VON TORSTEN SCHWANKE
ERSTE ELEGIE
Was tat denn Gudrun da, als christlich stumm zu leiden,
Als sie bei Siegfried saß, dem Mann, der tat verscheiden?
Nicht Tränen hatte sie und nicht die Hände rang,
Noch klagte sie wie sonst der Klagenden Gesang.
Die Krieger kamen an, die weise sind, die schlauen,
Um zu erleichtern ihr das Weh, der Lieben Frauen,
Doch Gudrun trauert nicht mit Tränenperlenflut,
Ob auch voll Trauer ist ihr Herz und ohne Mut.
Der Krieger Frauen nun gekommen sind mit Kuchen,
Mit Goldschmuck sind geschmückt, die Liebe Frau zu suchen,
Und jede dieser Fraun von eigner Trauer sprach,
Was sie getragen hat an Weh und Qual und Ach.
Da Gjaflaug aber sprach, des Gjuki schöne Schwester:
Auf Erden packt mich doch das Wehe immer fester,
Fünf Männer hatte ich, sie sind nun tot und frei,
Zwei Töchter hatte ich und liebe Schwestern drei
Und liebe Brüder acht. Doch hatte ich mein Leben. -
Doch Gudrun trauerte, dass ihre Brüste beben,
So traurig war die Frau um ihren lieben Mann,
So gramvoll war ihr Herz und stand in Todesbann.
Dann aber Herborg sprach, die Königin der Hunnen:
Auch mir die Trauer steigt aus tiefem Tränenbrunnen,
Denn sieben Söhne mir im Süden in der Schlacht
Gefallen und mein Mann, im Ganzen also acht.
Der Vater starb mir hin, die Mutter ist gestorben,
Vier Brüder sind dazu im Totenreich verdorben,
Denn in die Wellen schlug der Wind am Felsenriff,
Und so das Meer durchschlug den Bauch von meinem Schiff.
Den ganzen Körper mein tat ich mit Schmuck begaben,
Geschmückt so für das Grab, die Toten auch begraben,
Ein halbes Jahr ich trank kein Met mit frohem Prost
Und niemand kam zu mir mit gutem Wort und Trost.
Gebunden ward ich dann und ward im Krieg genommen,
Ein Schmerzen war in mir, ich war vom Weh benommen,
Sie baten mich, den Schuh zu binden schön und schlau
Bei jedem Morgenrot an des Monarchen Frau.
In Eifersucht ihr Zorn verbot mir allen Segen
Und schlug mich mit der Hand und zwar mit harten Schlägen,
Nie einen bessern Herrn fand ich, so klug und schlau,
Und nie so böses Weib wie diese böse Frau.
Als Trauernde voll Gram nicht konnte Gudrun weinen,
So groß die Trauer war, sie könnte maßlos scheinen,
So groß die Trauer war um ihren toten Mann,
So gramvoll war ihr Herz und stand im Todesbann.
Und Gollrond sprach, das Kind von Gjuki, weiß wie Butter:
Ach, deine Weisheit hilft nicht meiner Pflegemutter,
Den süßen Weg zum Trost der Frau so jung und schön.
Sie bat, des Kriegers Leib, den Leichnam anzusehn.
Den Mantel hob sie auf von Siegfried, sachte legend
Den Kopf ihr auf den Schoß, das war für sie bewegend:
Schau deinen lieben Mann, und lege deinen Mund
Auf seinen Mund, versuch, zu küssen ihn gesund.
Nur einmal Gudrun sich bemühte, auszuschauen,
Man sah das rote Blut im blonden Haare tauen,
Geblendet schien das Aug, das einmal schien so hell,
Dem Heros hatte man die Brust durchstochen schnell.
Und Gudrun saß nun da, aufs Kissensamt gebogen,
Die Haare lockig blond, von rotem Band durchzogen,
Das Wangenpaar war heiß und rosig schamrot auch
Und Tränen regneten mitsamt dem Seufzerhauch.
Und Gjukis Tochter nun, die schlanke Gudrun weinte,
Der Tränenstrom sich mit der Lockenflut vereinte,
Und von dem Bauernhof der Schrei der Schwäne kam,
Der Singschwan war so schön wie Gudruns Bräutigam.
Dann Gollrond sprach, das Kind von Gjuki, traurig trübe:
Ich kenn nichts Größeres auf Erden als die Liebe,
Ich kenn nichts Schöneres als dich im Kreis der Fraun,
Ach nirgends wirst du Glück nach Siegfrieds Scheiden schaun.
Und Gudrun sprach: Mein Mann war mehr als alle Söhne,
Wie über alles Gras der Lauch sich hebt, der schöne,
Und an der Kette so ist einzig das Juwel,
Der reine Edelstein, den ich zum Schmuck mir wähl.
Der Männer Führer er, der führte sie am Fädchen,
Der er war herrlicher als Herjans junge Mädchen,
Ich aber bin ein Blatt der Buche blutig rot,
Denn wehe, wehe mir, mein Liebesheld ist tot!
In seinem Sitz und Bett ich kann ihn nicht mehr sehen,
Des Herzens wahren Freund, dem wollten widerstehen
Die Söhne Gjukis all, ein jeder war sein Feind,
So dass mein Herz und Geist nun heiße Tränen weint.
Sei euer Land nun leer, so hieltet ihr die Eide.
O Gunnar, nichts vom Glück dir gebe das Geschmeide,
Die Ringe werden bald dir böse Mörder sein,
Der Siegfried Treue schwor und hielt den Schwur nicht ein.
Im Hofe Freude war und Jubel auf der Erde,
Als Siegfried auf sich schwang und ritt mit seinem Pferde,
Mit Grani ritt er aus, Brunhildes Hand zu frein,
Der bitterbösen Frau, zur Stunde bittrer Pein.
Brunhilde aber sprach, des Buthli Tochter eben:
Die Hexe nehm dem Mann, den Kindern fort ihr Leben,
Dass losgebunden sind der Gudrun Tränen, wie
Gesprochen heut ich hab mit teuflischer Magie.
Dann Gollrond sprach, das Kind von Gjuki, schönste Sorte:
Du vielgehasste Frau, sprich nicht so böse Worte,
Gewesen immer schon du in des Edlen Bann,
Verhexe du mir nicht der Lieben Frauen Mann.
Geboren bist du wohl aus einer bösen Welle,
Die Kummer du gebracht, du Ausgeburt der Hölle,
Die Kummer du gebracht den sieben Fürsten und
Als Frau hast viele du geschlagen herzlich wund.
Brunhilde aber sprach, des Buthli Kind, voll Schauer:
Es ist nur Atli schuld an all der schwarzen Trauer,
Der Sohn von Buthli und der starke Bruder mein,
Er brachte all das Weh und all die Todespein.
Als in der Halle wir der edlen Hunnen-Rasse
Im Bett die Schlange sahn, dass sie den Heros fasse,
Da voller Wunden hab bezahlt ich meine Schuld,
Vergessen such ich nun, Vergessen mit Geduld.
Da an den Säulen stand Brunhilde voller Stärke,
Aus ihren Augen da mit der Dämonen Werke
Das Feuer brannte heiß, sie hauchte Schlangengift,
Als Siegfried tot sie sah, wie uns belehrt die Schrift.
ZWEITE ELEGIE
Der Mägde stille Magd, getragen meine Mutter
Hat in die Kammer mich, ich liebte meinen Bruder,
Bis Gjuki mich verkauft für schnödes gelbes Gold,
Er gab dem Siegfried mich für großen Minnesold.
Und Siegfried größer war als Gjukis Söhne, Leser,
So wie der hohe Lauch ist höher als die Gräser
Und wie der stolze Hirsch steht über dem Getier,
Wie weißes Gold ist mehr als graues Silber hier.
Doch meine Brüder mir hier nicht gelassen haben
Den besten Helden-Mann mit stolzen Geistesgaben,
Im Schlafe konnten nicht sie regeln ihren Streit,
Bis Siegfried sie zu letzt gemordet vor der Zeit.
Davon lief Grani da, das Ross, mit Donner-Füßen,
Doch Siegfried kam nicht mehr, ach wehe um den Süßen,
Der Sattelträger war bedeckt mit kaltem Schweiß,
Des Kriegers toten Leib zu tragen Grani weiß.
Und weinend sprach ich da mit Grani, mit dem Pferde,
Die Wangen tränennass, es tropfte auf die Erde.
Der Führer Grani ward zum Rasen da gebeugt,
Es wusste wohl das Pferd von Siegfrieds Tod und zeugt.
Ich wartete sehr lang und dachte in Gebeten,
Bis ich den König dann um Botschaft hab gebeten.
Da sprach mit Gunnar ich und klagte im Gemüt,
Da tief die Trauer war im adligen Geblüt.
Und Gunnar neigt den Kopf, doch Hogni hat gesprochen
Von meines Siegfried Tod, wie ward sein Leib gebrochen.
Es war ein Todeshieb, er war in unsrer Hand,
Der bösen Jägerin der Wolf gab ihn im Land.
Gen Süden ging der Weg, da sollst du Siegfried sehen,
Wo Raben schreien laut und krächzen schrill die Krähen,
Der Adler weint um Fraß, der auf die Beute sann,
Und Wölfe heulen laut zum Mond um deinen Mann.
Was lässt du, Hogni mich solch Horror hören heute,
Mich arme deutsche Frau, so gänzlich ohne Freude?
Die Raben werden noch zerreißen dir das Herz
Im unbekannten Land, das voll von Weh und Schmerz.
Nur wenig Worte sprach noch Hogni vor dem Schlummer,
Denn bitter war sein Herz von männlich-herbem Kummer:
O länger wird dein Schmerz, o blonde Gudrun sein,
Wenn erst der Rabe mir zerreißt das Herz voll Pein.
Von dem, der dieses sprach, hab ich mich abgewendet,
Im Wald zu finden doch, was da der Wolf gespendet,
Ich hatte Tränen nicht, noch schlug ich mir die Brust,
Wie Klageweiber war ich trauernd unbewusst.
Wenn ich bei Siegfried, dem Getöteten, gesessen,
Nie war es schwärzer je, da ich von Nacht besessen,
Als ich in Trauer saß um Siegfried ungeschont,
Voll Jammer da der Wolf, er heulte an den Mond.
Das Beste in der Welt, so schien es meiner Ehre,
Wenn ich mein Leben nun verlöre, tot nun wäre,
Wer möchte denn schon hier geknickt sehn seinen Stolz,
So wie der Blitz verbrennt der Schleierbirke Holz.
Vom hohen Berge sah fünf Tage man mich gehen,
Bis hier in Hoalfs Saal man konnte Gudrun sehen,
Für sieben Jahre blieb bei Thora ich, und stark
War Hokons Tochter, war daheim in Dänemark.
Mit Gold zu schmücken sie, das macht mir große Freude,
Da waren Schwäne schwarz vorm südlichen Gebäude,
Und auf dem Teppich sah man Helden voller Brunst
Und Heldenepen, schön gewirkt mit großer Kunst.
Bewaffnet Kämpfer da und wie die Blitze Speere,
Und Ruder-Mengen da, Schwert-Mengen, Königsheere.
Und Vater Siegmunds Schiff stolz durch die Meere fuhr,
Der Schnabel bunt und Gold die Gallionsfigur.
Die Krieger sind an Bord, die Helden, nimmermüden,
Und Sigar, Siggeir, sie fuhren in den Süden,
Und Kriemhild fragte da, der Goten Königin,
Ob gerne würde ich ihr sagen, wer ich bin.
Die Hand warf sie beiseit und rief nach ihren Sprossen,
Die Söhne fragte sie, entschieden und entschlossen,
Wer für die Schwester gern was täte, für den Sohn,
Der Frau vergelte für den Tod des Gatten schon.
Bereit war Gunnar da, vom gelben Gold zu geben,
Zu trösten so ihr Weh, und Hogni wollt es eben,
Dan wollten gehen sie, die Männer Goldes wert,
Den wagen spannten an und sattelten das Pferd.
Das Pferd sie ritten Schnell, hoch flogen stolze Falken,
Man zielte mit dem Pfeil auf einen Eiben-Balken,
Der Dänen König war gekommen, Valdar reif
Mit Eymoth, Jariskar, als drittem Jarisleif.
Wie Fürsten kamen sie, wie Prinzen kamen alle,
Die Langbart-Männer in Rot-Mänteln in die Halle,
Die roten Mäntel kurz, die Helme mächtig, traun,
Am Gürtel Schwerter scharf, die Haare lang und braun.
Bereit war jeder da, zu geben mir Geschenke
Und Rede gütig und den Ohren Schmuckgehänge,
Und für den Kummer Trost, den armen Siegfrieds-Braut,
Ich aber habe doch den Fürsten nicht vertraut.
Und so war Kriemhilds Plan in ihrer kalten Kammer:
Gib mir zu trinken Eis und Bitterkeit und Jammer,
Es mischte sie hinein die irdische Magie,
Des Meeres Eis und Blut von Schweinen mischte sie.
Im Becher jede Art von Runen, böse Flüche,
Ich konnte lesen nicht die Schrift der Hexen-Küche,
Da war ein Heide-Fisch, kam aus dem Haddings-Land,
Ein abgeschnittnes Ohr und Menschenkot man fand.
Viel Übel wurden da gebraut mit bittren Bieren
Und Tannenblütenöl und das Gekrös von Tieren
Und Eicheln, Schweinemast und Tieres Eingeweid
Und Schweineleber, zu zerstreun die Traurigkeit.
Doch ich vergaß den Plan, den sie gezeigt mir haben
Von meines Mannes Tod, so krächzten schwarze Raben,
Auf Knien die Könige sie knieten, Mann für Mann,
Eh dann der Männer Chor zu sprechen so begann:
O Gudrun, Gudrun, Gold ich geb dir aus der Ader,
Ich geb den Reichtum dir, den einst besaß dein Vater,
Und Ringe seien dein und König Hlothvers Stadt
Und Mäntel, die einst der Monarch getragen hat.
Und Hunnen-Frauen dir und Männer dir zur Beute
Und überreichlich Gold, das ist der Menschen Freude,
Und Buthlis Reichtum dir und Edelsteine blau,
Die goldgeschmückte Frau, bist du erst Atlis Frau.
Und Gudrun sprach: Ich will jetzt keinen Mann mehr haben,
Brunhildes Bruder nicht zum Gatten, diesen Knaben,
Denn es geziemt mir nicht, mit Buthlis Sohn allein
Zu zeugen Erben und voll Eheglück zu sein.
Kriemhilde sagte: Nicht sollst du nach Männern trachten,
Zu rächen all das Weh, das wir dir machten,
Nein, glücklich sollst du sein, als ob sie lebten noch,
Siegmund und Siegfried, du sollst Kinder tragen doch.
Und Gudrun sprach: Ich kann von keiner Freude melden
Und habe Hoffnung nicht auf Rächer, Männer, Helden,
Der Rabe hat ja schon, der Wolf ja schon zerfetzt
Den liebsten Siegfried mein und ihn zu Tod verletzt.
Kriemhilde sagte: Hoch geboren ist der Ritter,
Den ich dir auserwählt, und er ist süß, nicht bitter,
Ihn sollst du haben, wenn du leben willst, im Schoß,
Und wenn du nicht ihn willst, dann bleibe ehelos.
Und Gudrun sprach: Nicht schnell mich schick mit kaltem Hasse
Als eine Braut und Frau zu der verfluchten Rasse,
Auf Gunnar soll zuerst Zorn regnen unbewusst,
Das Herz wird reißen er dem Hogni aus der Brust!
Kriemhilde weinend da vernahm die bittren Worte,
Das Schicksal weisgesagt den Söhnen schlimmer Sorte,
Und übergroßes Weh und weher Seufzerhauch.
Das Land ich gebe dir, die Landbewohner auch.
Und Vinbjorg werde dein und Valbjorg sei das deine,
Das sei für immer dein, doch höre, Tochter meine.
Das also muss ich tun, ich steh in strengem Bann,
Muss den Verwandten noch mir frein zum Ehemann.
Nie mehr mit meinem Mann Lust haben, wie wir hatten,
Und meiner Söhne Los und Schicksal sind die Schatten,
Ich konnte ruhen nicht, bis ich das Mark geraubt
Der fetten Krieger und der schlimmen Schlachten Haupt.
Erhaben auf dem Pferd war jeder von den Helden,
Und fremde Frauen auch auf Wagen, wie zu melden,
Und eine Woche lang in kalte Länder wir
Gegangen sind voll Schmerz und tranken kaltes Bier.
Die zweite Woche wir die hohen Wellen schlugen,
Die dritte Woche uns durch trockne Länder trugen,
Die Wärter stand auf den hohen Mauern hier,
Sie öffneten das Tor, ins Innre ritten wir.
Und Atli weckte mich mit bittern Küssen, herben,
Ich war voll Bitterkeit um meiner Brüder Sterben,
Und große Nacht in mir und nirgends Morgenrot,
Weil meine Lieben, ach, sie waren alle tot!
Und Atli sprach: Vom Schlaf die Norris mich erweckten,
Mit schrecklicher Vision mich böse Geister neckten,
Mich dünkt, o Gudrun du, du ähnelst einem Molch,
Du willst ermorden mich mit Frauengift und Dolch.
Und Gudrun sagte: Glut ein Traum, der Dolch soll folgen,
Und eines Weibes Zorn wie schwarze Wetterwolken.
Unheilbar brenn ich ein die schwersten Wunden dir
Und werden heilen dich, verhasst bist du zwar mir.
Und Atli sagte: Grün von Pflanzen will ich fassen,
Den Stängel würde ich zur Höhe wachsen lassen,
Gerupft von Wurzeln, rot von Blut, des Dolches Stahl,
Du brachtest sie mir her zum letzten Abendmahl.
Vom Falken träumte ich, von meiner Hand geflogen,
Zum bösen Haus kam ich, von meinem Durst betrogen,
Von Hunger und von Durst, da speiste ich dein Herz,
Es war wie Honig süß, getränkt in Blut und Schmerz.
Ich träumte von dem Hund, der durch den Garten eilte,
Vor Hunger und vor Schmerz der schwarze Rüde heulte.
Des Hundes Fleisch, mich dünkt, ist jetzt des Geiers Fraß,
Und essen muss ich ihn, der mir zu Füßen saß.
Sprach Gudrun: Männer nun, sie werden Opfer bringen,
Und Tiere opfern sie und schrecklich dazu singen,
Was da geopfert wird, eh kommt der neue Tag,
Des Volkes Opfermahl, das bitter ich beklag.
Und Atli sprach: Aufs Bett ich sank und suchte Schlummer,
Denn ich erinnre mich, wie müd ich war vom Kummer,
Vergessen suchte ich und Trost im tiefen Schlaf,
Von all der bösen Qual, die mich im Leben traf.
DRITTE ELEGIE
Gudrun:
Was ist dein Kummer, Sohn von Buthli, voller Gnaden,
Warum nur lachst du nie? So schwer dein Herz beladen?
Dem Krieger es geziemt, mit andern Menschen schön
Zu sprechen und dazu die Frauen anzusehn.
Atli:
Ach Ruhelosigkeit, o Gudrun, seit es tagte,
Was Herkja in dem Haus und in der Halle sagte,
Dass du im Bette liegst, mit Thiothrek darin,
Dort unterm Leinentuch als die Liebhaberin.
Gudrun:
Das soll mit einem Eid ich jetzt vor dir beschwören,
Beim Heiligtum aus Stein soll ich es schwören,
Das nichts gewesen ist im Bett mit Thjothmaars Sohn,
Der Mann und auch die Frau, sie wissen nichts davon.
Umarmte immer doch der Brüste Paar, das schwere,
Der tapfre Held und Mann, der Führer eurer Heere,
In andrer Weise war das Treffen unter uns,
Wenn ich vom Kummer sprach mit Seufzen meines Munds.
Mit dreißig Kriegern kam er, Liebster aller Lieben,
Mit einigen der Schar ist er dann da geblieben,
Du aber tötetest die Brüder mir, den Mann,
Und hast ermordet mir die ganze Rasse dann.
Und Gunnar kommt nicht her, ich will nicht Hogni grüßen,
Nicht meine Brüder seh ich mehr zu meinen Füßen,
Mein Kummer räche sich an Hogni mit dem Schwert,
Für meinen Kummer ich nun ernte meinen Wert.
Und Summon Saxi ist der Herr in Südlands Fessel,
Sein Knochen heilige im Heiligtum den Kessel,
Und siebenhundert sind im Haus, wie man sie braucht,
Eh dann die Königin hinein das Händchen taucht.
Und sie erreicht den Grund mit ihren weißen Händen,
Bringt Steine schön hervor, wie sie nicht andre fänden.
Schaut, Krieger, ich bin frei von aller Sündenschuld,
Des Kessels Knochen mir gewährte Gottes Huld.
Da aber Atlis Herz im höchsten Glücke lachte,
Als Gudruns Hand er sah so weiß, was ihn entfachte,
Zum Kessel Herkja kommt, um zu versuchen sie,
Für Gudrun plante sie nur Schmerz voll Perfidie.
Nie sah bisher ein Mann so einen Anblick traurig,
Wie Herkjas Hand verbrannt, sie weinte tränenschaurig,
Sie schleuderten die Magd hinab in Sumpf und Moor,
Und Gudrun war gerächt, war schuldlos wie zuvor.