PHILOSOPHISCHES WÖRTERBUCH


VON TORSTEN SCHWANKE


(FRAGMENT)



ABBILD

Das Abbild verweist auf das Urbild. Lao Tse spricht von den ewigen Urbildern. Platon nennt sie Ideen, die konkreten Dinge in der irdischen Wirklichkeit nennt er Schatten. Der platonisch Liebende, wie Ficino in seinem Gastmahl lehrt, sieht im Abbild das Urbild, die Idee der Geliebten. Das Abbild der Geliebten ist übergossen vom Glanz des göttlichen Urbilds, der göttlichen Schönheit. Paulus sagt im Römerbrief, an der Schönheit der Schöpfung kann die Schönheit des Schöpfers erkannt werden. Dionysius Areopagita spricht vom Aufstieg von der sinnlichen Schönheit zur Urschönheit oder Urgottheit. Diotima spricht in Platons Symposium zu Sokrates vom Aufstieg von der sinnlichen Schönheit zur seelischen Schönheit, zur Schönheit der Tugend, und letztlich zur göttlichen Schönheit, Aphrodite Urania. Mir sagte ein Priester in Lourdes: Wenn schon die Frauen so schön sind, wie schön ist dann erst Gott. Ludwig Maria Grignion von Montfort nennt die göttliche Weisheit auch Idee der Schönheit. In der ehelichen Liebe bindet sich der Mann an das Abbild, in der zölibateren Liebe bindet sich der Mann an das Urbild. Der Poet und Mythenforscher Robert Ranke-Graves sagte, der Poet als Musenpriester singe immer das Urbild der Göttin, die in wechselnden Abbildern von Frauen sich offenbare, einmal für sieben Jahre und einmal nur für einen Tag. Ich stimme allerdings nicht der Lehre zu, dass die Frau das Abbild des Mannes sei. Ich stimme nicht einmal der Lehre zu, der Mann sei Abbild Christi und die Frau Abbild der Madonna. Nein, die Frau ist Abbild Gottes, ebenso wie der Mann. In Gottes Geist ist die Idee der Frau. Ein Kardinal sagte einmal den schönen Satz: Das Abbild sehnt sich nach seinem Urbild.
Jeder Mensch ist ein einzigartiges Abbild Gottes, in jeder Seele wohnt ein einzigartiges Gottesbild. Christus ist, wie Paulus sagt, das Abbild Gottes, die Hagia Sophia ist, wie Salomo sagt, der Abglanz der göttlichen Herrlichkeit.


ABSOLUT

Im Absolutismus ist der Kaiser oder König von keiner menschlichen Bedingung bedingt. Er ist der Staat, er ist das Gesetz, er ist frei, er ist keinem anderen Menschen rechenschaftspflichtig. Der Absolutismus lebt heute nur noch im Papsttum, in der Unfehlbarkeit des Papstes. Gott ist der Absolute. Gott ist vollkommen frei. Gott muss sich vor keinem Geschöpf rechtfertigen. Gott wirkt, was er will, und was er will, ist das Gute. Man könnte einwenden, Gott sei kein Alleinherrscher, sondern die Allerheiligste Dreifaltigkeit sei ein Triumphirat. Aber Gottvater, aus dem der Sohn und der Heilige Geist hervorgeht, ist doch, wie die Schrift ihn nennt, der Allerhöchste. Gottvater ist der absolute Alleinherrscher, der vollkommen frei ist. Der Mensch erlangt, wie Fichte lehrte, wenn ich es richtig verstanden habe, erst in der Bindung der Freiheit des Ichs an die absolute Freiheit Gottes seine wahre Freiheit. Und so gibt es auch den Ausdruck: Ich bin verliebt in das Absolute, das Unbedingte, alles Bedingende, den Allerhöchsten in göttlicher Freiheit.


AFFEKTE

Die Affekte oder Gefühle sind ein Aspekt der Seele. Auch Tiere haben Affekte. Viele Menschen lassen sich wie die Tiere leiten von ihren Affekten, von Unlust und Lust. Wie unsichere Wegführer sind doch die Gefühle! Scheint im Winter die Sonne nicht, fühlt sich der Mensch von Gott verlassen. Hat er des Nachts zuviel Wein getrunken, fühlt er sich am nächsten Tag freudlos. Ist er nicht satt geworden, regt sich das Gefühl des Ärgers. Die Liebe zu einer Geliebten auf die Affekte zu gründen, ist kein Rezept für das Gelingen einer unauflöslichen Ehe, denn die Affekte kommen und gehen, sie sind launisch wie die Launen Lunas oder die Launen einer Frau, deren Stimmung oft einfach von der Monatsblutung abhängig ist. Auch die Liebe zu Gott kann man nicht auf die Affekte aufbauen, denn Gott will nicht nur im Sonnenschein des Glücks geliebt sein, sondern auch beim Tragen des Kreuzes, in der Anfechtung, sogar im Martyrium. Die Affekte sind sozusagen Teil der Leibseele und müssen von der Geistseele regiert werden, wenn ich diese Unterscheidung machen darf. So sagt Johannes vom Kreuz, dass es in der dunklen Nacht der Seele das Gefühl der Gottverlassenheit gebe, dass dieser Zustand aber oft der einer besonders intimen Vereinigung mit Gott sei.


AGAPE

Es gibt im Griechischen verschiedene Worte für Liebe. Eros ist die begehrende Liebe zwischen Mann und Frau. Philia ist die Liebe zwischen Freunden. Sorge ist die Elternliebe zu ihren Kindern. Agape, ein Ausdruck des Neuen Testaments, ist die göttliche Liebe, die selbstlos schenkende Liebe. Johannes liebt den Begriff und Paulus singt im 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes das Hohelied der göttlichen Agape. Der lateinische Begriff ist Caritas. Hildegard von Bingen sah in Visionen die göttliche Caritas in weiblicher Gestalt, sie sah sie im Ehebett Gottes, sie sah sie auch als junge Frau mit dem Gottessohn auf dem Arm. Mutter Teresa von Kalkutta gründete den Orden der Missionarinnen der Caritas. Sie ernährten Hungernde, erzogen Kinder, pflegten Kranke und betreuten Sterbende. Papst Benedikt XVI schrieb die Enzyklika Deus Caritas est. Die Sozialorganisation der katholischen Kirche ist der Caritas-Verband. Gott hat uns den Höhepunkt seiner Agape geschenkt, als er für uns am Kreuz gestorben ist, um uns das ewige Leben schenken zu können. Ein Priester sagte mir: Wenn Sie schwärmen für Aphrodite, die Göttin der Liebe und Schönheit, dann verehren sie Gott den Herrn als Gottheit mit dem Namen du Schöne Liebe. Die Jungfrau Maria erschien in Italien unter dem Namen der Königin der Liebe. Jesus Sirach nennt die Hagia Sophia auch Mutter der schönen Liebe. Die göttliche Agape ist eine Hypostase Gottes, die bei Johannes die Stelle einnimmt, die bei Paulus die göttliche Charis einnimmt. Ein anderer, verwandter Ausdruck ist die göttliche Barmherzigkeit, die im Hebräischen vom Mutterschoß Gottes abgeleitet wird.


AKADEMIE

Die platonische Akademie, an der Platon Lehrer und Aristoteles sein Schüler war, war der Höhepunkt der griechischen Philosophie. Dem aufkommenden Christentum in Europa war sie eine Konkurrenz, denn der Neiplatonismus versuchte eine philosophische Begründung des griechisch-jeidnischen Polytheismus. Die Kirche schloss die Platonische Akademie. Das kulturelle Wissen wurde von den Benediktinern aufbewahrt. Später wurden Akademien der Wissenschaften in verschiedenen Ländern gegründet. Diogenes, der Philosoph, der in einer Amphore lebte, sprach von der Platonischen Akademie als von einer Kakademie.


ALETHEIA

Aletheia heißt auf griechisch die Wahrheit. Sie wurde von den Griechen als Göttin verehrt. Auf lateinisch heißt sie Veritas, und Horaz pries in einer Ode die Veritas Nuda, die nackte Wahrheit. In den gnostischen Spekulationen wird sie als eine Hypostase oder ein Äon verehrt. Botticelli hat die Wahrheit gemalt. Die Medici-Fürstin Simonetta war Botticellis Modell für seine Venus auf der Muschel, für seine Madonna mit dem Granatapfel und für seine Wahrheit, eine nackte Göttin. Schiller besang sie in seiner Ballade von der verschleierten Göttin Isis von Sais, der verschleierten Wahrheit, deren Schleier keiner heben durfte. Es gibt einen alten ägyptischen Spruch: Ich bin Isis, und meinen Schleier kann kein Sterblicher heben. In Schillers Ballade hebt der Schüler doch den Schleier, trotz dem Verbot, und versinkt in Schweigen und Gram. Schiller hatte bei Kant gelernt, dass die Wahrheit der Wirklichkeit, das Ding an sich, unerkennbar ist, das Subjekt kann immer nur erkennen, wie sich die Wirklichkeit im Subjekt abspiegelt. Die Wahrheit ist also immer verschleiert und ist eben nicht die nackte Wahrheit. Heute leben wir, wie Papst Benedikt XVI sagte, in einer Diktatur des Relativismus. Es wird die Existenz einer absoluten und objektiven Wahrheit geleugnet. Man spricht davon, dass es viele Wahrheiten gibt und jeder Mensch seine eigene Wahrheit habe. Solche Menschen sind, wie Platon im Staat sagt, nicht Philosophen, Liebhaber der Weisheit, sondern Philodoxa, Liebhaber von Meinungen. Im Johannes-Evangelium heißt es, Moses hat das Gesetz (die Tora) gebracht, Jesus hat die Wahrheit (Aletheia) und Gnade (Charis) gebracht. Und Jesus sagte von sich selbst: Ich bin die Aletheia und die Zoe (das Leben). Jesus ist die Veritas Nuda, die offenbarte Wahrheit, und er hat diese von Gott geoffenbarte Wahrheit der von Christus gegründeten heiligen, apostolischen, katholischen Kirche anvertraut.


ALTERTUM

Enheduannas Hymnen an Inanna, Inannas und Dumuzis Hoheslied, Inannas Abstieg in die Unterwelt, die babylonische Genesis, Gilgamesh, das ägyptische Totenbuch, Hymnen an Isis und Osiris, altägyptische Weisheitsliteratur, altägyptische Liebeslieder, das Alte Testament, der Rig Veda, das Mahabarata mit der Bhagavad Gita, die Upanishaden, das I Ging, das chinesische Buch der Lieder, Konfuzius, Lao Tse, Tschuang Tse, Homer, Hesiod, Pindar, Sappho, griechische Lyriker, Heraklit, Empedokles, Pythagoras, Parmenides, Platon und Sokrates, Aristoteles, Epikur, Epiktet, Mark Aurel, Plotin, Nonnos, Lukrez, Catull, Tibull, Properz, Ovid, Horaz, Virgil. - Goethe sagte, es sei sinnlos für einen Autoren, nur in der Gegenwart zu leben, man müsse vielmehr sich von dreitausend Jahren Geistesgeschichte Rechenschaft geben können. Ja, wenn die Literatur unserer Zeit auch nur annähernd so interessant wäre, wie die Dichter und Denker des Altertums. Aber Goethe sagt auch: Altertum und Kunst, Kunst und Altertum, das eine hat die Gunst, das andre hat den Ruhm. Die Masse der heutigen Narren hat doch vom goldenen Altertum nicht den mindesten Schimmer.


ANFANG

Am Anfang – Bereshit – schuf Gott Himmel und Erde, unsichtbare und sichtbare Welt. Dieses Bereshit, der Anfang, wird von den jüdischen Mystikern als Prinzip gedeutet: Im Ur-Prinzip schuf Gott. Und dieses Urprinzip setzen die jüdischen Mystiker mit der Weisheit gleich: In der Weisheit schuf Gott. Damit beginnt das Alte Testament. Im Neuen Testament beginnt Johannes so: Am Anfang (en arche) war der Logos, und der Logos war bei Gott, und der Logos war Gott. In ihm ist alles erschaffen. Das Wort oder der Logos und die Weisheit oder Sophia sind eins. Benedikt XVI sagte: Die göttliche Vernunft hat die Welt erschaffen. Gott schafft die Natur so, dass sie sich selbst erschafft. Die Natur ist Mitschöpferin mit dem Schöpfer. Gott gibt das Gesetz der Entfaltung der Urmaterie. Gottes Geist lenkt die Entelechie oder Evolution. Die Evolution ist eine theistisch-gelenkte Evolution. Gott schafft immerwährend. Der Schöpfer schuf nicht nur am Anfang ein mechanistisches Universum und zog sich dann zurück, wie die Deisten der Aufklärung meinten, sondern Jesus sagt: Mein Vater schafft auch heute. Die Atheisten meinen, am Anfang war ein Urkeim von Materie, der sich in einer Explosion zu entfalten begann. War der Urkeim von Ewigkeit oder wer hat ihn geschaffen? Was veranlasste den big bang, den Urknall, wer oder was löste ihn aus? Aristoteles und die alten Inder und Giordano Bruno dachten, die Materie habe keinen Anfang, sondern sei von Ewigkeit. Die Offenbarung spricht aber vom Creator ex nihilo. Gott schuf Zeit und Raum und ließ die Natur, den Kosmos, sich in Zeit und Raum entwickeln. In allem, wie die Stoiker und Heraklit sagten, ist der göttliche Logos immanent, der Sinn, die Allvernunft. Die Chinesen übersetzen den Logos der Bibel mit Tao oder Sinn, Wort, Weg, Vernunft, Weisheit, Gott, und Lao Tse nennt Tao die Mutter der zehntausend Wesen.


ANGEBORENE IDEEN

Nach Platons Vorstellung, sah die menschliche Seele vor ihrer Empfängnis im Mutterschoß als präexistente Seele in den himmlischen Welten die Ideen der Wahrheit, Gutheit und Schönheit, sah Gott und die Ideen in einer Prozession, sah die Ideen im Tanz. Als dann die Seele in die Materie fiel, in den Kerker ihres Körpers, trug sie das Wissen um die himmlischen Ideen in sich, aber sie musste von der Lethe trinken, dem Wasser des Vergessens. Nur Künstler und Philosophen tranken nur einen Tropfen Lethe und können sich darum recht gut an die Ideen erinnern. Alle menschliche Erkenntnis ist darum Wieder-Erinnerung an die Ideen. Wenn ein Mensch ein Pferd als Pferd erkennt, erinnert er sich an die Idee der Pferdheit. Besonders die Liebe zu einem schönen Menschen erweckt in der Seele die Erinnerung an die göttlichen Ideen. Nach christlicher Auffassung ist die Seele nicht präexistent, sondern wird im Augenblick der Empfängnis von Gott aus dem Nichts geschaffen und dem Keim des Körpers, der befruchteten Eizelle, von Gott eingehaucht oder in einem Kuss mitgeteilt. Diese Seele ist die geistige Form des materiellen Körpers. Und die geistige Form der Geistseele ist der Logos oder der präexistente Christus, die Form der Formen. Darum trägt jede menschliche Seele ein Abbild Christi in sich. Darum nennen die Kirchenväter jede menschliche Seele von Natur aus christlich. So ist denn Christus die angeborene Idee. Der alte Goethe sagte zu Doktor Eckermann, er habe ein Ideal in seiner Seele, jung und weiblich, ja, er sähe das Göttliche immer in junger weiblicher Erscheinung, er wisse aber nicht, ob diese Idee angeboren sei oder wie sie sich sonst in seiner Seele ausgeprägt habe. Ein evangelischer Psychologe erzählte von einem Mann, der im Laufe seines Lebens unterschiedlichste Frauen geliebt habe, die sehr verschieden waren, so dass man nicht auf ein zugrunde liegendes Ideal schließen konnte, bis dem Mann bewusst wurde, dass alle seine Geliebten Grübchen hatten und dass seine Amme ebensolche Grübchen gehabt hatte. Ob also in einem Mann die Idee der Frauheit angeboren ist oder von Kindheitserfahrungen erst gebildet wird, wage ich nicht zu entscheiden.


ANGST

Die alten Griechen sprachen von dem Horror Vakui, der schrecklichen Angst vor der Leere, vor der unendlichen Leere des finsteren und kalten Weltraums, vor dem Nichts, vor dem Tode. Kierkegaard sprach von der Angst als einer existentiellen Erfahrung des Menschen. Heidegger griff das auf und sprach von der Angst vor dem Nichts, vor dem vernichtenden Tod, als einer Grundbefindlichkeit des Menschen. Edith Stein entgegnete auf dieses Argument Heideggers: Wenn es vernünftig sein soll, Angst vor dem Nichts zu haben, ist es dann nicht auch vernünftig, wenn ein Kindlein auf den Armen der Mutter eben keine Angst hat, von der Mutter fallen gelassen zu werden? Diese Mutter ist das Sein, die seiende Gottheit, die das Kindlein, die vertrauende Seele, nicht ins Nichts fallen lässt, sondern durch das Tor des Todes hindurch trägt in das ewige Leben. In diesem Sinne sagt Johannes: Vollkommene Liebe treibt die Angst aus. Und doch ist die Todesangst des Menschen natürlich, so dass selbst Jesus von Nazareth im Garten Gethsemane Todesangst gehabt hat, sie aber überwand durch sein Gebet und seine Ergebung in den Willen seines Vaters. Es gibt allerdings in der Religionsgeschichte auch die Angst vor Gott. Und auch darauf bezieht sich der zitierte Satz des Johannes. Die heidnischen Götter und Göttinnen waren immer unberechenbar, sie hatten göttliche und dämonische Züge, waren gut und böse zugleich. Die Muttergöttin war schöne Liebesgöttin, aber auch schreckliche Kriegsgöttin. Selbst der monotheistische Allah in seiner Willkür, der rettet, wen er will, und verdammt, wen er will, der allein die Unterwerfung des Sklaven fordert, hebt diese Furcht vor Gott nicht auf. Erst der Gott der biblischen Offenbarung, der sich offenbart in dem Wort: Gott ist die Liebe, hebt die Furcht vor Gott auf, indem er durch seine Liebe zum Menschen die menschliche Liebesantwort erregt und so gilt: Die Liebe treibt die Furcht aus. Es gibt allerdings auch die psychologische Krankheit der übertriebenen Angst, die psychiatrische Paranoia. Im dritten Lebensjahr eines Kindes gibt es ein Zeitfenster, da das Kind natürlichen Ekel vor Ratten, Spinnen und Schlangen entwickelt, Wird diese Phase nicht gesund durchstanden, entwickeln sich Phobien. Ein stets bellender Vater kann Hundephobien auslösen. Deutsche Frauen, die im zweiten Weltkrieg von Rotarmisten der Sowjetunion vergewaltigt wurden, entwickelten Rattenphobien, denn die Ratte steht für den Penis. Solche Phobien können verhaltenstherapeutisch geheilt oder gemildert werden. Die psychiatrische Krankheit der Paranoia wird hauptsächlich durch Psychopharmaka geheilt oder gemildert.


ANSCHAUUNG

Platon dachte sich, dass die menschliche Seele vor ihrer Inkarnation im Mutterschoß bereits in der himmlischen Ideenwelt in der seligen Anschauung der Götter und Göttinnen oder der ewigen Ideen lebte. Aristoteles spricht in seiner Nikomachischen Ethik über das Gut der Lust und sagte, die reinste Form des Gutes der Lust sei die intellektuelle Anschauung des Philosophen. Die christliche Theologie diskutierte das Verhältnis von aktivem und kontemplativen Leben, dem Leben der Beschauung oder Theoria, was Gottes-Anschauung bedeutet. Die Christen wie die Juden im Talmud gaben unterschiedliche Auffassungen wieder, ob das Handeln oder die Anschauung von höherem Wert sei. Wer die Kontemplation bevorzugte, berief sich auf die beiden Frauen Israels, Rahel mit den schönen Augen als die Kontemplation und Lea mit dem fruchtbaren Schoß als das aktive Leben, wobei Rahel Jakobs Lieblingsfrau war, oder berief sich auf die beiden Freundinnen Jesu, die geschäftige Martha und die auf Jesus hörende Maria, wobei Jesus sagte: Maria hat das bessere Teil erwählt. Meister Eckard sprach von Maria und Martha so, dass Maria eine unfruchtbare Jungfrau geblieben sei, aber Martha ein fruchtbares Weib geworden, denn alles komme darauf an, die Anschauung in das Handeln zu überführen. Thomas von Aquin bezeichnete die Anschauung als die Seinsform im Himmel, the beatific vision, nach der Dantes Beatrice ihren Namen hat. Die christliche Vision des ewigen Lebens im Himmel ist die des Schauens Gottes von Angesicht zu Angesicht. Kierkegaard spricht von dieser Idee kritisch als der Vorstellung eines Zyklopen mit Einem riesigen Auge, das Gott anstarrt. Augustinus spricht von der Anschauung Gottes als von einem Genießen der Schönheit Gottes.


ANTHROPOLOGIE

Im Buche Genesis heißt es, Gott schuf den Menschen, als Ebenbild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie. Gott ist ein personaler Gott, im freien Besitz seiner Selbst, sein Wille ist Liebe und seine Vernunft ist Weisheit, und er ist frei, und der Mensch, als Ebenbild Gottes, ist auch Person, mit Vernunft, Denken, Sprache, mit einem freien Willen, im Besitz seiner Selbst. Mann und Frau sind zwei Inkarnationen des einen Wesens Mensch, komplementär auf einander bezogen, und so die soziale Natur des Menschen und seine Berufung zur Liebe ausdrückend. Ernesto Cardenal sagte: Gott ist Liebe und der Mensch als Ebenbild Gottes ist auch Liebe. Buddha leugnet, dass der Mensch ein Selbst hat, ein substanzielles Ich. Für den größten aller Pessimisten ist gerade das Ich-Sein, das Person-Sein, die Individualität das größte Unheil, und die Erlösung des Menschen besteht in seinem Verlöschen, in seiner Vernichtung, in seiner Auflösung im Ungewordenen. Nach der Auffassung der Bhagavad Gita ist der Mensch eine unsterbliche Seele, die in der Metempsychose viele verschiedene Körper wie Kleider anzieht und auszieht. Darum sagt Krishna zu Arjuna: Töte deine Feinde, selbst wenn sie deine Verwandten sind, denn nur ihre Körper kannst du töten, die Seele ist unsterblich. Buddhas und Krishnas Auffassungen sind im Grunde menschenverachtend. Platon sah im Menschen ein Lebewesen auf zwei Beinen, ohne Flügel und Federn. Der Kyniker Diogenes karikierte diesen Begriff, indem er einem Huhn die Federn ausrupfte und die Flügel abschnitt und sagte: Siehe, Platons Mensch! Aristoteles definierte den Menschen als ein rationales Tier, auch als ein politisches Tier. Der Darwinismus spricht heute davon, dass der Mensch nur ein besonders hoch entwickelter Affe sei. Marx und Engels lehrten, der Mensch sei aus dem Affen hervorgegangen, als der Affe begonnen habe, Produktionsmittel zu benutzen, die Arbeit, sagte Engels, habe den Affen zum Menschen gemacht. Das ist dann nicht der homo sapiens, der wissende Mensch, sondern der homo faber, der arbeitende Mensch. Nietzsche steht auch in der Tradition des Darwinismus und sagt, der Mensch müsse auch noch überwunden werden und der Übermensch müsse kommen. All diese darwinistischen Definitionen des Menschen sehen nur einen quantitativen Unterschied zwischen Tier und Mensch. Der qualitative Unterschied geht aus der biblischen Offenbarung hervor, dass der Mensch Person ist. Das Tier ist keine Person, es kann nicht frei über sich selbst verfügen. Nur der Mensch kann, wie Max Scheler sagt, sein Leben opfern um Gottes Willen. Der Märtyrer ist der ganz freie Mensch. So distanziert sich Dietrich von Hildebrandt von der Definition des Aristoteles vom Menschen als rationalem Tier und sagt, der Mensch sei eine Person, im Leib inkarniert. Im Unterschied zu der indischen und platonischen Idee, der Mensch sei allein Seele, lehrt Thomas von Aquin, der Mensch sei eine Leib-Seele-Einheit. Darum glaubt der christliche Glaube nicht allein die Unsterblichkeit der Seele, sondern auch die Auferstehung des Fleisches. Johannes Paul II sagte, der Mensch habe nicht einen Leib, sondern sei Leib. Der Leib, im Unterschied zum physikalischen Körper, ist immer schon beseelter Leib. Wladimir Solowjew setzte sich mit Nietzsches Übermenschen auseinander, erwartete aber nicht einen brutalen und unmoralischen Übermenschen, sondern Solowjew meinte, die Aufgabe der christlichen Religion sei die Bildung von Gottmenschen. Er greift damit die Idee der Theosis aus der orthodoxen Kirche auf, dass nämlich Gott Mensch geworden ist, damit der Mensch Gott werde. Gott ist Gott von Natur, der Mensch wird Gott aus Gnade. So sagte Johannes vom Kreuz, die Menschen im Himmel sind Götter und Göttinnen.


ANTHROPOMORPHISMUS

Ein griechischer Philosoph sagte: Die Menschen bilden die Götter nach ihrem Ebenbild. Die Thraker glauben an blonde, blauäugige Götter, die Äthiopier glauben an schwarze Götter, und wenn die Pferde an Götter glauben, glauben sie an Pferdegötter. Ein jüdischer Satiriker sagte: Ich habe Angst, dass die Ägypter recht haben und dass, wenn ich in den Himmel komme, mich dort ein Hundegott erwartet. Das Alte Testament spricht von Gott oft in anthropomorphen Bildern. Da ist vom Auge, vom Angesicht, vom Munde, von der Rechten und vom Finger Gottes die Rede. Daniel beschreibt den Alten der Tage als einen Greis mit weißem Haar und weißem Bart. Salomo im Hohenlied stellt Gott den Bräutigam als jungen, schönen und starken Mann mit schwarzem Haar dar. Die Juden sagen, das weiße Haar des Greises stellt Gott als den Allweisen, den wunderbaren Ratgeber dar, und das schwarze Haar des jungen Mannes stellt Gott als starken Befreier und als schönen Bräutigam dar. Den Juden waren aber Bilder und Statuen, die Gott darstellten, verboten. Das ist das Bilderverbot. Aber Gott gibt selbst ein Gottesbild, nämlich Gott schuf den Menschen als Bild Gottes (und als Mann und Frau schuf er sie). Die anthropomorphe Rede von Gott weist darauf hin, dass der Mensch Bild Gottes ist. Ich denke, es ist sogar als Prophezeiung zu lesen, dass Gott Mensch wird. Gott wurde nicht ein Tier, Gott wurde aber auch kein Engel, sondern Gott ward ein Mensch in Jesus von Nazareth, dem Bild des unsichtbaren Gottes. Gott ist eine Person, aber keine menschliche Person, sondern Gott ist Geist. Gott ist nicht wie der Mensch Mann oder Frau. Darum ist zwar vom Vater im Himmel die Rede, aber auch von der Mutterliebe Gottes. Gott ist der ewige Vater, aber Gottes Weisheit ist eine junge Braut und eine Mutter. Die allzu menschliche Rede von Gott muss wieder aufgelöst werden in den Sinngehalt. Das Antlitz redet davon, dass Gott Person ist, das Auge redet von seiner Allwissenheit und Vorsehung, der Mund redet vom Wort Gottes, die Hand redet vom befreienden Handeln Gottes in Schöpfung und Heilsgeschichte. So suchte der jüdische Philosoph Maimonides, ein Interpret des Aristoteles, den Anthropomorphismus philosophisch zu deuten und auf eine rein geistige Gottheit, das Wesen der Wesen, auszulegen. Um diesem höchsten Geist, der in unzugänglichem Licht verborgen ist, sich nähern zu können, sagte Maimonides, braucht es einen Mittler, und als Mittler bezeichnete er die Hypostasen Gottes, seine Weisheit, seine Barmherzigkeit und so weiter. So wird Gott zum Gott der Philosophen, ein reiner Geist, das ewige Sein, das Absolute, der Eine. Blaise Pascal aber trug in seinem Mantel eingenäht den Satz, der ihn an seine mystische Begegnung mit Gott erinnern sollte, nämlich: Gott, nicht der Gott der Philosophen, sondern der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs.


APATHIE

Die Lehre Buddhas war, dass die Erlösung des Menschen im Erlöschen der Werdelust liege. Alle leidenschaftliche Lebenslust sollte einschlafen, bis der Mensch im ewigen Schlaf erloschen sei. Auch die Stoiker priesen die Leidenschaftslosigkeit als Voraussetzung zu einem Leben in der Tugend. Die Konsequenz war, dass die Stoiker den freiwilligen Selbstmord verherrlichten, den Seneca auch durchführte. Die französische Existentialistin Simone Weil sprach von der Decreation, dem Freiwerden von den Passionen, um so frei zu werden für die Aufmerksamkeit auf Gott, das Warten auf Gottes Gnade. Wer auf krankhafte Weise dem depressiven Nihilismus anhängt, der Verneinung seines Daseins, der Verneinung der Schöpfung, wird von den Psychiatern mit Opiaten in eine lethargische Apathie versetzt. Dagegen sagte Schopenhauer, dass die Kraft des Philosophierens groß ist, wenn auch die Wollust groß ist. Kunst, sagte Wladimir Solowjew, ist sublimierte geschlechtliche Brunst. Ein katholischer Priester sagte: Ihr könnt die Leidenschaften im Schrank verstecken, sie treten doch immer wieder zutage. Ein katholischer Charismatiker sagte: Das glühende Rot der menschlichen Liebesleidenschaft wird nicht durch das Violett der Buße überwunden, sondern durch das Weiß der Weißglut der Liebe zu Gott allein. So sprechen Charismatiker von der passion for Jesus. Gott stellt sich selbst in den Propheten vor als einen leidenschaftlichen Bräutigam, als einen eifersüchtigen Liebhaber. So ist die Apathie Ausdruck einer Lebensverneinung, und das Gegenteil ist die leidenschaftliche Liebe zum leidenschaftlichen Gott: the passion of Christ.


APOLLINISCH

Goethe und die Weimarer Klassik betrachtete sich als appolinische Kunst, Kunst des Tages, des Lichts, der Sonne, der menschlichen Vernunft, der Naturwissenschaft und des Idealismus. Die Romantik war dann schon wieder dionysische Nachtpoesie, Poesie des Unterbewussten, des Wahnsinns, der Geister, deswegen Goethe sie als krank blehnte. In einem Gedicht beschreibt Goethe die maßvollen apollinischen Kunstjünger und dann das Eindringen der orgiastischen, dionysischen Kunstjünger als Frevler auf dem Parnass. Auch Bachofen unterscheidet zwischen dem dionysischen und der apollinischen Prinzip. Das apollinische Prinzip ist das patriarchalische System, das System der göttlichen Vernunft, des absoluten Seins, der himmlischen Geistigkeit, das System des Vaters im Himmel. In der römischen Religion kurz vor Entstehung des Christentums wurde Apollo als der Sohn des Vaters bezeichnet. Nietzsche in seiner Ablehnung des sokratisch-platonischen und christlichen Denkens lehnt dann das apollinische Denken wieder ab, sieht im dionysischen das Prinzip des Lebens, der Musik und der Tragödie, und endet selbst im Wahnsinn, da er sich unterschreibt mit: der gekreuzigte Dionysos.


APOTHEOSE

Im biblischen Buch der Weisheit wird die Entstehung der Götzenbilder beschrieben: Man malte ein Bild von einem in der Ferne lebenden König, um ihn so verehren zu können, und hielt ihn dann bald für einen Gott. Ein Vater, dem die Tochter jung verstorben war, ließ ein Bild seiner Tochter malen, und verführt von der Schönheit des Bildes, hielt man die junge Frau bald für eine Liebesgöttin. Das ist die heidnische Apotheose durch die Kunst. Die Mythendichter schildern auch die Aufnahme des Dionysos und des Herakles in den Kreis der olympischen Götter. Ovid schildert die Himmelfahrt und Vergöttlichung des Cäsar. Livius schildert die Himmelfahrt des Romulus. Der Evangelist Lukas schildert die Himmelfahrt Christi ganz entsprechend der Himmelfahrt des Romulus bei Livius. Dante erhebt seine Jugendgeliebte nach deren frühen Tod in den höchsten Himmel zu den Chören der Seligen und Heiligen und verklärt sie zu einer Art Göttin der Weisheit und der Theologie. Der Dichter Ben Jonson schrieb eine Apotheose seiner Muse nach deren Tod und erklärte sie zu einer Seligen, seine poetische Apotheose war eine Art Seligsprechung. Papst Pius XII definierte im zwanzigsten Jahrhundert das Dogma der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele. Diese vom Kirchenvolk Maria Himmelfahrt genannte Wahrheit wurde von Tizian in einem schönen Gemälde dargestellt. Die orthodoxen Kirchenväter schrieben von dem Prinzip der Theosis: Durch die Kenosis des Logos wird die Theosis der gläubigen Menschheit bewirkt, Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott werde. So nennt Johannes vom Kreuz die Heiligen im Himmel auch Götter und Göttinnen. Maria in ihrer Himmelfahrt oder Auferstehung ist bereits solch eine menschliche Göttin geworden.


ARETE

Bei Homer bezeichnet Arete das Gutsein und die Tüchtigkeit von Dingen und Menschen. Bei den Menschen ist die Tüchtigkeit vor allem das Heldentum der vornehmen Männer. Es gibt auch eine Arete der Frauen, sie ist von der Arete der Männer verschieden. Arete ist bei Homer auch der Name der Königin der Phäaken. Bei Hesiod gibt es auch eine Arete der Bauern, das ist ihr Fleiß. Die griechischen Lyriker priesen die Arete der Männer als Leistungsfähigkeit, Pindar besonders als sportliche Leistungsfähigkeit. Bei Sokrates entsteht der philosophische Begriff der Arete als moralische Tugend. Aus dem Tugendwissen entsteht wie von selbst das Tugendhandeln. Allerdings gestand Sokrates zu, dass er nicht wisse, was die Arete im Wesentlichen sei. Er meinte aber, Tugend sei erlernbar und auch lehrbar. Das Ziel des Menschen, insbesondere des Philosophen sei das Tugendleben, das Gutsein. Platon greift diese Lehre des Sokrates auf, entwickelt sie aber in seiner Ideenlehre weiter. Die Himmelsleiter der Diotima führt vom sinnlich Schönen zum seelisch Schönen und von dort zum göttlich Schönen. Wer diese Aphrodite Urania oder göttliche Urschönheit in einer Schau erkennt, berührt die göttliche Wahrheit und so empfängt er die Arete, kann sie gebären und nähren. Aristoteles sprach von der Arete des Messers, dass es gut schneide, von der Arete des Auges, dass es gut sehe, also der Arete als der Verwirklichung des Wesens. Das Wesen des Mensch ist es, eine vernünftige Geistseele zu besitzen. Die Arete des Menschen ist demnach ein vernünftiges Leben. Diese Arete führt zur Eudämoie, zur Glückseligkeit. Diese Glückseligkeit ist ein objektiver Zustand, kein Gefühl. Nach den Alten ist zur Eudämonie der Seele etwas wie Erfolg oder Gesundheit unwesenlich. Plotin griff die platonische Konzeption auf und sprach wie Platon von den vier Kardinaltugenden Weisheit, Besonnenheit, Mut und Gerechtigkeit. Nach Plotin gibt es die Arete nur bei den Menschen, nicht bei Gott, da Gott als ein absolut vollkommenes Wesen der Arete nicht bedarf. Im Neuen Testament mahnen Paulus und Petrus die Christen zu einem Leben in Tugend. Die Kirche entwickelte die Tugendlehre der Antike weiter und sprach von den vier menschlichen oder Kardinal-Tugenden Klugheit, Maßhalten, Mut und Gerechtigkeit, wie sie im Buch der Weisheit als Gaben der göttlichen Weisheit aufgezählt und von Platon im Staat dargestellt werden. Darüber hinaus spricht das Christentum von den drei theologischen oder göttlichen Tugenden Glaube und Hoffnung und Liebe (Agape oder Caritas), von denen die göttliche Liebe oder Caritas die größte ist und die in Ewigkeit bleibende. Dionysius Areopagita spricht in seiner Lehre von der himmlischen Hierarchie von den Engelschören der Virtutes oder Tugendkräfte. Personifiziert wurde die Arete von Ben Jonson in seiner satirischen Komödie „die Quelle der Selbstliebe“, da unter einer Masse von selbstverliebten Narren und Närrinnen in lobenswürdiger Liebe wandeln der Mann Agaton, der Gute, und die Frau Arete, die Tugend, die sich schließlich vermählen unter dem Segen der göttlichen Jungfrau Diana.


ARISTOTELES

Platon war achtzig Jahre alt und lehrte in der Akademie und Aristoteles war zwanzig Jahre alt und war Platons Schüler. Einmal versammelte Platon seine Schüler um sich, da war Aristoteles nicht gegenwärtig, da sagte Platon: Heute ist der Geist nicht unter uns. Aristoteles sagte aber: Platon ist ein guter Freund, aber eine bessere Freundin ist die Wahrheit. So kritisierte er die Ideenlehre Platons, indem er sagte: Gibt es denn auch eine Idee der Scheiße? Aristoteles arbeitete dann als Pädagoge und erzog den Prinzen Alexander, der später als Alexander der Große den ganzen Orient eroberte und ein hellenistisches Weltreich begründete. Der Legende nach soll Aristoteles bezaubert gewesen sein von der Hetäre Phryne, dann kroch der Philosoph auf allen Vieren und ließ Phryne auf seinem Rücken reiten. Er liebte das Lesen und las bis tief in die Nacht, dabei hielt er eine Metallkugel in der Hand und hatte neben dem Bett eine Metallschale stehen, und wenn er beim Lesen einschlief, fiel die Kugel in die Schale, und von dem Lärm wachte Aristoteles auf und las weiter. Aristoteles schloss logisch, dass jede Bewegung eine Ursache habe, ein Bewegendes, und das aller Bewegung ein Erstbewegendes voranging, diesen Erstbeweger nannte er Gott, die Erstursache. Dieser Gott ist die Ursache aller Bewegung, selbst aber unbewegt. So wird dieser Gott von den Menschen geliebt, selbst liebt er aber nicht. Aber dieser Gott legt in alle Bewegung auch das Streben nach dem Ziel der Vollendung, nach dem telos, und dieses Ziel alles Seienden ist die Vollendung in Gott. So ist Gott Ursache und Ziel der Natur oder, wie die Bibel sagt, Alpha und Omega. Aristoteles dachte sich die Materie als anfangslos. Das übernahm später Giordano Bruno. Alle Materie wird von einem geistigen Prinzip gestaltet, das nannte Aristoteles die Form. Die geistige Seele ist das Formprinzip des menschlichen Leibes. Die Pflanzen haben auch ein Lebensprinzip, die Pflanzenseele. Die Tiere haben eine animalische Seele, die die Pflanzenseele in sich enthält, aber darüber hinausgeht. Die vernünftige Geistseele des Menschen enthält die Pflanzenseele und die Tierseele, geht aber darüber hinaus. Das Wesen des Menschen ist es, ein vernünftiges Wesen zu sein oder, wie Aristoteles sagt, ein rationales 'Tier. Er nennt den Menschen auch ein politisches oder soziales Tier. Diese Position kritisierte der Phänomenologe Dietrich von Hildebrandt und nannte den Menschen eine inkarnierte Person. Die geistige Form führt die Materie zur Gestaltung und zur Vollendung, und dieses Entwicklungsprinzip nannte Aristoteles die Entelechie. Der alte Goethe nannte die unsterbliche Seele des Doktor Faust auch seine Entelechie. Goethe sagte zu Eckermann über den Tod, er gehe davon aus, dass die Entelechie seines Geistes oder seiner Ur-Monade im ewigen Leben sich schöpferisch weiter betätige. Da Aristoteles den Menschen als vernünftiges Tier ansah, verwirklichte sich für ihn das Wesen des Menschen in einem vernünftigen Leben, in der Verwirklichung der menschlichen Tugenden Klugheit, Besonnenheit, Tapferkeit und Gerechtigkeit. Dieses vernünftige und tugendhafte Leben führe zur Eudämonie, zum guten Leben, zur Glückseligkeit. Die Glückseligkeit sah Aristoteles als das Höchste Gut des Menschen an. Darin folgte ihm Boethius in seinem Trost der Philosophie. Im Unterschied zu Platon, dachte sich Aristoteles keine Unsterblichkeit der Seele, weil er die Seele als Form des Leibes ansah und sich keine Trennung der beiden Prinzipien denken konnte. Unsterblich war für ihn allein der göttliche Geist. Das setzte der heilige Thomas von Aquin fort, der von der Leib-Seele-Einheit sprach und neben der Unsterblichkeit der Seele auch von der Auferstehung des Fleisches sprach. Die Lehre des Aristoteles hat eine unabsehliche Folge. Im Islam haben die arabischen Philosophen Avicenna und Averrhoes versucht, die Lehren des Aristoteles mit der Lehre des Koran zu harmonisieren. Im Judentum hat Rabbi Moyses oder Maimonides versucht, die Philosophie mit der Torah zu harmonisieren. Mit diesen orientalischen Philosophen haben sich Albertus Magnus und Thomas von Aquin auseinander gesetzt. Thomas nannte Aristoteles einfach: den Philosophen. Die Philosophie des Aristoteles begründete die klassische christliche Philosophie des Mittelalters, die Scholastik, deren Gipfel die Philosophie des heiligen Thomas ist. Luther dagegen protestierte und sagte, die Priester kennen ihren Aristoteles besser als die Bibel. Luther sprach von der Vernunft als einer Hure: Fraw klüglin ist ein hur! Im zwanzigsten Jahrhundert haben Philosophen wie die heilige Edith Stein und der heilige Karol Wojtyla den Aristoteles-Thomas mit der Philosophie der Phäomenologie und des Personalismus zusammen gedacht.


ÄSTHETIK

Im fünften Jahrhundert vor Christus gab es in China schon eine lange Tradition hochstehender Kunstwerke, als Konfuzius die Dichtkunst und die klassische Musik pries zur Erziehung des Menschen zur Menschlichkeit. Der urkommunistische Philosoph Mo Ti lehnte die Kunst ab, weil sie nur dem Adel zugänglich sei und nicht dem einfachen Volk.
In Indien prägte man in der Ästhetik den Begriff des Rasa, des Zustandes des Künstlers, Begeisterung, Inspiration, Manie, Rausch, Ekstase, aus dem das wahre Kunstwerk entsteht. In Griechenland sprach Homer von Schönheit und Harmonie, Hesiod von Inspiration durch die Musen, Pindar von der Sophia des Dichters. Heraklit sprach von Kunst als Nachahmung der Natur, Demokrit vom Wesen der Schönheit als Symmetrie und Harmonie, Pythagoras sprach von einer kosmischen Ordnung der Harmonie nach mathematischen Gesetzen, Sokrates identifizierte das Schöne mit dem Guten. Platon ist der eigentliche Philosoph der Schönheit. Diotima beschreibt im Symposium den Aufstieg vom sinnlich Schönen des Körpers zum seelisch Schönen der Tugend, bis zum göttlich Schönen der Aphrodite Urania. Alles sichtbar Schöne ist Abbild der Idee der Schönheit. Allerdings verbannte Platon die Dichter und Künstler aus seinem idealen Staat. Aristoteles untersuchte die griechischen Künste. Nachahmung der Natur, aber nicht des Zufälligen, sondern des Wesentlichen und Gesetzmäßigen, sei Kunst. Dem sinnlich Schönen wohnt Proportion, Ordnung und Bestimmtheit inne. Plotin sprach von einer stufenweisen Emanation aus dem göttlichen Einen, da immer das Vollkommenere das Geringere zeugt, das Geringste ist die sinnliche Schönheit der Materie. Der Mensch muss stufenweise von niederer zu höherer Schönheit aufsteigen, um schließlich in Ekstase die göttliche Urschönheit zu schauen. Er bestätigte Platon, dass alles sinnlich Schöne und Kunstschöne schön sei durch abbildliche Anteilhabe an der göttlichen Urschönheit. Seneca meinte, alle Schönheit sei Wirkung der göttlichen Vernunft. Für Augustinus war Schönheit ein Name Gottes. Er betete zur Schönheit: O Schönheit, spät erst hab ich dich geliebt. Ich suchte dich immer im Äußeren, bis ich erkannte, dass du in mir wohnst. Dionysius Areopagita nannte die Urgottheit auch Urschönheit, die Quelle aller Schönheit. Es gibt eine Analogie zwischen göttlicher und irdischer Schönheit. Es gibt aber auch einen stufenweisen Abfall vom göttlich Schönen. Je näher Gott, desto schöner. Die irdische Schönheit ist unähnlich-ähnlich der göttlichen Schönheit. Die Schönheit wird für die eucharistische Kultfeier gefordert, für Zeremonie, Kleidung, Gebäude, Kultgegenstände, Bilder. Die Analogie der Schönheit der Schöpfung zur göttlichen Schönheit bedeutet, dass der Künstler die Schönheit nicht schafft, sondern nur die objektiv seiende Schönheit aufzeigt oder offenbart. Bernhard von Clairveaux pries ein Schönheitsideal der Liebesmystik, eine ruhige, lichtvolle, heilige und keusche Schönheit. Thomas von Aquin nannte Schönheit den Glanz der Ordnung. Schönheit sei geprägt von Klarheit, Proportion und Perfektion. Bonaventura sprach von einer Kontemplation der irdischen Schönheit, die zur Schau der göttlichen Schönheit führt. In der Renaissance sprachen Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Pico della Mirandola und Ficino von der Nachahmung des Naturschönen, der Darstellung des Gesetzmäßig-Schönen, von der inneren Welt der Bilder in der Seele des Schaffenden, vom Aufstieg zur intelligiblen Schönheit. Marsillio Ficino und Nikolaus Cusano sprachen von der Schönheit als einem Triumph über die Natur und dass die Kunst um so schöner sei, je näher sie der intelligiblen Schönheit komme. Ficino sprach von der Melancholie als Gemütszustand des Künstlers, Voraussetzung für die Schöpfung schöner und weiser Werke.
Im deutschen Idealismus sagte Hegel, der dialektisch-werdende Gott inkarniere in der Welt und komme durch das Bewusstsein des Menschen zu sich selbst in drei Stufen: durch den Künstler, durch den Gläubigen und durch den Philosophen. Also wird Gott durch die Schönheit der Kunst zum vollendeten Gott. Schiller unterschied die ideale Schönheit und die reale Schönheit, also die Schönheit der Erfahrung. Die reale Schönheit teilte er in schmelzende und energische Schönheit. Die schmelzende Schönheit ist die eigentliche Schönheit, eine Mischung aus Sinnlichkeit und Vernunft. Die energische Schönheit ist die Schönheit des Erhabenen und Kraftvollen. Die ideale Schönheit ist nicht an die Realität gebunden. Sie ist die wahre Kunst, die nur durch das ästhetische Spiel erreicht wird. Sie versetzt den Menschen in einen ästhetischen Idealzustand der wahren Freiheit. Der Mensch muss prüfen, ob die Kunst ihn in den ästhetischen Idealzustand versetzt. Allerdings muss der Mensch auch empfänglich sein für die Idealschönheit. Kierkegaard sprach von dem ästhetischen Leben als einem Leben nach den Prinzipien des Schönen, Angenehmen, Lustvollen. Höher stellte er das ethische Leben nach den Prinzipien der Tugend, des Guten, der Nächstenliebe. Am höchsten steht das religiöse Leben als eine radikale Imitation des gekreuzigten Christus. Wladimir Solowjew entwickelte eine Ästhetik des Naturschönen und des Kunstschönen und sah das Prinzip des Schönen vor allem im Prinzip der Durchdringung und Aufklärung der Materie durch den Geist. Darum ist der Mensch die Krone der Schöpfung. Wie Goethe in seiner klassischen Walpurgisnacht die ganze Genesis in Galathea münden ließ, wie Moses in seiner Genesis das Sechstagewerk der Schöpfung mit der Schöpfung Evas krönte, sah auch Wladimir Solowjew die schöne Frau als Krone der Schöpfung an. Die vollkommen schöne Frau, die ganz von Geist und Licht durchdrungen ist, ist die makellose Jungfrau Maria, die tota pulchra perfectissima.


AUGUSTINUS

Augustinus wurde in Nordafrika als Sohn eines Heiden und einer Christin, der heiligen Monica, geboren. Er wandte sich bald von seiner christlichen Erziehung ab und vertiefte sich in Rhetorik, heidnische Dichtkunst und Philosophie. Er lebte mit einer Konkubine zusammen und ward durch sie Vater seines Sohnes Adeodatus, der nach der Bekehrung des Augustinus auch Christ wurde. Die Bibel lehnte Augustinus als unphilosophisches Buch ab. Er wandte sich dem Manichäismus zu, einer persischen Religion, die vom Dualismus eines guten und eines bösen Gottes ausging. Augustinus studierte dann auch den Platonismus und Neuplatonismus, vor allem Plotin. Er arbeitete als Rhetoriker und kam nach Mailand, wo er um der schönen Sprache willen die Predigten des heiligen Ambrosius hörte. Diese erschlossen ihm den tiefen geistigen Sinn der Bibel, der ihm vorher verschlossen war. Er bekehrte sich zu Christus und ließ sich taufen. Seine Mutter, die heilige Monica, hatte viele Jahre unter Tränen um seine Bekehrung gebetet. Die Schriften Ciceros hatten ihn bewogen, sich der Weisheit zu widmen. Nach seiner Bekehrung wurde er Priester und später Bischof in Nordafrika. Sein literarisches Schaffen entfaltete sich erst nach seiner Bekehrung. Zuerst schrieb er Dialoge im klassischen Stil. Berühmt ist sein Selbstdialog, da sein Ich mit seiner Vernunft diskutiert. Er setzte sich mit dem spätantiken Skeptizismus auseinander. Er schätzte den Zweifel, aber bei allem Zweifeln zweifelt doch der Zweifelnde nicht an der Existenz seines Ich. Da sein Ich existiert, gibt es also ein Seiendes. Von diesem Seienden kann auf das absolute, ewige Sein geschlossen werden, das wir Gott nennen. Augustinus entwickelte eine christliche Philosophie, indem er die göttliche Offenbarung mit den Mitteln der neuplatonischen und stoischen Philosophie durchdachte. Berühmt geworden ist Augustinus durch sein literarisches Alterswerk: die Bekenntnisse, das Buch über die Dreifaltigkeit Gottes, das Buch über den Gottesstaat. Der Mensch ist gut geschaffen und mit einem freien Willen. Aber im Sündenfall gebrauchten Adam und Eva ihren freien Willen zur Abkehr von Gott. Diese Sünde wird als Erbsünde der natürliche Zustand aller nachfolgenden Menschen sein. Nur mit Hilfe der göttlichen Gnade können die sündigen Menschen zu Gott heimkehren. Das Zusammenspiel von göttlicher Gnade und freiem Willen bei der Rettung des Menschen konnte von der christlichen Theologie bisher nicht exakt beschrieben werden. Luther, der Augustinermönch, lehnte den freien Willen ab. Die Rettung komme allein durch Gnade – oder eben nicht. Das führte bei Calvin zur Prädestinationslehre, der Mensch sei von Gott vorherbestimmt entweder zur Rettung oder zur Verdammnis. Diese reformatorischen Lehren stimmen aber nicht mit Augustinus überein. In den Bekenntnissen schildert Augustinus die Flüchtigkeit der zeitlichen Dinge, da die Zukunft noch nicht sei, die Vergangenheit nicht mehr sei, die Gegenwart ein bloßer Punkt ist, da Zukunft in Vergangenheit übergeht. Es gelte also, sich den ewigen Dingen zuzuwenden. Die Seele mit den drei Seelenvermögen Wille oder Liebe und Verstand oder Weisheit und Gedächtnis sei Abbild der Dreifaltigkeit Gottes. Gott wohne in der Seele. Gott ist dem Menschen innerlicher als sein eigenes Ich. Christus ist der innere Lehrer. Die göttliche Schönheit ist im Inneren zu suchen. Das irdische Leben ist ein Pilgerweg zu Gott. Dieser Pilgerweg ist ein beständiger Kampf zwischen Gott und dem Teufel, Gut und Böse, Licht und Finsternis. Das Reich Christi oder der Gottesstaat ist nicht von dieser Welt, aber das Himmelreich ist keimhaft schon in der Geschichte gegenwärtig, aber im Kampf mit dem Fürsten dieser Welt. Der Sieg des Gottesstaates am Ende der Zeit ist gewiss. Das Heil beschreibt Augustinus nicht nur als ein Schauen Gottes, sondern als ein Genießen Gottes: Wir werden von der Gottheit befriedigt, aber nicht so, dass wir ihrer überdrüssig werden, wir werden schmachten nach dem Genuss der Gottheit, aber nicht so, dass wir unglücklich werden. In einem ewigen Spiel von Schmachten und Befriedigung genießen wir die Vereinigung mit der Gottheit.


AUTORITÄT

Die allerhöchste Autorität ist Gott Vater. Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Es ist für die Ordnung der Menschheit, ja der ganzen Schöpfung, absolut heilsnotwendig, diese uneingeschränkte Herrschaft des Herrn anzuerkennen. Diese Autorität des Vaters ist keine Willkürherrschaft, sondern ergibt sich aus der bedingungslosen Liebe des Schöpfers zu allen seinen Geschöpfen. Dieser Vater im Himmel ist der Vater aller Vaterschaft, der Herr der Herren und König der Könige. Durch Gottes Weisheit regieren die Könige, heißt es in der Schrift. Die staatliche Obrigkeit ist von Gott den Menschen verordnet. Den Bürgern des Staates ist der Obrigkeit gegenüber Gehorsam befohlen. Die Grenze dieses Gehorsams ist nicht der Wunsch des Menschen, sondern der höhere Gehorsam Gott gegenüber. Die Obrigkeit soll den Geboten Gottes untertan sein. Das war das Konzept des Kaisertums von Gottes Gnaden im heiligen römischen Reich deutscher Nation und in der Habsburger Monarchie. Platon preist vor allen Regierungsformen die Monarchie. Wenn sie entartet, wird sie zur Tyrannei. Dann folgt die Aristokratie, wenn diese entartet, wird sie zur Oligarchie. Dann folgt die Demokratie, die, wenn sie entartet, zur Anarchie wird, der chaotischen Pöbelherrschaft. Konfuzius sagte: Wenn der Vater Himmel über dem Himmelssohn steht, wenn der Kaiser über den Fürsten steht, wenn die Fürsten über den Familienvätern stehen, wenn der Vater über der Mutter steht und der ältere Sohn über dem jüngeren Sohn und der ältere Freund über dem jüngeren Freund, dann ist das ganze Reich in Ordnung, in himmlischer Harmonie, in einer geordneten Hierarchie. Die himmlische Hierarchie ist nach Dionysius Areopagita geordnet in den Chören der Engel und setzt sich auf Erden in der Hierarchie der Kirche fort. An der Spitze der kirchlichen Hierarchie steht der Papst, der den Vorsitz in der Liebe hat. Die Gläubigen sind aufgefordert, in der kirchlichen Hierarchie dem apostolischen Lehramt zu gehorchen. Die Orthodoxen und Protestanten haben sich selbst aus der kirchlichen Hierarchie ausgeschlossen, die von Christus eingesetzt worden ist. In der Familie soll der Mann das Haupt sein und seine Frau lieben, wie Christus seine Kirche liebt. Die Frau soll ihren Mann ehren, wie die Kirche den Herrn ehrt. Der Vater soll seine Kinder nicht zum Zorn reizen, sondern ein Abbild des liebenden Vaters im Himmel sein. Goethe sagte: Man könnte erzogene Kinder gebären, wenn die Eltern nur auch erzogen wären. Die Eltern können nur liebevolle und starke Autorität ausstrahlen, wenn sie sich selbst der Autorität Gottes unterordnen. Anarchistische Eltern, wie unsere Zeiten zeigen, bringen anarchistische Kinder hervor. Hölderlin sagte: Die Kinder sind wie Reben, die wild am Boden herum irren und keine Früchte bringen, wenn sie nicht an einer starken Ulme angebunden in die Höhe wachsen.


BÖSES

Im Buddhismus heißt der Böse Mara, er verführte den unterm Ficus religiosus meditierenden Buddha in Gestalt eines nackten Mädchens zur Anhänglichkeit ans Leben. Ein buddhistischer Mönch hatte schon sechs Erleuchtungen erfahren, da begehrte er die letzte, siebente Erleuchtung. Darum wollte er Selbstmord begehen, um ins Nirwana einzugehen. Da kam der Böse und sagte: Bring dich nicht um, sondern liebe das Leben! Da rief der Mönch Buddha um Hilfe, und Buddha kam und half dem Mönch zum Selbstmord. In der Religion des Zoroaster, wie er griechisch heißt, oder Zarathustra, wie er persisch heißt, gibt es den guten Gott Ahura Mazda und den bösen Gott Ahriman, die ewig im Kampf miteinander liegen, und der Mensch ist in diesen Kampf mitten hineingestellt. In der Gnosis machte man einen Unterschied zwischen dem Gott Israels als dem Schöpfer und dem lieben Vater Jesu Christi. Den Schöpfer sah man als einen bösen Gott an, der die böse Materie geschaffen hatte. Leiblichkeit des Menschen und Sexualität waren böse. Diese Lehre nahmen später die Katharer in Südfrankreich wieder auf. Der Islam erzählt, dass Allah alle Engel aufgefordert hatte, Adam anzubeten. Alle Engel beteten Adam an außer Iblis, der Diabolo, der Teufel. Er sagte sich: Ich bin ein Engel und stehe über dem Menschen. So ist Shaitan oder Iblis von Anfang an ein Rebell gegen Allah. Ein Moslem wird auf seiner Pilgerfahrt zur Kaaba von Mekka den Shaitan steinigen und verfluchen. Die christlichen Kirchenväter spekulierten über den in der Bibel berichteten Fall der Engel am Anfang der Zeit. Gott zeigte den Engeln am Anbeginn der Zeit, dass Gottes Sohn ein Mensch werden wird, von einer Frau geboren, die zur Königin der Engel erhoben wird. Luzifer, der ein Cherub war, sagte sich: Das ist unerträglich, dass Gottes Sohn nicht ein Engel wird, sondern ein Mensch, und dass eine Frau Königin der Engel werden soll. Daraufhin rebellierte Luzifer gegen den Plan Gottes. Ein Drittel der Engel folgte ihm, und sie wurden von Christus und Sankt Michael in die Hölle gestoßen. Darum ist es das Kennzeichen der heiligen Engel, die Jungfrau Maria als ihre Königin zu grüßen, wie Sankt Gabriel tat und die Jungfrau in Nazareth grüßte: Heil Maria, Gnadenvolle! Darum ist das Gebet des Ave Maria die sicherste Absage an Satan und seine gefallenen Engel. John Milton hat den Sturz Satans in seinem Epos „das verlorene Paradies“ besungen. In der jüdischen Esoterik der Kabbala entsteht das Böse aus dem Zorn Gottes. Dort ist Luzifer vermählt mit der Sie-Teufelin Lilith. Lilith ist das Böse in weiblicher Gestalt und verursacht vor allem Ehebruch, Unzucht und Kindermord. Wir leben in unseren prostituierten Zeiten mit der billionenfachen Abtreibung in einem Zeitalter der Lilith. Vom feministischen Satanismus wird Lilith als Göttin der Frauen angebetet. Augustinus und auch Boethius in seinem Trost der Philosophie sagen, dass das Böse kein wesentliches Sein besitzt, sondern nur in einem Mangel des Guten besteht, also wesentlich Nichts ist. Hölderlin sagte: Das Böse ist nichts, das soll mir einer begreifen wie der Adler den Raub. Luther sagte: Gott verstockte das Herz des Pharao, um dann Gottes Macht am Pharao zu beweisen durch die Befreiung der Kinder Israels. Gott tue also Böses, um das Böse durch das größere Gute zu überwinden, und sich so zu verherrlichen. Gott sei also ein dialektischer Gott, der sein eigenes Böses durch sein eigenes Gutes überwinde. Hegel als Student der evangelischen Theologie nahm Luthers Gedanken von dialektisch-werdenden Gott auf und sprach darum von Luzifer als der vierten Person Gottes. Papst Johannes Paul der Große sprach von den beiden großen satanischen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts, dem Nationalsozialismus, und dem Kommunismus mit ihren Hunderten Millionen Opfern. Das einzige Gegenmittel sah der Heilige in der Barmherzigkeit Gottes, die aus dem Bösen noch Gutes entstehen lassen kann.


CHILIASMUS

Die Lehre vom Tausendjährigen Reich oder dem Friedensreich des Messias auf Erden beruht auf einer wörtlichen Auslegung der Apokalypse des Johannes. Die Lehre wurde von einigen frühen Kirchenvätern vertreten, von anderen abgelehnt. Im Laufe der Zeit entschloss sich die Kirche, den Chiliasmus zu verwerfen. Nach Augustinus bezeichnet das Tausendjährige Reich die Zeit zwischen der Himmelfahrt Jesu und der Wiederkunft Jesu in Herrlichkeit am Ende der Zeiten. In dieser Zeit herrscht der Messias mit den Heiligen im Himmel. Einen besonderen Chiliasmus vertrat Joachim di Fiore. Er sagte: Das Reich des Vaters war das Reich des Gesetzes und reichte bis zur Geburt Christi. Dann kam das Reich des Sohnes als das Reich der Gnade und der hierarchischen Kirche. Darauf erwartete Joachim das Reich des Geistes als das Reich der Freiheit und der charismatischen Geistmenschen. Die Franziskaner-Spiritualen sahen das Zeitalter des Geistes mit dem Kommen des heiligen Franziskus gekommen. In der Zeit der Reformation vertraten die radikal-protestantischen Wiedertäufer die wörtliche Lehre vom Tausendjährigen Reich. In Abgrenzung zu den Wiedertäufern lehnte die Augsburgische Konfession der evangelischen Kirche den Chiliasmus ab. Die Lutherische Kirche wie die Katholische Kirche lehnen diese Vorstellung bis heute ab. Im Gefolge der Wiedertäufer lebt die Idee aber fort bei den radikalen Pietisten, den evangelikalen Freikirchen und den Pfingstlern. Die Evangelikalen erwarten die Wiederkunft Christi, die damit verbundene Entrückung der Gemeinde, und dann das Tausendjährige Reich des Messias, bis das Weltgericht kommt. Kardinal Ratzinger, unter Papst Johannes Paul dem Großen Präfekt der Glaubenskongregation, sagte, es gäbe keine Stellungnahme der Kirche, ob die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit das selbe sei wie die Wiederkunft zum Weltgericht oder ob das zwei verschiedene Ereignisse seien. Als die polnische Mystikerin Schwester Faustyna um 1920 Offenbarungen Jesu empfing, war darin die Rede davon, dass vor dem Kommen Christi als Richter ein Kommen Christi als der barmherzige Jesus sich ereigne. Die verschiedenen Privatoffenbarungen der Jungfrau Maria sprechen von der gegenwärtigen Zeit als der Zeit der großen Drangsal und des großen Glaubensabfalls und verheißen eine gewaltige Christus-Erscheinung auf Erden und ein darauf folgendes Friedensreich auf Erden. Die Prophezeiungen der Päpste sprechen wie die Charismatiker von einem Neuen Pfingsten, einem neuen Frühling der Kirche, einem neuen Menschheitsfrühling, oder wie Papst Johannes Paul II von einer Zivilisation der Liebe. Aber weil der Teufel, wie Luther sagte, der Affe Gottes ist und alles auf schlechte Art nachäfft, gibt es auch den antichristlichen Chiliasmus der marxistischen Heilserwartung eines Arbeiter-und-Bauern-Paradieses auf Erden und der nationalsozialistischen Ideologie vom Tausendjährigen Reich der Herrschaft des arischen Herrenmenschen, sowie in unserer Zeit den Chiliasmus des New Age, der eine Universale Weltharmonie durch die Welteinheitsreligion des esoterischen Synkretismus verheißt.


COGITO ERGO SUM

Rene Descartes schrieb in seinem Werk „Meditationes de prima philosophia“: „Da es ja immer noch ich bin, der zweifelt, kann ich an diesem Ich, selbst wenn es träumt oder phantasiert, selber nicht mehr zweifeln.“ In dem „Discours de la méthode“ schrieb Descartes: „Nun hatte ich beobachtet, dass in dem Satz: Ich denke, also bin ich (Je pense, donc je suis) überhaupt nur dies mir die Gewißheit gibt, die Wahrheit zu sagen, dass ich klar einsehe, dass man, um zu denken, sein muss.“ In seinen Meditationen über die Grundlagen der Philosophie schrieb Descartes über einen möglichen bösartigen Dämon, durch den Sinne und Wahrnehmung getäuscht werden könnten: „Nun, wenn er mich auch täuscht, so ist es also unzweifelhaft, dass ich bin. Er täusche mich, so viel er kann, niemals wird er jedoch fertigbringen, dass ich nichts bin, so lange ich denke, dass ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem ich nun alles mehr als genug hin und her erwogen habe, schließlich zu der Feststellung, dass dieser Satz: Ich bin, ich existiere, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist.“ Später fasst Descartes seine Erkenntnis in den Prinzipien der Philosophie mit der lateinischen Formulierung „ego cogito, ergo sum“ zusammen. „Indem wir so alles nur irgend Zweifelhafte zurückweisen und für falsch gelten lassen, können wir leicht annehmen, dass es keinen Gott, keinen Himmel, keinen Körper gibt; dass wir selbst weder Hände noch Füße, überhaupt keinen Körper haben; aber wir können nicht annehmen, dass wir, die wir solches denken, nichts sind; denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, in dem Zeitpunkt, wo es denkt, nicht bestehe. Deshalb ist die Erkenntnis: Ich denke, also bin ich, von allen die erste und gewisseste, welche bei einem ordnungsmäßigen Philosophieren hervortritt.“ Vor Descartes hatte bereits Augustinus in seinem Gottesstaat mit der unmittelbaren Selbstgegebenheit des Denkenden argumentiert: „Selbst wenn ich mich täusche, bin ich. Denn wer nicht ist, kann sich auch nicht täuschen. Und demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Weil ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein Sein täuschen, da es doch gewiss ist, dass ich bin, gerade wenn ich mich täusche?“ Augustinus schloss von der unzweifelhaften Existenz des Zweifelnden auf die unzweifelhafte Existenz des Seins, des Seienden überhaupt, und kam so zu dem Glauben an den Gott des Seins, den Seienden, der sagte: Ich bin, der ich bin. Nietzsche kritisierte, dass die Metaphysiker immer von ihrem eigenen Ich auf das Ich Gottes schlossen. In der modernen Esoterik wird das Ich, die Person des Menschen aufgelöst: Wer bin ich, und wenn ja, wie viele? So fragen zeitgenössische Modephilosophen. Da sich in der esoterischen Anthropologie die Person des Menschen in innere Dämonen und Energien auflöst, wird auch geleugnet, dass Gott Person ist. Es wird nicht an den Gott Ich-Bin geglaubt, sondern an eine unpersönliche kosmische Energie, welche magisch beschworen wird. Einen anderen Kommentar zur Evidenz des Ich gibt der taoistische Philosoph Dschuang Dse: „Wenn Dschuang Dse träumt, dass er ein Schmetterling ist, ist es dann Dschuang Dse, der träumt, dass er ein Schmetterling sei, oder ist es ein Schmetterling, der träumt, dass er Dschuang Dse sei.“


COINCIDENTIA OPPOSITORUM

Der Ineinsfall der Gegensätze ist ein Begriff der Philosophie des Nikolais von Kues oder Cusano. Schon der alte Grieche Anaximander nahm diese Koinzidenz an für die Urmaterie, die das größte und das kleinste zugleich sei. Cusanus distanzierte sich von der aristotelischen Scholastik, die den Satz des Widerspruchs aufstellte, etwas könne nicht zugleich seiend und nichtseiend gedacht werden oder zugleich böse und gut, da das Böse die Negation des Guten ist. Cusanus war Neuplatoniker und hatte von Plotin gelernt, das Gott das Eine ist, die All-Einheit, wie Hölderlin sagt. Gott ist unaussprechlich und undenkbar und steht über dem Widerspruch von Sein und Nichts. Diese Lehre von Plotin nahm Dionysius Areopagita auf und sprach von der über-seienden Gottheit, von der wir nur sagen können, was sie nicht ist, sie ist un-endlich, un-sichtbar, un-beschreiblich, un-denkbar. Angeregt von Meister Eckart und Raimondus Lullus entwickelte Cusanus seine Lehre. Er unterschied zwischen dem Verstand oder Ratio und Vernunft oder Intellekt. Der Verstand richte sich auf die quantitative Ordnung des sinnlich Gegebenen. In dieser materiell endlichen Welt gilt der Satz vom Widerspruch, dass Gegensätze nicht identisch sein können. Die Vernunfterkenntnis steht höher als die Verstandestätigkeit. Mit der Vernunft kann man sich den Zusammenfall der Gegensätze denken. Der Vernunft ist Gott das Größte, was gedacht werden kann, da der transzendente Gott alle Universen an Größe übertrifft, und zugleich ist Gott das Allerkleinste, da Gott in allen Dingen immanent innewohnt. Platonisch im mathematischen Gleichnis gesprochen, ist die Linie zugleich ein Dreieck, dessen Grundlinie unendlich breit ist und dessen Höhe gleich Null ist, und zugleich ist die Linie ein Kreis mit einem unendlichen Umfang. Diese Erkenntnismethode Gottes, Gott zugleich zu denken als Sein und als Nichts, oder genauer gesagt, über dem Widerspruch von Sein und Nichts existierende über-seiende einfache Einheit, nennt Cusanus die docta ignorantia, die gelehrte Unwissenheit. Sie ist mehr eine Methode der Meditation, um zur Vision von Gott zu gelangen, als eine philosophische Lehre. Gott wohnt nicht in dem Zusammenfall der Gegensätze, sondern jenseits davon. So kann die Lehre vom Ineinsfall der Gegensätze nach Cusanus auch zu einer Mauer zwischen Gott und dem Gottsucher werden. Die Lehre des Cusanus wurde von Giordano Bruno pantheistisch interpretiert, der Gott und Welt in eins zusammen fallen ließ. Von Bruno führt die Tradition zu Hegel, der in Gott ein dialektisches Prinzip annahm: Gott ist die These, die Inkarnation Gottes in der Welt ist die Antithese, der im Bewusstsein des philosophierenden Menschen zum Weltgeist gewordene Gott ist die Synthese. Der Ineinsfall der Gegensätze wird auch in der christlich-feministischen Theologie verwandt, um zu sagen, dass Gott der Ineinsfall von Väterlichkeit und Mütterlichkeit ist.


CREDO UT INTELLIGAM

Der Satz stammt vom heiligen Anselm von Canterbury, einem Benediktiner, und bedeutet: Ich glaube, um verstehen zu können. Nach Anselm ist der Glaube die Antwort auf die göttliche Offenbarung in Christus, wie er der heiligen Kirche anvertraut wurde. Dieser Glaube ist ein höheres Wissen, das nicht aus dem Denken des 'Menschen stammt, sondern aus der Offenbarung Gottes. Dieser Glaube erleuchtet das Wissen. Die Offenbarung schenkt ein höheres Wissen. Darum ist der Glaube nicht, wie heute gesagt wird, ein Nicht-Wissen, sondern ein höheres Wissen. Aber diesen Glauben, im bedingungslosen Glaubensgehorsam von der Kirche empfangen, wollte Anselm mit den Mitteln des menschlichen Wissens, des Denkens, des Philosophierens besser ergründen. Zu der Erkenntnis, dass Gott existiert, ist der Mensch durch sein Philosophieren gelangt. Aber dass Gott dreifaltig-einer ist, weiß der Mensch nur aus der Selbstoffenbarung Christi. Aber ein Glaube, der nicht von der Vernunft durchdrungen wird, kann leicht zum Aberglauben, Irrglauben oder Fanatismus werden. Dagegen eine Philosophie, die die höhere Erleuchtung durch die göttliche Offenbarung ablehnt, tappt im Finsteren, und es ist dann bloßer Zufall, wenn Körnchen der Wahrheit vorhanden sind. Glaube und Vernunft sind die beiden Flügel, auf denen der Mensch sich zu Gott erhebt. Es ist eine besondere Zierde des katholischen Christentums, dass es mehr als andere christliche Konfessionen große Philosophen hervorgebracht hat. Zur Zeit der Scholastik bezeichnete man in Anlehnung an Anselm die Philosophie die Magd der Theologie. Der große Denker Abälard, der Liebhaber der Héloise, der Entmannte, kehrte den Satz des Anselm um, indem er sagte: Ich will verstehen, um glauben zu können. Der heilige Bernhard von Clairveaux, der Mystiker der göttlichen Liebe, stellte den Satz auf, dass man nur erkennen kann, was man liebt.


DASEIN

Bei Hegel ist das Dasein ein Etwas, ein Moment des Werdens, gemischt aus Sein und Nichts, der Vergänglichkeit unterworfen, es ist endlich. Es hat eine quantitative Grenze und auch eine qualitative Grenze. Die qualitative Grenze grenzt das konkrete Etwas in seinem So-sein vom Anderen ab, das qualitativ anders ist. Das Andere ist die Negation des Etwas. Heidegger unterscheidet Dasein vom Vorhandenen. Vorhandenes sind die Dinge der Welt. Dasein ist bewusstes Sein, ist Existenz des Menschen. Dasein ist bewusst und nimmt Stellung zu sich selbst und zu der Welt. Dasein ist voller Möglichkeiten. Ein Mensch entscheidet sich, was er werden will. Aber Dasein ist auch eine Geworfenheit, das heißt, in das Dasein des Menschen kommt auch etwas vor ihm oder außer ihm liegendes. Daran knüpft Edith Stein an und sagt, das das Dasein des Menschen ja nicht vom Menschen selbst kommt, sondern seinen Ursprung im absoluten Sein oder Gott hat. Auch ist die Existenz oder das Dasein des Menschen keine rein individuelle Erscheinung, sondern empfängt Wesentliches von anderen Subjekten und von der Welt schon, bevor es Ich denkt. So empfängt der Mensch sein Menschenbild von den Eltern, wächst in einer bestimmten Natur und Kultur und Sprache heran, das alles prägt ihn wesentlich, bevor er seine Individualität entdeckt. So grenzt das isolierte Dasein oder die einsame Existenz an das Dasein der anderen Subjekte, an das Dasein der Welt und letztlich an das Dasein Gottes.

DEISMUS

Der Deismus entstand im siebzehnten Jahrhundert in England. Seine Vorläufer waren die Antitrinitaristen. Die Deisten verkündeten einen Gott in einer Person, der die Ursache der Welt ist. Leibnitz nannte Gott einen Uhrmacher, der am Anfang die Welt als eine perfekte Uhr hergestellt hat, die dann von selbst funktioniere. Das Eingreifen Gottes in die Welt wird geleugnet. Wunder und Prophezeiungen werden geleugnet oder rationaliastisch umgedeutet. Von Gott wird nur das behauptet, was dem Verstand des Menschen einsichtig ist. Es wird die strikte Trennung von Gott und Welt behauptet. Man wollte ein Christentum ohne Offenbarung, ein Christentum als moralische Instanz zur Besserung des abergläubischen Pöbels. Göttliche Offenbarung ward als Schwindel der Priester abgetan. In Frankreich vertrat im Zusammenhang mit den Freimaurern Voltaire den Vernunftglauben. Rousseau hatte religiöse Empfindungen, sah sich aber einem unverständlichen Gott gegenüber. In Deutschland war der Deismus nicht sehr weit verbreitet. Hier mischte er sich mit der historischen Bibelkritik und stritt sich in der Person Lessings mit der protestantischen Orthodoxie. Im zwanzigsten Jahrhundert vertrat Albert Einstein einen Pan-Deismus, indem er sagte, der Alte würfele nicht, aber Einstein glaube auch nicht an einen persönlichen Gott, sondern bewundere nur die Ordnung des Kosmos.


DEKADENZ

Der Begriff wurde von Montesquieu geprägt und angewandt auf den Untergang des römischen Reiches. In der Geschichtsphilosophie stellte man sich vor, dass Kulturepochen wachsen, reif werden und verfallen. Der Verfall oder die Dekadenz bezeichnet sozusagen den Alterszustand der Kultur, die Vitalität neigt sich dem Tode zu, aber die Seele ist verfeinert. Rousseau nannte die Kulturstufe oder Zivilisation der Menschheit an sich schon dekadent und stellte ihr das Ideal des ursprünglichen Naturzustands entgegen. Nietzsche wandte den Begriff der Dekadenz auf die griechische Demokratie und besonders auf den hässlichen Sokrates an. Den Gipfel der Dekadenz sah Nietzsche im Christentum. Dekadenz bedeutete für ihn Leibfeindlichkeit, Lebensfeindlichkeit, Spiritismus und Jenseitsgläubigkeit. In seinen späteren Jahren bezeichnete er auch die Musik Wagners als dekadent. Dekadenz war für ihn gleichbedeutend mit Krankheit. Dem entgegen stellte er das Ideal des orgiastisch-vitalen Dionysoskultes der archaischen Zeit. In der Kunst bezeichnet die Dekadenz Dichter wie Baudelaire und Verlaine. Hier ist Dekadenz antibürgerliche Boheme-Kultur, geprägt von Sinnlichkeit und Exotik, Huldigung von Eros und Thanatos. In Deutschlands Dichterwelt bezeichnet die Dekadenz als lebensunfähige, aber seelisch verfeinerte Dichter Rilke, den jungen Hofmannsthal und Thomas Mann. Die kommunistische Ideologie nannte die spätbürgerliche Kultur dekadent. Die nationalsozialistische Ideologie nannte das Judentum dekadent oder entartet. In unserer Zeit bezeichnet der islamische Fundamentalismus das westliche Abendland als dekadent. In ihren Augen sind das Christentum, die säkulare Demokratie und die Marktwirtschaft Ausdruck der Dekadenz. Dem setzen sie die Rückkehr zum Islam der Anfangszeit entgegen. Die katholische Kirche sieht in der sexualkommunistischen Kulturrevolution einen Ausdruck der Dekadenz.


DEKALOG

Das moralische Sittengesetz ist Bestandteil des Naturrechts. Es kann vom Menschen durch die Vernunft und das Gewissen entdeckt werden. Es ist von Gott allen Menschen ins Gewissen gelegt worden. So haben Buddha, Sokrates und Mohammed moralische Gesetze aufgestellt, die dem Dekalog, den zehn Geboten, ähnlich sind. Da aber durch die Sünde das Gewissen des Menschen verfinstert ist, gab Gott der Herr der ganzen Menschheit das moralische Sittengesetz in einer göttlichen Offenbarung an den Propheten Mose. Das Zehn-Wort stand auf zwei Tafeln, die erste Tafel enthielt die ersten drei Gebote der rechten Gottesverehrung, die andere Tafel enthielt die sieben Worte über das rechte Verhältnis zum Nächsten. Die Einhaltung der zehn Gebote ist eine Art Läuterung für den Menschen, die zu einer Erleuchtung führt, die den positiven Sinn des Gesetzes entdeckt. Wer aus Gehorsam das Wort „Du sollst nicht lügen“ einhält, wird mit der Zeit einen Instinkt für die Wahrheit bekommen. Wer das Gebot „Du sollst nicht Ehe brechen“ einhält, bekommt mit der Zeit einen Sinn für die Schönheit menschlicher Liebe, die Schönheit des menschlichen Körpers und die Heiligkeit der Sexualität. Wer das Gebot „Du sollst nicht töten“ einhält, bekommt ein Gespür für die Heiligkeit des Lebens und wird auch die ungeborenen Kinder lieben. Jesus bestätigte die Gültigkeit des Dekalogs auch im neuen Bund und fasste die Gebote zusammen in dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Nietzsche sah in Kant einen Quasi-Mose aus Königsberg, der mit seinem kategorischen Imperativ und dem Gebot: Du sollst gut sein, in der Tradition des Dekalogs stehe. Nietzsche dagegen wollte die Tafeln des moralischen Sittengesetzes zerbrechen. Wir erleben in unserer gottlosen Zeit den Triumph dieser nihilistischen Barbarei. Im einundzwanzigsten Jahrhundert fordert die Jungfrau Maria in ihren Erscheinungen die Kirche auf, wieder die heiligen zehn Gebote zu lehren.


DEMIURG

In den Zeiten Homers wurden Handwerker und Ärzte Demiurgen genannt. In Attika wurden dann die Handwerker Banausen genannt, dafür wurden die Künstler Demiurgen genannt. Poesie heißt ja Handwerk. Sokrates verglich Gott den Schöpfer mit einem weisen und freundlichen Werkmeister. Platon entfaltete die Theologie des Demiurgen. In seinem Dialog Timäus beschreibt Platon Gott den Schöpfer als Demiurgen, der die Materie in chaotischer Unform vorfindet, auf die ewigen geistigen Ideen schaut und nach dem Urbild der Ideen den materiellen Kosmos als wohlgestaltetes Schmuckstück bildet. Dabei nimmt die vom Demiurgen geschaffene Weltseele eine Mittlerrolle ein. Platon sah den Demiurgen als lebendige göttliche Person, die sich an ihrem Werk freute. Plotin sah Gott als den Einen absolut transzendent und in keiner unmittelbaren Beziehung zur Schöpfung. Allerdings werden von ihm der Geist und die Weltseele als Demiurgen bezeichnet. Im Alten Testament wird um Buch der Sprüche die göttliche Weisheit Architektin oder Werkmeisterin des Kosmos genannt. Im Neuen Testament wird im Hebräerbrief Gott der Schöpfer Demiurg genannt. Philo von Alexandrien nannte den Logos Demiurg. Origenes und verschiedene katholische Kirchenväter griffen die platonische Ideenwelt auf und nannten sowohl Gott Vater als auch Gott Sohn Demiurg. Gott Vater habe den Logos eingesetzt, als Demiurg die Welt zu schaffen. Allerdings ist es in der christlichen Theologie eine Schöpfung aus dem Nichts. Aristoteles sah die Materie als anfangslos und ewig an. In der christlichen Auffassung ist die Materie geschaffen. Der Logos schaute auf die ewigen Ideen im Geist des Vaters und schuf nach dem Vorbild der Ideen die Schöpfung. Eine dem entgegengesetzte Vorstellung hatten die Gnostiker und der Häretiker Marcion. Sie setzten den Demiurg mit dem Gott Israels gleich und nannten ihn einen bösen Schöpfer einer bösen materiellen Welt und unterschieden ihn von dem guten Gott oder Vater Jesu Christi, der kein Schöpfer sei.


DENKEN

Das Denken ist die Tätigkeit des Verstandes, um Erkenntnisse zu erlangen. Für Platon war das Denken eine Erinnerung der Seele an ihre Präexistenz und ihre vorgeburtliche Schau der Ideen im Ideenhimmel. Für Aristoteles war das Denken das Spezifische des Menschen, er nannte den Menschen geradezu ein denkendes Tier. Plotin sprach vom Denken Gottes: Gott ist der Denker und das Gedachte und das Denken. Augustinus bezeichnete das Denken neben dem Willen und dem Gedächtnis als Vermögen der menschlichen Geistseele, die immateriell und unsterblich ist. Auch in Gott ist Wille und Vernunft. Gottes Wille ist Liebe und sein Denken ist Weisheit. In der klassisch-christlichen Philosophie des Mittelalters war das Denken ein wahrhaftiges Erkennen der objektiven Wirklichkeit. Descartes sagte mit seinem Satz: Ich denke, also bin ich, dass das Denken des Ichs dem Ich die Gewissheit seiner objektiven Existenz gibt. Für ihn wie für Spinoza war das Denken umso reiner, je unabhängiger es von den Sinneseindrücken ist. Für Locke und Hobbes war das Denken nur eine Reaktion auf die sinnlichen Eindrücke. Kant sagte, das Denken verarbeite Sinneseindrücke und gäbe ein Urteil über sie ab. Der menschliche Verstand könne aber nicht die objektive Wirklichkeit, das Ding an sich, erkennen, sondern nur, wie die Welt seinem denkenden Ich erscheine. Die jüdische Philosophin Hannah Arendt sagte, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sei man zu Heidegger gegangen, weil man dort das Denken lernen könne. In unserer Zeit fragen Philosophen, ob das Denken ein Akt eines rein geistigen Bewusstseins sei oder eine Tätigkeit des Nervensystems im Gehirn. Wenn allerdings die denkende Seele, wie Augustinus sie nennt, das Lebensprinzip des Leibes ist, wie Sokrates sagt, oder die Form des Leibes, wie Aristoteles sagt, und der Mensch eine Leib-Seele-Einheit ist, wie Thomas sagt, dann ist es die Synthese, dass das Denken im rein geistigen Bewusstsein oder der Geistseele vollzogen wird und zugleich im Nervensystem der Psyche oder dem Gehirn. Im übrigen sagte Goethe: Ich habe nie über das Denken gedacht.


DEUS ABSCONDITUS

Fürwahr, du Herr bist ein verborgener Gott, heißt es beim Propheten Jesaja. In der jüdischen Mystik ist Gott offenbar in zehn Hypostasen, in seiner Weisheit und Vernunft, in seiner Liebe, seiner Herrlichkeit, seiner Barmherzigkeit und so weiter. Das alles sind Hypostasen Gottes, in denen Gott sich offenbart, aber über allen diesen Qualitäten schwebt die Gottheit als En-Soph, das ist die verborgene Gottheit, die von geschaffenen Geistern nicht erkannt werden kann. Wir erkennen den deus revelatus, aber nicht den deus absconditus. In der Mystik des heiligen Dionysius Areopagita ist die Rede von dem Schlaf Gottes. Der Schlaf Gottes ist ein sinnliches Bild für den verborgenen Gott, die Unerkennbarkeit Gottes. Gott ist so groß, dass er alles Begreifen geschaffener Geister unendlich übersteigt. Johannes vom Kreuz nennt die göttliche Weisheit einen unendlichen Dschungel. Je tiefer man in diesen Dschungel eindringt, desto mehr wird man erkennen, aber man kommt an kein Ende des Erkennens. Die Erkenntnis Gottes ist ein unendlicher Fortschritt. Auch in der Ewigkeit wird von den Himmlischen die göttliche Weisheit nicht vollkommen erkannt. Die göttliche Weisheit bleibt auch in der Ewigkeit ein ewig unausforschliches Mysterium. Nikolaus von Kues empfahl zur Meditation über Gott das Denken über den Zusammenfall der Gegensätze. Aber Gott sei nicht in dem Zusammenfall der Gegensätze, sondern jenseits davon. Es gibt eine Annäherung an Gott, aber Gott wird immer unsere Erkenntnis übersteigen. Wenn ein Mann eine Frau liebt, so ist sie ihm geheimnisvoll. Sobald er sagt: Jetzt habe ich dich ganz durchschaut, ist es keine Liebe mehr. So ist es mit Gott. Frau Weisheit, die die Philosophen lieben, ist ein ewiges Geheimnis. Sie ist kein Rätsel, das man eines Tages lösen kann, sondern bleibt ewig die geheimnisvolle Frau. Luther hat sich auch mit dem deus absconditus beschäftigt. Gott sah er verborgen in der Schöpfung. Gott ist in der Welt, aber Gott ist nicht die Welt. Die Welt offenbart zugleich und verbirgt zugleich Gott. Goethe sagte, die Gott-Natur ist ein offenbares Geheimnis. In der Schönheit der Schöpfung kann die Schönheit des Schöpfers erkannt werden, wie Paulus sagt. Aber die Schönheit des Schöpfers ist in der Schönheit der Schöpfung geheimnisvoll verborgen. Der platonisch Liebende sieht in der schönen Frau die göttliche Schönheit wie im Spiegel, aber die schöne Frau ist nicht die göttliche Schönheit. Die göttliche Schönheit ist verschleiert. Luther sah den deus absconditus auch in den Phänomenen von Leid, Tod und Gottverlassenheit. Im Gekreuzigten ist die Liebe Gottes verborgen, geheimnisvoll gegenwärtig. In Leid und dunkler Nacht der Seele und der mystischen Erfahrung der Gottverlassenheit ist Gott ein verborgener und unbegreiflicher Gott. Luther als Tröster empfiehlt, sich in den Zeiten der Gottverlassenheit an den deus revelatus zu wenden, an den Gott, der sich als rettende Liebe offenbart hat.


DEUTSCHER IDEALISMUS

Die Epoche des deutschen Idealismus beginnt 1781 mit Kants Kritik der reinen Vernunft und endet 1831 mit dem Tod Hegels. Die Hauptvertreter sind Kant, Fichte, Schelling und Hegel. Auch die Weimarer Klassik, vor allem Schiller, und die Romantik, vor allem Novalis, zählen dazu. Man vergleicht diese Epoche mit der Epoche der griechischen Philosophie. Kant lehrte, dass der Mensch die objektive Wirklichkeit, das Ding an sich, nicht erkennen könne, sondern nur die im Subjekt erscheinende Wirklichkeit, die der Mensch mit Hilfe von Verstandesdenken und Vernunftideen wie Willensfreiheit, Unsterblichkeit der Seele und Existenz Gottes ordne und beurteile. Der Mensch findet keine objektiven Naturgesetze, sondern lege die Gesetze in die Natur hinein. Kant grenzt sich damit kritisch von der klassisch-christlichen Metaphysik ab, die gesagt hatte, Wahrheit sei die Identität von objektiver Realität und subjektiver Erkenntnis. Man nennt diese Kritik Kants eine kopernikanische Wende, da nun nicht mehr die objektive Realität, sondern das subjektiv erkennende Ich im Mittelpunkt stand. Fichte setzte dieses subjektive Ich absolut und grenzte alles andere von ihm als bloßes Nicht-Ich ab. Goethe sagte, so haben die Egoisten schon immer gedacht. Heine nennt Fichte darum den Napoleon des deutschen Idealismus, das absolute Ich. Schelling sprach von einer Identität des Geistes und der Natur. Geist und Natur seien Offenbarungen des Absoluten, also Gottes, der eine absolute Identität darstelle. Hegel verneinte diese Identität des Absoluten oder die Einheit Gottes und projizierte stattdessen die Dialektik von These, Antithese und Synthese in Gott. Gott sei die These, die Welt die Antithese und der Philosoph die Synthese. Gott verwandle sich in seinen Gegensatz, in die Natur, und komme dann im menschlichen Bewusstsein erst wahrhaft zu seiner Ganzheit als Weltgeist. So, wie Heine sagt, wird der Mensch zum Erlöser Gottes, der Mensch als Glaubender, als Künstler und vor allem als Philosoph (das ist Hegel also selbst) ist der zu sich selbst gekommene Gott. Schiller dachte Kant weiter und suchte in der künstlerischen Schönheit die Harmonie von Natur und menschlicher Freiheit. Novalis sah die Philosophie von der Poesie übertroffen und forderte, die Philosophie müsse Poesie werden. Aus der Vereinigung von Philosophie und Poesie weissagen die Musen. Der alte Heine nannte den deutschen Idealismus eine gottlose Philosophie.


DIALEKTIK

Die Dialektik ist in der Antike die Kunst der Gesprächsführung. Sie wird unterschieden vom rhetorischen Monolog. Sokrates verwandte die Dialektik, um die unhaltbaren Thesen seiner Gegner zu widerlegen, ohne aber eigene Synthesen zu entwickeln. Platon nannte den Philosophen Dialektiker, der Meinungen abwog und diskutierte, um zur Erkenntnis von Wahrheiten zu kommen. Er nannte auch den Metaphysiker einen Dialektiker, der zum Urgrund der Wesen vordringt und zur Schau der Idee der Güte führt. Aristoteles verwandte die Dialektik oder auch Logik, um Theorien aufzustellen, die in sich nicht widersprüchlich sind, da die Wahrheit sich nicht selbst widersprechen könne. Von Aristoteles und Platon kam die Dialektik über Cicero und Augustin us zu Boethius, der sie als Mittel zur Wahrheitsfindung anwandte. Die mittelalterliche Dialektik wurde von Abälard entwickelt. Man nennt sie pro und contra. So wurden die Disputationen geführt und die theologischen Summen gezogen. Thomas von Aquin verwandte in seiner theologischen Summe die Dialektik. Mit der Aufklärung und Neuzeit bekam die Dialektik ein anderes Aussehen. Kant verwandte sie, um die mittelalterlichen Gottesbeweise zu widerlegen: Ein Gott, der nur gedacht werden kann, sei unerkennbar. Hegel verlegt die Dialektik in das innere Wesen Gottes und dachte sich Gott als einen dialektisch werdenden Gott, nicht mehr als das ewig identische absolute Sein, sondern einen Gott, der in sich widersprüchlich ist. Marx und Engels griffen die Dialektik Hegels auf und, wie Lenin sagte, stellten sie vom Kopf auf die Füße, verwandelten Hegels idealistische Dialektik in die materialistische Dialektik der kommunistischen Philosophie. Nun war es die Geschichte der Menschheit, die nach dialektischen Prinzip mit historischer Notwendigkeit sich zum Kommunismus entwickeln sollte.


DIALEKTISCHER MATERIALISMUS

Der dialektische Materialismus ist die Philosophie von Marx und Engels. Sie stellten den dialektischen Idealismus Hegels vom Kopf auf die Füße, wie Lenin sagte. Sie nahmen die Dialektik Hegels, lösten sie von seinem Idealismus und verbanden sie mit dem Materialismus Feuerbachs. Bei Hegel ist die Dialektik eine Entwicklung aus Widersprüchen. Gott werde sein Gegenteil, nämlich die Welt, und werde durch den Menschen in dessen Bewusstsein zum Weltgeist. Gott ist die These, die Welt die Antithese, der Weltgeist die Synthese. An die Stelle der absoluten Idee oder Gottes tritt bei Marx und Engels die ewige Materie. Nach Marx bringt nicht der Geist die Materie hervor, sondern die Materie bringe den Geist hervor. Die Materie entfaltet sich vom Niederen zum Höheren durch die ihr innewohnenden Gegensätze, die sich in dramatischen Konflikten bekämpfen. Das alles bestimmende Moment ist bei Marx die Arbeit. In einem primitiven Urkommunismus waren die Produktivkräfte gering, die Produktionsverhältnisse waren kommunistisch. Mit der Entwicklung der Produktivkräfte wurde die These des Urkommunismus abgelöst von der Antithese der Klassengesellschaften. Diese sind die Sklavenhaltergesellschaft, der Feudalismus und der Kapitalismus. Im Laufe der Klassengesellschaften entwickelten sich die Produktivkräfte weiter und lösten verschiedene Revolutionen aus, die neue Klassen an die Macht brachten. Zuletzt wird die Geschichte mit historischer Notwendigkeit die Synthese bilden, nämlich die klassenlose Gesellschaft des Kommunismus, welche den Urkommunismus auf höherem Niveau wiederholt bei höchster Entfaltung der Produktivkräfte. Der Sprung in den Kommunismus wird durch eine gewaltsame Revolution der Arbeiterklasse eingeleitet. Dies sahen die Marxisten in der bolschewistischen Oktoberrevolution in Russland verwirklicht. Und so wurde unter dem tyrannischen Massenmörder Stalin die gottlose Philosophie zur Staatsideologie.


DIALOG

Der Dialog war das Prinzip der griechischen Dialektik, die eine Kunst des Gesprächs über philosophische Fragen war. So sehen wir Sokrates in den Platonischen Dialogen im Gespräch mit anderen Denkern. Auf diese Weise entwickelte Platon seine Philosophie. Der Sokratische Dialog ist geprägt von einem aufrichtigen Suchen nach der Wahrheit auf der Grundlage der menschlichen Vernunft. Über Cicero kam der Dialog zu Augustinus, der ihn ins Innere verlegte, indem er selbst mit seiner eigenen Vernunft in den Dialog trat. Schon der Dichter David trat in den Dialog mit seiner Seele, als er dichtete: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Auch christliche Mönche aus der Schule der Tiefenpsychologie empfehlen dem Mann, mit seiner Anima oder inneren Frau in Dialog zu treten. Im Personalismus ist der Dialog wesentlich. Denn eine Person allein für sich existiert nicht, sondern eine Person ist immer hingeordnet auf eine andere Person. Für das wahre Person-Sein des Menschen ist darum der Dialog mit anderen Personen wesentlich. Der Dialog fand dann auch Eingang in das Zweite Vatikanische Konzil, da die Katholische Kirche alle anderen christlichen Konfessionen und alle anderen Religionen zu einem ehrlichen Dialog einlud. Der Dialog soll an die Stelle der Religionskriege treten. So werden ökumenische und interreligiöse Dialoge gesucht. Auch das Gebet kann als ein Dialog betrachtet werden, als ein liebevolles Zwiegespräch zwischen Gott, dem Bräutigam, und der Seele, der Braut. Gott spricht durch seine Heilige Schrift, durch die Kirche, durch die Armen, Kleinen und Kranken, durch die Zeichen der Zeit und durch Natur und Kunst zu dem Menschen, der Mensch gibt im Gebet und im Leben seine Ant-Wort auf das Wort Gottes. Da der Dialog mit einer anderen Person für die Person wesentlich ist, oder wie Martin Buber sagte: Am Du gewinnt sich das Ich, - kann Gott auch nicht allein Eine Person sein, sondern das Ich des Vaters spricht zum Du des Sohnes, das Du des Sohnes antwortet dem Ich des Vaters, und ihr Dialog ist das Wir, der Heilige Geist.


DIONYSISCH

Bei den alten Griechen waren die Kultfeiern des Dionysos Zeiten des Ausnahmezustands. Im Laufe des Jahres lebten die Griechen im Alltag, bemühten sich, sittlich und selbstbeherrscht zu leben und ihre Pflichten zu erfüllen. In den Tagen der Dionysien konnten sie für eine begrenzte Zeit fessellos sein, orgiastisch und ekstatisch. Die selbe Funktion hatten die römischen Saturnalien und hat heute der katholische Karneval. Dionysos war also der Gott der Entfesselung, der Orgiastik. Unter Zuhilfename von Wein und Rauschgiften konnte der Mensch alle seine Triebe frei ausleben, die sonst von der Tugend beherrscht wurden. Den beständigen Rausch besingt Nonnos in seinem Epos über Dionysos. Dionysos wird immer mit Indien in Verbindung gebracht. So gibt es eine innere Verbindung mit dem indischen Gott Shiva. Im shivaitischen Tantrismus wird auch das, was eigentlich den Asketen verboten war, im kultischen Zusammenhang zum Sakrament: Das Fleischessen, das Weintrinken, die sexuelle Vereinigung. Diesen Dionysos verehrte Nietzsche als den Gegen-Messias. Nietzsche warf Jesus von Nazareth und dem Christentum vor, lebens- und leibfeindlich zu sein. Darum proklamierte Nietzsche anstatt Christus den alten oder neuen Gott Dionysos, den Gott der Lebensbejahung, der Lust am Leiblichen und am Diesseits. Bachofen in seiner Beschreibung des Matriarchats oder der Gynäkokratie sagt, das der Dionysuskult besonders die Frauen angesprochen habe. Er bringt den Dionysoskult in Verbindung mit dem Hetärismus der Aphrodite-Religion. Wenn man Bachofens Beschreibung des aphroditischen Hetärismus liest, sieht man unsere Gegenwart. Wir leben seit der sexual-kommunistischen Kulturrevolution in einer Kultur des aphroditischen Hetärismus und einer dionysischen Dauerorgie. Ich meine Unzucht, Ehebruch, Ehescheidung, Kindesmissbrauch, Prostitution, Pornographie, Körperkult und absolute Diesseitigkeit unserer gegenwärtigen Kultur. Das ist die Kultur der Venus Porné und des nihilistischen Dionysos.


DOCTA IGNORANTIA

Schon Sokrates sagte: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Damit meinte er nicht den Verzicht auf Erkenntnis, sondern eine realistische Einschätzung der eigenen Unwissenheit als Ausgangspunkt für das Erkenntnisstreben. Wer seine Unwissenheit erkannt hat, kann Belehrung empfangen. Den Ausdruck „docta ignorantia“ verwendete als erster Augustinus: „Es gibt, um mich so auszudrücken, in uns ein belehrtes Nichtwissen, aber belehrt durch den Geist Gottes, welcher unserer Schwachheit beisteht.“ Damit bezog er sich auf die Unmöglichkeit einer umfassenden Erkenntnis Gottes; möglich sei jedoch ein durch die göttliche Gnade belehrtes Nichtwissen. Das „belehrte Nichtwissen“ gehört somit zur negativen Theologie, die auf die Unzulänglichkeit aller positiven Aussagen über Gott hinweist und sich auf Aussagen darüber, was Gott nicht ist, beschränkt. Der prominenteste Vertreter dieser Richtung war Dionysius Areopagita. Er meinte, dass der Mensch, indem er sich ohne Wissen über sich selbst hinaus erhebe, in gewissem Maße zu einer Gotteserfahrung gelangen könne. Im 13. Jahrhundert griff Bonaventura den Gedanken auf. Er verstand unter belehrtem Nichtwissen die Erhebung des Geistes, der sich von allem losgelöst und alle Vorstellungen verneint hat, die Erhebung des Geistes in die lichte Finsternis, was für die Vereinigung mit Gott erforderlich sei. Dabei berief sich Bonaventura auf Dionysius. Seine maßgebliche Ausprägung erhielt der Ausdruck docta ignorantia von Nikolaus von Kues (Cusanus), der ihm in seiner Philosophie eine zentrale Rolle zuwies und das erste seiner philosophisch-theologischen Hauptwerke so betitelte. Nikolaus knüpfte an die negative Theologie des Dionysius an. In „De docta ignorantia“ verwarf Nikolaus im Sinne der negativen Theologie alle positiven Aussagen über Gott als unangemessen und irreführend. Wie Bonaventura wendete er sich Gott nicht zu, indem er den Anspruch erhob, Wissen über ihn zu besitzen oder erreichen zu können, sondern indem er Wissen über sein eigenes Nichtwissen erlangte und damit eine über sich selbst „belehrte Unwissenheit“. Im Unterschied zu Augustinus und Bonaventura schilderte er jedoch die Belehrung, welche der Unwissende empfängt, nicht nur als reine Gnade Gottes, sondern auch als Frucht von Bemühungen des menschlichen Geistes, der sich auf der Suche nach Weisheit selbst transzendiert. Die von Cusanus entwickelte „Regel der belehrten Unwissenheit“ besagt, dass man nie durch Betrachtung von etwas, was quantitativ oder qualitativ vermehrt oder vermindert werden kann, zur Erkenntnis des absoluten Maximums gelangen kann. Der menschliche Verstand (die Rationalität) kann sich jedoch seiner Natur nach nur mit relativen Objekten befassen, da seine Tätigkeit ein Vergleichen von Bekanntem mit Unbekanntem ist. Im Zuständigkeitsbereich des Verstandes, unter den steigerungsfähigen konkreten Gegenständen, gibt es nur Grade der Annäherung, keine absolute Gleichheit und keine Genauigkeit. Gott als das Absolute und Unendliche ist dem Verstand somit prinzipiell unzugänglich. Höher als der Verstand steht nach Cusanus’ Überzeugung die Vernunft (der Intellekt), da sie in der Lage ist, die Grenzen der Verstandestätigkeit zu erkennen. Doch auch sie ist endlich und kann daher ebenfalls nicht zu wirklicher Gotteserkenntnis vordringen. Den paradoxen Zusammenfall der Gegensätze in Gott, die coincidentia oppositorum, erfasst die Vernunft nicht ganz. Da die Vernunft aber „etwas Göttliches“ ist, kann sie dennoch die göttliche Weisheit quasi „sehen“ und „berühren“...


DOGMA

In der katholischen Kirche sind Dogmen Lehrdefinitionen des Lehramts, die von den Katholiken zu glauben sind, also Definitionen der göttlichen Wahrheit. Es gibt bisher vier Dogmen über die Jungfrau Maria. Das erste Dogma definiert die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens. Maria war vor und während und nach der Geburt Jesu Jungfrau. Der Häretiker Helvetius meinte, die Jungfrau habe nach der Geburt Christi mit Josef die Ehe geschlechtlich vollzogen und weitere Kinder geboren. Hieronymus widerlegte das mit der Bibel. Er verglich Helvetius mit dem Taugenichts, der Ruhm erlangen wollte, indem er einen Brand legte im Tempel der Jungfrau Diana von Ephesos. Im übrigen auch Luther verurteilte diese Irrlehre, und auch Calvin und Zwingli glaubten noch an die immerwährende Jungfrau. Unsere heutigen Protestanten folgen aber der Irrlehre des Helvetius. Bei ihrer Erscheinung in Mexiko im sechzehnten Jahrhundert sagte Maria: Ich bin die immerwährende Jungfrau. Das zweite Dogma ist das Dogma der göttlichen Mutterschaft. Maria ist die Theotokos, die Gottesgebärerin, die Muttergottes. Damit wird die Gottheit Jesu definiert. Maria hat die eine Person geboren, die wahrer Gott und wahrer Mensch ist. In Mexiko stellte Maria sich weiter so vor: Ich bin die Mutter des wahren Gottes. Die heutigen Protestanten verweigern Maria den Ehrentitel Mutter Gottes, obwohl auch sie die Gottheit Jesu bekennen. Die Orthodoxen aber lieben Maria besonders unter dem Titel Theotokos. Das dritte Dogma über Maria ist Mitte des neunzehnten Jahrhunderts verkündet worden, nämlich dass Maria ohne den Makel der Erbsünde empfangen worden ist. Maria ist die Kecharitomene, wie Gabriel sie grüßt, das heißt die, die schon immer voll der Gnade war. Maria ist die Unbefleckte Empfängnis, damit der Sohn Gottes in einer ganz reinen Frau zur Welt kommen kann. Die meisten Menschen verwechseln die Unbefleckte Empfängnis Mariens mit der jungfräulichen Geburt Jesu. Bei ihrer Erscheinung in Lourdes sagte Maria: Ich bin die Unbefleckte Empfängnis. Das vierte Marien-Dogma wurde 1950 von Pius XII verkündet und besagt, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Darüber spotten die Protestanten, die nicht verstehen, dass Christus an seiner Mutter schon vollendet hat, was allen Christen verheißen ist. Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts erschien Maria in Amsterdam und forderte die Kirche auf, in einem fünften Dogma Maria zu definieren als Fürsprecherin, Mittlerin aller Gnaden und Miterlöserin. Fürsprecherin wird Maria mindestens seit dem zweiten Jahrhundert genannt. Mittlerin aller Gnaden wird sie von der Kirche seit altersher genannt. Der Titel Miterlöserin ist unter den Theologen noch umstritten. Die Päpste sprechen von Marias Mitwirkung bei der Erlösung. In der Mystik, besonders des Karmel, sind die Glieder des Leibes Christi zu Miterlösern berufen, besonders durch die Vereinigung ihrer Leiden mit den Leiden Christi. Dies gilt in herausragender Weise für Maria, die ihren Sohn dem Vater aufopferte und sich in ihrer com-passio mit dem Sohn selbst auch aufopferte.

DOXA

Doxa, griechisch, kavod, hebräisch, Herrlichkeit, deutsch. Im Alten Testament erscheint die Herrlichkeit des Herrn in Gestalt einer lichten Wolke. So lässt sie sich nieder auf dem Offenbarungszelt des Moses, auf dem Tempel Salomos. Im Neuen Testament überschattet der Heilige Geist die Jungfrau Maria. Maria ist das Offenbarungszelt und der Tempel, und die Überschattung des Heiligen Geistes ist die Herabkunft der Wolke der Herrlichkeit. In der Kabbala ist die Herrlichkeit ein Sephirot, eine Hypostase Gottes. Diese Herrlichkeit ist weiblich. Die Hypostase Jehova ist männlich. Jehova und die Herrlichkeit sind Braut und Bräutigam. Das Hohelied Salomo ist der Gesang dieser innergöttlichen Hochzeit. Wie die kabbalistische Herrlichkeit weiblich ist und wie die neutestamentliche Herrlichkeit die Jungfrau Maria überglänzt und sich an ihr offenbart, so sieht der Philosoph als Liebender in der Art und Weise der platonischen Liebe seine Geliebte umflossen von einem göttlichen Glanz. Die Geliebte ist umglüht von einer goldenen Wolke, alles an ihr ist Glanz und Gloria, sie erscheint als der Spiegel der Herrlichkeit Gottes, als Abglanz der göttlichen Schönheit. Nur in diesem Sinn, in dieser Schau ist sie liebenswert und liebenswürdig, als feminine Offenbarung Gottes. Dies ist im biblischen Buch der Weisheit die göttliche Hagia Sophia, Abglanz der Herrlichkeit des Herrn. So kann man die Herrlichkeit des Herrn auch mit absoluter, höchster und göttlicher Schönheit übersetzen.

ECCE HOMO
Jesus wurde auf seinem Kreuzweg vor den Römer Pilatus geführt, Pilatus sagte: Ecce homo, siehe, der Mensch! Jesus ist ja wahrer Gott und wahrer Mensch. Als wahrer Mensch, das heißt, unentstellt von der Sünde, ein reiner Mensch nach dem Herzen Gottes, offenbart Jesus das wahre Menschsein, wie Gott sich den Menschen gedacht hat. Das zweite vatikanische Konzil und Papst Johannes Paul II. sprachen von Jesus, der das Geheimnis des Menschen offenbart. Das ist christlicher Humanismus. Jesus war uns Menschen in allem gleich, außer der Sünde. Auch die alten chinesischen Philosophen dachten über den Menschen nach. Sowohl Konfuzius als auch Lao Tse sprachen vom wahren oder edlen oder heiligen Menschen. Konfuzius betonte des wahren Menschen harmonische Einordnung in Familie und Gesellschaft, Lao Tse betonte des wahren Menschen Übereinstimmung mit der Seele der Natur. Nietzsche schrieb das Buch Ecce Homo, in dem er seinen eigenen philosophischen und schriftstellerischen Werdegang darstellte. Nietzsche präsentierte sich als den wahren Menschen oder auch Übermenschen. Wladimir Solowjew sagte, Nietzsche habe nicht den Übermenschen kreiert, sondern nur den Überphilologen, einen Menschen mit schwacher, kranker Seele und einem Übermaß von Bücherwissen. Puschkin brachte eine Alternative zum ecce homo, indem er in einem Brief über seine Muse Anna Kern schrieb: ecce femina! Er nannte Anna Kern femina divina. Hier erscheint das Ideal der wahren Frau, die Idee der Frau, die Frau nach dem Herzen Gottes. In der katholischen Theologie ist das Maria, die makellose Konzeption, die Frau der Offenbarung. Der Schriftsteller Stefan Schütz wurde befragt, ob er in seinem Roman Medusa, inspiriert von Robert Ranke Graves und dessen weißer Göttin, in seiner Hauptfigur Marie Flaam parallel zu Nietzsches Übermenschen hier das Überweib habe gestalten wollen, und er bejahte das. Nietzsche sagte, das Wesen des Menschen bestehe darin, dass der Mensch etwas größeres als den Menschen suchte. Das ist wohl wahr. Aber Nietzsche meinte, das Ziel des Menschen sei der Übermensch, ein amoralisches Wesen mit dem Willen zur Macht. Wladimir Solowjew setzte dagegen das Konzept des Gottmenschentums. Jesus, ecce homo, ist der Gottmensch und will eine neue Menschheit hervorbringen als eine Gottmenschheit. Das nenne ich transzendentalen Humanismus.


EGOISMUS

Fichte führte den Begriff des absoluten Ich ein, des transzendentalen Ich. Heine verglich dieses absolute Ich mit dem politischen Phänomen Napoleon, über den Puschkin sagte, Napoleon halte sich für die 1 und alle anderen Menschen für die Nullen hinter ihm. In einer persönlichen Beobachtung des Rangstreites und Machtringens zwischen zwei verwandten Egoisten musste ich denken an den Krieg zwischen Hitler und Stalin. Sind diese denn die von Nietzsche geträumten Übermenschen, amoralisch und mit dem Willen zur Macht ausgestattet, Herrenmenschen ohne jüdisch-christliche Sklavenmoral und Hunde-Demut? Hier erschienen auf der Bühne der Geschichte zwei Super-Egos. Jeder von ihnen sagte: Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Der Satanist Aleister Crowley wollte dem Menschen Gott zeigen. Er stellte den Menschen vor einen verschleierten Spiegel, sagte: Jetzt zeige ich dir Gott, zog den Schleier vom Spiegel, der Mensch sah sich selbst, und der Satanist sagte: Du bist Gott. Das Gebot des Ego als seines eigenes Gottes ist: Tu, wozu du Lust hast! Hier offenbart sich der satanische Ursprung des Egoismus. Nun lernte ich auch die Philosophie des New-Age kennen und durchschaute sie als einen subtilen Egoismus. Statt des Christus-Gebotes: Liebe Gott mit ganzer Seele und deinen Nächsten wie dich selbst, setzt die Esoterik das eine Gebot: Liebe dich selbst! Pseudo-mystisch wird geredet von der Abtötung des Ego, aber an die Stelle des Ego wird nicht Gott gesetzt, sondern das Wahre Selbst des Menschen. Das Ego müsse sterben, damit das Wahre Selbst auferstehe. Dieses Wahre Selbst ist der innere Buddha oder kosmische Jesus (Jesus nicht als der Gekreuzigte, sondern als kosmische Energie und als Symbol des Wahren Selbst). So bleibt der Esoteriker in seinem Selbst gefangen. Das nennt Augustinus Selbstverkrümmung, so definiert er Sünde. Augustinus sprach von zwei Formen der Liebe: Entweder Liebe zum Selbst bis hin zur Verachtung Gottes oder Liebe zu Gott bis hin zur Selbstverachtung. Der Esoteriker aber ist besessen von seinem Selbst, so dass er behauptet, es sei eine Analogie zwischen dem absoluten Ich und dem Nicht-Ich der realen Außenwelt, dergestalt, dass alle äußeren Ereignisse nur Gestalten des eigenen Inneren seien. Was innen ist, das ist außen, sagt der Esoteriker, und so bläht sich sein Ich auf und wird zur Welt, zur Welt als Spiegel seines Ich. So wird des Esoterikers Selbst zur Weltseele. Dieser feinsinnige Mystizismus ist nichts als subtiler Egoismus, den wir ja schon als Satanismus entlarvt haben. Wladimir Solowjew nennt in seiner Philosophie der Liebe den Egoismus den natürlichen Zustand des sündigen Menschen. Nur die Liebe überwindet den Egoismus, und das ist auch ihr Sinn. Aber nicht die Elternliebe überwindet den Egoismus, da in der Regel die Eltern ihr Kind als Teil ihres Ego sehen, und so gibt es einen Mutter-Kind-Egoismus. Erst die erotische Liebe, die Geschlechtsliebe zwischen Mann und Frau überwindet den Egoismus. Hier sieht das Ich des Mannes in dem verschiedenen Ich der geliebten Frau ein anderes Ich mit einer Bedeutung, mit einem absoluten Wert. Erst, wenn der Mann die Frau als ein von ihm verschiedenes Ich, ein anderes und in sich selbständiges Ich, mehr als sich selbst liebt, ist der Egoismus besiegt. Jesus sagte: Wer sein Leben bewahren will, wird es verlieren, wer sein Leben aber um Gottes Willen hingibt, wird es gewinnen. Die Esoterik hat zum Ziel die Selbstverwirklichung des Menschen und fördert so den Ego-Trip des Esoterikers. Papst Johannes Paul sagte im Anschluss an das Jesus-Wort, dass der Mensch sich nur in der Hingabe verwirklichen kann. Erst in der Hingabe an ein menschliches oder göttliches Du wird der Mensch sein wahres Selbst finden, seine Gottesebenbildlichkeit. Ernesto Cardenal sagte: Gott ist Liebe, und der Mensch als Ebenbild Gottes ist auch Liebe. Erst in der Liebe wird der Egoismus überwunden, sei es nun die erotische Liebe des Mannes zur Frau oder die Liebe der Seele zu Gott.


EINES

Zu Moses sagte Gott: Höre, o Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Gott. Gott offenbart sich also als der Eine. Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine andern Götter neben mir haben. Mohammed und der Koran bekennen auch die Einheit Gottes. Aus diesem Grund lehnte Mohammed die Gottessohnschaft Jesu ab, denn er dachte, dies führe zu einem Bekenntnis von zwei, drei Göttern. Plotin sah das Höchste Wesen, den Ursprung von allem, als das Eine. Über dieses Eine ist positiv nichts zu wissen und zu sagen. Es ist bei Plotin auch nicht identisch mit dem Sein, sondern steht jenseits der Dualität von Sein und Nichtsein und kann nur Über-Sein genannt werden. Ist dieses Eine nun unpersönlich, einpersönlich oder dreipersönlich? An einen unpersönlichen Gott der Energie glaubt die postmoderne Esoterik. Nach dem Motto der Modephilosophen: Wer bin ich und wenn ja, wie viele? erfährt sich der Esoteriker nicht als eine einige Person, sondern als eine Vielzahl von Seelen, Geistern und Leben, und so kann der Esoteriker nicht an die Einheit eines personalen Gottes glauben. Der persönliche Gott des Alten Testaments, der eine und einige Herr, und der Eine Gott des Islam scheint ein einsamer Gott zu sein. Er hat weder eine göttliche Gefährtin noch einen göttlichen Sohn. Aber auch Jesus bestätigt, dass Gott Einer ist, der einige Herr. Im Gegensatz zum Verständnis Mohammeds ist das Christentum sehr wohl ein strenger Monotheismus. Hölderlin nannte die Fülle der göttlichen Mächte das Ein und Alles, er nannte dieses Eine die göttliche Natur. Und hierin stimmt ihm das Christentum zu: Das Eine ist die göttliche Natur. Wladimir Solowjew nannte es die All-Einheit. Nur offenbarte Christus, dass diese Eine Göttliche Natur ihrem Wesen nach Liebe ist, nämlich der Liebende und der Geliebte und die sie vereinigende Liebe. Somit ist Gott kein einsamer, einpersonaler Gott, sondern die dreipersonale Liebe. Gott bleibt aber der einige Gott des Mose. Den höchsten Gott umschrieb Plotin auch dreifach als den Denker, das Gedachte und das Denken. Augustinus spricht von den drei Personen der Einen Gottheit als der Sophia des Vaters, der Sophia des Sohnes und der Sophia des Heiligen Geistes. Vater und Sohn und Heiliger Geist heißen die drei Personen in der Gottheit, aber die Eine Göttliche Natur heißt Sophia. So spekulierte ein Mariologe, ob die Jungfrau Maria auch das Abbild der Jungfräulichkeit der Gottheit sei. Der Mariologe wagte diesen Gedanken aber nicht weiter zu denken. Dass die Gottheit Eine Gottheit ist und keine anderen Gottheiten neben ihr sind, das ist gewissermaßen die Jungfräulichkeit der Einen Göttlichen Natur, deren Wesen nach Augustinus die dreifaltige Sophia ist, also, wie Jakob Böhme sie nennt, die göttliche Jungfrau Sophia.


EMANATION

Plotin sprach vom Höchsten Wesen als dem Einen, der unerkennbar und unbeschreiblich ist. In einer Emanation ist aus dem Einen der göttliche Geist hervorgekommen. Der Geist ist dreifaltig, er ist der Denker, das Gedachte und das Denken. In einer Emanation ist aus dem Geist die Weltseele hervorgekommen. In Emanationen sind aus der Weltseele die Einzelseelen und die materielle Natur hervorgekommen. Je weiter die Emanation fortschreitet, desto mehr nimmt das Göttliche und Gute in den Wesen ab. Die moderne Gnosis des New Age spricht auch von Emanation: Aus dem unpersönlichen Gott kommt in einer Emanation das Universum hervor mit allen seinen kosmischen Energien. Auch der Mensch ist eine Emanation des unpersönlichen Gottes des Universums. Darum ist der Mensch und ist das Universum göttlich. Der Mensch muss nur seine eigene Göttlichkeit in sich selbst erkennen und in Harmonie leben mit der Energie des göttlichen Universum, dann ist er frei und hat sich selbst erlöst. Im babylonischen Schöpfungsmythos war am Anfang die Muttergöttin Tiamat, die das Chaos der Urmaterie personifizierte. Sie wurde von dem himmlischen Schöpfergott Marduk mit einem Soeer ermordet. Aus ihrem Körper formte Marduk dann das Weltall, aus ihren Haaren die Wolken, aus ihren Augen die Sterne, aus ihren Knochen die Berge und so weiter. So ist das Weltall aus dem Leib der Muttergöttin geworden. Damit ist das Weltall auch göttlich. Papst Benedikt XVI fragt in seinem Buch über Jesus von Nazareth, warum das Christentum Gott Vater und nicht Mutter nennt, und sagt, dass in den heidnischen Religionen, in denen Muttergöttinnen verehrt wurden, diese Muttergöttin das Weltall geboren habe, so dass das Weltall eine Emanation aus der Göttin und damit göttlich sei, während im Judentum und Christentum Gott der Vater die Schöpfung aus dem Nichts allein durch seinen Willen, durch sein Wort in die Existenz gerufen habe. In der göttlichen Offenbarung der Bibel gibt es also keine Emanation der Welt aus Gott, sondern Gott ist Creator ex nihilo, der schuf durch sein Wort. Die Schöpfung ist nicht göttlich. Es gibt einen unendlichen Unterschied zwischen Schöpfer und Schöpfung.


ENERGIE

Energie oder Energeia heißt wörtlich Inneres Wirken. Es war im griechischen Altertum ein rein philosophischer Begriff, der die lebendige Wirksamkeit einer Kraft bezeichnete. Mit der europäischen Aufklärung ist der Begriff zu einem Begriff der Naturwissenschaften Physik, Biologie, Chemie und Technik geworden. In der physikalischen Bedeutung definierte Albert Einstein Energie als gleich der Masse mal der Geschwindigkeit des Lichtes zum Quadrat. Es liegt eine Äquivalenz von Masse und Energie vor. Das bedeutet, dass Masse und Energie ineinander umgewandelt werden können. Jede Änderung der Masse bedeutet eine Änderung der Energie und umgekehrt. Der Begriff der Energie ist in der New-Age-Spiritualität der wesentliche Begriff. Der unpersönliche Gott ist ein Gott der Energie. Er ist identisch mit dem göttlichen Universum. Dies ist voll kosmischer Energien, die der Mensch sich durch Magie nutzbar machen kann. Alles Lebewesen und auch die anorganischen Stoffe wie Edelsteine sind voller Energien. Der Mensch hat innere Energien, die durch die Chakren wandern. Heilung soll entstehen durch die Aufnahme und Entfaltung positiver Energien. Geistheiler, Schamanen und Medien vermitteln kosmische Energien. Wenn in einer spirituellen Bewegung der Begriff Energie zentral ist, kann man sich sicher sein, dass es sich um Gedankengut des Neognostizismus handeln. In der göttlichen Offenbarung des Neuen Testaments kommt das Wort Energie auch vor. Es bezeichnet die Energien oder Kraftwirkungen des Heiligen Geistes. Die Energien des Geistes sind seine Gnadenvermittlung in den sieben Sakramenten, die sieben Gaben des Heiligen Geistes, die Charismen (Weisheit, Lehrbegabung, Prophetie usw.) und die Früchte des Heiligen Geistes. Die Energien des Heiligen Geistes sind keine halb physikalischen, halb spiritistischen kosmischen Energien, sondern Wirkungen der göttlichen Person des Heiligen Geistes, lebendige Kraftwirkungen der dreifaltigen Gottheit. Sie werden in der Kirche und für die Kirche empfangen.


ENTELECHIE

Der Begriff der Entelechie wurde von Aristoteles entwichelt. Wörtlich bedeutet Entelechie: Das Ziel in sich haben. Jedes Lebewesen ist aus Materie und innewohnender geistiger Form. Bestandteil der Form ist die Entelechie. Diese führt das Ding zu seinem Ziel, seiner wesensgemäßen Vollkommenheit. Entelechie ist also die Kraft der Selbstverwirklichung. Die Entelechie des Hauses ist es, ein geschützter Wohnraum zu sein. Die Entelechie des Pferdes ist es, ein gutes und schönes Pferd zu sein. Die Entelechie des Menschen ist es, die Eudämonie oder Glückseligkeit zu erreichen, das heißt für Aristoteles, ein Mensch zu sein, der die Tugenden verwirklicht. Die Entelechie der Raupe ist der Schmetterling. Die Entelechie des Schmetterlings ist es, zu fliegen. Die Entelechie des Staates ist ein gerechtes soziales Gefüge zum organisierten Zusammenleben der Menschen, die politische Tiere sind. Die Entelechie der Natur, ihr Streben nach Vollkommenheit, macht ihre Schönheit aus. Entelechie als Begriff taucht überall dort auf, wo teleologisch gedacht wird. Nach Aristoteles ist Gott die Erstursache und der Erstbeweger der Lebewesen, aber auch ihr Ziel. Nach christlicher Auffassung ist das Ziel der Entelechie des Menschen Gott, das heißt, die ewige Glückseligkeit bei Gott, die ewige Vollendung in Gott. Auch Goethe nahm die Idee der Entelechie an. Er sprach von der Triebkraft der Seele, die voll strebender Sehnsucht nach Selbstverwirklichung sei. In der Entelechie sah er die Kraftquelle seiner künstlerischen und wissenschaftlichen Kreativität. Den Tod des Doktor Faust beschrieb er ursprünglich so, dass das Kleid des Körpers liegen blieb, aber die englischen Knaben auf Befehl der Gottesmutter führten „Faustens Entelechie“ in die himmlischen Sphären. Für das ewige Leben erwartete Goethe nicht die ewige Muße der Kontemplation der göttlichen Schönheit, sondern eine auf höherer Ebene fortgesetzte Kreativität seiner Entelechie oder der Hauptmonade seines unsterblichen Geistes. So sprach auch Therese von Lisieux davon, dass sie ihren Himmel damit verbringen werde, Gutes auf Erden zu tun.


EPIPHANIE

In der griechischen Antike bezeichnete die Epiphanie die Erscheinung eines göttlichen Wesens. In der Ilias beschreibt Homer die Erscheinung von Hera, Aphrodite und Athene vor dem Hirten Paris auf dem Berge Ida. Aphrodite erschien als die Schönste aller Göttinnen. In der homerischen Hymne an Aphrodite wird die Epiphanie der Göttin vor Anchises beschrieben. In der Änäis beschreibt Vergil die Erscheinung der Venus vor Äneas in Karthago. Im Neuen Testament ist von der Epiphanie Jesu Christi die Rede. Die Liturgie der Kirche spricht am Fest Epiphania am 6. Januar von drei Epiphanien der Göttlichkeit Jesu: Erstens die Anbetung der Magier vom Orient, zweitens die Taufe im Jordan, drittens das erste Wunder Jesu, die Wandlung von Wasser in Wein auf der Hochzeit von Kana. Papst Johannes Paul II schrieb in seinem Brief an die Künstler: So wie alle Menschen zur Verehrung der Wahrheit berufen sind, so sind die geborenen Künstler zur Verehrung der Schönheit berufen. Die Künstler sind auch heute auf der Suche nach einer „neuen Epiphanie der Schönheit“.


ERKENNTNIS

In der Bibel hat das Wort Erkenntnis einen doppelten Sinn. Und Adam erkannte seine Frau Eva… Und Josef erkannte Maria nicht… Erkenntnis ist ein tiefes Verstehen des Du, aber auch die liebende Vereinigung. Erkenntnis Gottes ist die Einsicht in das Wesen Gottes und zugleich liebende Vereinigung mit Gott. Die Erkenntnis ist eine der sieben Gaben des Heiligen Geistes. Bei Platon ist Erkenntnis Wiedererinnerung. Die präexistente Seele sah vor ihrer Inkarnation die himmlischen Ideen im Ideenhimmel. Nach ihrer Inkarnation ist jede Erkenntnis eine Wiedererinnerung an die Schau der Ideen. Besonders in der Liebe, vor allem in der nicht-sexuellen Knabenliebe, schenkt der Mittler Eros der Psyche Flügel und sie erinnert sich wieder an die Idee der Schönheit, Aphrodite Urania. Bei ihrer Inkarnation in der Empfängnis trinkt die Seele von der Lethe, dem Fluss des Vergessens, so vergisst sie die himmlischen Ideen . Nur Künstler und Philosophen benetzen sich kaum die Lippen der Seele mit dem Trank des Vergessens, darum der Geist der Künstler und Philosophen noch voll Erinnerung an den Ideenhimmel ist. In der Gnosis und im Manichäismus ist die Erkenntnis, griechisch Gnosis, das Mittel zur Erlösung. Die Seele ist himmlischen Ursprungs. Durch einen Sündenfall im Lichtreich ist die Seele in die böse Materie der Welt und des Körpers gefallen. Ihre Erlösung besteht in der Erkenntnis ihres himmlischen und rein geistigen Ursprungs, im Abstreifen alles Weltlichen und Leiblichen, so kehrt die leiblose Seele in ihren himmlischen Ursprung zurück. Auch im Hinduismus ist die Erkenntnis das Mittel zur Erlösung. Wenn der menschliche Geist die Verblendung durch Maya, die Welt der Vielheit, überwindet und erkennt, dass der menschliche und der göttliche Geist eins sind, dann ist der Erkennende von dem Fluch der Wiedergeburt erlöst. Dann erkennt der Mensch Gott: Ich bin du und du bist ich. In der klassischen christlichen Philosophie herrscht der Realismus vor. Es gibt die objektive Realität, sowohl der rein-geistigen Wesen als auch der natürlich-sinnlichen Wesen. Wahre Erkenntnis besteht darin, dass die subjektive Anschauung mit der objektiven Realität übereinstimmt. Der Franziskaner Bonaventura sprach von einer Himmelsleiter der Erkenntnis Gottes. Gottes Schönheit offenbart sich dem Denker in der Schönheit der Schöpfung. Der innerliche Mensch erkennt Gott im Tiefsten seiner Seele. Der Denker erkennt Gott als das Gute, Wahre und Schöne. Er gelangt zu der Idee Gottes als dem Absoluten, Ewigen. Auf diesem Gipfel der menschlichen Erkenntnis muss ihm die göttliche Liebe begegnen und ihn in Ekstase und Verzückung hinreißen zur höchsten Erkenntnis Gottes. William von Ockham war ein Franziskaner, der wegen seiner Irrlehren aus der katholischen Kirche ausgeschlossen wurde. Luther studierte die Schriften Williams von Ockham. Er lehrte, dass menschliche Erkenntnis nur das Natürlich-Sinnliche erkennen kann. Er leugnete die Erkenntnis metaphysischer Ideen. Metaphysische Begriffe waren für ihn Schall und Rauch, bloße Namen, lateinisch nomen, daher wird seine Lehre Nominalismus genannt. Eine wahre Erkenntnis Gottes wird im Nominalismus geleugnet. Luther war Nominalist. Gewissermaßen war der Idealismus von Immanuel Kant eine Fortsetzung des Nominalismus. Kant leugnete die Möglichkeit der Erkenntnis von Freiheit, Unsterblichkeit und Gott. Er versuchte die Gottesbeweise der klassischen christlichen Philosophie zu widerlegen. Nur um des moralischen Lebens willen, solle der Mensch so tun, als ob es so etwas wie Freiheit, Unsterblichkeit und Gott gäbe. Selbst die Welt kann der Mensch nicht erkennen, wie sie an sich ist, sondern nur, wie sie im subjektiven Bewusstsein des Erkennenden erscheint. Raum und Zeit, Kausalität und die Grünheit des Grases existieren nur insofern, wie sich der Mensch diese Dinge denkt. Über dieses ausweglose Gefangensein im Subjekt war der sensible Dichter Kleist dermaßen verzweifelt, dass er sich das Leben nahm. Ohne Wahrheit lohnt es sich nicht zu leben, dachte er. Kant ist der Mörder von Kleist. Eine Gegenposition zum Idealismus nahmen Marx und Engels ein, die Begründer des dialektischen Materialismus. Da sie im Gefolge des Darwinismus meinten, die Arbeit habe den Affen zum Menschen gemacht, sahen sie in den gesellschaftlichen Arbeitsverhältnissen den Ursprung des ideologischen Überbaus. Das materielle Sein bestimmt das geistige Bewusstsein. Die Materie bringt den Geist hervor, lehrten sie in Verkehrung der Wahrheit. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand als Antwort auf Kant die Phänomenologie. Edmund Husserl sagte: Wenn wir nach Kant die Welt-an-sich nicht erkennen können, so lasst uns doch die uns erscheinenden Phänomene mit höchstmöglicher Exaktheit beschreiben, und zwar ohne irgendwelche ideologischen Scheuklappen. Die Husserl-Schülerin Edith Stein wandte sich folgerichtig wieder der klassischen katholischen Philosophie des Realismus zu, vor allem der Lehre des heiligen Thomas von Aquin, und verband die neuzeitliche Phänomenologie mit dem katholischen Realismus des Thomismus.


EROS

Im orphischen Schöpfungsmythos war am Anfang die Göttin der Nacht. Sie tanzte. Dabei wurde sie von dem Wind oder Geist in Gestalt einer Schlange befruchtet. Da gebar die Göttin das Welt-Ei, den kosmischen Urkeim. In diesem Urkeim lebte der göttliche Eros. Eros nun wurde zum Weltenschöpfer, indem er den Urkeim zum Kosmos entfaltete. Für die große Liebende Sappho war Eros der Inbegriff der menschlichen Liebesleidenschaft. Sie nannte ihn ein heilloses Vieh und verglich ihn einem Sturm, der Bäume zerbricht. Auch für Anakreon war Eros der Inbegriff der menschlichen Liebe, aber er sah Eros mehr als kleinen launischen Knaben, mit dem der alte Dichter scherzte und kokettierte. Platon (nach Diotimas Lehre) sah in Eros einen guten Dämon, den Mittler zwischen dem liebenden Menschen und der göttlichen Schönheit. Eros ist die Liebe zur Schönheit. Eros beginnt bei der Liebe zum schönen Körper, führt zur Liebe zur schönen Seele, führt dann zur Liebe zur Tugend an sich und schließlich zur Liebe zur Schönheit Gottes. Wenn ein Philosoph mit platonischer Liebe einen Knaben liebt, erweckt Eros die Seele des Liebenden und gibt ihr Flügel, dass die Seele des Liebenden sich aufschwingt zur ekstatischen Schau der himmlischen Idee der Schönheit. In dem neuplatonischen Märchen Eros und Psyche von Apuleius ist Eros der göttliche Bräutigam und Psyche die menschliche Braut. Nach verschiedenen Prüfungen führt die Mutter des Eros die bräutliche Psyche zur mystischen Hochzeit mit dem göttlichen Bräutigam Eros im Himmel. Dabei wird die menschliche Braut Psyche vom göttlichen Bräutigam Eros vergöttlicht. Der christliche Neuplatoniker und große Mystiker Dionysios Areopagita sagte: Jesus ist unser Eros. Nur weil Eros zum Abgott der Knabenschänder und Aphrodite zur Göttin der Huren geworden war, mieden die Väter den Namen des Eros für Jesus und wählten das Wort Agape, Caritas. Die Eingeweihten und Mystiker wussten aber, dass Jesus der göttliche Eros und mystische Bräutigam der Braut Psyche ist. So legte Origenes als Erster das Hohelied Salomos als Lied der mystischen Hochzeit zwischen Jesus und der Seele aus. So riefen die Mystiker am Karfreitag: Eros ist gekreuzigt! Und am Ostersonntag: Eros ist auferstanden! Und sie wehklagten: Weh uns, Eros wird nicht geliebt! Jesus selbst stellt sich im Neuen Testament als Bräutigam vor. Seine Braut ist die Kirche, aber auch jede menschliche Seele. Schon im Alten Testament sprachen die Propheten von Jehova als dem erotischen Bräutigam. Jeremia sprach von Jehova, der zwei Bräute hatte, Juda und Israel, beide waren aber Huren und brünstige Kamelstuten. Hesekiel sprach von Jehova als Bräutigam zweier Bräute, Jerusalem und Samaria, beide waren aber Huren und ließen sich von Ägyptern und Babyloniern die Zitzen betatschen und spreizten jedem Heiden die Beine. Jehova wählte Jerusalem zu seiner Braut. Ihre Brüste und ihr Schamhaar waren gewachsen, da wählte er sie zur Braut, sie aber brach die Ehe und hurte mit den Heiden und zahlte selbst den Hurenlohn für ihre Hurerei. Der Prophet Hosea heiratete im Auftrag Jehovas eine Hure. Diese Ehe symbolisierte die Ehe Jehovas mit Israel, wobei Israel eine Hure war. Mit einem Wort: Jehova ist der göttliche Eros. Die Kabbalisten sprachen von den offenbaren Qualitäten des unergründlichen Absoluten. Die offenbare Qualität namens Jehova ist der Bräutigam und die offenbare Qualität namens Schechinah (oder Immanenz Gottes) ist die Braut. Das Hohelied Salomos deuteten die Kabbalisten als innergöttlichen Hochzeitsgesang von Jehova und Schechinah. Als Christ möchte ich im Anschluss an die Kabbalisten sagen, dass Jehova der erotische Bräutigam ist und Ischa Chochmah (Frau Weisheit oder Hagia Sophia) die erotische Braut und Ruach ha kadosch (der Heilige Geist) die erotische Vereinigung. Damit wären wir beim dreifaltigen Eros, oder wie Johannes sagt: Gott ist Liebe, Dieu est Amour!


ESOTERIK

Die Esoterik behauptet von sich, die innerliche, mystische Seite aller Religionen in sich zu vereinen. Sie behauptet, wie die Freimaurer, alle Religionen seien sich gleich. Ausgeschlossen von ihrer mystizistischen Welteinheitsreligion wird nur die römisch-katholische Kirche. Die Esoterik ist die moderne Form des antiken Gnostizismus. Sie mischt synkretistisch Elemente aller heidnischen Religionen. Grunddogmen der Esoterik sind die Vorstellung eines nicht personhaften Gottes, der mit dem Universum und der kosmischen Energie gleichgesetzt wird, die Vorstellung der Göttlichkeit der Seele, die Idee der Selbsterlösung, die Lehre der Reinkarnation, die Praxis der Magie, der Relativismus in der Lehre über die Wahrheit. In unendlich vielen magischen Praktiken versuchen die Esoteriker, die kosmische Energie sich nutzbar zu machen. Die Esoterik glaubt an die Selbsterlösung durch Reinkarnation und Gottwerdung durch Aufnahme kosmischer Energien. Darum kennt sie nicht den gekreuzigten Erlöser Jesus Christus. Sie definiert den kosmischen Christus als ein Bild für das Höhere Selbst des Menschen, das man aber auch Buddha oder Krishna nennen könne. Sie kennen auch nicht den allmächtigen Vater als Schöpfer, sondern nehmen an, das aus der unpersönlichen Gottheit der göttliche Kosmos in einer Emanation hervorgegangen sei. Sie unterscheiden nicht zwischen Schöpfer und Geschöpf, sondern Natur und Seele sind göttlich. Sie kennen auch nicht den Heiligen Geist, sondern nur das Chi, die kosmische Energie. Sie verwerfen die Jungfrau Maria und verehren stattdessen die Göttin Isis als Verkörperung altägyptischer Mysterienweisheit und der sogenannten Philosophia Perennis. Sie verehren auch nicht die Heiligen der Kirche, sondern rufen aufgestiegene Meister, okkulte Dämonen und Elementarkräfte an. Sie glauben, dass das Zeitalter des Christentums vorbei ist, und dass nun das Zeitalter Luzifers gekommen sei. Daher ist Esoterik im Grunde genommen Satanismus.


EUDÄMONIE

Eudämonie oder das glückliche Leben war das angestrebte Ziel der griechischen Philosophen. Aristoteles sagte, glücklich sei der Mensch und lebe ein gutes Leben, wenn er die Tugenden verwirkliche. Auch wenn ihm Schicksalsschläge Gefühle der Traurigkeit bescherten, sei er doch objektiv glücklich, wenn er ein Gerechter und ein Freund der Wahrheit sei. Epikur sah das glückliche Leben im Genuss der diesseitigen Freuden, in maßvollem Genuss und der Pflege der Freundschaft. Aristipp sah auch das Glück im Genuss, in maßvoller Sinnlichkeit. Darum auch besuchte er eine Hetäre, achtete aber darauf, dass sie ihn nicht beherrsche. Die Hedone oder Lust zum höchsten Prinzip und zur Garantin des Glücks zu erklären, ist die Idee der heutigen Spaßgesellschaft, die von der Unterhaltungsindustrie, dem Konsum und der freien Liebe gekennzeichnet ist. Dabei wird das Maßvolle des antiken Hedonismus abgelöst durch maßlose Begierden. Das antike Rom kannte zwei Glücksgöttinnen: die Glücksgöttin Fortuna verwaltete den Zufall und den Anteil der irdischen Glücksgüter, hier ging es um das Haben des Glücks; die Glücksgöttin Felicitas war für das Glücklich-Sein zuständig und für die Seligkeit der Seele. Diese Seligkeit der Seele als das Glücklich-Sein meinte Jesus in den acht Seligpreisungen. Glücklich sind die Menschen, die arm sind vor Gott, auf keine Verdienste vor Gott rechnen, sondern ganz allein auf die göttliche Barmherzigkeit vertrauen. Glücklich sind die Menschen, die trauern über die Bosheit der gottlosen Welt. Glücklich sind die Friedfertigen und die Sanftmütigen und die Friedensstifter. Glücklich sind die Barmherzigen. Glücklich sind die Menschenkinder mit einem reinen Herzen. Ja, glücklich sind die Menschen, die von den Gottlosen gehasst werden, weil sie an Jesus glauben. Diese Seligkeit, die Jesus verheißt, besteht nicht immer in Glücksgefühlen. Jesus verheißt die innere Freude, von Gott geliebt zu sein, die auch in Gefühlen der Traurigkeit lebendig ist. Die Heiligen nennen sie die Freude auf dem Seelengipfel, ein geistliches Lied nennt sie die Freude in allem Leide. Die Unbefleckte Empfängnis Maria sagte bei ihrer Erscheinung in Lourdes Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zu dem vierzehnjährigen Mädchen Bernardette: Ich kann Ihnen nicht versprechen, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, aber in der kommenden Welt! So ist im Christentum die Glückseligkeit das Höchste Gut, für das wir geschaffen sind, und zwar die ewige Glückseligkeit der Liebesvereinigung mit der Gottheit. Diese ewige Bestimmung des Menschen ist der wahre Trost, der hilft, die irdische Trübsal geduldig zu tragen. Und immer wieder fällt ein Sonnenstrahl der himmlischen Seligkeit auch schon auf Erden in die gottliebende Seele.


EVOLUTION

Die Mikro-Evolution, die Entwicklungen innerhalb ein und desselben Art-Typus, sagt man, ist bewiesen. Die Makro-Evolution, die Entwicklung einer Art aus einer anderen Art ist umstritten, man sagt aber, sie sei höchst wahrscheinlich. Dies ist eine naturwissenschaftliche Frage. Die Philosophie sucht nach einer Deutung. Inwiefern gibt es eine evolutionistische Philosophie? Die einen Philosophen sehen die Evolution allein in der Natur, andere in der Weltseele und die dritten gar in der Gottheit selbst. Marx und Engels nannten die Evolution der Natur den dialektischen Materialismus. Ohne eine Gottheit entwickle sich die Materie zum Menschen und durch die Entwicklung der materiellen Lebensgrundlagen des homo faber zum kommunistischen Paradies auf Erden. Eine andere Spielart des Materialismus und Naturalismus ist der nihilistische Sozialdarwinismus, der behauptet, das Prinzip der Natur-Evolution (the fittest will survive) bestätige in der menschlichen Gesellschaft das Recht des Stärkeren. Diese Lehre heißt bei Nietzsche Wille zur Macht und Übermensch und im Nationalsozialismus das alleinige Lebensrecht der arischen Herrenrasse. Das ist der evoluitionäre Materialismus. Dem gegenüber steht der evolutionäre Idealismus. Diesen finden wir bei Luther, Hegel und Rilke. Hier wird Gott oder der göttliche Geist nicht mehr als das reine Sein betrachtet, sondern als eine werdende Gottheit. Luther sah die Dialektik in Gott, wenn Gott des Pharao Herz verstocke, um dann die Machttaten des Exodus Israels zu vollbringen, kurz, Gott wirke das Böse, um ein größeres Gutes daraus hervorgehen zu lassen. Hegel, Student der evangelischen Theologie, sah die Dialektik in Gott, wenn Gott als ein werdender Gott sich in sein Gegenteil verwandle, nämlich in die Weltschöpfung, um dann in der Krone der Weltschöpfung, dem Menschen, zu sich selbst zurückzukehren und, bereichert mit der Welt, zum wahrhaft göttlichen Welt-Geist werde. Gott kehre aus der Natur zum Welt-Geist zurück durch den künstlerischen, den religiösen und vor allem den philosophierenden Menschen. So wird, wie Heine sagt, der Mensch zum Erlöser Gottes. Oder wie der Satiriker sagt: Ich, Hegel, bin der Weltgeist. Rilke in seinem Stundenbuch spricht von seinem Gott als einem werdenden Gott. In betörend-schönen Versen besingt er diesen dunklen, werdenden, Zukunfts-Gott. Eine christliche Philosophie, die an dem absoluten und ewigen Sein Gottes festhält und doch eine relative idealistische Evolution anerkennt, ist die Spekulation von Wladimir Solowjew, der den Moment der Evolution nicht in Gott, aber in der geistigen Weltseele verwirklicht sieht, deren Ziel des Gottmenschentum ist.


EWIGKEIT

Die Ewigkeit ist nicht eine unendlich lange Zeit (limes gegen unendlich), sondern, wie Meister Eckart sagt, ein ewiges Nun. Priester, die vom ewigen Leben im Himmel als von Milliarden Jahren sprechen, passen sich nur dem Fassungsvermögen der Herde an. Was sie wirklich meinen, sagen sie, wenn sie die Ewigkeit eine Raum- und Zeit-Freiheit nennen. Die Ewigkeit ist die Existenzweise Gottes, Gottes Allgegenwart. In diese Allgegenwart Gottes einzutreten, ist den Erlösten verheißen. Diese Allgegenwart Gottes als ein glückseliges ewiges Nun ist die Fülle des Lebens der lebendigen Gottheit. Die verewigten Toten sind in der Ewigkeit nicht wie eine ägyptische Mumie zu Stein erstarrt oder wie Lots Frau zu einer Salzsäule, sondern leben das ewige Leben Gottes. Der Schriftsteller Tschingis Aitmatow sagte 1992 auf einer Dichterlesung in Oldenburg: Man kann im Glück der erfüllten Liebesvereinigung von Mann und Frau im sexuellen Akt einen Moment der Ewigkeit erfahren, ein seliges Nun in der Fülle lebendiger Liebe, einen Abglanz der Ewigkeit.


FEMINISMUS

Der Feminismus begann Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Welt zu bewegen. Nach dem Ersten Weltkrieg eroberten die Frauen das Frauenwahlrecht. Feminismus heißt, für die Würde und Freiheit der Frauen einzutreten. Es gibt aber alle möglichen Spielarten des Feminismus. Der satanische Feminismus beruft sich auf den Satanismus der Hexen, auf Luzifer als den alten, vor-patriarchalischen Gott, den Gehörnter als Sohn-Geliebten der Mondgöttin, und auf Lilith, die wilde Frau, den Sie-Teufel der Kabbala, die Braut Samiels. Der neuheidnische Feminismus projiziert in die Jungsteinzeit das Goldene Zeitalter des Matriarchats, da die Große Mutter monotheistisch verehrt worden sein soll, so werden alle antiken Fruchtbarkeitsgöttinnen wieder verehrt, dagegen werden Judentum und Christentum als patriarchale Religionen und die Bibel als hoministisches Buch abgelehnt. Der politische, meistens sozialistische Feminismus sieht in der politischen Vorherrschaft der Männer die Ursache für Krieg, Armut, Umweltzerstörung. Stattdessen wird versucht, dass Frauen an die Schaltzentren der Macht gelangen. Es soll der Bundeswehr eine Frau als Verteidigungsministerin vorstehen. Dieser sozialistische Feminismus versucht, die Frauen zu vermännlichen und die Männer zu verweiblichen. Es werden Ehe und Familie als patriarchalische Unterdrückungssysteme abgelehnt, der Kindermord der Abtreibung wird zum Menschenrecht der Frauen umdefiniert. Fortsetzung dieser Spielart des Feminismus ist die auf einer Weltfrauenkonferenz in Peking aus der Retorte geborene Gender-Ideologie. Hier wird eine Natur der Frau und eine Natur des Mannes geleugnet, es gibt keine geschlechtlichen Unterschiede mehr, jedes Individuum könne sein Geschlecht selbst wählen und jederzeit ändern. Es werden alle möglichen sexuellen Perversionen propagiert, die Homosexuellen-Ehe gefördert und die Abtreibung forciert. Aber auch in den Weltreligionen gibt es feministische Bewegungen. Der hindustische Feminismus spricht von Gott als Mutter, wie Ramakrishna. Der islamische Feminismus, wie bei französischen Muslimen, versucht, Mohammed als großen Liebhaber der Frauen und Liebhaber der körperlichen Liebe zu propagieren. Der jüdische Feminismus beruft sich auf die Schechinah als weibliche Immanenz Gottes, oder auch auf Lilith, die erste Frau Adams. Der evangelische Feminismus meditiert über Jesu Umgang mit den Frauen, versucht sich in feministischer Bibelübersetzung, spricht von Maria als geheimer Göttin des Christentums, sieht in Magdalena das Frauenpriestertum verkörpert, meditiert über weibliche Gottesbilder in der Bibel. Der orthodoxe Feminismus meditiert über die ewige Weisheit als Frau und führt in Alexandrien das geweihte Frauen-Diakonat ein. Der katholische Feminismus greift auf die Tradition zurück und meditiert über weibliche Gottesbilder bei Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg, Juliana von Norwich und Heinrich Seuse. Im zwanzigsten Jahrhundert meditierte Edith Stein über das Wesen der Frau, schrieb Gertrud von LeFort über die Ewige Frau, schrieb Papst Johannes Paul II. über die Würde und den Genius der Frau. Papst Franziskus ruft zu einer Theologie der Frau auf, verleiht Magdalena den liturgischen Rang einer Apostelin und lässt das geweihte Frauen-Diakonat in der Urkirche untersuchen. Der katholische Feminismus ist ein marianischer Feminismus, in dem Maria als Frau der Offenbarung, ja, als „Die Frau“ betrachtet wird.



FORM

Platon dachte, die himmlischen rein-geistigen Ideen oder Urbilder seien wahrhaft seiend, aber die irdisch-konkrete Wirklichkeit nur ein flüchtiger Schatten der Ideen. Aber gibt es denn auch für einen Haufen Kot eine himmlische Idee? Aristoteles setzte an die Stelle der transzendenten Ideen den Begriff der geistigen Form, die an und in der Materie diese gestalte. Da gibt es keine Materie ohne Form und keine Form ohne Materie. Darum konnte Aristoteles sich auch keine persönliche Unsterblichkeit der leiblosen Seele denken. Das Christentum löste das Problem mit dem Konzept der Auferstehung des Fleisches. Die Seele ist nach Sokrates das Leben des Leibes. Aristoteles nennt die Geistseele dir Form des Leibes. Das Christentum nennt den göttlichen Christus die Form der Geistseelen, darum ist jede Seele von Natur aus christlich. Woher kommt nun die Geistseele als Form des menschlichen Leibes? Der menschliche Leib entsteht ja durch die Vereinigung von männlicher Samenzelle und weiblichem Ei. Aber entsteht die Geistseele des Kindes durch die Vereinigung der Geistseelen der Eltern? Nein, das Christentum lehrt, dass jede persönliche Geistseele im Augenblick der Empfängnis des Leibes von Gott aus dem Nichts geschaffen wird im Gleichnis Christi und vom Heiligen Geist dem Kinde eingehaucht. So ist vom Augenblick der Empfängnis ein beseelter Leib da, eine inkarnierte Geistseele, eine menschliche Person. Darum ist Abtreibung Mord und damit eine Todsünde. Wenn aber die Geistseele die Form des Leibes ist, aber nun der Leib des Mannes verschieden ist vom Leib der Frau, wie evident, ist dann die Geistseele des Frauenleibes eine weibliche Seele und verschieden von der männlichen Seele? Ist dann die Jungfrau Maria als die Unbefleckte Empfängnis das reine Urbild einer femininen Seele?


FREIHEIT

Martin Luther behauptete in seiner Schrift vom unfreien Willen, es gäbe keine menschliche Willensfreiheit, der Mensch werde entweder unfreiwillig vom Satan geritten oder unfreiwillig von der Gnade Gottes (sola gratia) gerettet. Erasmus von Rotterdam schrieb gegen Luther seine Schrift vom freien Willen und stellte die katholische Lehre von der menschlichen Willensfreiheit gegen Luthers Unfreiheit. In seiner Schrift von der Freiheit eines Christenmenschen dagegen pries Luther die Freiheit, meinte aber die Freiheit des einzelnen Gläubigen, der nicht an die Lehre der Konzilien und des Papstes gebunden sei. Warum dann aber der einzelne Gläubige an die Lehre der Kirche der Apostel (das Neue Testament) noch gebunden sei, war die Frage, die zurückblieb. In der französischen Revolution ging durch Europa ein Freiheitspathos, dass alle Dichter Hymnen an die Göttin der Freiheit sangen. Aber diese Freiheit war vor allem die Freiheit von Thron und Altar, von jeder göttlichen Hierarchie und Ordnung. Die Freiheit des Menschen wandte sich gegen Gott. Klopstock besang auch die göttliche Freiheit, aber für ihn waren Robespierre und die Jakobiner die schrecklichsten Feinde der Freiheit. So wird auf allen gegensätzlichen politischen Seiten die Freiheit postuliert. So priesen die Kommunisten die Freiheit und wollten sie mit revolutionärer Gewalt erstreiten, meinten mit der Freiheit die Abschaffung des Privateigentums und führten das Staatseigentum und die Diktatur des sozialistischen Staates ein. Dagegen priesen auch ihre politischen Gegner der bürgerlichen Demokratie die Freiheit und meinten die Freiheit der Menschenrechte und die Freiheit des Marktes. In der neomarxistischen Kulturrevolution priesen sie auch die Freiheit, vor allem die freie Liebe als Liebe ohne Bindung und Verantwortung. So wird im Namen einer schrankenlosen Freiheit Anarchie und Chaos geschaffen und eine Rebellion gegen jede göttliche Ordnung, ja, sogar gegen die Natur des Menschen. In der postmodernen Gender-Ideologie ist der Mensch angeblich sogar frei, sein Geschlecht zu wählen. Da erhebt sich die menschliche Freiheit nicht allein gegen Gott, sondern auch gegen die Schöpfung, gegen die Ökologie des Menschen. Die liberale Marktfreiheit des Kapitalismus scheint nur noch die Freiheit weniger zu sein, Profit zu erwirtschaften, auf dem Rücken der armen Völker und der Umwelt. Diese Freiheit des Geldes richtet sich gegen Gott, die Armen und die Natur. Fichte sprach von der Freiheit des Absoluten Ich. Jeder Mensch sei ein aufgeblasenes Ego, ein Napoleon des Größenwahns, und so als Absolutistischer Weltmonarch und als Schöpfer der Umwelt sein eigener Gott. Diese Freiheit als Rebellion gegen das Gesetz Gottes liegt allen Freiheits-Häresien zugrunde. Das absolute Ich ist einsam. Aber eine Person ist immer nur Person im Hinblick auf eine andere Person. Der Mensch ist ein soziales Wesen oder nach Aristoteles ein politisches Tier. Darum kann es keine schrankenlose Freiheit des Ego geben, sondern das Individuum muss sich einfügen in seine Familie, sein Volk, die Kirche. Nur so kann sich der Mensch als Person und als soziales Wesen entfalten. Aller Egoismus ist destruktiv und zerstört selbst den Egoisten. Dies lehrte der katholische Theosoph Franz von Baader. Das absolute Ich Fichtes muss sich letztlich binden an die absolute Freiheit Gottes, nur so wird der Mensch frei. So sagt Jesus: Die Wahrheit wird euch freimachen, und: Ich bin die Wahrheit. So entsteht der christliche Freiheitsbegriff, der paradox ist: Erst in der Bindung der menschlichen Freiheit an die absolute Freiheit Gottes wird der Mensch wahrhaft frei. Nur der Knecht Gottes und die Magd des Herrn sind freie Menschen. So lehrte ein charismatischer Prediger: Erst wenn sich ein Mensch allein vom Urteil Gottes abhängig macht, wird er frei von den Urteilen der Menschen über ihn. Allein die Gottesfurcht befreit von der Menschenfurcht. Die christliche Freiheit ist nicht Freiheit von allen Bindungen, sondern totale Bindung an Gott. So sagt die christliche Freiheit nicht nur, wovon der Mensch zu befreien ist, sondern wofür die Freiheit gebraucht werden will. Seiner sozialen Natur als Person gemäß und seiner Ebenbildlichkeit mit der dreipersonalen Gottheit gemäß besteht die Vollendung der Person des Menschen in Hingabe an ein Du, ein göttliches Du und ein mitmenschliches Du, in Gottesliebe und Nächstenliebe. Die Freiheit, zu der der Heilige Geist befreien will, ist die Freiheit, zu lieben und sich hinzugeben und dadurch seine Natur zu vollenden.


FUNDAMENTALISMUS

Der Fundamentalismus ist ein Phänomen der Religionen. Hinduistischer Fundamentalismus erkennt nur die Veden, die Upanischaden und die Bhagavad-Gita als göttliche Offenbarung an und verfolgt Menschen anderen Glaubens. Der muslimische Fundamentalismus erkennt nur den arabischen Koran als Gottes Wort an und verfolgt mit Hass und Gewalt Juden und Christen und andere Gläubige. Jüdischer Fundamentalismus erkennt nur die Tora und den Talmud als Weisung des wahren Gottes an und lehnt die Christen ab und erkennt die muslimischen Bürger des Heiligen Landes nicht an. Evangelikaler Fundamentalismus erkennt nur die protestantische Bibel als Gottes Wort an und verurteilt alle Philosophie als Torheit und alle anderen Religionen als Lügenwerk und Götzendienst. So gesehen ist der Fundamentalismus eine intolerante, engstirnige und aggressive Form moderner Religiosität. Sie ist der Gegenpol zum Relativismus, dieser Welteinheitsreligion der Freimaurer, die aus einem Synkretismus aller Religionen besteht, aber keine absolute Wahrheit anerkennt. Papst Benedikt XVI. sprach sogar von der Diktatur des Relativismus. Wenn nun ein Gläubiger überzeugt ist von einer göttlichen Offenbarung und absoluten Wahrheit, wird er von den Relativisten als Fundamentalist beschimpft. In diesem polemischen Sinne ist es eine Ehre, ein Fundamentalist zu sein, nämlich einen fundierten Glauben zu haben. Was aber ist das wahre Fundament, was ist die absolute Wahrheit, was ist die wahre Offenbarung? Der Hindu sagt: Die Gita. Der Moslem sagt: Der Koran. Der Jude sagt: Die Tora. Der Protestant sagt: Die Bibel. Der Katholik sagt: Die Bibel und die Lehre der Kirche. Josef Kardinal Ratzinger schrieb unter Papst Johannes Paul II. das Schreiben Dominus Jesus. Darin heißt es im ersten Teil: Jesus ist allein der Herr, der einzige Erlöser des Menschengeschlechts, und im zweiten Teil: und die römisch-katholische Kirche ist die einzige wahre Kirche Gottes, die von Jesus Christus selbst gestiftet wurde. Und so sagte die Jungfrau Maria in Medjugorje: Es gibt nur Einen wahren Gott und Einen wahren Glauben. - Und dieser marianische Fundamentalismus ist das feste Bollwerk gegen die Diktatur des Relativismus.


GEBOT

Dem Propheten Mose wurden auf dem Berg Sinai von Gott die zehn Gebote offenbart. Die zehn Gebote sind auch schon in das Gewissen des Menschen eingeschrieben und durch das Licht der natürlichen Vernunft erkennbar. Darum finden sich ähnliche Sittengebote bei Sokrates, Buddha und Mohammed. Da aber das Gewissen des Menschen und das Licht der natürlichen Vernunft durch die Sünde verdunkelt sind, hat Gott die zehn Gebote offenbart und sie zum Gesetzbuch des auserwählten Volkes Israel gemacht. Esus hat die zehn Gebote bestätigt und sie zum Gesetz der ganzen Menschheit gemacht. Jesus fasst die Gebote zusammen in dem Doppel-Gebot der Liebe: Du sollst Gott von ganzem Herzen lieben und den Nächsten wie dich selbst. Ja, Jesus gibt ein neues Gebot, den Nächsten nicht nur wie sich selbst zu lieben, sondern, so wie Jesus mich liebt, so soll ich den Nächsten lieben. Augustinus fasst das Liebesgebot Jesu so zusammen: Liebe, und dann tu, was du willst. Mohammed verkündet die Geote Allahs, die der Moslem als Sklave Allahs einhalten muss, der seinem Herrn gehorsam sein muss. Diese Gebote des Koran sind zum Beispiel das Gebet, die Wallfahrt nach Mekka, die Almosensteuer, das Fasten. Der Koran kennt aber kein Liebesgebot. Die mosaische Gesetzgebung schimmert noch im preußischen Philosophen Kant durch. Das zehnfache Du sollst der Gebote Gottes wird hier zum moralischen Sittengesetz, das dem Gewissen des freien Menschen gebietet, gut zu sein und die Wahrheit zu suchen. An das Gewissen ergeht der kategorische Imperativ: Du sollst gut sein. Das Gesetz ist bei Kant noch da, nicht aber mehr der Gesetzgeber. Nietzsche verwarf Kant ebenso wie Moses, ihm roch der kategorische Imperativ noch zu sehr nach dem Sinai. Nietzsche erkannte die Tafel der Gebote Gottes, aber er wollte geradezu prometheisch die Tafel der Gebote Gottes zerschlagen und eine neue Tafel der Gebote des Übermenschen schreiben, was er in einem Zarathustra versuchte. Das Gesetz des Übermenschen sei allein das darwinistische Recht des Stärkeren oder der Wille zur Macht. Damit bereitete Nietzsche den Abfall vom Gott Israels vor und bereitete den Weg zur nationalsozialistischen Ideologie vom arischen Herrenmenschen und dem jüdischen Untermenschen. Die Jungfrau Maria ruft deswegen in heutigen prophetischen Botschaft zur Umkehr auf, zur Umkehr zu den Geboten des Gottes Israels.


GEGENWART

Augustinus in seiner Konfession denkt über die Zeit nach. Was ist Zeit? Er spricht von den drei Zeiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Gegenwart ist nur der Punkt, da die Zukunft in die Vergangenheit übergeht. Wenn man das Wort Gegenwart ausspricht, ist das G schon Vergangenheit, wenn man beim W angekommen ist, und das T ist noch Zukunft. O Augenblick, du bist so schön! sagt Faust, und schon ist der Augenblick dahin. Die Vergangenheit können wir nicht ändern, es ist nutzlos, ihre Sünden, Fehler und Irrtümer zu bereuen, wir können sie nur ins Meer der Barmherzigkeit Gottes versenken. Die Zukunft liegt nicht in unserer Hand. Es ist dem Menschen nicht gegeben, den Schleier der Zukunft zu heben, sosehr sich auch die abergläubische Sterndeuterei und Wahrsagerei darum bemüht, nein, wir können die Zukunft nur der gütigen Vorsehung Gottes anvertrauen. Uns ist gegeben, in der Gegenwart zu leben. Dazu kann es hilfreich sein, von der buddhistischen Philosophie den Gedanken zu übernehmen, ganz im Hier und Jetzt zu leben und mit konzentrierter Achtsamkeit des Geistes und der Sonne die Gegenwart wahrzunehmen. Die Kirchenlehrerin Therese von Lisieux schrie in einem Gedicht: Dich zu lieben, Gott, habe ich nur den heutigen Tag. Ich kann Gott weder in der Vergangenheit, noch in der Zukunft lieben, sondern leben und lieben kann ich nur im Heute, im Jetzt. So ist christliche Prophetie auch nicht im Wesentlichen eine Wahrsaagung für die Zukunft, sondern ein Reden Gottes von den Zeichen der Zeit, ein Reden Gottes in die Gegenwart hinein. Die prophetischen otschaften der Jungfrau Maria sind keine Wahrsagekunst, sondern sie wenden das Evangelium auf die Gegenwart an, und so sagt der Geist der Kirche, was heute ihre Aufgabe ist. Jesus sagt: Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Gott will uns heute begegnen. So beschreiben die Mystiker auch die raum- und zeit-freie Ewigkeit als ein ewiges Nun in der Gegenwart Gottes. Das kommt auch im heutigen Messopfer zum Ausdruck. Das ewige Nun Gottes kommt in die Zeit, in den heutigen Tag, und so kann ich heute durch die sakramentale Realpräsenz Christi in der Zeit in der Gegenwart Gottes leben.


GEIST

Aristoteles nannte den Menschen ein rationales Tier. Er sei eine Zweiheit aus menschlicher Materie und göttlichem Geist, der Form. Die platonische individuelle Unsterblichkeit der Seele lehnte Aristoteles ab, unsterblich sei allein der allgemeine göttliche Geist. Die Stoa verehrte den Geist (nous) als göttlich und setzte ihn mit Zeus oder dem Logos gleich, und meinte damit die Immanenz Gottes in der Natur. Plotin nannte die höchste Gottheit unbeschreiblich, aber aus ihr ginge der Geist hervor. Dieser göttliche Geist ist die Dreifaltigkeit des Denkenden, des Gedachten und des Denkens. Zur Erkenntnis des göttlichen Geistes sei die menschliche Vernunft nicht ausreichend, es brauche eine Ekstase, ein mystisches Hingerissenwerden vom göttlichen Geist. Jesus sagt im Johannes-Evangelium zu einer Frau: Gott ist Geist und muss im Geist und in der Wahrheit angebetet werden. Die Kirchenväter und besonders Basileus der Große proklamierten den Heiligen Geist, den Geist des Vaters und des Sohnes, als Gott und Herrn. Der aus der evangelischen Theologie kommende Philosoph Hegel entwarf die Idee des vollkommenen göttlichen Wesens als Weltgeist. Die ursprüngliche absolute Idee Gottes verwandle sich in ihre Antithese, die Welt, und kehre durch den künstlerischen, religiösen und philosophierenden Menschen mit der Welt bereichert zur Gottheit zurück und werde so in der Synthese erst die vollkommene Gottheit, der Weltgeist. Dem deutschen Idealismus entgegen stellte sich der Materialismus, eine Mischung aus Darwin, Feuerbach und Marx. So sehr die politische Ökonomie des Kommunismus und des Kapitalismus als Antagonismen erscheinen, sind sie doch eins in ihrem philosophischen Materialismus. In der kommunistischen Gesellschaft war die Materie alles, ewiger Ursprung, Motor der Geschichte, der Mensch nur das Produkt seiner materiellen Verhältnisse. Der Geist wurde als bloßer ideologischer Überbau als aus den materiellen Verhältnissen hervorgehend bezeichnet. Dagegen der Materialismus des Kapitalismus und der bürgerlichen Demokratie vertritt den praktischen Atheismus, dass der Mensch umd des Profits willen da sei und dass das Glück des Menschen im Sensualismus und Konsumismus bestehe, in dem Genuss der Materie. Die Philosophie des heutigen bürgerlichen Kapitalismus des Westens ist der Atomismus und Hedonismus der epikuräischen Säue.


GEMEINWOHL

Schon Platon hat in seiner Polis eine Gesellschaft des Gemeinwohls erfunden. Die Ständegesellschaft aus Lehrstand, Wehrstand und Näjrstand sollte geführt werden von dem weisen Monarchen und so die Tugenden verwirklichen. Daran knüpft Thomas Morus in seiner Utopia an, dem Traum einer glücklichen und gerechten Gesellschaft. Im neunzehnten Jahrhundert begann dann das Gespenst des Kommunismus in Europa umzugehen. Mit der Industrialisierung war das Proletariat entstanden. Die Kirche antwortete auf diese Herausforderungen mit der katholischen Soziallehre Leos XIII. Hier wird der marktliberale Kapitalismus kritisiert, der Raubtier-Kapitalismus, da der Mensch dem Menschen ein Wolf ist. Man versucht, den liberalen Kapitalismus zur sozialen Marktwirtschaft abzumildern, da das Gemeinwohl vor den Profit geht. Die Kommunisten hatten nur das Wohl der arbeitenden Klasse im Sinn, die Liberalen hatten nur das Wohl der Besitzenden im Sinn. Die katholische Lehre hat das Gemeinwohl, das Wohl von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Sinn. Statt des revolutionären Hasses und des ewigen Klassenkampfs der Kommunisten sucht die Kirche den sozialen Frieden. Die Kirche sorgt sich um die Rechte der Armen und der Arbeiter und lehrt, dass Eigentum verpflichtet, verkündet aber auch das Recht auf Privateigentum als Bestandteil des Naturrerchts. Die katholische Soziallehre kämpft zur Linken gegen den Kollektivismus der Kommunisten und betont die Menschenwürde des Einzelnen, und kämpft zur Rechten gegen den kapitalistischen Individualismus, indem sie das Gemeinwohl dem Individuum als Ideal vor Augen stellt. Gegen Kollektivismus und Individualismus lehrt die Kirche die Rechte und Pflichten der Individuen als Glieder der Gemeinschaft.


GERECHTIGKEIT

Im Buch der Weisheit in der Bibel werden als Gaben der göttlichen Weisheit die vier Kardinaltugenden genannt, Gerechtigkeit, Mut, Mäßigung und Klugheit. Sokrates in Platons Polis wendet diese Tugenden auf den Menschen so an: die Klugheit ist die Tugend des Gehirns, der Mut die Tugend des Herzens, die Mäßigung die Tugend des Leibes, und wenn der Mensch diese drei Tugenden lebt, dann ist die Gerechtigkeit die Tugend des ganzen Menschen. Dieses Modell überträgt Sokrates auf die Polis: Der Lehrstand verwirkliche die Klugheit, der Wehrstand den Mut, der Nährstand die Mäßigung, dann verwirklicht der ganze Staat die Gerechtigkeit, verkörpert im Philosophen-Monarchen. Die antike Mythologie stellte die Gerechtigkeit als Göttin Justitia dar, eine erhabene Dame mit verbundenen Augen, da sie ohne Ansehen der Person richtet, und mit einer Waage in der Hand, mit der sie Schuld und Sühne abwägt. Der Gerechte, der Zaddik, war das Idealbild der jüdischen Kabbala für den Weisen oder Rabbi. Der heilige Josef wird in der Heiligen Schrift als ein Gerechter bezeichnet, das heißt, er war ein Frommer, der nach dem Gesetz Gottes lebte. In der antiken Philosophie ist die Norm für weltliche Gerechtigkeit oder positives Recht das gottgegebene Naturrecht. Diese Vorstellung hat die katholische Theologie übernommen. So muss das positive Recht eines Staates immer daran gemessen werden, ob es der Gerechtigkeit des Naturrechts entspricht. Zum Beispiel kann ein Staat beschließen, es sei legal, ein Kind im Mutterschoß zu töten, aber diese Tat wird immer der Gerechtigkeit Gottes und des Naturrechts widerprechen. Die Ideale von Freiheit und Brüderlichkeit und Gerechtigkeit gehen, wie die Jungfrau Maria sagt, aus dem Sauerteig des Christentums hervor. In der französischen Revolution haben die Ideologen allerdings die Gerechtigkeit durch Gleichheit ersetzt. Es ist dies die Vorstellung von Kindern, dass es nur dann gerecht zugehe, wenn alle Kinder genau das Gleiche bekommen. Der Gedanke der Gleichheit ist aber nicht der Gedanke der Gerechtigkeit. Nietzsche verwarf die Gleichheit ganz und betonte den Unterschied von aristokratischen und von sklavischen Menschen. Den christlichen Gedanken der Gerechtigkeit verdächtigte Nietzsche aber auch, er meinte, die Vorstellung einer himmlischen Gerechtigkeit als einer Vergeltung im Jenseits klinge mehr nach der Rache der Armen, der Sklaven, des Pöbel, die gerecht mit gerächt verwechselten. So erscheint in dem Roman der Graf von Monte Christo die Gerechtigkeit des Menschen als eine von Hass erfüllte Rache, die von sich behauptet, der heilige Zorn Gottes und die himmlische Gerechtigkeit zu sein. In der modernen katholischen Theologie gibt es aufgrund der Bevorzugung der göttlichen Barmherzigkeit oft das Negativbild der göttlichen Gerechtigkeit als der unbarmherzigen Strafe Gottes, gewissermaßen erscheint die göttliche Gerechtigkeit als die Feindin des Menschen, die den Sünder nur zu verdammen weiß. Die evangelische Theologie spricht in ihrem lutherischen Rechtfertigungsdogma von der Gerechtigkeit aus Gnade durch Glauben, dem Sünder wird durch den Glauben die Gerechtigkeit Christi zugesprochen, und so wird der Sünder gerechtfertigt. Die wahre Gerechtigkeit gibt nicht jedem das Gleiche, sondern jedem das Seine. So kann es der Gerechtigkeit Gottes durchaus entsprechen, dass die Armen und Kleinen die bevorzugten Lieblinge Gottes sind. Wer kann zum Beispiel den 60 Millionen Opfern des Nationalen Sozialismus und den 100 Millionen Opfern des Kommunismus noch Gerechtigkeit verschaffen? Das kann allein die Gerechtigkeit Gottes, das Weltgericht, die Vergeltung im Jenseits. Was die irdische Gerechtigkeit betrifft, so betonten die Päpste immer, dass es ohne Gerechtigkeit im globalen Maßstab keinen Weltfrieden geben wird. So preist Goethe Gott als den Gerechten, wenn er dichtet:

Er, der einzige Gerechte,
Will für jedermann das Rechte.
Sei von seinen hundert Namen
Dieser hochgelobet. Amen.


GESCHICHTE

Edith Stein sagte, Geschichte ist immer Heilsgeschichte. Sie lobte die mittelalterlichen Chronisten, die in der Beschreibung geschichtlicher Epochen beim Paradies des Garten Edens begannen und beim Weltgericht und dem Paradies der himmlischen Jerusalem endeten. Die Inkarnation Gottes in Christus, geboren von Maria, ist kein geschichtsloser Mythos, sondern das Eintreten Gottes in die Geschichte der Menschheit zur Zeit, als Pontius Pilatus Gouverneur Roms in Judäa war. Hölderlin sah in Jesus den letzten der griechischen Götter, Halbgötter und Heroen, der das himmlische Fest der Antike schloss und sein Abendmahl zurückließ, aber Christus und die anderen Göttermenschen werden einst wiederkommen und die himmlische Friedensfeier, das Brautfest der Götter und Menschen, wird in Germanien, dem neuen Griechenland, gefeiert werden. Schiller sah die Weltgeschichte als Weltgericht. Karl Marx entwarf den historischen Materialismus und sah die Geschichte als Höherentwicklung vom primitiven Urkommunismus über die verschiedenen Klassengesellschaft bis zur kommunistischen Gesellschaft. Motor dieser Geschichte sind die Produktivkräfte und Produktionsmittel. Die dialektische Höherentwicklung setzt sich mittels der Klassenkämpfe durch. Am Ende der Geschichte steht das Gemeineigentum der Produktionsmittel, das irdische Paradies der Arbeiter und Bauern. Diese Geschichtskonstruktion wurde von der lebendigen Geschichte in der Form des real existierenden Sozialismus als einer Diktatur widerlegt. Die Feministinnen lieben das Wortspiel, history sei his story. Die Geschichte sei eine Geschichte des Patriarchats. Sie entwerfen die Utopie des Gartens Eden oder des Goldenen Zeitalters oder des Urkommunismus als die schöne Zeit des Matriarchats, da monotheistisch die Muttergöttin verehrt wurde. Dieses Friedensreich der Mutter sei ungefähr im zweiten Jahrtausend vor Christus durch patriarchalische Kriegerhorden der Arier in Zentralasien zerstört worden. Feministische Denker wie Otfried Ebertz kündeten die Wiederkunft des Matriarchats an. Die Frage ist: Wer macht Geschichte? Berthold Brecht sagte, nicht Kaiser Shi Huangdi habe die Chinesische Mauer gebaut, sondern es waren die zehntausende Bauern. Machen Massen oder Klassen Geschichte? Ist die Geschichte die Geschichte des revolutionären Volkes? Oder ist die Geschichte das Werk großer Männer und Frauen? Reinhold Schneider sah in seinen jungen Jahren die Geschichte als Tragödie, später sah er die Geschichte unter dem Zeichen des Kreuzes, und schilderte in seiner Geschichte vor allem der Monarchie den Widerspruch von Macht und Gnade als das Kreuz des Königs von Gottes Gnaden.


GESETZ

Das Gesetz Moses ist das Gesetz Gottes. Ihre Zusammenfassung sind die zehn Gebote, die von ewiger Gültigkeit sind. Das griechische nomos und das deutsche Gesetz sind Übersetzungen des hebräischen Thora. Die Juden aber sagen, Gesetz sei nicht die rechte Übersetzung, und übersetzen es mit Weisung. So haben die Rabbinen und Kabbalisten des Judentums eine große Liebe zur Thora und beschreiben sie als eine immerwährende Jungfrau und Tochter Gottes und himmlische Prinzessin und Braut des Schriftgelehrten. Im Christentum stellen viele dem Gesetz des Alten Testaments die Gnade des Neuen Testaments entgegen und berufen sich wie Luther auf des heiligen Paulus Römerbrief. Die evangelischen Christen verwerfen alles, was Gesetz und gute Werke heißt, und glauben, sie seien „allein aus Gnade durch Glauben“ gerechtfertigt. Dabei übersehen sie, dass Christus das Gesetz erfüllt hat und selbst zum Gesetz oder zur Thora geworden ist. Christus hat auf dem Berg der Seligpreisungen als neuer Mose das neue Gesetz, die neue Thora verkündigt. Das neue Gesetz ist nicht ein: Du sollst nicht – sondern ein: Selig ist, wer – Das neue Gesetz ist die Person Jesu selbst. Das Sinai-Ereignis der Gabe des Gesetzes wird im jüdischen Wochenfest gefeiert, das ist Pfingsten. So ist die Gabe des Heiligen Geistes der Gabe des Gesetzes gleichgesetzt, denn das neue Gesetz ist keine „Antithese“ zum Gesetz Mose, sondern dessen Verinnerlichung und dessen Erfüllbarkeit durch den innewohnenden Heiligen Geist. Christus fasst das Gesetz zusammen in dem Doppelgebot der Gottesliebe und Nächstenliebe, und Paulus nennt die Liebe die Erfüllung des Gesetzes. Ohne aber das Gesetz Christi zu erfüllen, gibt es keine Erlösung. Was nun das menschliche Gesetz, das positive Recht, betrifft, muss dieses sich messen lassen an dem von den antiken Griechen und der katholischen Kirche vertretenen Naturrecht, das göttlichen Ursprungs ist, in den Gewissen der Menschen wohnt und durch die natürliche Vernunft erkannt werden kann. Dies Naturrecht ist das moralische Sittengesetz. Das Gesetz der materiellen Welt sind die Naturgesetze, die von der Naturwissenschaft erkannt werden können. Die staunenswerte Rationalität und Intelligenz der Naturgesetze verweisen als „intelligent design“ auf den Gesetzgeber als die göttliche Intelligenz. Da diese göttliche Intelligenz als Gesetzgeberin der Naturgesetze über den Naturgesetzen steht, ist es denkbar, dass die göttliche Intelligenz in Ausnahmefällen die Naturgesetze aufhebt und im Wunder ihre Allmacht offenbart.


GEWISSEN

Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen, sagt der Vollmund. Wie Ge-birge eine Sammlung von Bergen, so ist Ge-wissen die Sammlung des Wissens der Person. Sigmund Freud nannte das Gewissen Über-Ich. Das Über-Ich ist eine Sammlung von angeeigneten moralischen Sätzen, die von den Eltern, Lehrern, Pfarrern, Regierenden übernommen wird und wesentlich zur Unterdrückung des Ich dient. Kant sah in dem menschlichen Gewissen die Instanz, die der menschlichen Person ein quasi-göttliches Du sollst zurufe. Du sollst gut sein, du sollst moralisch handeln, du sollst so handeln, dass dein persönliches Tun auch das Gesetz für die Menschheit sein kann. Es ist die preußische Pflicht des Menschen, auf die Gebote des Gewissens zu hören und ihm zu gehorchen. Allerdings muss man unterscheiden zwischen einem feinen, geschärften Gewissen und einem irregeleiteten, abgestumpften Gewissen. Durch Aneignung falscher moralischer Gebote durch Ideologien und Häresien und durch beharrliches Sündigen wird das Gewissen irregeleitet. Ein feines Gewissen ist an der Autorität der Gebote Gottes und der Kirche orientiert. So kann der Mensch in der Stimme seines Gewissens die innere Stimme Gottes erkennen. Diese innere Stimme eines feinen Gewissens führte John Henry Newman von der Häresie des anglikanischen Protestantismus zur vollen Wahrheit der römisch-katholischen Kirche. Darum sagte der selige Kardinal Newman auch: Wenn ich einen Toast ausbringen sollte, so als erstes auf das Gewissen und als zweites auf den Papst. Er meinte damit nicht, dass ein feines Gewissen eine andere Lehrautorität sei als die Lehrautorität der Hierarchie der Kirche Gottes, sondern dass es die innere Stimme Gottes zuerst war, die ihn zur Anerkennung des Papstes als der Stimme Christi auf Erden führte. Ich denke, so wie es nach Platon einen Weltkörper und eine Weltseele gibt, nach Hegel und den Stoikern einen Weltgeist, nach Heidegger eine Weltnacht, so will ich sagen, dass es ein Weltgewissen gibt, dass sich im Stellvertreter Christi auf dem Thron Petri ausspricht.


GLAUBE

Der christliche Glaube hat zwei Dimensionen, eine objektive und eine subjektive. Die objektive Dimension ist der Glaubensgehorsam: Ich nehme alles an, was Gott von sich selbst offenbart und der Kirche anvertraut hat. Die subjektive Dimension ist die persönliche Begegnung mit Jesus: Jesus, ich vertraue auf dich. Luthers Irrlehre war das sola fides, der Glaube allein rettet. So schrieb Luther an Melanchthon angesichts der Bauernkriege: „Sündige tapfer! Aber glaube tapferer!“ Dagegen spricht Jesus im Gleichnis vom Weltgericht, dass die Menschen nach ihren Werken der Liebe gerettet werden. Im Jakobusbrief, den Luther gern aus dem Kanon entfernt hätte, steht, dass Glaube ohne Werke tot ist. So lehrt die katholische Kirche, dass Glaube und Liebeswerke notwendig sind zur Erlangung des Heils. Bei der Marienerscheinung von Fatima 1917 lehrte der Engel von Portugal das Gebet: Mein Gott, ich glaube an dich, und ich bitte dich um Verzeihung für alle, die nicht an dich glauben. So treten die Glaubenden vor Gott für die Nichtglaubenden ein. Im Kult der göttlichen Barmherzigkeit nach der heiligen Faustyna wird dies Stoßgebet empfohlen: Jesus, ich vertraue auf dich! Glaube ist also Vertrauen. Credo, der Glaube, und credere, glauben, kommt von cor, das Herz. Glaube heißt: das Herz hingeben. So sagt Frau Weisheit zu Salomo im Buch der Sprüche: Gib mir dein Herz, mein Sohn. Martin Luther sprach vom Glauben allein auch in Abgrenzung zur Vernunft. Er lehnte die christliche Philosophie ab und nannte „Fraw klüglin eyne hur“. Die katholische Theologie und besonders die von Benedikt XVI betont das Zusammenwirken von Glaube und Vernunft, fides et ratio. Der Glaube ohne Vernunft wird zum Fundamentalismus (wie im evangelikalen Biblizismus und Fideismus) oder gar zum Fanatismus (wie im radikalen Islam). Die Vernunft aber ohne Glaube bleibt beschränkt und unerleuchtet (wie bei la déesse raison der französischen Freimaurer und im postmodernen Atheismus). Die Jungfrau Maria sagte in Medogorje: Es gibt nur einen wahren Gott, einen wahren Glauben und eine wahre Kirche. Der eine wahre Gott ist die Allerheiligste Dreifaltigkeit, der eine wahre Glaube ist die christkatholische Religion, die eine wahre Kirche ist die römisch-katholische Kirche. Die Habsburger wie Kaiser Karl V und Kaiserin Maria Theresia wollten das Konzept verwirklichen: Ein Reich, ein Glaube. Mit der Kirchenspaltung der Orthodoxie und der Glaubensspaltung des Protestantismus verlor das Abendland seine Glaubens-Einheit. Die gegenwärtige Welt Anfang des Dritten Jahrtausends ist, wie die Gottesmutter sagt, voller Ketzereien. Der kleine Haufen der Recht-Gläubigen ist umgeben von Unglauben (Agnostizismus und Atheismus), Irrglauben (einer Unzahl häretisch-christlicher Sekten) und Aberglauben (Esoterik und Neuheidentum).


GLÜCKSELIGKEIT

Eudämonie, Glückseligkeit oder das wahrhaft glückliche Leben, wars, was die Griechen suchten. Epikur hielt die Welt für zufällig aus Atomen entstanden, die Götter kümmerten sich nicht um die Menschen, und vorm Tode brauche man sich nicht zu fürchten, denn dann sei man ja nicht mehr. Das rein zeitlich-irdische Glück sah er im maßvollen Genuss und Wohlleben und in den Freuden der Freundschaft. Dies scheint die Philosophie unserer heutigen Zeit zu sein. Die Kirchenväter nannten solche Leute epikuräische Säue. Aristoteles sah die Eudämonie in dem Tugendleben. Wer Gerechtigkeit, Klugheit, Mäßigung und Starkmut habe, sei glücklich. Ja, selbst wer aufgrund seiner Tugend zu leiden habe, sei glücklich. Irdischgesinnte halten dieses Paradox für Torheit, aber sagt nicht auch Jesus so in den Seligpreisungen: Wenn sie euch verfolgen um Christi willen, dann jubelt!? Die Tugendlehre des Aristoteles als wahrer Weg zur Eudämonie übernahmen die Stoiker: Ein moralisches Leben, ein vernünftiges Leben ist ein gutes, glückliches Leben. Jesus, die Weisheit Gottes, Jesus, der Philosoph, stellt sein Konzept von Eudämonie in den acht Seligpreisungen vor: Selig ist, wer wie Jesus denkt und leidet und lebt, denn ihm gehört das Himmelreich und er wird Gott schauen. Hier erstmals geht es um transzendente Eudämonie. Boethius beschreibt in seinem Trost der Philosophie, wie ihn im Kerker eine schöne Frau besucht, das ist die Philosophie, die ihm verkündet, alle Menschen seien für die Glückseligkeit geschaffen, alle Menschen erstreben sie, aber sie sei allein in Gott zu finden. Ein italienischer Renaissance-Philosoph, dessen Namen ich vergessen habe, meinte, die christliche Philosophie verbinde Epikur und die Stoa, denn sie lehre erstens die Tugenden, nämlich die vier Kardinaltugenden und die drei göttlichen Tugenden, und verspreche am Ende dieses Weges ein transzendent-epikuräisches Paradies mit schönstem Genießen Gottes und der vollkommenen Freundschaft mit Gott. Dieser himmlisch-epikuräische Garten erinnert an den Glückseligkeits-Traum Mohammeds, der einem Haschisch-Traum der Assassinen ähnelt, nämlich dem Garten Eden mit den ewig-jungfräulichen Huris, bereit zum Beischlaf, den Knaben, die besten Wein bringen und gebratenes Geflügel, nur Allah ist nicht gegenwärtig. Dagegen die christliche Hoffnung geht über diese himmlische Immanenz der Mohammedaner hinaus. Paulus nennt Gott den glückseligen Gott. Die Glückseligkeit der Christen besteht in der Vereinigung mit dem glückseligen Gott und der Vergöttlichung, so dass die Erlösten wie Götter und Göttinnen in Ewigkeit das Leben des glückseligen Gottes leben.


GNOSIS

Die Gnostiker lasen die Bibel, aber gegen den Strich. Ihre Tradition begründeten sie auf die Schlange in Eden, auf Kain, auf Judas Iskarioth. Freischwebende Spekulation waren ihre Ideen von himmlischen Wesenheiten oder Hypostasen oder Pleromen oder Äonen, die Hochzeiten eingingen und neue Wesenheiten zeugten. Dem Ewigen Vater gesellten sie die Mutter des Schweigens, den Äon Christus vermählten sie mit Sophia. So sind die Himmel bevölkert mit vielen göttlichen Wesen, so dass man von einem spiritistischen Polytheismus sprechen kann. Sophia war ihnen nicht die göttliche Weisheit, sondern ein himmlisches Wesen, dass im Himmel einen Sündenfall beging und zur Strafe in die dunkle Materie kam, woraus sie der himmlische Christus erlösen muss, dass sie wieder unberührt von Materie in ihren himmlischen Sitz zurückkehrt. Der Gott des Alten Bundes, der Schöpfer, der Gott Israels, Sabaoth war für sie ein niedriger böser Gott, der eine böse materielle Welt geschaffen hat, und der nicht identisch sei mit dem guten Vater Jesu, der in überhimmlischer Ferne als reiner Geist lebe. Diesen reinen Geist erkennen nur die gnostischen Geistmenschen, Pneumatiker, die die Schöpfung absolut verachten und darum auch, ohne ihren Geist zu beflecken, auf Erden Vielweiberei und Unzucht und Hurerei treiben konnten. Diese Pneumatiker erlösen sich selbst durch Erkenntnis des himmlischen Ursprungs ihrer Seele. Dagegen die Sinnesmenschen oder Somatiker, die Kirchenchristen, durch den Glauben erlöst werden möchten, aber Unwissende sind. Eine große Strömung der Gnosis, vermischt mit altpersischem Dualismus eines guten und eines bösen Gottes, war der Manichäismus, dem Augustinus in seiner Jugend anhing, den er später in seinen Bekenntnissen entlarvte. Im Mittelalter erstand die Gnosis wieder in den Katharern oder Albigensern, die den Dualismus von Licht und Finsternis, Geist und Materie lehrten. Diesen traten vor allem die dominikanischen Predigerbrüder entgegen, mit dem Rosenkranz als Waffe in der Hand. Im zwanzigsten Jahrhundert lebte die Gnosis wieder auf in Theosophie und Anthroposophie und feiert in der postmodernen Esoterik des New Age fröhlich ihren Triumph. Die Gnosis war schon den Aposteln bekannt. Paulus sagte: Hütet euch vor der Gnosis! Johannes nennt sie Antichristen.


GOTT

Im indischen Veda (Wissen) ist der Hauptgott Indra, der als Himmelsgott und als Wettergott präsentiert wird, dem das Soma geopfert wird, damit er seinen Anbetern irdische Segnungen schenke. In den Upanishaden ist das Brahman die Gottheit, die ganz Geist ist, der alles ist. Des Menschen Geist oder Athman (Atem) wird erlöst durch die Erkenntnis, dass er eins ist mit Gott: Ich bin du. Im chinesischen Altertum wurde Shang Di verehrt, der Kaiser des Himmels, eine Apotheose des chinesischen Kaisers. Später wurde der Himmel (Tien) als unpersönlicher Gott oder als persönlicher Gott verehrt. Das Tao der alten Chinesen ist dem Logos der griechischen und johanneischen Philosophie verwandt. Im alten Ägypten wurde im Wesentlichen die Sonne als Gott verehrt, die meisten der verschiedenen Götter sind nur verschiedene Stationen der Sonne. Bei den alten Afrikanern und bei den alten Indianern gab es die Idee eines höchsten und guten Gottes des Himmels und Schöpfers, der viele Götter und Geister und Dämonen unter sich hatte, selbst aber wenig bekannt war und durch die Verehrung der Götter mittelbar verehrt wurde. Platon sah Gott als das Höchste Gute, die Wahrheit und Schönheit. Für Aristoteles war Gott die Erstursache und das Ziel aller Wesen, der unbewegte Beweger, der geliebt werden kann, aber selbst nicht liebt. Die Stoa sah Gott, den sie Zeus oder Nous oder Logos nannten, als die immanente Gottheit, das Innere der Natur und menschlichen Vernunft. Plotin nannte Gott den Einen, der über Sein und Nichtsein steht, unbeschreiblich ist und nur durch mystische Ekstase erkannt werden kann. Im alten Rom wurde der römische Kaiser durch eine Apotheose zum Gott. Im Alten Testament ist Gott in der Thora der Schöpfer, der Befreier, der Gott, der einen Bund mit seinem auserwählten Volk Israel schloss. Bei den Propheten ist Jahwe der Bräutigam der Jungfrau Israel. Im Neuen Testament ist Jesus der menschgewordene Gott, der das Wesen der Gottheit als Dreifaltigkeit von Vater und Sohn und Heiligem Geist offenbart. Der Apostel Johannes fasst die biblische Offenbarung zusammen in dem Satz: Gott ist Liebe! Diesen Gott sprach Augustinus in seinen Bekenntnissen als Herrn an, den Geliebten und Vertrauten seiner Seele. Dionysios Areopagita nennt Gott die Urgottheit oder Urschönheit. Mohammed im Koran verkündet Gott als allbarmherzig, allmächtig und allweise, leugnet aber die Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes. In der Scholastik schuf Thomas von Aquin in seiner Summe der Theologie eine umfassende katholische Gotteslehre. Bonaventura schilderte die Himmelsleiter der natürlichen Erkenntnis Gottes, so dass der Mensch die Einheit und Gutheit Gottes erkennen kann, aber erst durch das Eingreifen der göttlichen Liebe in der Ekstase erkennt der Mensch die Wahrheit Gottes. In der jüdischen Kabbala des 13. Jahrhunderts offenbart sich der an sich unerkennbare Gott (en-soph) in seinen zehn Hypostasen (Sephirot). Martin Luther glaubte, dass Gott, der Gute, das Böse tue, um Besseres zu bewirken. So muss Gott erst noch zum Teufel werden. Hegel sagte darum, Luzifer sei die vierte Person der Gottheit. Calvin sah Gott als gut und böse, der als guter Gott manche Menschen fürs Paradies vorherbestimme und als böser Gott manche Menschen zur ewigen Hölle vorherbestimme. Der vom Judentum abgefallene Spinoza sagte, Gott sei die Substanz von allem, Gott sei alles. Goethe nannte das Gott-Natur. Kant leugnete die Möglichkeit einer Gotteserkenntnis, empfahl aber, so zu tun, als ob es Gott gäbe, um tugendhaft zu leben. Hegel sagte, Gott müsse erst Welt werden und dann im Menschen, im Philosophen sich seiner selbst bewusst werden als Weltgeist. Heine sagte, so werde der Mensch zum Erlöser Gottes. Feuerbach nannte Gott nur eine Projektion des Menschen, einen schönen Wunschtraum. Hegels Dialektik und Feuerbachs Materialismus vermischt, ergab die kommunistische Philosophie: den militanten Atheismus. Nietzsche verkündete: Gott ist tot und wir haben ihn umgebracht! In der Folge von kommunistischer und nihilistischer Philosophie wurden im zwanzigsten Jahrhundert Tyrannen und Massenmörder wie Stalin, Hitler und Mao zu Göttern erklärt. Adorno sagte, nach Auschwitz könne man nicht mehr über Gott sprechen. Die religiöse Sehnsucht des postmodernen Menschen schuf sich neue Götter, in der Esoterik des New Age wird Gott als das Universum und als die kosmische Energie magisch beschworen, und im Neuheidentum werden wieder die vorchristlichen Gestirn- und Naturgötter angerufen.


GUTES

Die Lehre von Yin und Yang als die Lehre von der Komplementarität von Licht und Dunkel, Geist und Natur, Mann und Frau wird heute so verstanden, als seien Gut und Böse auch nur zwei Seiten einer Medaille, als ergänzen sie einander. So wird in der Christologie des New Age Satan der Bruder von Jesus genannt. So bezeichnete C.G. Jung Luzifer als vierte Person der Dreifaltigkeit. Platon aber sah das Höchste Wesen als die Dreifaltigkeit von Gutheit, Wahrheit und Schönheit. Ihm war die Gottheit identisch mit der Gutheit. Dagegen die pseudochristliche Gnosis sprach von dem Gott Israels, dem Schöpfer, dem Herrn Sabaoth als dem bösen Gott, dem Schöpfer einer bösen materiellen Welt und des fleischlichen Menschen, und unterschied den bösen Schöpfergott von dem Vater Jesu. In der Genesis des heiligen Mose dagegen schuf Gott die Welt und sah, dass sie gut war, und schuf die Menschen als Mann und Frau und sah, dass dies sehr gut war. Der biblische Gott ist also der gute Schöpfer einer guten Schöpfung und einer sehr guten Menschheit. Ein Jüngling nannte den Herrn Jesus einmal guter Meister, und Jesus sagte: Warum nennst du mich gut? Nur Einer ist gut, nämlich Gott. Gott ist also nach Platon, nach Moses und nach Jesus der Gute. Boethius dachte in seinem Trost der Jungfrau Philosophia über das Böse nach und sagte, es habe eigentlich kein Wesen, keine Substanz, sondern sei nur der Mangel des Guten. Hölderlin sagte: Dass das Böse Nichts ist, das befreiefe mir einer wie der Adler den Raub. Die Kabbala dagegen sprach von dem Bösen in der Welt als der Frucht des Zornes Gottes. Der mystische Urmensch Adam Kadmon trage in sich die zehn Sephirot oder Hypostasen Gottes als Selbstoffenbarungen der unergründlichen Gottheit, und zwar in seiner einen Seite die guten Aspekte Gottes, die aus seiner Liebe fließen, und auf der anderen Seite die bösen Aspekte Gottes, die aus seinem Zorn fließen. Auch Luther sah das Böse in Gott: Gott tue das Böse, um in dessen Überwindung das Gute triumphieren zu lassen. Luthers werdender Gott muss erst zum Teufel werden, um wahrhaft Gott zu werden. Hegel als Student der evangelischen Theologie nannte darum Luzifer die vierte Person der Dreifaltigkeit. Die Heidengötter und Göttinnen waren immer sowohl gut als auch schrecklich und böse. Dieses heidnische Konzept des guten und bösen Gottes ist in die Kabbala und die protestantische Theologie eingeflossen, es bleibt aber Heidentum. Der Gott der Bibel dagegen ist der gute Schöpfer einer guten Welt, der gute Vater Jesu, reines Licht, in dem keine Finsternis ist, Gott ist das Höchste Gut, das Gute an sich. Jesus sagte in seiner Rede vom Weltgericht, dass der Mensch im Gericht nach seinen guten oder bösen Werken gerichtet wird. Böse Werke sind dabei auch einfach die Unterlassung guter Werke. Kant übernahm von Moses und Jesus in seiner praktischen Vernunft den kategorischen Imperativ: Die spekulativ angenommene Gottheit spricht im Gewissen der menschlichen Vernunft den kategorischen Imperativ und die moralische Pflicht aus: Sei gut! Nietzsche sah in Kants Verpflichtung zum Gutsein den Gott des Moses verborgen, den er ablehnte. Nietzsche verkehrte die Werte von Gut und Böse, wie sie vom Platonismus und der jüdisch-christlichen Ethik aufgestellt worden waren, und nannte seinen eigenen moralischen Imperativ nicht: Sei gut, sondern: Sei mächtig und lebenstüchtig. Diese nihilistische Verkehrung von Gut und Böse führte im zwanzigsten Jahrhundert zum Triumph satanischer Ideologien und des atheistischen und neuheidnischen Totalitarismus. In der heutigen neuheidnischen Philosophie des New Age wird weiterhin gut und böse, süß und bitter, Licht und Finsternis vertauscht. Das Zeitalter des Christentums wird ein Zeitalter der Kriege genannt, dagegen das neue Zeitalter des Lichtbringers Luzifer ein Zeitalter universaler Liebe und Friedens. So spottet der Zeitgeist: Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen überall hin. Aber der absolut gute Gott lässt sich nicht spotten, sondern wird Gute und Böse richten.


HAGIA SOPHIA

Sophia oder Weisheit ist das, was die Chinesen suchen, sie nennen es Tao, und Lao Tse nennt Tao die Mutter der zehntausend Wesen, das Geheimnis des Weiblichen, das unaussprechliche Geheimnis, das Urbild aller Bilder. In der chinesischen Bibel ist der Logos des Johannesprologs mit Tao übersetzt. Konfuzius, Menzius, Mo Ti, Lao Tse, Tschuang Tse und Liä Dsi waren allesamt Diener des Tao. Das griechische Wort für Weisheit, Sophia, bezeichnet ursprünglich die Geschicklichkeit des Zimmermannes. Das ist interessant, denn Jesus, die menschgewordene Weisheit Gottes, war Zimmermann. Pindar, der Poet und Prophet, spricht von der Sophia des Künstlers, sie ist seine Muse, seine Inspiration, die ihn zum Propheten macht. Denn Pindar war nicht ein einfacher Poet, der mit Versmaß und Reim spielte, sondern ein Poet und Seher, wie später Dante, John Milton, Klopstock und Hölderlin. Das ist die Sophia der Poeten. Die größte Verehrung findet Sophia in der Heiligen Schrift, vor allem in den Weisheitsschriften des Alten Testaments. Wenn die Bibel mit dem Wort Bereshit, en arche, im Anfang beginnt, sagen die Rabbinen, dieses Bereshit ist das Urprinz aller Schöpfung, in Bereshit ist alles geschaffen, und dies ist in Sophia. Die wichtigsten Stellen über Sophia sind die ersten neun Kapitel der Sprüche Salomos, vor allem das achte Kapitel, das siebente bis zehnte Kapitel des Buches der Weisheit, das vierundzwanzigste und einundfünfzigste Kapitel des Jesus Sirach, das dritte Kapitel des Baruch und das achtundzwanzigste Kapitel des Hiob.. Hier wird Sophia mit Jahwe identifiziert, denn wie Jahwe ist sie die Retterin Israels im Exodus. Sie wird als die Schöpferin bezeichnet, aber auch als die Erstgeborene der Schöpfung, die vor aller Schöpfung war. Sie wird Throngenossin Gottes, Liebling Gottes, Hätschelkind Gottes genannt. Sie ist die Werkmeisterin oder Architektin des Universums. Ihre Wonne ist es, bei den Menschensöhnen zu sein. Sie war bei Adam, dem ersten Menschen, in seiner Einsamkeit. Sie war bei Abraham, der seinen Sohn hingeben musste. Sie war bei Jakob, der vierzehn Jahre um eine Frau diente. Sie war bei Josef, der prophetische Träume hatte. Sie war bei Moses, der Israel aus Ägypten führte. Salomo gewann ihre Schönheit lieb und wollte sie als Braut heimführen. Er erbat sie von Gott. Mit ihr kommen zu Salomo alle Gaben der Naturerkenntnis und alle Tugenden und Künste und irdische Wohlfahrt. Die Ehe mit ihr bringt keinen Verdruss und keinen Liebeskummer, sondern lauter Wonnen. Sie prüft den Menschen, ob er ihrer würdig ist. Und wenn er ihre Prüfungen besteht, offenbart sie ihm ihre Geheimnisse. Sie kommt zu dem Schriftgelehrten wie eine liebende Mutter und eine junge Braut. Dem Schriftgelehrten ist sie die Ehefrau, das Weib seiner Jugend, einzig an ihren Brüsten soll er sich berauschen. Sie, die aus dem Munde Gottes kommt, die von Gott gezeugt ist, suchte eine Wohnstatt in allen Völkern, fand schließlich ihre Wohnstatt in Israel und diente im heiligen Zelt und war Liturgin im Salomonischen Tempel. Aber ihre Macht erstreckt sich von einem Ende des Alls zum anderen, sie ist ein Ausfluss des Lichtes Gottes, eine Emanation der Kraft Gottes, ein Spiegel der Herrlichkeit des Herrn, und sie ist unbefleckt, makellos, rein, pur und heilig und geht in Seelen ein und macht sie zu Freunden der Gottheit und zu Propheten. Sie ist die himmlische Sophia, die Sophia von oben, die friedlich ist, wie Jakobus sie nennt. Paulus sagt: Christus ist die Sophia Gottes. Ihre Gegenspielerin ist Frau Torheit. There is a war between Lady Wisdom and Dame Folly. Die Gegenspielerin Sophias ist Moria. Das ist in etwa die biblische Vision von Sophia. Sophia wird identifiziert mit Jahwe und mit Jesus. Anders ist die gnostische Idee von Sophia, denn hier ist sie nicht die Throngenossin Gottes, sondern ein im himmlischen Sündenfall aus der Gnade gefallenes himmlisches Wesen, das zur Strafe für ihre undefinierte Stünde in die Materie fiel und dort als Sünderin und Hure herum irrte, mehrmals inkarnierte, etwa als Helena von Sparta, bis Simon Magus, der von den Aposteln verfluchte, in Tyrus in einem Bordell Sophia als die Hure Helena fand, die heilige Hochzeit mit ihr zelebrierte und sie so erlöste. Manchmal wartet Sophia, die Hure, auch auf den himmlischen Äon Christus als ihren Bräutigam und Erlöser. Natürlich ist dieser gnostische Christus nicht der gekreuzigte Jesus von Nazareth, sondern ein anderer Christus. Im Grunde ist diese Gnosis eine Blasphemie, die Gottheit Sophia wird hier zur Sünderin, zur Hure erniedrigt. Der Kirchenvater Augustinus dagegen suchte, inspiriert von Cicero, die Weisheit von Jugend an, suchte sie erst im Manichäismus, fand sie in der katholischen Kirche und nannte sie die Sophia des Vaters, die Sophia des Sohnes, die Sophia des Heiligen Geistes. Boethius in seinem Buch vom Trost der Philosophie beschreibt, wie er im Gefängnis eine Vision der himmlischen Jungfrau Sophia hatte, die ihn belehrte über das Nichtwesen des Bösen und das Höchste Gut der Glückseligkeit. Im Talmud der jüdischen Rabbinen wird die Frau Weisheit der Bibel mit der Jungfrau Torah identifiziert. Sie ist die Tochter Gottes, die himmlische Prinzessin. Der ewige König Gott sucht einen Bräutigam für seine Tochter und offenbart dem Schriftgelehrten die Jungfrau Torah, mit der er die mystische Ehe eingeht und so zum Baal-Shem wird, zum Ehemann des Namens. Die Jungfrau Torah ist eine Ehefrau, die immer jugendlich und immer frisch und reizvoll ist. Die Rabbinen identifizieren Frau Weisheit aber auch mit der Schechinah, der Einwohnung Gottes in der Schöpfung. Die Schechinah war Braut Adams im Paradies, sie wurde von Jakob auf der Himmelstreppe gesehen, sie begleitete Josef nach Ägypten und war die mystische Braut des Moses und führte die Kinder Israel ins Gelobte Land. Auch die Kabbala des dreizehnten Jahrhunderts spricht von der Schechinah. Die unergründliche Gottheit En-Soph offenbart sich in zehn Sephirot oder Hypostasen, deren zehnte ist Schechinah, die Einwohnung Gottes in der Schöpfung oder das Königreich der Himmel, Malkuth. Diese wird Prinzessin und Matrone genannt und führt die Kinder Israel dem Messias entgegen. Die obersten Sephirot des En-Soph sind nach der Kether das Paar Chokmah (Weisheit) und Bina (Vernunft). Hier wird die Weisheit allerdings dem väterlichen und die Vernunft dem mütterlichen Prinzip zugeordnet. Die Frage ist, ob der Begriff En-Soph etymologisch mit Sophia und mit der indoarischen Ursilbe Sopht verbunden ist, was der göttliche Gedanke vor der Schöpfung ist. Zur selben Zeit wie die Kabbala dichtete Dante seine göttliche Komödie. Wie dem Boethius die himmlische Philosophia als Lehrerin erscheint, so erscheint dem Dante die himmlische Geliebte Beatrice als Lehrerin der Wahrheit, eigentlich als eine poetische Personifikation der Weisheit der Kirche. Auch Hildegard von Bingen, die deutsche Prophetin, sah in himmlischen Visionen Sophia, lateinisch Sapientia, als ein göttlich-weibliches Wesen. Diese Sapientia Divina sprach durch Johannes den Täufer, durch Jesus, und spricht durch die Kirche. Die Weisheit der Kirche ist die Heilige Schrift, die Tradition und der apostolische Lehrstuhl. Zum Studium der Weisheit der Kirche gehört neben dem Studium der Bibel das Studium der Kirchenväter, der Päpste, der Heiligen, der Kirchenlehrer und der Mystiker und der Frömmigkeit des Volkes. Der selige Heinrich Seuse hatte eine Vision der Frau Weisheit, als im Kloster aus den Salomonischen Büchern der Bibel vorgelesen wurde. Frau Weisheit erschien dem jungen Mönch als wunderschöne Minnedame, er wurde ihr Minne-Mönch, der ihr in geistlicher Minne diente, sie verlobte sich mit ihm und sagte, er habe nur Schmerzen in irdischer Minne gefunden, weil sie ihn für die Hochzeit mit sich selbst bereitet hat. Später verwandelte sie sich in den gekreuzigten Christus und unterwies ihn in katholischer Leidensmystik. Jakob Böhme, der teutonische Philosoph, der als Mystiker von der lutherischen Amtskirche verketzert wurde, hatte Visionen von der himmlischen Jungfrau Sophia. Seine Theologie ist nicht ganz deutlich. Einerseits spricht er von dem Zeugen von Vater und Sohn und Heiligem Geist und dass sich dann die Dreifaltigkeit im Spiegel der himmlischen Sophia beschaute. Andererseits identifiziert er Sophia mit Christus. Er spekulierte über den androgynen Urmenschen Adam, der mit Sophia vermählt war, aber sich von ihr abwandte und sich Eva zuwandte. Da war Adam kein androgyner Urmensch mehr, sondern ein Mann und Eva seine Frau. Die Sehnsucht des Menschen geht aber wieder zur androgynen Ganzheit, darum die irdische Frau Eva sich mit dem himmlischen Jesus vermählt und der irdische Mann Adam sich mit der himmlischen Jungfrau Sophia vermählt. Sophia verlobte sich mit Jakob Böhme und versprach ihm, im himmlischen Paradies die Ehe zu vollziehen und ihm ihre Perle hinzugeben. Der katholische Heilige Ludwig Maria Grignion von Montfort, ein Franzose der Barockzeit, schrieb über die Ewige Weisheit und identifizierte sie mit der zweiten Person der göttlichen Dreifaltigkeit, also dem Logos oder Christus, und nannte Jesus die menschgewordene Ewige Weisheit, nannte die Ewige Weisheit aber auch Himmelskönigin und Idee der Schönheit. Der Schwerpunkt seiner Mystik lag aber auf der totalen Hingabe an die Jungfrau Maria. Diese marianische Mystik prägte später Papst Johannes Paul II. Der Pietist Gottfried Arnold beschrieb die göttliche Sophia nach den Zeugnissen der Heiligen Schrift und in umfassender Kenntnis des Zeugnisses der Kirchenväter. Er beschrieb sein Verhältnis zu Sophia als ein erstes Grüßen, einen ersten Kuss, eine erste Umarmung, ein Verlöbnis und eine geistliche Ehe und mystische Vereinigung. Er allein sah die mystische Bedeutung des Hohen Liedes Salomo in der mystischen Ehe von göttlicher Sophia-Sulamith mit dem irdischen Menschen-Salomo. Darüber schrieb er auch Liebesgedichte. In der Zeit des deutschen Idealismus, Kant, Fichte, Hegel und Schelling, war der katholische Naturphilosoph Franz von Baader ein Verehrer der Sophia. In seiner erotischen Philosophie geht es wie bei Jakob Böhme um die Wiederherstellung der androgynen Menschheit. Inspiriert von Jakob Böhme und Schelling entwickelte das junge Genie Novalis seine Naturmystik, und da seine tote Geliebte Sophie hieß, diente er Christus und Sophie. Der französische Mystiker Saint Martin war ein weiterer Verehrer der Sophia. Ende des 19. Jahrhunderts hatte der russisch-orthodoxe Religionsphilosoph Wladimir Solowjew drei Visionen der himmlischen Sophia, die er seine geheime Freundin nannte. Er identifizierte sie aber nicht eigentlich mit der Dreifaltigkeit oder Christus im Speziellen, auch nicht mit der Jungfrau Maria, sondern sah sie als verklärte Weltseele und Idee des von ihm entwickelten Gottmenschentums (in Abgrenzung zu Nietzsches Übermenschentum als Prinzip des Antichrist). Solowjew als eigenständiger christlicher Denker hat Elemente des Gnostizismus, wie das der gefallenen Weltseele, in sein Denken aufgenommen. Der russische Lyriker Alexander Blok hat Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die Sophia von Solowjew in seine Schöne Dame verwandelt, deren Minnesänger er war. Im zwanzigsten Jahrhundert entwickelte der Denker Otfried Ebertz in seinem Buch Logos und Sophia eine eigenwillige neuheidnische oder mythologische Sophiologie. Wie in den mythischen Paaren von Inanna und Dumuzi, Isis und Osiris, Kybele und Atthis, Aphrodite und Adonis sah er das Paar von Logos und Sophia als Gott und Göttin. Dabei ist das feminine Prinzip das vorherrschende. Der Logos ist der Bundesgott der Männer, die Sophia die Bundesgöttin der Frauen. Die Göttin Sophia kann aber nicht von Hausmüttern in der Kinderstube erkannt werden, aber die Göttin hat Priesterinnen, die ihr als Jungfrauen im Nonnenkloster dienen und die Lehren der Göttin studieren. Otfried Ebertz wahrsagte die Wiederkehr der Göttin und ihres Geliebten und die Rückkehr des Matriarchats als das Reich der Göttin Sophia (die streng anti-jahwistisch ist). Rudolf Steiner in seiner synkretistischen Anthroposophie, einer Mischung aus Gnostizismus und heidnischen Mysterien, nannte Sophia die verschleierte Isis, die die Partnerin des himmlischen Christus-Sonnengeistes ist, welcher wiederum nicht der gekreuzigte Jesus von Nazareth des Christentums ist. Vater Sergej Bulgakow, ein russisch-orthodoxer Priester, der vor dem militanten Atheismus der Bolschewiki nach Paris fliehen musste, aber von der Orthodoxie der russischen Kirche ebenso verketzert wurde wie einst Jakob Böhme von der lutherischen Nationalkirche, entwickelte eine Sophiologie, da er den Gedanken von Augustinus aufgriff und von der Sophia des Vaters und Schöpfers und der Sophia des Sohnes und Erlösers und der Sophia des Heiligen Geistes und Parakleten sprach, indem er das kirchliche Dogma von der Einen Natur der Gottheit in den drei Personen dahin deutete, dass der Vater und der Sohn und der Heilige Geist die drei Personen, aber Sophia die Eine göttliche Natur der Gottheit bezeichnet. Somit ist Sophia, genannt the divine feminine, die Eine Gottheit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. In der esoterischen Bewegung des New Age wird im Wesentlichen nur die alte gnostische Sophia, besonders anhand der Nag-Hammadi-Schriften, gefeiert, in Abgrenzung zur biblischen Sophia. Der Dichter Torsten Schwanke alias Peter Torstein Schwanke alias Josef Maria Mayer alias Josef Maria von der Ewigen Weisheit hat als philosophierender Dichter im 21. Jahrhundert die göttliche Sophia in Poesie und Prosa verherrlicht.


HEDONISMUS

Epikur hatte eine materialistische Naturphilosophie (die Lukrez in seinem Epos Von der Natur der Dinge darstellt), er übernahm den Atomismus des Demokrit, den Evolutionismus des Altertums, der Mensch habe sich nicht zu bekümmern um die Götter und die Unsterblichkeit der Seele, sondern das Höchste Gut des Menschen ist der maßvolle Genuss. Aristipp, der Sokratesschüler, nannte die Lust (Hedoné) das Höchste Gut. Der Philosoph solle darum nicht heiraten, sondern lieber zu einer Hetäre gehen, wie Aristipp zu Lais ging, aber sich nicht von einer Frau beherrschen lassen. Seine Tochter setzte seine hedonistische Philosophie fort. Wieland hat in seinem Briefroman Aristipp und seine Zeitgenossen diese Philosophie der Lust entwickelt. In der römischen Antike war Ovid am meisten von der Lust-Philosophie geprägt. Der schon erwähnte Wieland verwandelte sich vom seraphischen Platoniker zum Sensualisten und Hedoniker. Der junge Puschkin nannte sich auch einen Jünger Epikurs und Aristipps. Byron nannte die Philosophie des englischen Sensualismus den Höhepunkt der Philosophie, eines großen Mannes große Dummheit. Wenn man in Bachofens Mutterrecht von der Hetärenkultur liest, dem Sumpf der Sinnlichkeit, da Aphrodite und Dionysos herrschen, die Göttin des Sex und der Gott des Rauschgifts, erinnert man sich an die neomarxistische Kulturrevolution von 1968 mit ihrem Sexualkommunismus, der Freien Liebe, der Pornographie und der Verherrlichung der Drogen. In den alten Kulten des Dionysos war die Orgie eine kulturelle Ausnahme. Die Sexualkommunisten aber wollen eine immerwährende Orgie von sex and drugs and rock‘n‘roll. Das ist Luther: Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang. Die Frauenmode des Hedonismus schuf erst die langen Kleider ab und setzte die blue jeans an deren Stelle, ersetzte dann die Frauenhosen durch den Minirock, bis die Sängerinnen und Tänzerinnen öffentlich in Spitzenunterwäsche auftraten und jede amerikanische Filmschauspielerin ihre Nacktfotos öffentlich macht. Das ist die vollkommen hedonistische Kultur, eine Kultur des Untergangs. Die sogenannte Spaßgesellschaft bringt die ganze dekadente Torheit des Hedonismus zum Ausdruck.


HERAKLIT

Heraklit, der dunkle, widmete seine Philosophie der Muttergöttin Artemis von Ephesos, deren Tempel in der Antike als ein Weltwunder galt. Er entwickelte die Naturphilosophie des Werdens. In der Natur ist ein ewiges Werden und Vergehen. Alles fließt. Nichts bleibt. Der Krieg (die Auflösung der Elemente) ist der Vater aller Dinge. Sein Gegenspieler war Parmenides, der die Philosophie des Seins entwickelte. Es gibt nicht Werden und Vergehen, es gibt nicht das Viele, sondern nur das Eine, das absolute Sein. Heidegger nannte Parmenides den ersten Philosophen des Seins. Aber Heraklit war von großer Nachwirkung auf Philosophie und protestantische Theologie. Von Heraklits Philosophie des Werdens stammt die Idee vom werdenden Gott, die Luther entwickelte: Gott muss erst zum Teufel werden, um wahrhaft Gott zu werden. Der Aristotelismus und die Scholastik standen dagegen unter dem Einfluss der Philosophie des Seins. Der hebräische Gottesname JHWH – ICH BIN - wurde als das ewige Sein gedeutet. In der Folge von Luther entwickelte Hegel die Philosophie des werdenden Gottes weiter: Gott muss erst zur Welt werden, um dann zum wahrhaft göttlichen Weltgeist zu werden. Auch Nietzsche lehnte die Idee des Seins ab und stellte sich ganz auf die Seite des Werdens: Keine ewige Geistwelt der Idee, sondern Leben in seiner Vielheit, mit Trieben, Instinkten, Leidenschaften, das werdende Leben und dessen werdender Gott Dionysos. Auch Rilke in seinem Stundenbuch besang den werdenden Gott, nicht den Vater, sondern den Sohn, denn Er wird erst noch, ja, Gott ist nicht ewig seiend, sondern wird vom religiösen Menschen erst entwickelt, vom Dichter gebaut. Auch der Evolutionismus steht in der Nachfolge Heraklits. Wladimir Solowjew bejahte die Evolution, eine sich entwickelnde Weltseele, aber lehnte es ab, das Werden in die Gottheit zu projizieren, sondern die Gottheit sei das Ewigseiende. Aber Heraklit sah auch in all dem Vielen der Natur immanent ein Ewiges, in all dem Werden und Vergehen ein Göttlichseiendes, das er Logos nannte. In dem Werden und Vergehen ist immanent gegenwärtig der göttliche Logos. Der göttliche Logos wohnt auch tief im Innern der Seele des Menschen. Diese Philosophie des Logos wurde von der Stoa weiterentwickelt, die den Logos den der Natur innewohnenden Zeus oder Geist nannten, die Allvernunft. Diese Philosophie des Logos wurde im Prolog des Johannes-Evangeliums in der göttlichen Offenbarung in höchster Reinheit dargestellt, und Jesus Christus als der menschgewordene Logos gefeiert.


HÖCHSTES GUT

Platon nannte das Höchste Gut das Gute, das die höchste Gottheit des Philosophen war. Die drei Höchsten Güter waren Wahrheit, Schönheit und Gutheit, aber die Gutheit war die größte von ihnen. Agathon ist das Gute. Aristipp dagegen nannte das Höchste Gut die Lust. Hedone ist die Lust. Dem folgt unsere übersexualisierte Gesellschaft. Aristoteles nannte das Höchste Gut die Glückseligkeit. Das ist die Eudämonie. Es ist der Zustand eines glücklichen, guten, gelungenen Lebens. Man erreicht diese Glückseligkeit, wenn man in seinem Leben die Kardinaltugenden, Gerechtigkeit, Klugheit, Mut und Mäßigung, erfüllt. Selbst wenn der Mensch Gefühle des Unglücks hat, kann er nach Aristoteles dennoch in dem Zustand der Glückseligkeit sein. Boethius folgte Aristoteles und nannte das Höchste Gut gleichfalls die Glückseligkeit. Allerdings der Heide sprach von irdischer Glückseligkeit, der Christ von himmlischer ewiger Glückseligkeit. Wir sind von Gott zu dem einen Ziel erschaffen, nämlich, wie Petrus sagt, zum Ziel des Glaubens, zur Seligkeit der Seele. In der heutigen westeuropäischen Gesellschaft gilt als das Höchste Gut die Gesundheit. Das ist die Göttin Hygeneia. Vor allem Gesundheit! Das ist heute der allgemeine Segensspruch. Dieser Göttin der Gesundheit wird in den Tempeln der Krankenhäuser gedient. Ihre Hohepriesterschaft sind die Professoren, ihre Ministranten und Nonnen die Krankenschwestern, ihre Wallfahrten die Fernreisen zu berühmten Ärzten, ihr Fasten die Diät, ihre Mystik die esoterische Heilkunst, ihre Verheißung das ewige Leben auf Erden. Max Scheler sprach von der Wertepyramide der Güter. Das erste Gut ist das leibliche Leben, Speis und Trank, Schlaf, Sex und Gesundheit. Das nächste Gut ist das Bedürfnis nach Geselligkeit, Freundschaft und Ehe. Dann kommt das Gut der Ästhetik, Schönheit, Kunstgenuss, Kreativität. Dann kommt das Gut der Erkenntnis. Dessen Ideal ist die Weltweisheit. Zuletzt kommt das Bedürfnis nach Transzendenz, das ist Religion, Kirche, Heiligkeit, Vereinigung mit Gott. Wir sehen, dass heute die allermeisten Menschen auf der untersten Stufe stehen bleiben und im guten Essen, in der Gesundheit und im Sexgenuss ihre höchsten Werte sehen. In der katholischen Liturgie wird der Leib Christi das Höchste Gut genannt, wird besungen, angebetet und empfangen zur mystischen Vereinigung.


HOFFNUNG

Die Hoffnung wird im Christentum eine theologische oder göttliche Tugend genannt. Paulus sagt, man hofft nicht auf etwas Sichtbares, Vergängliches, sondern auf etwas Unsichtbares, Ewiges. Im Hohenlied der Liebe nennt er diese drei Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe. Der Legende nach gab es eine frühchristliche Märtyrerin namens Sophia, die drei Töchter hatte: Fides, Spes et Caritas, die alle drei das Martyrium erlitten. Der große katholische Dichter Charles Péguy schrieb ein Poem: das Geheimnis zum Tor der Hoffnung. Darin besang er drei Frauen. Fides und Caritas waren reife Frauen, leicht zugänglich. Denn wie soll man nicht glauben, da Gott so offenbar ist? Und wie soll man nicht lieben, da die Liebe von selbst kommt? Aber Spes ist ein junges Mädchen, schwer zu gewinnen. Das junge Mädchen Hoffnung kann einem wirklich nur durch eine besondere Gnade zuteil werden. Papst Benedikt XVI schrieb in seiner Amtszeit drei Enzykliken über die göttlichen Tugenden: Gott ist Liebe, das Licht des Glaubens und Gerettet durch Hoffnung. In dieser Hoffnungsenzyklika beschreibt er als das Ziel der Hoffnung die Ewigkeit als den Ozean der göttlichen Liebe. Die göttliche Tugend der Hoffnung hat nichts mit Optimismus zu tun. Der Optimist sagt: Das Glas ist halbvoll mit Wasser, der Pessimist sagt: das Glas ist halb leer. Leibnitz in seinem Optimismus nannte die Welt die beste aller möglichen Welten. Der Pessimist sagt: Ich fürchte, das ist wahr. Über Leibnitz und seinen Optimismus spottete Voltaire in seinem Candid. Schopenhauer war der Philosoph des Pessimismus. In seiner Jugend sagte er: Ich kann nicht glauben, dass dieses Jammertal von einem gütigen Gott geschaffen ist, eher von einem gequälten Teufel. Angesichts der entsetzlichen Leiden des zwanzigsten Jahrhunderts mit Konzentrationslagern der Nationalsozialisten und Arbeitslagern der Kommunismus, angesichts des Ersten und Zweiten Weltkriegs und der ständigen Bedrohung durch einen atomaren Dritten Weltkrieg, schöpfen die Katholiken Hoffnung durch das 1917 in Portugal gesprochene Wort der Gottesmutter: Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren!


HÖHLENGLEICHNIS

Platon schreibt in seiner Polis: Die Menschen leben angebunden in einer Höhle. Hinter ihnen flackert ein Feuer. Die Menschen sehen an der hinteren Wand die Schatten tanzen. Das halten sie für die Wirklichkeit. Einer aber konnte sich befreien. Er trat aus der Höhle und sah die Sonne am Himmel. Das ist der Philosoph. Er wird wieder zu den gefangenen Menschen in der dunklen Höhle gesandt, um ihnen vom wahren Licht zu erzählen. Siddartha war ein reicher verwöhnter Prinz, der in seinem Elternhaus im Luxus lebte. Als er einmal den Hof verließ, sah er vier Gestalten: einen Armen, einen Kranken, einen Alten und einen Toten. Er begann, nach der Ursache des Leidens zu fragen. Lange, lange Jahre saß er meditierend unter einem Feigenbaum, dem ficus religiosus, bis er eine philosophische Idee gewann: die Ursache des menschlichen Leidens sei die Existenz als individuelle Person, und die Erlösung vom Leid sei das Verlöschen der Person, die Auflösung im Ungewordenen. Nach seiner sogenannten Erleuchtung zog der Buddha als Bettelmönch herum und predigte seine Lehre und sammelte eine Gemeinde von buddhistischen Mönchen. Moses zog sich stets in die Stiftshütte, das Offenbarungszelt zurück, um allein mit der Herrlichkeit des Herrn zu reden. Dann aber trat er heraus aus dem Offenbarungszelt und brachte dem Volk die Weisung Gottes und wurde ihr Führer durch die Wüste. Mohammed war ein wohlhabender Kaufmann, verheiratet mit einer älteren Frau, Chadischa, einer Christin. Es zog ihn in eine Höhle, da er nach muslimischer Überlieferung vom Engel Gabriel die Suren des Koran diktiert bekam. Danach gründete er eine muslimische Gemeinde und wurde ihr Heerführer, der begann mit dem militärischen Siegeszug des Islam. Jesus lebte dreißig Jahre das Leben in Familie und Arbeit, bis er mit seiner dreijährigen Lehrtätigkeit begann. Nach der Taufe Jesu mit dem Heiligen Geist zog sich Jesus vierzig Tage in die Wüste zurück und betete und fastete, bis ihn der Satan versuchte. Jesus als der neue Adam hat die Versuchung der Schlange siegreich überwunden, ging und berief seine zwölf Apostel.


HORROR VACUI

Die Angst vor dem Tod und dem Nichts war bei den Griechen groß. Die mythologischen Götter boten nur ein trauriges Schattendasein im Hades an. Epikur versuchte sich dialektisch zu retten: Wenn ich bin, ist der Tod nicht, und wenn der Tod ist, bin ich nicht. Aber der Epikurismus und Hedonismus bot auch nur das Nichts an. Goethe sagte: Zeus und sein ganzes Geschlecht fürchtet den Tod. Das ist und bleibt die Antwort des Materialismus. Der Marxismus bot nur die Mumifizierung ihrer Tyrannen an. Der evolutionistische Atheismus sagt: Ich bin nur ein Staubkorn im unermesslichen Universum, ein Produkt des Zufalls, mein Leben ist absurd, und es wartet auf mich die Vernichtung. Heidegger sagte: Das Dasein ist erfüllt von der existentiellen Angst vor dem Nichts. Edith Stein antwortete Heidegger: Das Sein trägt den Menschen. Ist es klug von einem Kind auf dem Arm seiner Mutter, Angst zu haben, von ihr fallen gelassen zu werden? Edith Stein setzt also der Angst vor dem Nichts das Vertrauen in die göttliche Mutter entgegen, die das Sein ist, JHWH, ego sum.


HUMANISMUS

Der Ursprung des Humanismus ist die griechische Antike. Die olympischen Götter waren menschlich-allzumenschlich und sagten: Nichts menschöiches ist mir fremd. In der bildenden Kunst wurde in Apollon das Bild des schönen Mannes, in Aphrodite das Bild der schönen Frau gestaltet. In der Poesie wurden die schönen und edlen Menschen gefeiert, Helden und Weise bei Homer, Sportler bei Oindar, Mädchen bei Sappho. In der Philosophie erhob Sokrates die Vernunft des Menschen auf den Thron. Der Humanismus der Römer führte zur Vergötterung des Menschen. Der Mensch ward Gott. Cäsar war der Herr und Gott. Das
Christentum brachte den Humanismus, dass jeder Mensch Bild Gottes ist. Die Benediktiner pflegten den Humanismus der Antike, indem sie die Schriften der Alten abschrieben. Es gibt (entgegen den Lügen der Reformation und der Aufklärung) auch einen mittelalterlichen Humanismus, nämlich die Aristoteles-Rezeption der christlichen, arabischen und jüdischen Scholastiker. Thomas von Aquin mit seiner Synthese zwischen antikem und christlichem Humanismus, wie soll man ihn sonst nennen als einen großen Humanisten. In der Renaissance, vor allem in Florenz, wurde die griechische Schönheit und die römische Kraft neu entdeckt. Es war die Blütezeit des florentinischen Humanismus als eines christlichen Neuplatonismus. Die Bewegung der Humanisten bemühte sich um die Ursprachen der Bibel und exakte Übersetzungen. Dagegen war die lutherische Reformation dem antiken Humanismus abhold. Luther lehnte den blinden Heiden Aristoteles ab und sagte: fraw klüglin ist eyn hur. Nach der Kirchenspaltung erhob sich die Aufklärung, die sich Humanismus nannte und im Namen des Humanen gegen den offenbarten Gott kämpfte. Hier wurde der Humanismus atheistisch. Dieser atheistische Humanismus beruft sich auf Giordano Bruno, Voltaire und Rousseau und la déesse raison. Auch Nietzsche als Altphilologe verehrte den Menschen oder besser gesagt den Übermenschen. Dieser Übermensch ist gottlos, antichristlich, diesseitig, triebgesteuert. Dem stellte Wladimir Solowjew die Vision des Gottmenschentums entgegen, die Vereinigung der Menschheit als einer Familie von Gottmenschen im Reich der Theokratie der universalen christlichen Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil und die darauf folgenden heiligen Päpste sprachen von der Notwendigkeit eines christlichen Humanismus im dritten Jahrtausend. Ecce homo, siehe, der Mensch! In Jesus Christus wird der wahre Mensch sichtbar.


HYLE

Hyle ist griechisch und heißt Holz und bezeichnet den Stoff, die Materie der Welt. Aristoteles und mit ihm Giordano Bruno hielten die Materie für ewig. Die Lehre der Brahmanen spricht von einem ewigen Zyklus von Werden und Vergehen und wieder Werden und Vergehen der Welt. Die materielle Welt wird Maya genannt, die Göttin der Welt, die verschleiert und unergründlich ist, wie Kants Ding-an-sich. Die Babylonier nannten die Urmaterie Tiamat, die Muttergöttin des Urmeers, die vom Himmelsgott Marduk getötet wurde, Marduk nahm dann den Leichnam der Tiamat und baute aus ihm den Kosmos und die Erde. Tiamat heißt auf hebräisch Tohuwabohu, das Urchaos, über dem der Heilige Geist schwebte. Die Urmeere heißen auf lateinisch Maria, die Urmaterie. Der biblische Schöpfungsbericht spricht von einem Schöpferakt Gottes, der aus dem Nichts die Schöpfung schuf, Raum und Zeit, materielle und geistige Geschöpfe, sichtbare und unsichtbare Welt. Das Urchaos wird gestaltet vom Heiligen Geist zum Kosmos, zur geordneten Schöpfung. Platon sprach von der Physis des Kosmos, dass er belebt sei von der Psyche des Kosmos, der geistigen Weltseele. Diese ist nach Plotin eine Emanation des Geistes Gottes und bringt die materielle Natur hervor. Ein katholischer Priester und Jesuit stellte die moderne Theorie des Urknalls auf, the big-bang-theory, die zu ihrer Zeit von den Atheisten heftig bekämpft wurde, da sie von einem Anfang der Welt spricht. Die Ursache des Urknalls ist den Naturwissenschaftlern ein Rätsel. Papst Benedikt XVI sprach vom Logos als der Göttlichen Vernunft, die sowohl die Ursache des Urknalls ist, als auch der materiellen Natur immanent ist, denn die materielle Natur ist, trotz gewisser chaotischer Elemente, von einer großen Rationalität geprägt und auch dadurch nur der Ratio der Naturwissenschaft zugänglich. Nun ist die sichtbare Materie des Kosmos nur ein geringer Anteil der ganzen materiellen Wirklichkeit. 80 % der Materie ist die unsichtbare Dunkle Materie. Materie wird im modernen Sinn als verdichtete kosmische Energie verstanden. Die kosmische Energie oder das Universum ist der Götze des New Age. Das Geschöpf wird zum Gott erklärt. Trotz des grenzenlosen Spiritismus und Okkultismus des New Age entlarvt sich die Religion als ein subtiler Materialismus. Papst Franziskus sprach von der Materia als Matrix als Mater als Maria. Die Schwarze Materie wäre dann personifiziert in der Schwarzen Madonna.



ICH

Für Buddha war das Ich, das Prinzip der Individuation, wie für Schopenhauer, die Ursache der Leiden, die Erlösung bestehe im Erlöschen des Ich, in der Auflösung im Ungewordenen. Anders ist die christliche Auffassung: Im Herzen des Menschen soll nicht mehr das Ego auf dem Thron sitzen, sondern Christus. Das Ich als bewusste Person mit einem freien Willen ist aber ein Bild des ICH BIN, ego sum, das ist JHWH-Gott. Nur vollendet sich das Ich nicht in egoistischer Selbstverwirklichung, sondern in der Liebe, in der Hingabe an Gott und den Nächsten. Jesus sagt: Wer sein Leben behalten will, wird es verlieren, wer es hingibt, wird es finden. Das menschliche Ich ist Ebenbild des göttlichen Ich, denn Gott ist eine göttliche Person mit Bewusstsein und Willen. Das Bewusstsein des göttlichen Ich ist die göttliche Weisheit und der Wille des göttlichen Ich ist die göttliche Liebe. In der jüdischen Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber und Fritz Rosenzweig wird Jahwe, der Herr, einfach ICH oder DU genannt. In einem altägyptischen Text spricht die Göttin Isis: Ich bin die, die war und ist und sein wird. Rudolf Steiner schrieb das Wort Ich als J-Ch, das heißt Jesus Christus. Der Benediktinerpater Anselm Grün sprach von Jesus Christus als dem Höheren Selbst des Menschen. C. G. Jung sprach vom bewussten Ich als der Spitze des Eisbergs, darunter eine gewaltige Masse Unbewusstes liegt. Die Vereinigung von Ich und Unbewusstem bringt das Höhere oder Wahre Selbst hervor. Freud unterschied zwischen dem Ich des Verstandes, dem Über-Ich (Gewissen) als von der Gesellschaft aufoktroyierten Normen, und vom Es, dem Liebestrieb und Todestrieb. Die Esoterik nimmt die Jung‘sche Rede vom Höheren Selbst auf. Sie redet mit den Buddhisten und Hinduisten und christlichen Mystikern vom Absterben des Ich, aber nur um aufzuerstehen als Wahres und Höheres Selbst. Dieses Höhere Selbst sagt: Ich bin Gott. Da ist es egal, ob es sich als Buddha oder als kosmischer Christus symbolisiert, es ist das Höhere Selbst des Menschen und als solches göttlicher Natur. Damit offenbart sich die Esoterik, trotz allen Geredes vom Absterben des Ego, als ein sublimer Egoismus, und das Selbst des Menschen ist sein Götze.