelz,
Ihr roter Mund ist
ihre Tugend,
Ihr Glaube ihrer
Augen Schmelz,
So kommt die Göttin,
nicht sehr züchtig,
Ein Mädchen
reizend, ach wie flüchtig!
Auf grüner Wiese
friert die Kuh,
Der dumme Ochse
schaut ihr zu,
Sie werfen ruhig
ihre Fladen,
Da wächst dann gut
der Champignon,
Den sucht der kluge
Kompagnon,
In heißer Pfanne
ihn zu braten.
Die kluge Spinne
webt ihr Netz,
Sie frisst den Mann
nach dem Gesetz.
XLII
O Schnee, du Kleid
der Makellosen,
Du blauer Himmel,
weißer Schnee!
Du wartest auf das
Reimwort Rosen,
Nun denn, es hier
geschrieben steh.
Das Eis gefroren auf
den Teichen,
Schnee liegt auf
Tannen und auf Eichen,
Die Knaben ziehn die
Schlittschuh an
Und jauchzen in des
Winters Bann,
Wie unbeholfen
linkisch rutschen
Im Schlitten sie den
Hang hinab,
Die Ponys dampfen
heiß im Trab,
Die Mädchen
Zuckerstangen lutschen
Und zeigen ihre
Zunge rot
Dem Greis, der denkt
an seinen Tod.
XLIII
Was soll man tun im
dunklen Winter?
Spazieren fahren mit
dem Rad?
Da friert das Ohr
euch ab, ihr Kinder!
Verfolgen das
Geschrei vom Staat,
Beim Essen stets die
Zeitung lesen
Vom deutschen Staat,
vom deutschen Wesen?
Nein! Zünd die
Zigarette an,
Lies Hermann Hesse,
Thomas Mann,
Lies Dostojewskis
Idioten!
Das findet dein
Gefallen nicht?
Dann lies im
Lexikon, das spricht
Von Wissenschaft in
langen Noten,
Von den Arzneien
Äskulaps.
Und abends trink den
scharfen Schnaps!
XLIV
Ganz wie Onegin war
mein Ono,
Er liebte faulen
Müßiggang,
Er hörte die Musik
in Mono,
Er hörte sinnlichen
Gesang,
Ging täglich in die
Badewanne,
Goss heißes Wasser
aus der Kanne,
Und manchmal im
Café, mon Dieu,
Er spielte lässig
mit dem Queue
Und mit den beiden
Billardkugeln.
Und wenn der blaue
Abend kam,
Das Licht errötet
wie vor Scham,
Dann kochte er
Spaghettinudeln,
Und Peter kam zum
Abendmahl,
Der Muse treuester
Gemahl.
XLV
Die Flaschen Wodka
und Orange,
Das himmlische
Getränk ganz klar,
Und Josef Ono
sprach: Je mange,
Da biss er in das
Nüssepaar,
Das waren rechte
Saturnalien
Des Musen-Wassers
von Kastalien!
Und manchmal
spritzte auch der Sekt
Und manchmal gabs
dazu Konfekt.
So will uns Gottes
Liebe taufen,
Wir tauchen in der
Gnade Nass,
Wir macht uns doch
zu Kindern das,
Da wir vom Kelch der
Liebe saufen!
Ich aber trinke nur
allein,
Will hören nicht
der Brüder Schrein.
XLVI
Was aber soll mir
der Champagner?
Was soll das
Spritzen mir des Sekts?
Was sollen Madel mir
und Anja?
Wie bin ich müde
doch des Sex!
Was soll der Frauen
Liebesflüstern,
Die wie des Himmels
Huris lüstern?
Was sollen mir die
Weiber wild?
Ich bin vor
Altersweisheit mild
Und frag nichts mehr
nach losem Luder.
Mein Freund lädt
mich zum Himmel ein,
Da will er mit mir
trinken Wein,
Verzichten muss mein
armer Bruder
Auf Erden leider,
wenn er trinkt,
Er bald vor
Eiterbeulen stinkt.
XLVII
Wie im Kamin die
Flammen lodern,
Dem Drachen gleich
und der Prinzess.
Die Toten in den
Gräbern modern,
Xanthippe, Frau des
Sokrates.
Ich aber rauche
Zigaretten,
Mein frommer Bruder
will mich retten,
Ich soll statt
Tabaks blauem Qualm
Doch lieber beten
einen Psalm.
Ich liebe
Abenddämmerungen,
Romantisch das
Mysterium,
Der blauen Blume
Heiligtum,
Da lösen sich zum
Lied die Zungen,
Da mancher Philosoph
schon sah
Das Wolkenheim
Utopia.
XLVIII
Wie geht es denn nun
deiner Liebe,
Der Anna? Wie gehts
Eva auch? -
Ach dass doch Anna
ewig bliebe
Bei mir, wie schlank
ist doch ihr Bauch!
Und Evas auch! Die
beiden Gnaden,
Sie haben schön uns
eingeladen.
Ach Annas lieber
Leib der Lust!
Wie majestätisch
ihre Brust!
Und welcher Geist!
Ein Tolstoianer!
Besuchen musst du
mal die zwei,
Da fühlt man sich
so wohl und frei.
Für mich als alten
Weimaraner
Ist das ein rechter
Musenhof,
Da liebt der
Dichter-Philosoph.
XLIX
Ich bin von ihnen
eingeladen? -
Geburtstag feiert
Eva bald,
Da mach den Hof du
Ihrer Gnaden,
Verehre ihre
Lichtgestalt! -
Ach nein, da kommen
ja nur Echsen,
Nur junge Huren,
alte Hexen,
Da ist für mich
kein rechter Platz,
Bei Weiberlärm und
Männerschwatz,
Da fühl ich mich so
leer und öde!
Da hört man nichts
als Torheit nur! -
Und Peter sprach von
der Figur
Der Vielgeliebten,
seine Rede
Begeistert von der
Liebe Kuss
Floss hin im
Redeüberfluss.
L
Ja, Peter lebte
voller Wonne,
Er war geliebt, so
dachte er.
Da tauchte seine
Liebessonne
So selig ins
geliebte Meer!
Und das Mysterium
des Bettes!
Der Inhalt jeglichen
Sonettes,
Das er für seine
Donna schrieb!
Sie hatten sich von
Herzen lieb!
Ich, fühle ich mich
manchmal einsam,
Besuche dann ein
Ehepaar,
Da herrscht Gott
Hymen ganz und gar,
Die beiden plagen
sich gemeinsam,
Da gleich verlässt
mich alle Brunft!
Allein mein Ich und
die Vernunft!...
LI
Doch Peter ward
geliebt von Herzen,
Er ruhte stets an
Annas Brust,
Die fröhlich auf
dem Lager scherzen
Und feiern ihre
Lebenslust!
Gen Himmel fahren
sie allmählich,
Der „petit mort“,
der macht sie selig!…
Wie arm ist dran der
alte Mann,
Der nichts mehr
Schönes sehen kann,
Der muss an dieser
Erde mäkeln,
Der Tabakasche
frisst wie Brot,
Als Leben lieber ihm
der Tod,
Der muss vor dieser
Welt sich ekeln,
Der voller Gram ist,
müd und alt,
Sein Leib ist
schlaff, sein Herz ist kalt.
FÜNFTER GESANG
I
In diesem Jahr der
Herbst war golden
Und klar der Himmel,
heiter, blau.
Spazieren gingen
gern die Holden,
Im Tannenwald die
weiße Frau.
Der Winter aber ist
gekommen!
Vom Gaudi sangen
heut die Frommen,
Der dritte Sonntag
im Advent
Im weißen Schnee
wie Weißglut brennt.
Der Schnee liegt auf
dem Autodache,
Der Schnee liegt auf
dem Eichenbaum.
Die Elster krächzt
im kalten Raum,
Der Philosoph
verkündet Rache,
Und auf der
schwarzen Erde Weh
Liegt Gottes lichter
Gnadenschnee.
II
O Winter! Nun das
blonde Mädchen
Mit ihrem Pony
stapft im Schnee.
Die Schönste sie im
kleinsten Städtchen,
Es reitet Pegasus
die Fee.
Die Knaben fahren
mit dem Schlitten,
Sind schnell hinab
den Hang gelitten
Und schlugen blutig
sich das Knie,
Doch jauchzen und
frohlocken sie.
Vorm Schlitten
angespannt ist Luna,
Die Hündin, und der
kleine Herr
Ruft Hü und Hott,
der Mortimer,
Die Mutter, jung
noch wie Iduna,
Schaut liebevoll auf
ihren Sohn
Und freut sich auf
die Weihnacht schon.
III
Wir Dichter haben
wenig Freunde,
Nur ein Prozent der
Deutschen liebt
Gedichte, die
Millionen Feinde
Der Muse Spielerei
betrübt.
Ihr Freunde! Meine
Winter-Ode
Scheint euch
veraltet, aus der Mode.
Ihr liebt vielleicht
den weißen Rock
Der Muse von dem
Dichter Blok?
Der sang die Hagia
Sophia,
Der Russen Venus
keusch und rein.
Auch meiner Muse
Benedein
Singt die
jungfräuliche Maria
Im weißen Kleid, im
Mantel blau,
Wie Schnee so rein
die Himmelsfrau!
IV
Und Eva (ganz und
gar aus Sachsen,
Ganz aus dem
Nieder-Sachsenland)
Sah schön die
Tannen weiß gewachsen,
Geweiht von Gottes
weißer Hand.
Der Vater Frost kam
auf dem Schlitten,
Frau Holle ist
durchs Land geschritten,
In Rauhenächten,
wie man sagt,
Am Himmel jagt die
Wilde Jagd,
Drei Könige sind
auch gekommen
Nach Bethlehem vom
Orient,
Da Jove im Saturnus
brennt,
Es losen Verse sich
die Frommen
Aus Gottes Bibel,
wie es sei,
Die Heiden aber
gießen Blei.
V
Nun, Eva glaubte
jedes Märchen,
Sie betete zu Gnom
und Fee,
Der Fee Kleid aus
Libellen-Härchen
Sah schimmern nachts
sie auf dem See,
Sie glaubte an das
Heil der Kräuter,
Dass Mozart
milchreich macht das Euter,
Sie glaubte an den
Zauberstab,
Alraun, der Geld in
Menge gab,
Sie glaubte an der
Sterne Einfluss,
Wahrsagerei und
Horoskop,
Sie sang der weißen
Nixe Lob,
Die fuhr im Schiffe
auf dem Rheinfluss,
Sie betete zur
Göttin Mond,
Die droben auf der
Wolke thront.
VI
Wer zum Geburtstag
gratulierte
Zu früh, der machte
Eva bleich,
Oft sie sich mit dem
Onyx zierte,
Dem Stein des
Scorpio im Reich
Des Zaubers, der
wohnt in den Dingen,
Sie glaubte,
Hildegard von Bingen
Verkündete, dass in
dem Sein
Voll Heilkraft sei
der Edelstein,
Traumfänger hingen
überm Bette,
Kristalle in dem
Wasserglas,
Doch ehrte sie auch
Karitas
Und wollt zur
Weihnacht in die Mette,
In ihrer Esoterik
All
War Raum für Jesus
auch im Stall...
VII
So alles war ihr
voller Zauber,
Von Treue sprach der
Taube Ruf,
Von Liebe sprach der
Turteltauber,
Sie glaubte an den
Gott, der schuf,
Doch glaubte nicht
an die Gebete,
Als ob man Gott so
zwingen täte,
Ergeben war dem
Schicksal sie
Und glaubte auch,
sie sterbe nie,
Im Winter sehnt sie
sich zur Mainacht,
Da Falter saugen
Nektarseim,
Sie wohnt in
Wolkenkuckucksheim,
Romantisch feiert
sie die Weihnacht
Mit Mozarts
Zauberflöte sacht,
Da sang die Königin
der Nacht.
VIII
Jetzt Eva aber legt
die Karten,
Das Spiel des
magischen Tarot.
Kommst, Prinz, du in
den Rosengarten?
Schneewittchen, bist
du still und froh?
O Nordsee, schreien
grell die Möwen?
Kommt Lust geritten
auf dem Löwen?
Spricht Nostradamus
seinen Spruch,
Erfüllt sich uns
das Zauberbuch?
Wir stechen Verse in
der Bibel,
Wir lesen deutend
aus der Hand,
Ein M man in den
Händen fand,
Man liest der Kinder
Märchenfibel,
Und alles kündet
Zukunft an
Und einen
prophezeiten Mann!...
IX
O Frost der
Mitternacht, Sylvester!
Die Sterne glitzern
wie Kristall.
Wie träumend schaut
die Zauberschwester
Nach Geistermächten
aus im All.
Und Eva tritt in
ihren Garten,
Sie denkt noch an
die Zauberkarten,
Es spiegelt sich die
Luna blass
In meiner Eva
Spiegelglas,
Im Schnee vernehmbar
leise Schritte,
Im Dunkel kommt
heran ein Mann,
Das muss er sein,
denkt sie, und dann
Ganz nach der neuen
Heiden Sitte
Genießt sie einen
One-night-stand,
Oh little cowgirl in
the sand!
X
Dann zieht sie
einmal noch die Karten,
Und Eva wird vor
Ärger rot,
Nicht Liebe künden
sie im Garten,
Nein, einen
Sensemann, den Tod!
Doch wie die Oma ihr
geraten,
Wenn die Raketen
drohend nahten,
Ging Eva, die so süß
und nett,
Nach Mitternacht
allein zu Bett.
Vielleicht ich träum
von meinem Heros?
Die Bibel unterm
Kissen, ruht
Das junge Herz, das
junge Blut,
Und über ihrem Bett
wacht Eros,
Der feuchten Venus
heißer Sohn,
Der ihre Brust sich
wählt zum Thron.
XI
Sie war im Wald in
ihren Träumen,
Die Träumerin hat
dies geträumt:
Im Wald von weißen
Tannenbäumen
Der weiße Schnee
hat rein geschäumt.
Der Schnee lag da in
hohen Haufen,
Den Wald auf seinen
Herrn zu taufen.
Und durch das
Wäldchen floss ein Bach
Harmonisch wie Musik
von Bach,
Und überm Bach war
eine Brücke,
Ein Eichenstamm
gelegt als Steg,
Von Eis gefroren war
der Weg,
Das Eis war glatt
wie Weibertücke,
Doch Eva weiter
wandernd irrt,
Verzweifelt, hilflos
und verwirrt.
XII
Und Eva stolpert in
dem Walde,
Es schmerzt sie an
der Haut der Frost.
Doch warte, Mädchen,
balde, balde
Die Sonne aufersteht
im Ost.
Doch noch ists in
dem Walde dunkel,
Sie hört Geschwätz,
des Bachs Gemunkel,
Da leuchten Augen
wie vom Luchs,
Und schau, es kommt
ein Geisterfuchs,
Ein Dämon aus dem
alten China,
Der führt sie
weiter durch den Wald,
Von Purpur seine
Lichtgestalt,
Fern funkelt Stella
Matutina,
Der Geisterfuchs ist
Eva treu,
Als ob sie
Geisterfüchsin sei.
XIII
Und Eva wandert
immer weiter
Und sucht dem Fuchse
zu entfliehn.
Der Himmel schwarz
und dennoch heiter,
Die silberweiße
Luna schien.
Der Fuchs folgt
immer stets dem Mädchen,
Wie Theseus einst
dem Purpurfädchen
Von Ariadne, Kretas
Kind,
In Knossos in dem
Labyrinth.
Es schleicht der
Fuchs die Wege lange,
Die Schritte stets
getreu dem Takt,
Man sieht die junge
Esche nackt,
Der Milchpfad
scheint wie eine Schlange,
Und Eva, still und
voller Weh,
Sieht sich begraben
schon im Schnee.
XIV
Und weiter flieht
sie vor dem Fuchse,
Der Schnee reicht
ihr bis an die Knie.
Der Fuchs mit Augen
von dem Luchse,
Beharrlich stets
verfolgt er sie.
Es fällt ihr
Taschentuch von Seide,
Sie streift den
Zweig der Trauerweide,
Und schon verliert
sie einen Schuh
Wie Cindarella,
Ruckeguh,
Der Fuchs jedoch
folgt immer weiter,
Und Eva hebt den
kurzen Rock,
Der Fuchs stinkt wie
ein Ziegenbock,
Schon ist das
Mädchen nicht mehr heiter,
Der Fuchs folgt
voller Leidenschaft,
Und Eva schwand die
Lebenskraft.
XV
Und Eva sinkt zur
weißen Erde,
Da kommt der
Geisterfuchs heran,
Als ob er nun zum
Bären werde,
Zu einem
bärenstarken Mann,
Hebt Eva er voll
reiner Sitte
Und trägt sie hin
zu einer Hütte,
Dort legt er nieder
sie vorm Tor.
Und drinnen tönt
Gelärm vom Chor,
Da singt man
liederliche Lieder,
Da singt der Freund
für seinen Freund,
Als wäre er sein
schlimmster Feind,
Da singen alle:
Trinkt, ihr Brüder!
Da spricht der
Geisterfuchs zu ihr:
Nun trete durch die
Höllentür!
XVI
Nun findet Eva neue
Kräfte,
Sie guckt durchs
Fenster in das Haus.
O Gläserklang, o
Rebensäfte!
O Lärm, Geschwätz
und Saus und Braus!
Was sieht sie da für
eine Gruppe?
Ein Heer Dämonen,
Satans Truppe!
Ein Kampfhund da mit
Schaum vorm Mund,
Ein Rind mit einem
Euter rund,
Ein Hahn, der kräht
im Kreis der Glucken,
Ein Dachs, der Neffe
von dem Fuchs,
Ein Uhu blind, ein
Blauaug Luchs,
Die Schlange will
den Schwanz verschlucken,
Der Kater mit dem
steifen Schwanz,
Ein goldnes Kalb,
ein Heidentanz.
XVII
Die Spinne frisst
den eignen Gatten,
Ein Frosch, den die
Prinzessin küsst,
Und mitten unter
diesen Satten
Das Faultier erst
ihr sehen müsst,
Wie Riesenarme eine
Mühle,
Ein Hürlein auf dem
Lotterpfühle,
Ein Eselsglied mit
Hengsterguss,
Die Schlange gibt
sich selbst den Kuss,
Mit Menschensprache
alte Drachen,
Der geile Affe
onaniert,
Und der Koyote
uriniert,
Und alle lärmen,
alle lachen!
Und Eva unter ihnen
sieht,
Wie Josef Ono singt
ein Lied.
XVIII
Wenn Josef Ono etwas
redet,
Andächtig schweigt
die ganze Schar,
Wenn Josef Ono etwas
betet,
Dann wird der Gruppe
alles klar.
Er ist in dieser
Schar der Meister,
Der Vater dieser
Höllengeister.
Und Eva macht sich
neuen Mut,
Die Tür tut auf das
junge Blut,
Und sie tritt ein.
Und alle schweigen,
Betroffen, staunend
und verwirrt,
Wie sie sich hat
hierher verirrt,
Und stille steht der
tolle Reigen.
Und Josef Ono ohne
Ruh
Eilt nun auf seine
Eva zu.
XIX
Doch Eva nur
versucht zu fliehen,
Bleibt doch vor
Schrecken fest gebannt,
Die
Schreckensgeister lauthals schrieen,
Nun Josef hatte sich
ermannt,
Er öffnet weit die
breite Pforte
Und grüßt mit dem
Willkommensworte,
Der Drache schreit
in Hass und Zorn,
Der Ziegenbock
erhebt sein Horn,
Die wilden
Straßenköter bellen,
Die Schlange auf das
Mädchen schaut,
Der Kater voller
Brunst miaut,
Und alle in den
sieben Höllen
Mit einem schrillen
Kreischen schrein:
Ah, diese junge Frau
ist mein!
XX
Sie ist seit
Ewigkeit die Meine,
Ruft Josef da in
wilder Wut,
Ich will sie haben
ganz alleine,
Die Königin in
meinem Blut!
Und nun die ganze
Gruppe schwindet,
Und Eva nun allein
sich findet,
Und Josef ist nun
wieder nett
Und bettet Eva auf
das Bett,
Man hört ein
Jauchzen: Hosianna,
Und da kommt Peter
Schwanensang
Und auch die schönen
Brüste schwang
An seiner Seite
Schwester Anna.
Doch plötzlich
wütet voller Wucht
Die Leidenschaft der
Eifersucht!
XXI
Und Josef greift
nach einem Dolche
Und blutig wird der
böse Streit,
Es zanken sich die
beiden Strolche,
Und Peter fällt,
zum Tod bereit,
Da bebt die Erde,
wankt die Hütte,
Als ob der Herr das
All zerrütte,
Und jetzt ist tiefe,
tiefe Nacht,
Und Eva schwitzt vor
Angst, erwacht
Und sieht die
Wimpern der Aurora.
Und Schwester Anna
kommt herein,
Wie Sommer voller
Sonnenschein,
Und lacht: Was sagte
dir die Tora,
Was hat der Traum
dir prophezeit?
Wer ists, der um
dein Hymen freit?
XXII
Doch Eva schien sie
nicht zu hören,
Sie griff nach einem
alten Buch,
Das war diktiert von
Musen-Chören,
Zu bannen ihres
Traumes Fluch,
Der Autor wollte da
bedeuten
Die Kunst die Träume
auszudeuten,
Sie liebte die
okkulte Schrift,
Die ganz genau ihr
Traumbild trifft,
Noch mehr als Byron
und Homeros,
Mehr als die
Illustrierte gar,
Die voll von
Pferdebildern war,
Nun sie studierte
diesen Eros,
Der ihr begegnet war
im Traum,
Der aufgetaucht war
aus dem Schaum.
XXIII
Sie hatte dieses
Buch gefunden
In einem
Antiquariat,
Dazu für
Lese-Muße-Stunden
Auch Platons Schrift
vom weisen Staat,
Und auch, zum Schutz
vor allem Übel,
Die originale
Luther-Bibel,
Und ein
Azteken-Horoskop
Und Berthold Brecht,
der dichtet grob,
Und Reden auch von
Rudolf Steiner,
Darin der
Geisterseher preist
Im All den
Christus-Sonnengeist,
Und Jugendlyrik auch
von Rainer
Maria Rilke, darin
statt
Des Bändchens lag
ein Rosenblatt.
XXIV
Der Traum bewegte
sie zum Grübeln,
Sie suchte den
geheimen Sinn,
Ob er ihr prophezeit
von Übeln,
Ob er ihr wahrsagt
den Gewinn
Der reinen Liebe
ihres Herzens,
Ihr weissagt Wonne,
trotz des Schmerzens,
So las sie in dem
Buch vom Fuchs,
Vom Bär, vom
Drachen und vom Luchs,
Vom Bach, vom Wald,
vom weißen Schneefall,
Vom Messer und vom
Herzensblut
Und von den Männern
voller Wut
Und von dem Rollen
eines Schneeballs,
Doch wurde ihr der
Traum nicht klar,
Der dunkel wie die
Gottheit war.
XXV
Jetzt, da genaht das
Morgengrauen,
Die Rosenfingrige,
die Maid,
Lässt neugeborne
Sonne schauen.
Und der Geburtstag
ist nicht weit,
Da unsre Eva wird
gefeiert.
Die Frauen kommen
unverschleiert,
Mercedes, Fiat, BMW,
Schwarz wie der Lack
und weiß wie Schnee,
Das Haus ist voll,
und alle drängeln,
Chi-Hua-Hua-Hündchen
bellen leis,
Die Frauen sind so
weiß wie Eis,
Die jungen Mädchen
gleichen Engeln,
Maschinen-Männer
kommen auch
Und alte Fraun mit
dickem Bauch.
XXVI
Der Mann kommt mit
der fetten Gattin,
Die ähnelt einem
Weinfass sehr
(In ihrer Jugend war
sie Göttin,
Die tauchte nackig
aus dem Meer),
Von seinen Kühen
kommt der Bauer,
Der Sittich piept im
Vogelbauer,
Die Sippe mit der
Kinderschar
Von sieben bis zu
siebzehn Jahr,
Der Pfeifenraucher
auch, der Vetter,
Der Schönling mit
Dreitagebart,
Ein Schüler,
welcher soft und smart,
Mit grauem Bart die
Weisheitsgötter,
Mit Baskenhut der
Kommunist,
Im Streit mit ihm
der Sozialist.
XXVII
Es kommt ein alter
Heimatdichter,
Der dichtet stets
von Luv und Lee,
Der Liebling aller
Zeitungsrichter,
Die wahre Stimme von
der See,
Das lyrische Genie
der Friesen,
Dem Stürme um die
Ohren bliesen,
Der bringt nun einen
freien Vers,
Um zu erobern Evas
Herz,
Er klaute ihn von
Sankt Franziskus
Aus seinem sonnigen
Gesang:
La Morte, ma
Sorella! Sang
Der Arme, schön wie
der Hibiskus,
Und der Poet, mit
Backen rot,
Schrieb: Evalein, du
bist mein Tod!
XXVIII
Und dann der Erste
der Soldaten,
Der war schon in
Afghanistan,
Der war schon in den
Schurkenstaaten,
War im Irak und im
Iran,
Der stand schon an
des Niles Quellen,
Der kommt nun an mit
lautem Bellen,
Und alle stillen
Frauen schaudern,
Ergötzen sich an
seinem Plaudern,
Doch sind entsetzt
und wenig froh,
Frisst er das
Fleisch des Gulasch roh.
Die Mädchen freuen
sich aufs Tanzen,
Doch erstmal kommt
das Abendmahl,
Die lange Tafel
steht im Saal,
Und alles ist im
großen Ganzen
Entzückt von unserm
Evalein,
Dem weißen Brot,
dem roten Wein.
XXIX
Für einen
Augenblick ist Stille,
Die Münder sind von
Speise voll.
Der alte Mann sucht
seine Brille,
Dann schwatzen alle
wieder toll,
Das ist ein
Schwatzen alter Schwestern,
Ein Plaudern,
Lachen, Spotten, Lästern,
Der dicke Mann
spricht ein bonmot,
Er scheint so klug
wie Salomo,
Dann aber klingelts
an der Türe,
Und Peter tritt mit
Josef ein.
So früh schon?
spottet Evalein,
Im Kreise gehen um
die Biere,
Man schwimmt im
Wodka wie im Meer,
Doch Eva lieber
trinkt Likör.
XXX
Da sitzt nun Eva
gegenüber
Dem Josef, blasser
als der Mond,
Wie hat sie ihn doch
immer lieber,
Und ist doch schon
an ihn gewohnt,
Nun trinkt sie von
dem Kelch, dem bittern,
Die schlanken weißen
Hände zittern,
Ihr wird das Bein
wie Gummi schwach,
Sie seufzt nur noch
ein schwaches Ach,
Spricht nur Ach ja
und spricht Ach Gottchen,
Sie wird verrückt
und spricht im Wahn,
Ertrinkt im
Liebesozean,
Da hilft ihr auch
nicht ihr Maskottchen,
An ihrem Hemd das
Buddhabild,
Das lächelt weise,
gütig, mild.
XXXI
Weh Hysterie und
wehe Ohnmacht
Und falsche
Weibertränen, weh!
Wie hasste dieser
Liebe Allmacht
Doch Josef wie den
Winterschnee!
Er kennt die Weiber
und sieht jenen
Gleich an, wenn
falsch sind ihre Tränen,
Sie weinen wie ein
Krokodil
Kleopatras im Gelben
Nil!
Wie hasste Josef nun
den Bruder,
Der ihn in dieses
Haus gebracht,
In diese finstre
Seelennacht,
Zu dieser Dirne,
diesem Luder.
Da schwört er
seinem Rachegott:
Das dient mir zum
Satiren-Spott!
XXXII
Doch Josef war es
nicht alleine,
Der Evas
Liebesschwäche sah.
Doch war das Auge
der Gemeinde
Gerichtet auf die
Mahlzeit da
Und ihren übersüßen
Kuchen
(Die
Diabetes-Kranken fluchen)
Und auf den Braten
fett und braun,
Den Pudding,
lieblich anzuschaun,
Und dann das
Sektglas schlank um zierlich,
Dir ähnlich, o
Laetitia!
Du bist so schlank,
wie gern ich sah,
Charmant, bezaubernd
und manierlich,
Du bist des Eros
Fleisch und Blut,
Die Schönheit als
das Höchste Gut.
XXXIII
Wie knallen die
Champagnerkorken
Und fliegen Mädeln
an die Stirn!
Und wie die Bauern
mit den Forken
Der Heimatdichter
mit Gehirn
Kommt an und opfert
freie Verse,
Nicht genial wie
Saint John Perse,
Er stammelt seinen
freien Vers,
Man diskutiert ihn
kontrovers,
Er ist zu stolz dem
Lob der Narren,
Ist seiner Sendung
sich bewusst,
Er weiht die Verse
Evas Brust,
Voll Demut auf den
Dank zu harren,
Das ist der wahre
Lorbeerkranz:
Ein Lächeln! Das
macht selig ganz.
XXXIV
Und alle wünschen
nur Gesundheit,
Das ist des
Deutschen Höchstes Gut,
Ob nun in
Schlankheit oder Rundheit
Die Frauheit wünscht
ihr guten Mut,
Und Eva dankt der
Schar und lächelt,
Mit schlanker Hand
der Hitze fächelt,
Und Josef hat ein
Mitgefühl
Mit der Geliebten
Hitze schwül,
Und er verbeugt sich
vor der Dame,
In seinen Augen
Zärtlichkeit,
Wie Freundschaft,
stets zum Trost bereit,
Und Eva saugt der
Freundschaft Same
Zu ihrem
Herzenstroste ein
Und fühlt sich
nicht mehr ganz allein.
XXXV
Die Stühle kratzen
auf dem Boden,
Man geht nun in den
großen Raum,
Die Männer kratzen
sich am Hoden,
Die Mädchen sind so
weiß wie Schaum,
Die Alten sitzen bei
den Alten,
Da zählt der Mann
des Weibes Falten,
Die Knaben gehn zum
Kartenspiel,
Der Zeitvertreib ihr
höchstes Ziel,
Sie spielen Skat,
sie spielen Poker,
Sie setzen ein das
liebe Geld,
Das diese Welt
zusammenhält,
Sie freun sich über
jeden Joker.
Wer nicht Ideen hat
im Haus,
Ihr Freunde, der
tauscht Karten aus.
XXXVI
Die Knaben sammeln
ihre Karten
Mit Drache, Prinz
und Held und Fee,
Die Knaben toben
durch den Garten,
Wo ich den Frosch am
Teiche seh.
Dann gibt es einen
starken Mokka
Aus Reicharabien und
Mekka.
Ich mess die Zeit
nicht nach der Uhr,
Nur nach der Sonne
der Natur,
Am Morgen sieben
Kaffeetassen,
Am Mittag zu
Kartoffeln Fleisch
(Trotz der Veganer
Wahngekreisch),
Um nachts zum Wodka
dann zu fassen.
Ich sing von Speis
und Trank so sehr
Wie du, o göttlicher
Homer!
XXXVII
(…)
XXXVIII
(…)
XXXIX
Die hübschen
Mädchen trinken süß
Lauwarmen
Schokoladen-Tee.
Was fehlt noch in
dem Paradies?
Musik, des dritten
Himmels Fee!
Demütig die
Musik-Maschine
Bringt Tanzmusik,
die liebt Aline,
Man fasst sich an
den Händen und
Durchwirbelt tanzend
nun das Rund,
Der Löwe des Salons
tanzt Tango
Mit seiner
Ehe-Tänzerin,
Die Bauchtanz-Fee
mit sechstem Sinn
Mit hohem Eros tanzt
die Mango,
Der
Kundalini-Schlange gleich,
Wie Bajaderen
kurvenreich.
XL
Am Anfang meines
Versromanes,
Da schrieb ich von
der Diskothek,
Da von der Reinheit
meines Planes
Ich irrte ab von
meinem Weg.
Es ließen mich die
süßen Träume
Von Venus aus dem
Meer der Schäume
Auf einmal träumen
voller Lust
Und von der Venus
schönen Brust,
Der schönsten Brust
von allen Brüsten.
Nun aber fünfzig
Jahre alt
Nicht träum ich
mehr von der Gestalt
Der Wonne-Venus voll
von Lüsten,
Ich bet nicht mehr
zum Morgenstern,
Ich diene fromm nun
Gott dem Herrn.
XLI
Jetzt, da sie alle
tanzen Tänze
Und wirbeln trunken
durch den Raum,
Da glühn die Vulven
und die Schwänze,
Die Mädchen sind
verschleiert kaum,
Mein Josef ruft zum
Gott der Rache:
O Rachegott, führ
mein Sache,
Dass ich mit Narren
reden muss
Der Narretei
stupiden Stuss!
Und Josef Ono nahm
sich Anna
Und tanzte mit ihr
Brust an Brust,
Erotisch, sinnlich,
voller Lust,
Nicht keusch und
prüde wie Susanna,
Die tanzt den Walzer
voller Zucht.
Und Peter war voll
Eifersucht!
XLII
Jetzt ward getanzt
der heiße Tango,
Der Buhler Tanz aus
dem Bordell,
Musik erklang auch,
der Fandango,
Die Trommeln klangen
laut und schnell.
Ich aber hab in
meiner Jugend
Gehasst des strengen
Tanzes Tugend,
Wenn meine Eltern
bei dem Tanz
Gewesen in des
Saales Glanz.
Ich lieber wollte
trunken taumeln,
Ekstatisch zucken
mit dem Leib,
So tanzt das wilde
Schlangenweib,
Der prall die großen
Brüste baumeln.
So tanzen Bajaderen
nackt
Und tanzen wie der
Götter Akt.
XLIII
(…)
XLIV
Und Achim kam, der
alte Vetter,
Und Eva kam und Anna
auch,
Und Achim, weise wie
die Götter,
Blies bläulich
seinen Pfeifenrauch
Und sprach zu Josef:
Willst du Anna,
Willst Eva du,
willst du Susanna,
Mit wem willst
tanzen du den Tanz?
Wer offenbart der
Göttin Glanz?
Und Josef griff sich
Annas Hände
Und tanzte Salsa
sehr lasziv,
Und Annas Hände
sanken tief
Und rührten
zärtlich seine Lende,
Das wars, was Josef
so entzückt,
Was ihn elektrisch
heiß durchzückt.
XLV
Und Peter will mit
Anna tanzen,
Sie aber sagt ihm
lächelnd: Nein,
Ich möchte hier im
großen Ganzen
Mit Josef spielen
Ringelreihn. -
Und Peter dachte: O
beim Gotte,
Wie Anna wurde zur
Kokotte!
Wie weint sie wie
ein Krokodil
Kleoptaras im gelben
Nil,
Und lügt, dass man
mit dem Detektor
Die Wahrheit
registrieren muss!
Und Josef? Ein
Pistolenschuss!
Achilles kämpfte so
mit Hektor!
Ja, dieser Buhltanz
locker frei
Gibt eine
Messerstecherei!
SECHSTER GESANG
I
Und Josef, da nun
Peter fort war,
Von Langeweile ward
geplagt,
Von Anna auch, die
noch am Ort war,
War er gelangweilt,
ungefragt,
Und Anna auch voll
Langeweile
Von Josef trennte
sich voll Eile,
Sie wollt zu Peter
Schwanensang
Zurück in ihrem
Liebesdrang,
Vom Salsa müde und
dem Tänzeln.
Jetzt aber kam das
Abendmahl,
Reis, Salz und
Butter in dem Saal,
Der Alte gähnt, die
Jungen schwänzeln,
Man legt sich auf
die Sofas nett
Und Josef ging ins
eigne Bett.
II
Der Alte bettet sich
im Sofa,
Auf Matten Jugend
liegt bequem,
Ein Mädchen fährt
auf ihrem Mofa
Davon, zu schauen
angenehm.
Die Dicken sitzen
auf den Stühlen,
Die Weiber in
bequemen Pfühlen,
Der Dichter legt
sich aufs Parkett
Und Anna einsam geht
ins Bett.
Im Licht der
göttlichen Diana
Nur Eva sitzt am
Fenster stumm
Und denkt an das
Mysterium
Der Liebe und, beim
grauen Mana,
Sie löst der Liebe
Rätsel nicht,
Das Kreuzworträtsel,
das Gedicht.
III
Dass Josef dennoch
war gekommen
Und auch geschaut
voll Zärtlichkeit,
Sich Schwester Anna
dann genommen,
Mit ihr getanzt voll
Sinnlichkeit,
Das war für Eva
doch ein Rätsel.
Sie knabberte an
einem Brezel
Und quälte sich mit
Eifersucht,
Der kranken
Leidenschaften Frucht,
Als ob sie eine
Eishand packte
Und ein Vulkan in
ihr erglüht
Und goldorangne Lava
sprüht,
Das Herz geriet ihr
aus dem Takte,
An Josef dachte sie
zurück:
Der schlimme Mann
bringt mir kein Glück!
IV
Doch weiter nun im
Versromane!
Ein neuer Mann wird
eingeführt.
Er passt so recht zu
meinem Plane,
Ich schreibe
schließlich inspiriert.
Es lebte da in
Peters Nähe
Ein Mann, doch nicht
im Netz der Ehe,
Der Trinker Enno
Finkenburg,
Der einst kam aus
Charlottenburg
In unsrer Hauptstadt
Berolina,
Der war nun alt
geworden, fett,
Der lag den ganzen
Tag im Bett,
Las Zeitungen vom
Roten China
Und ward von keiner
Frau geliebt
Und war darum auch
stets betrübt.
V
Zur Jugendzeit in
Berolina
Er fand den
Terrorismus toll,
Die Maoisten auch
aus China,
Sein Haupt war stets
vom Fusel voll,
Er hasste
Demokraten, Christen,
Er liebte nur die
Terroristen,
Doch mit dem Alter
ward er klug,
Zumindest soweit
klug genug,
Dass Frankfurts
Allgemeine Zeitung
Er jeden Sonntag
eifrig las,
Mit seinen Augen und
dem Glas,
Dann macht er sich
an die Bereitung
Des Schlummertrunks,
er brauchte hier
Die Woche eine Kiste
Bier.
VI
Er war ein Zyniker,
ein Spötter,
Er kannte allzeit
ein bonmot,
Wenn einer glaubte
an die Götter,
Wenn einer glaubt
ans A und O,
Er ward von Enno
stets verspottet,
Moral hielt er für
ganz verrottet,
Er war wohl
Nietzsches Übermensch,
Auf keinen Fall ein
keuscher Mönch,
Er wollte weiche
warme Weiber
Und sprach mit
zynischem Gemüt,
Er sei an Christi
Leib das Glied,
Und Christi Glied
liebt alle Leiber.
Und wenn sich
Freunde zankten, dann
War er im Zank der
dritte Mann.
VII
Und manchmal
zwischen Brüdern, Söhnen
Des gleichen Vaters,
stiftet er
Den Segen, dass sie
sich versöhnen,
Das fiel den beiden
Brüdern schwer.
Am liebsten aber
mocht er lästern,
Verhöhnte zynisch
alle Schwestern,
Er kannte nur das
Weib, das lockt
Mit Brust und Schoß
und langgelockt.
Doch mit dem Alter
ward er weise
Und aß nichts
andres als Salat,
Bekannte sich zum
deutschen Staat,
Er kam in
bürgerliche Kreise,
Er ging nur selten
in den Puff,
Doch regelmäßig
war sein Suff.
VIII
Er kannte Lexika
auswendig,
Drum schätze Josef
Ono ihn,
Er redete zwar
unanständig,
Das wird von Männern
stets verziehn.
Und Enno Finkenburg
am Morgen
Zu Josef kam, der
lag geborgen
Im Bett mit einer
Tasse Tee.
Gut, das ich dich,
mein Lieber, seh,
Hier eine Botschaft
kommt von Peter,
Rein rhythmisch zwar
mit Reim an Reim,
Die musst du lesen
hier im Heim. -
Na gut, ich les sie
etwas später. -
Nein, lies es jetzt,
grinst Enno schief.
Und Josef Ono las
den Brief.
IX
Zwar höflich, aber
fest entschlossen,
Der Peter fordert
zum Duell,
Er hätte sich auch
gern geschossen,
Doch war er mit dem
Messer schnell.
Und Josef, ohne noch
zu warten,
Er sprach zu
Finkenburg, dem harten,
Wie Pioniere: Stets
bereit
Zu jeder üblen
Schändlichkeit!
Und Finkenburg nun
wollte gehen
Und ließ den Josef
nun allein.
Der aber dachte
voller Pein,
Was konnte er nicht
widerstehen?
Ob man denn stets
der Torheit Groll
Mit Bitterkeit
entgegnen soll?
X
Er dachte da wie ein
Gerechter,
Denn richten soll
man nicht den Freund.
Ist das denn
Freundschaft, als ein Fechter
Den Freund zu sehn
als einen Feind?
War Peter nicht in
seiner Jugend
Verliebt in Annas
schöne Tugend,
Verliebt wie so ein
junger Tor,
Der seinen Ruhm
nicht gern verlor?
So ist das nun mit
achtzehn Jahren,
Da muss man Mitleid
haben doch.
Nein, Josef hätte
immer noch
Bei lebenswidrigen
Gefahren
Behalten müssen den
Verstand,
Den er bei Peter
nicht mehr fand.
XI
Sie hätten besser
reden sollen,
Das Missverständnis
räumen aus,
Statt wie ein
kleines Kind zu schmollen,
Worauf denn läuft
das noch hinaus?
Jetzt ists zu spät,
es ist beschlossen,
Zwar mit Pistolen
nicht geschossen,
Doch gibt es einen
Messerkampf,
Bis fließt das Blut
mit heißem Dampf.
Da werden alte
Weiber klatschen,
Vom Wahnsinn werden
reden sie,
Von unheilbarer
Hypochondrie,
Wenn Huren lästern,
Hexen tratschen.
Das sind die
Meinungen der Welt,
Ein hohler Narr ist,
wems gefällt.
XII
Zu Hause, feurig
ungeduldig,
Der Dichter wartet
auf das Wort,
Ob Josef sich
bekennt als schuldig,
Ob er bereit zum
Kampf am Ort,
Wie es gebührt
Heroen züchtig.
Ach, Peter ist so
eifersüchtig!
Er hatte schon
befürchtet, dass
Die Antwort wär auf
seinen Hass
Die milde Liebe, das
Versöhnen.
Bei der Kapelle
voller Pracht
Entscheidet sichs um
Mitternacht,
Dann stechen sie
sich um die Schönen,
Dann Peter siegt als
Liebesheld,
Wenn er nicht durch
den Bruder fällt.
XIII
Entschlossen, seinen
Freund zu hassen,
So Peter
Schwanensang voll Groll,
Er sah, die Zeit war
schon verflossen,
Was er vorm Tode
machen soll?
Was tun? Er fuhr mit
seinem Rade
Zur schönen Anna
voller Gnade.
So wenn der Bruder
Tod dir naht,
Der Eingang in den
Gottesstaat,
Dann blüht noch
einmal dir das Leben
Mit aller prallen
Lebenslust,
Die Lust nimmt dich
an ihre Brust,
In Wonnen dir sich
hinzugeben,
Bis Charon kommt mit
seinem Boot,
Am Lethe-Ufer steht
der Tod.
XIV
Was bist du denn so
früh gegangen?
Fragt Anna, rosig,
weiß und keusch.
Da beißen ihn der
Liebe Schlangen,
Im Höllenfeuer
brennt sein Fleisch,
Dann schwebt er in
den dritten Himmel,
Er schaut im seligen
Gewimmel
Der Schatten schon
den Morgenstern
Und auf dem
Morgenstern den Herrn
Und ihm zur Seite
die Madonna!
Und wie im ersten
Augenblick
Ist Anna all sein
Liebesglück,
Ist seine Muse,
Primadonna,
Für die er stirbt
als Trauerschwan,
Erlischt im
Liebes-Ozean!...
XV
(…)
XVI
(…)
XVII
Jetzt, traurig,
fehlt ihm noch die Stärke,
Zu denken an die
letzte Nacht.
Er grübelt über
Annas Werke
Und was sein Freund
ihm zugedacht.
Ich muss mein süßes
Liebchen retten,
Im Himmelsbett die
Seele betten,
Dass dem Versucher
nicht gelingt,
Dass er sie in die
Hölle zwingt!
Es soll nicht diese
alte Schlange
Beflecken meine
Lilie keusch,
Es soll sie treiben
nicht das Fleisch
Mit dem okkulten
Höllenzwange! -
Zu deutsch: Ich plan
in meiner Not,
Zu stechen meinen
Bruder tot!
XVIII
Ach, hätte nur
geahnt mein Peter,
Was Eva trug in
ihrem Sinn!
Die große Chronik
in dem Äther
Sie konnte lesen und
auch in
Der Seelenreise sah
sie Mächte,
Verstand die Träume
ihrer Nächte.
Was, wenn sie hätte
das gewusst,
Was Peter trug in
seiner Brust,
Dass er den Josef
wollt ermorden!
Den hatte Eva lieb,
doch das
Verbarg sie ohne
Unterlass
In der verschwiegnen
Liebe Orden.
Und Anna hat wohl
nichts geahnt?
Hat meiner Anna
nichts geschwant?
XIX
Den ganzen Abend
Peter schweigend
Saß bei dem
Liebchen still und stumm,
Nur eine Trauermiene
zeigend
Und wie ein
Bauerntölpel dumm.
Er nahm zu Händen
die Gitarre,
Auf der er klimperte
Geknarre,
Sang einen
Robert-Johnson-Blues
Als der verlornen
Seele Gruß.
Bin ich nicht
glücklich, o mein Liebchen?
Dann aber wollt er
eilig fort
Von der verhexten
Liebe Ort.
Was ist mit dir,
mein Amor-Bübchen?
Sprach Anna
lächelnden Gesichts.
Er aber sprach voll
Trauer: Nichts.
XX
Zu Hause prüft er
erst sein Messer,
Ob auch so recht die
Klinge scharf,
Kein Messer schärfer
je und besser,
So ganz geeignet zum
Bedarf.
Dann liest er in den
Leiden Werthers,
Das Buch des irren
Narrenwärters,
Dann greift er zu
Papier und Stift,
Zur Tinte, kranker
Muse Gift,
Er sieht noch einmal
Annas Reize,
Da steht sie vor ihm
himmlisch nackt,
Da schreibt er Verse
Takt für Takt,
Wie sie erscheint
auf Betageuze
Als nackte
Himmelskönigin,
Er schreibt das wie
im Vollrausch hin.
(Fragment)