EDMUND SPENSER

 

deutsch von Torsten Schwanke


Aus: AMORETTI

1

Froh seid ihr Blätter, wenn die Lilienhand,

Die voller Todesmacht mein Leben hat,

Euch hält in fester Liebe sanftem Band:

Gefangne zitternd, wenn der Sieger naht.

Froh bist du Vers, auf den mit Sternenkerzen

Manchmal sehr gnädig schaun die Augenleuchten

Und lesen, wie mir meine Sinne fleuchten,

Die Tränenschrift im blutigroten Herzen.

Froh seid ihr Reime aus der Musenquelle

Des Helikon, von wo die Muse stammt,

Wenn ihr bewahrt des Engels Augenhelle:

Mein Himmelsbrot, mein Glücksstern, der mir flammt.

Blatt, Vers und Reim, seid Ihr allein genehm!

Gefallt ihr Ihr,- frag ich nach irgendwem?

2

Unruhiger Gedanke, den ich dacht,

Gedanke innern Schmerzes, Herzenspein:

Genährt mit Seufzern und mit Sorgenmacht,

Du solltest größer als mein Fühlen sein.

Komm groß hervor aus meinen Eingeweiden,

Wo du gelegen bist wie Viperschlangen,

Und Zucker such, zu lindern meine Leiden,

Daß du genährt in Größe mögest prangen.

Komm in der schönen Stolzen Gegenwart

Und fall zu Ihren Füßen nieder grade.

Mit Demut vor dem Herzen, welches hart,

Erfleh Vergebung und für mich viel Gnade.

Wenn Sie’s gewährt, dann leb und liebe froh;

Wenn nicht, dann laß mich sterben, ach und oh!

3

Die Schönheitskönigin, die ich bewunder,

Von aller Weisheit hochgelobt zu werden,

Sie führt mein Seelenlicht (des Himmels Zunder)

Herauf aus aller Niedrigkeit der Erden.

Und mein Gemüt, von Ihrem Licht geblendet,

Mag nicht mehr schauen Niedres mannigfalt.

Sie schauend, steh erstaunt ich, zugewendet

Der Wundersicht so himmlischer Gestalt.

Wenn meine Zunge Ihren Lobpreis singt,

Gedanken der Verwundrung ihn durchziehn.

Wenn Ihr zu Lob und Ruhm mein Pinsel schwingt,

Dann aufgewühlt von Wunderphantasien.

Im Herzen aber spricht und schreibt der Mann

Das Wunder, das sein Herz nicht sagen kann.

4

Ein neues Jahr kommt aus der Janus-Pforte,

Das Hoffnung auf ein neues Glück verheißt.

Adieu dem alten Jahr! Die alten Worte,

Sie sollen sterben mit dem dumpfen Geist.

Hervor aus Todeswinters trüber Nacht,

Amor! der lange schlief im Unglückshaine.

Ich wecke ihn und will bald spüren seine

Lustvollen Schwingen, Todespfeilemacht.

Der frohe Lenz in seiner frühsten Stund

Hat ihn empfangen und hat schon bewogen

Die Erde, sich zu hülln in Blumen bunt,

Die ihren schönsten Mantel angezogen.

Du, frische Blume in der Jugend Flor,

Bereite Dich auf neue Liebe vor!

5

Du irrst in meines Herzens Ungestüm,

Daß mein Gemüt an Ihrem Stolze leidet.

Was ich am meisten an der Schönen rühm,

Wird von der Narrenwelt zumeist beneidet.

Denn Ihre lieben Locken lieblich decken

Verachtung alles Niedern, Ehrelosen.

Und Augen, welche auf Sie starrn, erschrecken

Und wagen nimmer, anschaund Sie zu kosen.

Solch Stolz ist Lob und solche Würde Ehre,

Die tapfre Unschuld in den Augen trägt.

Ihr Aussehn ist ein Banner vor dem Heere,

Das in Verteidigung die Feinde schlägt.

Geprüft ward würdig nie in dieser Welt

Ein Wesen ohne Stolz, der sich gefällt.

6

Enttäuscht sei nimmer, daß Ihr Geist bewußt

Beharrt auf der rebellisch-stolzen Art.

Denn solche Liebe mag nicht niedre Lust:

Gewonnen schwer - und so vertraut bewahrt.

Die starre Eiche, ist ihr Laub noch feucht,

Steht lang, bis sie erreichen Feuerzungen,

Doch wenn sie brennt, wird sie geteilt, mich däucht,

Und Flammen haben sich ins All geschwungen.

So schwer ists, zu entzünden neue Lust,

Die bleiben soll, in einer lieben Brust.

Tief ist die Wunde, welche schlug der Bann

Der Keuschheit, die der Tod nur heilen kann.

Dann denk nicht lang, an kleinen Leiden voll;

Den Knoten knot, der immer bleiben soll.

7

Ihr Augen, Spiegel meines Herzensfließen,

Zu welcher Wundertugend könnt ihr taugen!

Ich seh euch Tod und Liebesleben schießen

In das Objekt der machtgefüllten Augen.

Denn wenn der milde Liebesblick entzückt,

Durch meine Seele Lieb und Leben jagen.

Wenn ihr euch niederschlagt und schräge blickt,

Dann sterbe ich so wie vom Blitz erschlagen.

Da ich das Leben mehr als Tod begehre,

Schaut immer lieblich, denn das steht euch gut,

Daß Strahlen, die ich mit den Augen ehre,

In meiner Brust entzünden Feuersglut.

Solch Leben wäre Ruhm der lichten Kreise,

Solch Tod der Vollmacht traurige Beweise.

8

Du Schönste, voller Lebensfeuerpracht,

Gezündet neben deinem Schöpfer an -

Nicht Augen, sondern Wonnen voller Macht,

Die nicht zur Welt gerechnet werden kann.

Durch eure Strahlen schießt nicht Amors Scherz

Die Pfeile in ein niedres Herz, ein wundes;

Doch Engel führn Labile ruhewärts

In keuschen Lüsten eines Gnadenbundes.

Ihr formt mein Denken und gestaltet es,

Stoppt meine Zunge, lehrt mich sprechen, ach,

Stillt lindern all mein Leidenschaftliches:

Durch euch sehr stark, durch eure Tugend schwach.

Nach tist, wo nie scheint eures Lichtes Art,

Und glücklich der, der immer euch bewahrt.

9

Lang suchte ich, mit was ich könnt vergleichen

Die Augen, die mir meinen Geist erleuchten,

Doch konnte nichts auf Erden sie erreichen,

Die Bilder Ihrer gütevollen Leuchten:

Nicht Sonne, denn sie scheinen in der Nacht;

Nicht Mond, denn sie sind nicht veränderlich;

Nicht Sterne, denn sie sind von reinrer Pracht;

Nicht Feuer, weil sie nicht verzehren mich;

Nicht Blitze, sie sind keine Todesschauer;

Nicht Diamant, der keine Zartheit kennt;

Nicht Glas, so Niedres wär beleidigend;

Und nicht Kristall, denn sie sind nicht von Dauer.

Am ähnlichsten dem Schöpfer, dessen Licht

Erleuchtet alles in des Menschen Sicht.

10

Du schrecklicher Amor, was für Gesetze

Sinds, daß du mich zerreißt so fürchterlich?

Sie wird gefürstet in des Glückes Schätze,

Im Willen frei, zerreißend mich und dich!

Tyrannin, freust Du Dich, zu sehn an mir

Die grausamsten Massaker, da Du grimmst?

Amor, Sie bringt Gefangene zu dir,

Daß du an ihnen harte Rache nimmst!

Beweg ihr stoles Herz und ihre Blicke,

Womit sie kontrolliert den Stolz der Welt

(Verschworen aller Niedrigkeit und Tücke).

Schreib in dein schwarzes Buch, worin Sie fehlt.

Daß ich mich lachend möge an Ihr weiden,

So wie Sie lacht und freut sich meiner Leiden.

11

O täglich, wenn ich such und seufz nach Frieden

Und Geisel biete für der Wahrheit Sieg,

Die Kriegerin, Sie wendet sich hienieden

Zu Schlachten und erneuert unsern Krieg.

Vernunft und Reue kann Sie nicht bewegen,

Ruhe dem Ruhelosesten zu geben.

In lauter Schrecken sucht Sie allerwegen,

Erbärmlich mir zu machen dies mein Leben.

Mein armes Leben, voll von Leidensdingen,

Würd opfern ich, um Gnade zu erwerben.

Dann aber will sie mit Gewalt mich zwingen

Zu leben, wehe, Sie läßt mich nicht sterben!

Auf Leid folgt Trost, auf Krieg des Friedens Sieg;

Doch kein Gebet hilft meinem Leid und Krieg.

12

Einst fragt ich Ihre herzaufwühlenden Blicke,

Ob sie mir einen Waffenstillstand schließen,

Daß ich nicht länger bange vor der Tücke

Der Feinde, welche wie Verräter schießen.

Und als ich dann entwaffnet überblieb,

Ein Hinterhalt, der lang verborgen lag

Im heimlichen Versteck der Augen lieb,

Vorbrechend hat mich überwältigt, ach!

Zu schwach war ich, so schwere Last zu tragen.

Ausliefern mußte ich mich Ihrer Hand,

Die mich gefangennahm, nicht auszusagen,

Der ich mich stets seither gefangen fand.

Madonna, also klag ich Dir mein Leid

Und fleh dein Aug an um Gerechtigkeit!

13

In jenen Pforten, die so herrlich tagen,

Dieweil Sie Ihr Gesicht zum Himmel hebt

Und läßt die weichen Lider niederschlagen,

Das gute Temprament der Lady lebt.

Demut sehr mild, gemischt mit Majestät,

Zur Erde schauend, wo Sie ward geboren,

Ihr Geist gedenkt daran, daß Sie vergeht,

Was so schön ist, das geht im Staub verloren.

Die herrliche Erscheinung scheint geboren,

Daß Sie zum Herrn im Himmel steigen kann -

Und schlägt die Erd als übel und verloren,

Die himmlische Gedanken wehrt mit Schlamm.

Noch sagt Sie, daß Sie auf mich schauen wird;

Und die Bescheidenheit Sie lieblich ziert.

14

Komm wieder, meine sehr zerstörte Kraft,

Verlassene, aus der Belagerung.

Schande, zu fliehn so ängstlich ohne Kraft

Zur Ruhe, wegen leichter Ablehnung.

Mehr Macht braucht es bei solcher Burg zum Sieg

(Für schwache Forts ist schwache Kraft genug).

Es weigert sich Ihr Geist im schweren Krieg,

Sich auszuliefern schwächlichem Versuch.

Bring alle Kräfte, die du hast, und neue!

Und schlag dich unaufhörlich um Ihr Herz!

Gebete, Schwüre, Kummer, Tränen, Reue -

Die Stolzeste bezwingt dies Waffenerz.

Wenn sie versagen, fall und stirb im Heere;

So sterbend leb, und lebend Sie verehre!

15

Ihr Händler, die ihr mit viel eitlem Tand

Sucht edle Schätze euch zu eigen machen

(Mit euren Stoffen füllt der Inder Land),

Was sucht ihr fern vergebens Edelsachen?

O meine Liebe hat (und sie sind Ihre)

Reichtümer viel, dem fernsten Land verliehne:

Saphire? Ihre Augen sind Saphire!

Rubine? Ihre Lippen sind Rubine!

Und Perlen? Rein und rund sind Ihre Zähne!

Und Elfenbein? Die Stirn ist so gezimmert!

Und Gold? Ist gold doch Ihre Lockensträhne!

Und Silber? Da Ihr Händchen doch so schimmert!

Das Schönste, was nur wenige ersehen:

Ich sehe Ihren Geist mit Tugend gehen.

16

Und eines Tages, als ich achtlos starrte

Auf Ihre Augen voll Unsterblichkeit,

Im Staunen mir mein hartes Herz verharrte,

Durch süße Illusion des Blicks erfreut.

Ich schaute, wie in ihnen lichtdurchschwommen

Viel Amoretten schmalgeflügelt eilen

Und zielen mit des Todes Feuerpfeilen

Auf alle jene, die vorüberkommen.

Und jeden Bogenschützen sah ich an,

Den Bogen richtend auf mein Herz, dieweil

Jäh Sie mit einem Augenzwinkern kann

Zerbrechen jeden irrgeführten Pfeil.

Wärs anders, wäre ich getroffen; so

Jedoch mein Herz mit wehen Schmerzen floh.

17

Das herrliche Portrait des Engels macht

Konfus der schwachen Männer Sinn und Wille.

Zu heben dieser Welt wertlose Pracht -

Könnte ein Pinsel preisen Ihre Fülle?

Wenn er auch bunte Farben mischen könnte,

Die Hand voll Wonne leitend, zitternd sehr

Sie seine Meisterschaft ihm überwände,

Denn da sind wunderbare Dinge mehr.

Den süßen Blicken so wie Pfeilen sollts

Gelingen, meinem Herz den Sinn zu rauben,

Und ihrem Lächeln. Und den schönen Stolz,

Den kann kein Künstler auszusagen glauben.

Es bräuchte dazu einen größern Meister,

Der preisen könnt der Dinge Lebensgeister.

18

Du rundes Rad, dich oftmals kreisend dreh:

Der Stahl der Dauer dennoch bleibt verschrieben.

So sehr der Tropfen nur auch tröpfelte,

Der feste Stein ist dauerhaft geblieben.

Kann ich mit Drängen und mit wehen Tränen

Erweichen nicht Ihr hartes Herz von Erz?

O daß Sie eines Tags erfüllt mein Sehnen

Und schaute voller Gnade auf mein Herz!

Doch wenn ich bitt - verweigert Sie die Gunst;

Und wenn ich wein - Tränen sind Wasser, sagt Sie;

Und wenn ich seufz - sagt Sie: Ich kenn die Kunst;

Und wenn ich schrei und wehe klage - lacht Sie.

So bitt, wein, seufz und schreie ich vergebens.

Gleich Stein und Stahl die Härte ihres Lebens.

19

Der Kuckuck, Frühlingsbote, fröhlich prangt,

Seine Trompete dreimal hat getönt,

Warnt alle Liebenden, den Herrn empfangt,

Der König mit Girlanden kommt gekrönt.

Sehr lieblich junge Vogelchöre schallen,

Die Themen wundersüßer Liebe preisen,

Daß alle Wälder dunkel widerhallen,

Den Inhalt kennend jener Liebesweisen.

Bei allen, welche Amor Preis entboten,

Von meiner Dame ward kein Wort gehört.

Stolz folgte Sie nicht Amors Machtgeboten,

Hat seine eitle Botschaft stolz zerstört.

Drum, Amor, bis Sie sich nicht zu dir wendet,

Laß Sie Rebellin sein, bis daß der Kuckuck endet.

20

Vergebens fleh ich, bitte Sie um Gnade

Und schütte aus vor Ihr mein armes Herz.

Sie setzt den Fuß auf meinen Nacken grade

Und wird mein armes Leben bodenwärts.

Der Löwe, Herrscher kraftvoll-mächtig,

Regierend über jedes Tier der Flur,

In seinem Stolze schaut zutiefst verächtlich

Auf (die ihm ja gehört) die Lammsnatur.

Grausamer Sie und wilder in der Wut

Als jemals Löwe oder Löwin war,

Mag sein befleckt von sündenlosem Blut,

Die Grausamkeit ist Ihre Ehre gar.

Schönste der Schönen, keinen laß je sagen,

Daß Blut befleckt Dich dessen, der geschlagen.

21

Was ist Natur, was Kunst, das ward zuteil

Dem wunderschönen Aussehn des Gesichtes?

Milde und Stolz gemischt zu gleichem Teil,

Um zu lobpreisen Ihrer Schönheit Lichtes.

Mit milder Freundlichkeit, nicht auszusagen,

Zu Ihrer Liebe Sie die Blicke lockt;

Mit ernstem stolzem Aug zurückzuschlagen

Den Blick, die Sie unreiner Lüste schockt.

Mit solchem fremden Aussehn kann Ihr Auge

Mich ganz zerstören all mein Leben lang.

Ihr sanftes Lächeln mir zur Heilung tauge,

Doch Ihr Stirnrunzeln macht mich fliehen bang.

Und so erzieht Sie mich mit Ihren Blicken.

Und solche Kunst sah nie ich Dichtern glücken.

HYMNE AN DIE HIMMLISCHE SCHÖNHEIT

Von den verzücktesten Gedanken angetrieben,

Durch eine gute Schau, Kontemplationen

Des Bildes sinnend, das im Himmel angeschrieben

Und deren Wunderschönheit atmet süße Wonnen

Und lässet Liebe in den edlen Geistern wohnen -

Wag ich zu singen Dinge, die ich dort gewahrt,

Ist auch zu schwach mein Geist, zu matt auch meine Art.

So komme denn, o höchster, allmächtiger Geist,

Von dem der Weisheit und Erkenntnis Gaben kommen,

Zu füllen meine Brust mit Deinem Licht, das weist

Mir Deine Wahrheit, daß ich zeig den guten Frommen,

Sterblichen Augen drunten, Strahlen, welche glommen,

Ewiger Schönheit, die mit Dir geht Hand in Hand

Und die ich such mit arm verworrenem Verstand.

Daß mit der Glorie so guter hoher Weiten

Die armen Menschenherzen, welche hier verehren

Schönscheinendes und nähren sich von Eitelkeiten,

Sich wenden auf mit einem heiligem Begehren

Nach jenen schönen Formen, und daß sie sich kehren

Hinan und lernen lieben mit der Glut der Demut

Die ewge Quelle jener himmlisch-schönen Anmut.

Beginnend unten, mit der Seele schlichten Schau

Der niedern Welt, Subjekt den Fleischesaugen und

Von dort zu steigen wohlgeordnet in das Blau

Zur stillen Kontemplation des Äthers. In das Rund

Zu fliegen lernte ich vom Falken, welcher stund

Und flatterte mit seinen Flügeln ab und an,

Bis daß er größern Fluges Winde atmen kann.

Wer hört, der schau. Du nähre deiner Augen Wesen

Mit Anblick alles Schönen: schaue auf den Rahmen

Des weiten Universums, darin aufzulesen

Die vielen Kreaturen, welche all mit Namen

Zu zählen nicht und wie sie zur Erlösung kamen.

Sie alle sind gemacht mit herrlichem Respekt

Und mit bewundernswerter Schönheit all geschmückt.

Die Erd, auf adamantnen Säulen fest gefunden,

Umgürtet von des Meeres unendlichem Band;

Die Luft dann, fliegend, aber letzlich fest gebunden,

An jeder Seite einer Säule Feuerbrand,

Ein Feuer, nie gelöscht von eines Menschen Hand;

Zuletzt, der mächtig schimmernde kristallne Wall,

Womit umgeben ist das unendliche All.

All dies erschauend, scheint es mir ein wahrer Schein,

Daß es, je weiter etwas sich nur aufwärts wendet,

Der Erde ferner, destor klarer werd, mehr rein,

Mehr schön, bis es in Perfektion sich endet

Der reinsten Schönheit, die zuletzt sich selber spendet:

Luft reiner als das Wasser, als die Luft das Feuer,

Der Himmel schließlich reiner, schöner als das Feuer.

Schau weiter nicht, doch deiner Augen Schauen wend

Auf jene lichte Schar, die still die Nacht durchschifft,

Der Götter Häuser, Menschen nennens Firmament,

Durchsät mit Sternen, zahlreicher als Gras der Trift,

Und jeder jeden noch an Helle übertrifft;

Doch jene zwei am hellsten, Tag und Nacht regierend,

Als König und als Königin den Himmel zierend.

Und sag mir dann, ob je etwas zu sehen war,

Vergleichbar ihrer Schönheit, nimmer auszusagen?

Und konnte je ein Auge, noch so scharf und klar,

Des Firmamentes Meisters Flammenhaupt ertragen?

Wie soll man schauen, die um vieles höher ragen

Und die man lichter noch als jene beiden fand,

Als jene schöner sind als Meer und Erdenland?

Denn höher, über dieses Himmels Angebind,

Sind andre Himmel, diesen übertreffend, groß

Und nicht zerstörbar, wie die Firmamente sind,

An Höhe, Tiefe, Breite, Länge endelos,

In ewger Ruhe, unvernichtbar, makellos.

Sie brauchen Sonnen nicht, zu leuchten ihren Sphären,

Da sie in sich das eingeborne Licht verehren.

All diese Himmel, sie erheben sich in weisen

Ordnungen, bis zum heiligen Beweger dort,

Der sie umschließt mit Seinen ewgen Zirkelkreisen,

Der Er bewegt das Alles ringsum, Ort an Ort;

Und jene Himmel werden schöner fort und fort,

Bis sie zuletzt erreichen, wohin alle streben,

Der Himmel Himmel, der da ist der Schönheit Leben.

Schön ist der Himmel, wo die frohen Seelen sind

Im herrlichen Genießen der Glückseligkeit,

Wo alle schaun das gloriose Antlitz lind

Der göttlich-schönen Majestät der Ewigkeit;

Schön ist der Himmel, wo Ideen der Höhe weit

Hinauf rangieren, welche Platon so bestaunt,

Und reine Intelligenzen, welche Gott geraunt.

Noch schöner ist der Himmel droben, wo regieren

Die souveränen Mächte und die Potentaten,

Die hohen Protektoren, welche inspirieren

Die Erdenfürsten der imperialen Staaten;

Und schöner noch der Himmel, wo die ewgen Taten

Die Dominationen tun in Ewigkeit,

Von denen abstammt alle Erdenobrigkeit.

Noch weitaus schöner sind die lichten Cherubim,

Gehüllt und überdeckt mit goldnen Schwingen dicht,

Und jene ewig flammendsprühnden Seraphim,

Die von den Angesichtern pfeilen Strahlenlicht;

Und schöner noch und lichter für der Augen Sicht

Die Engel und Erzengel, die mit heilgen Händen

Gott dienen vor dem Throne, ohne je zu enden.

Daß die an Schönheit alle andern überragen,

Das ist, weil sie dem Heilgsten so nahe seind.

Der Heiligste jedoch - das kann man nimmer sagen,

Ist vielmals schöner noch als alles, was erscheint,

Und wären alle ihre Schönheiten vereint:

Wie kann man hoffen auszudrücken, was so weit

Und fern ist und das Inbild der Vollkommenheit?

Still drum, o meine Zunge, und gib meinem Sinn

Zu denken Zeit, wie jene Schönheit schön ist, weil

Ich schon vom Äußeren so sehr begeistert bin,

Um wieviel mehr von seinem innerlichen Teil:

Von Wahrheit, Liebe, Weisheit, Seligkeit und Heil,

Barmherzigkeit und Gnade, und vom Geist, der liebt,

Durch den Er uns Sein Bild in unsre Herzen gibt.

Derart entfaltet Er sich täglich allen Wesen

Und zeigt Sich uns in Seiner Gnade, einem puren

Und ungetrübten Spiegel, darin ist zu lesen

Er Selbst von allen Seinen niedern Kreaturen,

Die sonst nicht fähig, Seines Angesichtes Spuren

Zu schauen, Seines Angesichtes lichtes Brennen,

Das selbst die Engel nie zu schaun ertragen können.

Wir aber, deren Auge kann ertragen nicht

Die Sonnenstrahlen, wenn sie glühend uns bescheinen,

Wenn spitze Feuerpfeile sendet aus das Licht,

Wie können wir mit schwachem Aug zu schauen meinen

Die gloriose Majestät, den lichten Einen?

Mit Ihm verglichen Sonn und Mond sind finster ganz,

Verglichen noch mit Seinem schwächsten Strahlenglanz.

Das Wesen dessen, was Er Selber uns vermacht,

Ihn zu erkennen, das ist, auf Sein Werk zu schauen,

Das Er in exzellenter Schönheit hat gemacht,

Als wie in einem ewgen Buche voll Vertrauen

Zu lesen, ja in jedem Winkel unterm blauen

Zelt Seiner Güte, Seines Wesens Schönheit kündend -

Denn alle Güte ist in wahre Schönheit mündend.

Nun auf zu heilig-hoher Spekulation,

Mit Schwingen weisen Geistes, deine Seele sendend,

Steig du hinauf durch heilge Kontemplation

Von dieser schwülen Welt, mit Nacht die Seele blendend,

Und - wie des Adlers Kinder sich zur Sonne wendend -

Richt auf die Gloriensonne deine Augen weit,

Geläutert von dem Nebel der Gebrechlichkeit.

Vor Ehrfurcht zitternd und vor Furcht - denn du bist Fleisch -

Wird nieder dich vorm Schemel Seiner Majestät

Mit Zagen bang um deiner Seele Unschuld keusch.

Und daß ihr nicht, ihr dreisten Augen, sündig seht

Zum Schreckensantlitz jener Gottheit, die da weht

Im Geist! Sei furchtsam, denn wenn schrecklich flammte

Sein Zorn, du würdest Nichts vor Dem, Der dich verdammte!

Du sinke nieder tief vor Seinem Gnadenthron

Und hüll dich in des Lammes reine Heiligkeit

Vor dem gerechten Zorne und vor Grimmes Drohn.

Er sitzet auf dem Throne der Gerechtigkeit,

Sein Thronstuhl ist gegründet auf der Ewigkeit,

Ist dauerhafter noch als Erz und Edelstahl

Und Diamant, der beide übertrifft zumal.

Sein Zepter ist Gerechtigkeit, des Zornes Rute,

Damit zerschmettert Er die Feinde, macht zunicht

Den Drachen, den besieget Er mit Lammes Blute

Und unterwirft ihn einem ewigen Gericht.

Sein Thron ist Wahrheit, Wahrheit ist der Frommen Licht.

Aus Wahrheit strömen schöne Strahlen makellos

Und fließet aus der Gottheit Leuchten glorios.

Ein Licht, das übermeistert jegliches Gefunkel,

Das funkelt von der Sonne hellem Feuerwesen,

Die doch erleuchtet mit den Strahlen alles Dunkel,

Das alle die Erscheinungen der Welt zu lesen.

Die Sonne ist doch stets so staunenswert gewesen,

Daß alle Sterblichen vor Reverenz erstarrten

Und alle Magier, die auf die Sonne starrten.

Das unsterbliche Licht, das scheint vom Ewgen her,

Ist klarer, lichter tausendmal in seinem Scheinen,

Vornehmer, reiner, ehrenvoller, heiliger,

Durch welches Gott der Menschen menschlich-eitles Meinen

Und alle Taten aller Menschen gleich erscheinen:

Ist lichter, weil es aus der ewgen Wahrheit lichtet,

Durch reine Tugend, welche seine Strahlen züchtet.

Mit Herrlichkeit von jenem wundervollen Licht

Ist rings des Ewgen weißer Herrscherthron umgeben.

Verborgen ist sein lichtes Glänzen vor der Sicht

Derjenigen, die sündig ihre Augen heben.

Und zu des Thrones Füßen Feuerstürme beben

Und Schreckensblitze und wie Meere Donnerstimmen:

Die Instrumente Seines zornigen Ergrimmens.

In Seinem Herzen sitzt die Sapientia,

Der Gottheit souveräne Lieblingin allein,

Wie eine Königin in Roben, passend ja

Zu solcher Macht und Majestät in Ihrem Sein.

Und all geziert mit Gemme und mit Edelstein,

Die heller noch erscheinen als der Sterne Kranz

Und machen lichter Ihren angebornen Glanz.

Auf Ihrem Haupte eine Krone ganz von Gold

Als Zeichen allerhöchster Souveränität,

Ein Zepter hält sie in den heilgen Händen hold,

Regiert damit das hohe Haus der Majestät

Und waltet in dem Himmel, der sich ewig dreht,

Und unterm Himmel die geschaffne Kreatur

Beherrscht Sie mit der herrscherlichen Macht ganz pur.

Der Himmel und die Erde folgen Ihrem Willen

Und alle Kreaturen, die da welken, die da sprießen:

An Ihrer Fülle, die man sieht die Welt erfüllen,

Nimmt alles teil, und alle bleiben sie in diesem

Stand, den der große Schöpfer ihnen zugewiesen,

Nachfolgend Ihrem hohen Sinn und Ihrem Walten,

Durch den geschaffen alle und sich auch erhalten.

O, Ihre reine Schönheit ist nicht auszusagen,

An Sie reicht keine Tochter eines Weibes nicht,

Auch schöne Engel nicht an Ihre Schönheit ragen,

Die träufelte auf Sie von Gottes Angesicht

Und wird erhalten durch die eigne Holdheit schlicht,

Die weit ist über menschlichen Verstand. Auf Erden

Kann nichts, nichts Ihrer Grazie verglichen werden.

Nicht kann der Maler, wenn auch höchsten Lobes wert,

Der Venus malte mit geschicktem Farbensaft,

Daß alle Nachwelt es bewundert und verehrt,

Die Heilge porträtiern, trotz seiner Meisterschaft;

Noch Venus selber, hätte sie auch Lebenskraft

Und wäre sie so schön, wie eitle Künstler wähnen,

Könnt nahekommen dieser souveränen Schönen.

Und hätten jene Dichter, ihrer Tage Staunen,

Hätte der liebliche Poet, der blütenfeine,

Der Venus pries mit seiner Liebeslieder Raunen,

Gesehen jene Heilgschöne, die ich meine,

Wie herrlich hätte er Ihr Angesicht alleine

Erhoben über das Idol der Eitelkeit,

Daß seine Verse Segen brächten alle Zeit.

Wie wag denn ich, Novize seiner Poesie,

Hier abzubilden so ein göttlichgleiches Wesen,

Und hoff zu sagen Ihre Perfektion, da Sie,

Da Ihre Schönheit füllt den Himmel auserlesen,

Die Erde dunkelt gar vom Schatten Ihres Wesens?

Ah liebe Muse, du bist viel zu schwach und matt,

Ihr himmlisches Porträt zu malen auf dies Blatt!

Laß Engel, die vor Ihrem Antlitz wandeln um

Und um und preisen Ihre Souveränität

Und jenes allerheiligste Mysterium

Der Liebe, Liebe hoher Himmelsmajestät,

Lobsingen! Mir genügts, das Himmlische bewundern

Und ruhn in Ihr und Ihren wundervollen Wundern.

Den halt ich für glückselig, den es darf beglücken,

Von allen Menschen den, den Gottes Gnadenlicht

Begnadet, Gottes Vielgeliebte zu erblicken!

Im selgen Schaun auf jenes Himmelsangesicht

Ist Glück und Freude, Glück und Wonne in der Sicht.

Und nichts wünscht jener mehr auf dieser Erde Bau,

Der O von Ihr gewonnen so erwünschte Schau!

Denn Sie aus Ihren tiefgeheimen goldnen Truhen

Der Schatzkammer läßt reiche Schätze gleiten,

Himmlische Schätze, die verborgen ruhen,

Aus Ihres keuschen Lustgartens Verschlossenheiten

Den ewgen Anteil ihm an Ihren Kostbarkeiten,

Die der allmächtge heilge Gott Ihr frei gegeben

Und allen jenen auch, die dessen würdig leben.

Nur die sind würdig, die Sie Selbst geweiht, durch Trauen,

Die Gegenwart der Heiligschönen zu gewahren,

Die Sie läßt in Ihr wundervolles Antlitz schauen,

Wodurch sie wundervolle Wonnelust erfahren

Und süßen Frieden. Diese alle aber waren

Zugleich des Sinns beraubt, da Glück sie neugebiert

Und Sie das Fleisch in Geist den Frommen transformiert.

Im Geiste sehen sie Bewundernswertes wieder

Und wieder, und Extasen jubeln vor der Schönen,

Und alle hören heiligschöne Jubellieder,

Lobpreisungen des Höchsten durch die Himmel tönen,

Und Freudigkeit und Wonne alle innen krönen,

Daß jeder jede Sorge dieser Welt vergißt

Und schaut allein auf das, was himmlisch-heilig ist.

Von nun an bleibt nicht mehr des Fleisches Sinn und Kraft,

Nicht nichtiges Gedenken an das Erdentun.

Was einstmals süß schien, scheint nun alles ekelhaft,

Was einst erfreute, das bereitet Schmerzen nun.

Das Glück, die Tröstung, alle Sehnsucht, alles Ruhn

Ist nun allein gerichtet auf die selge Schau,

Das Andre Schatten, Luftgespinst und flüchtger Tau.

Die Sinne überwältigt sind von solcher Fülle

Und ihre Augen von der Schau der Herrlichkeit,

Daß sie sich nicht mehr freuen an der Erdenhülle,

Ja nur noch an Aspekten dieser Seligkeit,

Gemalt aufs innre Aug, gewoben in das Kleid

Der Seele, die sich nährt von Schönheit. Allen preist

Vollkommne Seligkeit und ewge Ruh im Geist.

Ah, meine hungrige Seele, die sich lange nährte

An eitler Phantasie und törichtem Gezücht,

Die viele falsche Schönheiten umflatternd ehrte,

Nichtigen Schatten folgte, welche alle nicht

Geblieben, sondern alle flohen - nun bleibt schlicht

Nichts anderes als Reue deiner Torheit! Und

Sei einmal still, zu blicken auf des Grames Grund!

Und dann schau zu dem reinen Lichte hin,

Aus dessen Schimmer alle Schönheit sich ergießt,

Die zündet Liebe an in jedem reinen Sinn,

Die Liebe Gottes selbst! daß daraus Abscheu sprießt

Vorm Übel dieser bunten Welt, die bald zerfließt.

Von Sapientias süßen Wonnen so besessen,

Kann all dein Schweifen schließlich ruhen weltvergessen.




DIE TRÄNEN DER MUSEN

Gebt mir eure Gnade, ihr neun heiligen Schwestern,

Und erfüllt mir die Brust nun mit Apollo, dem Geist.

O diese kläglichen Lamentationen und traurigen Töne,

Die ihr spät in mich habt eingegossen als Flut,

Die ihr sitzt an der silbernen Quelle auf Helikons Hügel,

Macht nun eure Musik, Herzen zerreißend voll Weh!


Nämlich seit den Tagen, da Phöbus' törichter Knabe

Wurde geschmettert herab durch des Allmächtigen Zorn,

Weil er fuhr den strahlenden Wagen der göttlichen Sonne

Von dem Kompass fern seines berufenen Wegs,

Wurde er jammernd beklagt von seinen traurigen Schwestern,

Solche Melodie wurde sonst niemals gehört.


Auch hat die wunderschöne Calliope weiland verloren

Ihre Zwillinge, die waren ihr Wonne und Glück,

Ihre heiligen Sprösslinge, die die unfreundlichen Feinde,

Tödliche Schwestern der Nacht taten zerstören mit Macht,

Diese beklagen die heiligen Musen in endlosen Räumen.

Wer hat jemals gehört dieses Gejammer am Ort?


In den Grotten, die voll sind von himmlischem Rauschen,

Instrumente süß pflegen zu klingen sehr schön,

Und die heiligen Hügel, von denen die silbernen Stimmen

Stammen, verdoppeln dort Echo, die Nymphe, am Ort,

Diese haben sich jetzt zurückgezogen und schreien

Voller Reue und Buß, schreien zum Himmel hinan.


Zitternde Bäche, die in Kanälen erklingen, klingen in Klarheit

Und mit Murmeln sanft rollen sie hin durch ihr Bett,

Diese waren richtig gelehrt, melodisch zu tragen

Ihren gemeinen Teil unter Genossen dahin.

Jetzt aber muss ich überfließen von heulenden Tränen,

Mit unruhigem Lärm stört man mein feineres Ohr.


Und die fröhlichen Nymphen und leichtfüßigen Elfen,

Diese kamen herbei, hier zu vernehmen Musik,

Und sie wollten auch zu der Lieder melodischen Maßen

Regen die Füße flink im labyrinthischen Tanz.

Aber jetzt hören sie so schwer, so schwermütig Töne,

Schwermütig klagendes Lied, wie es die Muse diktiert.


Alles, was sonst geeignet war, um Freude zu stiften

Durch die Infusion ihrer Geschicklichkeit Glut,

Alles was sonst erschien als Schönheit und Frische der Jugend,

So gemacht von Natur, um ihren Willen zu tun,

Alles das wurde jetzt zu düsteren finsteren Schwärmen,

Ward zum schrecklichen Bild, Fratzen der Hässlichkeit nur.


Weh mir! Was für ein Ding der Erde und Rassen der Wesen

Könnte die Ursache sein all dieser rastlosen Pein?

Was für eine Wut, was für ein Verbrechen und Unglück

Hat auf Erden erweckt dieser Verzweifelung Qual?

Kann denn Trauer eintreten in die himmlischen Herzen,

Stirbt die unsterbliche Brust denn an dem sterblichen Schmerz?

Mache dich denn bereit, wenn es nur betrifft deine Seele,

Zeige dir Ursache mir dieser Geheimnisse doch.

Keiner als du, und wen du unterrichtest, o Muse,

Kann mit heiligem Recht rasend und wahnsinnig sein!

Drum beginne, du ältere Schwester der heiligen Gruppe,

Lass den Rest nur zurück, sprich du alleine zu mir.


CLIO


Höre, du ewiger himmlischer Vater der Götter und Menschen,

Den sehr fürchtet die Welt, dich und den donnernden Blitz,

Höre auch du, o Herr, der in Kastalien Herrscher,

Auf dem Berg Parnass, Gottheit der gnädigen Kunst,

Höret, o Götter, und seht den miserabelsten Zustand

Eurer Töchter, o Gott, welche ermangeln den Trost!

Siehe doch den üblen Vorwurf, die offene Schande,

Welche Tag für Tag zu uns gekommen, und sieh,

Wie wir Hass ernten für die Glorie unseres Namens,

Für die Bildung und für sanfte Gedanken im Geist.

Sie begnügen sich nicht damit, uns tief zu verachten,

Sondern sie wollen, dass wir abscheiden rasch aus der Welt.

Nicht nur jene, die wohnten drunten im niedrigen Staube,

Söhne der Finsternis, Söhne der Torheit sind sie,

Aber auch jene, die du, o großer Jove, gerichtet

Als der Schule voran, weltlicher Ehre voran,

Diese schlagen mit schrecklicher Unverschämtheit den Busen,

Sie vereiteln die Brut göttlicher Weisheit mit Macht.

Nein, die Sekten meiner Himmels-Gerechtigkeit sinds nicht,

Diese sind nicht das Haupt-Ornament unserer Welt,

Und gelehrte Schelme, die nicht immer noch schießen,

Wachsen zur Höhe hinan in der Regierung des Herrn,

Diese unterhalten sich, mit verbreitenden Waffen

Schlagen die Knospen sie, dass sie verwelken im Gram.

Es ist am besten doch die Rasse, die glorienreiche,

Mächtiger Gentlemen, Weisheit empfingen sie all,

Und mit ihrem edlen Angesicht sind sie voll Gnade

Weise Stützen der Welt, ohne Geschenke und Gunst,

Oder sie selber zu sein, das ists, was lieber sie lernen,

Was die Girlande der Nobilitäten der Welt.

Alle schätzen sie in höchsten Maßen, so wie es gefordert,

Von dem heiligen Geist Gaben der Weisheit und Kunst,

Und Gelehrter zu sein, das ist der Grund ihres Strebens,

Auf dem Fundament suchen sie Intelligenz.

Gott ist am Höchsten gepriesen für seine göttliche Weisheit

Und die Menschen in Gott sind mit der Weisheit begabt.

Aber die meisten bemühen sich nur, sich stolz zu erheben

Voll von Stolz und Pomp, törichter Eitelkeit voll,

In den Augen der Menschen suchen sie all ihren Beifall

Und der Waffen Ruhm und ihres Stammbaumes Ruhm.

Aber heroische Taten, die einst diese Waffen errungen,

Bei den Großvätern, das suchen sie nicht als ihr Ziel.

Aber ich, die ich alle edlen Heroen berühmt mach,

Dass sie im Buche stehn, rufts die Posaune von Gold,

Ich bei ihren schlechten Taten und niedriger Faulheit

Finde zu rühmen nichts, dass ich es sing oder schreib,

Besser wäre es, ihre Namen für immer vergessen,

Als zu schreiben ins Buch all ihre Schande und Schuld.

So wird das kommende Zeitalter keinen Lichtglanz mehr sehen

Von den Dingen der Welt, älterer Denkmäler Stein,

Und nun alles, was jemals in der Welt war von Würde,

Muss in der Dunkelheit sterben und liegen im Kot.

Darum traure ich auch mit tiefen Schmerzen im Herzen,

Weil ich nichts Edles mehr sehe, dass ich es besing.

Damit regnete Clio einen Schwall heißer Tränen,

Die ein steinernes Herz hätten zum Mitleid erweicht.

All ihre Schwestern leihen ihr die Muscheln der Ohren,

Manch ein schönes Gesicht schimmert bekümmert vom Salz.

Also endete sie und dann kam die nächste der Musen

Und beklagte ihr Weh, wie mir die Muse diktiert.

MELPOMENE


O wer tat doch füllen meine geschwollenen Augen

Mit der Tränen Meer, dass doch im Innern nicht bleibt,

Eine unverschämte Stimme, mit spannenden Schreien

Geht sie die Himmel durch, füllt sie das Ätherreich an,

Bin ich denn von Eisen, dass ich die Seufzer ertrage

Und das Elend der Welt sehe mit schauderndem Geist?

Ach die elende Welt, die finstere Höhle des Bösen,

Deformiert mit Kot, mangelt Gerechtigkeit ihr,

Ach die elende Welt, die schmutzige Hütte der Schwermut,

Sie ist erfüllt mit dem Wrack, elender Sterblichkeit Wrack,

Ach die elende Welt und eitel ist alles, was drun ist,

Die Vasallen des Zorns Gottes und Sklaven der Schuld!

Und die miserabelste Kreatur unterm Himmel

Ist der elende Mensch, ohne Vernunft ist er meist.

Alle diese Affären der Welt ist er weise zu tragen,

Er, des Glückes Freak, leerer Gelehrsamkeit voll.

Dieses elende Leben ist ihre einzige Freude

Und ihr närrischer Trost ist nur die irdische Lust.

Wollust wütet im Busen des ungeduldigen Menschen

Gegen das bittere Wort göttlichen Zorns und Gerichts,

Und die Wollust erlöst mit Regeln von scheinbarer Weisheit

Süße Gedanken, die blühn mitten im weltlichen Weh.

Ist der Mensch traurig, sucht die Wollust ihn fröhlich zu machen,

Und erquickt sein Gebein, das von Mühseligkeit matt.

Aber wer voll der Fähigkeit schöner Menschen-Vernunft ist,

Der will tragen den Stab göttlicher Weisheit allein,

Der ist wie ein Schiff, in der Mitte des Sturmes in Ruhe,

Ohne Helm und Pilot, schwankt es nicht mitten im Meer.

Ganz vollkommen ist die Schiffsfahrt über die Meersflut,

So ist der weise Mann, der sich der Weisheit vertraut.

Warum also denn törichte Menschen so sehr verachten

Jenen kostbaren Schatz himmlischen Reichtums und Huld?

Warum verbannen sie uns, die tragen zum Vorwand den Namen

Der Gelehrten, die höchst glücklosen Wesen der Welt,

Die ertrunken sind in ihrer Erbärmlichkeit Moder,

Aber sehen doch nicht, wie sie so unglücklich sind?

Meine Arbeit ist es und meine Geschicklichkeit ist es,

Tragische Bühnen zu füllen mit Masken des Wehs,

Dass ich fülle die Szene mit Weherufen und Schreien

Elender Menschen, die sind für das Unglück bestimmt.

Aber keine tragischen Stoffe kann ich mehr finden,

Wo die Menschen des Sinns und Verstandes beraubt.

All das Menschenleben scheint eine Tragödie heute,

Voll von trauriger Not, katastrophal ist das Leid.

Erstlich kommen sie auf die Erde mit Heulen und Weinen,

Alle Tage sind voll doch von des Todes Trophän,

So sind die Haufen des eitlen Glücks und der Furchtsamkeit Beute,

Und man legt sich zuletzt müd in das Bette des Grabs.

Alles ist voll mit rauschenden Schauspielen, Erden-Theater,

Das zu Megära passt oder Persephones Reich.

Aber ich, die möchte nur wahre Tragödien dichten,

Diese Blüte des Geists, finde zur Arbeit nicht Stoff.

Darum traure ich auch und fleh zu Gott um Erbarmen,

Weil zur Tragödie ich keine Materie hab.

Dann ward sie rasend, laut zu klagen und flehend zu ringen

Ihre Hände in Art jammernder klagender Fraun.

Alle ihre Schwestern gaben ihr Echo und Antwort,

Schrien lauthals den Schrei, trocknen die Tränenflut ihr.

Und so ruhte Melpomene. Und die nächste der Musen

Nun begann ihren Sang, wie mir die Muse diktiert.

THALIA.

Wo sind die süßen Freuden des Lernens, die Schätze der Weisheit,

Die mit dem komischen Schuh alles verschönert und schmückt

In den bemalten Theatern und füllte mit schönem Vergnügen

Augen der Sehenden, Ohren mit schöner Musik,

Da ich lange regierte als die Königin-Muse

Und das Maskenspiel freute mit Grazien-Huld?

Weh mir! Alles ist nun dahin und alle die Freude,

Alle die Herrlichkeit freundlichen Witzes und Geists,

Alles ist niedergeschlagen und ist jetzt nicht mehr zu sehen;

Und in den Zimmern hockt Schwermut und Kummer und Gram,

Ach, mit finsteren Augenbrauen und grimmigen Blicken

Sie verstören das Spiel heiterer Fröhlichkeit nur.

Und beim Barbarismus, dem hässlichen, sitzt nun der Böse

Und bei der Unwissenheit, die kommt aus tiefem Abyss,

Wo er gezüchtet wird, das Licht und den Himmel zu hassen:

Und in den Menschen der Feind herrscht jetzt als böser Tyrann,

Dass sie die schönen Akte und Szenen des heitern Theaters

Grausamer Unhöflichkeit hassen und bitter verschmähn.

Alle die Orte, wo sie die Dame Torheit studieren,

Sind mit Spielzeug erfüllt, alles vulgär und obszön.

Aber ich wurde verbannt mit allen anderen Musen,

Die in meinem Gefolg flohen die Obszönität,

Nun stattdessen unfeiner Spott und heillose Freuden

Decken mit scheinbarer Kunst Wonne und heiteren Scherz.

Alles das und anderes geht auf der komischen Bühne,

Ein beliebiger Witz, lieblose Lüste dazu,

Da das Leben des Menschen, in seinen schönsten der Bilder,

Eingeschläfert ward, alle sind völlig entstellt,

Und die geistreichen Witze wurden zum Aberwitz, zynisch

Und verzweifelt, und fort ist nun ein lachendes Spiel.

Und der Mann, den Mutter Natur sich selber erschaffen,

Dass er sich selber verspott, nachahme Wahrheit und Geist,

Der mit freundlichen Spielen ruhte im mimischen Schatten,

Weh mir, William ist tot, trat von der Bühne schon ab,

Und mit William die lustige Heiterkeit, freundliche Freude,

Alle sind tot und dahin, alles ertrunken in Qual.

Und stattdessen kam auf die Bühne blasphemisch Absurdes

Und die verächtliche Frau Torheit wird höchlich geschätzt,

Und es stolpern herein die Verse von schamloser Unzucht

Ohne Rücksicht auf Scham, nicht von der Ethik geführt,

Jeder leere Witz will ernten den Beifall der Menge,

Keiner will lernen mehr, weil es so mühselig ist.

Aber derselbe sanfte Geist, aus dessen Schwanenfeder

Ist geflossen die Milch, Honig und Nektar dazu,

Der verurteilt die Frechheit jener schändlichen Männer,

Die ihre Torheiten gern geben dem Publikum preis,

Er erwählt es lieber, allein in der Zelle zu sitzen

Und zu werden der Spott gottlosen Abschaums der Welt.

So bin ich die Dienerin jenes erleuchteten Mannes

Und das Lachen, der Scherz torheit-verachtenden Geists,

Nicht geehrt und gepflegt von irgendwelchen der Narren,

Aber verabscheut vom Dreck sinnlosen Pöbels als Nichts.

Darum traure ich auch und traure mit allen den andern,

Bis meine Seele frei wird von dem bitteren Gram.

Also klagte Thalia laut und strömte von Tränen

Über und über und nass wurde die Wange vom Tau.

All ihre Schwestern hörten mit Mitgefühl zu, wie sie klagte,

Wie ihr gebrochenes Herz stöhnte vor einsamem Leid.

Dann aber ruhte sie. Und dann die nächste der Musen

Hob das Klagelied an, wie mir die Muse diktiert.

EUTERPE

Wie der Liebling der Herrlichkeit in dem herrlichen Sommer,

Philomele, die Frau Nachtigall winters im Zorn,

Wenn die lieblichen Felder, sonst so grünend, gestorben,

Einst in Farben getaucht, nun nur noch öde und grau,

Trotzig versteckt die Nachtigall dann ihr fröhliches Köpfchen,

Während der traurigen Zeit, da sie als Witwe geweint.

Also haben wir Ohren, gewöhnt an süße Akkorde,

Jeden irdischen Ort füllten mit Tönen wir an,

Während der gnädigen Zeiten haben uns freundlich geholfen

Freude und Freiheit, die Welt schön zu bezaubern mit Charme,

Alles nun trostlos sitzt auf nackten Ästen des Winters,

Nur die Krähe krächzt winterlich zornigen Lärm.

Denn an bittere Stürme ist in den Ställen des Winters

Alle Schönheit der Welt sinnlos verschwendet und hin,

Und die frischen Knospen, die alle so schön in der Pracht sind,

Sind jetzt böse verklagt, alle die Blüten verwelkt,

Jene jungen Pflanzen, die einst beladen mit Früchten,

Sind jetzt ohne Frucht, ohne das grünende Laub.

Eine steinige Kälte hat die Sense geschliffen,

Lebhafte Geister sind hin, alles Lebendige fort,

Und beschattet von dunkler Nacht sind die Inelligenzen,

Nur kymmerische Nacht herrscht noch auf Erden und Frost,

Ungeheuerliche Fehler nun fliegen in Lüften,

Abgewandt das Gesicht traurig von allem, was schön.

Bilder von höllischem Horror, Ignoranz nur und Torheit,

Sind geborn in der Brust schwarzen Abyssus und sind

Aufgezogen mit der Milch der Furien, Hexen,

Ach, dies schwächliche Kind ward von der Hexe genährt,

Gähnend das Faultier schaut auf die Nacht der eigenen Mutter,

So sind die Söhne dahin, so sind die Brüder dahin.

Er, verarmt durch Blindheit und mit tapferem Mute,

Denn der Blinde ist kühn, hat all den Lichtglanz verlorn,

Und er sammelte sich auf den zerlumptesten Wegen

Faune und Satyrn all, was durch die Wohnungen rast,

Und durch die keuschen Gärten, in denen die Tugenden herrschen

Er mit Brutalität wütet und Terror und Hass.

Ach des heiligen Helikon Quellen, vom Fuße des Pferdes,

Sind so oft getrübt worden von Klagen und Leid,

Und die sprechenden Ströme der reinen kastalischen Quelle,

Dieses Zeugnis des Ruhms unsres gewöhnlichen Lobs,

Sie zertrampelten sie mit ihren eisernen Hufen,

Machten zu Pfützen sie, voll von dem Schlamme des Kots.

Unsere angenehmen Gärten, gepflanzte mit Schmerzen,

Die mit süßer Musik oftmals geläutet im Lenz,

Und die grünen Auen, wo Hirten schwankten mit Lämmern,

Hören kein Hirtenlied mehr, Wechselgesänge wie einst,

Alle Freuden und Vergnügungen sind nun vermindert,

Pastorale wie einst tönen nicht mehr in der Welt.

Nein, statt dessen die diebischen Elstern und schreienden Eulen

Mit dem Todesgeheul füllen die Orte allein,

Und die schwächliche Echo heult jetzt mit Weinen und Jammern

Ihren schwachen Akzent, ihren verzweifelten Schrei.

So ist alles verwandelt worden in Wildnis und Wüste,

Während die Torheit den Chor heiliger Musen bedrängt.

Ich nun, Euterpe, deren Geist war voll Freude,

Die ich die Flöte gelehrt, wie man sie blase voll Lust,

Meine Geister sind alle jetzt stumpf von tödlichen Schmerzen,

Meine Misere schweigt nun in der Stille der Nacht.

Darum traure ich auch mit unaufhörlichen Seufzern,

Bis der Himmel mir hilft und all mein Flehen erhört.

Damit jammerte sie mit unaussprechlichem Wehe,

Und die Lamentation voll ihrer Leidenschaft klang,

Alle Schwestern, die heiligen Musen, sahen die Schwester,

Und mit dem selben Lied nahmen sie teil an dem Leid.

Daraufhin ruhte sie. Und die nächste der Reihe

Kam und klagte ihr Leid, wie mir die Muse diktiert.


TERPSICHORE

Wer war in dem Kreise der weichen gemütlichen Freuden

Lange eingelullt und von Vergnügen genährt,

Furchtlos durch seine eigenen Fehler und Geister Fortunas

In die Trauer gestürzt und in Bedauern versenkt,

Wenn es ihm möglich, in furchtbares Unglück zu fallen,

Findet er größere Last eigenen Elends im Geist.

Also haben wir jenen, der jung in Wonnen gelebt hat,

Und in dem Busen saß süßer Glückseligkeit er,

Wie die jungfräulichen Königinnen mit Lorbeer-Girlanden

Für der Tugend Lob und für den geistigen Ruhm,

Seit nun die Ignoranz beherrscht unser Königreich herrisch,

Ist er der elendste Nacht-Wächter auf irdischem Grund.

Auf die königlichen Throne, die standen zu Zeiten,

In der Menschen Herz, sie zu beherrschen mit Macht,

Hat nun die Ignoranz gelegt ihre Brut, die verfluchte,

Von ihr selber geborn, als sie begattet der Neid,

Blinder Irrtum und niedrige Geister, verächtliche Torheit,

Welche regieren nun falsch, wo einst das Recht uns regiert.

Sie nun auf vulgäre Weise blasen die Flöten,

Machen fröhlichen Lärm, wie er dem Dummkopf gefällt,

Fröhlich singen sie und reimen Liebe auf Triebe,

Furchtbar herrscht die Gewalt ihres phantastischen Wahns,

Und sie füttern die Ohren der Narren mit schmeichelnden Worten,

Geben dem Guten die Schuld, doch wird der Böse gelobt.

Alle Orte, die sie mit ihren Spielzeugen füllen,

Sind für die Menge gemacht, die wird regiert von der Lust,

Und die Schulen erfüllen sie mit neuen Ideen,

Und am Hofe der Stolz unhöfisch herrscht mit Betrug,

Mitten unter einfachen Hirten, die rühmen ihr Liebchen,

Machen sie ihre Musik, sagen, die Kunst seis Apolls.

Edle Herzen verführen sie zu Lust und Vergnügen,

Und sie sagen dem Prinz, Lernen sei Eitelkeit nur,

Schöne Damen lieben sie nur mit frechen Gedanken,

Sanfte Geister nur mit der Begierde Gewalt,

Angestellte sind sie der alten ekligen Dummheit,

Bücher häufen sie an, drin wird das Laster verklärt.

Überall wo sie herrschen, wo sie tyrannisieren,

Sorgen für den Erhalt ihrer begehrlichen Macht,

Sehen sie uns als törichte Jungfrauen, die sie verachten,

Und mit Vorwurf und mit bittrer Beleidigung nahn,

Wir sind exiliert von unserem heimischen Erbe,

Auf dem Spaziergang der Welt, voll von der Revolution.

Noch, noch darf man uns nicht rufen, uns heilige Musen,

Oder ist es erlaubt, dann nur zum törichten Spaß,

Zu der Unterhaltung, es sei denn, sanftere Weise

Haben Mitleid mit uns, Mitleid mit unserem Weh,

Jene geben etwas Erleichterung uns in den Nöten,

Und so erleichtern sie unsere elende Qual.

Also wandern wir sorgfältig, voll von quälendem Kummer,

Dennoch kümmert sich nichts, keiner um unseren Trost,

Also helfen wir uns selber, die Tränen zu trocknen,

Aber Antwort gibt keiner auf unseren Ruf,

Darum beschweren wir uns und suchen Trost bei uns selber,

Weil kein Mitleid mehr ist mit uns in herzloser Welt.

Damit weinte sie und liebte die anderen Musen,

Dass auf der Erde wird ihre Bedrängnis gestillt,

Und sie sagte alles, was ihre Klugheit gegeben,

Und mit stöhnendem Schrei lag sie im Todeskampf da.

Also endete sie. Die Nächste kam an die Reihe,

Und begann mit dem Lied, wie mir die Muse diktiert.

ERATO

O ihr zärtlichen Geister, die ihr atmet von oben,

Wo ihr in Venus Hain gut seid erzogen von ihr,

Mit den Gedanken halbgöttlich, voll von dem Feuer der Liebe,

Von der Schönheit entflammt und von der Wollust genährt,

Was ihr jetzt mit Sicherheit habt in heiterer Liebe,

Du vergesse nur bald, ach, deiner Schwermut Gewalt.

Ändere nun den Tenor deiner freudigen Leiden,

Der du dein Liebchen gebraucht, sie zu vergöttlichen schön,

Schüchtern ein flüchtiges Lied zu singen der Göttin-Geliebten

Über dem Kompass hoch in dem gebogenen All,

Ändere deinen Lobpreis nun in der Leidenschaft Schreie,

Und den Lobgesang wandle ins Klagelied um.

So wie ihr auch nicht die bitteren Mächte besessen

Wütender Liebeslust, als euch Cupido gequält,

Lasst nun eure Herzen ertönen mit kläglichen Wunden

Von geheimem Weh, traurigem langsamem Schmerz,

Bis euch eure Geliebten angenommen in Gnade,

Die jetzt erneuern euch passend zum Orte der Huld.

Denn ich beherrsche mich in mäßig müßiger Ruhe,

Stürmischer Leidenschaft Sturm wird so zur Ruhe gebracht,

Und benutze die Verse, ruhlosen Zustand zu malen

Von des Liebenden Sein, schön in der Mode und Art,

Und ich gehe aus meiner Art geschickter Begnadung

In die Verbannung durch die, welche nur lieben die Lust.

Eros wird nicht Schulmeister meiner Fähigkeit werden,

Der die Vorsicht übt mir in der Sache des Lieds,

Süßer Eros, ohne Krankheit, Eitelkeit, Wahnsinn,

Rein und makellos, wie er als Erster entsprang

Aus dem Schoß des Allmächtigen Vaters, wo er genistet,

Der die Sterblichen nun, all seine Brüder entflammt.

Solche Übereinstimmung hohen himmlischen Feuers

Die geborene Brut blinder Betrüger nicht kennt,

Nie, nie wagen sie ihre frechen Gedanken zu heben

Zu der Perfektion höchster vollkommner Idee,

Aber reimen Triebe und Liebe, wütend in Wollust,

Doch wo wenig geschieht, schon ist das Meiste dahin.

Schöne Kythere! Heilige Mutter der göttlichen Wonne!

Schönheitskönigin! Nimm deinen Koffer mit dir,

Denn jetzt bist du verbannt, deiner Liebe Reich ist verurteilt,

Ach dein Zepter zerbrach, ach deine Macht ward zum Wrack,

Und dein lustiger Sohn, der geflügelte Engel der Liebe,

Wie die Taube entflieht dieser verdorbenen Zeit.

O ihr göttlichen Zwillinge, von der Venus geboren,

Süße Begleiter ihr waret der Muse dereinst,

Treue Freunde von allem, was gut gedacht und erdichtet,

Himmlische Gnade leiht, segnet phantastischen Traum,

Geht mit uns und seid die Begleiter unserer Wege,

Wie es herrlich einst war, ist es nun übel und schlimm.

Ach du wirst nicht mehr finden Unterhaltung und Freude,

Sei es nun an dem Hof, seis in der Schule der Welt,

Weil, was bisher berücksichtigt wurde in Liedern der Liebe,

Ist nun das Unkraut des Mobs, närrischen Pöbels Begier.

Aber ich singe von Liebe und schaffe liebende Lieder,

Und sie werden gehört und von der Nachwelt gerühmt.

Damit hat sie vergossen überfließende Fluten,

Bitterer Tränen Strom, und sie benetzte ihr Kleid,

All ihre Schwestern sahen ihre traurige Stimmung,

Und mit Lamentation hat sie bekundet ihr Leid.

Also endete sie. Die Nächste kam in der Reihe,

Und sie begann mit dem Lied, wie mir die Muse diktiert.

CALLIOPE

Wem denn soll ich meine schreckliche Sache erzählen

Oder bekennen die Angst innerer Schmerzen in mir,

Seit da keiner ist übrig, meine Schmerzen zu heilen,

Keiner schreit da und hilft, keiner hat Mitleid mit mir,

Vielmehr versuchen sie alle, meine Not zu vermehren

Mit des Vorwurfs Pfeil, schlimmer Verbannung dazu!

Nämlich die, auf die ich vertraute, die ich umworben,

Dass sie treu den Dienst meiner Gelehrigkeit tun,

Jene Guten aus der Quelle der Nachkommen Joves,

Die nicht erfüllen die Welt mehr mit gesegneter Tat,

Deren Leben zu loben sei im Stile der Helden,

Der ist nun als Chef nicht mehr beliebt in der Welt.

Alle sind korrumpiert durch den Rost der eisernen Zeiten,

Da ist nicht mehr das Ding schön in der irdischen Welt,

Unnoble Faultiere herrschen oder Sünder, Verbrecher,

Dass entartet ist leider das Menschengeschlecht,

Haben doch alle schon die würdigen Taten verlassen

Und der Name und Ruhm wahrer Gelehrter ist hin.

Keiner kümmert sich mehr um den Stammbaum heiliger Ahnen,

An die Helden von einst denkt keine Seele zurück,

Niemals pflegen sie ihre Tugend der kommenden Nachwelt,

Dass man des Namens gedenkt, dass man den Lobpreis erhebt,

Aber sie sterben vergessen, von wo sie zuerst sind entsprungen,

Wie sie lange schon in der Vergessenheit sind.

Was denn nützt es, abzustammen von glorreichen Ahnen

Oder adliger Zucht, was nützt der Vorfahren Ruhm?

Welche Chancen sind zwischen dem Irus und dem Inachus,

Beide gut und schlimm, wenn sich sind ähnlich die zwei,

Wenn da keiner von keinem machen sollte Erwähnung,

Außerhalb aber des Staubs keine Erinnerung wächst?

Oder wer würde sie jemals tun, die mutigen Taten,

Oder in Tugend bestrebt, über den andern zu stehn,

Wenn ihm niemand geben möchte verdiente Belohnung,

Lob, der ist der Sporn, Stachel zu gutem Werk?

Denn wie Gutes nicht mehr gelobt wird als das Verdorbne,

Keiner dann zerreißt sich für die heilige Tat.

Darum bin ich die heilige Amme der göttlichen Tugend

Und der goldene Schall ewigen Hornes des Ruhms,

Welcher niedriges Denken erhebt zu der Höhe des Himmels,

Die ich den sterblichen Mann hab zu verklären die Macht,

Bacchus und Herkules kamen so in den olympischen Himmel,

Carolus Magnus dazu auch nun im Himmelszeit strahlt.

Aber jetzt muss ich die goldne Trompete zerreißen,

Jetzt wird keiner mehr sein von mir verewigt im Ruhm,

Seit ich niemand mehr finde, der noch würdig des Lobes

Für den inneren Wert oder die Weisheit im Geist,

Denn die Adligen, welche sonst ich gepflegt zu erheben,

Suchen nur irdische Lust, nichts tun sie mehr für den Ruhm.

Ihre großen Profite alle in prächtigem Hochmut

Sie verbringen so leer, dass nichts zu lernen davon,

Und die reiche Fee, die den armen Dichtern nicht günstig,

Säulenheiligen hilft oder Schmarotzern im Staat,

Darum traue ich mich und beklage endlose Schmerzen,

Meinen eigenen Schmerz, den meiner Schwestern dazu.

Dieses tönte sie laut, mit heftigem Heulen und Schreien,

Und von den Augen fuhr mächtig von Tränen ein Strom,

Ihre Schwestern voll Mitgefühl, Barmherzigkeit, Mitleid,

Haben mehr noch erhöht ihren laut jammernden Schmerz.

Also endete sie, die Nächste kam an die Reihe,

Und sie klagte ihr Weh, wie mir die Muse diktiert.

URANIA

Welcher Zorn der Götter oder der grimmige Einfluss

Von den Sternen im All elende Menschen befällt,

Hat ergossen auf diese Erde den stinkenden Pesthauch,

Dass der sterbliche Geist krank ist geworden davon,

Mit der Liebe zur Blindheit des Geistes, zur Torheit,

Wohnend in Dunkelheit, ohne die Herrschaft des Herrn!

Welche Unterschiede sind zwischen Menschen und Tieren,

Wenn das himmlische Licht göttlichen Wissens erlischt

Und die Ornamente des Geistes der Weisheit beraubt sind?

Dann, dann wandert der Mensch dumm nur in Irrtum und Trug,

Immer voll Zweifel, unwissend der Gefahren, die drohen

Durch das schwache Fleisch und durch den sündigen Trug.

Ach auf dieser Erde, wo sie als Elende irren,

Geist ist der einzige Trost, Weisheit die Tröstung allein,

Geist ist ihr Licht, ihr führender Stern, die Sonne des Tages,

Aber im höllischen See Dunkelheit, und in dem Grab

Herrscht die Torheit, Frau Torheit, die grausige Feindin der Gnade,

Aber die Gnade gebiert himmlisch den menschlichen Geist.

Durch das Wissen erkennen wir die Schöpfung des Kosmos,

Wie in der Wiege zuerst lag da das All als ein Kind,

Wir sind Richter der schlauen Operationen der Schöpfung,

Wie aus dem Chaos sie wurde zur herrlichen Form,

Durch das Wissen auch erkennen wir unsere Seele

Und was dem Nächsten gebührt, und was dem Schöpfer gebührt.

Und von dort wir steigen hinauf in den heiteren Himmel,

Schauen den klaren Kristall, sehen das Firmament an,

Dort wir sehen die Hierarchie der Himmel des Himmels,

Sehen der Sterne Licht, Sphärenbewegungen schnell,

Sehen die Geister und die Intelligenzen des Himmels,

Engel stehen am Thron ihres allmächtigen Herrn!

Dort mit der Demut im Verstand und der Einsicht im Herzen

Sehn wir die Majestät, ewigen Schöpfergeist, dich,

Deine Liebe und Weisheit, deine Schönheit und Stärke

Und Barmherzigkeit über die Menschenvernunft!

Souveräner Herr! O welche Glückseligkeit ist es,

Dich zu schauen im Geist, maßlose Gnade und Huld!

Solche Freuden haben allein, die innig umarmen

Meine Gebote und meiner Verordnungen Bund,

Aber Schande und Tristesse und Sündenfalls Flüche

Jene, die der Kunst Schule verachten im Geist,

Die verbannen Urania, die ich die Fähigkeit habe,

Die den Menschen erhebt, dies durch die Demut geschieht.

Doch, doch muss ich sie verachten, sie sollen verschwinden,

Die ich vergebens genährt mit der Zufriedenheit Geist,

Und ich bitte mein Selbst, sich zu freuen am eigenen Geiste

In der Beschauung der Huld, die von dem Himmelreich kommt.

Also, abscheuliche Erde, ich schaue zum heiligen Himmel

Und so fahre ich auf, werde im Himmel gekrönt.

Aber dann seh ich das Elend all der törichten Menschen,

Die nicht Glückseligkeit wollen, die Weisheit verschmähn,

Hausen wie wilde Tiere in ekelhafter Behausung

Von gespenstischer Nacht, ach und in grässlichem Hass!

Über jene ich traure und muss mich selber beschweren,

Auch meine Schwestern sind von diesen Narren verschmäht.

Dieses sprach sie unter Tränen und weinte so kläglich,

Dass ihr Augen zwei Quellen geworden von Tau,

Alles andere, was ihre Trauer noch hatte zu sagen,

Wurde begleitet vom Schrei. O wie Urania schrie!

Also endete sie. Die Nächste kam in der Reihe

Und begann von dem Weh, wie mir die Muse diktiert.

POLYHYMNIA

Eine schmerzreiche Sache fordert schmerzreiche Lieder

Ohne eitle Kunst, ohne der Neugierde Traum,

Und die schwache Fortuna ist in Gemeinheit versunken,

Gott verzeihe den Stolz dieses poetischen Schmucks,

Aber für mich allein sind diese bescheidenen Strophen,

Dass ich mein Leiden erzähl, unübertrefflich und groß.

Nämlich die süßen Versfüße und die melodischen Metren,

Die mein geflügeltes Wort reden mit herrlicher Kunst,

Machen einen schönen Gesang der himmlischen Wonne,

Und jetzt mach ich mich frei von der Verstrickung der Welt,

Frei von denen, die die Künste nicht richtig beherrschen,

Die die Freude, das Glück haben verloren im Geist.

Haufen riesiger Worte, aufgerichtet mit Schrecken,

Ja, mit schrecklichem Klang, ja, auch mit Mangel an Sinn,

Also denken sie, der Ruhm der Poeten zu werden,

Aber die Intelligenz fehlt diesem närrischen Mob,

Haben sie etwa Visionen von poetischer Schönheit?

Ihre Phantasie preist nur die Monster der Nacht.

Während in Zeitaltern vorher konnte niemand bekennen,

Fürsten und Priester allein, diese geschickliche Kunst,

Ihre weisen Gesetze werden sie nimmer verraten,

Die mit Orakel und Omen erfüllen den Vers,

Voll von souveräner Würde war damals die Dichtkunst,

War das Hätschelkind heiligen Adels von Gott.

Jetzt aber wird sie nicht mehr betrieben von Fürsten und Priestern,

Jeder, das ist ihr Leid, jeder will Dichter nun sein

Im Geschmack vulgären Pöbels, mit unreinen Händen,

Wagt es dieser Mob, Dichtergeheimnis zu schmähn,

Und sie treten inmitten jener heiligen Dinge,

Welche pflegten sehr schön Kaiser und Könige einst.

Wahre Kunst lebt nur mit Ornamenten der Schönheit

Als das Spiegelbild schöpfrischen Geistes allein,

Der mit heiliger Gnade und reichen Charismen Lob singt,

Lobpreis unterstützt mit der poetischen Kunst,

Nimmer begünstigt sie geldlich die Dichter, die sie bekennen,

Aber Poetin voll Geist ist Gottes Herrlichkeit selbst!

Einzigartige Fürsten, einzigartige Dichter

Loben Pandora, sie, Inbild der Weiblichkeit, die

Göttin Elisabeth, heilige Kaiserin droben im Himmel,

Lebe sie ewig und jung, ewig jungfräulich am Ort,

Sei sie mit Weihrauch umräuchert, mit Lobpreis des göttlichen Witzes,

Die im Himmlischen Buch ewig verzeichnet von Gott!

Einige wenige haben die weisen Geschicklichkeitskünste,

Sie verehren zu Recht göttlicher Herrlichkeit Frau,

Die mit ihrer jungfräulichen Schönheit erleuchtet die Erde,

Die die Menschheit erfüllt frisch mit den Strömen der Huld,

Die sich in ihrer Weisheit erhob mit prophetischem Weitblick,

Dass die Engel ihr Lob singen poetischer Kunst!

Aber der dreckige Rest, geborene Kinder der Torheit,

Von den Eicheln genährt wie der verlorene Sohn,

Kennen nicht das Festbankett am Tische der Weisheit,

Nur gemein ist ihr Kopf, blind ist ihr finsterer Geist,

Und sie schauen nimmer der Wahrheit Sonne des Tages,

Darüber weine ich sehr, weine so bitter ich kann.

Solch ein riesiger Vorrat an Tränen, den sie verströmte,

So als ob sie nun wär ganz nur aus Wasser gemacht,

Alle ihre Schwester bedachten die traurige Muse,

Weinten alle neun, weinten von Tränen ein Meer,

Schließlich alle sie ihre Instrumente zerbrachen!

Ach, unsagbar der Schmerz, dass ich vor Wehtum verstumm!