VON TORSTEN SCHWANKE
(FRAGMENT)
ABBILD
Das
Abbild verweist auf das Urbild. Lao Tse spricht von den ewigen
Urbildern. Platon nennt sie Ideen, die konkreten Dinge in der
irdischen Wirklichkeit nennt er Schatten. Der platonisch Liebende,
wie Ficino in seinem Gastmahl lehrt, sieht im Abbild das Urbild, die
Idee der Geliebten. Das Abbild der Geliebten ist übergossen vom
Glanz des göttlichen Urbilds, der göttlichen Schönheit. Paulus
sagt im Römerbrief, an der Schönheit der Schöpfung kann die
Schönheit des Schöpfers erkannt werden. Dionysius Areopagita
spricht vom Aufstieg von der sinnlichen Schönheit zur Urschönheit
oder Urgottheit. Diotima spricht in Platons Symposium zu Sokrates vom
Aufstieg von der sinnlichen Schönheit zur seelischen Schönheit, zur
Schönheit der Tugend, und letztlich zur göttlichen Schönheit,
Aphrodite Urania. Mir sagte ein Priester in Lourdes: Wenn schon die
Frauen so schön sind, wie schön ist dann erst Gott. Ludwig Maria
Grignion von Montfort nennt die göttliche Weisheit auch Idee der
Schönheit. In der ehelichen Liebe bindet sich der Mann an das
Abbild, in der zölibateren Liebe bindet sich der Mann an das Urbild.
Der Poet und Mythenforscher Robert Ranke-Graves sagte, der Poet als
Musenpriester singe immer das Urbild der Göttin, die in wechselnden
Abbildern von Frauen sich offenbare, einmal für sieben Jahre und
einmal nur für einen Tag. Ich stimme allerdings nicht der Lehre zu,
dass die Frau das Abbild des Mannes sei. Ich stimme nicht einmal der
Lehre zu, der Mann sei Abbild Christi und die Frau Abbild der
Madonna. Nein, die Frau ist Abbild Gottes, ebenso wie der Mann. In
Gottes Geist ist die Idee der Frau. Ein Kardinal sagte einmal den
schönen Satz: Das Abbild sehnt sich nach seinem Urbild.
Jeder
Mensch ist ein einzigartiges Abbild Gottes, in jeder Seele wohnt ein
einzigartiges Gottesbild. Christus ist, wie Paulus sagt, das Abbild
Gottes, die Hagia Sophia ist, wie Salomo sagt, der Abglanz der
göttlichen Herrlichkeit.
ABSOLUT
Im
Absolutismus ist der Kaiser oder König von keiner menschlichen
Bedingung bedingt. Er ist der Staat, er ist das Gesetz, er ist frei,
er ist keinem anderen Menschen rechenschaftspflichtig. Der
Absolutismus lebt heute nur noch im Papsttum, in der Unfehlbarkeit
des Papstes. Gott ist der Absolute. Gott ist vollkommen frei. Gott
muss sich vor keinem Geschöpf rechtfertigen. Gott wirkt, was er
will, und was er will, ist das Gute. Man könnte einwenden, Gott sei
kein Alleinherrscher, sondern die Allerheiligste Dreifaltigkeit sei
ein Triumphirat. Aber Gottvater, aus dem der Sohn und der Heilige
Geist hervorgeht, ist doch, wie die Schrift ihn nennt, der
Allerhöchste. Gottvater ist der absolute Alleinherrscher, der
vollkommen frei ist. Der Mensch erlangt, wie Fichte lehrte, wenn ich
es richtig verstanden habe, erst in der Bindung der Freiheit des Ichs
an die absolute Freiheit Gottes seine wahre Freiheit. Und so gibt es
auch den Ausdruck: Ich bin verliebt in das Absolute, das Unbedingte,
alles Bedingende, den Allerhöchsten in göttlicher Freiheit.
AFFEKTE
Die
Affekte oder Gefühle sind ein Aspekt der Seele. Auch Tiere haben
Affekte. Viele Menschen lassen sich wie die Tiere leiten von ihren
Affekten, von Unlust und Lust. Wie unsichere Wegführer sind doch die
Gefühle! Scheint im Winter die Sonne nicht, fühlt sich der Mensch
von Gott verlassen. Hat er des Nachts zuviel Wein getrunken, fühlt
er sich am nächsten Tag freudlos. Ist er nicht satt geworden, regt
sich das Gefühl des Ärgers. Die Liebe zu einer Geliebten auf die
Affekte zu gründen, ist kein Rezept für das Gelingen einer
unauflöslichen Ehe, denn die Affekte kommen und gehen, sie sind
launisch wie die Launen Lunas oder die Launen einer Frau, deren
Stimmung oft einfach von der Monatsblutung abhängig ist. Auch die
Liebe zu Gott kann man nicht auf die Affekte aufbauen, denn Gott will
nicht nur im Sonnenschein des Glücks geliebt sein, sondern auch beim
Tragen des Kreuzes, in der Anfechtung, sogar im Martyrium. Die
Affekte sind sozusagen Teil der Leibseele und müssen von der
Geistseele regiert werden, wenn ich diese Unterscheidung machen darf.
So sagt Johannes vom Kreuz, dass es in der dunklen Nacht der Seele
das Gefühl der Gottverlassenheit gebe, dass dieser Zustand aber oft
der einer besonders intimen Vereinigung mit Gott sei.
AGAPE
Es
gibt im Griechischen verschiedene Worte für Liebe. Eros ist die
begehrende Liebe zwischen Mann und Frau. Philia ist die Liebe
zwischen Freunden. Sorge ist die Elternliebe zu ihren Kindern. Agape,
ein Ausdruck des Neuen Testaments, ist die göttliche Liebe, die
selbstlos schenkende Liebe. Johannes liebt den Begriff und Paulus
singt im 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes das Hohelied der
göttlichen Agape. Der lateinische Begriff ist Caritas. Hildegard von
Bingen sah in Visionen die göttliche Caritas in weiblicher Gestalt,
sie sah sie im Ehebett Gottes, sie sah sie auch als junge Frau mit
dem Gottessohn auf dem Arm. Mutter Teresa von Kalkutta gründete den
Orden der Missionarinnen der Caritas. Sie ernährten Hungernde,
erzogen Kinder, pflegten Kranke und betreuten Sterbende. Papst
Benedikt XVI schrieb die Enzyklika Deus Caritas est. Die
Sozialorganisation der katholischen Kirche ist der Caritas-Verband.
Gott hat uns den Höhepunkt seiner Agape geschenkt, als er für uns
am Kreuz gestorben ist, um uns das ewige Leben schenken zu können.
Ein Priester sagte mir: Wenn Sie schwärmen für Aphrodite, die
Göttin der Liebe und Schönheit, dann verehren sie Gott den Herrn
als Gottheit mit dem Namen du Schöne Liebe. Die Jungfrau Maria
erschien in Italien unter dem Namen der Königin der Liebe. Jesus
Sirach nennt die Hagia Sophia auch Mutter der schönen Liebe. Die
göttliche Agape ist eine Hypostase Gottes, die bei Johannes die
Stelle einnimmt, die bei Paulus die göttliche Charis einnimmt. Ein
anderer, verwandter Ausdruck ist die göttliche Barmherzigkeit, die
im Hebräischen vom Mutterschoß Gottes abgeleitet wird.
AKADEMIE
Die
platonische Akademie, an der Platon Lehrer und Aristoteles sein
Schüler war, war der Höhepunkt der griechischen Philosophie. Dem
aufkommenden Christentum in Europa war sie eine Konkurrenz, denn der
Neiplatonismus versuchte eine philosophische Begründung des
griechisch-jeidnischen Polytheismus. Die Kirche schloss die
Platonische Akademie. Das kulturelle Wissen wurde von den
Benediktinern aufbewahrt. Später wurden Akademien der Wissenschaften
in verschiedenen Ländern gegründet. Diogenes, der Philosoph, der in
einer Amphore lebte, sprach von der Platonischen Akademie als von
einer Kakademie.
ALETHEIA
Aletheia
heißt auf griechisch die Wahrheit. Sie wurde von den Griechen als
Göttin verehrt. Auf lateinisch heißt sie Veritas, und Horaz pries
in einer Ode die Veritas Nuda, die nackte Wahrheit. In den
gnostischen Spekulationen wird sie als eine Hypostase oder ein Äon
verehrt. Botticelli hat die Wahrheit gemalt. Die Medici-Fürstin
Simonetta war Botticellis Modell für seine Venus auf der Muschel,
für seine Madonna mit dem Granatapfel und für seine Wahrheit, eine
nackte Göttin. Schiller besang sie in seiner Ballade von der
verschleierten Göttin Isis von Sais, der verschleierten Wahrheit,
deren Schleier keiner heben durfte. Es gibt einen alten ägyptischen
Spruch: Ich bin Isis, und meinen Schleier kann kein Sterblicher
heben. In Schillers Ballade hebt der Schüler doch den Schleier,
trotz dem Verbot, und versinkt in Schweigen und Gram. Schiller hatte
bei Kant gelernt, dass die Wahrheit der Wirklichkeit, das Ding an
sich, unerkennbar ist, das Subjekt kann immer nur erkennen, wie sich
die Wirklichkeit im Subjekt abspiegelt. Die Wahrheit ist also immer
verschleiert und ist eben nicht die nackte Wahrheit. Heute leben wir,
wie Papst Benedikt XVI sagte, in einer Diktatur des Relativismus. Es
wird die Existenz einer absoluten und objektiven Wahrheit geleugnet.
Man spricht davon, dass es viele Wahrheiten gibt und jeder Mensch
seine eigene Wahrheit habe. Solche Menschen sind, wie Platon im Staat
sagt, nicht Philosophen, Liebhaber der Weisheit, sondern Philodoxa,
Liebhaber von Meinungen. Im Johannes-Evangelium heißt es, Moses hat
das Gesetz (die Tora) gebracht, Jesus hat die Wahrheit (Aletheia) und
Gnade (Charis) gebracht. Und Jesus sagte von sich selbst: Ich bin die
Aletheia und die Zoe (das Leben). Jesus ist die Veritas Nuda, die
offenbarte Wahrheit, und er hat diese von Gott geoffenbarte Wahrheit
der von Christus gegründeten heiligen, apostolischen, katholischen
Kirche anvertraut.
ALTERTUM
Enheduannas
Hymnen an Inanna, Inannas und Dumuzis Hoheslied, Inannas Abstieg in
die Unterwelt, die babylonische Genesis, Gilgamesh, das ägyptische
Totenbuch, Hymnen an Isis und Osiris, altägyptische
Weisheitsliteratur, altägyptische Liebeslieder, das Alte Testament,
der Rig Veda, das Mahabarata mit der Bhagavad Gita, die Upanishaden,
das I Ging, das chinesische Buch der Lieder, Konfuzius, Lao Tse,
Tschuang Tse, Homer, Hesiod, Pindar, Sappho, griechische Lyriker,
Heraklit, Empedokles, Pythagoras, Parmenides, Platon und Sokrates,
Aristoteles, Epikur, Epiktet, Mark Aurel, Plotin, Nonnos, Lukrez,
Catull, Tibull, Properz, Ovid, Horaz, Virgil. - Goethe sagte, es sei
sinnlos für einen Autoren, nur in der Gegenwart zu leben, man müsse
vielmehr sich von dreitausend Jahren Geistesgeschichte Rechenschaft
geben können. Ja, wenn die Literatur unserer Zeit auch nur annähernd
so interessant wäre, wie die Dichter und Denker des Altertums. Aber
Goethe sagt auch: Altertum und Kunst, Kunst und Altertum, das eine
hat die Gunst, das andre hat den Ruhm. Die Masse der heutigen Narren
hat doch vom goldenen Altertum nicht den mindesten Schimmer.
ANFANG
Am
Anfang – Bereshit – schuf Gott Himmel und Erde, unsichtbare und
sichtbare Welt. Dieses Bereshit, der Anfang, wird von den jüdischen
Mystikern als Prinzip gedeutet: Im Ur-Prinzip schuf Gott. Und dieses
Urprinzip setzen die jüdischen Mystiker mit der Weisheit gleich: In
der Weisheit schuf Gott. Damit beginnt das Alte Testament. Im Neuen
Testament beginnt Johannes so: Am Anfang (en arche) war der Logos,
und der Logos war bei Gott, und der Logos war Gott. In ihm ist alles
erschaffen. Das Wort oder der Logos und die Weisheit oder Sophia
sind eins. Benedikt XVI sagte: Die göttliche Vernunft hat die Welt
erschaffen. Gott schafft die Natur so, dass sie sich selbst
erschafft. Die Natur ist Mitschöpferin mit dem Schöpfer. Gott gibt
das Gesetz der Entfaltung der Urmaterie. Gottes Geist lenkt die
Entelechie oder Evolution. Die Evolution ist eine theistisch-gelenkte
Evolution. Gott schafft immerwährend. Der Schöpfer schuf nicht nur
am Anfang ein mechanistisches Universum und zog sich dann zurück,
wie die Deisten der Aufklärung meinten, sondern Jesus sagt: Mein
Vater schafft auch heute. Die Atheisten meinen, am Anfang war ein
Urkeim von Materie, der sich in einer Explosion zu entfalten begann.
War der Urkeim von Ewigkeit oder wer hat ihn geschaffen? Was
veranlasste den big bang, den Urknall, wer oder was löste ihn aus?
Aristoteles und die alten Inder und Giordano Bruno dachten, die
Materie habe keinen Anfang, sondern sei von Ewigkeit. Die Offenbarung
spricht aber vom Creator ex nihilo. Gott schuf Zeit und Raum und ließ
die Natur, den Kosmos, sich in Zeit und Raum entwickeln. In allem,
wie die Stoiker und Heraklit sagten, ist der göttliche Logos
immanent, der Sinn, die Allvernunft. Die Chinesen übersetzen den
Logos der Bibel mit Tao oder Sinn, Wort, Weg, Vernunft, Weisheit,
Gott, und Lao Tse nennt Tao die Mutter der zehntausend Wesen.
ANGEBORENE
IDEEN
Nach
Platons Vorstellung, sah die menschliche Seele vor ihrer Empfängnis
im Mutterschoß als präexistente Seele in den himmlischen Welten die
Ideen der Wahrheit, Gutheit und Schönheit, sah Gott und die Ideen in
einer Prozession, sah die Ideen im Tanz. Als dann die Seele in die
Materie fiel, in den Kerker ihres Körpers, trug sie das Wissen um
die himmlischen Ideen in sich, aber sie musste von der Lethe trinken,
dem Wasser des Vergessens. Nur Künstler und Philosophen tranken nur
einen Tropfen Lethe und können sich darum recht gut an die Ideen
erinnern. Alle menschliche Erkenntnis ist darum Wieder-Erinnerung an
die Ideen. Wenn ein Mensch ein Pferd als Pferd erkennt, erinnert er
sich an die Idee der Pferdheit. Besonders die Liebe zu einem schönen
Menschen erweckt in der Seele die Erinnerung an die göttlichen
Ideen. Nach christlicher Auffassung ist die Seele nicht präexistent,
sondern wird im Augenblick der Empfängnis von Gott aus dem Nichts
geschaffen und dem Keim des Körpers, der befruchteten Eizelle, von
Gott eingehaucht oder in einem Kuss mitgeteilt. Diese Seele ist die
geistige Form des materiellen Körpers. Und die geistige Form der
Geistseele ist der Logos oder der präexistente Christus, die Form
der Formen. Darum trägt jede menschliche Seele ein Abbild Christi in
sich. Darum nennen die Kirchenväter jede menschliche Seele von Natur
aus christlich. So ist denn Christus die angeborene Idee. Der alte
Goethe sagte zu Doktor Eckermann, er habe ein Ideal in seiner Seele,
jung und weiblich, ja, er sähe das Göttliche immer in junger
weiblicher Erscheinung, er wisse aber nicht, ob diese Idee angeboren
sei oder wie sie sich sonst in seiner Seele ausgeprägt habe. Ein
evangelischer Psychologe erzählte von einem Mann, der im Laufe
seines Lebens unterschiedlichste Frauen geliebt habe, die sehr
verschieden waren, so dass man nicht auf ein zugrunde liegendes Ideal
schließen konnte, bis dem Mann bewusst wurde, dass alle seine
Geliebten Grübchen hatten und dass seine Amme ebensolche Grübchen
gehabt hatte. Ob also in einem Mann die Idee der Frauheit angeboren
ist oder von Kindheitserfahrungen erst gebildet wird, wage ich nicht
zu entscheiden.
ANGST
Die
alten Griechen sprachen von dem Horror Vakui, der schrecklichen Angst
vor der Leere, vor der unendlichen Leere des finsteren und kalten
Weltraums, vor dem Nichts, vor dem Tode. Kierkegaard sprach von der
Angst als einer existentiellen Erfahrung des Menschen. Heidegger
griff das auf und sprach von der Angst vor dem Nichts, vor dem
vernichtenden Tod, als einer Grundbefindlichkeit des Menschen. Edith
Stein entgegnete auf dieses Argument Heideggers: Wenn es vernünftig
sein soll, Angst vor dem Nichts zu haben, ist es dann nicht auch
vernünftig, wenn ein Kindlein auf den Armen der Mutter eben keine
Angst hat, von der Mutter fallen gelassen zu werden? Diese Mutter ist
das Sein, die seiende Gottheit, die das Kindlein, die vertrauende
Seele, nicht ins Nichts fallen lässt, sondern durch das Tor des
Todes hindurch trägt in das ewige Leben. In diesem Sinne sagt
Johannes: Vollkommene Liebe treibt die Angst aus. Und doch ist die
Todesangst des Menschen natürlich, so dass selbst Jesus von Nazareth
im Garten Gethsemane Todesangst gehabt hat, sie aber überwand durch
sein Gebet und seine Ergebung in den Willen seines Vaters. Es gibt
allerdings in der Religionsgeschichte auch die Angst vor Gott. Und
auch darauf bezieht sich der zitierte Satz des Johannes. Die
heidnischen Götter und Göttinnen waren immer unberechenbar, sie
hatten göttliche und dämonische Züge, waren gut und böse
zugleich. Die Muttergöttin war schöne Liebesgöttin, aber auch
schreckliche Kriegsgöttin. Selbst der monotheistische Allah in
seiner Willkür, der rettet, wen er will, und verdammt, wen er will,
der allein die Unterwerfung des Sklaven fordert, hebt diese Furcht
vor Gott nicht auf. Erst der Gott der biblischen Offenbarung, der
sich offenbart in dem Wort: Gott ist die Liebe, hebt die Furcht vor
Gott auf, indem er durch seine Liebe zum Menschen die menschliche
Liebesantwort erregt und so gilt: Die Liebe treibt die Furcht aus. Es
gibt allerdings auch die psychologische Krankheit der übertriebenen
Angst, die psychiatrische Paranoia. Im dritten Lebensjahr eines
Kindes gibt es ein Zeitfenster, da das Kind natürlichen Ekel vor
Ratten, Spinnen und Schlangen entwickelt, Wird diese Phase nicht
gesund durchstanden, entwickeln sich Phobien. Ein stets bellender
Vater kann Hundephobien auslösen. Deutsche Frauen, die im zweiten
Weltkrieg von Rotarmisten der Sowjetunion vergewaltigt wurden,
entwickelten Rattenphobien, denn die Ratte steht für den Penis.
Solche Phobien können verhaltenstherapeutisch geheilt oder gemildert
werden. Die psychiatrische Krankheit der Paranoia wird hauptsächlich
durch Psychopharmaka geheilt oder gemildert.
ANSCHAUUNG
Platon
dachte sich, dass die menschliche Seele vor ihrer Inkarnation im
Mutterschoß bereits in der himmlischen Ideenwelt in der seligen
Anschauung der Götter und Göttinnen oder der ewigen Ideen lebte.
Aristoteles spricht in seiner Nikomachischen Ethik über das Gut der
Lust und sagte, die reinste Form des Gutes der Lust sei die
intellektuelle Anschauung des Philosophen. Die christliche Theologie
diskutierte das Verhältnis von aktivem und kontemplativen Leben, dem
Leben der Beschauung oder Theoria, was Gottes-Anschauung bedeutet.
Die Christen wie die Juden im Talmud gaben unterschiedliche
Auffassungen wieder, ob das Handeln oder die Anschauung von höherem
Wert sei. Wer die Kontemplation bevorzugte, berief sich auf die
beiden Frauen Israels, Rahel mit den schönen Augen als die
Kontemplation und Lea mit dem fruchtbaren Schoß als das aktive
Leben, wobei Rahel Jakobs Lieblingsfrau war, oder berief sich auf die
beiden Freundinnen Jesu, die geschäftige Martha und die auf Jesus
hörende Maria, wobei Jesus sagte: Maria hat das bessere Teil
erwählt. Meister Eckard sprach von Maria und Martha so, dass Maria
eine unfruchtbare Jungfrau geblieben sei, aber Martha ein fruchtbares
Weib geworden, denn alles komme darauf an, die Anschauung in das
Handeln zu überführen. Thomas von Aquin bezeichnete die Anschauung
als die Seinsform im Himmel, the beatific vision, nach der Dantes
Beatrice ihren Namen hat. Die christliche Vision des ewigen Lebens im
Himmel ist die des Schauens Gottes von Angesicht zu Angesicht.
Kierkegaard spricht von dieser Idee kritisch als der Vorstellung
eines Zyklopen mit Einem riesigen Auge, das Gott anstarrt. Augustinus
spricht von der Anschauung Gottes als von einem Genießen der
Schönheit Gottes.
ANTHROPOLOGIE
Im
Buche Genesis heißt es, Gott schuf den Menschen, als Ebenbild Gottes
schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie. Gott ist ein personaler
Gott, im freien Besitz seiner Selbst, sein Wille ist Liebe und seine
Vernunft ist Weisheit, und er ist frei, und der Mensch, als Ebenbild
Gottes, ist auch Person, mit Vernunft, Denken, Sprache, mit einem
freien Willen, im Besitz seiner Selbst. Mann und Frau sind zwei
Inkarnationen des einen Wesens Mensch, komplementär auf einander
bezogen, und so die soziale Natur des Menschen und seine Berufung zur
Liebe ausdrückend. Ernesto Cardenal sagte: Gott ist Liebe und der
Mensch als Ebenbild Gottes ist auch Liebe. Buddha leugnet, dass der
Mensch ein Selbst hat, ein substanzielles Ich. Für den größten
aller Pessimisten ist gerade das Ich-Sein, das Person-Sein, die
Individualität das größte Unheil, und die Erlösung des Menschen
besteht in seinem Verlöschen, in seiner Vernichtung, in seiner
Auflösung im Ungewordenen. Nach der Auffassung der Bhagavad Gita ist
der Mensch eine unsterbliche Seele, die in der Metempsychose viele
verschiedene Körper wie Kleider anzieht und auszieht. Darum sagt
Krishna zu Arjuna: Töte deine Feinde, selbst wenn sie deine
Verwandten sind, denn nur ihre Körper kannst du töten, die Seele
ist unsterblich. Buddhas und Krishnas Auffassungen sind im Grunde
menschenverachtend. Platon sah im Menschen ein Lebewesen auf zwei
Beinen, ohne Flügel und Federn. Der Kyniker Diogenes karikierte
diesen Begriff, indem er einem Huhn die Federn ausrupfte und die
Flügel abschnitt und sagte: Siehe, Platons Mensch! Aristoteles
definierte den Menschen als ein rationales Tier, auch als ein
politisches Tier. Der Darwinismus spricht heute davon, dass der
Mensch nur ein besonders hoch entwickelter Affe sei. Marx und Engels
lehrten, der Mensch sei aus dem Affen hervorgegangen, als der Affe
begonnen habe, Produktionsmittel zu benutzen, die Arbeit, sagte
Engels, habe den Affen zum Menschen gemacht. Das ist dann nicht der
homo sapiens, der wissende Mensch, sondern der homo faber, der
arbeitende Mensch. Nietzsche steht auch in der Tradition des
Darwinismus und sagt, der Mensch müsse auch noch überwunden werden
und der Übermensch müsse kommen. All diese darwinistischen
Definitionen des Menschen sehen nur einen quantitativen Unterschied
zwischen Tier und Mensch. Der qualitative Unterschied geht aus der
biblischen Offenbarung hervor, dass der Mensch Person ist. Das Tier
ist keine Person, es kann nicht frei über sich selbst verfügen. Nur
der Mensch kann, wie Max Scheler sagt, sein Leben opfern um Gottes
Willen. Der Märtyrer ist der ganz freie Mensch. So distanziert sich
Dietrich von Hildebrandt von der Definition des Aristoteles vom
Menschen als rationalem Tier und sagt, der Mensch sei eine Person, im
Leib inkarniert. Im Unterschied zu der indischen und platonischen
Idee, der Mensch sei allein Seele, lehrt Thomas von Aquin, der Mensch
sei eine Leib-Seele-Einheit. Darum glaubt der christliche Glaube
nicht allein die Unsterblichkeit der Seele, sondern auch die
Auferstehung des Fleisches. Johannes Paul II sagte, der Mensch habe
nicht einen Leib, sondern sei Leib. Der Leib, im Unterschied zum
physikalischen Körper, ist immer schon beseelter Leib. Wladimir
Solowjew setzte sich mit Nietzsches Übermenschen auseinander,
erwartete aber nicht einen brutalen und unmoralischen Übermenschen,
sondern Solowjew meinte, die Aufgabe der christlichen Religion sei
die Bildung von Gottmenschen. Er greift damit die Idee der Theosis
aus der orthodoxen Kirche auf, dass nämlich Gott Mensch geworden
ist, damit der Mensch Gott werde. Gott ist Gott von Natur, der Mensch
wird Gott aus Gnade. So sagte Johannes vom Kreuz, die Menschen im
Himmel sind Götter und Göttinnen.
ANTHROPOMORPHISMUS
Ein
griechischer Philosoph sagte: Die Menschen bilden die Götter nach
ihrem Ebenbild. Die Thraker glauben an blonde, blauäugige Götter,
die Äthiopier glauben an schwarze Götter, und wenn die Pferde an
Götter glauben, glauben sie an Pferdegötter. Ein jüdischer
Satiriker sagte: Ich habe Angst, dass die Ägypter recht haben und
dass, wenn ich in den Himmel komme, mich dort ein Hundegott erwartet.
Das Alte Testament spricht von Gott oft in anthropomorphen Bildern.
Da ist vom Auge, vom Angesicht, vom Munde, von der Rechten und vom
Finger Gottes die Rede. Daniel beschreibt den Alten der Tage als
einen Greis mit weißem Haar und weißem Bart. Salomo im Hohenlied
stellt Gott den Bräutigam als jungen, schönen und starken Mann mit
schwarzem Haar dar. Die Juden sagen, das weiße Haar des Greises
stellt Gott als den Allweisen, den wunderbaren Ratgeber dar, und das
schwarze Haar des jungen Mannes stellt Gott als starken Befreier und
als schönen Bräutigam dar. Den Juden waren aber Bilder und Statuen,
die Gott darstellten, verboten. Das ist das Bilderverbot. Aber Gott
gibt selbst ein Gottesbild, nämlich Gott schuf den Menschen als Bild
Gottes (und als Mann und Frau schuf er sie). Die anthropomorphe Rede
von Gott weist darauf hin, dass der Mensch Bild Gottes ist. Ich
denke, es ist sogar als Prophezeiung zu lesen, dass Gott Mensch wird.
Gott wurde nicht ein Tier, Gott wurde aber auch kein Engel, sondern
Gott ward ein Mensch in Jesus von Nazareth, dem Bild des unsichtbaren
Gottes. Gott ist eine Person, aber keine menschliche Person, sondern
Gott ist Geist. Gott ist nicht wie der Mensch Mann oder Frau. Darum
ist zwar vom Vater im Himmel die Rede, aber auch von der Mutterliebe
Gottes. Gott ist der ewige Vater, aber Gottes Weisheit ist eine junge
Braut und eine Mutter. Die allzu menschliche Rede von Gott muss
wieder aufgelöst werden in den Sinngehalt. Das Antlitz redet davon,
dass Gott Person ist, das Auge redet von seiner Allwissenheit und
Vorsehung, der Mund redet vom Wort Gottes, die Hand redet vom
befreienden Handeln Gottes in Schöpfung und Heilsgeschichte. So
suchte der jüdische Philosoph Maimonides, ein Interpret des
Aristoteles, den Anthropomorphismus philosophisch zu deuten und auf
eine rein geistige Gottheit, das Wesen der Wesen, auszulegen. Um
diesem höchsten Geist, der in unzugänglichem Licht verborgen ist,
sich nähern zu können, sagte Maimonides, braucht es einen Mittler,
und als Mittler bezeichnete er die Hypostasen Gottes, seine Weisheit,
seine Barmherzigkeit und so weiter. So wird Gott zum Gott der
Philosophen, ein reiner Geist, das ewige Sein, das Absolute, der
Eine. Blaise Pascal aber trug in seinem Mantel eingenäht den Satz,
der ihn an seine mystische Begegnung mit Gott erinnern sollte,
nämlich: Gott, nicht der Gott der Philosophen, sondern der Gott
Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs.
APATHIE
Die
Lehre Buddhas war, dass die Erlösung des Menschen im Erlöschen der
Werdelust liege. Alle leidenschaftliche Lebenslust sollte
einschlafen, bis der Mensch im ewigen Schlaf erloschen sei. Auch die
Stoiker priesen die Leidenschaftslosigkeit als Voraussetzung zu einem
Leben in der Tugend. Die Konsequenz war, dass die Stoiker den
freiwilligen Selbstmord verherrlichten, den Seneca auch durchführte.
Die französische Existentialistin Simone Weil sprach von der
Decreation, dem Freiwerden von den Passionen, um so frei zu werden
für die Aufmerksamkeit auf Gott, das Warten auf Gottes Gnade. Wer
auf krankhafte Weise dem depressiven Nihilismus anhängt, der
Verneinung seines Daseins, der Verneinung der Schöpfung, wird von
den Psychiatern mit Opiaten in eine lethargische Apathie versetzt.
Dagegen sagte Schopenhauer, dass die Kraft des Philosophierens groß
ist, wenn auch die Wollust groß ist. Kunst, sagte Wladimir Solowjew,
ist sublimierte geschlechtliche Brunst. Ein katholischer Priester
sagte: Ihr könnt die Leidenschaften im Schrank verstecken, sie
treten doch immer wieder zutage. Ein katholischer Charismatiker
sagte: Das glühende Rot der menschlichen Liebesleidenschaft wird
nicht durch das Violett der Buße überwunden, sondern durch das Weiß
der Weißglut der Liebe zu Gott allein. So sprechen Charismatiker von
der passion for Jesus. Gott stellt sich selbst in den Propheten vor
als einen leidenschaftlichen Bräutigam, als einen eifersüchtigen
Liebhaber. So ist die Apathie Ausdruck einer Lebensverneinung, und
das Gegenteil ist die leidenschaftliche Liebe zum leidenschaftlichen
Gott: the passion of Christ.
APOLLINISCH
Goethe
und die Weimarer Klassik betrachtete sich als appolinische Kunst,
Kunst des Tages, des Lichts, der Sonne, der menschlichen Vernunft,
der Naturwissenschaft und des Idealismus. Die Romantik war dann schon
wieder dionysische Nachtpoesie, Poesie des Unterbewussten, des
Wahnsinns, der Geister, deswegen Goethe sie als krank blehnte. In
einem Gedicht beschreibt Goethe die maßvollen apollinischen
Kunstjünger und dann das Eindringen der orgiastischen, dionysischen
Kunstjünger als Frevler auf dem Parnass. Auch Bachofen unterscheidet
zwischen dem dionysischen und der apollinischen Prinzip. Das
apollinische Prinzip ist das patriarchalische System, das System der
göttlichen Vernunft, des absoluten Seins, der himmlischen
Geistigkeit, das System des Vaters im Himmel. In der römischen
Religion kurz vor Entstehung des Christentums wurde Apollo als der
Sohn des Vaters bezeichnet. Nietzsche in seiner Ablehnung des
sokratisch-platonischen und christlichen Denkens lehnt dann das
apollinische Denken wieder ab, sieht im dionysischen das Prinzip des
Lebens, der Musik und der Tragödie, und endet selbst im Wahnsinn, da
er sich unterschreibt mit: der gekreuzigte Dionysos.
APOTHEOSE
Im
biblischen Buch der Weisheit wird die Entstehung der Götzenbilder
beschrieben: Man malte ein Bild von einem in der Ferne lebenden
König, um ihn so verehren zu können, und hielt ihn dann bald für
einen Gott. Ein Vater, dem die Tochter jung verstorben war, ließ ein
Bild seiner Tochter malen, und verführt von der Schönheit des
Bildes, hielt man die junge Frau bald für eine Liebesgöttin. Das
ist die heidnische Apotheose durch die Kunst. Die Mythendichter
schildern auch die Aufnahme des Dionysos und des Herakles in den
Kreis der olympischen Götter. Ovid schildert die Himmelfahrt und
Vergöttlichung des Cäsar. Livius schildert die Himmelfahrt des
Romulus. Der Evangelist Lukas schildert die Himmelfahrt Christi ganz
entsprechend der Himmelfahrt des Romulus bei Livius. Dante erhebt
seine Jugendgeliebte nach deren frühen Tod in den höchsten Himmel
zu den Chören der Seligen und Heiligen und verklärt sie zu einer
Art Göttin der Weisheit und der Theologie. Der Dichter Ben Jonson
schrieb eine Apotheose seiner Muse nach deren Tod und erklärte sie
zu einer Seligen, seine poetische Apotheose war eine Art
Seligsprechung. Papst Pius XII definierte im zwanzigsten Jahrhundert
das Dogma der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele.
Diese vom Kirchenvolk Maria Himmelfahrt genannte Wahrheit wurde von
Tizian in einem schönen Gemälde dargestellt. Die orthodoxen
Kirchenväter schrieben von dem Prinzip der Theosis: Durch die
Kenosis des Logos wird die Theosis der gläubigen Menschheit bewirkt,
Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott werde. So nennt Johannes vom
Kreuz die Heiligen im Himmel auch Götter und Göttinnen. Maria in
ihrer Himmelfahrt oder Auferstehung ist bereits solch eine
menschliche Göttin geworden.
ARETE
Bei
Homer bezeichnet Arete das Gutsein und die Tüchtigkeit von Dingen
und Menschen. Bei den Menschen ist die Tüchtigkeit vor allem das
Heldentum der vornehmen Männer. Es gibt auch eine Arete der Frauen,
sie ist von der Arete der Männer verschieden. Arete ist bei Homer
auch der Name der Königin der Phäaken. Bei Hesiod gibt es auch eine
Arete der Bauern, das ist ihr Fleiß. Die griechischen Lyriker
priesen die Arete der Männer als Leistungsfähigkeit, Pindar
besonders als sportliche Leistungsfähigkeit. Bei Sokrates entsteht
der philosophische Begriff der Arete als moralische Tugend. Aus dem
Tugendwissen entsteht wie von selbst das Tugendhandeln. Allerdings
gestand Sokrates zu, dass er nicht wisse, was die Arete im
Wesentlichen sei. Er meinte aber, Tugend sei erlernbar und auch
lehrbar. Das Ziel des Menschen, insbesondere des Philosophen sei das
Tugendleben, das Gutsein. Platon greift diese Lehre des Sokrates auf,
entwickelt sie aber in seiner Ideenlehre weiter. Die Himmelsleiter
der Diotima führt vom sinnlich Schönen zum seelisch Schönen und
von dort zum göttlich Schönen. Wer diese Aphrodite Urania oder
göttliche Urschönheit in einer Schau erkennt, berührt die
göttliche Wahrheit und so empfängt er die Arete, kann sie gebären
und nähren. Aristoteles sprach von der Arete des Messers, dass es
gut schneide, von der Arete des Auges, dass es gut sehe, also der
Arete als der Verwirklichung des Wesens. Das Wesen des Mensch ist es,
eine vernünftige Geistseele zu besitzen. Die Arete des Menschen ist
demnach ein vernünftiges Leben. Diese Arete führt zur Eudämoie,
zur Glückseligkeit. Diese Glückseligkeit ist ein objektiver
Zustand, kein Gefühl. Nach den Alten ist zur Eudämonie der Seele
etwas wie Erfolg oder Gesundheit unwesenlich. Plotin griff die
platonische Konzeption auf und sprach wie Platon von den vier
Kardinaltugenden Weisheit, Besonnenheit, Mut und Gerechtigkeit. Nach
Plotin gibt es die Arete nur bei den Menschen, nicht bei Gott, da
Gott als ein absolut vollkommenes Wesen der Arete nicht bedarf. Im
Neuen Testament mahnen Paulus und Petrus die Christen zu einem Leben
in Tugend. Die Kirche entwickelte die Tugendlehre der Antike weiter
und sprach von den vier menschlichen oder Kardinal-Tugenden Klugheit,
Maßhalten, Mut und Gerechtigkeit, wie sie im Buch der Weisheit als
Gaben der göttlichen Weisheit aufgezählt und von Platon im Staat
dargestellt werden. Darüber hinaus spricht das Christentum von den
drei theologischen oder göttlichen Tugenden Glaube und Hoffnung und
Liebe (Agape oder Caritas), von denen die göttliche Liebe oder
Caritas die größte ist und die in Ewigkeit bleibende. Dionysius
Areopagita spricht in seiner Lehre von der himmlischen Hierarchie von
den Engelschören der Virtutes oder Tugendkräfte. Personifiziert
wurde die Arete von Ben Jonson in seiner satirischen Komödie „die
Quelle der Selbstliebe“, da unter einer Masse von selbstverliebten
Narren und Närrinnen in lobenswürdiger Liebe wandeln der Mann
Agaton, der Gute, und die Frau Arete, die Tugend, die sich
schließlich vermählen unter dem Segen der göttlichen Jungfrau
Diana.
ARISTOTELES
Platon
war achtzig Jahre alt und lehrte in der Akademie und Aristoteles war
zwanzig Jahre alt und war Platons Schüler. Einmal versammelte Platon
seine Schüler um sich, da war Aristoteles nicht gegenwärtig, da
sagte Platon: Heute ist der Geist nicht unter uns. Aristoteles sagte
aber: Platon ist ein guter Freund, aber eine bessere Freundin ist die
Wahrheit. So kritisierte er die Ideenlehre Platons, indem er sagte:
Gibt es denn auch eine Idee der Scheiße? Aristoteles arbeitete dann
als Pädagoge und erzog den Prinzen Alexander, der später als
Alexander der Große den ganzen Orient eroberte und ein
hellenistisches Weltreich begründete. Der Legende nach soll
Aristoteles bezaubert gewesen sein von der Hetäre Phryne, dann kroch
der Philosoph auf allen Vieren und ließ Phryne auf seinem Rücken
reiten. Er liebte das Lesen und las bis tief in die Nacht, dabei
hielt er eine Metallkugel in der Hand und hatte neben dem Bett eine
Metallschale stehen, und wenn er beim Lesen einschlief, fiel die
Kugel in die Schale, und von dem Lärm wachte Aristoteles auf und las
weiter. Aristoteles schloss logisch, dass jede Bewegung eine Ursache
habe, ein Bewegendes, und das aller Bewegung ein Erstbewegendes
voranging, diesen Erstbeweger nannte er Gott, die Erstursache. Dieser
Gott ist die Ursache aller Bewegung, selbst aber unbewegt. So wird
dieser Gott von den Menschen geliebt, selbst liebt er aber nicht.
Aber dieser Gott legt in alle Bewegung auch das Streben nach dem Ziel
der Vollendung, nach dem telos, und dieses Ziel alles Seienden ist
die Vollendung in Gott. So ist Gott Ursache und Ziel der Natur oder,
wie die Bibel sagt, Alpha und Omega. Aristoteles dachte sich die
Materie als anfangslos. Das übernahm später Giordano Bruno. Alle
Materie wird von einem geistigen Prinzip gestaltet, das nannte
Aristoteles die Form. Die geistige Seele ist das Formprinzip des
menschlichen Leibes. Die Pflanzen haben auch ein Lebensprinzip, die
Pflanzenseele. Die Tiere haben eine animalische Seele, die die
Pflanzenseele in sich enthält, aber darüber hinausgeht. Die
vernünftige Geistseele des Menschen enthält die Pflanzenseele und
die Tierseele, geht aber darüber hinaus. Das Wesen des Menschen ist
es, ein vernünftiges Wesen zu sein oder, wie Aristoteles sagt, ein
rationales 'Tier. Er nennt den Menschen auch ein politisches oder
soziales Tier. Diese Position kritisierte der Phänomenologe Dietrich
von Hildebrandt und nannte den Menschen eine inkarnierte Person. Die
geistige Form führt die Materie zur Gestaltung und zur Vollendung,
und dieses Entwicklungsprinzip nannte Aristoteles die Entelechie. Der
alte Goethe nannte die unsterbliche Seele des Doktor Faust auch seine
Entelechie. Goethe sagte zu Eckermann über den Tod, er gehe davon
aus, dass die Entelechie seines Geistes oder seiner Ur-Monade im
ewigen Leben sich schöpferisch weiter betätige. Da Aristoteles den
Menschen als vernünftiges Tier ansah, verwirklichte sich für ihn
das Wesen des Menschen in einem vernünftigen Leben, in der
Verwirklichung der menschlichen Tugenden Klugheit, Besonnenheit,
Tapferkeit und Gerechtigkeit. Dieses vernünftige und tugendhafte
Leben führe zur Eudämonie, zum guten Leben, zur Glückseligkeit.
Die Glückseligkeit sah Aristoteles als das Höchste Gut des Menschen
an. Darin folgte ihm Boethius in seinem Trost der Philosophie. Im
Unterschied zu Platon, dachte sich Aristoteles keine Unsterblichkeit
der Seele, weil er die Seele als Form des Leibes ansah und sich keine
Trennung der beiden Prinzipien denken konnte. Unsterblich war für
ihn allein der göttliche Geist. Das setzte der heilige Thomas von
Aquin fort, der von der Leib-Seele-Einheit sprach und neben der
Unsterblichkeit der Seele auch von der Auferstehung des Fleisches
sprach. Die Lehre des Aristoteles hat eine unabsehliche Folge. Im
Islam haben die arabischen Philosophen Avicenna und Averrhoes
versucht, die Lehren des Aristoteles mit der Lehre des Koran zu
harmonisieren. Im Judentum hat Rabbi Moyses oder Maimonides versucht,
die Philosophie mit der Torah zu harmonisieren. Mit diesen
orientalischen Philosophen haben sich Albertus Magnus und Thomas von
Aquin auseinander gesetzt. Thomas nannte Aristoteles einfach: den
Philosophen. Die Philosophie des Aristoteles begründete die
klassische christliche Philosophie des Mittelalters, die Scholastik,
deren Gipfel die Philosophie des heiligen Thomas ist. Luther dagegen
protestierte und sagte, die Priester kennen ihren Aristoteles besser
als die Bibel. Luther sprach von der Vernunft als einer Hure: Fraw
klüglin ist ein hur! Im zwanzigsten Jahrhundert haben Philosophen
wie die heilige Edith Stein und der heilige Karol Wojtyla den
Aristoteles-Thomas mit der Philosophie der Phäomenologie und des
Personalismus zusammen gedacht.
ÄSTHETIK
Im
fünften Jahrhundert vor Christus gab es in China schon eine lange
Tradition hochstehender Kunstwerke, als Konfuzius die Dichtkunst und
die klassische Musik pries zur Erziehung des Menschen zur
Menschlichkeit. Der urkommunistische Philosoph Mo Ti lehnte die Kunst
ab, weil sie nur dem Adel zugänglich sei und nicht dem einfachen
Volk.
In
Indien prägte man in der Ästhetik den Begriff des Rasa, des
Zustandes des Künstlers, Begeisterung, Inspiration, Manie, Rausch,
Ekstase, aus dem das wahre Kunstwerk entsteht. In Griechenland sprach
Homer von Schönheit und Harmonie, Hesiod von Inspiration durch die
Musen, Pindar von der Sophia des Dichters. Heraklit sprach von Kunst
als Nachahmung der Natur, Demokrit vom Wesen der Schönheit als
Symmetrie und Harmonie, Pythagoras sprach von einer kosmischen
Ordnung der Harmonie nach mathematischen Gesetzen, Sokrates
identifizierte das Schöne mit dem Guten. Platon ist der eigentliche
Philosoph der Schönheit. Diotima beschreibt im Symposium den
Aufstieg vom sinnlich Schönen des Körpers zum seelisch Schönen der
Tugend, bis zum göttlich Schönen der Aphrodite Urania. Alles
sichtbar Schöne ist Abbild der Idee der Schönheit. Allerdings
verbannte Platon die Dichter und Künstler aus seinem idealen Staat.
Aristoteles untersuchte die griechischen Künste. Nachahmung der
Natur, aber nicht des Zufälligen, sondern des Wesentlichen und
Gesetzmäßigen, sei Kunst. Dem sinnlich Schönen wohnt Proportion,
Ordnung und Bestimmtheit inne. Plotin sprach von einer stufenweisen
Emanation aus dem göttlichen Einen, da immer das Vollkommenere das
Geringere zeugt, das Geringste ist die sinnliche Schönheit der
Materie. Der Mensch muss stufenweise von niederer zu höherer
Schönheit aufsteigen, um schließlich in Ekstase die göttliche
Urschönheit zu schauen. Er bestätigte Platon, dass alles sinnlich
Schöne und Kunstschöne schön sei durch abbildliche Anteilhabe an
der göttlichen Urschönheit. Seneca meinte, alle Schönheit sei
Wirkung der göttlichen Vernunft. Für Augustinus war Schönheit ein
Name Gottes. Er betete zur Schönheit: O Schönheit, spät erst hab
ich dich geliebt. Ich suchte dich immer im Äußeren, bis ich
erkannte, dass du in mir wohnst. Dionysius Areopagita nannte die
Urgottheit auch Urschönheit, die Quelle aller Schönheit. Es gibt
eine Analogie zwischen göttlicher und irdischer Schönheit. Es gibt
aber auch einen stufenweisen Abfall vom göttlich Schönen. Je näher
Gott, desto schöner. Die irdische Schönheit ist unähnlich-ähnlich
der göttlichen Schönheit. Die Schönheit wird für die
eucharistische Kultfeier gefordert, für Zeremonie, Kleidung,
Gebäude, Kultgegenstände, Bilder. Die Analogie der Schönheit der
Schöpfung zur göttlichen Schönheit bedeutet, dass der Künstler
die Schönheit nicht schafft, sondern nur die objektiv seiende
Schönheit aufzeigt oder offenbart. Bernhard von Clairveaux pries
ein Schönheitsideal der Liebesmystik, eine ruhige, lichtvolle,
heilige und keusche Schönheit. Thomas von Aquin nannte Schönheit
den Glanz der Ordnung. Schönheit sei geprägt von Klarheit,
Proportion und Perfektion. Bonaventura sprach von einer Kontemplation
der irdischen Schönheit, die zur Schau der göttlichen Schönheit
führt. In der Renaissance sprachen Leonardo da Vinci, Albrecht
Dürer, Pico della Mirandola und Ficino von der Nachahmung des
Naturschönen, der Darstellung des Gesetzmäßig-Schönen, von der
inneren Welt der Bilder in der Seele des Schaffenden, vom Aufstieg
zur intelligiblen Schönheit. Marsillio Ficino und Nikolaus Cusano
sprachen von der Schönheit als einem Triumph über die Natur und
dass die Kunst um so schöner sei, je näher sie der intelligiblen
Schönheit komme. Ficino sprach von der Melancholie als Gemütszustand
des Künstlers, Voraussetzung für die Schöpfung schöner und weiser
Werke.
Im
deutschen Idealismus sagte Hegel, der dialektisch-werdende Gott
inkarniere in der Welt und komme durch das Bewusstsein des Menschen
zu sich selbst in drei Stufen: durch den Künstler, durch den
Gläubigen und durch den Philosophen. Also wird Gott durch die
Schönheit der Kunst zum vollendeten Gott. Schiller unterschied die
ideale Schönheit und die reale Schönheit, also die Schönheit der
Erfahrung. Die reale Schönheit teilte er in schmelzende und
energische Schönheit. Die schmelzende Schönheit ist die eigentliche
Schönheit, eine Mischung aus Sinnlichkeit und Vernunft. Die
energische Schönheit ist die Schönheit des Erhabenen und
Kraftvollen. Die ideale Schönheit ist nicht an die Realität
gebunden. Sie ist die wahre Kunst, die nur durch das ästhetische
Spiel erreicht wird. Sie versetzt den Menschen in einen ästhetischen
Idealzustand der wahren Freiheit. Der Mensch muss prüfen, ob die
Kunst ihn in den ästhetischen Idealzustand versetzt. Allerdings muss
der Mensch auch empfänglich sein für die Idealschönheit.
Kierkegaard sprach von dem ästhetischen Leben als einem Leben nach
den Prinzipien des Schönen, Angenehmen, Lustvollen. Höher stellte
er das ethische Leben nach den Prinzipien der Tugend, des Guten, der
Nächstenliebe. Am höchsten steht das religiöse Leben als eine
radikale Imitation des gekreuzigten Christus. Wladimir Solowjew
entwickelte eine Ästhetik des Naturschönen und des Kunstschönen
und sah das Prinzip des Schönen vor allem im Prinzip der
Durchdringung und Aufklärung der Materie durch den Geist. Darum ist
der Mensch die Krone der Schöpfung. Wie Goethe in seiner klassischen
Walpurgisnacht die ganze Genesis in Galathea münden ließ, wie Moses
in seiner Genesis das Sechstagewerk der Schöpfung mit der Schöpfung
Evas krönte, sah auch Wladimir Solowjew die schöne Frau als Krone
der Schöpfung an. Die vollkommen schöne Frau, die ganz von Geist
und Licht durchdrungen ist, ist die makellose Jungfrau Maria, die
tota pulchra perfectissima.
AUGUSTINUS
Augustinus
wurde in Nordafrika als Sohn eines Heiden und einer Christin, der
heiligen Monica, geboren. Er wandte sich bald von seiner christlichen
Erziehung ab und vertiefte sich in Rhetorik, heidnische Dichtkunst
und Philosophie. Er lebte mit einer Konkubine zusammen und ward durch
sie Vater seines Sohnes Adeodatus, der nach der Bekehrung des
Augustinus auch Christ wurde. Die Bibel lehnte Augustinus als
unphilosophisches Buch ab. Er wandte sich dem Manichäismus zu, einer
persischen Religion, die vom Dualismus eines guten und eines bösen
Gottes ausging. Augustinus studierte dann auch den Platonismus und
Neuplatonismus, vor allem Plotin. Er arbeitete als Rhetoriker und kam
nach Mailand, wo er um der schönen Sprache willen die Predigten des
heiligen Ambrosius hörte. Diese erschlossen ihm den tiefen geistigen
Sinn der Bibel, der ihm vorher verschlossen war. Er bekehrte sich zu
Christus und ließ sich taufen. Seine Mutter, die heilige Monica,
hatte viele Jahre unter Tränen um seine Bekehrung gebetet. Die
Schriften Ciceros hatten ihn bewogen, sich der Weisheit zu widmen.
Nach seiner Bekehrung wurde er Priester und später Bischof in
Nordafrika. Sein literarisches Schaffen entfaltete sich erst nach
seiner Bekehrung. Zuerst schrieb er Dialoge im klassischen Stil.
Berühmt ist sein Selbstdialog, da sein Ich mit seiner Vernunft
diskutiert. Er setzte sich mit dem spätantiken Skeptizismus
auseinander. Er schätzte den Zweifel, aber bei allem Zweifeln
zweifelt doch der Zweifelnde nicht an der Existenz seines Ich. Da
sein Ich existiert, gibt es also ein Seiendes. Von diesem Seienden
kann auf das absolute, ewige Sein geschlossen werden, das wir Gott
nennen. Augustinus entwickelte eine christliche Philosophie, indem er
die göttliche Offenbarung mit den Mitteln der neuplatonischen und
stoischen Philosophie durchdachte. Berühmt geworden ist Augustinus
durch sein literarisches Alterswerk: die Bekenntnisse, das Buch über
die Dreifaltigkeit Gottes, das Buch über den Gottesstaat. Der Mensch
ist gut geschaffen und mit einem freien Willen. Aber im Sündenfall
gebrauchten Adam und Eva ihren freien Willen zur Abkehr von Gott.
Diese Sünde wird als Erbsünde der natürliche Zustand aller
nachfolgenden Menschen sein. Nur mit Hilfe der göttlichen Gnade
können die sündigen Menschen zu Gott heimkehren. Das Zusammenspiel
von göttlicher Gnade und freiem Willen bei der Rettung des Menschen
konnte von der christlichen Theologie bisher nicht exakt beschrieben
werden. Luther, der Augustinermönch, lehnte den freien Willen ab.
Die Rettung komme allein durch Gnade – oder eben nicht. Das führte
bei Calvin zur Prädestinationslehre, der Mensch sei von Gott
vorherbestimmt entweder zur Rettung oder zur Verdammnis. Diese
reformatorischen Lehren stimmen aber nicht mit Augustinus überein.
In den Bekenntnissen schildert Augustinus die Flüchtigkeit der
zeitlichen Dinge, da die Zukunft noch nicht sei, die Vergangenheit
nicht mehr sei, die Gegenwart ein bloßer Punkt ist, da Zukunft in
Vergangenheit übergeht. Es gelte also, sich den ewigen Dingen
zuzuwenden. Die Seele mit den drei Seelenvermögen Wille oder Liebe
und Verstand oder Weisheit und Gedächtnis sei Abbild der
Dreifaltigkeit Gottes. Gott wohne in der Seele. Gott ist dem Menschen
innerlicher als sein eigenes Ich. Christus ist der innere Lehrer. Die
göttliche Schönheit ist im Inneren zu suchen. Das irdische Leben
ist ein Pilgerweg zu Gott. Dieser Pilgerweg ist ein beständiger
Kampf zwischen Gott und dem Teufel, Gut und Böse, Licht und
Finsternis. Das Reich Christi oder der Gottesstaat ist nicht von
dieser Welt, aber das Himmelreich ist keimhaft schon in der
Geschichte gegenwärtig, aber im Kampf mit dem Fürsten dieser Welt.
Der Sieg des Gottesstaates am Ende der Zeit ist gewiss. Das Heil
beschreibt Augustinus nicht nur als ein Schauen Gottes, sondern als
ein Genießen Gottes: Wir werden von der Gottheit befriedigt, aber
nicht so, dass wir ihrer überdrüssig werden, wir werden schmachten
nach dem Genuss der Gottheit, aber nicht so, dass wir unglücklich
werden. In einem ewigen Spiel von Schmachten und Befriedigung
genießen wir die Vereinigung mit der Gottheit.
AUTORITÄT
Die
allerhöchste Autorität ist Gott Vater. Ich bin der Herr, dein Gott,
du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Es ist für die
Ordnung der Menschheit, ja der ganzen Schöpfung, absolut
heilsnotwendig, diese uneingeschränkte Herrschaft des Herrn
anzuerkennen. Diese Autorität des Vaters ist keine
Willkürherrschaft, sondern ergibt sich aus der bedingungslosen Liebe
des Schöpfers zu allen seinen Geschöpfen. Dieser Vater im Himmel
ist der Vater aller Vaterschaft, der Herr der Herren und König der
Könige. Durch Gottes Weisheit regieren die Könige, heißt es in der
Schrift. Die staatliche Obrigkeit ist von Gott den Menschen
verordnet. Den Bürgern des Staates ist der Obrigkeit gegenüber
Gehorsam befohlen. Die Grenze dieses Gehorsams ist nicht der Wunsch
des Menschen, sondern der höhere Gehorsam Gott gegenüber. Die
Obrigkeit soll den Geboten Gottes untertan sein. Das war das Konzept
des Kaisertums von Gottes Gnaden im heiligen römischen Reich
deutscher Nation und in der Habsburger Monarchie. Platon preist vor
allen Regierungsformen die Monarchie. Wenn sie entartet, wird sie zur
Tyrannei. Dann folgt die Aristokratie, wenn diese entartet, wird sie
zur Oligarchie. Dann folgt die Demokratie, die, wenn sie entartet,
zur Anarchie wird, der chaotischen Pöbelherrschaft. Konfuzius sagte:
Wenn der Vater Himmel über dem Himmelssohn steht, wenn der Kaiser
über den Fürsten steht, wenn die Fürsten über den Familienvätern
stehen, wenn der Vater über der Mutter steht und der ältere Sohn
über dem jüngeren Sohn und der ältere Freund über dem jüngeren
Freund, dann ist das ganze Reich in Ordnung, in himmlischer Harmonie,
in einer geordneten Hierarchie. Die himmlische Hierarchie ist nach
Dionysius Areopagita geordnet in den Chören der Engel und setzt sich
auf Erden in der Hierarchie der Kirche fort. An der Spitze der
kirchlichen Hierarchie steht der Papst, der den Vorsitz in der Liebe
hat. Die Gläubigen sind aufgefordert, in der kirchlichen Hierarchie
dem apostolischen Lehramt zu gehorchen. Die Orthodoxen und
Protestanten haben sich selbst aus der kirchlichen Hierarchie
ausgeschlossen, die von Christus eingesetzt worden ist. In der
Familie soll der Mann das Haupt sein und seine Frau lieben, wie
Christus seine Kirche liebt. Die Frau soll ihren Mann ehren, wie die
Kirche den Herrn ehrt. Der Vater soll seine Kinder nicht zum Zorn
reizen, sondern ein Abbild des liebenden Vaters im Himmel sein.
Goethe sagte: Man könnte erzogene Kinder gebären, wenn die Eltern
nur auch erzogen wären. Die Eltern können nur liebevolle und starke
Autorität ausstrahlen, wenn sie sich selbst der Autorität Gottes
unterordnen. Anarchistische Eltern, wie unsere Zeiten zeigen, bringen
anarchistische Kinder hervor. Hölderlin sagte: Die Kinder sind wie
Reben, die wild am Boden herum irren und keine Früchte bringen, wenn
sie nicht an einer starken Ulme angebunden in die Höhe wachsen.
BÖSES
Im
Buddhismus heißt der Böse Mara, er verführte den unterm Ficus
religiosus meditierenden Buddha in Gestalt eines nackten Mädchens
zur Anhänglichkeit ans Leben. Ein buddhistischer Mönch hatte schon
sechs Erleuchtungen erfahren, da begehrte er die letzte, siebente
Erleuchtung. Darum wollte er Selbstmord begehen, um ins Nirwana
einzugehen. Da kam der Böse und sagte: Bring dich nicht um, sondern
liebe das Leben! Da rief der Mönch Buddha um Hilfe, und Buddha kam
und half dem Mönch zum Selbstmord. In der Religion des Zoroaster,
wie er griechisch heißt, oder Zarathustra, wie er persisch heißt,
gibt es den guten Gott Ahura Mazda und den bösen Gott Ahriman, die
ewig im Kampf miteinander liegen, und der Mensch ist in diesen Kampf
mitten hineingestellt. In der Gnosis machte man einen Unterschied
zwischen dem Gott Israels als dem Schöpfer und dem lieben Vater Jesu
Christi. Den Schöpfer sah man als einen bösen Gott an, der die böse
Materie geschaffen hatte. Leiblichkeit des Menschen und Sexualität
waren böse. Diese Lehre nahmen später die Katharer in Südfrankreich
wieder auf. Der Islam erzählt, dass Allah alle Engel aufgefordert
hatte, Adam anzubeten. Alle Engel beteten Adam an außer Iblis, der
Diabolo, der Teufel. Er sagte sich: Ich bin ein Engel und stehe über
dem Menschen. So ist Shaitan oder Iblis von Anfang an ein Rebell
gegen Allah. Ein Moslem wird auf seiner Pilgerfahrt zur Kaaba von
Mekka den Shaitan steinigen und verfluchen. Die christlichen
Kirchenväter spekulierten über den in der Bibel berichteten Fall
der Engel am Anfang der Zeit. Gott zeigte den Engeln am Anbeginn der
Zeit, dass Gottes Sohn ein Mensch werden wird, von einer Frau
geboren, die zur Königin der Engel erhoben wird. Luzifer, der ein
Cherub war, sagte sich: Das ist unerträglich, dass Gottes Sohn nicht
ein Engel wird, sondern ein Mensch, und dass eine Frau Königin der
Engel werden soll. Daraufhin rebellierte Luzifer gegen den Plan
Gottes. Ein Drittel der Engel folgte ihm, und sie wurden von Christus
und Sankt Michael in die Hölle gestoßen. Darum ist es das
Kennzeichen der heiligen Engel, die Jungfrau Maria als ihre Königin
zu grüßen, wie Sankt Gabriel tat und die Jungfrau in Nazareth
grüßte: Heil Maria, Gnadenvolle! Darum ist das Gebet des Ave Maria
die sicherste Absage an Satan und seine gefallenen Engel. John Milton
hat den Sturz Satans in seinem Epos „das verlorene Paradies“
besungen. In der jüdischen Esoterik der Kabbala entsteht das Böse
aus dem Zorn Gottes. Dort ist Luzifer vermählt mit der Sie-Teufelin
Lilith. Lilith ist das Böse in weiblicher Gestalt und verursacht vor
allem Ehebruch, Unzucht und Kindermord. Wir leben in unseren
prostituierten Zeiten mit der billionenfachen Abtreibung in einem
Zeitalter der Lilith. Vom feministischen Satanismus wird Lilith als
Göttin der Frauen angebetet. Augustinus und auch Boethius in seinem
Trost der Philosophie sagen, dass das Böse kein wesentliches Sein
besitzt, sondern nur in einem Mangel des Guten besteht, also
wesentlich Nichts ist. Hölderlin sagte: Das Böse ist nichts, das
soll mir einer begreifen wie der Adler den Raub. Luther sagte: Gott
verstockte das Herz des Pharao, um dann Gottes Macht am Pharao zu
beweisen durch die Befreiung der Kinder Israels. Gott tue also Böses,
um das Böse durch das größere Gute zu überwinden, und sich so zu
verherrlichen. Gott sei also ein dialektischer Gott, der sein eigenes
Böses durch sein eigenes Gutes überwinde. Hegel als Student der
evangelischen Theologie nahm Luthers Gedanken von
dialektisch-werdenden Gott auf und sprach darum von Luzifer als der
vierten Person Gottes. Papst Johannes Paul der Große sprach von den
beiden großen satanischen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts,
dem Nationalsozialismus, und dem Kommunismus mit ihren Hunderten
Millionen Opfern. Das einzige Gegenmittel sah der Heilige in der
Barmherzigkeit Gottes, die aus dem Bösen noch Gutes entstehen lassen
kann.
CHILIASMUS
Die
Lehre vom Tausendjährigen Reich oder dem Friedensreich des Messias
auf Erden beruht auf einer wörtlichen Auslegung der Apokalypse des
Johannes. Die Lehre wurde von einigen frühen Kirchenvätern
vertreten, von anderen abgelehnt. Im Laufe der Zeit entschloss sich
die Kirche, den Chiliasmus zu verwerfen. Nach Augustinus bezeichnet
das Tausendjährige Reich die Zeit zwischen der Himmelfahrt Jesu und
der Wiederkunft Jesu in Herrlichkeit am Ende der Zeiten. In dieser
Zeit herrscht der Messias mit den Heiligen im Himmel. Einen
besonderen Chiliasmus vertrat Joachim di Fiore. Er sagte: Das Reich
des Vaters war das Reich des Gesetzes und reichte bis zur Geburt
Christi. Dann kam das Reich des Sohnes als das Reich der Gnade und
der hierarchischen Kirche. Darauf erwartete Joachim das Reich des
Geistes als das Reich der Freiheit und der charismatischen
Geistmenschen. Die Franziskaner-Spiritualen sahen das Zeitalter des
Geistes mit dem Kommen des heiligen Franziskus gekommen. In der Zeit
der Reformation vertraten die radikal-protestantischen Wiedertäufer
die wörtliche Lehre vom Tausendjährigen Reich. In Abgrenzung zu den
Wiedertäufern lehnte die Augsburgische Konfession der evangelischen
Kirche den Chiliasmus ab. Die Lutherische Kirche wie die Katholische
Kirche lehnen diese Vorstellung bis heute ab. Im Gefolge der
Wiedertäufer lebt die Idee aber fort bei den radikalen Pietisten,
den evangelikalen Freikirchen und den Pfingstlern. Die Evangelikalen
erwarten die Wiederkunft Christi, die damit verbundene Entrückung
der Gemeinde, und dann das Tausendjährige Reich des Messias, bis das
Weltgericht kommt. Kardinal Ratzinger, unter Papst Johannes Paul dem
Großen Präfekt der Glaubenskongregation, sagte, es gäbe keine
Stellungnahme der Kirche, ob die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit
das selbe sei wie die Wiederkunft zum Weltgericht oder ob das zwei
verschiedene Ereignisse seien. Als die polnische Mystikerin Schwester
Faustyna um 1920 Offenbarungen Jesu empfing, war darin die Rede
davon, dass vor dem Kommen Christi als Richter ein Kommen Christi als
der barmherzige Jesus sich ereigne. Die verschiedenen
Privatoffenbarungen der Jungfrau Maria sprechen von der gegenwärtigen
Zeit als der Zeit der großen Drangsal und des großen
Glaubensabfalls und verheißen eine gewaltige Christus-Erscheinung
auf Erden und ein darauf folgendes Friedensreich auf Erden. Die
Prophezeiungen der Päpste sprechen wie die Charismatiker von einem
Neuen Pfingsten, einem neuen Frühling der Kirche, einem neuen
Menschheitsfrühling, oder wie Papst Johannes Paul II von einer
Zivilisation der Liebe. Aber weil der Teufel, wie Luther sagte, der
Affe Gottes ist und alles auf schlechte Art nachäfft, gibt es auch
den antichristlichen Chiliasmus der marxistischen Heilserwartung
eines Arbeiter-und-Bauern-Paradieses auf Erden und der
nationalsozialistischen Ideologie vom Tausendjährigen Reich der
Herrschaft des arischen Herrenmenschen, sowie in unserer Zeit den
Chiliasmus des New Age, der eine Universale Weltharmonie durch die
Welteinheitsreligion des esoterischen Synkretismus verheißt.
COGITO
ERGO SUM
Rene
Descartes schrieb in seinem Werk „Meditationes de prima
philosophia“: „Da es ja immer noch ich bin, der zweifelt, kann
ich an diesem Ich, selbst wenn es träumt oder phantasiert, selber
nicht mehr zweifeln.“ In dem „Discours de la méthode“ schrieb
Descartes: „Nun hatte ich beobachtet, dass in dem Satz: Ich denke,
also bin ich (Je pense, donc je suis) überhaupt nur dies mir die
Gewißheit gibt, die Wahrheit zu sagen, dass ich klar einsehe, dass
man, um zu denken, sein muss.“ In seinen Meditationen über die
Grundlagen der Philosophie schrieb Descartes über einen möglichen
bösartigen Dämon, durch den Sinne und Wahrnehmung getäuscht werden
könnten: „Nun, wenn er mich auch täuscht, so ist es also
unzweifelhaft, dass ich bin. Er täusche mich, so viel er kann,
niemals wird er jedoch fertigbringen, dass ich nichts bin, so lange
ich denke, dass ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem ich nun
alles mehr als genug hin und her erwogen habe, schließlich zu der
Feststellung, dass dieser Satz: Ich bin, ich existiere, so oft ich
ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist.“ Später
fasst Descartes seine Erkenntnis in den Prinzipien der Philosophie
mit der lateinischen Formulierung „ego cogito, ergo sum“
zusammen. „Indem wir so alles nur irgend Zweifelhafte zurückweisen
und für falsch gelten lassen, können wir leicht annehmen, dass es
keinen Gott, keinen Himmel, keinen Körper gibt; dass wir selbst
weder Hände noch Füße, überhaupt keinen Körper haben; aber wir
können nicht annehmen, dass wir, die wir solches denken, nichts
sind; denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, in dem
Zeitpunkt, wo es denkt, nicht bestehe. Deshalb ist die Erkenntnis:
Ich denke, also bin ich, von allen die erste und gewisseste, welche
bei einem ordnungsmäßigen Philosophieren hervortritt.“ Vor
Descartes hatte bereits Augustinus in seinem Gottesstaat mit der
unmittelbaren Selbstgegebenheit des Denkenden argumentiert: „Selbst
wenn ich mich täusche, bin ich. Denn wer nicht ist, kann sich auch
nicht täuschen. Und demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Weil
ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein
Sein täuschen, da es doch gewiss ist, dass ich bin, gerade wenn ich
mich täusche?“ Augustinus schloss von der unzweifelhaften Existenz
des Zweifelnden auf die unzweifelhafte Existenz des Seins, des
Seienden überhaupt, und kam so zu dem Glauben an den Gott des Seins,
den Seienden, der sagte: Ich bin, der ich bin. Nietzsche kritisierte,
dass die Metaphysiker immer von ihrem eigenen Ich auf das Ich Gottes
schlossen. In der modernen Esoterik wird das Ich, die Person des
Menschen aufgelöst: Wer bin ich, und wenn ja, wie viele? So fragen
zeitgenössische Modephilosophen. Da sich in der esoterischen
Anthropologie die Person des Menschen in innere Dämonen und Energien
auflöst, wird auch geleugnet, dass Gott Person ist. Es wird nicht an
den Gott Ich-Bin geglaubt, sondern an eine unpersönliche kosmische
Energie, welche magisch beschworen wird. Einen anderen Kommentar zur
Evidenz des Ich gibt der taoistische Philosoph Dschuang Dse: „Wenn
Dschuang Dse träumt, dass er ein Schmetterling ist, ist es dann
Dschuang Dse, der träumt, dass er ein Schmetterling sei, oder ist es
ein Schmetterling, der träumt, dass er Dschuang Dse sei.“
COINCIDENTIA
OPPOSITORUM
Der
Ineinsfall der Gegensätze ist ein Begriff der Philosophie des
Nikolais von Kues oder Cusano. Schon der alte Grieche Anaximander
nahm diese Koinzidenz an für die Urmaterie, die das größte und das
kleinste zugleich sei. Cusanus distanzierte sich von der
aristotelischen Scholastik, die den Satz des Widerspruchs aufstellte,
etwas könne nicht zugleich seiend und nichtseiend gedacht werden
oder zugleich böse und gut, da das Böse die Negation des Guten ist.
Cusanus war Neuplatoniker und hatte von Plotin gelernt, das Gott das
Eine ist, die All-Einheit, wie Hölderlin sagt. Gott ist
unaussprechlich und undenkbar und steht über dem Widerspruch von
Sein und Nichts. Diese Lehre von Plotin nahm Dionysius Areopagita auf
und sprach von der über-seienden Gottheit, von der wir nur sagen
können, was sie nicht ist, sie ist un-endlich, un-sichtbar,
un-beschreiblich, un-denkbar. Angeregt von Meister Eckart und
Raimondus Lullus entwickelte Cusanus seine Lehre. Er unterschied
zwischen dem Verstand oder Ratio und Vernunft oder Intellekt. Der
Verstand richte sich auf die quantitative Ordnung des sinnlich
Gegebenen. In dieser materiell endlichen Welt gilt der Satz vom
Widerspruch, dass Gegensätze nicht identisch sein können. Die
Vernunfterkenntnis steht höher als die Verstandestätigkeit. Mit der
Vernunft kann man sich den Zusammenfall der Gegensätze denken. Der
Vernunft ist Gott das Größte, was gedacht werden kann, da der
transzendente Gott alle Universen an Größe übertrifft, und
zugleich ist Gott das Allerkleinste, da Gott in allen Dingen immanent
innewohnt. Platonisch im mathematischen Gleichnis gesprochen, ist die
Linie zugleich ein Dreieck, dessen Grundlinie unendlich breit ist und
dessen Höhe gleich Null ist, und zugleich ist die Linie ein Kreis
mit einem unendlichen Umfang. Diese Erkenntnismethode Gottes, Gott
zugleich zu denken als Sein und als Nichts, oder genauer gesagt, über
dem Widerspruch von Sein und Nichts existierende über-seiende
einfache Einheit, nennt Cusanus die docta ignorantia, die gelehrte
Unwissenheit. Sie ist mehr eine Methode der Meditation, um zur Vision
von Gott zu gelangen, als eine philosophische Lehre. Gott wohnt nicht
in dem Zusammenfall der Gegensätze, sondern jenseits davon. So kann
die Lehre vom Ineinsfall der Gegensätze nach Cusanus auch zu einer
Mauer zwischen Gott und dem Gottsucher werden. Die Lehre des Cusanus
wurde von Giordano Bruno pantheistisch interpretiert, der Gott und
Welt in eins zusammen fallen ließ. Von Bruno führt die Tradition zu
Hegel, der in Gott ein dialektisches Prinzip annahm: Gott ist die
These, die Inkarnation Gottes in der Welt ist die Antithese, der im
Bewusstsein des philosophierenden Menschen zum Weltgeist gewordene
Gott ist die Synthese. Der Ineinsfall der Gegensätze wird auch in
der christlich-feministischen Theologie verwandt, um zu sagen, dass
Gott der Ineinsfall von Väterlichkeit und Mütterlichkeit ist.
CREDO
UT INTELLIGAM
Der
Satz stammt vom heiligen Anselm von Canterbury, einem Benediktiner,
und bedeutet: Ich glaube, um verstehen zu können. Nach Anselm ist
der Glaube die Antwort auf die göttliche Offenbarung in Christus,
wie er der heiligen Kirche anvertraut wurde. Dieser Glaube ist ein
höheres Wissen, das nicht aus dem Denken des 'Menschen stammt,
sondern aus der Offenbarung Gottes. Dieser Glaube erleuchtet das
Wissen. Die Offenbarung schenkt ein höheres Wissen. Darum ist der
Glaube nicht, wie heute gesagt wird, ein Nicht-Wissen, sondern ein
höheres Wissen. Aber diesen Glauben, im bedingungslosen
Glaubensgehorsam von der Kirche empfangen, wollte Anselm mit den
Mitteln des menschlichen Wissens, des Denkens, des Philosophierens
besser ergründen. Zu der Erkenntnis, dass Gott existiert, ist der
Mensch durch sein Philosophieren gelangt. Aber dass Gott
dreifaltig-einer ist, weiß der Mensch nur aus der Selbstoffenbarung
Christi. Aber ein Glaube, der nicht von der Vernunft durchdrungen
wird, kann leicht zum Aberglauben, Irrglauben oder Fanatismus werden.
Dagegen eine Philosophie, die die höhere Erleuchtung durch die
göttliche Offenbarung ablehnt, tappt im Finsteren, und es ist dann
bloßer Zufall, wenn Körnchen der Wahrheit vorhanden sind. Glaube
und Vernunft sind die beiden Flügel, auf denen der Mensch sich zu
Gott erhebt. Es ist eine besondere Zierde des katholischen
Christentums, dass es mehr als andere christliche Konfessionen große
Philosophen hervorgebracht hat. Zur Zeit der Scholastik bezeichnete
man in Anlehnung an Anselm die Philosophie die Magd der Theologie.
Der große Denker Abälard, der Liebhaber der Héloise, der
Entmannte, kehrte den Satz des Anselm um, indem er sagte: Ich will
verstehen, um glauben zu können. Der heilige Bernhard von
Clairveaux, der Mystiker der göttlichen Liebe, stellte den Satz auf,
dass man nur erkennen kann, was man liebt.
DASEIN
Bei
Hegel ist das Dasein ein Etwas, ein Moment des Werdens, gemischt aus
Sein und Nichts, der Vergänglichkeit unterworfen, es ist endlich. Es
hat eine quantitative Grenze und auch eine qualitative Grenze. Die
qualitative Grenze grenzt das konkrete Etwas in seinem So-sein vom
Anderen ab, das qualitativ anders ist. Das Andere ist die Negation
des Etwas. Heidegger unterscheidet Dasein vom Vorhandenen.
Vorhandenes sind die Dinge der Welt. Dasein ist bewusstes Sein, ist
Existenz des Menschen. Dasein ist bewusst und nimmt Stellung zu sich
selbst und zu der Welt. Dasein ist voller Möglichkeiten. Ein Mensch
entscheidet sich, was er werden will. Aber Dasein ist auch eine
Geworfenheit, das heißt, in das Dasein des Menschen kommt auch etwas
vor ihm oder außer ihm liegendes. Daran knüpft Edith Stein an und
sagt, das das Dasein des Menschen ja nicht vom Menschen selbst kommt,
sondern seinen Ursprung im absoluten Sein oder Gott hat. Auch ist die
Existenz oder das Dasein des Menschen keine rein individuelle
Erscheinung, sondern empfängt Wesentliches von anderen Subjekten und
von der Welt schon, bevor es Ich denkt. So empfängt der Mensch sein
Menschenbild von den Eltern, wächst in einer bestimmten Natur und
Kultur und Sprache heran, das alles prägt ihn wesentlich, bevor er
seine Individualität entdeckt. So grenzt das isolierte Dasein oder
die einsame Existenz an das Dasein der anderen Subjekte, an das
Dasein der Welt und letztlich an das Dasein Gottes.
DEISMUS
Der
Deismus entstand im siebzehnten Jahrhundert in England. Seine
Vorläufer waren die Antitrinitaristen. Die Deisten verkündeten
einen Gott in einer Person, der die Ursache der Welt ist. Leibnitz
nannte Gott einen Uhrmacher, der am Anfang die Welt als eine perfekte
Uhr hergestellt hat, die dann von selbst funktioniere. Das Eingreifen
Gottes in die Welt wird geleugnet. Wunder und Prophezeiungen werden
geleugnet oder rationaliastisch umgedeutet. Von Gott wird nur das
behauptet, was dem Verstand des Menschen einsichtig ist. Es wird die
strikte Trennung von Gott und Welt behauptet. Man wollte ein
Christentum ohne Offenbarung, ein Christentum als moralische Instanz
zur Besserung des abergläubischen Pöbels. Göttliche Offenbarung
ward als Schwindel der Priester abgetan. In Frankreich vertrat im
Zusammenhang mit den Freimaurern Voltaire den Vernunftglauben.
Rousseau hatte religiöse Empfindungen, sah sich aber einem
unverständlichen Gott gegenüber. In Deutschland war der Deismus
nicht sehr weit verbreitet. Hier mischte er sich mit der historischen
Bibelkritik und stritt sich in der Person Lessings mit der
protestantischen Orthodoxie. Im zwanzigsten Jahrhundert vertrat
Albert Einstein einen Pan-Deismus, indem er sagte, der Alte würfele
nicht, aber Einstein glaube auch nicht an einen persönlichen Gott,
sondern bewundere nur die Ordnung des Kosmos.
DEKADENZ
Der
Begriff wurde von Montesquieu geprägt und angewandt auf den
Untergang des römischen Reiches. In der Geschichtsphilosophie
stellte man sich vor, dass Kulturepochen wachsen, reif werden und
verfallen. Der Verfall oder die Dekadenz bezeichnet sozusagen den
Alterszustand der Kultur, die Vitalität neigt sich dem Tode zu, aber
die Seele ist verfeinert. Rousseau nannte die Kulturstufe oder
Zivilisation der Menschheit an sich schon dekadent und stellte ihr
das Ideal des ursprünglichen Naturzustands entgegen. Nietzsche
wandte den Begriff der Dekadenz auf die griechische Demokratie und
besonders auf den hässlichen Sokrates an. Den Gipfel der Dekadenz
sah Nietzsche im Christentum. Dekadenz bedeutete für ihn
Leibfeindlichkeit, Lebensfeindlichkeit, Spiritismus und
Jenseitsgläubigkeit. In seinen späteren Jahren bezeichnete er auch
die Musik Wagners als dekadent. Dekadenz war für ihn gleichbedeutend
mit Krankheit. Dem entgegen stellte er das Ideal des
orgiastisch-vitalen Dionysoskultes der archaischen Zeit. In der Kunst
bezeichnet die Dekadenz Dichter wie Baudelaire und Verlaine. Hier ist
Dekadenz antibürgerliche Boheme-Kultur, geprägt von Sinnlichkeit
und Exotik, Huldigung von Eros und Thanatos. In Deutschlands
Dichterwelt bezeichnet die Dekadenz als lebensunfähige, aber
seelisch verfeinerte Dichter Rilke, den jungen Hofmannsthal und
Thomas Mann. Die kommunistische Ideologie nannte die spätbürgerliche
Kultur dekadent. Die nationalsozialistische Ideologie nannte das
Judentum dekadent oder entartet. In unserer Zeit bezeichnet der
islamische Fundamentalismus das westliche Abendland als dekadent. In
ihren Augen sind das Christentum, die säkulare Demokratie und die
Marktwirtschaft Ausdruck der Dekadenz. Dem setzen sie die Rückkehr
zum Islam der Anfangszeit entgegen. Die katholische Kirche sieht in
der sexualkommunistischen Kulturrevolution einen Ausdruck der
Dekadenz.
DEKALOG
Das
moralische Sittengesetz ist Bestandteil des Naturrechts. Es kann vom
Menschen durch die Vernunft und das Gewissen entdeckt werden. Es ist
von Gott allen Menschen ins Gewissen gelegt worden. So haben Buddha,
Sokrates und Mohammed moralische Gesetze aufgestellt, die dem
Dekalog, den zehn Geboten, ähnlich sind. Da aber durch die Sünde
das Gewissen des Menschen verfinstert ist, gab Gott der Herr der
ganzen Menschheit das moralische Sittengesetz in einer göttlichen
Offenbarung an den Propheten Mose. Das Zehn-Wort stand auf zwei
Tafeln, die erste Tafel enthielt die ersten drei Gebote der rechten
Gottesverehrung, die andere Tafel enthielt die sieben Worte über das
rechte Verhältnis zum Nächsten. Die Einhaltung der zehn Gebote ist
eine Art Läuterung für den Menschen, die zu einer Erleuchtung
führt, die den positiven Sinn des Gesetzes entdeckt. Wer aus
Gehorsam das Wort „Du sollst nicht lügen“ einhält, wird mit der
Zeit einen Instinkt für die Wahrheit bekommen. Wer das Gebot „Du
sollst nicht Ehe brechen“ einhält, bekommt mit der Zeit einen Sinn
für die Schönheit menschlicher Liebe, die Schönheit des
menschlichen Körpers und die Heiligkeit der Sexualität. Wer das
Gebot „Du sollst nicht töten“ einhält, bekommt ein Gespür für
die Heiligkeit des Lebens und wird auch die ungeborenen Kinder
lieben. Jesus bestätigte die Gültigkeit des Dekalogs auch im neuen
Bund und fasste die Gebote zusammen in dem Doppelgebot der Gottes-
und Nächstenliebe. Nietzsche sah in Kant einen Quasi-Mose aus
Königsberg, der mit seinem kategorischen Imperativ und dem Gebot: Du
sollst gut sein, in der Tradition des Dekalogs stehe. Nietzsche
dagegen wollte die Tafeln des moralischen Sittengesetzes zerbrechen.
Wir erleben in unserer gottlosen Zeit den Triumph dieser
nihilistischen Barbarei. Im einundzwanzigsten Jahrhundert fordert die
Jungfrau Maria in ihren Erscheinungen die Kirche auf, wieder die
heiligen zehn Gebote zu lehren.
DEMIURG
In
den Zeiten Homers wurden Handwerker und Ärzte Demiurgen genannt. In
Attika wurden dann die Handwerker Banausen genannt, dafür wurden die
Künstler Demiurgen genannt. Poesie heißt ja Handwerk. Sokrates
verglich Gott den Schöpfer mit einem weisen und freundlichen
Werkmeister. Platon entfaltete die Theologie des Demiurgen. In seinem
Dialog Timäus beschreibt Platon Gott den Schöpfer als Demiurgen,
der die Materie in chaotischer Unform vorfindet, auf die ewigen
geistigen Ideen schaut und nach dem Urbild der Ideen den materiellen
Kosmos als wohlgestaltetes Schmuckstück bildet. Dabei nimmt die vom
Demiurgen geschaffene Weltseele eine Mittlerrolle ein. Platon sah den
Demiurgen als lebendige göttliche Person, die sich an ihrem Werk
freute. Plotin sah Gott als den Einen absolut transzendent und in
keiner unmittelbaren Beziehung zur Schöpfung. Allerdings werden von
ihm der Geist und die Weltseele als Demiurgen bezeichnet. Im Alten
Testament wird um Buch der Sprüche die göttliche Weisheit
Architektin oder Werkmeisterin des Kosmos genannt. Im Neuen Testament
wird im Hebräerbrief Gott der Schöpfer Demiurg genannt. Philo von
Alexandrien nannte den Logos Demiurg. Origenes und verschiedene
katholische Kirchenväter griffen die platonische Ideenwelt auf und
nannten sowohl Gott Vater als auch Gott Sohn Demiurg. Gott Vater habe
den Logos eingesetzt, als Demiurg die Welt zu schaffen. Allerdings
ist es in der christlichen Theologie eine Schöpfung aus dem Nichts.
Aristoteles sah die Materie als anfangslos und ewig an. In der
christlichen Auffassung ist die Materie geschaffen. Der Logos schaute
auf die ewigen Ideen im Geist des Vaters und schuf nach dem Vorbild
der Ideen die Schöpfung. Eine dem entgegengesetzte Vorstellung
hatten die Gnostiker und der Häretiker Marcion. Sie setzten den
Demiurg mit dem Gott Israels gleich und nannten ihn einen bösen
Schöpfer einer bösen materiellen Welt und unterschieden ihn von dem
guten Gott oder Vater Jesu Christi, der kein Schöpfer sei.
DENKEN
Das
Denken ist die Tätigkeit des Verstandes, um Erkenntnisse zu
erlangen. Für Platon war das Denken eine Erinnerung der Seele an
ihre Präexistenz und ihre vorgeburtliche Schau der Ideen im
Ideenhimmel. Für Aristoteles war das Denken das Spezifische des
Menschen, er nannte den Menschen geradezu ein denkendes Tier. Plotin
sprach vom Denken Gottes: Gott ist der Denker und das Gedachte und
das Denken. Augustinus bezeichnete das Denken neben dem Willen und
dem Gedächtnis als Vermögen der menschlichen Geistseele, die
immateriell und unsterblich ist. Auch in Gott ist Wille und Vernunft.
Gottes Wille ist Liebe und sein Denken ist Weisheit. In der
klassisch-christlichen Philosophie des Mittelalters war das Denken
ein wahrhaftiges Erkennen der objektiven Wirklichkeit. Descartes
sagte mit seinem Satz: Ich denke, also bin ich, dass das Denken des
Ichs dem Ich die Gewissheit seiner objektiven Existenz gibt. Für ihn
wie für Spinoza war das Denken umso reiner, je unabhängiger es von
den Sinneseindrücken ist. Für Locke und Hobbes war das Denken nur
eine Reaktion auf die sinnlichen Eindrücke. Kant sagte, das Denken
verarbeite Sinneseindrücke und gäbe ein Urteil über sie ab. Der
menschliche Verstand könne aber nicht die objektive Wirklichkeit,
das Ding an sich, erkennen, sondern nur, wie die Welt seinem
denkenden Ich erscheine. Die jüdische Philosophin Hannah Arendt
sagte, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sei man zu Heidegger
gegangen, weil man dort das Denken lernen könne. In unserer Zeit
fragen Philosophen, ob das Denken ein Akt eines rein geistigen
Bewusstseins sei oder eine Tätigkeit des Nervensystems im Gehirn.
Wenn allerdings die denkende Seele, wie Augustinus sie nennt, das
Lebensprinzip des Leibes ist, wie Sokrates sagt, oder die Form des
Leibes, wie Aristoteles sagt, und der Mensch eine Leib-Seele-Einheit
ist, wie Thomas sagt, dann ist es die Synthese, dass das Denken im
rein geistigen Bewusstsein oder der Geistseele vollzogen wird und
zugleich im Nervensystem der Psyche oder dem Gehirn. Im übrigen
sagte Goethe: Ich habe nie über das Denken gedacht.
DEUS
ABSCONDITUS
Fürwahr,
du Herr bist ein verborgener Gott, heißt es beim Propheten Jesaja.
In der jüdischen Mystik ist Gott offenbar in zehn Hypostasen, in
seiner Weisheit und Vernunft, in seiner Liebe, seiner Herrlichkeit,
seiner Barmherzigkeit und so weiter. Das alles sind Hypostasen
Gottes, in denen Gott sich offenbart, aber über allen diesen
Qualitäten schwebt die Gottheit als En-Soph, das ist die verborgene
Gottheit, die von geschaffenen Geistern nicht erkannt werden kann.
Wir erkennen den deus revelatus, aber nicht den deus absconditus. In
der Mystik des heiligen Dionysius Areopagita ist die Rede von dem
Schlaf Gottes. Der Schlaf Gottes ist ein sinnliches Bild für den
verborgenen Gott, die Unerkennbarkeit Gottes. Gott ist so groß, dass
er alles Begreifen geschaffener Geister unendlich übersteigt.
Johannes vom Kreuz nennt die göttliche Weisheit einen unendlichen
Dschungel. Je tiefer man in diesen Dschungel eindringt, desto mehr
wird man erkennen, aber man kommt an kein Ende des Erkennens. Die
Erkenntnis Gottes ist ein unendlicher Fortschritt. Auch in der
Ewigkeit wird von den Himmlischen die göttliche Weisheit nicht
vollkommen erkannt. Die göttliche Weisheit bleibt auch in der
Ewigkeit ein ewig unausforschliches Mysterium. Nikolaus von Kues
empfahl zur Meditation über Gott das Denken über den Zusammenfall
der Gegensätze. Aber Gott sei nicht in dem Zusammenfall der
Gegensätze, sondern jenseits davon. Es gibt eine Annäherung an
Gott, aber Gott wird immer unsere Erkenntnis übersteigen. Wenn ein
Mann eine Frau liebt, so ist sie ihm geheimnisvoll. Sobald er sagt:
Jetzt habe ich dich ganz durchschaut, ist es keine Liebe mehr. So ist
es mit Gott. Frau Weisheit, die die Philosophen lieben, ist ein
ewiges Geheimnis. Sie ist kein Rätsel, das man eines Tages lösen
kann, sondern bleibt ewig die geheimnisvolle Frau. Luther hat sich
auch mit dem deus absconditus beschäftigt. Gott sah er verborgen in
der Schöpfung. Gott ist in der Welt, aber Gott ist nicht die Welt.
Die Welt offenbart zugleich und verbirgt zugleich Gott. Goethe sagte,
die Gott-Natur ist ein offenbares Geheimnis. In der Schönheit der
Schöpfung kann die Schönheit des Schöpfers erkannt werden, wie
Paulus sagt. Aber die Schönheit des Schöpfers ist in der Schönheit
der Schöpfung geheimnisvoll verborgen. Der platonisch Liebende sieht
in der schönen Frau die göttliche Schönheit wie im Spiegel, aber
die schöne Frau ist nicht die göttliche Schönheit. Die göttliche
Schönheit ist verschleiert. Luther sah den deus absconditus auch in
den Phänomenen von Leid, Tod und Gottverlassenheit. Im Gekreuzigten
ist die Liebe Gottes verborgen, geheimnisvoll gegenwärtig. In Leid
und dunkler Nacht der Seele und der mystischen Erfahrung der
Gottverlassenheit ist Gott ein verborgener und unbegreiflicher Gott.
Luther als Tröster empfiehlt, sich in den Zeiten der
Gottverlassenheit an den deus revelatus zu wenden, an den Gott, der
sich als rettende Liebe offenbart hat.
DEUTSCHER
IDEALISMUS
Die
Epoche des deutschen Idealismus beginnt 1781 mit Kants Kritik der
reinen Vernunft und endet 1831 mit dem Tod Hegels. Die Hauptvertreter
sind Kant, Fichte, Schelling und Hegel. Auch die Weimarer Klassik,
vor allem Schiller, und die Romantik, vor allem Novalis, zählen
dazu. Man vergleicht diese Epoche mit der Epoche der griechischen
Philosophie. Kant lehrte, dass der Mensch die objektive Wirklichkeit,
das Ding an sich, nicht erkennen könne, sondern nur die im Subjekt
erscheinende Wirklichkeit, die der Mensch mit Hilfe von
Verstandesdenken und Vernunftideen wie Willensfreiheit,
Unsterblichkeit der Seele und Existenz Gottes ordne und beurteile.
Der Mensch findet keine objektiven Naturgesetze, sondern lege die
Gesetze in die Natur hinein. Kant grenzt sich damit kritisch von der
klassisch-christlichen Metaphysik ab, die gesagt hatte, Wahrheit sei
die Identität von objektiver Realität und subjektiver Erkenntnis.
Man nennt diese Kritik Kants eine kopernikanische Wende, da nun nicht
mehr die objektive Realität, sondern das subjektiv erkennende Ich im
Mittelpunkt stand. Fichte setzte dieses subjektive Ich absolut und
grenzte alles andere von ihm als bloßes Nicht-Ich ab. Goethe sagte,
so haben die Egoisten schon immer gedacht. Heine nennt Fichte darum
den Napoleon des deutschen Idealismus, das absolute Ich. Schelling
sprach von einer Identität des Geistes und der Natur. Geist und
Natur seien Offenbarungen des Absoluten, also Gottes, der eine
absolute Identität darstelle. Hegel verneinte diese Identität des
Absoluten oder die Einheit Gottes und projizierte stattdessen die
Dialektik von These, Antithese und Synthese in Gott. Gott sei die
These, die Welt die Antithese und der Philosoph die Synthese. Gott
verwandle sich in seinen Gegensatz, in die Natur, und komme dann im
menschlichen Bewusstsein erst wahrhaft zu seiner Ganzheit als
Weltgeist. So, wie Heine sagt, wird der Mensch zum Erlöser Gottes,
der Mensch als Glaubender, als Künstler und vor allem als Philosoph
(das ist Hegel also selbst) ist der zu sich selbst gekommene Gott.
Schiller dachte Kant weiter und suchte in der künstlerischen
Schönheit die Harmonie von Natur und menschlicher Freiheit. Novalis
sah die Philosophie von der Poesie übertroffen und forderte, die
Philosophie müsse Poesie werden. Aus der Vereinigung von Philosophie
und Poesie weissagen die Musen. Der alte Heine nannte den deutschen
Idealismus eine gottlose Philosophie.
DIALEKTIK
Die
Dialektik ist in der Antike die Kunst der Gesprächsführung. Sie
wird unterschieden vom rhetorischen Monolog. Sokrates verwandte die
Dialektik, um die unhaltbaren Thesen seiner Gegner zu widerlegen,
ohne aber eigene Synthesen zu entwickeln. Platon nannte den
Philosophen Dialektiker, der Meinungen abwog und diskutierte, um zur
Erkenntnis von Wahrheiten zu kommen. Er nannte auch den Metaphysiker
einen Dialektiker, der zum Urgrund der Wesen vordringt und zur Schau
der Idee der Güte führt. Aristoteles verwandte die Dialektik oder
auch Logik, um Theorien aufzustellen, die in sich nicht
widersprüchlich sind, da die Wahrheit sich nicht selbst
widersprechen könne. Von Aristoteles und Platon kam die Dialektik
über Cicero und Augustin us zu Boethius, der sie als Mittel zur
Wahrheitsfindung anwandte. Die mittelalterliche Dialektik wurde von
Abälard entwickelt. Man nennt sie pro und contra. So wurden die
Disputationen geführt und die theologischen Summen gezogen. Thomas
von Aquin verwandte in seiner theologischen Summe die Dialektik. Mit
der Aufklärung und Neuzeit bekam die Dialektik ein anderes Aussehen.
Kant verwandte sie, um die mittelalterlichen Gottesbeweise zu
widerlegen: Ein Gott, der nur gedacht werden kann, sei unerkennbar.
Hegel verlegt die Dialektik in das innere Wesen Gottes und dachte
sich Gott als einen dialektisch werdenden Gott, nicht mehr als das
ewig identische absolute Sein, sondern einen Gott, der in sich
widersprüchlich ist. Marx und Engels griffen die Dialektik Hegels
auf und, wie Lenin sagte, stellten sie vom Kopf auf die Füße,
verwandelten Hegels idealistische Dialektik in die materialistische
Dialektik der kommunistischen Philosophie. Nun war es die Geschichte
der Menschheit, die nach dialektischen Prinzip mit historischer
Notwendigkeit sich zum Kommunismus entwickeln sollte.
DIALEKTISCHER
MATERIALISMUS
Der
dialektische Materialismus ist die Philosophie von Marx und Engels.
Sie stellten den dialektischen Idealismus Hegels vom Kopf auf die
Füße, wie Lenin sagte. Sie nahmen die Dialektik Hegels, lösten sie
von seinem Idealismus und verbanden sie mit dem Materialismus
Feuerbachs. Bei Hegel ist die Dialektik eine Entwicklung aus
Widersprüchen. Gott werde sein Gegenteil, nämlich die Welt, und
werde durch den Menschen in dessen Bewusstsein zum Weltgeist. Gott
ist die These, die Welt die Antithese, der Weltgeist die Synthese. An
die Stelle der absoluten Idee oder Gottes tritt bei Marx und Engels
die ewige Materie. Nach Marx bringt nicht der Geist die Materie
hervor, sondern die Materie bringe den Geist hervor. Die Materie
entfaltet sich vom Niederen zum Höheren durch die ihr innewohnenden
Gegensätze, die sich in dramatischen Konflikten bekämpfen. Das
alles bestimmende Moment ist bei Marx die Arbeit. In einem primitiven
Urkommunismus waren die Produktivkräfte gering, die
Produktionsverhältnisse waren kommunistisch. Mit der Entwicklung der
Produktivkräfte wurde die These des Urkommunismus abgelöst von der
Antithese der Klassengesellschaften. Diese sind die
Sklavenhaltergesellschaft, der Feudalismus und der Kapitalismus. Im
Laufe der Klassengesellschaften entwickelten sich die Produktivkräfte
weiter und lösten verschiedene Revolutionen aus, die neue Klassen an
die Macht brachten. Zuletzt wird die Geschichte mit historischer
Notwendigkeit die Synthese bilden, nämlich die klassenlose
Gesellschaft des Kommunismus, welche den Urkommunismus auf höherem
Niveau wiederholt bei höchster Entfaltung der Produktivkräfte. Der
Sprung in den Kommunismus wird durch eine gewaltsame Revolution der
Arbeiterklasse eingeleitet. Dies sahen die Marxisten in der
bolschewistischen Oktoberrevolution in Russland verwirklicht. Und so
wurde unter dem tyrannischen Massenmörder Stalin die gottlose
Philosophie zur Staatsideologie.
DIALOG
Der
Dialog war das Prinzip der griechischen Dialektik, die eine Kunst des
Gesprächs über philosophische Fragen war. So sehen wir Sokrates in
den Platonischen Dialogen im Gespräch mit anderen Denkern. Auf diese
Weise entwickelte Platon seine Philosophie. Der Sokratische Dialog
ist geprägt von einem aufrichtigen Suchen nach der Wahrheit auf der
Grundlage der menschlichen Vernunft. Über Cicero kam der Dialog zu
Augustinus, der ihn ins Innere verlegte, indem er selbst mit seiner
eigenen Vernunft in den Dialog trat. Schon der Dichter David trat in
den Dialog mit seiner Seele, als er dichtete: Was betrübst du dich,
meine Seele, und bist so unruhig in mir? Auch christliche Mönche aus
der Schule der Tiefenpsychologie empfehlen dem Mann, mit seiner Anima
oder inneren Frau in Dialog zu treten. Im Personalismus ist der
Dialog wesentlich. Denn eine Person allein für sich existiert nicht,
sondern eine Person ist immer hingeordnet auf eine andere Person. Für
das wahre Person-Sein des Menschen ist darum der Dialog mit anderen
Personen wesentlich. Der Dialog fand dann auch Eingang in das Zweite
Vatikanische Konzil, da die Katholische Kirche alle anderen
christlichen Konfessionen und alle anderen Religionen zu einem
ehrlichen Dialog einlud. Der Dialog soll an die Stelle der
Religionskriege treten. So werden ökumenische und interreligiöse
Dialoge gesucht. Auch das Gebet kann als ein Dialog betrachtet
werden, als ein liebevolles Zwiegespräch zwischen Gott, dem
Bräutigam, und der Seele, der Braut. Gott spricht durch seine
Heilige Schrift, durch die Kirche, durch die Armen, Kleinen und
Kranken, durch die Zeichen der Zeit und durch Natur und Kunst zu dem
Menschen, der Mensch gibt im Gebet und im Leben seine Ant-Wort auf
das Wort Gottes. Da der Dialog mit einer anderen Person für die
Person wesentlich ist, oder wie Martin Buber sagte: Am Du gewinnt
sich das Ich, - kann Gott auch nicht allein Eine Person sein, sondern
das Ich des Vaters spricht zum Du des Sohnes, das Du des Sohnes
antwortet dem Ich des Vaters, und ihr Dialog ist das Wir, der Heilige
Geist.
DIONYSISCH
Bei
den alten Griechen waren die Kultfeiern des Dionysos Zeiten des
Ausnahmezustands. Im Laufe des Jahres lebten die Griechen im Alltag,
bemühten sich, sittlich und selbstbeherrscht zu leben und ihre
Pflichten zu erfüllen. In den Tagen der Dionysien konnten sie für
eine begrenzte Zeit fessellos sein, orgiastisch und ekstatisch. Die
selbe Funktion hatten die römischen Saturnalien und hat heute der
katholische Karneval. Dionysos war also der Gott der Entfesselung,
der Orgiastik. Unter Zuhilfename von Wein und Rauschgiften konnte der
Mensch alle seine Triebe frei ausleben, die sonst von der Tugend
beherrscht wurden. Den beständigen Rausch besingt Nonnos in seinem
Epos über Dionysos. Dionysos wird immer mit Indien in Verbindung
gebracht. So gibt es eine innere Verbindung mit dem indischen Gott
Shiva. Im shivaitischen Tantrismus wird auch das, was eigentlich den
Asketen verboten war, im kultischen Zusammenhang zum Sakrament: Das
Fleischessen, das Weintrinken, die sexuelle Vereinigung. Diesen
Dionysos verehrte Nietzsche als den Gegen-Messias. Nietzsche warf
Jesus von Nazareth und dem Christentum vor, lebens- und leibfeindlich
zu sein. Darum proklamierte Nietzsche anstatt Christus den alten oder
neuen Gott Dionysos, den Gott der Lebensbejahung, der Lust am
Leiblichen und am Diesseits. Bachofen in seiner Beschreibung des
Matriarchats oder der Gynäkokratie sagt, das der Dionysuskult
besonders die Frauen angesprochen habe. Er bringt den Dionysoskult in
Verbindung mit dem Hetärismus der Aphrodite-Religion. Wenn man
Bachofens Beschreibung des aphroditischen Hetärismus liest, sieht
man unsere Gegenwart. Wir leben seit der sexual-kommunistischen
Kulturrevolution in einer Kultur des aphroditischen Hetärismus und
einer dionysischen Dauerorgie. Ich meine Unzucht, Ehebruch,
Ehescheidung, Kindesmissbrauch, Prostitution, Pornographie,
Körperkult und absolute Diesseitigkeit unserer gegenwärtigen
Kultur. Das ist die Kultur der Venus Porné und des nihilistischen
Dionysos.
DOCTA
IGNORANTIA
Schon
Sokrates sagte: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Damit meinte er
nicht den Verzicht auf Erkenntnis, sondern eine realistische
Einschätzung der eigenen Unwissenheit als Ausgangspunkt für das
Erkenntnisstreben. Wer seine Unwissenheit erkannt hat, kann Belehrung
empfangen. Den Ausdruck „docta ignorantia“ verwendete als erster
Augustinus: „Es gibt, um mich so auszudrücken, in uns ein
belehrtes Nichtwissen, aber belehrt durch den Geist Gottes, welcher
unserer Schwachheit beisteht.“ Damit bezog er sich auf die
Unmöglichkeit einer umfassenden Erkenntnis Gottes; möglich sei
jedoch ein durch die göttliche Gnade belehrtes Nichtwissen. Das
„belehrte Nichtwissen“ gehört somit zur negativen Theologie, die
auf die Unzulänglichkeit aller positiven Aussagen über Gott
hinweist und sich auf Aussagen darüber, was Gott nicht ist,
beschränkt. Der prominenteste Vertreter dieser Richtung war
Dionysius Areopagita. Er meinte, dass der Mensch, indem er sich ohne
Wissen über sich selbst hinaus erhebe, in gewissem Maße zu einer
Gotteserfahrung gelangen könne. Im 13. Jahrhundert griff Bonaventura
den Gedanken auf. Er verstand unter belehrtem Nichtwissen die
Erhebung des Geistes, der sich von allem losgelöst und alle
Vorstellungen verneint hat, die Erhebung des Geistes in die lichte
Finsternis, was für die Vereinigung mit Gott erforderlich sei. Dabei
berief sich Bonaventura auf Dionysius. Seine maßgebliche Ausprägung
erhielt der Ausdruck docta ignorantia von Nikolaus von Kues
(Cusanus), der ihm in seiner Philosophie eine zentrale Rolle zuwies
und das erste seiner philosophisch-theologischen Hauptwerke so
betitelte. Nikolaus knüpfte an die negative Theologie des Dionysius
an. In „De docta ignorantia“ verwarf Nikolaus im Sinne der
negativen Theologie alle positiven Aussagen über Gott als
unangemessen und irreführend. Wie Bonaventura wendete er sich Gott
nicht zu, indem er den Anspruch erhob, Wissen über ihn zu besitzen
oder erreichen zu können, sondern indem er Wissen über sein eigenes
Nichtwissen erlangte und damit eine über sich selbst „belehrte
Unwissenheit“. Im Unterschied zu Augustinus und Bonaventura
schilderte er jedoch die Belehrung, welche der Unwissende empfängt,
nicht nur als reine Gnade Gottes, sondern auch als Frucht von
Bemühungen des menschlichen Geistes, der sich auf der Suche nach
Weisheit selbst transzendiert. Die von Cusanus entwickelte „Regel
der belehrten Unwissenheit“ besagt, dass man nie durch Betrachtung
von etwas, was quantitativ oder qualitativ vermehrt oder vermindert
werden kann, zur Erkenntnis des absoluten Maximums gelangen kann. Der
menschliche Verstand (die Rationalität) kann sich jedoch seiner
Natur nach nur mit relativen Objekten befassen, da seine Tätigkeit
ein Vergleichen von Bekanntem mit Unbekanntem ist. Im
Zuständigkeitsbereich des Verstandes, unter den steigerungsfähigen
konkreten Gegenständen, gibt es nur Grade der Annäherung, keine
absolute Gleichheit und keine Genauigkeit. Gott als das Absolute und
Unendliche ist dem Verstand somit prinzipiell unzugänglich. Höher
als der Verstand steht nach Cusanus’ Überzeugung die Vernunft (der
Intellekt), da sie in der Lage ist, die Grenzen der
Verstandestätigkeit zu erkennen. Doch auch sie ist endlich und kann
daher ebenfalls nicht zu wirklicher Gotteserkenntnis vordringen. Den
paradoxen Zusammenfall der Gegensätze in Gott, die coincidentia
oppositorum, erfasst die Vernunft nicht ganz. Da die Vernunft aber
„etwas Göttliches“ ist, kann sie dennoch die göttliche Weisheit
quasi „sehen“ und „berühren“...
DOGMA
In
der katholischen Kirche sind Dogmen Lehrdefinitionen des Lehramts,
die von den Katholiken zu glauben sind, also Definitionen der
göttlichen Wahrheit. Es gibt bisher vier Dogmen über die Jungfrau
Maria. Das erste Dogma definiert die immerwährende Jungfräulichkeit
Mariens. Maria war vor und während und nach der Geburt Jesu
Jungfrau. Der Häretiker Helvetius meinte, die Jungfrau habe nach der
Geburt Christi mit Josef die Ehe geschlechtlich vollzogen und weitere
Kinder geboren. Hieronymus widerlegte das mit der Bibel. Er verglich
Helvetius mit dem Taugenichts, der Ruhm erlangen wollte, indem er
einen Brand legte im Tempel der Jungfrau Diana von Ephesos. Im
übrigen auch Luther verurteilte diese Irrlehre, und auch Calvin und
Zwingli glaubten noch an die immerwährende Jungfrau. Unsere heutigen
Protestanten folgen aber der Irrlehre des Helvetius. Bei ihrer
Erscheinung in Mexiko im sechzehnten Jahrhundert sagte Maria: Ich bin
die immerwährende Jungfrau. Das zweite Dogma ist das Dogma der
göttlichen Mutterschaft. Maria ist die Theotokos, die
Gottesgebärerin, die Muttergottes. Damit wird die Gottheit Jesu
definiert. Maria hat die eine Person geboren, die wahrer Gott und
wahrer Mensch ist. In Mexiko stellte Maria sich weiter so vor: Ich
bin die Mutter des wahren Gottes. Die heutigen Protestanten
verweigern Maria den Ehrentitel Mutter Gottes, obwohl auch sie die
Gottheit Jesu bekennen. Die Orthodoxen aber lieben Maria besonders
unter dem Titel Theotokos. Das dritte Dogma über Maria ist Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts verkündet worden, nämlich dass Maria ohne
den Makel der Erbsünde empfangen worden ist. Maria ist die
Kecharitomene, wie Gabriel sie grüßt, das heißt die, die schon
immer voll der Gnade war. Maria ist die Unbefleckte Empfängnis,
damit der Sohn Gottes in einer ganz reinen Frau zur Welt kommen kann.
Die meisten Menschen verwechseln die Unbefleckte Empfängnis Mariens
mit der jungfräulichen Geburt Jesu. Bei ihrer Erscheinung in Lourdes
sagte Maria: Ich bin die Unbefleckte Empfängnis. Das vierte
Marien-Dogma wurde 1950 von Pius XII verkündet und besagt, dass
Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Darüber
spotten die Protestanten, die nicht verstehen, dass Christus an
seiner Mutter schon vollendet hat, was allen Christen verheißen ist.
Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts erschien Maria in Amsterdam und
forderte die Kirche auf, in einem fünften Dogma Maria zu definieren
als Fürsprecherin, Mittlerin aller Gnaden und Miterlöserin.
Fürsprecherin wird Maria mindestens seit dem zweiten Jahrhundert
genannt. Mittlerin aller Gnaden wird sie von der Kirche seit
altersher genannt. Der Titel Miterlöserin ist unter den Theologen
noch umstritten. Die Päpste sprechen von Marias Mitwirkung bei der
Erlösung. In der Mystik, besonders des Karmel, sind die Glieder des
Leibes Christi zu Miterlösern berufen, besonders durch die
Vereinigung ihrer Leiden mit den Leiden Christi. Dies gilt in
herausragender Weise für Maria, die ihren Sohn dem Vater aufopferte
und sich in ihrer com-passio mit dem Sohn selbst auch aufopferte.
DOXA
Doxa,
griechisch, kavod, hebräisch, Herrlichkeit, deutsch. Im Alten
Testament erscheint die Herrlichkeit des Herrn in Gestalt einer
lichten Wolke. So lässt sie sich nieder auf dem Offenbarungszelt des
Moses, auf dem Tempel Salomos. Im Neuen Testament überschattet der
Heilige Geist die Jungfrau Maria. Maria ist das Offenbarungszelt und
der Tempel, und die Überschattung des Heiligen Geistes ist die
Herabkunft der Wolke der Herrlichkeit. In der Kabbala ist die
Herrlichkeit ein Sephirot, eine Hypostase Gottes. Diese Herrlichkeit
ist weiblich. Die Hypostase Jehova ist männlich. Jehova und die
Herrlichkeit sind Braut und Bräutigam. Das Hohelied Salomo ist der
Gesang dieser innergöttlichen Hochzeit. Wie die kabbalistische
Herrlichkeit weiblich ist und wie die neutestamentliche Herrlichkeit
die Jungfrau Maria überglänzt und sich an ihr offenbart, so sieht
der Philosoph als Liebender in der Art und Weise der platonischen
Liebe seine Geliebte umflossen von einem göttlichen Glanz. Die
Geliebte ist umglüht von einer goldenen Wolke, alles an ihr ist
Glanz und Gloria, sie erscheint als der Spiegel der Herrlichkeit
Gottes, als Abglanz der göttlichen Schönheit. Nur in diesem Sinn,
in dieser Schau ist sie liebenswert und liebenswürdig, als feminine
Offenbarung Gottes. Dies ist im biblischen Buch der Weisheit die
göttliche Hagia Sophia, Abglanz der Herrlichkeit des Herrn. So kann
man die Herrlichkeit des Herrn auch mit absoluter, höchster und
göttlicher Schönheit übersetzen.
ECCE
HOMO
Jesus
wurde auf seinem Kreuzweg vor den Römer Pilatus geführt, Pilatus
sagte: Ecce homo, siehe, der Mensch! Jesus ist ja wahrer Gott und
wahrer Mensch. Als wahrer Mensch, das heißt, unentstellt von der
Sünde, ein reiner Mensch nach dem Herzen Gottes, offenbart Jesus das
wahre Menschsein, wie Gott sich den Menschen gedacht hat. Das zweite
vatikanische Konzil und Papst Johannes Paul II. sprachen von Jesus,
der das Geheimnis des Menschen offenbart. Das ist christlicher
Humanismus. Jesus war uns Menschen in allem gleich, außer der Sünde.
Auch die alten chinesischen Philosophen dachten über den Menschen
nach. Sowohl Konfuzius als auch Lao Tse sprachen vom wahren oder
edlen oder heiligen Menschen. Konfuzius betonte des wahren Menschen
harmonische Einordnung in Familie und Gesellschaft, Lao Tse betonte
des wahren Menschen Übereinstimmung mit der Seele der Natur.
Nietzsche schrieb das Buch Ecce Homo, in dem er seinen eigenen
philosophischen und schriftstellerischen Werdegang darstellte.
Nietzsche präsentierte sich als den wahren Menschen oder auch
Übermenschen. Wladimir Solowjew sagte, Nietzsche habe nicht den
Übermenschen kreiert, sondern nur den Überphilologen, einen
Menschen mit schwacher, kranker Seele und einem Übermaß von
Bücherwissen. Puschkin brachte eine Alternative zum ecce homo, indem
er in einem Brief über seine Muse Anna Kern schrieb: ecce femina! Er
nannte Anna Kern femina divina. Hier erscheint das Ideal der wahren
Frau, die Idee der Frau, die Frau nach dem Herzen Gottes. In der
katholischen Theologie ist das Maria, die makellose Konzeption, die
Frau der Offenbarung. Der Schriftsteller Stefan Schütz wurde
befragt, ob er in seinem Roman Medusa, inspiriert von Robert Ranke
Graves und dessen weißer Göttin, in seiner Hauptfigur Marie Flaam
parallel zu Nietzsches Übermenschen hier das Überweib habe
gestalten wollen, und er bejahte das. Nietzsche sagte, das Wesen des
Menschen bestehe darin, dass der Mensch etwas größeres als den
Menschen suchte. Das ist wohl wahr. Aber Nietzsche meinte, das Ziel
des Menschen sei der Übermensch, ein amoralisches Wesen mit dem
Willen zur Macht. Wladimir Solowjew setzte dagegen das Konzept des
Gottmenschentums. Jesus, ecce homo, ist der Gottmensch und will eine
neue Menschheit hervorbringen als eine Gottmenschheit. Das nenne ich
transzendentalen Humanismus.
EGOISMUS
Fichte
führte den Begriff des absoluten Ich ein, des transzendentalen Ich.
Heine verglich dieses absolute Ich mit dem politischen Phänomen
Napoleon, über den Puschkin sagte, Napoleon halte sich für die 1
und alle anderen Menschen für die Nullen hinter ihm. In einer
persönlichen Beobachtung des Rangstreites und Machtringens zwischen
zwei verwandten Egoisten musste ich denken an den Krieg zwischen
Hitler und Stalin. Sind diese denn die von Nietzsche geträumten
Übermenschen, amoralisch und mit dem Willen zur Macht ausgestattet,
Herrenmenschen ohne jüdisch-christliche Sklavenmoral und
Hunde-Demut? Hier erschienen auf der Bühne der Geschichte zwei
Super-Egos. Jeder von ihnen sagte: Ich bin der Herr, dein Gott, du
sollst keine anderen Götter neben mir haben. Der Satanist Aleister
Crowley wollte dem Menschen Gott zeigen. Er stellte den Menschen vor
einen verschleierten Spiegel, sagte: Jetzt zeige ich dir Gott, zog
den Schleier vom Spiegel, der Mensch sah sich selbst, und der
Satanist sagte: Du bist Gott. Das Gebot des Ego als seines eigenes
Gottes ist: Tu, wozu du Lust hast! Hier offenbart sich der satanische
Ursprung des Egoismus. Nun lernte ich auch die Philosophie des
New-Age kennen und durchschaute sie als einen subtilen Egoismus.
Statt des Christus-Gebotes: Liebe Gott mit ganzer Seele und deinen
Nächsten wie dich selbst, setzt die Esoterik das eine Gebot: Liebe
dich selbst! Pseudo-mystisch wird geredet von der Abtötung des Ego,
aber an die Stelle des Ego wird nicht Gott gesetzt, sondern das Wahre
Selbst des Menschen. Das Ego müsse sterben, damit das Wahre Selbst
auferstehe. Dieses Wahre Selbst ist der innere Buddha oder kosmische
Jesus (Jesus nicht als der Gekreuzigte, sondern als kosmische Energie
und als Symbol des Wahren Selbst). So bleibt der Esoteriker in seinem
Selbst gefangen. Das nennt Augustinus Selbstverkrümmung, so
definiert er Sünde. Augustinus sprach von zwei Formen der Liebe:
Entweder Liebe zum Selbst bis hin zur Verachtung Gottes oder Liebe zu
Gott bis hin zur Selbstverachtung. Der Esoteriker aber ist besessen
von seinem Selbst, so dass er behauptet, es sei eine Analogie
zwischen dem absoluten Ich und dem Nicht-Ich der realen Außenwelt,
dergestalt, dass alle äußeren Ereignisse nur Gestalten des eigenen
Inneren seien. Was innen ist, das ist außen, sagt der Esoteriker,
und so bläht sich sein Ich auf und wird zur Welt, zur Welt als
Spiegel seines Ich. So wird des Esoterikers Selbst zur Weltseele.
Dieser feinsinnige Mystizismus ist nichts als subtiler Egoismus, den
wir ja schon als Satanismus entlarvt haben. Wladimir Solowjew nennt
in seiner Philosophie der Liebe den Egoismus den natürlichen Zustand
des sündigen Menschen. Nur die Liebe überwindet den Egoismus, und
das ist auch ihr Sinn. Aber nicht die Elternliebe überwindet den
Egoismus, da in der Regel die Eltern ihr Kind als Teil ihres Ego
sehen, und so gibt es einen Mutter-Kind-Egoismus. Erst die erotische
Liebe, die Geschlechtsliebe zwischen Mann und Frau überwindet den
Egoismus. Hier sieht das Ich des Mannes in dem verschiedenen Ich der
geliebten Frau ein anderes Ich mit einer Bedeutung, mit einem
absoluten Wert. Erst, wenn der Mann die Frau als ein von ihm
verschiedenes Ich, ein anderes und in sich selbständiges Ich, mehr
als sich selbst liebt, ist der Egoismus besiegt. Jesus sagte: Wer
sein Leben bewahren will, wird es verlieren, wer sein Leben aber um
Gottes Willen hingibt, wird es gewinnen. Die Esoterik hat zum Ziel
die Selbstverwirklichung des Menschen und fördert so den Ego-Trip
des Esoterikers. Papst Johannes Paul sagte im Anschluss an das
Jesus-Wort, dass der Mensch sich nur in der Hingabe verwirklichen
kann. Erst in der Hingabe an ein menschliches oder göttliches Du
wird der Mensch sein wahres Selbst finden, seine
Gottesebenbildlichkeit. Ernesto Cardenal sagte: Gott ist Liebe, und
der Mensch als Ebenbild Gottes ist auch Liebe. Erst in der Liebe wird
der Egoismus überwunden, sei es nun die erotische Liebe des Mannes
zur Frau oder die Liebe der Seele zu Gott.
EINES
Zu
Moses sagte Gott: Höre, o Israel, der Herr, unser Gott, ist ein
einiger Gott. Gott offenbart sich also als der Eine. Ich bin der
Herr, dein Gott, du sollst keine andern Götter neben mir haben.
Mohammed und der Koran bekennen auch die Einheit Gottes. Aus diesem
Grund lehnte Mohammed die Gottessohnschaft Jesu ab, denn er dachte,
dies führe zu einem Bekenntnis von zwei, drei Göttern. Plotin sah
das Höchste Wesen, den Ursprung von allem, als das Eine. Über
dieses Eine ist positiv nichts zu wissen und zu sagen. Es ist bei
Plotin auch nicht identisch mit dem Sein, sondern steht jenseits der
Dualität von Sein und Nichtsein und kann nur Über-Sein genannt
werden. Ist dieses Eine nun unpersönlich, einpersönlich oder
dreipersönlich? An einen unpersönlichen Gott der Energie glaubt die
postmoderne Esoterik. Nach dem Motto der Modephilosophen: Wer bin ich
und wenn ja, wie viele? erfährt sich der Esoteriker nicht als eine
einige Person, sondern als eine Vielzahl von Seelen, Geistern und
Leben, und so kann der Esoteriker nicht an die Einheit eines
personalen Gottes glauben. Der persönliche Gott des Alten
Testaments, der eine und einige Herr, und der Eine Gott des Islam
scheint ein einsamer Gott zu sein. Er hat weder eine göttliche
Gefährtin noch einen göttlichen Sohn. Aber auch Jesus bestätigt,
dass Gott Einer ist, der einige Herr. Im Gegensatz zum Verständnis
Mohammeds ist das Christentum sehr wohl ein strenger Monotheismus.
Hölderlin nannte die Fülle der göttlichen Mächte das Ein und
Alles, er nannte dieses Eine die göttliche Natur. Und hierin stimmt
ihm das Christentum zu: Das Eine ist die göttliche Natur. Wladimir
Solowjew nannte es die All-Einheit. Nur offenbarte Christus, dass
diese Eine Göttliche Natur ihrem Wesen nach Liebe ist, nämlich der
Liebende und der Geliebte und die sie vereinigende Liebe. Somit ist
Gott kein einsamer, einpersonaler Gott, sondern die dreipersonale
Liebe. Gott bleibt aber der einige Gott des Mose. Den höchsten Gott
umschrieb Plotin auch dreifach als den Denker, das Gedachte und das
Denken. Augustinus spricht von den drei Personen der Einen Gottheit
als der Sophia des Vaters, der Sophia des Sohnes und der Sophia des
Heiligen Geistes. Vater und Sohn und Heiliger Geist heißen die drei
Personen in der Gottheit, aber die Eine Göttliche Natur heißt
Sophia. So spekulierte ein Mariologe, ob die Jungfrau Maria auch das
Abbild der Jungfräulichkeit der Gottheit sei. Der Mariologe wagte
diesen Gedanken aber nicht weiter zu denken. Dass die Gottheit Eine
Gottheit ist und keine anderen Gottheiten neben ihr sind, das ist
gewissermaßen die Jungfräulichkeit der Einen Göttlichen Natur,
deren Wesen nach Augustinus die dreifaltige Sophia ist, also, wie
Jakob Böhme sie nennt, die göttliche Jungfrau Sophia.
EMANATION
Plotin
sprach vom Höchsten Wesen als dem Einen, der unerkennbar und
unbeschreiblich ist. In einer Emanation ist aus dem Einen der
göttliche Geist hervorgekommen. Der Geist ist dreifaltig, er ist der
Denker, das Gedachte und das Denken. In einer Emanation ist aus dem
Geist die Weltseele hervorgekommen. In Emanationen sind aus der
Weltseele die Einzelseelen und die materielle Natur hervorgekommen.
Je weiter die Emanation fortschreitet, desto mehr nimmt das Göttliche
und Gute in den Wesen ab. Die moderne Gnosis des New Age spricht auch
von Emanation: Aus dem unpersönlichen Gott kommt in einer Emanation
das Universum hervor mit allen seinen kosmischen Energien. Auch der
Mensch ist eine Emanation des unpersönlichen Gottes des Universums.
Darum ist der Mensch und ist das Universum göttlich. Der Mensch muss
nur seine eigene Göttlichkeit in sich selbst erkennen und in
Harmonie leben mit der Energie des göttlichen Universum, dann ist er
frei und hat sich selbst erlöst. Im babylonischen Schöpfungsmythos
war am Anfang die Muttergöttin Tiamat, die das Chaos der Urmaterie
personifizierte. Sie wurde von dem himmlischen Schöpfergott Marduk
mit einem Soeer ermordet. Aus ihrem Körper formte Marduk dann das
Weltall, aus ihren Haaren die Wolken, aus ihren Augen die Sterne, aus
ihren Knochen die Berge und so weiter. So ist das Weltall aus dem
Leib der Muttergöttin geworden. Damit ist das Weltall auch göttlich.
Papst Benedikt XVI fragt in seinem Buch über Jesus von Nazareth,
warum das Christentum Gott Vater und nicht Mutter nennt, und sagt,
dass in den heidnischen Religionen, in denen Muttergöttinnen verehrt
wurden, diese Muttergöttin das Weltall geboren habe, so dass das
Weltall eine Emanation aus der Göttin und damit göttlich sei,
während im Judentum und Christentum Gott der Vater die Schöpfung
aus dem Nichts allein durch seinen Willen, durch sein Wort in die
Existenz gerufen habe. In der göttlichen Offenbarung der Bibel gibt
es also keine Emanation der Welt aus Gott, sondern Gott ist Creator
ex nihilo, der schuf durch sein Wort. Die Schöpfung ist nicht
göttlich. Es gibt einen unendlichen Unterschied zwischen Schöpfer
und Schöpfung.
ENERGIE
Energie
oder Energeia heißt wörtlich Inneres Wirken. Es war im griechischen
Altertum ein rein philosophischer Begriff, der die lebendige
Wirksamkeit einer Kraft bezeichnete. Mit der europäischen Aufklärung
ist der Begriff zu einem Begriff der Naturwissenschaften Physik,
Biologie, Chemie und Technik geworden. In der physikalischen
Bedeutung definierte Albert Einstein Energie als gleich der Masse mal
der Geschwindigkeit des Lichtes zum Quadrat. Es liegt eine Äquivalenz
von Masse und Energie vor. Das bedeutet, dass Masse und Energie
ineinander umgewandelt werden können. Jede Änderung der Masse
bedeutet eine Änderung der Energie und umgekehrt. Der Begriff der
Energie ist in der New-Age-Spiritualität der wesentliche Begriff.
Der unpersönliche Gott ist ein Gott der Energie. Er ist identisch
mit dem göttlichen Universum. Dies ist voll kosmischer Energien, die
der Mensch sich durch Magie nutzbar machen kann. Alles Lebewesen und
auch die anorganischen Stoffe wie Edelsteine sind voller Energien.
Der Mensch hat innere Energien, die durch die Chakren wandern.
Heilung soll entstehen durch die Aufnahme und Entfaltung positiver
Energien. Geistheiler, Schamanen und Medien vermitteln kosmische
Energien. Wenn in einer spirituellen Bewegung der Begriff Energie
zentral ist, kann man sich sicher sein, dass es sich um Gedankengut
des Neognostizismus handeln. In der göttlichen Offenbarung des Neuen
Testaments kommt das Wort Energie auch vor. Es bezeichnet die
Energien oder Kraftwirkungen des Heiligen Geistes. Die Energien des
Geistes sind seine Gnadenvermittlung in den sieben Sakramenten, die
sieben Gaben des Heiligen Geistes, die Charismen (Weisheit,
Lehrbegabung, Prophetie usw.) und die Früchte des Heiligen Geistes.
Die Energien des Heiligen Geistes sind keine halb physikalischen,
halb spiritistischen kosmischen Energien, sondern Wirkungen der
göttlichen Person des Heiligen Geistes, lebendige Kraftwirkungen der
dreifaltigen Gottheit. Sie werden in der Kirche und für die Kirche
empfangen.
ENTELECHIE
Der
Begriff der Entelechie wurde von Aristoteles entwichelt. Wörtlich
bedeutet Entelechie: Das Ziel in sich haben. Jedes Lebewesen ist aus
Materie und innewohnender geistiger Form. Bestandteil der Form ist
die Entelechie. Diese führt das Ding zu seinem Ziel, seiner
wesensgemäßen Vollkommenheit. Entelechie ist also die Kraft der
Selbstverwirklichung. Die Entelechie des Hauses ist es, ein
geschützter Wohnraum zu sein. Die Entelechie des Pferdes ist es, ein
gutes und schönes Pferd zu sein. Die Entelechie des Menschen ist es,
die Eudämonie oder Glückseligkeit zu erreichen, das heißt für
Aristoteles, ein Mensch zu sein, der die Tugenden verwirklicht. Die
Entelechie der Raupe ist der Schmetterling. Die Entelechie des
Schmetterlings ist es, zu fliegen. Die Entelechie des Staates ist ein
gerechtes soziales Gefüge zum organisierten Zusammenleben der
Menschen, die politische Tiere sind. Die Entelechie der Natur, ihr
Streben nach Vollkommenheit, macht ihre Schönheit aus. Entelechie
als Begriff taucht überall dort auf, wo teleologisch gedacht wird.
Nach Aristoteles ist Gott die Erstursache und der Erstbeweger der
Lebewesen, aber auch ihr Ziel. Nach christlicher Auffassung ist das
Ziel der Entelechie des Menschen Gott, das heißt, die ewige
Glückseligkeit bei Gott, die ewige Vollendung in Gott. Auch Goethe
nahm die Idee der Entelechie an. Er sprach von der Triebkraft der
Seele, die voll strebender Sehnsucht nach Selbstverwirklichung sei.
In der Entelechie sah er die Kraftquelle seiner künstlerischen und
wissenschaftlichen Kreativität. Den Tod des Doktor Faust beschrieb
er ursprünglich so, dass das Kleid des Körpers liegen blieb, aber
die englischen Knaben auf Befehl der Gottesmutter führten „Faustens
Entelechie“ in die himmlischen Sphären. Für das ewige Leben
erwartete Goethe nicht die ewige Muße der Kontemplation der
göttlichen Schönheit, sondern eine auf höherer Ebene fortgesetzte
Kreativität seiner Entelechie oder der Hauptmonade seines
unsterblichen Geistes. So sprach auch Therese von Lisieux davon, dass
sie ihren Himmel damit verbringen werde, Gutes auf Erden zu tun.
EPIPHANIE
In
der griechischen Antike bezeichnete die Epiphanie die Erscheinung
eines göttlichen Wesens. In der Ilias beschreibt Homer die
Erscheinung von Hera, Aphrodite und Athene vor dem Hirten Paris auf
dem Berge Ida. Aphrodite erschien als die Schönste aller Göttinnen.
In der homerischen Hymne an Aphrodite wird die Epiphanie der Göttin
vor Anchises beschrieben. In der Änäis beschreibt Vergil die
Erscheinung der Venus vor Äneas in Karthago. Im Neuen Testament ist
von der Epiphanie Jesu Christi die Rede. Die Liturgie der Kirche
spricht am Fest Epiphania am 6. Januar von drei Epiphanien der
Göttlichkeit Jesu: Erstens die Anbetung der Magier vom Orient,
zweitens die Taufe im Jordan, drittens das erste Wunder Jesu, die
Wandlung von Wasser in Wein auf der Hochzeit von Kana. Papst Johannes
Paul II schrieb in seinem Brief an die Künstler: So wie alle
Menschen zur Verehrung der Wahrheit berufen sind, so sind die
geborenen Künstler zur Verehrung der Schönheit berufen. Die
Künstler sind auch heute auf der Suche nach einer „neuen Epiphanie
der Schönheit“.
ERKENNTNIS
In
der Bibel hat das Wort Erkenntnis einen doppelten Sinn. Und Adam
erkannte seine Frau Eva… Und Josef erkannte Maria nicht…
Erkenntnis ist ein tiefes Verstehen des Du, aber auch die liebende
Vereinigung. Erkenntnis Gottes ist die Einsicht in das Wesen Gottes
und zugleich liebende Vereinigung mit Gott. Die Erkenntnis ist eine
der sieben Gaben des Heiligen Geistes. Bei Platon ist Erkenntnis
Wiedererinnerung. Die präexistente Seele sah vor ihrer Inkarnation
die himmlischen Ideen im Ideenhimmel. Nach ihrer Inkarnation ist jede
Erkenntnis eine Wiedererinnerung an die Schau der Ideen. Besonders in
der Liebe, vor allem in der nicht-sexuellen Knabenliebe, schenkt der
Mittler Eros der Psyche Flügel und sie erinnert sich wieder an die
Idee der Schönheit, Aphrodite Urania. Bei ihrer Inkarnation in der
Empfängnis trinkt die Seele von der Lethe, dem Fluss des Vergessens,
so vergisst sie die himmlischen Ideen . Nur Künstler und Philosophen
benetzen sich kaum die Lippen der Seele mit dem Trank des Vergessens,
darum der Geist der Künstler und Philosophen noch voll Erinnerung an
den Ideenhimmel ist. In der Gnosis und im Manichäismus ist die
Erkenntnis, griechisch Gnosis, das Mittel zur Erlösung. Die Seele
ist himmlischen Ursprungs. Durch einen Sündenfall im Lichtreich ist
die Seele in die böse Materie der Welt und des Körpers gefallen.
Ihre Erlösung besteht in der Erkenntnis ihres himmlischen und rein
geistigen Ursprungs, im Abstreifen alles Weltlichen und Leiblichen,
so kehrt die leiblose Seele in ihren himmlischen Ursprung zurück.
Auch im Hinduismus ist die Erkenntnis das Mittel zur Erlösung. Wenn
der menschliche Geist die Verblendung durch Maya, die Welt der
Vielheit, überwindet und erkennt, dass der menschliche und der
göttliche Geist eins sind, dann ist der Erkennende von dem Fluch der
Wiedergeburt erlöst. Dann erkennt der Mensch Gott: Ich bin du und du
bist ich. In der klassischen christlichen Philosophie herrscht der
Realismus vor. Es gibt die objektive Realität, sowohl der
rein-geistigen Wesen als auch der natürlich-sinnlichen Wesen. Wahre
Erkenntnis besteht darin, dass die subjektive Anschauung mit der
objektiven Realität übereinstimmt. Der Franziskaner Bonaventura
sprach von einer Himmelsleiter der Erkenntnis Gottes. Gottes
Schönheit offenbart sich dem Denker in der Schönheit der Schöpfung.
Der innerliche Mensch erkennt Gott im Tiefsten seiner Seele. Der
Denker erkennt Gott als das Gute, Wahre und Schöne. Er gelangt zu
der Idee Gottes als dem Absoluten, Ewigen. Auf diesem Gipfel der
menschlichen Erkenntnis muss ihm die göttliche Liebe begegnen und
ihn in Ekstase und Verzückung hinreißen zur höchsten Erkenntnis
Gottes. William von Ockham war ein Franziskaner, der wegen seiner
Irrlehren aus der katholischen Kirche ausgeschlossen wurde. Luther
studierte die Schriften Williams von Ockham. Er lehrte, dass
menschliche Erkenntnis nur das Natürlich-Sinnliche erkennen kann. Er
leugnete die Erkenntnis metaphysischer Ideen. Metaphysische Begriffe
waren für ihn Schall und Rauch, bloße Namen, lateinisch nomen,
daher wird seine Lehre Nominalismus genannt. Eine wahre Erkenntnis
Gottes wird im Nominalismus geleugnet. Luther war Nominalist.
Gewissermaßen war der Idealismus von Immanuel Kant eine Fortsetzung
des Nominalismus. Kant leugnete die Möglichkeit der Erkenntnis von
Freiheit, Unsterblichkeit und Gott. Er versuchte die Gottesbeweise
der klassischen christlichen Philosophie zu widerlegen. Nur um des
moralischen Lebens willen, solle der Mensch so tun, als ob es so
etwas wie Freiheit, Unsterblichkeit und Gott gäbe. Selbst die Welt
kann der Mensch nicht erkennen, wie sie an sich ist, sondern nur, wie
sie im subjektiven Bewusstsein des Erkennenden erscheint. Raum und
Zeit, Kausalität und die Grünheit des Grases existieren nur
insofern, wie sich der Mensch diese Dinge denkt. Über dieses
ausweglose Gefangensein im Subjekt war der sensible Dichter Kleist
dermaßen verzweifelt, dass er sich das Leben nahm. Ohne Wahrheit
lohnt es sich nicht zu leben, dachte er. Kant ist der Mörder von
Kleist. Eine Gegenposition zum Idealismus nahmen Marx und Engels ein,
die Begründer des dialektischen Materialismus. Da sie im Gefolge des
Darwinismus meinten, die Arbeit habe den Affen zum Menschen gemacht,
sahen sie in den gesellschaftlichen Arbeitsverhältnissen den
Ursprung des ideologischen Überbaus. Das materielle Sein bestimmt
das geistige Bewusstsein. Die Materie bringt den Geist hervor,
lehrten sie in Verkehrung der Wahrheit. Anfang des 20. Jahrhunderts
entstand als Antwort auf Kant die Phänomenologie. Edmund Husserl
sagte: Wenn wir nach Kant die Welt-an-sich nicht erkennen können, so
lasst uns doch die uns erscheinenden Phänomene mit höchstmöglicher
Exaktheit beschreiben, und zwar ohne irgendwelche ideologischen
Scheuklappen. Die Husserl-Schülerin Edith Stein wandte sich
folgerichtig wieder der klassischen katholischen Philosophie des
Realismus zu, vor allem der Lehre des heiligen Thomas von Aquin, und
verband die neuzeitliche Phänomenologie mit dem katholischen
Realismus des Thomismus.
EROS
Im
orphischen Schöpfungsmythos war am Anfang die Göttin der Nacht. Sie
tanzte. Dabei wurde sie von dem Wind oder Geist in Gestalt einer
Schlange befruchtet. Da gebar die Göttin das Welt-Ei, den kosmischen
Urkeim. In diesem Urkeim lebte der göttliche Eros. Eros nun wurde
zum Weltenschöpfer, indem er den Urkeim zum Kosmos entfaltete. Für
die große Liebende Sappho war Eros der Inbegriff der menschlichen
Liebesleidenschaft. Sie nannte ihn ein heilloses Vieh und verglich
ihn einem Sturm, der Bäume zerbricht. Auch für Anakreon war Eros
der Inbegriff der menschlichen Liebe, aber er sah Eros mehr als
kleinen launischen Knaben, mit dem der alte Dichter scherzte und
kokettierte. Platon (nach Diotimas Lehre) sah in Eros einen guten
Dämon, den Mittler zwischen dem liebenden Menschen und der
göttlichen Schönheit. Eros ist die Liebe zur Schönheit. Eros
beginnt bei der Liebe zum schönen Körper, führt zur Liebe zur
schönen Seele, führt dann zur Liebe zur Tugend an sich und
schließlich zur Liebe zur Schönheit Gottes. Wenn ein Philosoph mit
platonischer Liebe einen Knaben liebt, erweckt Eros die Seele des
Liebenden und gibt ihr Flügel, dass die Seele des Liebenden sich
aufschwingt zur ekstatischen Schau der himmlischen Idee der
Schönheit. In dem neuplatonischen Märchen Eros und Psyche von
Apuleius ist Eros der göttliche Bräutigam und Psyche die
menschliche Braut. Nach verschiedenen Prüfungen führt die Mutter
des Eros die bräutliche Psyche zur mystischen Hochzeit mit dem
göttlichen Bräutigam Eros im Himmel. Dabei wird die menschliche
Braut Psyche vom göttlichen Bräutigam Eros vergöttlicht. Der
christliche Neuplatoniker und große Mystiker Dionysios Areopagita
sagte: Jesus ist unser Eros. Nur weil Eros zum Abgott der
Knabenschänder und Aphrodite zur Göttin der Huren geworden war,
mieden die Väter den Namen des Eros für Jesus und wählten das Wort
Agape, Caritas. Die Eingeweihten und Mystiker wussten aber, dass
Jesus der göttliche Eros und mystische Bräutigam der Braut Psyche
ist. So legte Origenes als Erster das Hohelied Salomos als Lied der
mystischen Hochzeit zwischen Jesus und der Seele aus. So riefen die
Mystiker am Karfreitag: Eros ist gekreuzigt! Und am Ostersonntag:
Eros ist auferstanden! Und sie wehklagten: Weh uns, Eros wird nicht
geliebt! Jesus selbst stellt sich im Neuen Testament als Bräutigam
vor. Seine Braut ist die Kirche, aber auch jede menschliche Seele.
Schon im Alten Testament sprachen die Propheten von Jehova als dem
erotischen Bräutigam. Jeremia sprach von Jehova, der zwei Bräute
hatte, Juda und Israel, beide waren aber Huren und brünstige
Kamelstuten. Hesekiel sprach von Jehova als Bräutigam zweier Bräute,
Jerusalem und Samaria, beide waren aber Huren und ließen sich von
Ägyptern und Babyloniern die Zitzen betatschen und spreizten jedem
Heiden die Beine. Jehova wählte Jerusalem zu seiner Braut. Ihre
Brüste und ihr Schamhaar waren gewachsen, da wählte er sie zur
Braut, sie aber brach die Ehe und hurte mit den Heiden und zahlte
selbst den Hurenlohn für ihre Hurerei. Der Prophet Hosea heiratete
im Auftrag Jehovas eine Hure. Diese Ehe symbolisierte die Ehe Jehovas
mit Israel, wobei Israel eine Hure war. Mit einem Wort: Jehova ist
der göttliche Eros. Die Kabbalisten sprachen von den offenbaren
Qualitäten des unergründlichen Absoluten. Die offenbare Qualität
namens Jehova ist der Bräutigam und die offenbare Qualität namens
Schechinah (oder Immanenz Gottes) ist die Braut. Das Hohelied Salomos
deuteten die Kabbalisten als innergöttlichen Hochzeitsgesang von
Jehova und Schechinah. Als Christ möchte ich im Anschluss an die
Kabbalisten sagen, dass Jehova der erotische Bräutigam ist und Ischa
Chochmah (Frau Weisheit oder Hagia Sophia) die erotische Braut und
Ruach ha kadosch (der Heilige Geist) die erotische Vereinigung. Damit
wären wir beim dreifaltigen Eros, oder wie Johannes sagt: Gott ist
Liebe, Dieu est Amour!
ESOTERIK
Die
Esoterik behauptet von sich, die innerliche, mystische Seite aller
Religionen in sich zu vereinen. Sie behauptet, wie die Freimaurer,
alle Religionen seien sich gleich. Ausgeschlossen von ihrer
mystizistischen Welteinheitsreligion wird nur die römisch-katholische
Kirche. Die Esoterik ist die moderne Form des antiken Gnostizismus.
Sie mischt synkretistisch Elemente aller heidnischen Religionen.
Grunddogmen der Esoterik sind die Vorstellung eines nicht
personhaften Gottes, der mit dem Universum und der kosmischen Energie
gleichgesetzt wird, die Vorstellung der Göttlichkeit der Seele, die
Idee der Selbsterlösung, die Lehre der Reinkarnation, die Praxis der
Magie, der Relativismus in der Lehre über die Wahrheit. In unendlich
vielen magischen Praktiken versuchen die Esoteriker, die kosmische
Energie sich nutzbar zu machen. Die Esoterik glaubt an die
Selbsterlösung durch Reinkarnation und Gottwerdung durch Aufnahme
kosmischer Energien. Darum kennt sie nicht den gekreuzigten Erlöser
Jesus Christus. Sie definiert den kosmischen Christus als ein Bild
für das Höhere Selbst des Menschen, das man aber auch Buddha oder
Krishna nennen könne. Sie kennen auch nicht den allmächtigen Vater
als Schöpfer, sondern nehmen an, das aus der unpersönlichen
Gottheit der göttliche Kosmos in einer Emanation hervorgegangen sei.
Sie unterscheiden nicht zwischen Schöpfer und Geschöpf, sondern
Natur und Seele sind göttlich. Sie kennen auch nicht den Heiligen
Geist, sondern nur das Chi, die kosmische Energie. Sie verwerfen die
Jungfrau Maria und verehren stattdessen die Göttin Isis als
Verkörperung altägyptischer Mysterienweisheit und der sogenannten
Philosophia Perennis. Sie verehren auch nicht die Heiligen der
Kirche, sondern rufen aufgestiegene Meister, okkulte Dämonen und
Elementarkräfte an. Sie glauben, dass das Zeitalter des Christentums
vorbei ist, und dass nun das Zeitalter Luzifers gekommen sei. Daher
ist Esoterik im Grunde genommen Satanismus.
EUDÄMONIE
Eudämonie
oder das glückliche Leben war das angestrebte Ziel der griechischen
Philosophen. Aristoteles sagte, glücklich sei der Mensch und lebe
ein gutes Leben, wenn er die Tugenden verwirkliche. Auch wenn ihm
Schicksalsschläge Gefühle der Traurigkeit bescherten, sei er doch
objektiv glücklich, wenn er ein Gerechter und ein Freund der
Wahrheit sei. Epikur sah das glückliche Leben im Genuss der
diesseitigen Freuden, in maßvollem Genuss und der Pflege der
Freundschaft. Aristipp sah auch das Glück im Genuss, in maßvoller
Sinnlichkeit. Darum auch besuchte er eine Hetäre, achtete aber
darauf, dass sie ihn nicht beherrsche. Die Hedone oder Lust zum
höchsten Prinzip und zur Garantin des Glücks zu erklären, ist die
Idee der heutigen Spaßgesellschaft, die von der
Unterhaltungsindustrie, dem Konsum und der freien Liebe
gekennzeichnet ist. Dabei wird das Maßvolle des antiken Hedonismus
abgelöst durch maßlose Begierden. Das antike Rom kannte zwei
Glücksgöttinnen: die Glücksgöttin Fortuna verwaltete den Zufall
und den Anteil der irdischen Glücksgüter, hier ging es um das Haben
des Glücks; die Glücksgöttin Felicitas war für das Glücklich-Sein
zuständig und für die Seligkeit der Seele. Diese Seligkeit der
Seele als das Glücklich-Sein meinte Jesus in den acht
Seligpreisungen. Glücklich sind die Menschen, die arm sind vor Gott,
auf keine Verdienste vor Gott rechnen, sondern ganz allein auf die
göttliche Barmherzigkeit vertrauen. Glücklich sind die Menschen,
die trauern über die Bosheit der gottlosen Welt. Glücklich sind die
Friedfertigen und die Sanftmütigen und die Friedensstifter.
Glücklich sind die Barmherzigen. Glücklich sind die Menschenkinder
mit einem reinen Herzen. Ja, glücklich sind die Menschen, die von
den Gottlosen gehasst werden, weil sie an Jesus glauben. Diese
Seligkeit, die Jesus verheißt, besteht nicht immer in
Glücksgefühlen. Jesus verheißt die innere Freude, von Gott geliebt
zu sein, die auch in Gefühlen der Traurigkeit lebendig ist. Die
Heiligen nennen sie die Freude auf dem Seelengipfel, ein geistliches
Lied nennt sie die Freude in allem Leide. Die Unbefleckte Empfängnis
Maria sagte bei ihrer Erscheinung in Lourdes Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts zu dem vierzehnjährigen Mädchen Bernardette: Ich kann
Ihnen nicht versprechen, Sie in dieser Welt glücklich zu machen,
aber in der kommenden Welt! So ist im Christentum die Glückseligkeit
das Höchste Gut, für das wir geschaffen sind, und zwar die ewige
Glückseligkeit der Liebesvereinigung mit der Gottheit. Diese ewige
Bestimmung des Menschen ist der wahre Trost, der hilft, die irdische
Trübsal geduldig zu tragen. Und immer wieder fällt ein Sonnenstrahl
der himmlischen Seligkeit auch schon auf Erden in die gottliebende
Seele.
EVOLUTION
Die
Mikro-Evolution, die Entwicklungen innerhalb ein und desselben
Art-Typus, sagt man, ist bewiesen. Die Makro-Evolution, die
Entwicklung einer Art aus einer anderen Art ist umstritten, man sagt
aber, sie sei höchst wahrscheinlich. Dies ist eine
naturwissenschaftliche Frage. Die Philosophie sucht nach einer
Deutung. Inwiefern gibt es eine evolutionistische Philosophie? Die
einen Philosophen sehen die Evolution allein in der Natur, andere in
der Weltseele und die dritten gar in der Gottheit selbst. Marx und
Engels nannten die Evolution der Natur den dialektischen
Materialismus. Ohne eine Gottheit entwickle sich die Materie zum
Menschen und durch die Entwicklung der materiellen Lebensgrundlagen
des homo faber zum kommunistischen Paradies auf Erden. Eine andere
Spielart des Materialismus und Naturalismus ist der nihilistische
Sozialdarwinismus, der behauptet, das Prinzip der Natur-Evolution
(the fittest will survive) bestätige in der menschlichen
Gesellschaft das Recht des Stärkeren. Diese Lehre heißt bei
Nietzsche Wille zur Macht und Übermensch und im Nationalsozialismus
das alleinige Lebensrecht der arischen Herrenrasse. Das ist der
evoluitionäre Materialismus. Dem gegenüber steht der evolutionäre
Idealismus. Diesen finden wir bei Luther, Hegel und Rilke. Hier wird
Gott oder der göttliche Geist nicht mehr als das reine Sein
betrachtet, sondern als eine werdende Gottheit. Luther sah die
Dialektik in Gott, wenn Gott des Pharao Herz verstocke, um dann die
Machttaten des Exodus Israels zu vollbringen, kurz, Gott wirke das
Böse, um ein größeres Gutes daraus hervorgehen zu lassen. Hegel,
Student der evangelischen Theologie, sah die Dialektik in Gott, wenn
Gott als ein werdender Gott sich in sein Gegenteil verwandle, nämlich
in die Weltschöpfung, um dann in der Krone der Weltschöpfung, dem
Menschen, zu sich selbst zurückzukehren und, bereichert mit der
Welt, zum wahrhaft göttlichen Welt-Geist werde. Gott kehre aus der
Natur zum Welt-Geist zurück durch den künstlerischen, den
religiösen und vor allem den philosophierenden Menschen. So wird,
wie Heine sagt, der Mensch zum Erlöser Gottes. Oder wie der
Satiriker sagt: Ich, Hegel, bin der Weltgeist. Rilke in seinem
Stundenbuch spricht von seinem Gott als einem werdenden Gott. In
betörend-schönen Versen besingt er diesen dunklen, werdenden,
Zukunfts-Gott. Eine christliche Philosophie, die an dem absoluten und
ewigen Sein Gottes festhält und doch eine relative idealistische
Evolution anerkennt, ist die Spekulation von Wladimir Solowjew, der
den Moment der Evolution nicht in Gott, aber in der geistigen
Weltseele verwirklicht sieht, deren Ziel des Gottmenschentum ist.
EWIGKEIT
Die
Ewigkeit ist nicht eine unendlich lange Zeit (limes gegen unendlich),
sondern, wie Meister Eckart sagt, ein ewiges Nun. Priester, die vom
ewigen Leben im Himmel als von Milliarden Jahren sprechen, passen
sich nur dem Fassungsvermögen der Herde an. Was sie wirklich meinen,
sagen sie, wenn sie die Ewigkeit eine Raum- und Zeit-Freiheit nennen.
Die Ewigkeit ist die Existenzweise Gottes, Gottes Allgegenwart. In
diese Allgegenwart Gottes einzutreten, ist den Erlösten verheißen.
Diese Allgegenwart Gottes als ein glückseliges ewiges Nun ist die
Fülle des Lebens der lebendigen Gottheit. Die verewigten Toten sind
in der Ewigkeit nicht wie eine ägyptische Mumie zu Stein erstarrt
oder wie Lots Frau zu einer Salzsäule, sondern leben das ewige Leben
Gottes. Der Schriftsteller Tschingis Aitmatow sagte 1992 auf einer
Dichterlesung in Oldenburg: Man kann im Glück der erfüllten
Liebesvereinigung von Mann und Frau im sexuellen Akt einen Moment der
Ewigkeit erfahren, ein seliges Nun in der Fülle lebendiger Liebe,
einen Abglanz der Ewigkeit.
FEMINISMUS
Der
Feminismus begann Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Welt zu
bewegen. Nach dem Ersten Weltkrieg eroberten die Frauen das
Frauenwahlrecht. Feminismus heißt, für die Würde und Freiheit der
Frauen einzutreten. Es gibt aber alle möglichen Spielarten des
Feminismus. Der satanische Feminismus beruft sich auf den Satanismus
der Hexen, auf Luzifer als den alten, vor-patriarchalischen Gott, den
Gehörnter als Sohn-Geliebten der Mondgöttin, und auf Lilith, die
wilde Frau, den Sie-Teufel der Kabbala, die Braut Samiels. Der
neuheidnische Feminismus projiziert in die Jungsteinzeit das Goldene
Zeitalter des Matriarchats, da die Große Mutter monotheistisch
verehrt worden sein soll, so werden alle antiken
Fruchtbarkeitsgöttinnen wieder verehrt, dagegen werden Judentum und
Christentum als patriarchale Religionen und die Bibel als
hoministisches Buch abgelehnt. Der politische, meistens
sozialistische Feminismus sieht in der politischen Vorherrschaft der
Männer die Ursache für Krieg, Armut, Umweltzerstörung. Stattdessen
wird versucht, dass Frauen an die Schaltzentren der Macht gelangen.
Es soll der Bundeswehr eine Frau als Verteidigungsministerin
vorstehen. Dieser sozialistische Feminismus versucht, die Frauen zu
vermännlichen und die Männer zu verweiblichen. Es werden Ehe und
Familie als patriarchalische Unterdrückungssysteme abgelehnt, der
Kindermord der Abtreibung wird zum Menschenrecht der Frauen
umdefiniert. Fortsetzung dieser Spielart des Feminismus ist die auf
einer Weltfrauenkonferenz in Peking aus der Retorte geborene
Gender-Ideologie. Hier wird eine Natur der Frau und eine Natur des
Mannes geleugnet, es gibt keine geschlechtlichen Unterschiede mehr,
jedes Individuum könne sein Geschlecht selbst wählen und jederzeit
ändern. Es werden alle möglichen sexuellen Perversionen propagiert,
die Homosexuellen-Ehe gefördert und die Abtreibung forciert. Aber
auch in den Weltreligionen gibt es feministische Bewegungen. Der
hindustische Feminismus spricht von Gott als Mutter, wie Ramakrishna.
Der islamische Feminismus, wie bei französischen Muslimen, versucht,
Mohammed als großen Liebhaber der Frauen und Liebhaber der
körperlichen Liebe zu propagieren. Der jüdische Feminismus beruft
sich auf die Schechinah als weibliche Immanenz Gottes, oder auch auf
Lilith, die erste Frau Adams. Der evangelische Feminismus meditiert
über Jesu Umgang mit den Frauen, versucht sich in feministischer
Bibelübersetzung, spricht von Maria als geheimer Göttin des
Christentums, sieht in Magdalena das Frauenpriestertum verkörpert,
meditiert über weibliche Gottesbilder in der Bibel. Der orthodoxe
Feminismus meditiert über die ewige Weisheit als Frau und führt in
Alexandrien das geweihte Frauen-Diakonat ein. Der katholische
Feminismus greift auf die Tradition zurück und meditiert über
weibliche Gottesbilder bei Hildegard von Bingen, Mechthild von
Magdeburg, Juliana von Norwich und Heinrich Seuse. Im zwanzigsten
Jahrhundert meditierte Edith Stein über das Wesen der Frau, schrieb
Gertrud von LeFort über die Ewige Frau, schrieb Papst Johannes Paul
II. über die Würde und den Genius der Frau. Papst Franziskus ruft
zu einer Theologie der Frau auf, verleiht Magdalena den liturgischen
Rang einer Apostelin und lässt das geweihte Frauen-Diakonat in der
Urkirche untersuchen. Der katholische Feminismus ist ein marianischer
Feminismus, in dem Maria als Frau der Offenbarung, ja, als „Die
Frau“ betrachtet wird.
FORM
Platon
dachte, die himmlischen rein-geistigen Ideen oder Urbilder seien
wahrhaft seiend, aber die irdisch-konkrete Wirklichkeit nur ein
flüchtiger Schatten der Ideen. Aber gibt es denn auch für einen
Haufen Kot eine himmlische Idee? Aristoteles setzte an die Stelle der
transzendenten Ideen den Begriff der geistigen Form, die an und in
der Materie diese gestalte. Da gibt es keine Materie ohne Form und
keine Form ohne Materie. Darum konnte Aristoteles sich auch keine
persönliche Unsterblichkeit der leiblosen Seele denken. Das
Christentum löste das Problem mit dem Konzept der Auferstehung des
Fleisches. Die Seele ist nach Sokrates das Leben des Leibes.
Aristoteles nennt die Geistseele dir Form des Leibes. Das Christentum
nennt den göttlichen Christus die Form der Geistseelen, darum ist
jede Seele von Natur aus christlich. Woher kommt nun die Geistseele
als Form des menschlichen Leibes? Der menschliche Leib entsteht ja
durch die Vereinigung von männlicher Samenzelle und weiblichem Ei.
Aber entsteht die Geistseele des Kindes durch die Vereinigung der
Geistseelen der Eltern? Nein, das Christentum lehrt, dass jede
persönliche Geistseele im Augenblick der Empfängnis des Leibes von
Gott aus dem Nichts geschaffen wird im Gleichnis Christi und vom
Heiligen Geist dem Kinde eingehaucht. So ist vom Augenblick der
Empfängnis ein beseelter Leib da, eine inkarnierte Geistseele, eine
menschliche Person. Darum ist Abtreibung Mord und damit eine
Todsünde. Wenn aber die Geistseele die Form des Leibes ist, aber nun
der Leib des Mannes verschieden ist vom Leib der Frau, wie evident,
ist dann die Geistseele des Frauenleibes eine weibliche Seele und
verschieden von der männlichen Seele? Ist dann die Jungfrau Maria
als die Unbefleckte Empfängnis das reine Urbild einer femininen
Seele?
FREIHEIT
Martin
Luther behauptete in seiner Schrift vom unfreien Willen, es gäbe
keine menschliche Willensfreiheit, der Mensch werde entweder
unfreiwillig vom Satan geritten oder unfreiwillig von der Gnade
Gottes (sola gratia) gerettet. Erasmus von Rotterdam schrieb gegen
Luther seine Schrift vom freien Willen und stellte die katholische
Lehre von der menschlichen Willensfreiheit gegen Luthers Unfreiheit.
In seiner Schrift von der Freiheit eines Christenmenschen dagegen
pries Luther die Freiheit, meinte aber die Freiheit des einzelnen
Gläubigen, der nicht an die Lehre der Konzilien und des Papstes
gebunden sei. Warum dann aber der einzelne Gläubige an die Lehre der
Kirche der Apostel (das Neue Testament) noch gebunden sei, war die
Frage, die zurückblieb. In der französischen Revolution ging durch
Europa ein Freiheitspathos, dass alle Dichter Hymnen an die Göttin
der Freiheit sangen. Aber diese Freiheit war vor allem die Freiheit
von Thron und Altar, von jeder göttlichen Hierarchie und Ordnung.
Die Freiheit des Menschen wandte sich gegen Gott. Klopstock besang
auch die göttliche Freiheit, aber für ihn waren Robespierre und die
Jakobiner die schrecklichsten Feinde der Freiheit. So wird auf allen
gegensätzlichen politischen Seiten die Freiheit postuliert. So
priesen die Kommunisten die Freiheit und wollten sie mit
revolutionärer Gewalt erstreiten, meinten mit der Freiheit die
Abschaffung des Privateigentums und führten das Staatseigentum und
die Diktatur des sozialistischen Staates ein. Dagegen priesen auch
ihre politischen Gegner der bürgerlichen Demokratie die Freiheit und
meinten die Freiheit der Menschenrechte und die Freiheit des Marktes.
In der neomarxistischen Kulturrevolution priesen sie auch die
Freiheit, vor allem die freie Liebe als Liebe ohne Bindung und
Verantwortung. So wird im Namen einer schrankenlosen Freiheit
Anarchie und Chaos geschaffen und eine Rebellion gegen jede göttliche
Ordnung, ja, sogar gegen die Natur des Menschen. In der postmodernen
Gender-Ideologie ist der Mensch angeblich sogar frei, sein Geschlecht
zu wählen. Da erhebt sich die menschliche Freiheit nicht allein
gegen Gott, sondern auch gegen die Schöpfung, gegen die Ökologie
des Menschen. Die liberale Marktfreiheit des Kapitalismus scheint nur
noch die Freiheit weniger zu sein, Profit zu erwirtschaften, auf dem
Rücken der armen Völker und der Umwelt. Diese Freiheit des Geldes
richtet sich gegen Gott, die Armen und die Natur. Fichte sprach von
der Freiheit des Absoluten Ich. Jeder Mensch sei ein aufgeblasenes
Ego, ein Napoleon des Größenwahns, und so als Absolutistischer
Weltmonarch und als Schöpfer der Umwelt sein eigener Gott. Diese
Freiheit als Rebellion gegen das Gesetz Gottes liegt allen
Freiheits-Häresien zugrunde. Das absolute Ich ist einsam. Aber eine
Person ist immer nur Person im Hinblick auf eine andere Person. Der
Mensch ist ein soziales Wesen oder nach Aristoteles ein politisches
Tier. Darum kann es keine schrankenlose Freiheit des Ego geben,
sondern das Individuum muss sich einfügen in seine Familie, sein
Volk, die Kirche. Nur so kann sich der Mensch als Person und als
soziales Wesen entfalten. Aller Egoismus ist destruktiv und zerstört
selbst den Egoisten. Dies lehrte der katholische Theosoph Franz von
Baader. Das absolute Ich Fichtes muss sich letztlich binden an die
absolute Freiheit Gottes, nur so wird der Mensch frei. So sagt Jesus:
Die Wahrheit wird euch freimachen, und: Ich bin die Wahrheit. So
entsteht der christliche Freiheitsbegriff, der paradox ist: Erst in
der Bindung der menschlichen Freiheit an die absolute Freiheit Gottes
wird der Mensch wahrhaft frei. Nur der Knecht Gottes und die Magd des
Herrn sind freie Menschen. So lehrte ein charismatischer Prediger:
Erst wenn sich ein Mensch allein vom Urteil Gottes abhängig macht,
wird er frei von den Urteilen der Menschen über ihn. Allein die
Gottesfurcht befreit von der Menschenfurcht. Die christliche Freiheit
ist nicht Freiheit von allen Bindungen, sondern totale Bindung an
Gott. So sagt die christliche Freiheit nicht nur, wovon der Mensch zu
befreien ist, sondern wofür die Freiheit gebraucht werden will.
Seiner sozialen Natur als Person gemäß und seiner Ebenbildlichkeit
mit der dreipersonalen Gottheit gemäß besteht die Vollendung der
Person des Menschen in Hingabe an ein Du, ein göttliches Du und ein
mitmenschliches Du, in Gottesliebe und Nächstenliebe. Die Freiheit,
zu der der Heilige Geist befreien will, ist die Freiheit, zu lieben
und sich hinzugeben und dadurch seine Natur zu vollenden.
FUNDAMENTALISMUS
Der
Fundamentalismus ist ein Phänomen der Religionen. Hinduistischer
Fundamentalismus erkennt nur die Veden, die Upanischaden und die
Bhagavad-Gita als göttliche Offenbarung an und verfolgt Menschen
anderen Glaubens. Der muslimische Fundamentalismus erkennt nur den
arabischen Koran als Gottes Wort an und verfolgt mit Hass und Gewalt
Juden und Christen und andere Gläubige. Jüdischer Fundamentalismus
erkennt nur die Tora und den Talmud als Weisung des wahren Gottes an
und lehnt die Christen ab und erkennt die muslimischen Bürger des
Heiligen Landes nicht an. Evangelikaler Fundamentalismus erkennt nur
die protestantische Bibel als Gottes Wort an und verurteilt alle
Philosophie als Torheit und alle anderen Religionen als Lügenwerk
und Götzendienst. So gesehen ist der Fundamentalismus eine
intolerante, engstirnige und aggressive Form moderner Religiosität.
Sie ist der Gegenpol zum Relativismus, dieser Welteinheitsreligion
der Freimaurer, die aus einem Synkretismus aller Religionen besteht,
aber keine absolute Wahrheit anerkennt. Papst Benedikt XVI. sprach
sogar von der Diktatur des Relativismus. Wenn nun ein Gläubiger
überzeugt ist von einer göttlichen Offenbarung und absoluten
Wahrheit, wird er von den Relativisten als Fundamentalist beschimpft.
In diesem polemischen Sinne ist es eine Ehre, ein Fundamentalist zu
sein, nämlich einen fundierten Glauben zu haben. Was aber ist das
wahre Fundament, was ist die absolute Wahrheit, was ist die wahre
Offenbarung? Der Hindu sagt: Die Gita. Der Moslem sagt: Der Koran.
Der Jude sagt: Die Tora. Der Protestant sagt: Die Bibel. Der Katholik
sagt: Die Bibel und die Lehre der Kirche. Josef Kardinal Ratzinger
schrieb unter Papst Johannes Paul II. das Schreiben Dominus Jesus.
Darin heißt es im ersten Teil: Jesus ist allein der Herr, der
einzige Erlöser des Menschengeschlechts, und im zweiten Teil: und
die römisch-katholische Kirche ist die einzige wahre Kirche Gottes,
die von Jesus Christus selbst gestiftet wurde. Und so sagte die
Jungfrau Maria in Medjugorje: Es gibt nur Einen wahren Gott und Einen
wahren Glauben. - Und dieser marianische Fundamentalismus ist das
feste Bollwerk gegen die Diktatur des Relativismus.
GEBOT
Dem
Propheten Mose wurden auf dem Berg Sinai von Gott die zehn Gebote
offenbart. Die zehn Gebote sind auch schon in das Gewissen des
Menschen eingeschrieben und durch das Licht der natürlichen Vernunft
erkennbar. Darum finden sich ähnliche Sittengebote bei Sokrates,
Buddha und Mohammed. Da aber das Gewissen des Menschen und das Licht
der natürlichen Vernunft durch die Sünde verdunkelt sind, hat Gott
die zehn Gebote offenbart und sie zum Gesetzbuch des auserwählten
Volkes Israel gemacht. Esus hat die zehn Gebote bestätigt und sie
zum Gesetz der ganzen Menschheit gemacht. Jesus fasst die Gebote
zusammen in dem Doppel-Gebot der Liebe: Du sollst Gott von ganzem
Herzen lieben und den Nächsten wie dich selbst. Ja, Jesus gibt ein
neues Gebot, den Nächsten nicht nur wie sich selbst zu lieben,
sondern, so wie Jesus mich liebt, so soll ich den Nächsten lieben.
Augustinus fasst das Liebesgebot Jesu so zusammen: Liebe, und dann
tu, was du willst. Mohammed verkündet die Geote Allahs, die der
Moslem als Sklave Allahs einhalten muss, der seinem Herrn gehorsam
sein muss. Diese Gebote des Koran sind zum Beispiel das Gebet, die
Wallfahrt nach Mekka, die Almosensteuer, das Fasten. Der Koran kennt
aber kein Liebesgebot. Die mosaische Gesetzgebung schimmert noch im
preußischen Philosophen Kant durch. Das zehnfache Du sollst der
Gebote Gottes wird hier zum moralischen Sittengesetz, das dem
Gewissen des freien Menschen gebietet, gut zu sein und die Wahrheit
zu suchen. An das Gewissen ergeht der kategorische Imperativ: Du
sollst gut sein. Das Gesetz ist bei Kant noch da, nicht aber mehr der
Gesetzgeber. Nietzsche verwarf Kant ebenso wie Moses, ihm roch der
kategorische Imperativ noch zu sehr nach dem Sinai. Nietzsche
erkannte die Tafel der Gebote Gottes, aber er wollte geradezu
prometheisch die Tafel der Gebote Gottes zerschlagen und eine neue
Tafel der Gebote des Übermenschen schreiben, was er in einem
Zarathustra versuchte. Das Gesetz des Übermenschen sei allein das
darwinistische Recht des Stärkeren oder der Wille zur Macht. Damit
bereitete Nietzsche den Abfall vom Gott Israels vor und bereitete den
Weg zur nationalsozialistischen Ideologie vom arischen Herrenmenschen
und dem jüdischen Untermenschen. Die Jungfrau Maria ruft deswegen in
heutigen prophetischen Botschaft zur Umkehr auf, zur Umkehr zu den
Geboten des Gottes Israels.
GEGENWART
Augustinus
in seiner Konfession denkt über die Zeit nach. Was ist Zeit? Er
spricht von den drei Zeiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die
Gegenwart ist nur der Punkt, da die Zukunft in die Vergangenheit
übergeht. Wenn man das Wort Gegenwart ausspricht, ist das G schon
Vergangenheit, wenn man beim W angekommen ist, und das T ist noch
Zukunft. O Augenblick, du bist so schön! sagt Faust, und schon ist
der Augenblick dahin. Die Vergangenheit können wir nicht ändern, es
ist nutzlos, ihre Sünden, Fehler und Irrtümer zu bereuen, wir
können sie nur ins Meer der Barmherzigkeit Gottes versenken. Die
Zukunft liegt nicht in unserer Hand. Es ist dem Menschen nicht
gegeben, den Schleier der Zukunft zu heben, sosehr sich auch die
abergläubische Sterndeuterei und Wahrsagerei darum bemüht, nein,
wir können die Zukunft nur der gütigen Vorsehung Gottes
anvertrauen. Uns ist gegeben, in der Gegenwart zu leben. Dazu kann es
hilfreich sein, von der buddhistischen Philosophie den Gedanken zu
übernehmen, ganz im Hier und Jetzt zu leben und mit konzentrierter
Achtsamkeit des Geistes und der Sonne die Gegenwart wahrzunehmen. Die
Kirchenlehrerin Therese von Lisieux schrie in einem Gedicht: Dich zu
lieben, Gott, habe ich nur den heutigen Tag. Ich kann Gott weder in
der Vergangenheit, noch in der Zukunft lieben, sondern leben und
lieben kann ich nur im Heute, im Jetzt. So ist christliche Prophetie
auch nicht im Wesentlichen eine Wahrsaagung für die Zukunft, sondern
ein Reden Gottes von den Zeichen der Zeit, ein Reden Gottes in die
Gegenwart hinein. Die prophetischen otschaften der Jungfrau Maria
sind keine Wahrsagekunst, sondern sie wenden das Evangelium auf die
Gegenwart an, und so sagt der Geist der Kirche, was heute ihre
Aufgabe ist. Jesus sagt: Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern
der Lebenden. Gott will uns heute begegnen. So beschreiben die
Mystiker auch die raum- und zeit-freie Ewigkeit als ein ewiges Nun in
der Gegenwart Gottes. Das kommt auch im heutigen Messopfer zum
Ausdruck. Das ewige Nun Gottes kommt in die Zeit, in den heutigen
Tag, und so kann ich heute durch die sakramentale Realpräsenz
Christi in der Zeit in der Gegenwart Gottes leben.
GEIST
Aristoteles
nannte den Menschen ein rationales Tier. Er sei eine Zweiheit aus
menschlicher Materie und göttlichem Geist, der Form. Die platonische
individuelle Unsterblichkeit der Seele lehnte Aristoteles ab,
unsterblich sei allein der allgemeine göttliche Geist. Die Stoa
verehrte den Geist (nous) als göttlich und setzte ihn mit Zeus oder
dem Logos gleich, und meinte damit die Immanenz Gottes in der Natur.
Plotin nannte die höchste Gottheit unbeschreiblich, aber aus ihr
ginge der Geist hervor. Dieser göttliche Geist ist die
Dreifaltigkeit des Denkenden, des Gedachten und des Denkens. Zur
Erkenntnis des göttlichen Geistes sei die menschliche Vernunft nicht
ausreichend, es brauche eine Ekstase, ein mystisches
Hingerissenwerden vom göttlichen Geist. Jesus sagt im
Johannes-Evangelium zu einer Frau: Gott ist Geist und muss im Geist
und in der Wahrheit angebetet werden. Die Kirchenväter und besonders
Basileus der Große proklamierten den Heiligen Geist, den Geist des
Vaters und des Sohnes, als Gott und Herrn. Der aus der evangelischen
Theologie kommende Philosoph Hegel entwarf die Idee des vollkommenen
göttlichen Wesens als Weltgeist. Die ursprüngliche absolute Idee
Gottes verwandle sich in ihre Antithese, die Welt, und kehre durch
den künstlerischen, religiösen und philosophierenden Menschen mit
der Welt bereichert zur Gottheit zurück und werde so in der Synthese
erst die vollkommene Gottheit, der Weltgeist. Dem deutschen
Idealismus entgegen stellte sich der Materialismus, eine Mischung aus
Darwin, Feuerbach und Marx. So sehr die politische Ökonomie des
Kommunismus und des Kapitalismus als Antagonismen erscheinen, sind
sie doch eins in ihrem philosophischen Materialismus. In der
kommunistischen Gesellschaft war die Materie alles, ewiger Ursprung,
Motor der Geschichte, der Mensch nur das Produkt seiner materiellen
Verhältnisse. Der Geist wurde als bloßer ideologischer Überbau als
aus den materiellen Verhältnissen hervorgehend bezeichnet. Dagegen
der Materialismus des Kapitalismus und der bürgerlichen Demokratie
vertritt den praktischen Atheismus, dass der Mensch umd des Profits
willen da sei und dass das Glück des Menschen im Sensualismus und
Konsumismus bestehe, in dem Genuss der Materie. Die Philosophie des
heutigen bürgerlichen Kapitalismus des Westens ist der Atomismus und
Hedonismus der epikuräischen Säue.
GEMEINWOHL
Schon
Platon hat in seiner Polis eine Gesellschaft des Gemeinwohls
erfunden. Die Ständegesellschaft aus Lehrstand, Wehrstand und
Näjrstand sollte geführt werden von dem weisen Monarchen und so die
Tugenden verwirklichen. Daran knüpft Thomas Morus in seiner Utopia
an, dem Traum einer glücklichen und gerechten Gesellschaft. Im
neunzehnten Jahrhundert begann dann das Gespenst des Kommunismus in
Europa umzugehen. Mit der Industrialisierung war das Proletariat
entstanden. Die Kirche antwortete auf diese Herausforderungen mit der
katholischen Soziallehre Leos XIII. Hier wird der marktliberale
Kapitalismus kritisiert, der Raubtier-Kapitalismus, da der Mensch dem
Menschen ein Wolf ist. Man versucht, den liberalen Kapitalismus zur
sozialen Marktwirtschaft abzumildern, da das Gemeinwohl vor den
Profit geht. Die Kommunisten hatten nur das Wohl der arbeitenden
Klasse im Sinn, die Liberalen hatten nur das Wohl der Besitzenden im
Sinn. Die katholische Lehre hat das Gemeinwohl, das Wohl von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Sinn. Statt des revolutionären
Hasses und des ewigen Klassenkampfs der Kommunisten sucht die Kirche
den sozialen Frieden. Die Kirche sorgt sich um die Rechte der Armen
und der Arbeiter und lehrt, dass Eigentum verpflichtet, verkündet
aber auch das Recht auf Privateigentum als Bestandteil des
Naturrerchts. Die katholische Soziallehre kämpft zur Linken gegen
den Kollektivismus der Kommunisten und betont die Menschenwürde des
Einzelnen, und kämpft zur Rechten gegen den kapitalistischen
Individualismus, indem sie das Gemeinwohl dem Individuum als Ideal
vor Augen stellt. Gegen Kollektivismus und Individualismus lehrt die
Kirche die Rechte und Pflichten der Individuen als Glieder der
Gemeinschaft.
GERECHTIGKEIT
Im
Buch der Weisheit in der Bibel werden als Gaben der göttlichen
Weisheit die vier Kardinaltugenden genannt, Gerechtigkeit, Mut,
Mäßigung und Klugheit. Sokrates in Platons Polis wendet diese
Tugenden auf den Menschen so an: die Klugheit ist die Tugend des
Gehirns, der Mut die Tugend des Herzens, die Mäßigung die Tugend
des Leibes, und wenn der Mensch diese drei Tugenden lebt, dann ist
die Gerechtigkeit die Tugend des ganzen Menschen. Dieses Modell
überträgt Sokrates auf die Polis: Der Lehrstand verwirkliche die
Klugheit, der Wehrstand den Mut, der Nährstand die Mäßigung, dann
verwirklicht der ganze Staat die Gerechtigkeit, verkörpert im
Philosophen-Monarchen. Die antike Mythologie stellte die
Gerechtigkeit als Göttin Justitia dar, eine erhabene Dame mit
verbundenen Augen, da sie ohne Ansehen der Person richtet, und mit
einer Waage in der Hand, mit der sie Schuld und Sühne abwägt. Der
Gerechte, der Zaddik, war das Idealbild der jüdischen Kabbala für
den Weisen oder Rabbi. Der heilige Josef wird in der Heiligen Schrift
als ein Gerechter bezeichnet, das heißt, er war ein Frommer, der
nach dem Gesetz Gottes lebte. In der antiken Philosophie ist die Norm
für weltliche Gerechtigkeit oder positives Recht das gottgegebene
Naturrecht. Diese Vorstellung hat die katholische Theologie
übernommen. So muss das positive Recht eines Staates immer daran
gemessen werden, ob es der Gerechtigkeit des Naturrechts entspricht.
Zum Beispiel kann ein Staat beschließen, es sei legal, ein Kind im
Mutterschoß zu töten, aber diese Tat wird immer der Gerechtigkeit
Gottes und des Naturrechts widerprechen. Die Ideale von Freiheit und
Brüderlichkeit und Gerechtigkeit gehen, wie die Jungfrau Maria sagt,
aus dem Sauerteig des Christentums hervor. In der französischen
Revolution haben die Ideologen allerdings die Gerechtigkeit durch
Gleichheit ersetzt. Es ist dies die Vorstellung von Kindern, dass es
nur dann gerecht zugehe, wenn alle Kinder genau das Gleiche bekommen.
Der Gedanke der Gleichheit ist aber nicht der Gedanke der
Gerechtigkeit. Nietzsche verwarf die Gleichheit ganz und betonte den
Unterschied von aristokratischen und von sklavischen Menschen. Den
christlichen Gedanken der Gerechtigkeit verdächtigte Nietzsche aber
auch, er meinte, die Vorstellung einer himmlischen Gerechtigkeit als
einer Vergeltung im Jenseits klinge mehr nach der Rache der Armen,
der Sklaven, des Pöbel, die gerecht mit gerächt verwechselten. So
erscheint in dem Roman der Graf von Monte Christo die Gerechtigkeit
des Menschen als eine von Hass erfüllte Rache, die von sich
behauptet, der heilige Zorn Gottes und die himmlische Gerechtigkeit
zu sein. In der modernen katholischen Theologie gibt es aufgrund der
Bevorzugung der göttlichen Barmherzigkeit oft das Negativbild der
göttlichen Gerechtigkeit als der unbarmherzigen Strafe Gottes,
gewissermaßen erscheint die göttliche Gerechtigkeit als die Feindin
des Menschen, die den Sünder nur zu verdammen weiß. Die
evangelische Theologie spricht in ihrem lutherischen
Rechtfertigungsdogma von der Gerechtigkeit aus Gnade durch Glauben,
dem Sünder wird durch den Glauben die Gerechtigkeit Christi
zugesprochen, und so wird der Sünder gerechtfertigt. Die wahre
Gerechtigkeit gibt nicht jedem das Gleiche, sondern jedem das Seine.
So kann es der Gerechtigkeit Gottes durchaus entsprechen, dass die
Armen und Kleinen die bevorzugten Lieblinge Gottes sind. Wer kann zum
Beispiel den 60 Millionen Opfern des Nationalen Sozialismus und den
100 Millionen Opfern des Kommunismus noch Gerechtigkeit verschaffen?
Das kann allein die Gerechtigkeit Gottes, das Weltgericht, die
Vergeltung im Jenseits. Was die irdische Gerechtigkeit betrifft, so
betonten die Päpste immer, dass es ohne Gerechtigkeit im globalen
Maßstab keinen Weltfrieden geben wird. So preist Goethe Gott als den
Gerechten, wenn er dichtet:
Er,
der einzige Gerechte,
Will
für jedermann das Rechte.
Sei
von seinen hundert Namen
Dieser
hochgelobet. Amen.
GESCHICHTE
Edith
Stein sagte, Geschichte ist immer Heilsgeschichte. Sie lobte die
mittelalterlichen Chronisten, die in der Beschreibung geschichtlicher
Epochen beim Paradies des Garten Edens begannen und beim Weltgericht
und dem Paradies der himmlischen Jerusalem endeten. Die Inkarnation
Gottes in Christus, geboren von Maria, ist kein geschichtsloser
Mythos, sondern das Eintreten Gottes in die Geschichte der Menschheit
zur Zeit, als Pontius Pilatus Gouverneur Roms in Judäa war.
Hölderlin sah in Jesus den letzten der griechischen Götter,
Halbgötter und Heroen, der das himmlische Fest der Antike schloss
und sein Abendmahl zurückließ, aber Christus und die anderen
Göttermenschen werden einst wiederkommen und die himmlische
Friedensfeier, das Brautfest der Götter und Menschen, wird in
Germanien, dem neuen Griechenland, gefeiert werden. Schiller sah die
Weltgeschichte als Weltgericht. Karl Marx entwarf den historischen
Materialismus und sah die Geschichte als Höherentwicklung vom
primitiven Urkommunismus über die verschiedenen Klassengesellschaft
bis zur kommunistischen Gesellschaft. Motor dieser Geschichte sind
die Produktivkräfte und Produktionsmittel. Die dialektische
Höherentwicklung setzt sich mittels der Klassenkämpfe durch. Am
Ende der Geschichte steht das Gemeineigentum der Produktionsmittel,
das irdische Paradies der Arbeiter und Bauern. Diese
Geschichtskonstruktion wurde von der lebendigen Geschichte in der
Form des real existierenden Sozialismus als einer Diktatur widerlegt.
Die Feministinnen lieben das Wortspiel, history sei his story. Die
Geschichte sei eine Geschichte des Patriarchats. Sie entwerfen die
Utopie des Gartens Eden oder des Goldenen Zeitalters oder des
Urkommunismus als die schöne Zeit des Matriarchats, da
monotheistisch die Muttergöttin verehrt wurde. Dieses Friedensreich
der Mutter sei ungefähr im zweiten Jahrtausend vor Christus durch
patriarchalische Kriegerhorden der Arier in Zentralasien zerstört
worden. Feministische Denker wie Otfried Ebertz kündeten die
Wiederkunft des Matriarchats an. Die Frage ist: Wer macht Geschichte?
Berthold Brecht sagte, nicht Kaiser Shi Huangdi habe die Chinesische
Mauer gebaut, sondern es waren die zehntausende Bauern. Machen Massen
oder Klassen Geschichte? Ist die Geschichte die Geschichte des
revolutionären Volkes? Oder ist die Geschichte das Werk großer
Männer und Frauen? Reinhold Schneider sah in seinen jungen Jahren
die Geschichte als Tragödie, später sah er die Geschichte unter dem
Zeichen des Kreuzes, und schilderte in seiner Geschichte vor allem
der Monarchie den Widerspruch von Macht und Gnade als das Kreuz des
Königs von Gottes Gnaden.
GESETZ
Das
Gesetz Moses ist das Gesetz Gottes. Ihre Zusammenfassung sind die
zehn Gebote, die von ewiger Gültigkeit sind. Das griechische nomos
und das deutsche Gesetz sind Übersetzungen des hebräischen Thora.
Die Juden aber sagen, Gesetz sei nicht die rechte Übersetzung, und
übersetzen es mit Weisung. So haben die Rabbinen und Kabbalisten des
Judentums eine große Liebe zur Thora und beschreiben sie als eine
immerwährende Jungfrau und Tochter Gottes und himmlische Prinzessin
und Braut des Schriftgelehrten. Im Christentum stellen viele dem
Gesetz des Alten Testaments die Gnade des Neuen Testaments entgegen
und berufen sich wie Luther auf des heiligen Paulus Römerbrief. Die
evangelischen Christen verwerfen alles, was Gesetz und gute Werke
heißt, und glauben, sie seien „allein aus Gnade durch Glauben“
gerechtfertigt. Dabei übersehen sie, dass Christus das Gesetz
erfüllt hat und selbst zum Gesetz oder zur Thora geworden ist.
Christus hat auf dem Berg der Seligpreisungen als neuer Mose das neue
Gesetz, die neue Thora verkündigt. Das neue Gesetz ist nicht ein: Du
sollst nicht – sondern ein: Selig ist, wer – Das neue Gesetz ist
die Person Jesu selbst. Das Sinai-Ereignis der Gabe des Gesetzes wird
im jüdischen Wochenfest gefeiert, das ist Pfingsten. So ist die Gabe
des Heiligen Geistes der Gabe des Gesetzes gleichgesetzt, denn das
neue Gesetz ist keine „Antithese“ zum Gesetz Mose, sondern dessen
Verinnerlichung und dessen Erfüllbarkeit durch den innewohnenden
Heiligen Geist. Christus fasst das Gesetz zusammen in dem Doppelgebot
der Gottesliebe und Nächstenliebe, und Paulus nennt die Liebe die
Erfüllung des Gesetzes. Ohne aber das Gesetz Christi zu erfüllen,
gibt es keine Erlösung. Was nun das menschliche Gesetz, das positive
Recht, betrifft, muss dieses sich messen lassen an dem von den
antiken Griechen und der katholischen Kirche vertretenen Naturrecht,
das göttlichen Ursprungs ist, in den Gewissen der Menschen wohnt und
durch die natürliche Vernunft erkannt werden kann. Dies Naturrecht
ist das moralische Sittengesetz. Das Gesetz der materiellen Welt sind
die Naturgesetze, die von der Naturwissenschaft erkannt werden
können. Die staunenswerte Rationalität und Intelligenz der
Naturgesetze verweisen als „intelligent design“ auf den
Gesetzgeber als die göttliche Intelligenz. Da diese göttliche
Intelligenz als Gesetzgeberin der Naturgesetze über den
Naturgesetzen steht, ist es denkbar, dass die göttliche Intelligenz
in Ausnahmefällen die Naturgesetze aufhebt und im Wunder ihre
Allmacht offenbart.
GEWISSEN
Ein
gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen, sagt der Vollmund. Wie
Ge-birge eine Sammlung von Bergen, so ist Ge-wissen die Sammlung des
Wissens der Person. Sigmund Freud nannte das Gewissen Über-Ich. Das
Über-Ich ist eine Sammlung von angeeigneten moralischen Sätzen, die
von den Eltern, Lehrern, Pfarrern, Regierenden übernommen wird und
wesentlich zur Unterdrückung des Ich dient. Kant sah in dem
menschlichen Gewissen die Instanz, die der menschlichen Person ein
quasi-göttliches Du sollst zurufe. Du sollst gut sein, du sollst
moralisch handeln, du sollst so handeln, dass dein persönliches Tun
auch das Gesetz für die Menschheit sein kann. Es ist die preußische
Pflicht des Menschen, auf die Gebote des Gewissens zu hören und ihm
zu gehorchen. Allerdings muss man unterscheiden zwischen einem
feinen, geschärften Gewissen und einem irregeleiteten, abgestumpften
Gewissen. Durch Aneignung falscher moralischer Gebote durch
Ideologien und Häresien und durch beharrliches Sündigen wird das
Gewissen irregeleitet. Ein feines Gewissen ist an der Autorität der
Gebote Gottes und der Kirche orientiert. So kann der Mensch in der
Stimme seines Gewissens die innere Stimme Gottes erkennen. Diese
innere Stimme eines feinen Gewissens führte John Henry Newman von
der Häresie des anglikanischen Protestantismus zur vollen Wahrheit
der römisch-katholischen Kirche. Darum sagte der selige Kardinal
Newman auch: Wenn ich einen Toast ausbringen sollte, so als erstes
auf das Gewissen und als zweites auf den Papst. Er meinte damit
nicht, dass ein feines Gewissen eine andere Lehrautorität sei als
die Lehrautorität der Hierarchie der Kirche Gottes, sondern dass es
die innere Stimme Gottes zuerst war, die ihn zur Anerkennung des
Papstes als der Stimme Christi auf Erden führte. Ich denke, so wie
es nach Platon einen Weltkörper und eine Weltseele gibt, nach Hegel
und den Stoikern einen Weltgeist, nach Heidegger eine Weltnacht, so
will ich sagen, dass es ein Weltgewissen gibt, dass sich im
Stellvertreter Christi auf dem Thron Petri ausspricht.
GLAUBE
Der
christliche Glaube hat zwei Dimensionen, eine objektive und eine
subjektive. Die objektive Dimension ist der Glaubensgehorsam: Ich
nehme alles an, was Gott von sich selbst offenbart und der Kirche
anvertraut hat. Die subjektive Dimension ist die persönliche
Begegnung mit Jesus: Jesus, ich vertraue auf dich. Luthers Irrlehre
war das sola fides, der Glaube allein rettet. So schrieb Luther an
Melanchthon angesichts der Bauernkriege: „Sündige tapfer! Aber
glaube tapferer!“ Dagegen spricht Jesus im Gleichnis vom
Weltgericht, dass die Menschen nach ihren Werken der Liebe gerettet
werden. Im Jakobusbrief, den Luther gern aus dem Kanon entfernt
hätte, steht, dass Glaube ohne Werke tot ist. So lehrt die
katholische Kirche, dass Glaube und Liebeswerke notwendig sind zur
Erlangung des Heils. Bei der Marienerscheinung von Fatima 1917 lehrte
der Engel von Portugal das Gebet: Mein Gott, ich glaube an dich, und
ich bitte dich um Verzeihung für alle, die nicht an dich glauben. So
treten die Glaubenden vor Gott für die Nichtglaubenden ein. Im Kult
der göttlichen Barmherzigkeit nach der heiligen Faustyna wird dies
Stoßgebet empfohlen: Jesus, ich vertraue auf dich! Glaube ist also
Vertrauen. Credo, der Glaube, und credere, glauben, kommt von cor,
das Herz. Glaube heißt: das Herz hingeben. So sagt Frau Weisheit zu
Salomo im Buch der Sprüche: Gib mir dein Herz, mein Sohn. Martin
Luther sprach vom Glauben allein auch in Abgrenzung zur Vernunft. Er
lehnte die christliche Philosophie ab und nannte „Fraw klüglin
eyne hur“. Die katholische Theologie und besonders die von Benedikt
XVI betont das Zusammenwirken von Glaube und Vernunft, fides et
ratio. Der Glaube ohne Vernunft wird zum Fundamentalismus (wie im
evangelikalen Biblizismus und Fideismus) oder gar zum Fanatismus (wie
im radikalen Islam). Die Vernunft aber ohne Glaube bleibt beschränkt
und unerleuchtet (wie bei la déesse raison der französischen
Freimaurer und im postmodernen Atheismus). Die Jungfrau Maria sagte
in Medogorje: Es gibt nur einen wahren Gott, einen wahren Glauben und
eine wahre Kirche. Der eine wahre Gott ist die Allerheiligste
Dreifaltigkeit, der eine wahre Glaube ist die christkatholische
Religion, die eine wahre Kirche ist die römisch-katholische Kirche.
Die Habsburger wie Kaiser Karl V und Kaiserin Maria Theresia wollten
das Konzept verwirklichen: Ein Reich, ein Glaube. Mit der
Kirchenspaltung der Orthodoxie und der Glaubensspaltung des
Protestantismus verlor das Abendland seine Glaubens-Einheit. Die
gegenwärtige Welt Anfang des Dritten Jahrtausends ist, wie die
Gottesmutter sagt, voller Ketzereien. Der kleine Haufen der
Recht-Gläubigen ist umgeben von Unglauben (Agnostizismus und
Atheismus), Irrglauben (einer Unzahl häretisch-christlicher Sekten)
und Aberglauben (Esoterik und Neuheidentum).
GLÜCKSELIGKEIT
Eudämonie,
Glückseligkeit oder das wahrhaft glückliche Leben, wars, was die
Griechen suchten. Epikur hielt die Welt für zufällig aus Atomen
entstanden, die Götter kümmerten sich nicht um die Menschen, und
vorm Tode brauche man sich nicht zu fürchten, denn dann sei man ja
nicht mehr. Das rein zeitlich-irdische Glück sah er im maßvollen
Genuss und Wohlleben und in den Freuden der Freundschaft. Dies
scheint die Philosophie unserer heutigen Zeit zu sein. Die
Kirchenväter nannten solche Leute epikuräische Säue. Aristoteles
sah die Eudämonie in dem Tugendleben. Wer Gerechtigkeit, Klugheit,
Mäßigung und Starkmut habe, sei glücklich. Ja, selbst wer aufgrund
seiner Tugend zu leiden habe, sei glücklich. Irdischgesinnte halten
dieses Paradox für Torheit, aber sagt nicht auch Jesus so in den
Seligpreisungen: Wenn sie euch verfolgen um Christi willen, dann
jubelt!? Die Tugendlehre des Aristoteles als wahrer Weg zur Eudämonie
übernahmen die Stoiker: Ein moralisches Leben, ein vernünftiges
Leben ist ein gutes, glückliches Leben. Jesus, die Weisheit Gottes,
Jesus, der Philosoph, stellt sein Konzept von Eudämonie in den acht
Seligpreisungen vor: Selig ist, wer wie Jesus denkt und leidet und
lebt, denn ihm gehört das Himmelreich und er wird Gott schauen. Hier
erstmals geht es um transzendente Eudämonie. Boethius beschreibt in
seinem Trost der Philosophie, wie ihn im Kerker eine schöne Frau
besucht, das ist die Philosophie, die ihm verkündet, alle Menschen
seien für die Glückseligkeit geschaffen, alle Menschen erstreben
sie, aber sie sei allein in Gott zu finden. Ein italienischer
Renaissance-Philosoph, dessen Namen ich vergessen habe, meinte, die
christliche Philosophie verbinde Epikur und die Stoa, denn sie lehre
erstens die Tugenden, nämlich die vier Kardinaltugenden und die drei
göttlichen Tugenden, und verspreche am Ende dieses Weges ein
transzendent-epikuräisches Paradies mit schönstem Genießen Gottes
und der vollkommenen Freundschaft mit Gott. Dieser
himmlisch-epikuräische Garten erinnert an den Glückseligkeits-Traum
Mohammeds, der einem Haschisch-Traum der Assassinen ähnelt, nämlich
dem Garten Eden mit den ewig-jungfräulichen Huris, bereit zum
Beischlaf, den Knaben, die besten Wein bringen und gebratenes
Geflügel, nur Allah ist nicht gegenwärtig. Dagegen die christliche
Hoffnung geht über diese himmlische Immanenz der Mohammedaner
hinaus. Paulus nennt Gott den glückseligen Gott. Die Glückseligkeit
der Christen besteht in der Vereinigung mit dem glückseligen Gott
und der Vergöttlichung, so dass die Erlösten wie Götter und
Göttinnen in Ewigkeit das Leben des glückseligen Gottes leben.
GNOSIS
Die
Gnostiker lasen die Bibel, aber gegen den Strich. Ihre Tradition
begründeten sie auf die Schlange in Eden, auf Kain, auf Judas
Iskarioth. Freischwebende Spekulation waren ihre Ideen von
himmlischen Wesenheiten oder Hypostasen oder Pleromen oder Äonen,
die Hochzeiten eingingen und neue Wesenheiten zeugten. Dem Ewigen
Vater gesellten sie die Mutter des Schweigens, den Äon Christus
vermählten sie mit Sophia. So sind die Himmel bevölkert mit vielen
göttlichen Wesen, so dass man von einem spiritistischen Polytheismus
sprechen kann. Sophia war ihnen nicht die göttliche Weisheit,
sondern ein himmlisches Wesen, dass im Himmel einen Sündenfall
beging und zur Strafe in die dunkle Materie kam, woraus sie der
himmlische Christus erlösen muss, dass sie wieder unberührt von
Materie in ihren himmlischen Sitz zurückkehrt. Der Gott des Alten
Bundes, der Schöpfer, der Gott Israels, Sabaoth war für sie ein
niedriger böser Gott, der eine böse materielle Welt geschaffen hat,
und der nicht identisch sei mit dem guten Vater Jesu, der in
überhimmlischer Ferne als reiner Geist lebe. Diesen reinen Geist
erkennen nur die gnostischen Geistmenschen, Pneumatiker, die die
Schöpfung absolut verachten und darum auch, ohne ihren Geist zu
beflecken, auf Erden Vielweiberei und Unzucht und Hurerei treiben
konnten. Diese Pneumatiker erlösen sich selbst durch Erkenntnis des
himmlischen Ursprungs ihrer Seele. Dagegen die Sinnesmenschen oder
Somatiker, die Kirchenchristen, durch den Glauben erlöst werden
möchten, aber Unwissende sind. Eine große Strömung der Gnosis,
vermischt mit altpersischem Dualismus eines guten und eines bösen
Gottes, war der Manichäismus, dem Augustinus in seiner Jugend
anhing, den er später in seinen Bekenntnissen entlarvte. Im
Mittelalter erstand die Gnosis wieder in den Katharern oder
Albigensern, die den Dualismus von Licht und Finsternis, Geist und
Materie lehrten. Diesen traten vor allem die dominikanischen
Predigerbrüder entgegen, mit dem Rosenkranz als Waffe in der Hand.
Im zwanzigsten Jahrhundert lebte die Gnosis wieder auf in Theosophie
und Anthroposophie und feiert in der postmodernen Esoterik des New
Age fröhlich ihren Triumph. Die Gnosis war schon den Aposteln
bekannt. Paulus sagte: Hütet euch vor der Gnosis! Johannes nennt sie
Antichristen.
GOTT
Im
indischen Veda (Wissen) ist der Hauptgott Indra, der als Himmelsgott
und als Wettergott präsentiert wird, dem das Soma geopfert wird,
damit er seinen Anbetern irdische Segnungen schenke. In den
Upanishaden ist das Brahman die Gottheit, die ganz Geist ist, der
alles ist. Des Menschen Geist oder Athman (Atem) wird erlöst durch
die Erkenntnis, dass er eins ist mit Gott: Ich bin du. Im
chinesischen Altertum wurde Shang Di verehrt, der Kaiser des Himmels,
eine Apotheose des chinesischen Kaisers. Später wurde der Himmel
(Tien) als unpersönlicher Gott oder als persönlicher Gott verehrt.
Das Tao der alten Chinesen ist dem Logos der griechischen und
johanneischen Philosophie verwandt. Im alten Ägypten wurde im
Wesentlichen die Sonne als Gott verehrt, die meisten der
verschiedenen Götter sind nur verschiedene Stationen der Sonne. Bei
den alten Afrikanern und bei den alten Indianern gab es die Idee
eines höchsten und guten Gottes des Himmels und Schöpfers, der
viele Götter und Geister und Dämonen unter sich hatte, selbst aber
wenig bekannt war und durch die Verehrung der Götter mittelbar
verehrt wurde. Platon sah Gott als das Höchste Gute, die Wahrheit
und Schönheit. Für Aristoteles war Gott die Erstursache und das
Ziel aller Wesen, der unbewegte Beweger, der geliebt werden kann,
aber selbst nicht liebt. Die Stoa sah Gott, den sie Zeus oder Nous
oder Logos nannten, als die immanente Gottheit, das Innere der Natur
und menschlichen Vernunft. Plotin nannte Gott den Einen, der über
Sein und Nichtsein steht, unbeschreiblich ist und nur durch mystische
Ekstase erkannt werden kann. Im alten Rom wurde der römische Kaiser
durch eine Apotheose zum Gott. Im Alten Testament ist Gott in der
Thora der Schöpfer, der Befreier, der Gott, der einen Bund mit
seinem auserwählten Volk Israel schloss. Bei den Propheten ist Jahwe
der Bräutigam der Jungfrau Israel. Im Neuen Testament ist Jesus der
menschgewordene Gott, der das Wesen der Gottheit als Dreifaltigkeit
von Vater und Sohn und Heiligem Geist offenbart. Der Apostel Johannes
fasst die biblische Offenbarung zusammen in dem Satz: Gott ist Liebe!
Diesen Gott sprach Augustinus in seinen Bekenntnissen als Herrn an,
den Geliebten und Vertrauten seiner Seele. Dionysios Areopagita nennt
Gott die Urgottheit oder Urschönheit. Mohammed im Koran verkündet
Gott als allbarmherzig, allmächtig und allweise, leugnet aber die
Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes. In der Scholastik schuf
Thomas von Aquin in seiner Summe der Theologie eine umfassende
katholische Gotteslehre. Bonaventura schilderte die Himmelsleiter der
natürlichen Erkenntnis Gottes, so dass der Mensch die Einheit und
Gutheit Gottes erkennen kann, aber erst durch das Eingreifen der
göttlichen Liebe in der Ekstase erkennt der Mensch die Wahrheit
Gottes. In der jüdischen Kabbala des 13. Jahrhunderts offenbart sich
der an sich unerkennbare Gott (en-soph) in seinen zehn Hypostasen
(Sephirot). Martin Luther glaubte, dass Gott, der Gute, das Böse
tue, um Besseres zu bewirken. So muss Gott erst noch zum Teufel
werden. Hegel sagte darum, Luzifer sei die vierte Person der
Gottheit. Calvin sah Gott als gut und böse, der als guter Gott
manche Menschen fürs Paradies vorherbestimme und als böser Gott
manche Menschen zur ewigen Hölle vorherbestimme. Der vom Judentum
abgefallene Spinoza sagte, Gott sei die Substanz von allem, Gott sei
alles. Goethe nannte das Gott-Natur. Kant leugnete die Möglichkeit
einer Gotteserkenntnis, empfahl aber, so zu tun, als ob es Gott gäbe,
um tugendhaft zu leben. Hegel sagte, Gott müsse erst Welt werden und
dann im Menschen, im Philosophen sich seiner selbst bewusst werden
als Weltgeist. Heine sagte, so werde der Mensch zum Erlöser Gottes.
Feuerbach nannte Gott nur eine Projektion des Menschen, einen schönen
Wunschtraum. Hegels Dialektik und Feuerbachs Materialismus vermischt,
ergab die kommunistische Philosophie: den militanten Atheismus.
Nietzsche verkündete: Gott ist tot und wir haben ihn umgebracht! In
der Folge von kommunistischer und nihilistischer Philosophie wurden
im zwanzigsten Jahrhundert Tyrannen und Massenmörder wie Stalin,
Hitler und Mao zu Göttern erklärt. Adorno sagte, nach Auschwitz
könne man nicht mehr über Gott sprechen. Die religiöse Sehnsucht
des postmodernen Menschen schuf sich neue Götter, in der Esoterik
des New Age wird Gott als das Universum und als die kosmische Energie
magisch beschworen, und im Neuheidentum werden wieder die
vorchristlichen Gestirn- und Naturgötter angerufen.
GUTES
Die
Lehre von Yin und Yang als die Lehre von der Komplementarität von
Licht und Dunkel, Geist und Natur, Mann und Frau wird heute so
verstanden, als seien Gut und Böse auch nur zwei Seiten einer
Medaille, als ergänzen sie einander. So wird in der Christologie des
New Age Satan der Bruder von Jesus genannt. So bezeichnete C.G. Jung
Luzifer als vierte Person der Dreifaltigkeit. Platon aber sah das
Höchste Wesen als die Dreifaltigkeit von Gutheit, Wahrheit und
Schönheit. Ihm war die Gottheit identisch mit der Gutheit. Dagegen
die pseudochristliche Gnosis sprach von dem Gott Israels, dem
Schöpfer, dem Herrn Sabaoth als dem bösen Gott, dem Schöpfer einer
bösen materiellen Welt und des fleischlichen Menschen, und
unterschied den bösen Schöpfergott von dem Vater Jesu. In der
Genesis des heiligen Mose dagegen schuf Gott die Welt und sah, dass
sie gut war, und schuf die Menschen als Mann und Frau und sah, dass
dies sehr gut war. Der biblische Gott ist also der gute Schöpfer
einer guten Schöpfung und einer sehr guten Menschheit. Ein Jüngling
nannte den Herrn Jesus einmal guter Meister, und Jesus sagte: Warum
nennst du mich gut? Nur Einer ist gut, nämlich Gott. Gott ist also
nach Platon, nach Moses und nach Jesus der Gute. Boethius dachte in
seinem Trost der Jungfrau Philosophia über das Böse nach und sagte,
es habe eigentlich kein Wesen, keine Substanz, sondern sei nur der
Mangel des Guten. Hölderlin sagte: Dass das Böse Nichts ist, das
befreiefe mir einer wie der Adler den Raub. Die Kabbala dagegen
sprach von dem Bösen in der Welt als der Frucht des Zornes Gottes.
Der mystische Urmensch Adam Kadmon trage in sich die zehn Sephirot
oder Hypostasen Gottes als Selbstoffenbarungen der unergründlichen
Gottheit, und zwar in seiner einen Seite die guten Aspekte Gottes,
die aus seiner Liebe fließen, und auf der anderen Seite die bösen
Aspekte Gottes, die aus seinem Zorn fließen. Auch Luther sah das
Böse in Gott: Gott tue das Böse, um in dessen Überwindung das Gute
triumphieren zu lassen. Luthers werdender Gott muss erst zum Teufel
werden, um wahrhaft Gott zu werden. Hegel als Student der
evangelischen Theologie nannte darum Luzifer die vierte Person der
Dreifaltigkeit. Die Heidengötter und Göttinnen waren immer sowohl
gut als auch schrecklich und böse. Dieses heidnische Konzept des
guten und bösen Gottes ist in die Kabbala und die protestantische
Theologie eingeflossen, es bleibt aber Heidentum. Der Gott der Bibel
dagegen ist der gute Schöpfer einer guten Welt, der gute Vater Jesu,
reines Licht, in dem keine Finsternis ist, Gott ist das Höchste Gut,
das Gute an sich. Jesus sagte in seiner Rede vom Weltgericht, dass
der Mensch im Gericht nach seinen guten oder bösen Werken gerichtet
wird. Böse Werke sind dabei auch einfach die Unterlassung guter
Werke. Kant übernahm von Moses und Jesus in seiner praktischen
Vernunft den kategorischen Imperativ: Die spekulativ angenommene
Gottheit spricht im Gewissen der menschlichen Vernunft den
kategorischen Imperativ und die moralische Pflicht aus: Sei gut!
Nietzsche sah in Kants Verpflichtung zum Gutsein den Gott des Moses
verborgen, den er ablehnte. Nietzsche verkehrte die Werte von Gut und
Böse, wie sie vom Platonismus und der jüdisch-christlichen Ethik
aufgestellt worden waren, und nannte seinen eigenen moralischen
Imperativ nicht: Sei gut, sondern: Sei mächtig und lebenstüchtig.
Diese nihilistische Verkehrung von Gut und Böse führte im
zwanzigsten Jahrhundert zum Triumph satanischer Ideologien und des
atheistischen und neuheidnischen Totalitarismus. In der heutigen
neuheidnischen Philosophie des New Age wird weiterhin gut und böse,
süß und bitter, Licht und Finsternis vertauscht. Das Zeitalter des
Christentums wird ein Zeitalter der Kriege genannt, dagegen das neue
Zeitalter des Lichtbringers Luzifer ein Zeitalter universaler Liebe
und Friedens. So spottet der Zeitgeist: Gute Mädchen kommen in den
Himmel, böse Mädchen kommen überall hin. Aber der absolut gute
Gott lässt sich nicht spotten, sondern wird Gute und Böse richten.
HAGIA
SOPHIA
Sophia
oder Weisheit ist das, was die Chinesen suchen, sie nennen es Tao,
und Lao Tse nennt Tao die Mutter der zehntausend Wesen, das Geheimnis
des Weiblichen, das unaussprechliche Geheimnis, das Urbild aller
Bilder. In der chinesischen Bibel ist der Logos des Johannesprologs
mit Tao übersetzt. Konfuzius, Menzius, Mo Ti, Lao Tse, Tschuang Tse
und Liä Dsi waren allesamt Diener des Tao. Das griechische Wort für
Weisheit, Sophia, bezeichnet ursprünglich die Geschicklichkeit des
Zimmermannes. Das ist interessant, denn Jesus, die menschgewordene
Weisheit Gottes, war Zimmermann. Pindar, der Poet und Prophet,
spricht von der Sophia des Künstlers, sie ist seine Muse, seine
Inspiration, die ihn zum Propheten macht. Denn Pindar war nicht ein
einfacher Poet, der mit Versmaß und Reim spielte, sondern ein Poet
und Seher, wie später Dante, John Milton, Klopstock und Hölderlin.
Das ist die Sophia der Poeten. Die größte Verehrung findet Sophia
in der Heiligen Schrift, vor allem in den Weisheitsschriften des
Alten Testaments. Wenn die Bibel mit dem Wort Bereshit, en arche, im
Anfang beginnt, sagen die Rabbinen, dieses Bereshit ist das Urprinz
aller Schöpfung, in Bereshit ist alles geschaffen, und dies ist in
Sophia. Die wichtigsten Stellen über Sophia sind die ersten neun
Kapitel der Sprüche Salomos, vor allem das achte Kapitel, das
siebente bis zehnte Kapitel des Buches der Weisheit, das
vierundzwanzigste und einundfünfzigste Kapitel des Jesus Sirach, das
dritte Kapitel des Baruch und das achtundzwanzigste Kapitel des
Hiob.. Hier wird Sophia mit Jahwe identifiziert, denn wie Jahwe ist
sie die Retterin Israels im Exodus. Sie wird als die Schöpferin
bezeichnet, aber auch als die Erstgeborene der Schöpfung, die vor
aller Schöpfung war. Sie wird Throngenossin Gottes, Liebling Gottes,
Hätschelkind Gottes genannt. Sie ist die Werkmeisterin oder
Architektin des Universums. Ihre Wonne ist es, bei den Menschensöhnen
zu sein. Sie war bei Adam, dem ersten Menschen, in seiner Einsamkeit.
Sie war bei Abraham, der seinen Sohn hingeben musste. Sie war bei
Jakob, der vierzehn Jahre um eine Frau diente. Sie war bei Josef, der
prophetische Träume hatte. Sie war bei Moses, der Israel aus Ägypten
führte. Salomo gewann ihre Schönheit lieb und wollte sie als Braut
heimführen. Er erbat sie von Gott. Mit ihr kommen zu Salomo alle
Gaben der Naturerkenntnis und alle Tugenden und Künste und irdische
Wohlfahrt. Die Ehe mit ihr bringt keinen Verdruss und keinen
Liebeskummer, sondern lauter Wonnen. Sie prüft den Menschen, ob er
ihrer würdig ist. Und wenn er ihre Prüfungen besteht, offenbart sie
ihm ihre Geheimnisse. Sie kommt zu dem Schriftgelehrten wie eine
liebende Mutter und eine junge Braut. Dem Schriftgelehrten ist sie
die Ehefrau, das Weib seiner Jugend, einzig an ihren Brüsten soll er
sich berauschen. Sie, die aus dem Munde Gottes kommt, die von Gott
gezeugt ist, suchte eine Wohnstatt in allen Völkern, fand
schließlich ihre Wohnstatt in Israel und diente im heiligen Zelt und
war Liturgin im Salomonischen Tempel. Aber ihre Macht erstreckt sich
von einem Ende des Alls zum anderen, sie ist ein Ausfluss des Lichtes
Gottes, eine Emanation der Kraft Gottes, ein Spiegel der Herrlichkeit
des Herrn, und sie ist unbefleckt, makellos, rein, pur und heilig und
geht in Seelen ein und macht sie zu Freunden der Gottheit und zu
Propheten. Sie ist die himmlische Sophia, die Sophia von oben, die
friedlich ist, wie Jakobus sie nennt. Paulus sagt: Christus ist die
Sophia Gottes. Ihre Gegenspielerin ist Frau Torheit. There is a war
between Lady Wisdom and Dame Folly. Die Gegenspielerin Sophias ist
Moria. Das ist in etwa die biblische Vision von Sophia. Sophia wird
identifiziert mit Jahwe und mit Jesus. Anders ist die gnostische Idee
von Sophia, denn hier ist sie nicht die Throngenossin Gottes, sondern
ein im himmlischen Sündenfall aus der Gnade gefallenes himmlisches
Wesen, das zur Strafe für ihre undefinierte Stünde in die Materie
fiel und dort als Sünderin und Hure herum irrte, mehrmals
inkarnierte, etwa als Helena von Sparta, bis Simon Magus, der von den
Aposteln verfluchte, in Tyrus in einem Bordell Sophia als die Hure
Helena fand, die heilige Hochzeit mit ihr zelebrierte und sie so
erlöste. Manchmal wartet Sophia, die Hure, auch auf den himmlischen
Äon Christus als ihren Bräutigam und Erlöser. Natürlich ist
dieser gnostische Christus nicht der gekreuzigte Jesus von Nazareth,
sondern ein anderer Christus. Im Grunde ist diese Gnosis eine
Blasphemie, die Gottheit Sophia wird hier zur Sünderin, zur Hure
erniedrigt. Der Kirchenvater Augustinus dagegen suchte, inspiriert
von Cicero, die Weisheit von Jugend an, suchte sie erst im
Manichäismus, fand sie in der katholischen Kirche und nannte sie die
Sophia des Vaters, die Sophia des Sohnes, die Sophia des Heiligen
Geistes. Boethius in seinem Buch vom Trost der Philosophie
beschreibt, wie er im Gefängnis eine Vision der himmlischen Jungfrau
Sophia hatte, die ihn belehrte über das Nichtwesen des Bösen und
das Höchste Gut der Glückseligkeit. Im Talmud der jüdischen
Rabbinen wird die Frau Weisheit der Bibel mit der Jungfrau Torah
identifiziert. Sie ist die Tochter Gottes, die himmlische Prinzessin.
Der ewige König Gott sucht einen Bräutigam für seine Tochter und
offenbart dem Schriftgelehrten die Jungfrau Torah, mit der er die
mystische Ehe eingeht und so zum Baal-Shem wird, zum Ehemann des
Namens. Die Jungfrau Torah ist eine Ehefrau, die immer jugendlich und
immer frisch und reizvoll ist. Die Rabbinen identifizieren Frau
Weisheit aber auch mit der Schechinah, der Einwohnung Gottes in der
Schöpfung. Die Schechinah war Braut Adams im Paradies, sie wurde von
Jakob auf der Himmelstreppe gesehen, sie begleitete Josef nach
Ägypten und war die mystische Braut des Moses und führte die Kinder
Israel ins Gelobte Land. Auch die Kabbala des dreizehnten
Jahrhunderts spricht von der Schechinah. Die unergründliche Gottheit
En-Soph offenbart sich in zehn Sephirot oder Hypostasen, deren zehnte
ist Schechinah, die Einwohnung Gottes in der Schöpfung oder das
Königreich der Himmel, Malkuth. Diese wird Prinzessin und Matrone
genannt und führt die Kinder Israel dem Messias entgegen. Die
obersten Sephirot des En-Soph sind nach der Kether das Paar Chokmah
(Weisheit) und Bina (Vernunft). Hier wird die Weisheit allerdings dem
väterlichen und die Vernunft dem mütterlichen Prinzip zugeordnet.
Die Frage ist, ob der Begriff En-Soph etymologisch mit Sophia und mit
der indoarischen Ursilbe Sopht verbunden ist, was der göttliche
Gedanke vor der Schöpfung ist. Zur selben Zeit wie die Kabbala
dichtete Dante seine göttliche Komödie. Wie dem Boethius die
himmlische Philosophia als Lehrerin erscheint, so erscheint dem Dante
die himmlische Geliebte Beatrice als Lehrerin der Wahrheit,
eigentlich als eine poetische Personifikation der Weisheit der
Kirche. Auch Hildegard von Bingen, die deutsche Prophetin, sah in
himmlischen Visionen Sophia, lateinisch Sapientia, als ein
göttlich-weibliches Wesen. Diese Sapientia Divina sprach durch
Johannes den Täufer, durch Jesus, und spricht durch die Kirche. Die
Weisheit der Kirche ist die Heilige Schrift, die Tradition und der
apostolische Lehrstuhl. Zum Studium der Weisheit der Kirche gehört
neben dem Studium der Bibel das Studium der Kirchenväter, der
Päpste, der Heiligen, der Kirchenlehrer und der Mystiker und der
Frömmigkeit des Volkes. Der selige Heinrich Seuse hatte eine Vision
der Frau Weisheit, als im Kloster aus den Salomonischen Büchern der
Bibel vorgelesen wurde. Frau Weisheit erschien dem jungen Mönch als
wunderschöne Minnedame, er wurde ihr Minne-Mönch, der ihr in
geistlicher Minne diente, sie verlobte sich mit ihm und sagte, er
habe nur Schmerzen in irdischer Minne gefunden, weil sie ihn für die
Hochzeit mit sich selbst bereitet hat. Später verwandelte sie sich
in den gekreuzigten Christus und unterwies ihn in katholischer
Leidensmystik. Jakob Böhme, der teutonische Philosoph, der als
Mystiker von der lutherischen Amtskirche verketzert wurde, hatte
Visionen von der himmlischen Jungfrau Sophia. Seine Theologie ist
nicht ganz deutlich. Einerseits spricht er von dem Zeugen von Vater
und Sohn und Heiligem Geist und dass sich dann die Dreifaltigkeit im
Spiegel der himmlischen Sophia beschaute. Andererseits identifiziert
er Sophia mit Christus. Er spekulierte über den androgynen
Urmenschen Adam, der mit Sophia vermählt war, aber sich von ihr
abwandte und sich Eva zuwandte. Da war Adam kein androgyner Urmensch
mehr, sondern ein Mann und Eva seine Frau. Die Sehnsucht des Menschen
geht aber wieder zur androgynen Ganzheit, darum die irdische Frau Eva
sich mit dem himmlischen Jesus vermählt und der irdische Mann Adam
sich mit der himmlischen Jungfrau Sophia vermählt. Sophia verlobte
sich mit Jakob Böhme und versprach ihm, im himmlischen Paradies die
Ehe zu vollziehen und ihm ihre Perle hinzugeben. Der katholische
Heilige Ludwig Maria Grignion von Montfort, ein Franzose der
Barockzeit, schrieb über die Ewige Weisheit und identifizierte sie
mit der zweiten Person der göttlichen Dreifaltigkeit, also dem Logos
oder Christus, und nannte Jesus die menschgewordene Ewige Weisheit,
nannte die Ewige Weisheit aber auch Himmelskönigin und Idee der
Schönheit. Der Schwerpunkt seiner Mystik lag aber auf der totalen
Hingabe an die Jungfrau Maria. Diese marianische Mystik prägte
später Papst Johannes Paul II. Der Pietist Gottfried Arnold
beschrieb die göttliche Sophia nach den Zeugnissen der Heiligen
Schrift und in umfassender Kenntnis des Zeugnisses der Kirchenväter.
Er beschrieb sein Verhältnis zu Sophia als ein erstes Grüßen,
einen ersten Kuss, eine erste Umarmung, ein Verlöbnis und eine
geistliche Ehe und mystische Vereinigung. Er allein sah die mystische
Bedeutung des Hohen Liedes Salomo in der mystischen Ehe von
göttlicher Sophia-Sulamith mit dem irdischen Menschen-Salomo.
Darüber schrieb er auch Liebesgedichte. In der Zeit des deutschen
Idealismus, Kant, Fichte, Hegel und Schelling, war der katholische
Naturphilosoph Franz von Baader ein Verehrer der Sophia. In seiner
erotischen Philosophie geht es wie bei Jakob Böhme um die
Wiederherstellung der androgynen Menschheit. Inspiriert von Jakob
Böhme und Schelling entwickelte das junge Genie Novalis seine
Naturmystik, und da seine tote Geliebte Sophie hieß, diente er
Christus und Sophie. Der französische Mystiker Saint Martin war ein
weiterer Verehrer der Sophia. Ende des 19. Jahrhunderts hatte der
russisch-orthodoxe Religionsphilosoph Wladimir Solowjew drei Visionen
der himmlischen Sophia, die er seine geheime Freundin nannte. Er
identifizierte sie aber nicht eigentlich mit der Dreifaltigkeit oder
Christus im Speziellen, auch nicht mit der Jungfrau Maria, sondern
sah sie als verklärte Weltseele und Idee des von ihm entwickelten
Gottmenschentums (in Abgrenzung zu Nietzsches Übermenschentum als
Prinzip des Antichrist). Solowjew als eigenständiger christlicher
Denker hat Elemente des Gnostizismus, wie das der gefallenen
Weltseele, in sein Denken aufgenommen. Der russische Lyriker
Alexander Blok hat Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die Sophia von
Solowjew in seine Schöne Dame verwandelt, deren Minnesänger er war.
Im zwanzigsten Jahrhundert entwickelte der Denker Otfried Ebertz in
seinem Buch Logos und Sophia eine eigenwillige neuheidnische oder
mythologische Sophiologie. Wie in den mythischen Paaren von Inanna
und Dumuzi, Isis und Osiris, Kybele und Atthis, Aphrodite und Adonis
sah er das Paar von Logos und Sophia als Gott und Göttin. Dabei ist
das feminine Prinzip das vorherrschende. Der Logos ist der Bundesgott
der Männer, die Sophia die Bundesgöttin der Frauen. Die Göttin
Sophia kann aber nicht von Hausmüttern in der Kinderstube erkannt
werden, aber die Göttin hat Priesterinnen, die ihr als Jungfrauen im
Nonnenkloster dienen und die Lehren der Göttin studieren. Otfried
Ebertz wahrsagte die Wiederkehr der Göttin und ihres Geliebten und
die Rückkehr des Matriarchats als das Reich der Göttin Sophia (die
streng anti-jahwistisch ist). Rudolf Steiner in seiner
synkretistischen Anthroposophie, einer Mischung aus Gnostizismus und
heidnischen Mysterien, nannte Sophia die verschleierte Isis, die die
Partnerin des himmlischen Christus-Sonnengeistes ist, welcher
wiederum nicht der gekreuzigte Jesus von Nazareth des Christentums
ist. Vater Sergej Bulgakow, ein russisch-orthodoxer Priester, der vor
dem militanten Atheismus der Bolschewiki nach Paris fliehen musste,
aber von der Orthodoxie der russischen Kirche ebenso verketzert wurde
wie einst Jakob Böhme von der lutherischen Nationalkirche,
entwickelte eine Sophiologie, da er den Gedanken von Augustinus
aufgriff und von der Sophia des Vaters und Schöpfers und der Sophia
des Sohnes und Erlösers und der Sophia des Heiligen Geistes und
Parakleten sprach, indem er das kirchliche Dogma von der Einen Natur
der Gottheit in den drei Personen dahin deutete, dass der Vater und
der Sohn und der Heilige Geist die drei Personen, aber Sophia die
Eine göttliche Natur der Gottheit bezeichnet. Somit ist Sophia,
genannt the divine feminine, die Eine Gottheit der Allerheiligsten
Dreifaltigkeit. In der esoterischen Bewegung des New Age wird im
Wesentlichen nur die alte gnostische Sophia, besonders anhand der
Nag-Hammadi-Schriften, gefeiert, in Abgrenzung zur biblischen Sophia.
Der Dichter Torsten Schwanke alias Peter Torstein Schwanke alias
Josef Maria Mayer alias Josef Maria von der Ewigen Weisheit hat als
philosophierender Dichter im 21. Jahrhundert die göttliche Sophia in
Poesie und Prosa verherrlicht.
HEDONISMUS
Epikur
hatte eine materialistische Naturphilosophie (die Lukrez in seinem
Epos Von der Natur der Dinge darstellt), er übernahm den Atomismus
des Demokrit, den Evolutionismus des Altertums, der Mensch habe sich
nicht zu bekümmern um die Götter und die Unsterblichkeit der Seele,
sondern das Höchste Gut des Menschen ist der maßvolle Genuss.
Aristipp, der Sokratesschüler, nannte die Lust (Hedoné) das Höchste
Gut. Der Philosoph solle darum nicht heiraten, sondern lieber zu
einer Hetäre gehen, wie Aristipp zu Lais ging, aber sich nicht von
einer Frau beherrschen lassen. Seine Tochter setzte seine
hedonistische Philosophie fort. Wieland hat in seinem Briefroman
Aristipp und seine Zeitgenossen diese Philosophie der Lust
entwickelt. In der römischen Antike war Ovid am meisten von der
Lust-Philosophie geprägt. Der schon erwähnte Wieland verwandelte
sich vom seraphischen Platoniker zum Sensualisten und Hedoniker. Der
junge Puschkin nannte sich auch einen Jünger Epikurs und Aristipps.
Byron nannte die Philosophie des englischen Sensualismus den
Höhepunkt der Philosophie, eines großen Mannes große Dummheit.
Wenn man in Bachofens Mutterrecht von der Hetärenkultur liest, dem
Sumpf der Sinnlichkeit, da Aphrodite und Dionysos herrschen, die
Göttin des Sex und der Gott des Rauschgifts, erinnert man sich an
die neomarxistische Kulturrevolution von 1968 mit ihrem
Sexualkommunismus, der Freien Liebe, der Pornographie und der
Verherrlichung der Drogen. In den alten Kulten des Dionysos war die
Orgie eine kulturelle Ausnahme. Die Sexualkommunisten aber wollen
eine immerwährende Orgie von sex and drugs and rock‘n‘roll. Das
ist Luther: Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein
Narr sein Leben lang. Die Frauenmode des Hedonismus schuf erst die
langen Kleider ab und setzte die blue jeans an deren Stelle, ersetzte
dann die Frauenhosen durch den Minirock, bis die Sängerinnen und
Tänzerinnen öffentlich in Spitzenunterwäsche auftraten und jede
amerikanische Filmschauspielerin ihre Nacktfotos öffentlich macht.
Das ist die vollkommen hedonistische Kultur, eine Kultur des
Untergangs. Die sogenannte Spaßgesellschaft bringt die ganze
dekadente Torheit des Hedonismus zum Ausdruck.
HERAKLIT
Heraklit,
der dunkle, widmete seine Philosophie der Muttergöttin Artemis von
Ephesos, deren Tempel in der Antike als ein Weltwunder galt. Er
entwickelte die Naturphilosophie des Werdens. In der Natur ist ein
ewiges Werden und Vergehen. Alles fließt. Nichts bleibt. Der Krieg
(die Auflösung der Elemente) ist der Vater aller Dinge. Sein
Gegenspieler war Parmenides, der die Philosophie des Seins
entwickelte. Es gibt nicht Werden und Vergehen, es gibt nicht das
Viele, sondern nur das Eine, das absolute Sein. Heidegger nannte
Parmenides den ersten Philosophen des Seins. Aber Heraklit war von
großer Nachwirkung auf Philosophie und protestantische Theologie.
Von Heraklits Philosophie des Werdens stammt die Idee vom werdenden
Gott, die Luther entwickelte: Gott muss erst zum Teufel werden, um
wahrhaft Gott zu werden. Der Aristotelismus und die Scholastik
standen dagegen unter dem Einfluss der Philosophie des Seins. Der
hebräische Gottesname JHWH – ICH BIN - wurde als das ewige Sein
gedeutet. In der Folge von Luther entwickelte Hegel die Philosophie
des werdenden Gottes weiter: Gott muss erst zur Welt werden, um dann
zum wahrhaft göttlichen Weltgeist zu werden. Auch Nietzsche lehnte
die Idee des Seins ab und stellte sich ganz auf die Seite des
Werdens: Keine ewige Geistwelt der Idee, sondern Leben in seiner
Vielheit, mit Trieben, Instinkten, Leidenschaften, das werdende Leben
und dessen werdender Gott Dionysos. Auch Rilke in seinem Stundenbuch
besang den werdenden Gott, nicht den Vater, sondern den Sohn, denn Er
wird erst noch, ja, Gott ist nicht ewig seiend, sondern wird vom
religiösen Menschen erst entwickelt, vom Dichter gebaut. Auch der
Evolutionismus steht in der Nachfolge Heraklits. Wladimir Solowjew
bejahte die Evolution, eine sich entwickelnde Weltseele, aber lehnte
es ab, das Werden in die Gottheit zu projizieren, sondern die
Gottheit sei das Ewigseiende. Aber Heraklit sah auch in all dem
Vielen der Natur immanent ein Ewiges, in all dem Werden und Vergehen
ein Göttlichseiendes, das er Logos nannte. In dem Werden und
Vergehen ist immanent gegenwärtig der göttliche Logos. Der
göttliche Logos wohnt auch tief im Innern der Seele des Menschen.
Diese Philosophie des Logos wurde von der Stoa weiterentwickelt, die
den Logos den der Natur innewohnenden Zeus oder Geist nannten, die
Allvernunft. Diese Philosophie des Logos wurde im Prolog des
Johannes-Evangeliums in der göttlichen Offenbarung in höchster
Reinheit dargestellt, und Jesus Christus als der menschgewordene
Logos gefeiert.
HÖCHSTES
GUT
Platon
nannte das Höchste Gut das Gute, das die höchste Gottheit des
Philosophen war. Die drei Höchsten Güter waren Wahrheit, Schönheit
und Gutheit, aber die Gutheit war die größte von ihnen. Agathon ist
das Gute. Aristipp dagegen nannte das Höchste Gut die Lust. Hedone
ist die Lust. Dem folgt unsere übersexualisierte Gesellschaft.
Aristoteles nannte das Höchste Gut die Glückseligkeit. Das ist die
Eudämonie. Es ist der Zustand eines glücklichen, guten, gelungenen
Lebens. Man erreicht diese Glückseligkeit, wenn man in seinem Leben
die Kardinaltugenden, Gerechtigkeit, Klugheit, Mut und Mäßigung,
erfüllt. Selbst wenn der Mensch Gefühle des Unglücks hat, kann er
nach Aristoteles dennoch in dem Zustand der Glückseligkeit sein.
Boethius folgte Aristoteles und nannte das Höchste Gut gleichfalls
die Glückseligkeit. Allerdings der Heide sprach von irdischer
Glückseligkeit, der Christ von himmlischer ewiger Glückseligkeit.
Wir sind von Gott zu dem einen Ziel erschaffen, nämlich, wie Petrus
sagt, zum Ziel des Glaubens, zur Seligkeit der Seele. In der heutigen
westeuropäischen Gesellschaft gilt als das Höchste Gut die
Gesundheit. Das ist die Göttin Hygeneia. Vor allem Gesundheit! Das
ist heute der allgemeine Segensspruch. Dieser Göttin der Gesundheit
wird in den Tempeln der Krankenhäuser gedient. Ihre
Hohepriesterschaft sind die Professoren, ihre Ministranten und Nonnen
die Krankenschwestern, ihre Wallfahrten die Fernreisen zu berühmten
Ärzten, ihr Fasten die Diät, ihre Mystik die esoterische Heilkunst,
ihre Verheißung das ewige Leben auf Erden. Max Scheler sprach von
der Wertepyramide der Güter. Das erste Gut ist das leibliche Leben,
Speis und Trank, Schlaf, Sex und Gesundheit. Das nächste Gut ist das
Bedürfnis nach Geselligkeit, Freundschaft und Ehe. Dann kommt das
Gut der Ästhetik, Schönheit, Kunstgenuss, Kreativität. Dann kommt
das Gut der Erkenntnis. Dessen Ideal ist die Weltweisheit. Zuletzt
kommt das Bedürfnis nach Transzendenz, das ist Religion, Kirche,
Heiligkeit, Vereinigung mit Gott. Wir sehen, dass heute die
allermeisten Menschen auf der untersten Stufe stehen bleiben und im
guten Essen, in der Gesundheit und im Sexgenuss ihre höchsten Werte
sehen. In der katholischen Liturgie wird der Leib Christi das Höchste
Gut genannt, wird besungen, angebetet und empfangen zur mystischen
Vereinigung.
HOFFNUNG
Die
Hoffnung wird im Christentum eine theologische oder göttliche Tugend
genannt. Paulus sagt, man hofft nicht auf etwas Sichtbares,
Vergängliches, sondern auf etwas Unsichtbares, Ewiges. Im Hohenlied
der Liebe nennt er diese drei Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe.
Der Legende nach gab es eine frühchristliche Märtyrerin namens
Sophia, die drei Töchter hatte: Fides, Spes et Caritas, die alle
drei das Martyrium erlitten. Der große katholische Dichter Charles
Péguy schrieb ein Poem: das Geheimnis zum Tor der Hoffnung. Darin
besang er drei Frauen. Fides und Caritas waren reife Frauen, leicht
zugänglich. Denn wie soll man nicht glauben, da Gott so offenbar
ist? Und wie soll man nicht lieben, da die Liebe von selbst kommt?
Aber Spes ist ein junges Mädchen, schwer zu gewinnen. Das junge
Mädchen Hoffnung kann einem wirklich nur durch eine besondere Gnade
zuteil werden. Papst Benedikt XVI schrieb in seiner Amtszeit drei
Enzykliken über die göttlichen Tugenden: Gott ist Liebe, das Licht
des Glaubens und Gerettet durch Hoffnung. In dieser
Hoffnungsenzyklika beschreibt er als das Ziel der Hoffnung die
Ewigkeit als den Ozean der göttlichen Liebe. Die göttliche Tugend
der Hoffnung hat nichts mit Optimismus zu tun. Der Optimist sagt: Das
Glas ist halbvoll mit Wasser, der Pessimist sagt: das Glas ist halb
leer. Leibnitz in seinem Optimismus nannte die Welt die beste aller
möglichen Welten. Der Pessimist sagt: Ich fürchte, das ist wahr.
Über Leibnitz und seinen Optimismus spottete Voltaire in seinem
Candid. Schopenhauer war der Philosoph des Pessimismus. In seiner
Jugend sagte er: Ich kann nicht glauben, dass dieses Jammertal von
einem gütigen Gott geschaffen ist, eher von einem gequälten Teufel.
Angesichts der entsetzlichen Leiden des zwanzigsten Jahrhunderts mit
Konzentrationslagern der Nationalsozialisten und Arbeitslagern der
Kommunismus, angesichts des Ersten und Zweiten Weltkriegs und der
ständigen Bedrohung durch einen atomaren Dritten Weltkrieg, schöpfen
die Katholiken Hoffnung durch das 1917 in Portugal gesprochene Wort
der Gottesmutter: Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren!
HÖHLENGLEICHNIS
Platon
schreibt in seiner Polis: Die Menschen leben angebunden in einer
Höhle. Hinter ihnen flackert ein Feuer. Die Menschen sehen an der
hinteren Wand die Schatten tanzen. Das halten sie für die
Wirklichkeit. Einer aber konnte sich befreien. Er trat aus der Höhle
und sah die Sonne am Himmel. Das ist der Philosoph. Er wird wieder zu
den gefangenen Menschen in der dunklen Höhle gesandt, um ihnen vom
wahren Licht zu erzählen. Siddartha war ein reicher verwöhnter
Prinz, der in seinem Elternhaus im Luxus lebte. Als er einmal den Hof
verließ, sah er vier Gestalten: einen Armen, einen Kranken, einen
Alten und einen Toten. Er begann, nach der Ursache des Leidens zu
fragen. Lange, lange Jahre saß er meditierend unter einem
Feigenbaum, dem ficus religiosus, bis er eine philosophische Idee
gewann: die Ursache des menschlichen Leidens sei die Existenz als
individuelle Person, und die Erlösung vom Leid sei das Verlöschen
der Person, die Auflösung im Ungewordenen. Nach seiner sogenannten
Erleuchtung zog der Buddha als Bettelmönch herum und predigte seine
Lehre und sammelte eine Gemeinde von buddhistischen Mönchen. Moses
zog sich stets in die Stiftshütte, das Offenbarungszelt zurück, um
allein mit der Herrlichkeit des Herrn zu reden. Dann aber trat er
heraus aus dem Offenbarungszelt und brachte dem Volk die Weisung
Gottes und wurde ihr Führer durch die Wüste. Mohammed war ein
wohlhabender Kaufmann, verheiratet mit einer älteren Frau,
Chadischa, einer Christin. Es zog ihn in eine Höhle, da er nach
muslimischer Überlieferung vom Engel Gabriel die Suren des Koran
diktiert bekam. Danach gründete er eine muslimische Gemeinde und
wurde ihr Heerführer, der begann mit dem militärischen Siegeszug
des Islam. Jesus lebte dreißig Jahre das Leben in Familie und
Arbeit, bis er mit seiner dreijährigen Lehrtätigkeit begann. Nach
der Taufe Jesu mit dem Heiligen Geist zog sich Jesus vierzig Tage in
die Wüste zurück und betete und fastete, bis ihn der Satan
versuchte. Jesus als der neue Adam hat die Versuchung der Schlange
siegreich überwunden, ging und berief seine zwölf Apostel.
HORROR
VACUI
Die
Angst vor dem Tod und dem Nichts war bei den Griechen groß. Die
mythologischen Götter boten nur ein trauriges Schattendasein im
Hades an. Epikur versuchte sich dialektisch zu retten: Wenn ich bin,
ist der Tod nicht, und wenn der Tod ist, bin ich nicht. Aber der
Epikurismus und Hedonismus bot auch nur das Nichts an. Goethe sagte:
Zeus und sein ganzes Geschlecht fürchtet den Tod. Das ist und bleibt
die Antwort des Materialismus. Der Marxismus bot nur die
Mumifizierung ihrer Tyrannen an. Der evolutionistische Atheismus
sagt: Ich bin nur ein Staubkorn im unermesslichen Universum, ein
Produkt des Zufalls, mein Leben ist absurd, und es wartet auf mich
die Vernichtung. Heidegger sagte: Das Dasein ist erfüllt von der
existentiellen Angst vor dem Nichts. Edith Stein antwortete
Heidegger: Das Sein trägt den Menschen. Ist es klug von einem Kind
auf dem Arm seiner Mutter, Angst zu haben, von ihr fallen gelassen zu
werden? Edith Stein setzt also der Angst vor dem Nichts das Vertrauen
in die göttliche Mutter entgegen, die das Sein ist, JHWH, ego sum.
HUMANISMUS
Der
Ursprung des Humanismus ist die griechische Antike. Die olympischen
Götter waren menschlich-allzumenschlich und sagten: Nichts
menschöiches ist mir fremd. In der bildenden Kunst wurde in Apollon
das Bild des schönen Mannes, in Aphrodite das Bild der schönen Frau
gestaltet. In der Poesie wurden die schönen und edlen Menschen
gefeiert, Helden und Weise bei Homer, Sportler bei Oindar, Mädchen
bei Sappho. In der Philosophie erhob Sokrates die Vernunft des
Menschen auf den Thron. Der Humanismus der Römer führte zur
Vergötterung des Menschen. Der Mensch ward Gott. Cäsar war der Herr
und Gott. Das
Christentum brachte den Humanismus, dass jeder Mensch Bild Gottes ist. Die Benediktiner pflegten den Humanismus der Antike, indem sie die Schriften der Alten abschrieben. Es gibt (entgegen den Lügen der Reformation und der Aufklärung) auch einen mittelalterlichen Humanismus, nämlich die Aristoteles-Rezeption der christlichen, arabischen und jüdischen Scholastiker. Thomas von Aquin mit seiner Synthese zwischen antikem und christlichem Humanismus, wie soll man ihn sonst nennen als einen großen Humanisten. In der Renaissance, vor allem in Florenz, wurde die griechische Schönheit und die römische Kraft neu entdeckt. Es war die Blütezeit des florentinischen Humanismus als eines christlichen Neuplatonismus. Die Bewegung der Humanisten bemühte sich um die Ursprachen der Bibel und exakte Übersetzungen. Dagegen war die lutherische Reformation dem antiken Humanismus abhold. Luther lehnte den blinden Heiden Aristoteles ab und sagte: fraw klüglin ist eyn hur. Nach der Kirchenspaltung erhob sich die Aufklärung, die sich Humanismus nannte und im Namen des Humanen gegen den offenbarten Gott kämpfte. Hier wurde der Humanismus atheistisch. Dieser atheistische Humanismus beruft sich auf Giordano Bruno, Voltaire und Rousseau und la déesse raison. Auch Nietzsche als Altphilologe verehrte den Menschen oder besser gesagt den Übermenschen. Dieser Übermensch ist gottlos, antichristlich, diesseitig, triebgesteuert. Dem stellte Wladimir Solowjew die Vision des Gottmenschentums entgegen, die Vereinigung der Menschheit als einer Familie von Gottmenschen im Reich der Theokratie der universalen christlichen Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil und die darauf folgenden heiligen Päpste sprachen von der Notwendigkeit eines christlichen Humanismus im dritten Jahrtausend. Ecce homo, siehe, der Mensch! In Jesus Christus wird der wahre Mensch sichtbar.
Christentum brachte den Humanismus, dass jeder Mensch Bild Gottes ist. Die Benediktiner pflegten den Humanismus der Antike, indem sie die Schriften der Alten abschrieben. Es gibt (entgegen den Lügen der Reformation und der Aufklärung) auch einen mittelalterlichen Humanismus, nämlich die Aristoteles-Rezeption der christlichen, arabischen und jüdischen Scholastiker. Thomas von Aquin mit seiner Synthese zwischen antikem und christlichem Humanismus, wie soll man ihn sonst nennen als einen großen Humanisten. In der Renaissance, vor allem in Florenz, wurde die griechische Schönheit und die römische Kraft neu entdeckt. Es war die Blütezeit des florentinischen Humanismus als eines christlichen Neuplatonismus. Die Bewegung der Humanisten bemühte sich um die Ursprachen der Bibel und exakte Übersetzungen. Dagegen war die lutherische Reformation dem antiken Humanismus abhold. Luther lehnte den blinden Heiden Aristoteles ab und sagte: fraw klüglin ist eyn hur. Nach der Kirchenspaltung erhob sich die Aufklärung, die sich Humanismus nannte und im Namen des Humanen gegen den offenbarten Gott kämpfte. Hier wurde der Humanismus atheistisch. Dieser atheistische Humanismus beruft sich auf Giordano Bruno, Voltaire und Rousseau und la déesse raison. Auch Nietzsche als Altphilologe verehrte den Menschen oder besser gesagt den Übermenschen. Dieser Übermensch ist gottlos, antichristlich, diesseitig, triebgesteuert. Dem stellte Wladimir Solowjew die Vision des Gottmenschentums entgegen, die Vereinigung der Menschheit als einer Familie von Gottmenschen im Reich der Theokratie der universalen christlichen Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil und die darauf folgenden heiligen Päpste sprachen von der Notwendigkeit eines christlichen Humanismus im dritten Jahrtausend. Ecce homo, siehe, der Mensch! In Jesus Christus wird der wahre Mensch sichtbar.
HYLE
Hyle
ist griechisch und heißt Holz und bezeichnet den Stoff, die Materie
der Welt. Aristoteles und mit ihm Giordano Bruno hielten die Materie
für ewig. Die Lehre der Brahmanen spricht von einem ewigen Zyklus
von Werden und Vergehen und wieder Werden und Vergehen der Welt. Die
materielle Welt wird Maya genannt, die Göttin der Welt, die
verschleiert und unergründlich ist, wie Kants Ding-an-sich. Die
Babylonier nannten die Urmaterie Tiamat, die Muttergöttin des
Urmeers, die vom Himmelsgott Marduk getötet wurde, Marduk nahm dann
den Leichnam der Tiamat und baute aus ihm den Kosmos und die Erde.
Tiamat heißt auf hebräisch Tohuwabohu, das Urchaos, über dem der
Heilige Geist schwebte. Die Urmeere heißen auf lateinisch Maria, die
Urmaterie. Der biblische Schöpfungsbericht spricht von einem
Schöpferakt Gottes, der aus dem Nichts die Schöpfung schuf, Raum
und Zeit, materielle und geistige Geschöpfe, sichtbare und
unsichtbare Welt. Das Urchaos wird gestaltet vom Heiligen Geist zum
Kosmos, zur geordneten Schöpfung. Platon sprach von der Physis des
Kosmos, dass er belebt sei von der Psyche des Kosmos, der geistigen
Weltseele. Diese ist nach Plotin eine Emanation des Geistes Gottes
und bringt die materielle Natur hervor. Ein katholischer Priester und
Jesuit stellte die moderne Theorie des Urknalls auf, the
big-bang-theory, die zu ihrer Zeit von den Atheisten heftig bekämpft
wurde, da sie von einem Anfang der Welt spricht. Die Ursache des
Urknalls ist den Naturwissenschaftlern ein Rätsel. Papst Benedikt
XVI sprach vom Logos als der Göttlichen Vernunft, die sowohl die
Ursache des Urknalls ist, als auch der materiellen Natur immanent
ist, denn die materielle Natur ist, trotz gewisser chaotischer
Elemente, von einer großen Rationalität geprägt und auch dadurch
nur der Ratio der Naturwissenschaft zugänglich. Nun ist die
sichtbare Materie des Kosmos nur ein geringer Anteil der ganzen
materiellen Wirklichkeit. 80 % der Materie ist die unsichtbare Dunkle
Materie. Materie wird im modernen Sinn als verdichtete kosmische
Energie verstanden. Die kosmische Energie oder das Universum ist der
Götze des New Age. Das Geschöpf wird zum Gott erklärt. Trotz des
grenzenlosen Spiritismus und Okkultismus des New Age entlarvt sich
die Religion als ein subtiler Materialismus. Papst Franziskus sprach
von der Materia als Matrix als Mater als Maria. Die Schwarze Materie
wäre dann personifiziert in der Schwarzen Madonna.
ICH
Für
Buddha war das Ich, das Prinzip der Individuation, wie für
Schopenhauer, die Ursache der Leiden, die Erlösung bestehe im
Erlöschen des Ich, in der Auflösung im Ungewordenen. Anders ist die
christliche Auffassung: Im Herzen des Menschen soll nicht mehr das
Ego auf dem Thron sitzen, sondern Christus. Das Ich als bewusste
Person mit einem freien Willen ist aber ein Bild des ICH BIN, ego
sum, das ist JHWH-Gott. Nur vollendet sich das Ich nicht in
egoistischer Selbstverwirklichung, sondern in der Liebe, in der
Hingabe an Gott und den Nächsten. Jesus sagt: Wer sein Leben
behalten will, wird es verlieren, wer es hingibt, wird es finden. Das
menschliche Ich ist Ebenbild des göttlichen Ich, denn Gott ist eine
göttliche Person mit Bewusstsein und Willen. Das Bewusstsein des
göttlichen Ich ist die göttliche Weisheit und der Wille des
göttlichen Ich ist die göttliche Liebe. In der jüdischen
Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber und Fritz
Rosenzweig wird Jahwe, der Herr, einfach ICH oder DU genannt. In
einem altägyptischen Text spricht die Göttin Isis: Ich bin die, die
war und ist und sein wird. Rudolf Steiner schrieb das Wort Ich als
J-Ch, das heißt Jesus Christus. Der Benediktinerpater Anselm Grün
sprach von Jesus Christus als dem Höheren Selbst des Menschen. C. G.
Jung sprach vom bewussten Ich als der Spitze des Eisbergs, darunter
eine gewaltige Masse Unbewusstes liegt. Die Vereinigung von Ich und
Unbewusstem bringt das Höhere oder Wahre Selbst hervor. Freud
unterschied zwischen dem Ich des Verstandes, dem Über-Ich (Gewissen)
als von der Gesellschaft aufoktroyierten Normen, und vom Es, dem
Liebestrieb und Todestrieb. Die Esoterik nimmt die Jung‘sche Rede
vom Höheren Selbst auf. Sie redet mit den Buddhisten und Hinduisten
und christlichen Mystikern vom Absterben des Ich, aber nur um
aufzuerstehen als Wahres und Höheres Selbst. Dieses Höhere Selbst
sagt: Ich bin Gott. Da ist es egal, ob es sich als Buddha oder als
kosmischer Christus symbolisiert, es ist das Höhere Selbst des
Menschen und als solches göttlicher Natur. Damit offenbart sich die
Esoterik, trotz allen Geredes vom Absterben des Ego, als ein sublimer
Egoismus, und das Selbst des Menschen ist sein Götze.