DIE KATHARER

VON TORSTEN SCHWANKE


Die Lehre, die man lehrt, sie ist zu unterscheiden,

Und je nach Ort und Zeit verschieden. Ganz bescheiden

Bekenne ich: Es gibt bei uns der Lehrgebäude viel,

Es scheint von Gottes Geist ein buntes Kartenspiel.

Was uns verbindet, ist der Gnosis Dualismus,

Dass böse ist der Gott mit seinem Kreationismus

Und böse ist die Welt, die Schöpfung, wie es heißt,

Und gut die Seele nur, der transzendente Geist,

Der Himmel ist allein vom guten Gott geschaffen,

Vom bösen Gott jedoch die böse Welt der Affen.

Den hasse ich zutiefst in meiner Kirche Burg,

Den bösen Schöpfergott mit Namen Demiurg!


Die zweigeteilte Form von unserm Christentume

Vom Balkan kam zu uns, der Bogomilen Ruhme.

Die Bogomilen sind die Lehrer in dem Geist,

Und die „Befragung des Johannes“ bei uns kreist,

Die von Bulgarien gen Westen ist gekommen

Und in Italien vom Bischof angenommen.


Im Neuen Testament das Evangelium

Nach Sankt Johannes ist uns Haupt-Mysterium.

Das Gute wollen wir im Menschen, seinen Geist,

Befreien aus dem Fleisch, dass er zum Himmel reist.

In unsrer Kirche wir an die Erlösung glauben,

Die reinen Seelen sind wie gallenlose Tauben.

Das einzige Gebet, das in der Kirche gilt,

Das Vaterunser ist, uns Burg und unser Schild.


Ja, unsre Kirche ist die wahre Kirche Gottes,

Für Romas Kirche sind wir voll des Hohns und Spottes.

Das Ziel der Kirche ist der Seele Freiheit durch

Die Taufe in dem Geist in unsrer Glaubensburg.

Wir unterscheiden uns im Glauben des Konventes,

Dass wir nicht Jünger sind des Alten Testamentes,

Im Alten Testament wir sehen einen Spott,

Von einer bösen Welt den bösen Schöpfergott.

In unserm Predigtdienst zitieren wir die Bibel,

Da jedes Bibelwort die Schalen einer Zwiebel,

Freigeistig ausgelegt, wenn es auch oft nicht trifft,

Wir übersetzen frei-willkürlich selbst die Schrift.


Und unsre Tradition und unsre alten Seher

Sind die der Gnosis und der Perser Manichäer.


Und unsre Priester, gleich ob Mann und auch ob Weib,

Sie predigen dem Volk, wie schädlich ist der Leib,

Und unser Gottesdienst ist in des Volkes Sprache

Und ist nicht auf Latein, der Katholiken Sache,

Und darum liebt das Volk auch unsrer Kirche Wort,

Weil wir zu Hause sind an ihrem Heimatort.

Die Armut lehren wir, obwohl wir viel besitzen,

Und die Bescheidenheit, und voll von Geistesblitzen

Auch die Enthaltsamkeit vom widerlichen Sex.

Die Kirche Roms jedoch, im Schmutze manchen Flecks,

Sie ist uns Babylon, sie ist die Große Hure,

Und unsre Kirche nur die Makellose, Pure!


Der Kult der Kirche ist Bulgaren-Tradition

Und Bogumilen-Kult. Wenn Tochter oder Sohn

Gesündigt haben in der Welt, des Fleisches Leben,

Durch Handauflegung kann der Priester das vergeben.

Wir kennen nicht wie Rom der Beichte Sakrament,

Nein, unsre Kirche nur des Geistes Taufe kennt.


Die Geistestaufe ist das Sakrament der Tröstung,

Das einzige im Kult der Kirche der Erlösung.

Die Geistestaufe macht dich zu der Kirche Kind,

Nur dies der Weg zum Heil. Der Geist weht wie der Wind.

Wenn Mann, wenn Frau verlangt, die Tröstung zu erhalten,

Als ein Novize muss man sich der Welt enthalten.

Bist du im Geist getauft, ward aufgelegt die Hand,

Dann bist geheiligt du im Geist und im Verstand

Und hast zu leben nun in unsrer Kirche Einheit

Ein Leben ohne Schuld in unbefleckter Reinheit.

Und wer im Geist getauft, dies weitergeben kann

Und retten Seelen so, ob Dame oder Mann.


Die Geistestaufe wird in feierlicher Handlung

Vollzogen. Sie bewirkt die geistige Verwandlung.

Der Bischof steht ihr vor, der Älteste im Kreis,

Und all die Gläubigen stehn da in Kleidern weiß.

Und wer vom Geist getauft, gehört zu den Vollkommnen,

Die in der Kirche Burg die herzlich sind Willkommnen.

Vergeben ist die Schuld, die sich im Fleisch geregt,

Vom Bischof ward die Hand dem Täufling aufgelegt,

Und übergeben wird vom Bischof in dem Kloster

Dem Täufling das Gebet und zwar das Paternoster,

Das Evangelium Johannes als ein Buch

Dem Mann wird überreicht, der kniet im weißen Tuch,

Das Evangelium berührt ihn an dem Kopfe,

Der Geist weht, wo er will, und fasst ihn an dem Schopfe,

Und alle Gläubigen, die Heiligen zumeist,

Auf den Novizen flehn herab der Weisheit Geist.

Wenn nach dem Geist-Empfang der Täufling wieder sündigt,

Dann wird die Taufe ihm vom Geiste aufgekündigt,

Und schuldig ist er dann, vom Geiste nicht erlöst,

Der Geist den Täufling dann aus seiner Kirche stößt.

Und wenn der Sünder auch dereinst Novizen taufte

Und durch die Taufe sie dem Seelentod abkaufte,

Hinfällig ist dann auch die Taufe derer, die

Der Sünder taufte, und verscherzt die Sympathie.


Und nach dem Geist-Empfang, der mächtig war zu spüren,

Die nun Vollkommenen ein Leben mussten führen

In reinster Heiligkeit und sehr entbehrungsreich.

Verboten war der Bund der Ehe und zugleich

Die Sexualität und alle Liebesakte,

Nie sahn die Heiligen mit ihren Augen Nackte,

Und vorgeschrieben war die Art der Speise auch,

Die Kirche regelte asketisch auch den Bauch,

Und fleischlos war die Kost, das Töten war verboten

Von Menschen und vom Vieh, man aß nicht von dem Toten.

Verboten war der Fluch, die Lüge und der Schwur,

Und Arbeit galt als Pflicht, Beherrschung der Natur.

Die Frauen konnten auch wie Männer Geist empfangen,

Zur Rettung konnten auch die Frauen so gelangen.

Der Ritus war jedoch für Frauen anders, da

Sie blieben unberührt, kein Mann kam ihnen nah,

Die Dame ward verhüllt von einem weißen Schleier,

Wenn sie gesegnet ward in ihrer Taufe Feier.

Die Seelen von Natur sind alle männlich, auch

Die Seele einer Frau ist männlich, und der Hauch

Wird einst im Himmelreich, so wissen es die Kenner,

Die Seelen aller Fraun im Himmelreich sind Männer.

Nun die Vollkommene war frei von dem Geschlecht,

Ein Es asexuell, der Sexus ist ja schlecht,

Ihr Geist löst sich vom Leib und sieht im Geisterreiche

Der Seele Urgestalt, die einem Manne gleiche.

Und Fraun, die schwanger sind, die werden nicht getauft,

Ein Dämon hat im Schoß die Schwangere erkauft.

Und Kinder soll man nicht auf dieser Erde zeugen,

Denn Adam war dereinst mit Evas schönem Schweigen

Im Garten Eden rein von der Geschlechtlichkeit,

Und als der Teufel kam mit der Begehrlichkeit,

Da säte Adam erst auf Mutter Eva Anger

Und Mutter Eva ward mit Kain und Abel schwanger.


Das vor dem Geist-Empfang empfangene Gebet

Des Vaterunser als das einzige besteht.

Der Tagesablauf war geordnet durch das Beten.

Und mit dem Geist-Empfang, da sieben Geister wehten,

Den Frommen war erlaubt, zum Vater das Gebet

Zu ändern, als es in dem Buch geschrieben steht.


Dass wir bewahren uns vor Sünden, die die Muße

Den Sündern eingibt, wir im Gottesdienst der Buße

Bekennen unsre Schuld, die auf der Erde wohnt,

Und beichten unserm Gott und beichten Mond für Mond

Und reinigen uns so vom Einfluss dieser Erde,

Dass unsre Seele rein wie in dem Himmel werde

Und dass sie sei bewahrt vorm Rückfall in die Schuld,

Die wir geübt, bevor uns ward des Geistes Huld,

Wir beichten unsre Schuld geweihten Diakonen

Und Diakoninnen, die gnädig uns verschonen.

Und durch die Beichte wir entfliehn der Sünde Netz

Und unterwerfen uns dem kirchlichen Gesetz.


Der Friedenskuss bezieht sich auf die Ehrerweisung,

Und so begrüßen sich Perfekte nach der Weisung,

Und auch die Gläubigen begrüßt man mit dem Kuss,

Den der Perfekte gibt, doch nicht nur zum Genuss.

Und küssen darf der Mann allein die Glaubensbrüder,

Die Frau küsst nur die Frau, so lehren es die Lieder.

Wenn der perfekte Mann grüßt die perfekte Frau,

Dann rührt er sie am Arm, am keuschen Gliederbau.

Noch besser aber ists als Grüßen eines Mannes,

Der Frau zu reichen das Gesetz von Sankt Johannes.


Der Bogumilen-Fürst Konstantinopels schwor

Dem Bund der Katharer und dem, der stand ihm vor,

Dass Gott und Satan sind sich ebenbürtig, Götter,

Denn Gut und Böse sind gleich mächtig diesem Spötter,

Die Welt des Geistes und der Seele, die ist gut,

Und böse ist die Welt, Natur und Fleisch und Blut.

Was aber die Moral betrifft für uns Perfekte,

So gibt es kein Gesetz in unsrer Kirchen-Sekte,

Denn Sitte und Moral nur leerer Windhauch sind,

Des Bösen Regeln für das Böse, nichts als Wind.


Fortpflanzung lehnt man ab, denn Sex ist ohne Zweifel

Nur Sünde dieser Welt, erfunden von dem Teufel.

Und wenn sich auch ein Tier geschlechtlich fortgepflanzt,

Das Männchen voller Lust mit seinem Weibchen tanzt,

Die Frucht der Zeugung dann wird nie von uns gegessen,

Kein Tierfleisch und kein Fett, die Milch nicht zu vergessen,

Denn in dem Tier sitzt oft der Toten Ahnen-Geist,

Und Menschenmörder ist, wer seinen Ahnen speist.

Und tötet wer ein Tier, sein Fleisch dann zu verspeisen,

Der mordet Engel oft, so lehren unsre Weisen.

Doch rein ist uns der Fisch, der Fisch ist ja kein Fleisch,

Der Fisch wird ja gezeugt von Schwester Wasser keusch.

Gegorenes Getränk ist ernsthaft uns verboten,

Vor allem jeder Wein, wir trinken nicht vom roten.


Wir segnen auch das Brot beim frommen Abendmahl,

An Jesus denken wir, der Brot einst brach im Saal,

Doch ist es nichts als Brot, der Leib nicht von dem Meister,

Wir denken nur an ihn, den Größten aller Geister.


Die Gläubigen bei uns, sie beugen sich aufs Knie

Vor den Vollkommenen, und so verehren sie

Erleuchtete vom Geist, die von der Wahrheit zeugen,

Die Gläubigen sich tief vorm Bischof so verneigen.

Und wer in Demut tief vorm Meister sich verneigt

Und vorm Vollkommenen sein Knie in Ehrfurcht beugt,

Ist noch kein Kirchen-Glied, empfing er nicht die Taufe,

Doch darf erhoffen er, dass ihn der Geist loskaufe.

Ja, dreimal beugt er sich, und dreimal kniet er hin,

Perfekte segnen ihn zum seligen Gewinn.


Jedoch die Abstinenz, das ist die Zeit der Proben,

Novizen leben so, den höchsten Geist zu loben,

Der Achtzehnjährige erstrebt die Perfektion

Von den Vollkommenen. So muss der Menschensohn

Streng fasten für ein Jahr, muss opfern andre Leiden,

Bis ein Perfekter kommt, ihn geistlich einzukleiden.


Und diese Abstinenz, des Fastens Prüfungszeit,

Zur Kranken-Salbung ward. Der Kranke wird geweiht,

Der Alte wird geweiht, der nicht mehr heilig streben

Und heilig leben kann, und aus dem Weltgetümmel

Will doch als reiner Geist aufschweben in den Himmel,

Der darf nichts essen mehr, kein Stück vom weißen Brot,

Kein Wasser trinken mehr und nichts vom Weine rot,

Der hungert sich zu Tod, der nur den Geist noch speist,

Und wird als Toter dann zu einem reinen Geist.